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46Bernd Herrmannpozäns“ weder über die scheinbare Opposition „Natur-Kultur“ noch über dieFolgen menschlicher Anwesenheit auf der Erde nachgedacht worden wäre.Als hätte es das gesamte abendländische Raisonnement über den Menschenund sein Verhältnis zur Natur vor der Einführung des Anthropozän-Begriffsnicht gegeben, scheint gleichsam plötzlich erst dieser Begriff die Gestaltungsmachtdes Menschen zu Bewusstsein gebracht zu haben. 107 Allein die Tatsache,dass in den letzten 150 Jahren die Wissensfelder „Ökologie“ und „Umwelt“entstanden, auf deren Schultern die Vorstellungen des Anthropozänsgründen, belegt, dass der Anspruch neuer Denkleistung verfehlt ist. Es istdeshalb auch nur bedingt richtig, wenn Artmann & Hacker (2013, S. 12) feststellen,dass aus der von Crutzen angestoßenen Diskussion resultiere,„dass eine traditionelle Unterscheidung historisch immer irrelevanter geworden ist:die Unterscheidung zwischen Kultur als Inbegriff des vom Menschen Gemachten,für das er verantwortlich zeichnet, und der Natur als Inbegriff des dem MenschenVorgegebenen, das den unveränderlichen Rahmen seines Handelns bildet, ‚[…] einunendlich überlegenes und darum grenzenlos belastbares Außen […], das allemenschlichen Entladungen absorbiert und alle Ausbeutungen ignoriert.‘ “ 108Mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Irrelevanz eben nicht das Ergebniseiner Bestandsaufnahme ist, sondern aus dem Umstand erwächst, dassdie Natur-Kultur-Dichotomie bisher nicht als grundsätzlicher Kategorienfehleranerkannt wurde 109 und eine entsprechende allgemeine erkenntnistheoretischeAnpassung scheinbar sinnfälliger Wahrnehmungsvorgaben bisher ausgebliebenist. Der „Anthropozän“-Begriff deckt diesen Mangel zu, statt ihn zubeseitigen.107 „Das Anthropozän ist geradezu dadurch definiert, dass in ihm auf eine sich dramatisch beschleunigendeWeise mehr und mehr Randbedingungen menschlichen Handelns aus der Kulturgeschichteresultieren. Nachhaltige Entwicklung im Sinne der WCED [World Commission on Environmentand Development, BH] zielt dementsprechend darauf ab, politische Entscheidungen im Anthropozänso zu koordinieren, dass die Menschen in der Zukunft infolge heutigen Handelns mindestens gleichbleibendgute direkt oder indirekt kulturell geprägte Voraussetzungen vorfinden werden, dank derersie ihre Grundbedürfnisse befriedigen und ihre Lebensqualität verbessern können.“ (Artmann S,Hacker J (2013) Nachhaltigkeit in der Wissenschaft – Einleitende Überlegungen. Nova Acta LeopoldinaNF 117, Nr. 398, 9-25, S. 12).108 Hier zitieren Artmann & Hacker, etwas unglücklich verkürzend, aus Sloterdijk 2011. Das vollständigeZitat lautet: „Der Expressionismus der Modernen beruht auf einer Annahme, die für die Menschenfrüherer Zeiten so selbstverständlich war, daß sie praktisch nie explizit formuliert werdenmußte. Für sie stellte die Natur ein unendlich überlegenes und darum grenzenlos belastbares Außendar, das alle menschlichen Entladungen absorbiert und alle Ausbeutungen ignoriert. Diese spontaneNaturidee hat die Geschichte der Menschheit bis gestern bestimmt, und noch heute gibt es unzähligeZeitgenossen, die sich nicht vorstellen können und wollen, in diesem Punkte könne ein Umdenkennotwendig werden.“ (Sloterdijk P (2011) Wie groß ist „ groß“? In: Crutzen P et al. (2011) Das RaumschiffErde hat keinen Notausgang. edition unseld. Suhrkamp, Berlin, S. 93-110, S. 99).109 Herrmann 2013, S. 37 ff.

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