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Aktion Essen auf Rädern Lazerus Hilfsdienst e.V. - Münstertal

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Freitag, den 16. Dezember 2011<br />

KonradRuh:Das<strong>Münstertal</strong>in<br />

den ersten Nachkriegsjahren<br />

(11)<br />

Viele Münstertäler sind (fast)<br />

lebensmittelautark<br />

Trotz der deutschlandweit schwierigen Ernährungslage<br />

in den ersten Nachkriegsjahren<br />

konnte in beiden Gemeinden des <strong>Münstertal</strong>s<br />

nicht von einer Hungersnot gesprochen<br />

werden. Viele Münstertäler Familien<br />

waren zum größten Teil Selbstversorger.<br />

Fast alles, was zum täglichen Leben notwendig<br />

war, konnten sie selbst erzeugen. Gek<strong>auf</strong>t<br />

wurde nur, was unbedingt notwendig<br />

war, wie beispielsweise Salz und Zucker.<br />

Übrigens: Der Begriff „Müll“ war noch ein<br />

Fremdwort. Abfall entstand so gut wie keiner.<br />

Es gab einen Misth<strong>auf</strong>en, ein Schwein und<br />

einen Ofen.<br />

In beiden Talgemeinden wurde jede landwirtschaftlich<br />

nutzbare Fläche von den Landwirten<br />

bewirtschaftet. Die Kahlflächen, die<br />

durch die „Franzosenhiebe“ entstanden waren,<br />

wurden jetzt als Weideflächen genutzt.<br />

Weideflächen hingegen wurden in ertragreichere<br />

Mähwiesen umgewandelt. Die kargen<br />

Weideflächen gingen in Untermünstertal von<br />

405 ha (im Jahre 1940) <strong>auf</strong> 350 ha zurück,<br />

die Fläche der intensiv bewirtschafteten Wiesen<br />

hingegen erhöhte sich im gleichen<br />

Zeitraum um 100 ha <strong>auf</strong> 510 ha.<br />

Obwohl die naturgeographischen Bedingungen<br />

für den Ackerbau im <strong>Münstertal</strong> alles andere<br />

als günstig sind, erhöhte sich auch hier<br />

die Nutzfläche in Untermünstertal <strong>auf</strong> knapp<br />

100 ha.<br />

Die Ackerflächen reichten oft bis an die<br />

Waldgrenze hin<strong>auf</strong>. Auf diesen Feldern<br />

konnte vor allem Kartoffeln, aber auch Gerste<br />

und Hafer angebaut werden. In günstigen<br />

Südhanglagen gediehen sogar Flachs und<br />

Raps, deren ölhaltige Samen zur Herstellung<br />

von Lein- und Rapsöl verwendet wurden.<br />

Im Vergleich zu Städten und auch anderen<br />

Schwarzwaldgemeinden war das <strong>Münstertal</strong><br />

-was das Nahrungsmittelangebot betraf- fast<br />

autark. Dies gilt vor allem für das untere<br />

<strong>Münstertal</strong>. So besaßen 168 landwirtschaftliche<br />

Betriebe des Untertals im Jahre 1948<br />

insgesamt 129 ha Wiesen- und Ackerland in<br />

verschiedenen Gemeinden der St<strong>auf</strong>ener<br />

Bucht, in Grunern (65 ha), in St<strong>auf</strong>en (44 ha)<br />

und weitere Betriebsflächen in Bad Krozingen,<br />

Gallenweiler und Tunsel. Neben den<br />

Kartoffeln konnten die Münstertäler hier <strong>auf</strong>grund<br />

der klimatisch günstigeren Bedingungen<br />

in der Rheinebene auch Weizen als<br />

wichtigstes Brotgetreide anbauen.<br />

Darüber hinaus wandelten viele Münstertäler<br />

Familien Teilbereiche ihrer Hausgrundstücke<br />

in Gärten um und bauten dar<strong>auf</strong> alles<br />

