Ludwig Mies van der Rohe, Brünn \(Tschechei\), Villa ... - home
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Seine Südfront ist zum Garten auf ihrer gesamten Breite in voller Raumhöhe verglast, wobei sich zwei <strong>der</strong> grö-<br />
ßeren Scheiben ganz im Boden versenken lassen. Dadurch wird <strong>der</strong> Innenraum nach außen erweitert und gleich-<br />
zeitig die Natur ins Innere geholt. Den Abschluß nach Osten bildet ein schmaler Wintergarten. Am an<strong>der</strong>en Ende<br />
des Raumes gelangt man durch eine gläserne Außentür auf die untere Terrasse, von wo aus eine breite Freitreppe<br />
an <strong>der</strong> Hauswand entlang zum Garten führt.<br />
Diese tief in den Baukörper einschneidende Terrasse, über die die Brüstung <strong>der</strong> oberen Plattform als schmaler<br />
Wandstreifen gerade hinwegläuft, wie auch die Position <strong>der</strong> Treppe vor dem durchgehenden Fensterband des<br />
Hauptgeschosses plagiieren die Gartenfassade <strong>der</strong> <strong>Villa</strong> Stein in Garches von Le Corbusier, die bereits 1927<br />
fertiggestellt war. Das Innere des Erdgeschosses umfaßt eine lockere Folge von ineinan<strong>der</strong> übergehenden Raum-<br />
zonen. 16 Die asymmetrische Form des Grundrisses verlangte eine nicht richtungsbezogene Stützenform. Des-<br />
halb wählte <strong>Mies</strong> hier, wie schon beim Barcelona-Pavillon, kreuzförmige Stützen. 17<br />
Die tragende Funktion des Eisenskeletts gelangt nur im Hauptgeschoß zum Ausdruck. Im Obergeschoß wurden<br />
die Stützen ja auf beson<strong>der</strong>en Wunsch <strong>der</strong> Auftraggeber größtenteils in die Wände gesetzt. Wie beim Barcelona<br />
Pavillon sind auch im Tugendhat-Haus die einzelne Joche des Rasters nicht streng quadratisch ausgerichtet,<br />
son<strong>der</strong>n leicht in einer Richtung gedehnt. 18 Zur weiteren Glie<strong>der</strong>ung dient neben dem regelmäßigen Raster <strong>der</strong><br />
chromummantelten Stützen eine Wand aus Makassarholz, die den Eßplatz in einem etwas mehr als halbkreis-<br />
förmigen Raster umschließt, sowie eine freistehende Onyxwand im Rücken <strong>der</strong> Sitzgruppe. 19<br />
An<strong>der</strong>s als ihre Vorgängerin im Barcelona Pavillon besteht die hier aus massiven Blöcken gefüllte Marmorwand<br />
aus insgesamt fünf rechteckigen Platten von nur acht Zentimeter Stärke. Die Sitzgruppe ist leicht aus <strong>der</strong> Achse<br />
gerückt. Eine auf weißem Sockel ruhende Plastik von Wilhelm Lehmbruck ist auf die Sitzgruppe bezogen. Jen-<br />
seits <strong>der</strong> Onyxwand schließt <strong>der</strong> Arbeitsplatz des Hausherrn an, <strong>der</strong> in die Bibliothek übergeht. Zwischen dem<br />
Halbrund des Eßplatzes und dem unteren Treppenhals spannt sich eine von <strong>der</strong> Rückseite her beleuchtete Milch-<br />
glasscheibe, vor <strong>der</strong> ein kleiner Rauchtisch mit vier <strong>Brünn</strong>-Stühlen steht. Abschließend wäre noch ein im hinte-<br />
ren Teil des Raumes aufgestellter Flügel zu erwähnen. 20<br />
Der großzügige Wohnraum ist eine Weiterentwicklung des freien Grundrisses, <strong>der</strong> als erstes im Landhaus aus<br />
Backstein (1923) realisiert wurde. 21 Der Entwurf war ein Vesuch zeitgemäße Möglichkeiten <strong>der</strong> Raumgestaltung<br />
und -ordnung zu finden. 22 Der hier verwendete Einraum besitzt einen universalen Charakter, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Trag-<br />
und raumbegrenzenden Konstruktion geprägt wird, und eignet sich für verschiedenartige Funktionen und auch<br />
für mit <strong>der</strong> Zeit sich wandelnde Anfor<strong>der</strong>ungen.<br />
16 Wolf Tegethoff, S. 95<br />
17 Kenneth Frampton, S. 199<br />
18 Wolf Tegethoff, S. 95<br />
19 Wolf Tegethoff, S. 95<br />
20 Wolf Tegethoff, S. 96<br />
21 L. Hilberseimer, <strong>Mies</strong> <strong>van</strong> <strong>der</strong> <strong>Rohe</strong>, Copyright Paul Theobald and Company, Chicago, 1956, S. 62<br />
22 Janos Bonta, S. 13<br />
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