Die Ox-CD 69 ¡ ReReleas - Webseite von Thomas Neumann
Die Ox-CD 69 ¡ ReReleas - Webseite von Thomas Neumann
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DIE ABKÜRZUNGEN:<br />
LP = LP, 7” = Single, <strong>CD</strong> = <strong>CD</strong>, M<strong>CD</strong> = <strong>CD</strong>-Maxisingle,<br />
2LP = Doppel-LP, 2<strong>CD</strong> = Doppel-<strong>CD</strong><br />
DIE BEWERTUNGSSKALA:<br />
10 Unfassbar gut – eine „Platte des Jahres“<br />
9 Außergewöhnlich gut<br />
8 Rundum gut<br />
7 Gut mit kleinen Schwächen<br />
6 Okay. Ohne Höhen und Tiefen<br />
5 Einfach durchschnittlich<br />
4 Kann man gerade noch durchgehen lassen<br />
3 Rumdum schwach<br />
2 Wirklich schlecht<br />
1 Schrott der allerübelsten Sorte<br />
¡ Alben 60<br />
¡ Playlists 61<br />
¡ Leser- & Verkaufscharts 61<br />
¡ Top Of The <strong>Ox</strong> 63<br />
¡ Singles 64<br />
¡ <strong>Die</strong> <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> <strong>69</strong><br />
¡ <strong>ReReleas</strong>es 70<br />
¡ Sampler & Compilations 78<br />
¡ DVDs 82<br />
¡ Demos 88<br />
2ND DISTRICT<br />
Emotional Suicide <strong>CD</strong><br />
People Like You/SPV | Seit gefühlten 30 Jahren Bochums<br />
Vorzeigepunkrockband und nach dem Weggang <strong>von</strong> Haupt-<br />
Songschreiber Pascal Briggs letztendlich doch <strong>von</strong> DISTRICT<br />
in 2ND DISTRICT umbenannt, krallt sich das bis auf Sänger<br />
Marc Ader neu formierte Quartett noch immer an die Planken<br />
des „großen“ Namens, verändert ihn zaghaft, um auf die<br />
neue Belegschaft hinzuweisen und den Rezensenten den<br />
vorgefertigten Verriss des Albums leicht zu machen. Denn,<br />
unter uns, wer glaubt unter diesen Voraussetzungen noch an<br />
ein gutes Album? Aber, wie so oft, müssen auch in diesem<br />
Fall voreilige Schlüsse neu überdacht, <strong>von</strong> allen Seiten betrachtet<br />
und dann doch revidiert werden. Denn nach dem<br />
hervorragenden „Don’t Mess With The Hard Punx“-Langspieldebüt,<br />
beweisen Marc (als letztes verbliebenes Gründungsmitglied),<br />
Flo und Tobbe <strong>von</strong> den REVOLVERS(!) und<br />
Nique <strong>von</strong> den RULES, dass sie es sicherlich auch können,<br />
wenngleich „Emotional Suicide“ noch nicht an die Qualität<br />
des Vorgängers heranreichen mag. Auch könnte die Tatsache,<br />
mehr als einen Coversong mit aufs Album genommen<br />
zu haben, für noch mangelnden Ideenreichtum sprechen,<br />
und vielleicht hätte man sich noch etwas Zeit lassen sollen,<br />
aber vielleicht liege ich auch falsch. Denn „Emotional Suicide“<br />
ist ein verdammt gutes Streetpop-Punk-Album, besser<br />
als ein Großteil des ewig gleichförmigen, zumeist gegrölten<br />
Rest der Straße, und hat allein durch Aders wirklich einzigartige<br />
Stimme schon seinen Wiedererkennungwert. Und<br />
überhaupt – lass die Vier erstmal machen. Da geht noch einiges.<br />
Ich freu mich! (35:36) (7) tom van laak<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
5 BUGS<br />
Tomorrow I’ll Play God <strong>CD</strong><br />
rockhit.de/Alive | Dass Melodycore alles andere als tot ist,<br />
beweisen die Berliner 5 BUGS mit ihrem zweiten Album.<br />
<strong>Die</strong> Band hat sich mit „Tomorrow I’ll Play God“ zwei Jahre<br />
Zeit gelassen und alle Register gezogen – die elf Stücke beinhalten<br />
vieles <strong>von</strong> dem, was man sich <strong>von</strong> so manch anderer<br />
Melodycore-Band wünscht. Zwei eingesetzte Gitarren<br />
entwickeln ein Wechselspiel aus druckvoll-treibenden<br />
Passagen und guten Melodiebögen, die kraftvollen Schlagzeugparts<br />
werden wiederholt <strong>von</strong> Fill-Ins und derlei Spielereien<br />
unterbrochen und die Melodieführung der Stimme<br />
trägt zudem dazu bei, dass sich viele der Songs zu kleinen<br />
Ohrwürmern entwickeln. Bei schnellen, fröhlicheren Songs<br />
wie dem Opener „Appetite at first sight“ oder „Living the limits“,<br />
die mich beide sehr an NEW FOUND GLORY erinnern,<br />
macht die Band eine gute Figur und zeigt, dass sie ein<br />
Händchen für Catchyness besitzt. Ebenso gelungen klingen<br />
die 5 BUGS bei nachdenklicheren, angenehm an die späten<br />
STRUNG OUT erinnernden Passagen, etwa „No one’s<br />
there“. Alles in allem ein Album, das neben einer hervorragenden<br />
Produktion <strong>von</strong> vielen guten Melodien lebt. (35:23)<br />
(7) Lauri Wessel<br />
925S / DESTRUCTORS 666<br />
Sturm Unt Drang <strong>CD</strong><br />
Rowdy Farrago | <strong>Die</strong> ersten drei Songs auf dieser Split rauschen<br />
irgendwie an mir vorbei. <strong>Die</strong> DESTRUCTORS 666 gehen<br />
stark in Richtung Streetpunk/Streetcore, aber können<br />
mit keinem ihrer Songs einen bleibenden Eindruck<br />
bei mir hinterlassen, machen ihre Sache aber im Prinzip<br />
nicht schlecht. <strong>Die</strong> 925S nerven hingegen sogar aktiv. Das<br />
ist einfach nicht mein Stil. Mit ihrer komischen Hype-Musik<br />
könnten sie prima donnerstags in der Alternative-Disse<br />
in meiner Stadt laufen, wo die jungen Menschen für geringes<br />
Geld Kölsch-Cola trinken und zu FRANZ FERDIN-<br />
AND und den ARCTIC MONKEYS tanzen. Oder auch zu WE<br />
ARE SCIENTISTS, mit denen THE 925S schon ausverkaufte<br />
Shows gespielt haben. Oh, ich kann kaum fassen, wie egal<br />
mir das ist. Plötzlich drängt sich mir die Frage auf, wie diese<br />
zwei komplett unterschiedlichen Bands um Himmels willen<br />
auf einen Tonträger kommen, aber scheinbar stammen<br />
wohl beide aus dem gleichen Ort in England, nämlich Peterborough.<br />
Aber ob das als Entschuldigung reicht? (18:19)<br />
(4) Claudia Luck<br />
AWOKEN<br />
Death Or Glory <strong>CD</strong><br />
letitburnrecords.com | Rauher Hardcore <strong>von</strong><br />
der Insel ohne große Überraschungen. So einfach<br />
und treffend kann man es in diesem Fall Zusammenfassen.<br />
Keine Ausflüge in den Metalbe-<br />
A<br />
reich, keine Gang-Vocals, sondern nur straight<br />
nach vorne kickender, düsterer Hardcore. Einer-<br />
seits mal wieder eine schöne Abwechslung, wenn man sonst<br />
fast überall Metalcore um die Ohren geblasen bekommt,<br />
aber auch ein leichter Wermutstropfen, wenn man bedenkt,<br />
dass der klassische New York-Style <strong>von</strong> MADBALL und den<br />
mighty SICK OF IT ALL mit jedem Jahr mehr auf der Strecke<br />
bleibt und keine Nachfolger in Sicht sind. Aber dafür kann<br />
060 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />
Unsere Review-Politik:<br />
Wir besprechen jeden Tonträger, der im weitesten<br />
Sinne in unser Heft passt. Einen Anspruch auf<br />
Rezension gibt es aber nicht, und wir behalten es<br />
uns vor, Tonträger unrezensiert in unsere „Kiste des<br />
Grauens“ auszusortieren.<br />
Grundsätzlich bestehen wir auf der Zusendung<br />
kompletter Releases, das heißt „nackte“ gebrannte<br />
<strong>CD</strong>s ohne Cover etc. werden nicht berücksichtigt<br />
bzw. nur dann, wenn wir sicher gehen können, dass<br />
wir auch die fertige <strong>CD</strong> geschickt bekommen. Auf<br />
keinen Fall besprechen wir <strong>CD</strong>s mit ausgeblendeten<br />
Stücken sowie wie mit Watermark versehene <strong>CD</strong>s.<br />
Letztere werden <strong>von</strong> uns ohne Kommentar als unfreie,<br />
versicherte Pakete an das Label zurückgeschickt.<br />
Wir akzeptieren überdies keine Eigentumsvorbehalte,<br />
wie sie oft auf Promo-<strong>CD</strong>s aufgedruckt sind. Mit der<br />
Zusendung an das <strong>Ox</strong> gehen diese <strong>CD</strong>s wie auch alle<br />
anderen Tonträger in unser Eigentum über.<br />
Mit der Zusendung erklärt sich der Zusender<br />
ausdrücklich mit diesen Bedingungen einverstanden.<br />
Noch mehr Reviews gefällig als hier?<br />
Unter www.ox-fanzine.de gibt’s rund 18.000 Reviews<br />
aus den letzten 46 Ausgaben, alphabetisch und nach<br />
Ausgabe geordnet, und teilweise sogar noch mehr<br />
Reviews als sich im Heft finden, denn oft können<br />
wir einfach nicht alles unterbringen. Das Ganze mit<br />
komfortabler Suchfunktion nach Bandname, Plattentitel<br />
und Label.<br />
man natürlich AWOKEN nicht verantwortlich machen. <strong>Die</strong><br />
Jungs sind auf jeden Fall solide, der Sound ist gut und an Attitüde<br />
mangelt es den Engländern auch nicht. Also, <strong>CD</strong> einlegen<br />