an, was es sonst nirgends zu k<strong>auf</strong>en gab.<br />

Auch die Obstbäume in den Hausgärten waren<br />

wichtige Nahrungsmittel-Lieferanten.<br />

Aufgrund der topographischen und klimatischen<br />

Gegebenheiten fehlten den Münstertälern<br />

vor allem Öl und Mehl. Viele Frauen<br />

fuhren deshalb mit ihren Handleiterwagen<br />

„<strong>auf</strong>s Land“ und versuchten durch Tausch,<br />

das begehrte Getreide oder Mehl zu<br />

erhalten.<br />

Die Schätze der Natur ergänzen das landwirtschaftliche<br />

Nahrungsangebot<br />

Stark verbreitet war im <strong>Münstertal</strong> das Sammeln<br />

von Bucheckern. Zentnerweise sammelten<br />

Mütter mit ihren Kindern diese im<br />

<strong>Münstertal</strong> zahlreich vorkommenden ölhaltigen<br />

Früchte der Buche. Die Bucheckern,<br />

aber auch Walnüsse von eigenen Bäumen<br />

brachten sie in die Mühlen von Heitersheim<br />

oder Kirchhofen und erhielten dafür das dringend<br />

benötigte Öl. Für vier Kilo Bucheckern<br />

oder vier Pfund Walnüsse erhielt man im<br />

Jahre 1946 noch einen Liter Öl. Leider war<br />

die letzte Münstertäler Ölmühle in der Rotte<br />

Münster (s`Ölers) nicht mehr in Betrieb. Sie<br />

wurde im Jahre 1936 vom letzten Ölmüller<br />

Josef Ortlieb <strong>auf</strong>grund der damals geringe<br />

Nachfrage stillgelegt.<br />

Darüber hinaus sammelten die Familien alles,<br />

was Mutter Natur an Nahrhaftem bot. Es<br />

waren vor allem die Waldfrüchte (Heidelbeere,<br />

Himbeere, Brombeere). Sie wurden überwiegend<br />

zu Marmelade verarbeitet. Die Plätze<br />

(„Schläge“), an denen es bestimmte Beerensorten<br />

gab, wurden oft als Geheimnis gehütet,<br />

um mögliche Konkurrenz abzuhalten.<br />

Da in den Jahren 1946/47 auch viele Sammler<br />

aus den Landgemeinden im <strong>Münstertal</strong><br />

<strong>auf</strong> Beerensuche gingen, erlaubte die Gemeinde<br />

Untermünstertal dies nur über einen<br />

„Erlaubnisschein“, der für drei Mark <strong>auf</strong> dem<br />

Rathaus oder über die Förster erworben<br />

werden musste.<br />

Aus vielen heimischen Wiesenkräutern wurde<br />

Tee zubereitet. Eicheln dienten als Futter<br />

für die Schweine. In manchen Familien wurden<br />

sie aber auch geröstet und als Kaffee-Ersatz<br />

(„Muckefuck“) verwendet. Aus<br />

„Tannschösslingen“, den jungen Trieben der<br />

Fichte, die man im Frühjahr sammelte,<br />

machte man den „Tannschössle-Honig“.<br />

Dem Zuckermangel begegneten viele Familien<br />

mit dem Anbau von Zuckerrüben. Aus<br />

den geschnetzelten Rüben (im Waschkessel<br />

oder Topf erhitzt) gewann man den Zuckerrübensirup,<br />

einen dunkelbrauen, zähflüssigen<br />

Saft. Anstelle von Zucker diente er zum<br />

Süßen von Speisen.<br />

Angebaut wurden auch verschiedene Krautund<br />

Rübensorten. Weißkraut wurde zu Sauerkraut<br />

verarbeitet. Gelbe und rote Rüben („Rahnen“),<br />

Bohnen und Erbsen sowie jahreszeitlich<br />

verschiedeneSalatewarenwichtigeGrundnahrungsmittel.<br />

Während Kartoffeln und Äpfel in<br />

den Kellern überwinterten, bildete ein Erdloch<br />

im Garten das „Kühlfach“ für die verschiedenen<br />

Rübensorten. Apfelwein und aus Rosinen hergestellter<br />

