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Die Amtsträgereigenschaft eines freiberuflichen Planungsingenieurs.

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Schramm: <strong>Die</strong> <strong>Amtsträgereigenschaft</strong> <strong>eines</strong> <strong>freiberuflichen</strong> <strong>Planungsingenieurs</strong> JuS 1999, Heft 4 333<br />

Edward Schramm<br />

<strong>Die</strong> <strong>Amtsträgereigenschaft</strong> <strong>eines</strong><br />

<strong>freiberuflichen</strong> <strong>Planungsingenieurs</strong> –<br />

BGHSt 43, 96; BGH, NJW 1998, 2373<br />

Abgedruckt in:<br />

Juristische Schulung 1999, S. 333-339.<br />

(Seitenumbruch wie im Original)<br />

Wiss. Mitarbeiter Edward Schramm, Tübingen<br />

<strong>Die</strong> <strong>Amtsträgereigenschaft</strong> <strong>eines</strong> <strong>freiberuflichen</strong><br />

<strong>Planungsingenieurs</strong> – BGHSt 43, 96;<br />

BGH NJW 1998, 2373 *<br />

Im ersten Urteil (BGHSt 43, 96) hatte der BGH über die Revision<br />

der beiden Angeklagten K und H zu entscheiden, die vom LG München<br />

u. a. wegen Bestechung (§ 334 a. F.) des <strong>freiberuflichen</strong> <strong>Planungsingenieurs</strong><br />

T verurteilt wurden. T war teils unmittelbar von der<br />

Stadt München, teils aber auch mittelbar durch andere freiberufliche<br />

Ingenieure beauftragt worden, die öffentliche Ausschreibung von<br />

* BGH, Urt. v. 15. 5. 1997 – 1 StR 233/96 = NJW 1997, 3035 = JuS 1998,<br />

182; BGH, Urt. v. 29. 1. 1998 – 1 StR 64/97. Der Sachverhalt ist im folgenden<br />

nur insoweit wiedergegeben, als er die hier interessierenden Fragen<br />

betrifft. – §§ ohne Gesetzesangabe sind solche des StGB. – Der Autor ist<br />

Wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozeßrecht und Rechtsphilosophie<br />

(Prof. Dr. Dr. Kühl). – Herrn Rechtsreferendar Jochen Herkle<br />

sei für seine freundliche Unterstützung gedankt.<br />

Klärwerkseinrichtungen der Stadt München vorzubereiten. K und H<br />

zahlten als Mitarbeiter des Unternehmens S-AG an T Schmiergelder.<br />

T verschaffte daraufhin K und H Informationen aus dem Ausschreibungsverfahren,<br />

was zur Folge hatte, daß die S-AG von der<br />

Stadt den Auftrag für die elektrotechnische Ausstattung des Klärwerks<br />

erhielt.<br />

Das zweite Urteil des BGH (NJW 1998, 2373) befaßt sich gleichfalls<br />

mit der Frage der <strong>Amtsträgereigenschaft</strong> <strong>eines</strong> freiberuflich<br />

tätigen Diplomingenieurs. Seit 1972 war E im Rahmen <strong>eines</strong> Ingenieurvertrages<br />

mit der Stadt zuständig für Bauvorhaben im Krankenhaus<br />

der Stadt, insbesondere für die Vorbereitung der Bauausführung,<br />

das Erstellen der Firmenvorschlagslisten sowie der Leistungsverzeichnisse,<br />

des Vergabevorschlags sowie für die Bauleitung<br />

und für die Abnahme. <strong>Die</strong> Stadt hatte diese Tätigkeiten wegen<br />

fehlender Personal- und Sachkompetenz auf ihn übertragen. In den<br />

Jahren 1984 und 1985 wurden weitere Ingenieurverträge zwischen<br />

E und der Stadt geschlossen. E war auch mit der Vorbereitung der<br />

Ausschreibung für die Fernmeldeanlagen, die Telekommunikationsanlage<br />

und das Patientenfernsehen für einen Neubau des städtischen<br />

Krankenhauses Bad Tölz sowie für die Telekommunikationsanlage<br />

des staatlichen Versorgungskrankenhauses Bad Tölz Kurklinik<br />

beauftragt; dabei hatte er insbesondere die Bieterliste und die<br />

Leistungsverzeichnisse zu erstellen und die Ausschreibungen in<br />

technischer, rechnerischer und wirtschaftlicher Hinsicht zu überprüfen.<br />

K ist Mitarbeiter der Firma M. Telefongesellschaft mbH<br />

(MTG). K vereinbarte mit E, daß dieser künftig bei Ausschreibungen,<br />

mit denen er befaßt war, die Firma MTG zur Angebotsabgabe<br />

auffordert und A vorab die Namen der Mitbieter und die Höhe der<br />

zur Verfügung stehenden öffentlichen Gelder gegen eine Vergütung<br />

von ca. 1 % der Nettoauftragssumme mitteilt. Dementsprechend<br />

wurde verfahren. Das LG München verurteilte K in beiden Fällen<br />

wegen Bestechung gem. § 334 a. F.<br />

I. <strong>Die</strong> Problematik<br />

Als der Gesetzgeber sich 1974 anschickte, den bis dahin<br />

geltenden strafrechtlichen Beamtenbegriff des § 359 a. F. zu<br />

reformieren und ihn unter der neuen Bezeichnung „Amtsträger“<br />

in den Katalog des § 11 Abs. 1 aufzunehmen 1 , war für<br />

ihn nicht voraussehbar, daß es wenige Jahre später zu einer<br />

Entwicklung kommen würde, die mit dem Schlagwort der<br />

„Privatisierung der Verwaltung“ umschrieben wird. Zu diesem<br />

Phänomen zählen immer häufiger Gestaltungen, in denen<br />

eine Behörde eine natürliche oder juristische Person des<br />

Privatrechts beauftragt, punktuell an der Erfüllung der grundsätzlich<br />

bei der öffentlichen Verwaltung verbleibenden Aufgaben<br />

mitzuwirken. Beide Urteile betreffen den Bereich<br />

öffentlicher Bedarfsverwaltung: Ein freiberuflicher Ingenieur<br />

wird wegen seiner überlegenen Sachkompetenz in schwierigen<br />

technischen Fragen vom Staat oder einer Gemeinde<br />

beauftragt, die öffentliche Ausschreibung für ein Projekt<br />

öffentlicher Daseinsvorsorge vorzubereiten; die Entscheidung<br />

darüber, welches Unternehmen am Ende des Ausschreibungsverfahrens<br />

einen Auftrag für das Projekt erhält,<br />

trifft der Staat bzw. die Gemeinde.<br />

T und E waren keine Beamten (§ 11 Abs. 1 Nr. 2a), standen nicht<br />

in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis (§ 11 Abs.<br />

1 Nr. 2b) und wurden nicht förmlich verpflichtet (§ 11 Abs. 1 Nr.<br />

4). Eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Bestechung (§ 334) 2<br />

konnte der BGH somit nur annehmen, wenn T und E zum Kreis der<br />

Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2c zählten. Das Gesetz differenziert<br />

in Nr. 2c zwischen zwei Formen des Amtsträgerstellung:<br />

Amtsträger ist danach, wer entweder dazu bestellt ist, bei einer<br />

Behörde oder sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung<br />

1) Vgl. BT-Drs. 7/550 S. 208 ff. sowie zur Entstehungsgeschichte Traumann,<br />

<strong>Die</strong> Anwendung der Bestechungsdelikte auf die Inhaber privater<br />

Ingenieur- und Planungsbüros, 1997, S. 43 ff. m. w. Nachw.<br />

2) <strong>Die</strong> durch das sog. Gesetz zur Bekämpfung der Korruption v. 13. 8.<br />

1997 (BGBl. I S. 2038) vorgenommenen Änderungen in den §§ 331 ff. sind<br />

für die hier erörterten Fragen ohne Belang; vgl. aber auch u. Fußn. 41.