und knapp 30 Minuten die Sau rauslassen. „Death Or<br />
Glory“ halt. (27:19) (7) Tobias Ernst<br />
A LOVE ENDS SUICIDE<br />
In The Disaster <strong>CD</strong><br />
Metal Blade | Wenn das keine Familienbande ist. Gleich<br />
vier der fünf Mitglieder <strong>von</strong> ALES sind Brüder. Mit tatkräftiger<br />
Unterstützung <strong>von</strong> Tim Lambesis (AS I LAY DYING)<br />
wollen es die Kalifornier nun also auch wissen und sind<br />
jetzt ein weiterer der unzähligen Metalcore-Acts, die diesen<br />
Planeten bevölkern. Leider haben die Jungs mit der Wucht<br />
und Eigenständigkeit <strong>von</strong> AS I LAY DYING nicht allzu viel<br />
gemein und bleiben so eher im Mittelmaß stecken. Klar, die<br />
Shouts sind ordentlich und die immer wieder eingestreuten<br />
cleanen Vocals geben dem Ganzen seine Melodie, aber<br />
das machen eben alle anderen auch ganz genauso. Und so<br />
brauche ich an dieser Stelle auch gar nicht mehr viele Worte<br />
zu verlieren. Wer auf die 36 CRAZY FISTS steht, der wird<br />
an dieser Platte seine Freude haben und für alle, die eh alles<br />
haben müssen, kommt diese Platte auch gut. Wer aber verwöhnte<br />
Ohren hat, geprägt <strong>von</strong> den wirklich großen Größen<br />
des Genres, so zum Beispiel UNEARTH, der braucht<br />
dieses Album nicht mehr. (39:11) (6) Tobias Ernst<br />
ANSWER<br />
Rise <strong>CD</strong><br />
albertmusic.co.uk/PIAS | Eine Classic-Rock-Scheibe im<br />
<strong>Ox</strong>-Soundcheck? Dass ich das noch erleben darf. Nun gut,<br />
die Redaktion wird halt auch nicht jünger und der ein oder<br />
andere fällt altersmäßig<br />
vielleicht schon in die statistische<br />
Zielgruppe dieser<br />
Art Musik. Umso verwunderlicher,<br />
dass die<br />
Jungs <strong>von</strong> THE ANS-<br />
WER erst Anfang bis Mitte<br />
zwanzig sind. Da wurde<br />
Daddys Plattensammlung<br />
wohl zuviel Aufmerksamkeit<br />
geschenkt, <strong>von</strong><br />
LED ZEPPELIN über DEEP<br />
PURPLE bis WHITESNA-<br />
KE dürfte alles vertreten<br />
gewesen sein. Aber wenigstens kupfern die Iren mit Hingabe<br />
ab, haben wesentlich mehr Feuer im Arsch als ihre mittlerweile<br />
doch recht abgetakelten Vorbilder und spielen tighter<br />
als die Spandex <strong>von</strong> THE DARKNESS-Sänger Justin Hawkins<br />
jemals sitzen könnte. Und so konsequent tremolieren wie<br />
am Anfang des Stückes „Never too late“ muss man auch erst<br />
einmal. Das erfordert in der heutigen Zeit echt Mut. Und<br />
das ganze in den Soundcheck eines Punk-Fanzines zu hieven<br />
erst recht. So etwas muss belohnt werden. Und das <strong>Ox</strong><br />
bestraft: (48:04) (10) Ingo Rothkehl<br />
ANOTHER SIX CENT<br />
The Pardey’s Over M<strong>CD</strong><br />
anothersixcent.com | <strong>Die</strong>se vier Stücke sind eine Mischung<br />
aus Rock, melodischem Punkrock und zaghaften, nur an<br />
wenigen Stellen gespielten härteren Momenten. Dabei sollte<br />
die Band sich trauen, gerade diese stärker in ihren Sound<br />
einfließen zu lassen. Denn der Song, in dem die Band härter<br />
wird, „Never enough“, hat den Charme des ersten THRICE-<br />
Albums. Da<strong>von</strong> abgesehen findet man hier Referenzen zu<br />
verschiedenen kalifornischen Bands, aber auch Rock-Einflüsse<br />
à la BEATSTEAKS. Keine Frage, die Melodien sind gut<br />
und die Breaks passen. Insgesamt wirkt „The Pardey’s Over“<br />
aber zu uneigenständig, um gut zu sein. Eine stärkere Betonung<br />
der härteren Elemente würde bestens zum Sound der<br />
Band passen. (10:27) (5) Lauri Wessel<br />
ALCOHOLIC<br />
BREAKDANCE MASSACRE<br />
s/t LP<br />
abm-punkrock.de | Kann eine Band mit so einem Namen<br />
eigentlich schlecht sein? Natürlich nicht! Und ist er denn<br />
wenigstens zutreffend? Jedes Wort! ABM aus dem Havelland<br />
spielen Deutschpunk mit kehligem Gesang, wobei die A-<br />
Seite besser klingt, auf der BM-Seite drängt sich die sägende<br />
Gitarre zu sehr auf. Der Deutschpunkgestus, ewige Wahrheiten<br />
zu verkünden, macht bei ABM einer gegenständlicheren<br />
Sicht Platz, wobei das gelegentliche Abgleiten in einen<br />
Ska-Beat das einzige Skinhead-Versatzstück bleibt. <strong>Die</strong> Texte<br />
handeln <strong>von</strong> Gesellschaftsabscheu, Normierung, Isolation<br />
und Langeweile, haben aber laut Plastic Bomb einen „drollig-prolligen“<br />
Charakter (über das Lied „Fleisch“), was im<br />
Jargon des Plastic Bomb nichts anderes heißen soll, als dass<br />
die Meta-Ebene der Spaßtexte tiefere Interpretationsmöglichkeiten<br />
bietet. (7) Walmaul<br />
ADMIRAL JAMES T.<br />
The Dark Side Of The Moonboots <strong>CD</strong><br />
leechredda.com | Auch der beste Admiral ist nur so gut wie<br />
die Truppe, die er kommandiert. Das genau ist das Grundproblem<br />
bei diesem Projekt. Ganze achtzehn Eigenkompositionen<br />
zwischen 50s R’n’R, 60s Garage und 70s Powerpop<br />
bringt der Admiral auf seinem mittlerweile siebten Album<br />
zu Gehör. Prima Songs, genau genommen. Aber, und das<br />
ist der Schwachpunkt, James T. hat auch diese Platte wieder<br />
komplett im Alleingang aufgenommen. Natürlich ist<br />
es alles hochqualifiziert eingespielt und produziert. Doch<br />
der Schwung und den Charme, den die Stücke, wären sie<br />
<strong>von</strong> einer „echten“ Band aufgenommen, entfalten könnten,<br />
kann man nur erahnen. Es klingt für mich alles etwas artifiziell<br />
und steril, beinahe leblos. (6) Gereon Helmer<br />
AMERICAN LEAD GUITAR<br />
Ultra Infra <strong>CD</strong><br />
blunoise.de | Seit ein paar Jahren schon sind die vier bis<br />
fünf Herren aus Essen und Dortmund in musikalischer<br />
Mission unterwegs, waren mit Bands wie VAMPYRE STATE<br />
BUILDING, NOVOTNY TV und LES JACKS nicht ausgelastet<br />
und fanden in den seltsam benannten AMERICAN LEAD<br />
GUITAR eine neue Heimat. Ich erinnere mich dunkel an<br />
ein gelungenes Demo, das schon vor einer ganzen Weile erschien,<br />
und mit viel Anlauf ist jetzt das Album raus, das Guido<br />
Lucas nicht nur im bluNoise-Studio produziert hat, sondern<br />
auch so interessant fand, dass er es für sein Label blunoise<br />
würdig hielt, auf dem er mit schöner (Un-)Regelmäßigkeit<br />
Vertreter des – im weitesten Sinne – Gitarrenrocks<br />
veröffentlicht. ALG jedenfalls entziehen sich fieserweise den<br />
ersten Annäherungsversuchen des Rezensenten durch Eigenwilligkeit,<br />
lassen sich grob als druckvoll-noisiger Post-<br />
Punk beschreiben, der hier mal in zappaeske Sphären abdriftet<br />
(„Los amorous“), dann wieder, gerade gesanglich,<br />
an NOMEANSNO erinnert, um dann wieder auf SONIC<br />
YOUTH-Kumpel zu machen. Mit jedem weiteren Durchlauf<br />
wächst die Platte dann, doch muss die Band damit leben,<br />
zu gut für diese Welt zu sein, denn in irgendeine derzeit<br />
auch nur im geringsten angesagte Schublade passt so was<br />
Sperrig-Diffiziles nicht, auch wenn ALG im Grunde ihres<br />
Herzens auch nur schöne Popsongs spielen wollen („Sheena<br />
is a junksucker“). Ach ja, eine schöne, aber auch völlig sinnlose<br />
Website gibt’s unter americanleadguitar.de – beim dritten<br />
Durchlauf hab ich aufgegeben, irgendwo hinzuklicken ...<br />
(36:24) (7) Joachim Hiller<br />
AVATARS<br />
Never A Good Time <strong>CD</strong><br />
nofunrecords.com | Ein Avatar ist die irdische Inkarnation<br />
eines Gottes. Der Begriff kommt aus dem Sanskrit. J., ein<br />
Wasserläufer, der angeblich vor 2.000 Jahren gelebt hat, soll<br />
auch einer gewesen sein, und im Falle dieser 2003 in Ann<br />
Arbor, Michigan gegründeten Band haben wir gleich fünf<br />
Avatare vor uns, da<strong>von</strong> drei weiblichen Geschlechts. Ob die<br />
mit ihrem Bandnamen klarmachen wollen, dass sie absolut<br />
göttliche Musik machen, das kann ich nur vermuten, aber<br />
zumindest sind sie bislang nicht vom Blitz getroffen worden,<br />
was ein starker Beweis für die Existenz Gottes wäre,<br />
aber mit Sicherheit keine Geschmacksurteil. Denn der Fünfer,<br />
der rein optisch auch sehr gut auf Dirtnap passen würde<br />
und in eine Package-Tour mit BRIEFS, BOBBYTEENS<br />
und SUZY Y LOS QUATTRO, spielt sehr wuchtig produzierten,<br />
soulig groovenden Punkrock mit Pop-Appeal. Produziert<br />
hat Meister Him Diamond, und wer den brachialen<br />
