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OLG Stuttgart Urteil vom 29 - Deutsche Anwalts-, Notar- und ...

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<strong>Deutsche</strong> <strong>Anwalts</strong>-, <strong>Notar</strong>- <strong>und</strong> Steuerberatervereinigungfür Erb- <strong>und</strong> Familienrecht e.V.Mitgliederdepesche 03-2008<strong>OLG</strong> <strong>Stuttgart</strong> <strong>Urteil</strong> <strong>vom</strong> <strong>29</strong>.01.2008,Az. 17 UF 233/071. Unterziehen sich gemischtstaatliche Parteien (deutsch <strong>und</strong> türkisch), beideislamischer Glaubenszugehörigkeit, neben der staatlichen Eheschließung einerreligiösen Trauungszeremonie, in deren Vorfeld der Geistliche die Vereinbarungeines "mihri müeccel" in Geld herbeiführt, unterliegt die Beurteilung dieserVereinbarung ebenso wie die Ehewirkung <strong>und</strong> das Scheidungsstatut demdeutschen Recht.2. Die Ehefrau kann aus dieser Vereinbarung kein Forderungsrecht ableiten, weil esschon an einer Willensübereinstimmung <strong>und</strong> einem Rechtsbindungswillen fehlt,wenn die Vereinbarung der traditionellen Vorstellung <strong>und</strong> dem Willen desGeistlichen geschuldet war, der die islamische Hochzeitszeremonie sonst nichtdurchgeführt hätte, <strong>und</strong> jede Partei mit ihr andere Vorstellungen verbindet.TatbestandI.Der Rechtsstreit betrifft die Auseinandersetzung der Parteien um die Frage der Verpflichtungdes Beklagten, der Klägerin aus einem Brautgabe- bzw. Morgengabeversprechen einenGeldbetrag in Höhe von 2.000 EUR zu zahlen.Die Parteien hatten am 17.07.2006 die Ehe vor dem Standesamt in E. geschlossen. Die beiEheschließung gerade 18 Jahre alt gewordene Klägerin ist seit ihrer Einbürgerung am28.09.1999 deutsche Staatsangehörige, der Beklagte hat die türkische Nationalität. Beidegehören dem islamischen Glauben an. Die Parteien sind seit 07.12.2007 rechtskräftiggeschieden (s. <strong>Urteil</strong> des Amtsgerichts Besigheim <strong>vom</strong> selben Tage, 2 F 1248/06).Der Eheschließung vor dem Standesamt vorausgegangen war eine religiöse Zeremonie am06.05.2006 in der Wohnung der Schwester der Klägerin in S., wo von einem Geistlichen(Hoca) eine Trauungszeremonie abgehalten wurde. In dessen Verlauf fertigte der Geistlicheeine schriftliche Niederschrift mit dem Inhalt „3.000 EUR mihri müeccel“, in die er weiterhinseinen Namen, den Namen der Brautleute <strong>und</strong> zweier Zeugen eintrug. Eine Unterschrift trägtdieses Dokument nicht.