334 JuS 1999, Heft 4 Schramm: <strong>Die</strong> <strong>Amtsträgereigenschaft</strong> <strong>eines</strong> <strong>freiberuflichen</strong> <strong>Planungsingenieurs</strong><br />

wahrzunehmen (1. Alt.) oder dazu bestellt ist, in deren Auftrag<br />

diese Aufgaben wahrzunehmen (2. Alt.).<br />

II. Der organisatorisch eingebundene Amtsträger i. S.<br />

von § 11 I Nr. 2c Alt. 1 StGB<br />

In beiden Entscheidungen finden sich keine Ausführungen<br />

dazu, ob sich die <strong>Amtsträgereigenschaft</strong> der Ingenieure bereits<br />

aus der 1. Alt. des § 11 Abs. 1 Nr. 2c ergeben könnte.<br />

Daß ein Ingenieurbüro keine Behörde i. S. der 1. Alt. ist,<br />

versteht sich von selbst 3 ; es ist aber auch keine „sonstige<br />

Stelle“, da damit in erster Linie öffentliche, behördenähnliche<br />

Instanzen gemeint sind, beispielsweise die Körperschaften<br />

und Anstalten des öffentlichen Rechts, Teile einer Behörde<br />

im organisatorischen Sinne oder andere Einrichtungen,<br />

die zur Erledigung öffentlicher Aufgaben geschaffen wurden<br />

4 . Dabei kann es sich auch um eine vom Staat gesteuerte<br />

und kontrollierte privatrechtliche Organisation handeln 5 . So<br />

hat der 2. Strafsenat des BGH die im Entwicklungshilfebereich<br />

tätige Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit<br />

wegen deren enger Einbindung in die staatliche<br />

Hierarchie (Bundesverwaltung) als „sonstige Stelle“ eingestuft<br />

6 . <strong>Die</strong> Ingenieurbüros von E und T waren jedoch organisatorisch<br />

völlig selbständig und nicht von der Stadt bzw. dem<br />

Staat gesteuert oder kontrolliert.<br />

Aber auch eine Aufgabenwahrnehmung „bei“ einer Behörde<br />

oder sonstigen Stelle kommt hier nicht in Betracht: <strong>Die</strong> 2.<br />

Alt. des § 11 Abs. 1 Nr. 2c wäre überflüssig, wenn jeder, der<br />

im Auftrag einer Behörde oder sonstigen Stelle Verwaltungsaufgaben<br />

wahrnimmt, bereits im Sinne der 1. Alt. „bei“<br />

einer Behörde usw. tätig sein würde. <strong>Die</strong> 2. Alt. kann daher<br />

nur eigenständige Bedeutung gewinnen, wenn mit ihr Personen<br />

gemeint sind, die nicht zur Behörde oder sonstigen Stelle<br />

„gehören“, d. h. nicht bereits in ihre Organisation eingebunden<br />

sind 7 . Ein freiberuflicher Planungsingenieur ist jedoch in<br />

aller Regel organisatorisch selbständig und wird verwaltungsextern<br />

„für“ die Behörde und nicht „bei“ ihr tätig.<br />

III. <strong>Die</strong> „organisatorische Betrachtungsweise“ des BGH<br />

bei § 11 I Nr. 2c Alt. 2 StGB<br />

Danach kann für eine Begründung der <strong>Amtsträgereigenschaft</strong><br />

<strong>eines</strong> <strong>freiberuflichen</strong> <strong>Planungsingenieurs</strong> nur die 2.<br />

Alt. des § 11 Abs. 1 Nr. 2c in Betracht kommen. Zu klären<br />

war daher, wann (1.) ein Verwaltungsexterner im „Auftrag“<br />

der Behörde usw. tätig wird, ob (2.) der – „vor die Klammer“<br />

8 der beiden Alternativen des lit. c gezogene – Bestellungsakt<br />

bestimmten Anforderungen genügen muß und<br />

schließlich, ob (3.) sich die Tätigkeit des Planungsbüros als<br />

„Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“<br />

darstellt.<br />

3) Zum Behördenbegriff vgl. Gribbohm, in: LK, 11. Aufl. (1997), § 11<br />

Rdnr. 35 m. w. N.<br />

4) BT-Drs. 7/550 S. 209; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 25. Aufl.<br />

(1997) § 11 Rdnr. 25; Lackner/Kühl, StGB, 23. Aufl. (1999), § 11 Rdnr. 6;<br />

Lemke, in: NK, 1995, § 11 Rdnr. 24.<br />

5) BGHSt 38, 199 (203); BGH, NJW 1998, 1874 (1876); KG, NStZ 1994,<br />

242; Ransiek, NStZ 1997, 524; Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl. (1999), §<br />

11 Rn. 19b.<br />

6) Vgl. BGH, NJW 1998, 1874 (1876): „verlängerter Arm“ des Staates.<br />

Auch die Treuhandanstalt und ihre Tochtergesellschaft TLG sind „sonstige<br />

Stellen“; vgl. KG, NStZ 1994, 242.<br />

7) Lenckner, ZStW 106 (1994), 522; ebenso Eser, in: Schönke/Schröder,<br />

§ 11 Rdnr. 25; Haft, NJW 1995, 1114; Rudolphi, in: SKStGB, 1998, § 11<br />

Rdnr. 28; Traumann (o. Fußn. 1), S. 57 ff.; Tröndle/Fischer, § 11 Rdnr. 19c;<br />

im Ergebnis auch BGH, NJW 1998, 1874 (1876).<br />

8) Traumann (o. Fußn. 1), S. 60; ebenso Haft, NJW 1995, 1114 (and. jetzt<br />

ders., NStZ 1998, 29, wonach das Bestellen nicht in die 2. Alt. „hineingehört“).<br />

1. Der Auftrag<br />

Ohne die Anforderungen an den Auftrag näher zu umreißen,<br />

stellt der BGH eher en passant und zu Recht fest, daß<br />

hierfür die werkvertragliche Bindung zwischen T und der<br />

Stadt München bzw. der zwischen E und der Stadt Bad Tölz<br />

geschlossene Ingenieurvertrag ausreicht 9 . Gefolgt werden<br />

kann dem BGH auch insoweit, als er nicht jede Person, die<br />

von einer Behörde bei deren Aufgabenwahrnehmung eingesetzt<br />

wird, bereits aufgrund ihrer Tätigkeit für die Verwaltung<br />

als Amtsträger kraft Auftrags ansieht. Andernfalls wäre<br />

die durch § 11 Abs. 1 Nr. 4 ermöglichte Einbeziehung von<br />

einem Privaten – als einen „für den öffentlichen <strong>Die</strong>nst besonders<br />

Verpflichteten“ – überflüssig; auch würde die Nr. 4<br />

insoweit praktisch „leerlaufen“, setzt diese doch ausdrücklich<br />

voraus, daß der förmlich Verpflichtete nicht Amtsträger ist 10 .<br />

2. Zentrale Bedeutung des Bestellungsakts<br />

Für den 1. Strafsenat des BGH fallen die Würfel hinsichtlich<br />

der <strong>Amtsträgereigenschaft</strong> <strong>eines</strong> privatrechtlich Beauftragten<br />

beim Akt der Bestellung. Hierfür genüge die privatrechtliche<br />

Beauftragung nicht, vielmehr sei ein davon zu<br />

unterscheidender, besonderer öffentlich-rechtlicher Bestellungsakt<br />

erforderlich. Der 1. Strafsenat scheint – insoweit im<br />

Einklang mit der bisherigen Rspr. und h. M. – an die äußere<br />

Form des Bestellungsakts keine besondere Anforderungen zu<br />

stellen: Schon bisher war es weitgehend anerkannt, daß die<br />

Bestellung formlos erfolgen kann, es somit hierfür weder<br />

einer besonderen Bestellungsurkunde noch der Verwendung<br />

des Ausdrucks „Bestellung“ in der Auftragserteilung bedarf<br />

11 .<br />

Während die h. M. und der 5. Strafsenat des BGH dies für<br />

die Bestellung als ausreichend erachten, verlangt der 1. Strafsenat<br />

jetzt in beiden Entscheidungen, daß die Privaten „eine<br />

vergleichbare Stellung“ haben müssen wie die Amtsträger<br />

nach § 11 I Nr. 2a, 2b, weshalb die Bestellung „entweder zu<br />

einer über den einzelnen Auftrag hinausgehenden längerfristigen<br />

Tätigkeit oder einer organisatorischen Eingliederung in<br />

die Behördenstruktur führen müsse“. Der 1. Strafsenat übernimmt<br />

damit im Grundsatz die Konzeption des BayObLG<br />

sowie <strong>eines</strong> Teils des Schrifttums 12 und bezeichnet diese als<br />

„organisatorische Betrachtungsweise“. Im ersten Urteil wird<br />

die Amtsträgerstellung des T verneint, da dieser weder längerfristig<br />

für die Stadt München tätig noch organisatorisch in<br />

deren Verwaltung eingebunden war. Nach dem zweiten Urteil<br />

soll die <strong>Amtsträgereigenschaft</strong> des E bezüglich seiner<br />

Tätigkeit für die Stadt Bad Tölz zu bejahen sein; bei einer<br />

solch langjährigen und intensiven Verbindung mit der Stadtverwaltung,<br />

die diese öffentliche Aufgabe nicht selbst erfüllen<br />

könne, sei es „rechtlich unzweifelhaft“, daß E von der<br />

Stadt „persönlich beauftragt“ worden sei und „wie <strong>eines</strong> ihrer<br />

Organe nach außen auftreten“ sollte. Im Hinblick auf die<br />

Vergabe des Auftrags für die Telekommunikationsanlage des<br />

Versorgungskrankenhauses sei hingegen den tatrichterlichen<br />

Feststellungen eine besondere Bestellung im genannten Sinne<br />

nicht zu entnehmen.<br />

9) Zum Begriff des Auftrags vgl. Lenckner (o. Fußn. 7), S. 523 m. w. N.<br />

10) Zu den Ausnahmefällen, in denen sich auch bei einem Amtsträger die<br />

Frage einer förmlichen Verpflichtung stellen kann, vgl. Gribbohm, in: LK, §<br />