Sound der DIRTBOMBS schätzt, das rauchige Organ <strong>von</strong><br />
Rachel <strong>von</strong> den DETROIT COBRAS, der sollte sich vom Titel<br />
nicht abschrecken lassen, denn natürlich hat man beim Hören<br />
dieser Platte viel Spaß. In manchen Momenten machen<br />
die AVATARS sogar den Eindruck, so was wie die verschärfte<br />
Punkrock-Version <strong>von</strong> Holly Golightly zu sein, und alles<br />
in allem ist dem Fünfer hier gerade auch wegen Ausnahme-Frontfrau<br />
Mariah Cherem ein wirklich rundum schönes<br />
Debütalbum gelungen. (28:29) (8) Joachim Hiller<br />
AMPLIFIER<br />
Insider <strong>CD</strong><br />
SPV/Steamhammer | <strong>Die</strong>sen britischen Dreier habe ich<br />
wegen des Vorgängeralbums aus dem Jahr 2003 irgendwie<br />
als Alternative Metal-Band abgehakt und wieder vergessen.<br />
Nun halte ich das zweite Album in Händen und ich muss<br />
gestehen, dass ich da einen großen Fehler gemacht habe. Der<br />
Begriff „Metal“ ist hier ziemlich fehl am Platze, auch wenn<br />
die Gitarren oft danach klingen – besonders anschaulich<br />
im Solo-Teil <strong>von</strong> „Strange Seas Of Thought“ – und das Album<br />
das Logo eines Labels ziert, das vor allem für seine Metal-Veröffentlichungen<br />
bekannt ist. Was der Band aber völlig<br />
abgeht, ist das Metal-Gebaren, also die dicken Eier. AM-<br />
PLIFIER kennzeichnet vielmehr der getragene Bombast, soll<br />
heißen die sprichwörtliche Wall of Sound, die Kombination<br />
<strong>von</strong> unglaublicher Lautstärke mit herzerweichend harmonischen<br />
Gitarrenlinien. Auch hier wieder beispielhaft<br />
anzutreffen in eben genanntem Song. Das Schlagzeug ist<br />
nicht unbedingt untätig, unterstützt aber durch sein Spiel<br />
die Mischung aus Zähigkeit und Rock. Wie ich herausgefunden<br />
habe, bezeichnen AMPLIFIER die Band OCEANSIZE<br />
als „brothers in amps“, wer also seinen Musikgeschmack in<br />
solchen Sphären verortet, der soll hier ruhig einmal reinhören,<br />
auch wenn „Insider“ eher in der Intensität gleichzusetzen<br />
ist, weniger in der Komplexität und der Dynamik. So<br />
bin ich also selbst überrascht über meine Begeisterung, aber<br />
ich mag halt diesen dichten, klebrigen Sound. Also stimmt<br />
es: Der Ton macht die Musik. (58:57) (8) Christian Meiners<br />
AGAINST ME!<br />
Americans Abroad!!!<br />
Against Me!!! Live in London!!! <strong>CD</strong><br />
Fat Wreck | Wie wir bereits aus dem letzten Heft wissen,<br />
ist dieses AGAINST ME!-Album das vorerst letzte für ein<br />
Indielabel. Und wie bei Abschieden <strong>von</strong> Fat üblich, dürfen<br />
auch AM! sich noch mal dort beweisen, wo sie sich am<br />
wohlsten fühlen: Auf der Bühne. Über Sinn und Unsinn eines<br />
Livealbums kann man sicher streiten. Ich persönlich bin<br />
eigentlich kein Fan <strong>von</strong> da<strong>von</strong> und empfehle jedem, lieber<br />
selbst zu einer AM!-Show zu gehen. Trotz guter Tonqualität<br />
verliert ein Livemitschnitt nämlich jegliche Art <strong>von</strong> Intensität,<br />
die so typisch ist für die Band aus Gainsville, Florida<br />
und man kann anhand der vielen schönen Live-Bilder im<br />
Booklet nur erahnen, welche Kraft und Energie bei diesem<br />
Londoner Konzert freigesetzt wurden. Von allen ihren drei<br />
Alben spielt die Band ein Potpourri an Songs. Was ich vermisse,<br />
sind allein die großartigen Akustikstücke, die Sänger<br />
Tom Gabel sonst gerne mal zum Besten gibt. Aber man kann<br />
nicht alles haben. Der brandneue Titelsong, mit dem schönen<br />
Refrain „Americans abraod / I hope I’m not like them“<br />
sollte als Vorgeschmack für das im nächsten Jahr bevorstehende<br />
Majordebüt genügen. Bodo Unbroken<br />
ANTIFAMILY<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
difficultfun.org/Broken Silence | ANTIFAMILY ist ein bis<br />
zu 20-köpfiges Künstlerkollektiv, doch während ich da<strong>von</strong><br />
eigentlich völlig unausgegorenes Geschrammel erwarte, ist<br />
deren Sound gar nicht sonderlich diffus, sondern fast schon<br />
zu glatt. Am Werk sind Multiinstrumentalisten, die statt in<br />
hemmungslose, konfuse Improvisation zu verfallen, simple,<br />
reduzierte, sehr stark an den kühlen 80ern orientierte<br />
Klanggerüste aufbauen und dabei auch immer mit den<br />
besten Versatzstücken aus Krautrock, Dub und New Wave<br />
spielen. Improvisation, die auf eine Sozialisation im Free-<br />
Jazz schließen lässt, findet fast nur im Hintergrund statt,<br />
und Brian Eno und NEU! sind unschwer als große Vorbilder<br />
auszumachen. Obwohl viele Elemente auftauchen, die<br />
man kennt, wird die Musik zu keinem Moment langweilig,<br />
gerade durch die gelungene Kombinationen altbewähr-<br />
ter Muster entsteht etwas völlig Eigenes, und trotz scheinbarer<br />
Monotonie gibt es immer großartige Details zu entdecken.<br />
Der vielseitige weibliche Gesang ist mal in Englisch,<br />
mal in Französisch, und liegt dabei immer souverän über<br />
der Musik. <strong>Die</strong> einzige Band, die mir in den Sinn kommt, die<br />
auf ähnlich hypnotisierende Weise jazzigen, beinahe schon<br />
musicalhaften Gesang und FAD-GADGET-Pop zu verbinden<br />
wussten, sind GRY oder vielleicht noch – wenn man sich so<br />
einen hanebüchenen Vergleich überhaupt vorstellen will –<br />
PHANTOM/GHOST mit Frauengesang. (45:49) (8)<br />
Chris Wilpert<br />
AMEN 81<br />
The Hitpit LP<br />
amen81.de | In einem der letzten Plastic Bomb-Hefte war<br />
ein Interview mit den alten Nürnbergern <strong>von</strong> AMEN 81, und<br />
seitdem haben die extrem viele Sympathiepunkte bei mir.<br />
Ich besitze tatsächlich (komischerweise) nur die Debütsingle<br />
<strong>von</strong> 1995 und war gespannt, wie die sich jetzt wohl anhören.<br />
14 mal wird gut gebolzt, HC/Punk mit einem bisschen<br />
Kruste, immer nach vorne, ganz schön alte Schule und<br />
Circle Pits dürfen zu dem ein, oder anderen Song gestartet<br />
werden. Wirklich festnageln lässt man sich nicht. Klingt<br />
eher so, als wird spontan aus der Hüfte geschossen. Straight,<br />
direkt, aber niemals stumpf oder öde. Gute Texte, die nicht<br />
predigen, trotzdem gut rumrotzen und clever rüberkommen.<br />
<strong>Die</strong> Aufmachung der LP (Vinyl only!) ist im C64/Giana<br />
Sisters-Style ein sagenhafter Hingucker, hat ein ultradickes<br />
Beiheft dabei und gehört zum Geilsten, was ich in letzter<br />
Zeit gesehen habe. Coole Platte! (8) Renke Ehmcke<br />
AUXITT<br />
Rebuilding The Architekt M<strong>CD</strong><br />
auxitt.de | AUXITT aus Nürnberg sind mit der zweiten Veröffentlichung<br />
am Start: „Rebuilding The Architect“. Schon<br />
das vorangegangene Album, „Emotion Faked Location Skip“<br />
(2005), wusste mit gekonnt gerockten Emo-Songs zu beeindrucken.<br />
Heuer hat das junge Trio (Durchschnittsalter<br />
22) seinen Sound modernisiert, den Erwartungen der MySpace-Gemeinde<br />
angepasst. Inzwischen wird nicht mehr geheult,<br />
jetzt wird gesungen und gebrüllt, Entschuldigung,<br />
„gescreamt“. <strong>Die</strong>se Band weiß ganz genau, was sie will.<br />
Druckvolle Songs schreiben und unschuldig in die Kamera<br />
blicken. Jetzt fehlt nur noch professionelle Werbung, und<br />
dann kriegen auch die Mädchen außerhalb Bayerns nach<br />
TOKIO HOTEL wieder eine richtige Band zum Anschmachten.<br />
<strong>Die</strong> Jungs verprügeln sich derweil im Moshpit. (19:00)<br />
(8) Arne Koepke<br />
AMANDINE<br />
Waiting For The Light To Find Us M<strong>CD</strong><br />
Fat Cat/Rough Trade | Was schon für das Album galt, kann<br />
man auch für die jetzt folgende EP der Schweden gelten lassen:<br />
Weiterhin spielen sie ihren gefälligen Songwriter-Folk,<br />
der widerstandslos ins Ohr gleitet und den Hörer mit seiner<br />
schönen Instrumentierung (mit Bläsern und Streichern<br />
macht man in diesem Gebiet selten etwas falsch) ganz weich<br />
einwickelt. Allerdings ist die Halbwertzeit der Songs kaum<br />
länger als ihre Dauer, man findet an ihnen nicht das gwisse<br />
Etwas, das sie besonders macht. Nett. Nicht mehr und auch<br />
nicht weniger. (21:06) (5) Christian Maiwald<br />
ANNEX 5<br />
Sex Rags <strong>CD</strong><br />
Sunny Bastards | Im beiliegenden Infotext zum zweiten Album<br />