<strong>Deutsche</strong> <strong>Anwalts</strong>-, <strong>Notar</strong>- <strong>und</strong> Steuerberatervereinigungfür Erb- <strong>und</strong> Familienrecht e.V.Mitgliederdepesche 03-2008EntscheidungsgründeII.Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat gegen ihn aus der am06.05.2006 gefertigten Niederschrift oder einer dabei geschlossenen mündlichenVereinbarung keinen Zahlungsanspruch.1. Maßgeblich für die Frage des Bestehens eines Zahlungsanspruchs der Klägerin ist dierechtliche Einordnung der behaupteten Vereinbarung <strong>vom</strong> 06.05.2007.Wenn die Ehe zwischen Muslimen scheitert, wird im Regelfall auch um Zahlung derBrautgabe (mahr) gestritten, die gelegentlich auch unscharf als Morgengabebezeichnet wird. Es handelt sich um ein Rechtsinstitut, das dem islamischenRechtskreis entspringt <strong>und</strong> im Gegensatz zu früheren Zeiten heute oftmals austraditionellen Gründen anlässlich der Eheschließung von Muslimen vereinbart wird,auch wenn diese in westlichen Rechtsordnungen heiraten. Ist die Brautgabe nichtanlässlich der Eheschließung gezahlt worden, richtet sich ihr weiteres Schicksal <strong>und</strong>die aus ihr abzuleitenden Ansprüche der Ehefrau nach dem Ehewirkungsstatut, imScheidungsfall dementsprechend nach dem Scheidungsstatut (<strong>OLG</strong> Celle, FamRZ1998, 374). Haben die Parteien in einem Ehevertrag eine Brautgabe vereinbart <strong>und</strong> istdeutsches Recht Ehewirkungsstatut, liegt in der Vereinbarung möglicherweise einSchuldversprechen, jedoch nur dann als abstraktes Schuldversprechen nach § 780BGB, wenn kein bestimmter Schuldgr<strong>und</strong> angegeben worden ist (BGH, FamRZ 1999,217).Dass vorliegend ein Ehevertrag geschlossen worden wäre, behauptet jedochvorliegend nicht einmal die Klägerin selbst.2. Wäre türkisches Recht anzuwenden, würde sich die weitere Frage stellen, ob dieVereinbarung einer Morgengabe nicht überhaupt rechtlich unzulässig ist oder dieGeltendmachung von Ansprüchen daran scheitert, dass sie im eigentlichen Sinne eineAbsicherung gegen eine Eheauflösung durch einseitige Verstoßung seitens desMannes ist, die wiederum unter türkischem Recht verboten ist (Öztan, FamRZ 1998,624).


<strong>Deutsche</strong> <strong>Anwalts</strong>-, <strong>Notar</strong>- <strong>und</strong> Steuerberatervereinigungfür Erb- <strong>und</strong> Familienrecht e.V.Mitgliederdepesche 03-2008Eine andere Deutung wusste die Klägerin auch in der Anhörung vor dem Senat nichtanzugeben. Insbesondere war die Klägerin nicht in der Lage, darzulegen, inwieweit dieEheleute durch die behauptete Vereinbarung einer Brautgabe gegebenenfallsbestehende gesetzliche Ansprüche der Ehefrau nach deutschem Unterhalts- <strong>und</strong>Güterrecht ausschließen oder lediglich modifizieren wollten. Sie konnte lediglichbek<strong>und</strong>en, dass sie der Auffassung sei, dass ihr dieser festgesetzte Betrag zustehe<strong>und</strong> <strong>vom</strong> Beklagten zu zahlen sei, da dies der Tradition <strong>und</strong> den Werten in derParallelgesellschaft, in der sie lebe, so entspreche. Fragestellungen hinsichtlich derKonkurrenz von behaupteter Vereinbarung <strong>und</strong> dem für sie geltenden deutschenScheidungsfolgenrecht waren für die Klägerin nicht Gegenstand eigenerÜberlegungen. Insbesondere erscheint der festgelegte Geldbetrag von 3.000 EURgänzlich ungeeignet, mit Blick auf das geltende Unterhaltsrecht, die Klägerin in demvon ihr behaupteten Sinne unterhaltsrechtlich abzusichern, weil keinerleiDifferenzierung hinsichtlich ihrer Bedürftigkeit möglich erscheint (gegebenenfallsMöglichkeiten zur Deckung des Lebensbedarfs durch eigene Erwerbstätigkeit,Hinderung durch Kinderbetreuung, Bedürftigkeit wegen Krankheit oderArbeitslosigkeit). Eine Vorstellung dahingehend, durch die von der Klägerin behaupteteVereinbarung, mit Annahme eines Brautgeldversprechens auf jegliche Ansprüche nachdeutschem Unterhaltsrecht zu verzichten, hatte die Klägerin nach ihrem eigenenSachvortrag <strong>und</strong> Bek<strong>und</strong>en nicht.Die Vereinbarung einer Geldsumme selbst beruhte in erster Linie auf dem Willen desGeistlichen, weil - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - dieser sich dahingehendgeäußert habe, „etwas fehle noch zur Hochzeitszeremonie“.Demgegenüber hat der Beklagte die Erklärung dahingehend verstanden, dass er sichfür den Fall, dass er die Klägerin verlasse, zur Zahlung der festgesetzten Summeverpflichtet habe. Dafür spricht immerhin, dass die Brautgabe nach islamischemVerständnis, soweit sie bei der Eheschließung weder ganz noch teilweise erbrachtwird, der Frau das Recht gibt, der einseitigen Verstoßung durch den Ehemannbegründet zu widersprechen.

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