11 Rn. 72.<br />

11) Vgl. etwa Eser, in: Schönke/Schröder, § 11 Rdnr. 27; Gribbohm, in:<br />

LK, § 11 Rdnr. 32.<br />

12) BayObLG, NJW 1996, 268 (270); Geppert, Jura 1981, 44; Otto, JR<br />

1998, 67; Ransiek, NStZ 1997, 522 ff.; Zeiler, MDR 1996, 441; nur mit<br />

Einschränkungen auch Haft, NJW 1995, 1113; andeutungsweise auch der 2.<br />

Strafsenat (vgl. BGH, NJW 1998, 1874, 1877 [„sinnvoll und sachangemessen<br />

bei privaten Verwaltungshelfern“]). Pauschal für die Amtsträgerstellung<br />

von Mitarbeitern privater Ingenieur- und Planungsbüros, die mit der Organisation<br />

von Bauvorhaben der öffentlichen Hand betraut sind, OLG Frankfurt,<br />

NJW 1994, 2242; Gribbohm, in: LK, § 11 Rdnr. 42; Schaupensteiner, ZRP<br />

1993, 251; Weiser, NJW 1994, 970.


Schramm: <strong>Die</strong> <strong>Amtsträgereigenschaft</strong> <strong>eines</strong> <strong>freiberuflichen</strong> <strong>Planungsingenieurs</strong> JuS 1999, Heft 4 335<br />

3. Irrelevanz der wahrgenommenen Aufgabe<br />

Den vom 5. Strafsenat des BGH angedeuteten und von<br />

Lenckner fortentwickelten Lösungsweg, die Amtsträgerstellung<br />

nach i. S. d. 2. Alt. funktional nach den von dem Privaten<br />

wahrgenommenen Aufgaben zu bestimmen 13 , erteilt der<br />

1. Strafsenat eine Absage. <strong>Die</strong>se Betrachtungsweise liefere<br />

im Bereich der Leistungsverwaltung kein ausreichendes<br />

Abgrenzungskriterium; auch ermögliche sie keine eindeutige<br />

Antwort auf die Frage, ob ein Handeln im Unterauftrag für<br />

eine Behörde eine <strong>Amtsträgereigenschaft</strong> begründen könne<br />

und ob ein Angestellter <strong>eines</strong> von der Behörde beauftragten<br />

Unternehmens ebenfalls ein Amtsträger sei 14 .<br />

IV. Kritik<br />

Es ist indes zweifelhaft, ob der Bestellung diese zentrale<br />

Bedeutung zukommt und dadurch dem Amtsträgerbegriff<br />

klarere Konturen verliehen werden können.<br />

1. „Organisatorische Eingliederung in die Behördenstruktur“<br />

Das erstgenannte Merkmal – das institutionelle Moment<br />

der „organisatorischen Eingliederung in die Behördenstruktur“<br />

– ist für die 2. Alt. des § 11 Abs.1 Nr. 2c im Grunde<br />

genommen überflüssig. Unklar bleibt in beiden Entscheidungen,<br />

ob mit der Voraussetzung der „organisatorischen Eingliederung“<br />

gemeint ist, daß diese eine Bedingung für die<br />

Amtsträgerstellung nach der 1. Alt. des lit. c ist, oder ob es<br />

verwaltungsorganisatorisch eingegliederte Private gibt, die<br />

zwar nicht unter die 1. Alt., wohl aber unter die 2. Alt. fallen.<br />

Sollten die Urteile so zu verstehen sein, stellt sich die Frage,<br />

worin der Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen<br />

organisatorisch eingebundener Privater besteht. Für eine<br />

solche Differenzierung bestünde indes kein Anlaß, da das<br />

Gesetz mit den „bei“ einer Behörde Tätigen umfassend auch<br />

all diejenigen Privaten erfaßt, die organisatorisch mit einer<br />

Behörde oder sonstigen Stelle verflochten sind 15 ; <strong>eines</strong><br />

Rückgriffs auf die 2. Alt. zur Begründung ihrer <strong>Amtsträgereigenschaft</strong><br />

bedarf es deshalb nicht.<br />

2. „Über den einzelnen Auftrag hinausgehende längerfristige<br />

Tätigkeit“<br />

Das alternativ genannte zweite, zeitliche Moment der „über<br />

den einzelnen Auftrag hinausgehenden längerfristigen<br />

Tätigkeit“ ist ein nur bedingt aussagekräftiges und letztlich<br />

unbrauchbares Kriterium 16 : Wird jemand nur einmalig und<br />

kurzzeitig in einer wichtigen Entscheidung für die Verwaltung<br />

tätig, müßte man konsequenterweise eine Amtsträgerstellung<br />

verneinen, obwohl seine Tätigkeit einen Kernbereich<br />

staatlichen oder kommunalen Verwaltungshandelns betrifft<br />

und das Rechtsgut der §§ 331 ff. evident tangiert wird. Zu<br />

denken ist hier beispielsweise an einen Rechtsanwalt, der<br />

vom Landesjustizprüfungsamt im Rahmen des schriftlichen<br />

Teils einer juristischen Staatsprüfung nur einmal mit der<br />

13) Lenckner (o. Fußn. 7), S. 502; BGHSt 38, 199 (203). Der 5. Strafsenat<br />

mißt dem Bestellungsakt keinerlei Bedeutung zu; er wird in der Entscheidung<br />

überhaupt nicht erwähnt. Der 2. Strafsenat prüft zumindest auch die<br />

Art der wahrgenommenen Aufgabe; vgl. BGH, NJW 1996, 3158 (vereidigter<br />

Dolmetscher); BGH, NJW 1998, 1874 (1875).<br />

14) BGHSt 43, 96 (105); krit. zur funktionalen Betrachtungsweise auch<br />

BayObLG, NJW 1996, 268 (270); Otto, JR 1998, 73; Ransiek, NStZ 1997,<br />

523.<br />

15) Vgl. etwa den Sachverhalt in BGH, NJW 1998, 1874. Auch der Angestellte,<br />

der im Beschaffungswesen einer Klinikumsverwaltung tätig ist,<br />

wäre Amtsträger i. S. d. 1. Alt; vgl. Lenckner (o. Fußn. 7), S. 528 ff. zu<br />

RGSt 74, 251.<br />

16) So bereits Traumann (o. Fußn. 1), S. 65; ebenso LG Frankfurt, NStZ-<br />

RR 1997, 260; Gribbohm, in: LK, § 11 Rdnr. 31; Haft, NStZ 1998, 30;<br />

Ransiek, NStZ 1997, 521, 525; ders., NStZ 1998, 564.<br />

Korrektur von Examensklausuren beauftragt wird 17 und von<br />

einem Kandidaten bestochen wird; dies wäre – wegen der<br />

nur „kurzfristigen“ Tätigkeit für den Staat – nach den<br />

Grundsätzen des BGH (trotz der evidenten Rechtsgutsrelevanz)<br />

keine Bestechung. Umgekehrt wäre derjenige Private<br />

Amtsträger, der zwar längerfristig für die Behörde tätig wird,<br />

dabei aber Funktionen übernimmt, die nur im weitesten Sinne<br />

mit der Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben zusammenhängen<br />

(etwa ein privates Unternehmen, das für<br />

einen längeren Zeitraum für eine Einrichtung der Daseinsvorsorge<br />

tätig wird, z. B. die Wäsche oder die Gebäude <strong>eines</strong><br />

Krankenhauses reinigt). Auch will es nicht einleuchten, daß<br />

die Verurteilung <strong>eines</strong> <strong>Planungsingenieurs</strong> wegen Körperverletzung<br />

im Amt (§ 340) davon abhängen soll, ob er zehn<br />

Tage oder zehn Jahre für die Verwaltung tätig ist, wenn er<br />

etwa auf der städtischen Baustelle dem Bürgermeister eine<br />

kräftige Ohrfeige versetzt.<br />

Sodann muß gefragt werden, wie das Merkmal der „über<br />

den einzelnen Auftrag hinausgehenden längerfristigen Tätigkeit“<br />

in einer den Anforderungen der Rechtssicherheit genügenden<br />

Weise bestimmt werden soll: Genügt es, wenn der<br />

Planungsingenieur einen Monat für die Verwaltung tätig ist,<br />

oder müssen es 12, 24, 48 oder 96 Monate sein? Sind die<br />

einzelnen Zeiträume, in denen der Planungsingenieur für die<br />

Verwaltung arbeitet, zu addieren und diejenigen der Unterbrechung<br />

zu vernachlässigen? Soll ein einziger Auftrag, der<br />

sich über einen Zeitraum von drei Jahren erstreckt (z. B. die<br />

Vorbereitung des Vergabeverfahrens für ein Großprojekt),<br />

keine Amtsträgerstellung begründen, wohl aber drei Aufträge,<br />

die den Ingenieur ebenfalls insgesamt drei Jahre in Anspruch<br />

nehmen? All diese Unsicherheiten und Friktionen<br />

sprechen dafür, daß dem Kriterium der „längerfristigen Tätigkeit“<br />

die Kontur fehlt, um bei den Sonderdelikten der §§<br />

331 ff. die notwendige, spezifische Täterqualifikation des<br />

Amtsträgers begründen zu können.<br />

Ransiek und Otto teilen diese Bedenken, obwohl sie in ihrer Urteilsrezension<br />

