Michael Flitner Lärm an der Grenze - artec
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20 1 Einleitung<br />
o<strong>der</strong> auch als „Kl<strong>an</strong>gl<strong>an</strong>dschaft“ übersetzt. 4 Als Kl<strong>an</strong>gl<strong>an</strong>dschaft definiert Schafer<br />
g<strong>an</strong>z allgemein<br />
„... die Schallumwelt; technisch gesehen jeden Ausschnitt <strong>der</strong> Schallumwelt, <strong>der</strong> als Studiengebiet<br />
gewählt wird. Der Ausdruck k<strong>an</strong>n sich auf reale Umfel<strong>der</strong> beziehen o<strong>der</strong> auf<br />
Konstruktionen wie Musikkompositionen und Tonb<strong>an</strong>dmontagen, beson<strong>der</strong>s wenn diese<br />
als Umwelt wahrgenommen werden“ (Schafer 1988, S. 317).<br />
Der Ansatz gewinnt <strong>an</strong> Kontur, wenn wir uns das empirische Forschungsprogramm<br />
<strong>an</strong>sehen, das Schafer und seine Mitarbeiter ab Ende <strong>der</strong> 1960er Jahre ins<br />
Werk setzten. In dem interdisziplinären World Soundscape Project sollten die<br />
charakteristischen Kl<strong>an</strong>gl<strong>an</strong>dschaften von bestimmten Gebieten, Dörfern, Städten,<br />
Gewerben etc. dokumentiert und untersucht werden, einerseits um Grundkenntnisse<br />
für eine „akustische Ökologie“ bereit zu stellen, auf <strong>der</strong>en Basis sich das<br />
Akustikdesign <strong>der</strong> Zukunft entwickeln ließe, <strong>an</strong><strong>der</strong>erseits um Geräusche aller Art<br />
zu konservieren und zu <strong>an</strong>alysieren, die für irgendwelche Situationen typisch sind<br />
o<strong>der</strong> waren. Von beson<strong>der</strong>em Interesse sind dabei solche Geräusche o<strong>der</strong> Klänge,<br />
die aufgrund sozialer Verän<strong>der</strong>ungen unmittelbar „vom Aussterben bedroht“ sind.<br />
In dieser Perspektive wurde unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em die Kl<strong>an</strong>gl<strong>an</strong>dschaft in V<strong>an</strong>couver untersucht,<br />
sowie in fünf Dörfern in verschiedenen europäischen Län<strong>der</strong>n. Werner<br />
(1994, S. 53) hat die Leitlinien des World Soundscape Project folgen<strong>der</strong>maßen<br />
aufgelistet:<br />
„1. Dokumentation von akustischen Kontexten und akustischen Umwelten nach <strong>der</strong>en<br />
Häufigkeit und Dichte.<br />
2. Exploration <strong>der</strong> Wirkung von Kl<strong>an</strong>g auf Menschen, Überprüfung von verschiedenen<br />
Wirkungsmodellen.<br />
3. Studien zur mythischen, symbolischen und funktionellen Qualität von Kl<strong>an</strong>g; Kl<strong>an</strong>g<br />
als ‚community signal’.<br />
4. Archäologie und Bewahren aussterben<strong>der</strong> Klänge.<br />
5. Produktion und Vertrieb audiovisueller Soundscape-Medien als Anregung für weitere<br />
Forschung.<br />
6. Interkulturelle Vergleiche von Umwelt-Kl<strong>an</strong>gl<strong>an</strong>dschaft.<br />
7. Vorbereitung einer Serie ausführlicher Radioprogramme.<br />
8. Basisrecherche für Bürgerorg<strong>an</strong>isationen und offizielle Institutionen zu Themen <strong>der</strong><br />
akustischen Umweltverschmutzung und des akustischen Design.“<br />
Als Ausg<strong>an</strong>gspunkt <strong>der</strong> Forschungen von Schafer und seinen Mitarbeitern wird<br />
damit die Annahme erkennbar, dass sich die Kl<strong>an</strong>gl<strong>an</strong>dschaften in <strong>der</strong> Geschichte<br />
vielfach geän<strong>der</strong>t haben und auch weiterhin än<strong>der</strong>n werden. Schafer beschreibt<br />
diese Verän<strong>der</strong>ungen in groben Zügen als den W<strong>an</strong>del von einer vorindustriellen<br />
und ländlichen „Hi-Fi-Kl<strong>an</strong>gl<strong>an</strong>dschaft“ zu einer postindustriellen „Lo-Fi-Kl<strong>an</strong>g-<br />
4 Als Schallwelt in <strong>der</strong> Übersetzung von Schafers früher Arbeit durch Friedrich Saathen (Schafer<br />
1971), als Lautsphäre in <strong>der</strong> Übersetzung des Hauptwerkes durch Kurt Simon (Schafer<br />
1988, S. 7), als Kl<strong>an</strong>gl<strong>an</strong>dschaft später in <strong>der</strong> Rezeption bei Werner (1994) und Winkler<br />
(1995, 1997). M<strong>an</strong>ches spricht für die Übersetzung Lautsphäre, die mit <strong>der</strong> deutschen Ausgabe<br />
von Schafers Hauptwerk <strong>an</strong> wichtiger Stelle eingeführt wurde und ein allzu konkretes<br />
räumliches Bild vermeidet, doch überwiegt hier das Argument, dass Winkler speziell für die<br />
geographische Rezeption die Übersetzung Kl<strong>an</strong>gl<strong>an</strong>dschaft gewählt hat, worin ich ihm im<br />
Weiteren folge.