Michael Flitner Lärm an der Grenze - artec
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1 Einleitung<br />
nischer Ergebnisse ist in <strong>an</strong><strong>der</strong>er Weise und mit <strong>an</strong><strong>der</strong>en Konsequenzen ‚konstruiert’<br />
als eine <strong>Lärm</strong>schutzverordnung, und diese wie<strong>der</strong>um in g<strong>an</strong>z <strong>an</strong><strong>der</strong>er<br />
Weise als das Bild einer intakten Natur aus <strong>der</strong> Perspektive von Fluglärmgegnern<br />
usw. Entsprechend hat auch die Rede von einer sozialen Konstruktion des Fluglärms,<br />
jedenfalls im vorliegenden Zusammenh<strong>an</strong>g, wenig Trennschärfe o<strong>der</strong> Erklärungswert.<br />
Zur Geographie von Kl<strong>an</strong>g und <strong>Lärm</strong><br />
Die Geographie taucht unter den oben gen<strong>an</strong>nten ‚<strong>Lärm</strong>wissenschaften’ nicht auf;<br />
sie hat sich in <strong>der</strong> Verg<strong>an</strong>genheit nur in geringem Maß mit Kl<strong>an</strong>g und <strong>Lärm</strong>, mit<br />
akustischen Phänomenen überhaupt beschäftigt. Dies gilt erst recht für die Hum<strong>an</strong>geographie.<br />
Einzig in <strong>der</strong> Musikgeographie findet sich bei internationaler Suche<br />
eine bescheidene Reihe einschlägiger Monographien, <strong>an</strong>sonsten nur g<strong>an</strong>z vereinzelte<br />
Forschungsarbeiten, nur wenige Zeitschriftenartikel o<strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>e subst<strong>an</strong>zielle<br />
Beh<strong>an</strong>dlungen des Themenkreises. Im verbreiteten Dictionary of Hum<strong>an</strong><br />
Geography (Johnston u.a. 4 2000) findet sich dementsprechend auch kein Eintrag<br />
zu <strong>Lärm</strong>, Geräusch, Kl<strong>an</strong>g resp. den entsprechenden englischen Schlagworten.<br />
Allerdings gibt es eine längere Tradition <strong>der</strong> Ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzung mit den verschiedenen<br />
Dimensionen <strong>der</strong> sinnlichen Wahrnehmung im Werk mehrerer Geographinnen<br />
und Geographen, und hier ist auch eine Reihe von Ansatzpunkten gegeben,<br />
die <strong>der</strong>zeit neues Interesse finden. So sah sich in jüngerer Zeit Nigel Thrift<br />
(2002, S. 296) u.a. mit Blick auf die erstarkende Musikgeographie ver<strong>an</strong>lasst, die<br />
„Geographie <strong>der</strong> Sinne“ insgesamt als ein beson<strong>der</strong>s zukunftsträchtiges Forschungsfeld<br />
<strong>der</strong> Geographie zu benennen, und <strong>Michael</strong> Cr<strong>an</strong>g (2002, S. 653) sieht<br />
in <strong>der</strong> Erforschung <strong>der</strong> „verkörperten Erfahrung“ ein beson<strong>der</strong>es Desi<strong>der</strong>at <strong>der</strong><br />
qualitativen hum<strong>an</strong>geographischen Forschung.<br />
Interesse hat die sinnliche Umwelterfahrung in <strong>der</strong> Verg<strong>an</strong>genheit vor allem<br />
in <strong>der</strong> Verhaltens- und Wahrnehmungsgeographie sowie bei Vertretern <strong>der</strong> hum<strong>an</strong>istischen<br />
Geographie gefunden. Als ein früher Vorläufer k<strong>an</strong>n hier <strong>der</strong> finnische<br />
Geograph Joh<strong>an</strong>nes Gabriel Gr<strong>an</strong>ö gelten, <strong>der</strong> die Umweltwahrnehmung methodologisch<br />
ins Zentrum seiner „Reinen Geographie“ stellte und bereits Ende <strong>der</strong><br />
1920er Jahre unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em eine Beschreibung und Illustration <strong>der</strong> Geräusche und<br />
Klänge auf <strong>der</strong> Insel Valosaari vorlegte (Gr<strong>an</strong>ö 1929; vgl. a. Pocock 1989, S.<br />
197). Paasi (1984) hat allerdings verdeutlicht, dass Gr<strong>an</strong>ös Abst<strong>an</strong>d zu späteren<br />
Vari<strong>an</strong>ten <strong>der</strong> Verhaltens- und Wahrnehmungsgeographie insofern beträchtlich<br />
ist, als er gerade das subjektive Element in <strong>der</strong> Wahrnehmung explizit zurückweist<br />
und letztlich auf eine Geographie als Naturwissenschaft abzielt.<br />
Auch <strong>an</strong> den Fortentwicklungen <strong>der</strong> Wahrnehmungsgeographie ist wie<strong>der</strong>holt<br />
kritisiert worden, dass sie tendenziell <strong>an</strong> einem Primat des physischen Raums<br />
festhalten und die Wahrnehmung vor allem als einen Filter verstehen, <strong>der</strong> als vorgeschaltetes<br />
Element in einem behavioristischen Verhaltenskonzept fungiert. Da<br />
das Erkenntnisinteresse sich dabei häufig vor allem auf „Wissen“ im Sinne <strong>der</strong><br />
„Struktur <strong>der</strong> mentalen Speicherung von räumlichen Informationen“ richtet<br />
(Scheiner 2000, S. 61, Hv. MF), finden sich auch hier kaum konkrete Ansatz-