des 1.BGH-Urteils diesem tendenziell zustimmen,<br />

und verlangen zusätzlich, daß Voraussetzung für die Bestellung die<br />

persönliche Zuweisung von Aufgaben sein soll 18 . Ähnliches deutet<br />

der BGH in der 2. Entscheidung an, wenn es dort heißt, daß es bei<br />

einer langjährigen und intensiven Verbindung „rechtlich unzweifelhaft“<br />

sei, daß der Ingenieur von der Stadt „persönlich beauftragt<br />

wurde“. Dem muß aber entgegengehalten werden, daß die „persönliche<br />

Beauftragung“ auch und gerade die förmliche Verpflichtung<br />

nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 kennzeichnet, weshalb dieses Merkmal kein<br />

taugliches Kriterium zur Unterscheidung von Nr. 4 und Nr. 2c ist.<br />

Ebenso ist es kaum überzeugend, wenn in der 2. BGH-<br />

Entscheidung der Diplomingenieur, der sowohl hinsichtlich<br />

des städtischen Krankenhauses als auch bezüglich des staatlichen<br />

Versorgungskrankenhauses identische Aufgaben zu<br />

erledigen hatte, nur deshalb ungleich behandelt wird, weil er<br />

für die Stadt über einen längeren Zeitraum tätig war, für den<br />

Staat beim Bau des Versorgungskrankenhauses hingegen nur<br />

einmal. Soweit seine Tätigkeit auch die übrigen Bauangelegenheiten<br />

des städtischen Krankenhauses betraf, handelte es<br />

sich bei ihnen – soweit ersichtlich – um normale Ingenieursund<br />

Architektenaufgaben, denen ein staatlicher Bezug nicht<br />

immanent ist und die sich nicht von den Pflichten <strong>eines</strong> Architekten<br />

bei einem privaten Bauprojekt unterscheiden.<br />

Der BGH geht außerdem davon aus, daß durch die über<br />

den einzelnen Auftrag hinausgehende längerfristige Tätigkeit<br />

17) Bsp. von Lenckner (o. Fußn. 7), S. 522. Hingegen ist der im mündlichen<br />

Teil des juristischen Staatsexamens prüfende Rechtsanwalt „bei einer<br />

sonstigen Stelle“ (Prüfungskommission) tätig und damit Amtsträger i. S. der<br />

1. Alt. des § 11 I Nr. 2c (Lenckner ebd.; anders Haft, Festschr. f. Lenckner,<br />

1998, S. 81, 94). <strong>Die</strong> Übertragung solcher Prüfungskompetenzen verleiht<br />

dem Rechtsanwalt eine hoheitliche Aufgabe; vgl. auch Wolff/Bachof/Stober,<br />

VerwR II, 5. Aufl. (1987), § 104 Rdnr. 2.<br />

18) Ransiek, NStZ 1997, 524; Otto, JR 1998, 74.


336 JuS 1999, Heft 4 Schramm: <strong>Die</strong> <strong>Amtsträgereigenschaft</strong> <strong>eines</strong> <strong>freiberuflichen</strong> <strong>Planungsingenieurs</strong><br />

dem Normadressaten hinreichend deutlich werde, daß mit<br />

dem Auftrag besondere strafbewehrte Verhaltenspflichten<br />

verbunden seien 19 . Es muß aber bezweifelt werden, daß der<br />

Private bereits aus dem Umstand, längerfristig für eine Behörde<br />

tätig zu sein, ohne weiteres schließen kann, daß mit<br />

dem Auftrag amtsträgerspezifisch-strafrechtliche Konsequenzen<br />

verbunden sind. Kommt ein privater Verwaltungshelfer<br />

trotz längerer Tätigkeit etwa wegen der Peripherie der<br />

von ihm zu erledigenden Aufgaben zum Ergebnis, er sei kein<br />

Amtsträger 20 , könnte ihm der BGH allenfalls einen (vermeidbaren?)<br />

Verbotsirrtum (§ 17) einräumen. Verfiele hingegen<br />

der nicht organisatorisch eingebundene Private, der<br />

nur kurzzeitig, aber in qualifizierter Weise Aufgaben der<br />

öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, auf den sicherlich nicht<br />

als abwegig zu bezeichnenden Gedanken, er sei Amtsträger<br />

(z. B. der oben genannte Rechtsanwalt im schriftlichen Teil<br />

des juristischen Staatsexamens), dürfte man konsequenterweise<br />

allenfalls einen untauglichen Versuch annehmen 21 .<br />

3. Mehrere „Aufgaben“ statt nur einer singulären Aufgabe?<br />

Nicht unproblematisch ist auch der Ansatz von Haft und<br />

Ransiek, die aus der Verwendung des Plurals „Aufgaben“<br />

schließen möchten, daß derjenige, dem nur die Erfüllung<br />

einer einzigen Aufgabe der öffentlichen Verwaltung obliege,<br />

nicht unter § 11 Abs. 1 Nr. 2c falle 22 . Dem muß entgegengehalten<br />

werden, daß die Mehrzahl nur die Mannigfaltigkeit<br />

staatlicher Verwaltungstätigkeit umschreibt; die Einzahl wird<br />

in der hier interessierenden Gesetzessprache nie verwendet 23 .<br />

Zudem folgt aus einer Vielzahl von übernommenen Tätigkeiten<br />

nicht zwangsläufig, daß bereits deshalb Schmiergeldzahlungen<br />

rechtsgutsrelevant sind; umgekehrt kann auch bei<br />

der Wahrnehmung nur einer Aufgabe diese so gewichtig sein<br />

und die durch §§ 331 ff. geschützten staatlichen Interessen so<br />

sehr berühren, daß eine Bestrafung wegen Bestechung auf<br />

der Hand liegt. Abgesehen davon dürfte die Tätigkeit des<br />

beauftragten Privaten sich nur selten in einer einzigen Aufgabe<br />

erschöpfen; es erscheint kaum möglich, diejenige<br />

Schnittstelle präzise zu lokalisieren, an der die singuläre<br />

Funktionswahrnehmung in ein Aufgabenbündel übergeht.<br />

Das Gesetz benutzt im übrigen sehr häufig den Plural, ohne<br />

daß es für die Tatbestandsverwirklichung auf die Mehrzahl<br />

ankommt (z. B. §§ 106a, 114, 131, 275); so begeht etwa<br />

derjenige einen Hausfriedensbruch, der in nur einen abgeschlossenen<br />

Raum, der zum öffentlichen <strong>Die</strong>nst bestimmt ist,<br />

eindringt, obwohl in § 123 Abs. 1 von „abgeschlossenen<br />

Räumen“ die Rede ist.<br />

V. <strong>Die</strong> Entscheidungs- und Wahrnehmungskompetenz<br />

nach außen<br />

1. „Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben“<br />

Maßgeblich können daher – entgegen dem 1. Strafsenat<br />

des BGH – für die 2. Alt. des § 11 Abs.1 Nr. 2c nicht organisatorische<br />

Aspekte sein, sondern nur die aufgrund rechtsgutsbezogen-teleologischer<br />

Erwägungen zu bestimmenden<br />

Funktionen, die dem Privaten den Status <strong>eines</strong> Amtsträgers<br />

19) Der 2. Strafsenat und das BayObLG sprechen von der „Warnfunktion“<br />

des Bestellungsakts (BGH, NJW 1998, 1874 [1877]; BayObLG, NJW<br />

1996, 268 [270]); ähnl. Ransiek, NStZ 1997, 524.<br />

20) Bsp.: Der seinen Kollegen nur bei mechanischen Tätigkeiten, aber<br />

konstant unterstützende Ingenieur, der ebenfalls beauftragt wurde, erhält von<br />

Dritten eine Schmiergeldzahlung.<br />

21) Zur umstrittenen Behandlung des Irrtums über die Tauglichkeit des<br />

Subjekts bei einem Sonderdelikt vgl. etwa Baumann/Weber/Mitsch, StrafR<br />

AT, 10. Aufl. (1995), § 26 Rn. 30; Haft, StrafR AT, 8. Aufl. (1998), S. 227;<br />