<strong>von</strong> ANNEX 5 mit dem Titel „Sex Rags“ ist die Rede<br />
<strong>von</strong> „Ohrwurmcharakter“. Bedauerlicherweise kann ich einen<br />
solchen Ohrwurm auch nach mehreren Hördurchgängen<br />
nicht als Folgesymptom bei mir feststellen. Dennoch<br />
kann man dem Sound der Band aus Hannover einen eigenständigen<br />
Charakter nicht absprechen, doch liegt hier nun<br />
eben auch der Hund begraben. Eine Mischung aus altbackenem<br />
Rock – wohlwollend könnte man auch <strong>von</strong> klassischen<br />
Rock sprechen – und dezenten Horrorpunk-Einflüssen.<br />
Musik, die in ihrer Gesamtheit ein wenig unaufdringlich<br />
und kraftlos wirkt. So auch der Gesang <strong>von</strong> Sängerin<br />
Kirsten, welcher die meiste Zeit doch recht phlegmatisch<br />
und schwunglos erscheint. Doch könnte man eben jene Attribute<br />
nun auch positiv auslegen, insofern, dass sie konsequent<br />
und nicht unbeabsichtigt zum Einsatz kommen. Und<br />
so gelingt es ANNEX 5 zweifelsohne, eine eigene Atmosphäre<br />
aufzubauen – nämlich trostlos und ein bisschen düster.<br />
Sicherlich keine Musik, die ich mir anhören wollte, wenn<br />
ich gerade frisch verliebt wäre, dafür aber vielleicht spätestens,<br />
nachdem man mich verlassen hätte. Alex Gräbeldinger<br />
A GREAT CIRCLE<br />
With Love <strong>CD</strong>+DVD<br />
goldstandardlabs.com | A GREAT CIRCLE sind ein Quartett<br />
aus Italien, das mit diesem Album eine Art Konzept- und<br />
(inklusive DVD und inszenierter Fotos auch ein) Gesamtkunstwerk<br />
vorlegt, das in symphonischer Manier in Titel<br />
wie „Prelude“, „First Scream“, „Cable Theme I, II, III“ oder<br />
„Second Scream“ unterteilt ist. Dass die Band in klassischer<br />
Besetzung mit Schlagzeug, Bass und Gitarre agiert und mit<br />
ihren obskuren Kostümen auch an SOME GIRLS oder THE<br />
LOCUST erinnert, hört man ihrer Musik nicht an. <strong>Die</strong> ist<br />
eher experimenteller Natur, gleicht den frühen, noch vom<br />
Hardcore geprägten Werken <strong>von</strong> BLACK DICE, ist aber im<br />
Falle <strong>von</strong> A GREAT CIRCLE ungleich langsamer und bedrohlicher,<br />
zugleich auch überraschender arrangiert. Auf ruhige,<br />
düstere Passagen folgen unkonventionelle Lärmausbrüche,<br />
die Songs haben fast schon beschwörenden Charakter<br />
wie auf den ersten beiden LIARS-Alben. Doch „gewohnte“<br />
Songformate werden nur sekundenlang ausgehalten, um im<br />
nächsten Moment völlig abgedreht und psychedelisch destruiert<br />
zu werden. Dass das, was A GREAT CIRCLE machen,<br />
Kunst ist, beweist die beiliegende DVD ihres Sängers Nico<br />
Vascellari, die 2003 während drei Performances der Band in<br />
Museen und Galerien (sic!) gefilmt wurde. Ganz im Gegensatz<br />
zu dem missglückten Machwerk der LIARS-DVD à la<br />
„Wir filmen jetzt einfach mal Schnecken und so“, wird die<br />
visuelle Umsetzung den Klangbildern hier erst richtig gerecht,<br />
entlarvt die Musik als krachigen, und in seiner Zähheit<br />
auch bösartigen Horrorsoundtrack. (30:19) (9)<br />
Chris Wilpert<br />
ANOTHER BREATH<br />
Mill City <strong>CD</strong>/LP<br />
rivalryrecords.com | „... Evil days that come to young guys<br />
in their middle twenties.“ Ein Jack Kerouac-Zitat pflastert<br />
den Weg der neuen ANOTHER BREATH-Platte. Auf der<br />
Sinnsuche, irgendwo zwischen Aufbruchs-, Abbruchs- und<br />
Untergangsstimmung. Der alte Beatnik Kerouac arbeitete<br />
problemorientiert mit Sex, Drogen und Reisen, um der<br />
Prüderie der 50er Jahre zu entkommen. Ein weiterer bewährter<br />
Weg ist die Gründung einer Band. Schließt das andere<br />
auch nicht unbedingt aus. Anyway: Skatepunks, trendbewusste<br />
Hardcore-Kids und positvely positive Dronen<br />
dürfen zugreifen und wer schon vorher die „Not Now, Not<br />
Ever“-EP gut fand, sollte ebenfalls freudig zum Plattendealer<br />
rennen und die Finger <strong>von</strong> den Drogen lassen. Textlich und<br />
musikalisch finde ich es äußerst ansprechend, während das<br />
Layout billige Photoshop-Produktion ist. Trotzdem: Bands,<br />
die ihre Songs mit Plato-Zitaten anfangen, haben Wackersteine<br />
in meinen Brett – mehr Literatur und Hardcore = Intellektuell<br />
geht gar nicht! (35:13) (8) Katrin Hacheney<br />
JON AUER<br />
Songs From The Year Of Our Demise <strong>CD</strong><br />
DevilDuck/Indigo | Nach dem „Reunion“-Album „Every<br />
Kind Of Light“ der POSIES und einem neuen BIG STAR-Album<br />
unter POSIES-Beteiligung (beides eher mittelprächtige<br />
Erzeugnisse) legt auch deren Gründungsmitglied Jon<br />
Auer sein erstes Soloalbum vor. Wer wie im Fall des aktu-<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 60 22.09.2006 20:50:24 Uhr
ellen POSIES-Albums enttäuscht war, dass sich der knackige<br />
Powerpop früherer Zeiten stark in Grenzen hielt, wird auch<br />
bei Auer mit einem eher schlaffen Songwriting konfrontiert.<br />
Das allerdings setzt Auer bei den insgesamt 15 Songs<br />
(plus drei Bonustracks) konsequent um und präsentiert einem<br />
nicht so ein unhomogenes Allerlei wie bei BIG STAR<br />
oder dem POSIES-Album. „Songs From The Year Of Our Demise“<br />
ist zwar ein überaus filigranes, dezent instrumentiertes<br />
Popalbum, getragen <strong>von</strong> Auers süßlichem Gesang und<br />
halbakustischen Klängen, aber eben insgesamt sehr gut auf<br />
den Punkt gebracht – Auers Melodien setzen sich sofort fest.<br />
Man merkt der Platte sofort den emotionalen und überaus<br />
persönlichen Input Auers an, der einen mit diesem tollen<br />
Album über die enttäuschenden Werke <strong>von</strong> BIG STAR und<br />
den POSIES gut hinwegtröstet. (9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
ANTENA TRES<br />
Onda Di Crimine <strong>CD</strong><br />
JasonR | Von den französischen Surfmusik-Stränden<br />
kommt eine schnelle und deftige Portion Surfgitarren und<br />
Surfelektronik. <strong>Die</strong> vier Musiker <strong>von</strong> AT3 waren schon auf<br />
dem – hier besprochenen – französischen Surf-Sampler<br />
„More To Enjoy Vol. II“ vertreten und legen jetzt ihr erstes<br />
Album vor. <strong>Die</strong> aus Gironde kommenden Wellenmusik-Spieler<br />
bauen eine eigenartige Mischung aus Surf, Crime<br />
Jazz, Punkstyles, ein wenig Bossa Nova und beatendem<br />
Twist zusammen. Manche Tracks hören sich sehr elektronisch<br />
an, bei manchen Tracks ist es ein wenig chaotisch –<br />
da ist ein abwechslungsreiches Album entstanden, das an<br />
einigen Stellen den Surfsound Surf sein lässt und zur entspannt-schnellen<br />
Tanzmusik wechselt. Das hört sich seltsam<br />
an? Nein, nur abwechslungsreich, und das ist für Surfmusik<br />
ja nicht immer selbstverständlich! Also einfach mal reinhören<br />
in ein gelungenes Surfdebüt aus Frankreich. (46:00) (7)<br />
<strong>Thomas</strong> <strong>Neumann</strong><br />
ACHILLES / SEVEN BOWLS OF WRATH<br />
Split LP<br />
Bloom Explode | Für Songtitel wie „Every hour wounds,<br />
the last one kills“ sollte man ACHILLES eigentlich im Osloer<br />
Rathaus den Nobelpreis verleihen, leider gibt es für Sarkasmus<br />
und Ähnliches noch keinen. Jedenfalls liegen die<br />
acht Lieder des Vierers schwer wie Stein in der Magengrube<br />
und erinnern mich positiv an die göttlichen BOTCH,<br />
ebenso vertrackt, gegenläufig und enorm groovig sind die<br />
Titel <strong>von</strong> ACHILLES aus den Staaten. Dann hört man noch<br />
zusätzliche Gitarrenarbeit <strong>von</strong> Evan Patterson, ehemals bei<br />
BLACK CROSS und BREATHER RESIST. Steve Sindoni, der<br />
bei BREATHER RESIST für den Gesang sorgte, gibt sich auch<br />
die Ehre. <strong>Die</strong> Saarländer SEVEN BOWLS OF WRATH nehmen<br />
dann etwas Tempo raus, geben sich martialischer und<br />
nicht ganz so chaotisch, bilden aber keineswegs einen ruhenden<br />
Pol, sondern widmen sich fünf Songs lang der Zerstörung.<br />
Anfangs noch in Zeitlupe, nur um dann später Tempo<br />
und schleppende Momente zu kontrastieren. Ein absoluter<br />
Hassbrocken, der euch die Zeit bis zum Jüngsten Gericht<br />
angenehm verkürzen wird. Noch Fragen? (39:40) (8/6)<br />
<strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
AFIRE<br />
In The Sky <strong>CD</strong><br />
United Power Fields | Musikalisch fiel mir zuerst die recht<br />
dürftige Eigenproduktion auf, und das will ich der Band<br />