Beerenwein lagerten im Keller neben<br />

„Sauerkrautstanden“, „Kartoffelhurten“ und „Apfelsteigen“.<br />

8<br />

Obwohl die klimatischen Bedingungen vor allem<br />

im oberen <strong>Münstertal</strong> im Vergleich zur Vorbergzone<br />

für den Obstanbau nicht sonderlich<br />

günstig sind, erstaunt die Zahl der offiziell gemeldeten<br />

und genutzten Obstbäume.<br />

Die Obstbaumzählung des Jahres 1946 listet<br />

in der Gemeinde Obermünstertal insgesamt<br />

722 Apfelbäume, 234 Birnbäume, 166<br />

Kirschbäume, 280 Zwetschgen- und Pflaumenbäume<br />

und 146 Walnussbäume <strong>auf</strong>.<br />

Für Familien, die über keinen eigenen Garten<br />

verfügten, ließ die Gemeinde Untermünstertal<br />

<strong>auf</strong> dem Sportplatz Kleingärten<br />

anlegen, die verpachtet wurden.<br />

Fleisch war im <strong>Münstertal</strong> auch keine ausgesprochene<br />

Mangelware. Zwar war die Menge<br />

des abzuliefernden Fleisches sehr hoch,<br />

zwar mussten alle Privatschlachtungen der<br />

Militärverwaltung gemeldet werden. Dennoch<br />

nahm die Zahl der „Schwarzschlachtungen“<br />

in den Notjahren 1946/47 erheblich<br />

zu. Es wurde auch „schwarz“ gemahlen und<br />

gebrannt.<br />

Unter den Nahrungsmitteln nahm die Kartoffel<br />

den wichtigsten Platz ein.<br />

Doch breitete sich zu allem Unglück der Kartoffelkäfer<br />

seit 1944 epidemieartig aus.<br />

Da es 1945 noch keine Schädlingsbekämpfungsmittel<br />

gab, (der größte Teil der chemischen<br />

Industrie war zerstört oder demontiert)<br />

mussten die Käfer „von Hand“ abgelesen<br />

bzw. die Larven zwischen den Blättern zerdrückt<br />

werden. Familien, ja ganze Schulklassen<br />

rückten aus, um dieser bedrohlichen<br />

Kartoffelkäferplage Herr zu werden.<br />

In den ersten Nachkriegsjahren nahm die<br />

Kartoffelkäferplage noch zu. Die Bürgermeister<br />

waren für die Bekämpfung zuständig.<br />

Sie mussten alle verfügbaren Einwohner<br />

-unabhängig von eigenem Besitz- mobilisieren<br />

und zum Sammeln der Käfer verpflichten.<br />

Sie bestimmten den Personenkreis. Wer<br />

sich weigerte, wurde von der Militärregierung<br />

bestraft. Die Käferbekämpfung hatte Vorrang<br />

vor allen anderen Arbeiten. Soweit<br />

Spritzgeräte und Spritzmittel (Kalkarsen) ab<br />

1946 zur Verfügung standen, wurden diese<br />

eingesetzt. Mit Hilfe der chemischen Bekämpfungsmittel<br />

konnte man der Käferplage<br />

nach 1948 allmählich Herr werden, doch<br />

ganz eindämmen konnte man sie erst in den<br />

1950er-Jahren.<br />

Neben der „Nahrungsnot“ auch<br />

„Kleidernot“<br />

Neben der Nahrungsmittelknappheit waren<br />

die ersten Nachkriegsjahre auch „Jahre der<br />

Kleidernot“. Die Bevölkerung trug die „alten<br />

Kleider“ so lange wie möglich aus. Bei den<br />

Männern wirkten die Vorkriegsanzüge <strong>auf</strong>grund<br />

der Unterernährung „sehr weit“. Ansonsten<br />

galt der Grundsatz „Aus alt mach<br />

neu“. Alte Wehrmachtsuniformen wurden<br />

<strong>auf</strong>getrennt, eingefärbt und zu neuen Kleidungsstücken<br />

für die ganze Familie verarbeitet.<br />

Knappstes Gut waren <strong>auf</strong>grund des

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