Kühl, StrafR AT, 2. Aufl. (1997), § 16 Rdnr. 102.<br />

22) Haft, NJW 1995, 1116; Ransiek, NStZ 1997, 525<br />

23) Ebenso BayObLG, NJW 1996, 268 (270); Otto, JR 1998, 74; Tröndle/Fischer,<br />

§ 11 Rn. 22a.<br />

verleihen. Es ist somit – im Anschluß an Lenckner 24 – danach<br />

zu fragen, ob das Privatrechtssubjekt Aufgaben wahrnimmt,<br />

die rechtsgutsrelevant sind, d. h. vom Schutzzweck<br />

der Amtsträgertatbestände erfaßt sind. Denn es gibt keine<br />

sachliche Berechtigung dafür, das Handeln <strong>eines</strong> Privaten,<br />

das die von den Amtsträgerdelikten geschützten Rechtsgüter<br />

nicht tangiert und gänzlich oder weitgehend rechtsgutsindifferent<br />

ist, dadurch zu pönalisieren, daß man ihn zum Amtsträger<br />

erklärt. Da der Begriff der Bestellung für die sachlich<br />

zwingende Einbeziehung teleologischer Aspekte nichts hergibt,<br />

kann die Rechtsgutsrelevanz nur in der Formulierung<br />

„Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“<br />

verankert werden.<br />

<strong>Die</strong> §§ 331 ff. schützen die staatlichen Interessen zwar vor<br />

den in den Tatbeständen jeweils umschriebenen besonderen<br />

Angriffsmodalitäten, woraus folgt, daß nicht jedem Amtsdelikt<br />

das völlig identische Rechtsgut zugrundeliegt 25 . Gleichwohl<br />

weisen die im vorliegenden Fall interessierenden<br />

Straftatbestände der §§ 331 – 334 einen gemeinsamen Unrechtsgehalt<br />

und insoweit auch einen in ihnen allen enthaltenen,<br />

übergreifenden Schutzzweck auf: Er besteht im Vertrauen<br />

der Allgemeinheit in die Integrität (Unkäuflichkeit, Lauterkeit)<br />

der Verwaltung und damit zugleich in der Sachlichkeit<br />

und Gesetzmäßigkeit der Entscheidungen von Trägern<br />

staatlicher Funktionen 26 . Daraus ist zu schließen, daß die<br />

Tätigkeit des Privaten, die auf keiner organisatorischen Einbindung<br />

in die Verwaltung beruht, bei der 2. Alt. einen funktional-staatlichen<br />

Bezug aufweisen und – in Anlehnung an<br />

BGHSt 38, 203 – „schon ihrer Art nach Verwaltungstätigkeit“<br />

sein muß. Dann repräsentiert der Private den Staat und<br />

prägt das Erscheinungsbild des Staates (oder einer anderen<br />

Körperschaft des öffentlichen Rechts) mit. Während bei der<br />

1. Alt. – wie bei den Amtsträgern nach § 11 Abs. 1 Nr. 2a<br />

und 2b – das Moment der institutionellen Eingliederung den<br />

notwendigen Bezug zur Verwaltung und damit zum Schutzbereich<br />

der §§ 331 ff. herstellt 27 , muß bei der 2. Alt. das<br />

„institutionelle Minus“ beim Privaten durch ein „funktionelles<br />

Plus“ seiner Tätigkeit kompensiert werden 28 . <strong>Die</strong> übernommene,<br />

verwaltungsspezifische Aufgabe bildet gleichsam<br />

die Brücke zum staatlichen Behördenapparat.<br />

Zwar wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum vielfach<br />

dafür plädiert, daß die verwaltungsrechtlich geprägte<br />

Bedeutung dieses Begriffs uneingeschränkt auf das Strafrecht<br />

übertragen werden müsse und sich daher eine Relativierung<br />

der Termini verbiete 29 . Versteht man jedoch verwaltungsrechtlich<br />

unter den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung all<br />

diejenigen, „die ein Hoheitsträger zulässigerweise in An-<br />

24) Lenckner (o. Fußn. 7), S. 530; ebenso Eser, in: Schönke/Schröder, §<br />

11 Rdnr. 21; weitgehend auch Haft, NJW 1995, 1115; Traumann (o. Fußn.<br />

1), S. 115. Der BGH bezeichnet diese Auffassung als eingeschränktfunktionalen<br />

Amtsträgerbegriff (vgl. BGHSt 43, 96 [102]).<br />

25) Jescheck, in: LK, Rdnr. 8 vor § 331; Cramer, in: Schönke/Schröder,<br />

Vorbem §§ 331 ff. Rdnr. 1.<br />

26) Sog. komplexes Rechtsgut; vgl. BGHSt 15, 88 (97); BGH, NJW 1998,<br />

1874 (1876); Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rdnr. 5; Jescheck, in:<br />

LK, Rdnr. 17 vor § 331; Lackner/Kühl, § 331 Rdnr. 1; Lenckner (o. Fußn.<br />

7), S. 531; Tröndle/Fischer, § 331 Rdnr. 3; zum Rechtsgut der Bestechungsdelikte<br />

eingehend Traumann (o. Fußn. 1), S. 109 ff.<br />

27) Daher bedarf es bei der 1. Alt. einer nur eingeschränkten Relativierung<br />

des Aufgabenbegriffs. So nimmt eine GmbH, die auf dem Gebiet der<br />

Entwicklungszusammenarbeit (Entwicklungshilfe) tätig ist und als „sonstige<br />

Stelle“ einzustufen ist, öffentliche Aufgaben wahr (vgl. BGH, NJW 1998,<br />

1874). Das gleiche gilt für die Aufgaben der Treuhandanstalt und ihrer<br />

Tochtergesellschaft TLG (vgl. KG, NStZ 1994, 35).<br />

28) Vgl. Lenckner (o. Fußn. 7), S. 533; krit. dazu Ransiek, NStZ 1997,<br />

523, dessen Argument, daß auch dann etwas an der Behörde hängenbleibe,<br />

wenn sie den Falschen beauftrage, nicht überzeugt, hat doch dieser Fall<br />

nichts mit der Frage der Rechtsgutsrelevanz von Schmiergeldzahlungen an<br />

einen Privaten zu tun.<br />

29) So etwa BGH, NJW 1998, 1874 (1875); Welp, Festschr. für Lackner,<br />

1987, S. 761, 782, 786.


Schramm: <strong>Die</strong> <strong>Amtsträgereigenschaft</strong> <strong>eines</strong> <strong>freiberuflichen</strong> <strong>Planungsingenieurs</strong> JuS 1999, Heft 4 337<br />

spruch nimmt“ 30 , hätte die Übertragung dieser Definition in<br />

das Strafrecht kritikwürdige Konsequenzen: So wäre beispielsweise<br />

ein Mitarbeiter der badischen Staatsbrauerei<br />

Rothaus wegen Vorteilsannahme nach § 331 strafbar, wenn<br />

er von einem Dritten Schmiergeld für eine besonders<br />

schnelle Lieferung des Biers verlangt. Mit Fug und Recht<br />

läßt sich behaupten, daß ein solches Ergebnis bei erwerbswirtschaftlicher<br />

Betätigung der Verwaltung, die sich qualitativ<br />

in keiner Weise von derjenigen <strong>eines</strong> Privaten unterscheidet,<br />

fragwürdig ist 31 . Bereits dieses Beispiel zeigt, daß das<br />

Merkmal der „Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben“ am<br />

Telos der Amtsträgerdelikte orientiert auszulegen ist; insoweit<br />

begegnet man auch hier dem im Strafrecht geläufigen<br />

Phänomen der Relativität der Rechtsbegriffe.<br />

Bei der Würdigung der hier zu erörternden Fälle darf nicht<br />

übersehen werden, daß die Planungsingenieure nicht im<br />

spezifischen Aufgabenbereich der Leistungsverwaltung oder<br />

der erwerbswirtschaftlich-fiskalischen Verwaltung tätig<br />

waren: <strong>Die</strong> Daseinsvorsorge, die durch die Leistungsverwaltung<br />

gegenüber dem Bürger erbracht wird (z. B. Krankenhäuser,<br />

Abwasserbeseitigung, Gewährung von Subventionen),<br />

kann eine öffentliche Aufgabe auch im Rahmen der 2.<br />

Alt. des § 11 Abs.1 Nr. 2c sein 32 , während dies bei der erwerbswirtschaftlichen<br />