jetzt nicht ankreiden, aber vielleicht wäre es ratsam, nächstes<br />
Mal das Booklet nicht opulenter als die Aufnahmen zu<br />
gestalten. Zudem tragen die Südhessen im Promosheet recht<br />
dick auf, und wer sich mit Political Correctness und dem<br />
Vegetarismus aller Bandmitgleider schmückt, sollte keinen<br />
latenten Chauvinismus an den Tag legen, denn den braucht<br />
kein Mensch. <strong>Die</strong> Lieder orientieren sich an NEW DAY RI-<br />
SING, werden <strong>von</strong> melodischen Leads geprägt und <strong>von</strong> heiserem<br />
Gekeife gerahmt. Gut gemeint, auch nicht schlecht<br />
gemacht, aber etwas zerfahren und für mich als Hörer klingt<br />
alles recht uninspiriert und etwas obsolet. (5) (25:09)<br />
<strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
AMERICAN BLACKLUNG<br />
... And They Rode Their Weapons Into War <strong>CD</strong><br />
Burning House | Das relativ unspektakuläre Cover hat mich<br />
ganz schön in die Irre geführt, denn die Band aus Tucson,<br />
Arizona hat den Rock’n’Roll nun echt <strong>von</strong> Alpha bis Omega<br />
in den Hüften. Skandinavische Riffs, 70s Vibe, Haare wie<br />
Löwen, Bärte wie Ziegen, die Prioritäten sind klar gesetzt.<br />
Den vergangen Jahrzehnten widmet man deutlich mehr<br />
Aufmerksamkeit als dem momentanen, und das ist eine<br />
gute Entscheidung. Einen Spot bei der Warped Tour haben<br />
die Herren auch schon, aber um Konsens zu werden, sind<br />
sie doch zu sehr dem Stoner-Rock und Jimmy Page-Riffs<br />
verhaftet. Vereinzelte Hardcore-Elemente hört man ebenso,<br />
aber die Schwerpunkte liegen sicherlich nicht dort. Wenn<br />
FIGHT PARIS auf Trustkill euren Geschmack treffen und<br />
Hardcore auch mal aus dem Rahmen fallen darf, dann müsst<br />
ihr euch unbedingt das AMERICAN BLACKLUNG-Album<br />
holen. (31:46) (8) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
ALPHA BOY SCHOOL<br />
One In A Million <strong>CD</strong><br />
moonstomp.de | Um einen groben Eindruck <strong>von</strong> ALPHA<br />
BOY SCHOOL zu vermitteln, reicht es vielleicht zu sagen,<br />
dass sie es fertig bringen, Songs mit einer Grundstimmung à<br />
la „Boys don’t cry“ oder (wie hier) Billy Braggs „New England“<br />
in Ska-Versionen zu spielen, die sich nicht völlig panne<br />
anhören. Man wandelt gekonnt auf dem schmalen Grat<br />
zwischen Melancholie und Feierstimmung und der führt<br />
direkt nach England, zu den SPECIALS oder MADNESS. Allein<br />
„More than your boyfriend knows“ ist eine Pop-Hymne,<br />
die Letzteren zu ihren Glanzzeiten hätte einfallen können.<br />
Sobald sich die Songs in langsameren Gefilden bewegen,<br />
klingt das fast schon verdächtig nach Putschversuchen<br />
gegen die aktuellen Genre-Könige <strong>von</strong> den SLACKERS. Alles<br />
an dieser Platte zeigt deutlich, dass man es hier mit Musikern<br />
zu tun hat, die zwar alle Register ziehen könnten, sich<br />
stattdessen aber einfach nur mit den jeweils richtigen begnügen.<br />
Ich war bisher kein großer Fan der Band, habe bei<br />
diesem Album aber tatsächlich Schwierigkeiten, auch nur<br />
einen einzigen Kritikpunkt zu finden. Na, dann eben doch,<br />
dass es <strong>von</strong> „New England“ nicht unbedingt eine Ska-Version<br />
gebraucht hätte. (49:54) (9) Ferdinand Praxl<br />
APRON<br />
The Broken Child EP M<strong>CD</strong><br />
Fragmento | Im Platteninfo wird <strong>Thomas</strong> Bambusch mit<br />
den Worten „APRON, das ist für mich Lebensfreude. <strong>Die</strong><br />
Freiheit so sein zu können wie man will. Es gibt keine Einschränkung“<br />
zitiert und er soll sich damit richtig eingeschätzt<br />
haben. Auf „Broken Child EP“, dem ersten Lebenszeichen<br />
der Band wird so berechenbar zwischen den Musikstilen<br />
gesprungen, wie ein Flummi seine Flugbahn erahnen<br />
lässt. Hier ein bisschen Bossa Nova, da ein bisschen<br />
Blues, Alternative, aber leider auch immer wieder strunzlangweiliger<br />
New Metal. Und ich dachte wirklich, dass diese<br />
Art <strong>von</strong> Musik mal langsam ausgestorben ist. Ach ja, wer<br />
dann doch einen Vergleich braucht, um sich unter der Musik<br />
<strong>von</strong> APRON etwas vorstellen zu können, kann ihn haben:<br />
MUDVAYNE. Kommt bestimmt in anderen Magazinen besser<br />
weg ... (5) Sebastian Wahle<br />
ASPEN IT IS<br />
Release Me From This Weight Of Gravity <strong>CD</strong><br />
piermontrecords.com | Nun ja, sie erfinden das Rad nicht<br />
neu, versuchen aber Emo auf ihre unaufdringliche Weise zu<br />
interpretieren und zu präsentieren: ASPEN IT IS aus New<br />
Jersey. Ihre Plattenfirma bezeichnet sie als Pioniere und hat<br />
dabei nicht ganz Unrecht. Zwar ähnelt die Herangehensweise<br />
an diese Art <strong>von</strong> Musik schon ein wenig der der GET<br />
¡<br />
Lesercharts<br />
¡ THE BRIEFS- Steal Yer Heart ¡ SLAYER - Christ Illusion ¡ Greg Graffin - Cold As The Clay<br />
¡ RISE AGAINST - The Suffer And The Witness ¡ BILLY TALENT - 2<br />
So funktioniert´s:<br />
• Wir wollen <strong>von</strong> euch wissen, welche 5(!) Platten, <strong>CD</strong>s, EPs, Singles, Compilations oder was auch immer momentan am häufigsten gehört werden. Aber bitte beschränkt euch auf die<br />
Nennung relativ aktueller Platten. Wir stellen aus allen genannten Platten monatlich die <strong>Ox</strong>-Lesercharts zusammen und präsentieren diese auf www.ox-fanzine.de und dann alle<br />
zwei Monate auch an dieser Stelle.<br />
• Unter allen Mitmachenden verlosen wir jeden Monat diverse <strong>CD</strong>s, Platten, T-Shirts, Poster, etc.<br />
• Mitmachen unter www.ox-fanzine.de und da unter „Charts” oder via eMail an charts@ox-fanzine.de<br />
Verkaufscharts<br />
¡ SOUNDFLAT<br />
1. MONTESAS - Girl, Du Machst Mich So An 7“ | 2. V.A.<br />
- The Knights Of Fuzz DVD | 3. MISTY LANE - Issue # 20<br />
mag + <strong>CD</strong> | 4. WAISTCOATS - Ich moechte dir nur helfen<br />
7“ | 5. LOS PEYOTES - Cavernicola! <strong>CD</strong> | 6. CANARY<br />
SECT - Shake It, But Dont Break It LP | 7. MONSTERS - Its<br />
Rocknroll 7“ | 8. FE FI FO FUMS - In The Summertime 7“<br />
| 9. BLACK HOLLIES - Crimson Reflections LP/<strong>CD</strong><br />
10. DOLLSQUAD - Fast Girl 7“ | 11. V.A. - Voodoo Rhythm,<br />
The Gospel Of Primitive Rocknroll DVD | 12. NOMADS -<br />
Nomadic Dementia The Best Of The First 25 Years <strong>CD</strong> | 13.<br />
REATARDS - I Lie Too 7“ | 14. BABY WOODROSE - Love<br />
Comes Down LP/<strong>CD</strong> | 15. CLOROX GIRLS - Eva Braun 7“<br />
¡ FLIGHT 13<br />
1. NOMEANSNO - All Roads Lead To Ausfahrt <strong>CD</strong> | 2.<br />
THERMALS - Body, Blood, ... LP/<strong>CD</strong> | 3. RADIO BIRD-<br />
MAN - Zeno Beach LP/<strong>CD</strong> | 4. SONIC DOLLS - I´m A Flower<br />
Too LP/<strong>CD</strong> | 5. MARS VOLTA - Amputechture 2LP/<br />
<strong>CD</strong> | 6. GRAILS / RED SPARROWS - Split LP | 7. SHE-<br />
MALE TROUBLE - Off The Hook LP/<strong>CD</strong> 8. LONELY KINGS<br />
- End Of Forever <strong>CD</strong> | 9. BLACK KEYS - Magic Potion LP/<br />
<strong>CD</strong> | 10. BONNIE PRINCE BILLY - Letting Go LP/<strong>CD</strong> | 11.<br />
MOTÖRHEAD - Kiss Of Death LP/<strong>CD</strong> | 12. SUPERSYS-<br />
Playlists<br />
Joachim Hiller<br />
In der Anlage: TIGER BY THE TAIL s/t | SAMIAM<br />
Whatever’s Got You Down | MOJOMATICS Songs For Faraway<br />
Lovers Mein liebster Punksong über ein Tier:<br />
STOOGES I wanna be your dog Freut sich auf: SAMIAM<br />
& THE DRAFT zusammen auf Tour Geheimtip: SABER-<br />
TOOTH TIGER Extinction Is Inevitable Enttäuschung:<br />
RAPTURE Pieces Of The People We Love <strong>CD</strong><br />
André Bohnensack<br />
In der Anlage: DIE ÄRZTE - Bäst Of | DEATH BREATH -<br />
Stinking Up The Night | HARVEY MILK - Courtesy And<br />
Good Will Toward Men Mein liebster Punksong über<br />
ein Tier: DIE ÄRZTE - Käfer Freut sich auf: eine neue<br />
PASCOW-Platte Geheimtip: JUCIFER - If Thine Enemy<br />
Hunger Enttäuschung: Der rote Volksgerichtshof<br />
<strong>Thomas</strong> Renz<br />
In der Anlage: CONVERGE – No Heroes | SAMIAM –<br />
Whatever’s Got You Down | TRAGEDY – Nerve Damage<br />
Mein liebster Punksong über ein Tier: GORILLA BIS-<br />
CUITS – Cats and dogs Freut sich auf: ISIS – In The Absence<br />
Of Truth<br />
Abel Gebhardt<br />
In der Anlage: KANTE <strong>Die</strong> Tiere sind unruhig <strong>CD</strong> | FLA-<br />
MING STARS Singles, Rarities and Bar Rooms Do-<strong>CD</strong> |<br />
Boris Vian J‘Suis Snob <strong>CD</strong> Mein liebster Punksong über<br />
ein Tier: DIE ÄRZTE Claudia hat nen Schäferhund Freut<br />
sich auf: DIE AERONAUTEN Hier: die Aeronauten <strong>CD</strong> Geheimtip:<br />
BANKRUPT Smaller Than Danny DeVito <strong>CD</strong><br />
Enttäuschung: Der Sommer ist bald vorbei<br />
Arndt Aldenhoven<br />
In der Anlage: PANTERA - The Great Southern Trendkill<br />
| POWERMAN 5000 - Destroy What You Enjoy | MI-<br />
NISTRY- Rio Grande Blood Mein liebster Punksong<br />
über ein Tier: NOFX - Clams Have Feelings too ... Actually<br />
They Don´t Freut sich auf: MELVINS - A Senile Animal<br />
Geheimtip: BONESAW ROMANCE - s/t Enttäuschung:<br />
Metalcore ist immer noch nicht out<br />
Arne Koepke<br />
In der Anlage: BILLY TALENT – II | MOREME – Promo<br />
EP | PROFESSION REPORTER – The Lipstick Durability<br />
Test | Mein liebster Punksong über ein Tier: Stefan<br />
Raab - Börti Vogts Freut sich auf: SAMIAM Geheimtip:<br />
PROFESSION REPORTER – The Lipstick Durability Test<br />
Enttäuschung: Claus Grabke – Dead Hippies, Sad Robot<br />
Bernd Fischer<br />
In der Anlage: DEATH BREATH - Stinking Up The Night<br />
| MIND CONTROLS - s/t | THE RETURNABLES - s/t<br />
Mein liebster Punksong über ein Tier: RAMONES - Pet<br />
Sematary Freut sich auf: ... endlich wieder Lebkuchen!<br />
Geheimtipp: Konsequente Entscheidungen treffen! Enttäuschung:<br />
Das Tapedeck in meinem Auto (tut nicht).<br />
Chris Virgo<br />
In der Anlage: THE THERMALS - The Body, The Blood,<br />
The Machine | BEATPLANET - Wer beatet mehr? | THE<br />
PIPETTES - We Are The Pipettes Mein liebster Punksong<br />
über ein Tier: THE CRAMPS - Can your pussy do the dog<br />
Freut sich auf: La Haine-DVD Geheimtip: Elvis Presley -<br />
The Memphis Record Enttäuschung: Ich habe den Blues,<br />
denn ich denke gerade an das drohende Grunge-Revival<br />
Chris Wilpert:<br />
In der Anlage: JAPANTHER - Master Of Pigeons | PY-<br />
ROLATOR - Inland | A GREAT CIRCLE - With Love Mein<br />
liebster Punksong über ein Tier: THE SHAGGS - My Pal<br />
Foot Foot Freut sich auf: dass ich PENDIKEL endlich live<br />
sehen werde Geheimtip: GOOD GOOD - Furrows Enttäuschung:<br />
CURSIVE sind live gar nicht so toll ...<br />
Christian Maiwald<br />
In der Anlage: MONO & WORLD´S END GIRLFRIEND -<br />
Palmless Prayer/Mass Murder Refrain | MANYFINGERS<br />
- Our Worn Shadow | PETER BJÖRN & JOHN -Writer´s<br />
Block Mein liebster Punksong über ein Tier: DIE ÄRZ-<br />
TE - Mein Teddy Freut sich auf: SUNN O))) & BORIS<br />
- ALTAR Split Geheimtip: ICKE & ER – „Richtig Geil“<br />
(Track) Enttäuschung: Auge<br />
Christoph Schulz<br />
In der Anlage: SUPER 700 s/t | RADIO 4 Enemies Like<br />
This | Q AND NOT U Power Mein liebster Punksong<br />
über ein Tier: TURBOSTAAT Haubentaucherwelpen<br />
Freut sich auf: Post-Core in Poitiers, dem Washington<br />
D.C. Frankreichs Geheimtip: THERMALS The Body, The<br />
Blood, The Machine Enttäuschung: so viel Streit zwischen<br />
Leuten, die im Endeffekt gleiche Ziele haben<br />
Claus Wittwer<br />
In der Anlage: JOLLY JUMPERS - Mobile Babylon | JU-<br />
LIETTE & THE LICKS - Four On The Floor | CIRCULUS<br />
- Clocks Are Like People Mein liebster Punksong über<br />
TEM - Million Microphones LP/<strong>CD</strong> | 13. CURSIVE - Happy<br />
Hollow LP/<strong>CD</strong> | 14. TRASHMONKEYS - Favourite<br />
Enemy LP/<strong>CD</strong> | 15. F.Y.P. - Five Year Plan LP/<strong>CD</strong><br />
¡ CORE TEX<br />
1. HATEBREED - Supremacy LP/ <strong>CD</strong> | 2. WALLS OF JERI-<br />
CHO - With Devils Amongst Us <strong>CD</strong> | 3. ROGER MIRET &<br />
THE DISASTERS - My Riot Lp/ Cd | 4. TERROR - Always<br />
The Hard Way Lp/ <strong>CD</strong> | 5. HEAVEN SHALL BURN - Deaf<br />
To Our Prayers Lp/ <strong>CD</strong> | 6. IGNITE - Our Darkest Days LP/<br />
<strong>CD</strong> | 7. MOTÖRHEAD - Kiss Of Death LP/ <strong>CD</strong> | 08. ALEXI-<br />
SONFIRE - Crisis LP/ <strong>CD</strong> | 9. TERROR - The Living Proof<br />
DVD | 10. ANTICOPS - In The Eye Of A Dying Man LP/ <strong>CD</strong><br />
| 11. ALITHIA - Coming From Silence <strong>CD</strong> | 12. VERSE -<br />
From Anger & Rage LP/ <strong>CD</strong> | 13. HAVE HEART - Things We<br />
Carry <strong>CD</strong> | 14. SLAYER - Christ Illusion <strong>CD</strong> | 15. FIRST<br />
BLOOD - Killafornia LP/<strong>CD</strong><br />
¡ ELDORADO<br />
1. FLOGGING MOLLY - Whiskey On Sunday <strong>CD</strong>+DVD | 2.<br />
JOHNNY CASH - American V A Hundred Highways LP |<br />
3. AGAINST ME - Americans Abroad!Against Me!Live <strong>CD</strong><br />
| 4. CURSIVE - Happy Hollow LP | 5. TV ON THE RADIO<br />
- Return To Cookie Mountain LP | 6. STRIKE ANYWHE-<br />
ein Tier: Wum - Ich bin ein kleiner Hund Freut sich auf:<br />
ULTRAFAIR - ? Geheimtip: REEBOSOUND - s/t Enttäuschung:<br />
COWBOYS ON DOPE-Interview zum zweiten<br />
Mal gekürzt<br />
Ferdinand Praxl<br />
In der Anlage: WORLD/INFERNO FRIENDSHIP SOCIE-<br />
TY – Red Eyed Soul | AGGROLITES – s/t | RIFLES – No<br />
Love Lost Mein liebster Punksong über ein Tier: OXY-<br />
MORON – Black Cats Freut sich auf: Tim Armstrong – A<br />
Poet’s Life Geheimtip: ALPHA BOY SCHOOL – One In<br />
A Million<br />
Frank Nice<br />
In der Anlage: VOLT - Rörhät | DEAD - V.I.P. |IONA - s/<br />
t Mein liebster Punksong über ein Tier: IGGY AND THE<br />
STOOGES - I don‘t wanna be your dog Freut sich auf:<br />
RED SPAROWES - Every Red Heart Shines Toward The Red<br />
Sun Geheimtip: VOLT - Rörhät<br />
Gereon Helmer<br />
In der Anlage: RIFLES No Love Lost | Johnny Cash - die<br />
neue LP | MONTESAS Girl du machst mich an 7“ | Mein<br />
liebster Punksong über ein Tier: JAZZ BUTCHER Love<br />
kittens Geheimtip: SPEARMINT Paris In A Bottle Enttäuschung:<br />
Syd Barrett und Arthur Lee tot<br />
Guntram Pintgen<br />
In der Anlage: Juliana Hatfield - Made In China | IG-<br />
NITE - Our Darkest Days <strong>CD</strong> | SLAYER - Christ Illusion<br />
Mein liebster Punksong über ein Tier: DAYGLO AB-<br />
ORTIONS - Two Dogs Fucking Freut sich auf: LEATHER-<br />
FACE-Tour mit Dickie Hammonds an der Gitarre Geheimtip:<br />
BRIEGEL - Electric Boogie Enttäuschung: JIN-<br />
GO DE LUNCH spielen nur in Berlin<br />
Carsten Hanke<br />
In der Anlage: SLAYER - Christ Illusion | THE HAUN-<br />
TED - Revolver | FULL BLOWN CHAOS - Within The<br />
Grasp Of Titans Mein liebster Punksong über ein Tier:<br />
<strong>Die</strong> KASSIERER - Sex mit dem Sozialarbeiter Freut sich<br />
auf: TOOL-Konzert im Dezember Geheimtip: BURNING<br />
SKIES - Desolation Enttäuschung: hätte <strong>von</strong> der neuen<br />
BIG-SANDY mehr erwartet<br />
Jens Kofoed-Pihl<br />
In der Anlage: CHEATING HEARTS - s/t |<br />
NULL$KATTE$NYLTERNE: Instinkt | SCOTT H. BIRAM<br />
: Graveyard Shift Mein liebster Punksong über ein<br />
Tier: BUCK OWENS : I‘ve Got A Tiger By The Tail Freut<br />
sich auf: Debut 7“ from KNICKY NICKERS Geheimtip:<br />
LOS CHICOS : Fat Spark! Enttäuschung: It couldn‘t be<br />
at ROTTERDAM RUMBLE (with SUPERCHARGER) each<br />
weekend<br />
Jörkk Mechenbier<br />
In der Anlage: THE OXFORD COLLAPSE - Remember<br />
The Night Parties | TELEMARK - Viva Suicid | SCA-<br />
RED OF CHAKA - Tired Of You Mein liebster Punksong<br />
über ein Tier: THE JESUS LIZARD - Fly on the wall Freut<br />
sich auf: SOMEONE STILL LOVES YOU BORIS YELTSIN -<br />
Broom Geheimtip: I AM BONES - Wrong Numbers Are<br />
Never Busy Enttäuschung: NEW YORK DOLLS - One Day<br />
It Will Please Us To Remember Even This<br />
Julia Gudzent<br />
In der Anlage: Amy Millan - Honey From The Tombs Justine<br />
Electra - Soft Rock RILO KILEY - The Execution Of<br />
All Things Mein liebster Punksong über ein Tier: JETS<br />
TO BRAZIL - Chinatown (geht das als Punk durch?) Freut<br />
sich auf: Justin Timberlake - Futuresex/Lovesounds Geheimtip:<br />
NOW IT‘S OVERHEAD - Dark Light Daybreak<br />
Enttäuschung: SUPERSYSTEM - A Million Microphones<br />
Katrin Schneider<br />
In der Anlage: BACKYARD BABIES - Stockholm Syndrome<br />
| AGAINST ME - Live In London | JOY DIVISI-<br />
ON Unknown Pleasures Mein liebster Punksong über<br />