Betätigung des Staates mitunter zweifelhaft<br />

ist. <strong>Die</strong> hier gegebene Fallkonstellation betrifft jedoch<br />

einen anderen (fiskalischen) Verwaltungszweig, mag dieser<br />

auch Teil der Fachverwaltung sein: Es geht um das Beschaffungswesen<br />

und mithin die bei jeder Form von Verwaltung<br />

anzutreffende Bedarfsverwaltung, d. h. diejenigen fiskalischen<br />

Hilfsgeschäfte 33 , mittels derer ein Verwaltungsträger<br />

die gegenständlichen Voraussetzungen für die Erfüllung<br />

seiner Aufgaben schafft (z. B. die Errichtung <strong>eines</strong> Verwaltungsgebäudes<br />

für die Polizei oder die Beschaffung von<br />

Computern für ein Gericht).<br />

2. Keine Wahrnehmungs- und Entscheidungskompetenz<br />

nach außen<br />

An dem unter dem Blickwinkel der §§ 331 ff. erforderlichen<br />

verwaltungsspezifischen Bezug fehlte es jedoch den<br />

von beiden Planungsingenieuren zu erledigenden Aufgaben.<br />

Sie besaßen keine Entscheidungs- und Wahrnehmungskompetenz<br />

nach außen: 34 Sie wurden nicht anstelle, sondern –<br />

vergleichbar einem Sachverständigen – für die Verwaltung<br />

tätig; sie bereiteten lediglich die Vergabe vor und traten nicht<br />

als Entscheidungsträger auf, hatte doch weiterhin intern und<br />

extern allein die Verwaltung der jeweiligen Städte bzw. des<br />

Staates den Entschluß über die Auftragserteilung zu treffen 35 .<br />

30) Ossenbühl, JR 1992, 474; ähnl. Wolff/Bachof/Stober, VerwaltungsR I,<br />

10. Aufl. (1994), § 2 Rdnr. 15.<br />

31) Zur umstrittenen Frage, ob erwerbswirtschaftlich-fiskalische Verwaltungstätigkeit<br />

des Staates unter § 11 Abs. 1 Nr. 2c fällt, vgl. Welp (o.<br />

Fußn. 29), S. 775 ff., 782.<br />

32) Vgl. BGHSt 31, 264 (268); Tröndle/Fischer, § 11 Rn. 22a; zu Fällen,<br />

in denen auch innerhalb der Leistungsverwaltung eine Amtsträgerstellung<br />

zweifelhaft sein kann (z. B. untergeordnete mechanische Tätigkeiten), vgl.<br />

Lenckner (o. Fußn. 7), S. 509 Fußn. 17.<br />

33) Vgl. etwa Maurer, Allg. VerwR, 11. Aufl. (1997), § 3 Rdnr. 7;<br />

Wolff/Bachof/Stober (o. Fußn. 29), § 23 Rdnr. 19. Insoweit widerspricht es<br />

der verwaltungsrechtlichen Terminologie, wenn der BGH in diesem Zusammenhang<br />

nicht von fiskalischen Hilfsgeschäften, sondern von „Aufgaben<br />

der Daseinsvorsorge“ spricht (vgl. BGHSt 43, 96 [105]).<br />

34) So im Ergebnis auch die h. M.(vgl. Lackner/Kühl, § 11 Rdnr. 6).<br />

Während jedoch ein Teil des Schrifttums – in Anlehnung an BGHSt 38, 203<br />

– mangels entsprechender Kompetenzenstellung des <strong>Planungsingenieurs</strong> das<br />

Merkmal der „Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben“ als nicht gegeben<br />

ansieht (Eser, in: Schönke/Schröder, § 11 Rdnr. 11 [keine „verwaltungsspezifische<br />

Handlungsform“]; Haft, NStZ 1998, 29; ders. [o. Fußn. 17], S. 93<br />

f..; Lenckner [o. Fußn. 7], S. 530 ff.; Traumann [o. Fußn. 1], S. 115 ff.;<br />

Tröndle/Fischer, § 11 Rdnrn. 19 a, 22 a), verneinen andere – BGHSt 43, 96<br />

folgend – die Bestellung (Otto, JR 1998, 74; Rudolphi, in: SKStGB § 11<br />

Rdnr. 29; Ransiek, NStZ 1997, 524; ders., NStZ 1998, 565 [kein „Entscheidungsträger<br />

nach außen“]) oder beides (so früher Haft, NJW 1995, 1116).<br />

35) Ebenso Traumann (o. Fußn. 1), S. 121.<br />

In der Sache handelte es sich vielmehr um eine gutachterliche<br />

und beratende Tätigkeit, die nach dem Willen des Gesetzgebers<br />

gerade unter § 11 Abs. 1 Nr. 4 fallen sollte 36 .<br />

Dagegen ließe sich nun einwenden, daß der private Planungsingenieur<br />

die spätere Vergabeentscheidung der Verwaltung<br />

faktisch determiniere, da sie mangels entsprechendem<br />

Fachwissen den Vorschlägen des Ingenieurs „blind“<br />

folge, der Ingenieur somit die faktische Wahrnehmungs- und<br />

Entscheidungskompetenz habe 37 . Eine solche Betrachtungsweise<br />

würde jedoch nicht der gesetzlich vorgeschriebenen<br />

Zuweisung von Kompetenzen und Verantwortungsbereichen<br />

gerecht. <strong>Die</strong> Vergabeentscheidung trifft die Verwaltung im<br />

Rahmen ihrer Entscheidungsbefugnis aufgrund der ihr zugewiesenen<br />

Zuständigkeiten; sie darf die Vergabe nicht einfach<br />

auf Dritte abwälzen, wie auch die verantwortliche Abfassung<br />

der Verdingungsunterlagen nach VOB/A Sache des Auftraggebers<br />

ist und bleibt 38 . <strong>Die</strong> gutachterliche Stellungnahme des<br />

Ingenieurs ist „nur ein Hilfsmittel“ 39 für die allein vom öffentlichen<br />

Auftraggeber zu verantwortende Auftragsvergabe.<br />

Ein vergleichbares Phänomen finden wird etwa im Strafprozeß:<br />

Ein Richter, der in einem Strafverfahren die Schuldfähigkeit<br />

des Angeklagten beurteilen muß, darf das Gutachten<br />

des Sachverständigen nicht einfach hinnehmen. Vielmehr<br />

muß er sich seine eigene Überzeugung bilden und eine eigenverantwortliche<br />

Entscheidung treffen 40 , mag insoweit<br />

auch (z. B. bei komplexen psychiatrischen Krankheitsbildern)<br />

bisweilen dem medizinisch-psychiatrischen Gutachten<br />

faktisch eine zentrale Rolle zukommen. Der Gutachter unterliegt<br />

dadurch aber keiner Metamorphose zum Richter.<br />

Wegen der beim staatlichen oder kommunalen Auftraggeber<br />

verbleibenden Entscheidungs- und Wahrnehmungskompetenz<br />

kann folglich durch das öffentliche Bekanntwerden<br />

der Manipulationen auch nicht das Erscheinungsbild <strong>eines</strong><br />

gesetzestreuen Verwaltungsapparats Schaden nehmen: Der<br />

Verwaltungsapparat hatte sich integer verhalten, weshalb das<br />

Vertrauen der Allgemeinheit in das gesetzmäßige Verhalten<br />

der Verwaltung nicht verloren ging; diskreditiert haben sich<br />

allein die Ingenieure. Daran ändert im 2. Fall entgegen der<br />

Ansicht des BGH auch die „langjährige und intensive Verbindung<br />

des <strong>freiberuflichen</strong> <strong>Planungsingenieurs</strong> mit der<br />

Stadtverwaltung“ nichts; ein Ingenieur, der ohne Entscheidungs-<br />

und Wahrnehmungskompetenz nach außen ausgestattet<br />

ist, ist in den Augen der Bürger auch dann nicht Teil<br />

der Verwaltung, wenn er für einen längeren Zeitraum für<br />

diese tätig ist.<br />

Der hier vertretenen Konzeption wurde im übrigen durch die Erweiterung<br />

des § 11 Abs. 1 Nr. 2c um den Passus „unbeschadet der<br />

zur ihrer Auftragserfüllung gewählten Organisationsform“ 41 nicht<br />

die Grundlage entzogen. <strong>Die</strong> Ergänzung soll es nach dem Willen<br />

des Gesetzgebers ermöglichen, in erster Linie diejenigen<br />

36) Vgl. auch BT-Drs. 7/550 S. 210; BGH, NJW 1996, 3158; Tröndle, in:<br />

LK, 10. Aufl. (1985), § 11 Rdnr. 52; Lenckner (o. Fußn. 7), S. 517 Fußn. 47,<br />

538.<br />

37) So etwa Weiser, NJW 1994, 972; i. E. auch OLG Frankfurt, NJW<br />

1994, 2242; Gribbohm, in: LK, § 11 Rdnr. 42; dagegen Lenckner (o. Fußn.<br />

7), S. 537 Fußn. 107; Ransiek, NStZ 1997, 524; Traumann (o. Fußn. 1), S.<br />

121 f.<br />

38) Vgl. Daub/Piel/Soergel, Kommentar zur VOB, Teil A, 1981, ErlZA<br />

9. 8 (5); Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B, 12. Aufl. (1996), A § 7<br />

Rdnr. 10 ff. In § 7 der für öffentliche Auftraggeber verbindlichen VOB/A<br />

wird die Mitwirkung <strong>eines</strong> Privaten bei der Vorbereitung der Vergabeentscheidung<br />

ausdrücklich als Sachverständigentätigkeit bezeichnet; zur Bindung<br />

der Verwaltung an Vergabevorschriften vgl. etwa Stober, Bes. WirtschaftsvwR,<br />

11. Aufl. (1998), § 61 m. w. N.<br />

39) So ausdrücklich Ingenstau/Korbion (o. Fußn. 38), A § 7 Rdnr. 28.<br />

40) BGHSt 7, 239; Jähnke, in: LK, § 20 Rdnr. 89 m. w. N.<br />

41) Zur Änderung durch das KorruptionsbekämpfungsG (o. Fußn. 2) vgl.<br />

BT-Drs. 13/5584 S. 4; Ransiek, NStZ 1997, 520; Wolters, JuS 1988, 1100,<br />

1104.