ein Tier: WIZO - <strong>Die</strong> letzte Sau Freut sich auf: VOO-<br />
DOO RHYTHM - The Gospel Of Primitive Rock‘n‘Roll-<br />
DVD Geheimtip: FRAU MANSMANN - Zu Besuch in der<br />
Boppstraße<br />
Kay Wedel<br />
In der Anlage: SIERRA LEONE’S REFUGEE ALL STARS<br />
- Living Like A Refugee | Jackie Edwards I Feel So Bad<br />
| WANDERERS - Only Lovers Left Alive Mein liebster<br />
Punksong über ein Tier: NO TREND: Mindless little<br />
insects Freut sich auf: BAGIO - III Geheimtip: V.A. – Got<br />
The Feeling: Work Your Soul 2 Enttäuschung: Indietechnopop<br />
beim Betriebsfest<br />
Lauri Wessel<br />
In der Anlage: STRIKE ANYWHERE - Dead FM | Johnny<br />
Cash - American V: A Hundred Highways | SLAYER -<br />
Christ Illusion <strong>CD</strong> Mein liebster Punksong über ein<br />
Tier: PROPAGANDHI - Apparently I‘m a p.c. fascist Freut<br />
RE - Dead FM <strong>CD</strong> | 7. THERMALS - The Body The Blood<br />
LP | 8. TRAGEDY - Nerve Damage LP | 9. RISE AGAINST<br />
- Sufferer And The Witness LP | 10. LONELY KINGS - End<br />
Of Forever <strong>CD</strong> | 11. WORLD INFERNO FRIENDSHIP SOCI-<br />
ETY - Red Eye Soul <strong>CD</strong> | 12. BRONX - Bronx ´06 LP | 13.<br />
NOMEANSNO - All Roads Lead To Ausfahrt <strong>CD</strong> | 14. ALE-<br />
XISONFIRE - Crisis <strong>CD</strong> | 15. PEEPING TOM - Feat. Mike<br />
Patton <strong>CD</strong><br />
¡ GREEN HELL<br />
1. SAMIAM - Whatever‘s Got You Down LP/<strong>CD</strong> | 2. RADIO<br />
BIRDMAN - Zeno Beach LP/<strong>CD</strong> | 3. BETRAYED - Substance<br />
LP/<strong>CD</strong> | 4. ALEXISONFIRE - Crisis LP/<strong>CD</strong> | 5. SU-<br />
PERSUCKERS / EDDIE SPAGHETTI - Split 7“ | 6. DRAFT -<br />
In A Million Pieces lp+7“/<strong>CD</strong> | 7. THERMALS - The Body,<br />
The Blood, The Machine LP/<strong>CD</strong> | 8. WALLS OF JERICHO<br />
- With Devil Amongst Us All <strong>CD</strong> | 9. MONSTERS - It‘s<br />
Rock‘n‘Roll 7“ | 10. BONNIE PRINCE BILLY - The Letting<br />
Go LP/<strong>CD</strong>/2<strong>CD</strong> | 11. HOPE CONSPIRACY - Death Knows<br />
Your Name <strong>CD</strong> | 12. BELLRAYS - Have A Little Faith LP/<strong>CD</strong><br />
| 13. MASTODON - Blood Mountain <strong>CD</strong> | 14. MOTÖR-<br />
HEAD - Kiss Of Death LP/piclp/<strong>CD</strong>/lim.<strong>CD</strong> | 15. PALE -<br />
Brothers. Sisters. Bores! LP/2<strong>CD</strong><br />
sich auf: CONVERGE - No Heroes Geheimtip: WALLS OF<br />
JERICHO - With Devils Amongst Us All Enttäuschung:<br />
TOTAL CHAOS - 17 Years Of ... Chaos <strong>CD</strong><br />
Mario Turiaux<br />
In der Anlage: THE JAM - In The City | BOUNCING<br />
SOULS - The Gold Record | JOHNNY CASH - American<br />
V (A Hundred Highways) Mein liebster Punksong über<br />
ein Tier: TOYS THAT KILL - Birds In Catsuits Freut sich<br />
auf: THE UNDERGROUND RAILROAD TO CANDYLAND<br />
Geheimtip: BONES BRIGADE - Endless Bummer Enttäuschung:<br />
Das Wetter<br />
Myron Tsakas<br />
In der Anlage: Leonard Cohen – The Future | PENNY-<br />
WISE – Straight Ahead | Mey/Wader/Wecker – Das Konzert<br />
| Mein liebster Punksong über ein Tier: BITUME<br />
– Katze Freut sich auf: Olli Schulz und der Hund Marie<br />
Geheimtip: INDIGO JONES – 40 Miles<br />
Ollie Fröhlich<br />
In der Anlage: TRAGEDY Nerve Damage | GRAUGÄN-<br />
SE - Compilation | CASH - Hurt (Video) Mein liebster<br />
Punksong über ein Tier: OFFENDERS - I Hate Myself<br />
Freut sich auf: NAPALM DEATH live Geheimtip: WOLF-<br />
MOTHER live Enttäuschung: „Freunde“<br />
Robert Buchmann<br />
In der Anlage: LIFETIME - Somewhere in the Swamps<br />
of Jersey | Johnny Cash - American V | HÜSKER DÜ -<br />
New Day Rising Mein liebster Punksong über ein Tier:<br />
STRAY CATS – Stray Cat Strut Freut sich auf: SOCIAL<br />
DISTORTION – neue Platte Geheimtip: INSURGENT<br />
KID live Enttäuschung: LOST COMPADRES live<br />
Ross Feratu<br />
In der Anlage: KAADA Music For Moviebikers| TOM<br />
PETTY - Highway Companion | SHELLAC Terraform<br />
Mein liebster Punksong über ein Tier: RAMONES -<br />
Animal Boy Freut sich auf: BATTLE OF MICE - A Day<br />
Of Nights Geheimtip: MADE OUT OF BABIES - Coward<br />
Enttäuschung: Der überraschende Tod <strong>von</strong> JESSE PIN-<br />
TADO - R.I.P.<br />
Sebastian Wahle<br />
In der Anlage: RECEIVING END OF SIRENS - Between<br />
The Heart And The Synapse | RAZORLIGHT - s/t | SA-<br />
OSIN - Translating The Name Mein liebster Punksong<br />
über ein Tier: ÄRZTE - Claudia hat nen Schäferhund<br />
Freut sich auf: A STATIC LULLABY - s/t Geheimtip:<br />
KURHAUS Enttäuschung: THE NEW STORY<br />
Simon Brunner<br />
In der Anlage: LEMONHEADS - alles! Mein liebster<br />
Punksong über ein Tier: OUT OF ORDER - Chia Pet<br />
Freut sich auf: VARSITY DRAG - Vinyl Geheimtip: THE<br />
SAVANTS - Demo Enttäuschung: Nina Hagen in Pop<br />
Stars<br />
Simon Loidl<br />
In der Anlage: THE CHUCK NORRIS EXPERIMENT - Volume!<br />
Voltage! | SILVER – World Against World | WICKIE<br />
UND DIE STARKEN MÄNNER - Der Wettlauf Mein liebster<br />
Punksong über ein Tier: GG ALLIN - Girlie Sex Malibu<br />
Style Freut sich auf: AC/DC - nächstes Album Geheimtip:<br />
BRAIN DEAD – The Brighter Side Of Life Enttäuschung:<br />
DIE GOLDENEN ZITRONEN – Lenin<br />
Timbo Tilgner<br />
In der Anlage: PROFESSION REPORTER - The Lipstick<br />
Durability Test | EGOEXPRESS - Hotwire My Heart/We<br />
do wie du | HAMMERHEAD - Sterbt alle bald! (DVD )<br />
Mein liebster Song über ein Tier: Helge Schneider &<br />
Rocko Schamoni - Katzegeil Freut sich auf: NEIN NEIN<br />
NEIN/KAPUT KRAUTS - Bombing Your Kleinstadt Geheimtip:<br />
KURHAUS/ESCAPADO - Split-7“ Enttäuschung:<br />
ULTRAFAIRs „Alles Rogers, Onkel Heinz!?“ ist<br />
immer noch nicht draußen!<br />
Tobias Ernst<br />
In der Anlage: SLAYER - Christ Illusion | WALLS OF JE-<br />
RICHO - With Devils Amongst Us All | DRY KILL LO-<br />
GIC - Of Vengeance And Violence Mein liebster Punksong<br />
über ein Tier: AGNOSTIC FRONT - Pauly The Dog<br />
Geheimtip: Bonesaw Romance - s/t Enttäuschung: <strong>Die</strong><br />
Absage <strong>von</strong> Jamey Jasta bezüglich des Interviews, das ich<br />
sehr gerne geführt hätte.<br />
Zahni Müller<br />
In der Anlage: SLAYER-Christ Illusion | RISE AGAINST-<br />
The Sufferer & The Witness | TRAGEDY-Nerve Damage<br />
Mein liebster Punksong über ein Tier: TOY DOLLS-<br />
Nelly The Elephant Freut sich auf: NAPALM DEATH-<br />
Smear Campaign Geheimtip: I DEFY-On The Outside<br />
Enttäuschung: Saisonstart <strong>von</strong> GWD Minden<br />
<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 061<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 61 22.09.2006 20:50:29 Uhr
UP KIDS, dennoch klingen ASPEN IT IS nie nur wie eine<br />
der unzähligen Kopien. Schön ist auch, dass sich die Band<br />
genug Zeit für ihre Sachen nimmt. So kommt es, dass witzigere<br />
und ganz bestimmt auch authentische Texte auf die<br />
ein oder andere Pianomelodie treffen, wie zum Beispiel bei<br />
„Pipe dreams“: „We grew up on Nintendo, fraggle rock and<br />
G.I. Joe. Now I’ve got the key to the castle.“ Warum sollten<br />
ASPEN IT IS nicht einfach in die gleiche Schublade wie<br />
schon tausende Kopisten kommen? Weil sie besser, interessanter<br />
und nicht so aufdringlich sind wie all die anderen.<br />
Da gibt es nur eine Sache, eine klitzekleine Sache, die ich an<br />
ASPEN IT IS auszusetzen hätte: Manchmal kommt es mir so<br />
vor, als könnte Sänger Jessy Lee nicht so recht gerade singen<br />
und die Töne treffen. Mag an meinem ungeschulten Ohr<br />
liegen ... (50:27) (7) Sebastian Wahle<br />
AUTUMNS REGRET<br />
Manhatten Is Not Big Enough For Both Of Us M<strong>CD</strong><br />
bombback.de | Verdammt, verdammt, verdammt: <strong>Die</strong> sind<br />
gut, die sind richtig gut! „Manhatten Is Not Big Enough For<br />
Both Of Us“ ist das erste Lebenszeichen der Band aus dem<br />
Ruhrgebiet und verdeutlicht, dass AUTUMNS REGRET jetzt<br />
schon eine Band ist, die es mit den wirklich großen des Genres<br />
auf sich nehmen kann. Wenn ich die „wirklich Großen“<br />
schreibe, dann mein ich auch die richtig Großen: SOASIN,<br />
THE BLED und CHIODOS. <strong>Die</strong> sechs Tracks, jetzt mal das Intro<br />
und Outro ausgenommen, sind eine Ansammlung <strong>von</strong><br />