338 JuS 1999, Heft 4 Schramm: <strong>Die</strong> <strong>Amtsträgereigenschaft</strong> <strong>eines</strong> <strong>freiberuflichen</strong> <strong>Planungsingenieurs</strong><br />

von einem Teil der Rechtsprechung 42 bisher nicht unter § 11 Abs. 1<br />

Nr. 2c Alt. 1, 2 subsumierten Erscheinungsformen der Privatisierung<br />

einzubeziehen, in denen der Staat oder ein kommunaler Verwaltungsträger<br />

eine privatrechtliche Organisation (z. B. eine landeseigene<br />

Kapitalgesellschaft) gründet und auf diese Aufgaben der<br />

Leistungsverwaltung zur Daseinsvorsorge überträgt. Der Gesetzeszweck<br />

der Erweiterung besteht in einer „Klarstellung“ dahingehend,<br />

daß für die Amtsträgerstellung nach lit. c nicht die Rechtsform,<br />

sondern die „Art der Aufgabe“ maßgeblich sein soll. Nicht verbunden<br />

ist damit eine Ausdehnung des Amtsträgerbegriffs auf die hier<br />

erörterte, in der Bedarfsverwaltung auftretende Konstellation, daß<br />

ein Privatrechtssubjekt ohne eigene Entscheidungs- und Wahrnehmungskompetenz<br />

im Beschaffungswesen für den Staat oder die<br />

Kommunen tätig ist, ohne mit diesen organisatorisch verflochten zu<br />

sein.<br />

3. Hoheitliche und schlicht-hoheitliche Befugnisse<br />

Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn der Ingenieur<br />

nicht als privater Verwaltungshelfer 43 , sondern als Beliehener<br />

eingestuft werden müßte, d. h. als ein Privatrechtssubjekt,<br />

das durch Gesetz oder aufgrund <strong>eines</strong> Gesetzes hoheitliche<br />

oder schlicht-hoheitliche Aufgaben wahrnimmt 44 und<br />

dabei selbständig und im eigenen Namen handelt. Wer hoheitlich<br />

tätig ist, d. h. Befehls- oder Zwangsbefugnisse innehat<br />

oder befugt ist, Rechtsbeziehungen des öffentlichen<br />

Rechts zu begründen oder auszugestalten 45 , hat Entscheidungs-<br />

und Wahrnehmungskompetenz nach außen und prägt<br />

als Repräsentant des Staates das Erscheinungsbild des Verwaltungsapparats<br />

mit. Wird ein Beliehener (z. B. ein öffentlich<br />

bestellter Vermessungsingenieur oder Prüfungsingenieur<br />

für Baustatik) bestochen und nimmt er eine entsprechende<br />

pflichtwidrige Handlung vor, so stellt dies zum einen aufgrund<br />

seiner hoheitlichen Funktionskompetenz einen Verstoß<br />

gegen seine Pflicht zur Sachlichkeit und Rechtmäßigkeit<br />

staatlicher Entscheidungen dar; zum anderen geht dadurch<br />

zugleich das allgemeinen Vertrauen in die Integrität der<br />

Verwaltung verloren, da in der Öffentlichkeit die von ihm<br />

wahrgenommene Funktion nicht als freiberufliche Tätigkeit,<br />

sondern als Verwaltungshandeln eingestuft wird. Er ist dann<br />

Amtsträger und tauglicher Täter einer Bestechlichkeit<br />

(§ 332). Dem zweiten BGH-Urteil kann daher uneingeschränkt<br />

zugestimmt werden, wenn es dort heißt, daß die<br />

<strong>Amtsträgereigenschaft</strong> <strong>eines</strong> Architekten zu bejahen ist, der<br />

in einer kleinen Gemeinde, die kein Bauamt besitzt, dessen<br />

Aufgaben mit Entscheidungskompetenz nach außen übernimmt<br />

(„Ortsarchitekt“), er mithin ein Beliehener ist 46 .<br />

4. <strong>Die</strong> förmliche Verpflichtung nach § 11 I Nr. 4 StGB<br />

Somit wird die „Käuflichkeit“ <strong>eines</strong> privaten <strong>Planungsingenieurs</strong><br />

in Fallkonstellationen wie der vorliegenden nur<br />

42) Der 5. Strafsenat des BGH (BGHSt 38, 199 ff.) hatte bei einer gemeinnützigen<br />

Wohnungsbau-GmbH, an der das Land Berlin sämtliche<br />

Anteile hielt, die <strong>Amtsträgereigenschaft</strong> der Geschäftsführer wegen der<br />

privatrechtlichen Organisationsform verneint; ähnl. LG Frankfurt, NStZ-RR<br />

1997, 260.<br />

43) Vgl. dazu Stober (o. Fußn. 38), § 40 m. w. N. – Ein Strafrecht, das<br />

jeden privaten Verwaltungshelfer zum Amtsträger erklärt, bildet Heerscharen<br />

von Amtsträgern, die nichts von dieser Eigenschaft wissen.<br />

44) Ebenso BGHSt 38, 199 (201); Lackner/Kühl, § 11 Rdnr. 6; Lenckner<br />

(o. Fußn. 7), S. 534; Wolff/Bachof/Stober (o. Fußn. 17), § 104 Rdnr. 12.<br />

Beliehene sind keine Behörden oder sonstige Stellen i. S. d. 1. Alt.<br />

(Wolff/Bachof/Stober, ebd., § 104 Rdnr. 10).<br />

45) <strong>Die</strong>se Befugnis zu öffentlich-rechtlich regelndem Verwaltungshandeln<br />

nach außen kennzeichnet (schlicht)hoheitliche Verwaltung, z. B. im<br />

Bereich der Eingriffs- oder Leistungsverwaltung; vgl. etwa Achterberg,<br />

Allg. VerwR, 2. A. (1986), § 21 Rn. 292; Drews/Wacke/Vogel/Martens,<br />

Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 1986, S. 59; Wolff/Bachof/Stober (o. Fußn. 30), §<br />

23 Rn. 39.<br />

46) Ein Beliehener ist auch der Prüfingenieur, dem in eigener Verantwortung<br />

ein Teil der einer Baugenehmigungsbehörde obliegenden Prüfung<br />

von Bauvorlagen übertragen ist, nicht jedoch der sog. Zivilingenieur; vgl.<br />

auch BVerwGE 57, 58; Lenckner (o. Fußn. 7), S. 524, 532; Traumann (o.<br />

Fußn. 1), S. 118 ff; weitere Beispiele für Beliehene bei Wolff/Bachof/Stober<br />

(o. Fußn. 17), § 104 Rdnr. 2.<br />

dann von den §§ 331 ff. erfaßt, wenn er i. S. d. § 11 Abs.1<br />

Nr. 4a Alt. 2 (Tätigkeit für die Behörde) zur „gewissenhaften<br />

Erfüllung seiner Obliegenheiten“ aufgrund des Verpflichtungsgesetzes<br />

förmlich verpflichtet wurde 47 . Zwar muß eingeräumt<br />

werden, daß dieses Verfahren von der Verwaltung<br />

kaum praktiziert wird und möglicherweise manchen Behörden<br />

gar nicht bekannt ist. <strong>Die</strong>s ändert aber nichts daran, daß<br />

das Verpflichtungsgesetz gerade für Konstellationen wie die<br />

hier erörterten geschaffen wurde und es somit die Verwaltung<br />

selbst in der Hand hat, die Anwendung der §§ 331 ff. in<br />

diesem besonders korruptionsgefährdeten Bereich zu ermöglichen.<br />

Angesichts des Aufwands, der ohnehin mit Ausschreibungen<br />

und Vergabeentscheidungen verbunden ist,<br />

ließe sich der Auftrag an den Ingenieur ohne weiteres mit<br />

einer förmlichen Verpflichtung verknüpfen 48 .<br />

<strong>Die</strong>ses Verfahren muß dann konsequenterweise auch für<br />

die Mitarbeiter des Planungsbüros oder für den Fall, daß ein<br />

staatlich beauftragter Generalunternehmer o. ä. einem Ingenieur<br />

einen „Unterauftrag“ erteilt, verlangt werden: Nur<br />

wenn die Mitarbeiter bzw. der „unterbeauftragte“ Ingenieur i.<br />

S. d. § 11 Abs.1 Nr. 4b Alt. 1 (Beschäftigung bei Betrieb)<br />

förmlich verpflichtet wurden, fällt ihr Handeln in den<br />

Schutzbereich der §§ 331 ff. 49 . Im übrigen kann die Zurechnungsnorm<br />

des § 14, durch die „besondere persönliche<br />

Merkmale“ auf die Organe angewendet und damit auf diese<br />

„übergewälzt“ werden können 50 , hier keine Anwendung<br />

finden, da die Pflichtenstellung <strong>eines</strong> Amtsträgers personengebunden<br />

ist 51 .<br />

5. <strong>Die</strong> Strafbarkeit nach § 299 StGB<br />

Mangelt es an der Amtsträgerstellung oder förmlichen<br />

Verpflichtung, so bedeutet dies nicht, daß man vor einem<br />

strafrechtlichen „Nichts“ steht. Denn ein gewisser Korruptionsschutz<br />

ist in dem hier interessierenden Zusammenhang<br />

durch den Tatbestand der Angestelltenbestechlichkeit bzw. -<br />

bestechung (§ 299 = § 12 UWG a. F.) in folgender Weise<br />

gewährleistet: (1) Auch die freiberufliche Tätigkeit wie etwa<br />

diejenige <strong>eines</strong> Ingenieurs oder Architekten fällt unter das<br />

Merkmal des geschäftlichen Betriebs, weshalb Schmiergeldzahlungen<br />

an dessen Mitarbeiter nach § 299 I, II strafbar sein<br />

können 52 . Dagegen scheidet der Geschäftsinhaber als Vorteilsnehmer<br />

auf der Täter- und Opferseite stets aus 53 . (2) Ist<br />

der Ingenieur aber nicht lediglich Büroinhaber, sondern darüber<br />

hinaus zugleich selbst Beauftragter <strong>eines</strong> anderen geschäftlichen<br />

Betriebs, so ist er tauglicher Täter einer Angestelltenbestechlichkeit<br />

(§ 299 I). Staat und Kommunen erfüllen<br />

zwar als solche nicht die begrifflichen Voraussetzungen<br />

<strong>eines</strong> geschäftlichen Betriebs 54 ; wenn aber fiskalische<br />

47) Zum VerpflG v. 2. 3. 1974 (BGBl. I 469, 547; Anhang Nr. 19 bei<br />

Tröndle/Fischer [o. Fußn. 5]) vgl. etwa Gribbohm, in: LK, § 11 Rdnr. 71 ff.<br />

Bei der (mündlichen) Verpflichtung ist gem. § 1 Abs. 1 S. 2 VerpflG auf die<br />

strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung hinzuweisen.<br />

48) Nicht begründet dürfte daher die von Göhler seinerzeit im Gesetzgebungsverfahren<br />

geäußerte Befürchtung sein, daß ein behördlicher Formalakt<br />

zu einem „riesenhaften Verwaltungsaufwand“ führen würde; vgl. den<br />

Nachweis bei Lenckner (o. Fußn. 7), S. 517 Fußn. 51.<br />

49) And. BGHSt 43, 96 (106).<br />

50) Lenckner, in: Schönke/Schröder, § 14 Rdnr. 1; Schramm, DStR 1998,<br />

501.<br />

51) Vgl. etwa Gallas, ZStW 80 (1968), 22; Marxen, in: NK, § 14 Rdnr.<br />

27. 52) Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 129.<br />

Lfg. (1998), § 12 UWG Rdnr. 8. Wird aber nicht auf ein Verhalten innerhalb<br />

des <strong>Die</strong>nst- und Auftragsverhältnisses zu dem Inhaber des Ingenieurbüros<br />

eingewirkt, betrifft die Einflußnahme also nicht geschäftliche Angelegenheiten<br />

des Büros, sondern ausschließlich den Bezug von Waren oder gewerblichen<br />

Leistungen im Verhältnis zwischen einer geschäftsexternen<br />

Person (z. B. Staat, Gemeinde) und dem Bestechenden (oder dem zu bevorzugenden<br />

Dritten), so ist § 299 insoweit nicht einschlägig (RGSt 78, 132;<br />

Fuhrmann aaO Rdnrn. 12, 25).<br />

53) Baumbach/Hefermehl, WettbewerbsR, 19. Aufl. (1996), § 12 UWG<br />

Rdnr. 4; Lackner/Kühl, § 299 Rdnr. 2 m. w. Nachw.<br />

54) Zum Begriff vgl. Baumbach/Hefermehl, § 12 UWG Rdnr. 5.


Schramm: <strong>Die</strong> <strong>Amtsträgereigenschaft</strong> <strong>eines</strong> <strong>freiberuflichen</strong> <strong>Planungsingenieurs</strong> JuS 1999, Heft 4 339<br />

Hilfsgeschäfte getätigt werden müssen, etwa ein kommunales<br />

Krankenhaus errichtet oder mit technischem Gerät ausgestattet<br />

werden soll, so kann dies notwendigerweise nur<br />

durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung im<br />

Wege der Teilnahme am Wirtschaftsleben realisiert werden.<br />

Hier unterscheidet sich die öffentliche Verwaltung – sieht<br />

man von der Bindung an bestimmte Vergabegrundsätze<br />

(Grundrechte, VOB/A, VOL/A etc.) ab – nicht von einem<br />

Unternehmen der freien Wirtschaft; bei beiden entsprechen<br />

die einem Angestellten oder Beauftragten gezahlten<br />

Schmiergelder dem Unrechtstypus des § 299. Der mit der<br />

Norm bezweckte Schutz des freien Wettbewerbs, der (inländischen)<br />

Mitbewerber und des Geschäftsherrn vor Benachteiligung<br />

55 muß sich daher über das Merkmal des geschäftlichen<br />

Betriebs auf das Beschaffungswesen und die erwerbswirtschaftlich-fiskalische<br />

Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung<br />

erstrecken 56 . Sofern der Planungsingenieur (bzw. sein<br />

Mitarbeiter) zudem als Beauftragter i. S. d. § 299 angesehen<br />

werden kann, d. h. er einen (zumindest mittelbaren) Einfluß<br />

auf die im Rahmen des Betriebs zu treffenden Entscheidungen<br />

hat 57 , wie dies bei der Vorbereitung einer Vergabeentscheidung<br />

vielfach der Fall sein wird, sind die Weichen für<br />

eine Bestrafung aus § 299 gestellt. Es klafft daher, wie der 1.<br />

Strafsenat und das BayObLG zu Recht andeuten, keine strafrechtliche<br />

Regelungslücke 58 .<br />

VI. Ergebnis<br />

Nach der hier vertretenen Auffassung kann das maßgebliche<br />

Kriterium für die <strong>Amtsträgereigenschaft</strong> <strong>eines</strong> <strong>freiberuflichen</strong><br />

Architekten oder <strong>Planungsingenieurs</strong> nach der 2. Alt.<br />

des § 11 Abs. 1 Nr. 2c nicht das Merkmal der Bestellung,<br />

sondern nur dasjenige der „Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben“<br />

sein. Darunter sind diejenigen Aufgaben zu verstehen,<br />

auf die sich der übergreifende Schutzzweck der Amtsdelikte<br />

richtet. <strong>Die</strong>ser Bezug ist gegeben, wenn der in den<br />

Verwaltungsapparat organisatorisch nicht eingebundene<br />

Ingenieur mit Funktions- und Entscheidungskompetenz nach<br />

außen ausgestattet, d. h. hoheitlich oder schlicht-hoheitlich<br />

tätig ist. Daran fehlt es, wenn der Ingenieur lediglich mit der<br />

Vorbereitung der Ausschreibung für ein Projekt der Daseinsvorsorge<br />

beauftragt wird und mithin nur eine gutachterliche<br />

und beratende Funktion ausübt. In diesem Fall kommt eine<br />

Anwendung der §§ 331- 334 erst dann in Betracht, wenn er<br />

bzw. seine Mitarbeiter von der Verwaltung i. S. d. § 11 Abs.<br />

1 Nr. 4 auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten<br />

förmlich verpflichtet wurden.<br />

55) Zum Rechtsgut vgl. BGHSt 31, 207 (211); Lackner/Kühl, § 299<br />

Rdnr. 1.<br />

56) Vgl. BGHSt 2, 396 (404); BayObLG, NJW 1996, 268 (270); Traumann<br />

(o. Fußn. 1), S. 130 f.<br />

57) BGHSt 2, 396 (404); Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas, § 12 UWG<br />

Rdnr. 13.<br />

58) BGHSt 43, 96 (105); BayObLG, NJW 1996, 268 (270).

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