Hits, interessanten Songstrukuturen und tollen Gesangslinien<br />
(ey, das sind Hymnen). Besonders gut gefällt mir „Goodbye<br />
citylights“, ein Track mit riesigem Hitpotenzial. „So sad,<br />
we’ve been running after hours. We’ve been running into<br />
the industry, infected by the chemistry. To feel, these chains<br />
around your neck. Can’t detect what’s going on. In my head“<br />
(aus „Goodbye citylights“) <strong>Die</strong>se Songzeilen sollte man sich<br />
merken, kann nämlich sein, dass man sie bald überall singen<br />
wird, unter der Dusche, beim Autofahren oder auf einem<br />
der anstehenden Konzerte <strong>von</strong> THE AUTUMNS RE-<br />
GRET. Super Debüt <strong>von</strong> einer Band, deren Musiker zwar erst<br />
um die 16 Jahre alt sind, aber schon weit mehr drauf haben<br />
als 90 Prozent der Bands, die vermeintlich Screamo/Emo/<br />
Was-auch-immer machen. (9) Sebastian Wahle<br />
APOCALYPSE BABIES<br />
7“ Plus! <strong>CD</strong><br />
Alcoholocaust <strong>CD</strong><br />
The More You Drink ... <strong>CD</strong><br />
Vinyl Vera | Bei den Briten handelt es sich um weitere Band<br />
der ungezählten Epigonen der RAMONES, angereichert mit<br />
einem leichten Britpunkeinschlag. One, two, three und drei<br />
Akkorde für ein Halleluja, auf die die Welt nicht gerade gewartet<br />
hat. Damit wäre eigentlich schon alles gesagt, wenn<br />
ich in den Tiefen des Netzes nicht noch ein Statement der<br />
Band gefunden hätte, welches mich schwer erheiterte: „Record<br />
Labels are notorious liars, promising the world and<br />
then letting you down, usually after the recording has been<br />
completed (at the bands expense) after spending a small<br />
fortune recording the ‚Local Heroes‘ e.p in 1997 the band<br />
received a letter from the German label Radio Blast Records<br />
informing them they would not now be releasing the record!<br />
It was ‚a financial thing‘ apparently! Daz still aggrieved<br />
by the penalty shoot out in Euro ’96 threatened to ‚Kick the<br />
fuckin’ Kraut bastards heads in‘! But as he couldn’t afford<br />
the petrol to Dusseldorf, he decided to get pissed instead.<br />
The band lent him a pound for four cans of ‚Viborg‘“. Ja, ja,<br />
der Herr van Laak, ein notorischer Lügner, wer hätte das gedacht.<br />
Oliver Willms<br />
AVATAR<br />
Thoughs Of No Tomorrow <strong>CD</strong><br />
Gain/Cargo | Fünf Schweden haben Chuck Schuldiner zu<br />
dessen Lebzeiten wohl recht gut auf die Finger gesehen, ansonsten<br />
würde sich das Riffing nicht so DEATH-lastig anhören,<br />
aber kritisieren werde ich sie dafür beileibe nicht. <strong>Die</strong><br />
Melodiebögen steigen und fallen beständig, man kann die<br />
Fingerknöchel beinahe knacken hören. Auch ansonsten erkennt<br />
man das schwedische Original eben inmitten der Kopisten.<br />
AVATAR biedern sich nicht an, pfeifen auf aktuelle<br />
Strömungen und machen einfach melodischen Death Metal,<br />
egal wie beliebt er gerade ist. Auch wenn ihr DEATH und<br />
DARK TRANQUILLITY im Regal habt, gibt es für AVATAR<br />
durchaus eine Daseinsberechtigung, also ruhig mal reinhören.<br />
(6) (40:24) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
BONECRUSHER/OXYMORON<br />
Noize Overdose 2<strong>CD</strong><br />
Knock Out | Aus dem Hause Knock Out kommt<br />
dieses Split-Doppelalbum mit brandneuen Songs<br />
der kalifornischen BONECRUSHER und bisher<br />
unveröffentlichten Sachen und Live-Material<br />
B<br />
<strong>von</strong> OXYMORON. Von beiden Bands gibt es hier<br />
keine Überraschungen. BONECRUSHER bieten<br />
weiterhin kompromisslosen Streetpunk, der mal schneller<br />
und Hardcore-lastiger ausfällt, und sich dann mal wieder<br />
eher im Bereich Midtempo-Oi! bewegt. Nach wie vor machen<br />
sie ihre Sache einfach sehr gut, so dass ich <strong>von</strong> den acht<br />
Songs der Amis wie immer begeistert bin. Und OXYMO-<br />
RON? Na da kann man eigentlich nichts falsch machen bei<br />
mir. Da es sich hier gezwungenermaßen um alte Aufnahmen<br />
handelt, sind die Songs nicht weit entfernt vom letzten<br />
Album der Band „Feed The Breed“, was ich seinerzeit rauf<br />
und runtergedudelt hab, bis meine Nachbarn dem Wahnsinn<br />
nahe waren. Will sagen: Auch die <strong>Ox</strong>ys-Seite ist mein<br />
Freund. Geiles AC/DC-Cover auch. (47:33) (7/8)<br />
Claudia Luck<br />
HARLAN T BOBO<br />
Too Much Love <strong>CD</strong><br />
transsolarrecords.de | Der Anfang erinnert an Hawaii-<br />
Gitarren, deren Klänge ich jetzt nicht versuchen werde,<br />
schriftlich zu imitieren. <strong>Die</strong> ersten beiden Lieder kann<br />
man sich somit getrost schenken, richtig interessant wird es<br />
beim dritten Stück, „Stop“: Eine sehr gelungene Kombination<br />
aus gesprochenem Text, der in Gesang übergeht und wieder<br />
zurück, begleitet <strong>von</strong> der E-Gitarre und einem dezenten<br />
Schlagzeug. Ab hier kommt Harlan mehr in Fahrt, was<br />
jedoch bei „Too much love“ und „Zippers and jeans“ zuviel<br />
des Guten ist. Wo, wie bei den letzten vier Liedern, das<br />
Mittelmaß zwischen zu hohem Tempo und zögerlicher Zurückhaltung<br />
gefunden wird, kann sich das Album jedoch<br />
sehen lassen. (31:16) Myron Tsakas<br />
BALZAC<br />
Hits From Darkism <strong>CD</strong><br />
shocker-europe.com | <strong>Die</strong> japanischen MISFITS haben<br />
hier für ihre Fans ein ganz besonderes Schmankerl bereitgestellt.<br />
Sehr rar und limitiert, wird die „Hits From Darkism“<br />
sicher bald sehr heiß gehandelt. <strong>Die</strong> <strong>CD</strong> gab es bislang nur<br />
in Japan bei einer Handvoll Konzerte der Tour für Konzertbesucher<br />
und war auf eine pro Besucher limitiert. Ein paar<br />
wurden über den amerikanischen Fanclub verkauft und einige<br />
gehen jetzt über Shocker-EU raus. Zu hören gibt es auf<br />
der <strong>CD</strong> dreizehn zumeist etwas ältere Stücke <strong>von</strong> BALZAC,<br />
die aber allesamt neu eingespielt wurden, wie zum Beispiel<br />
„Psycho in 308“, „13 ghosts“, „Black sunday“ oder „Space<br />
vampire in silence noise“. Und BALZAC machen genau<br />
das, wofür sie auch bis nach Europa hin bekannt geworden<br />
sind. Sie spielen astreinen Horror-Punk. Das reicht manchmal<br />
an Thrash Metal heran, kommt dann aber im nächsten<br />
Augenblick plötzlich hymnisch-melodiös daher. Ähnlich<br />
also wie man es <strong>von</strong> ihren großen Vorbildern, den MIS-<br />
FITS, her kennt. Summa summarum eine <strong>CD</strong>, die sich der<br />
Fan dank des bisher unveröffentlichten Materials schnellstens<br />
besorgen muss, der BALZAC-Einsteiger bekommt einen<br />
guten ersten Eindruck vom Schaffenswerk der vier Japaner.<br />
(43:05) (7) Abel Gebhardt<br />
062 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />
BIGBANG<br />
Poetic Terrorism <strong>CD</strong><br />
Grandsport/Glitterhouse | Okay, Typen mit langen Haaren<br />
und Vollbart, deren schlaksige Körper in Schlaghosen stecken<br />
verbindet man auf Anhieb mit Retrorock, aber ich behaupte<br />
an dieser Stelle, der Begriff passt nicht. Ich erkenne<br />
doch Popmusik, wenn ich welche höre. Mich erschüttert allerdings<br />
die Tatsache, dass mir die Band bisher völlig unbekannt<br />
war, dabei ist dieses hier schon das sechste Album des<br />
Trios aus Norwegen – vorausgesetzt, ich habe richtig mitgezählt.<br />
Wie konnten die nur so an mir vorbeirauschen?<br />
Ich muss zugeben, ein paar Dinge rechtfertigen das „Retro“<br />
schon, zum Beispiel die Art, wie eine Gitarre gespielt wird,<br />
wie sie klingt, obwohl diese hier recht clean bleibt, und es<br />
ist auch ein gewisses Timbre beim Gesang, das man nur in<br />
ganz bestimmte Jahrzehnte einordnet. Aber ich bleibe dabei:<br />
<strong>Die</strong> elf Songs bedienen eben die niedrigsten Instinkte,<br />
die Musik bedienen kann. Sie sind hemmungslos melodiös<br />
und verbreiten gute Laune, weil sie so leichtfüßig daherkommen,<br />
und damit sind sie für mich schlicht Popmusik.<br />
Aber eigentlich ist es auch egal, wie man das Kind nennt,<br />
Hauptsache, es ist da. (39:02) (7) Christian Meiners<br />
BEAUTIFUL GIRLS<br />
We’re Already Gone <strong>CD</strong><br />
cornerstoneras.com/Cargo | Ursprünglich wollte sich Mat<br />
McHugh, der heutige Sänger und Songschreiber der BEAU-<br />
TIFUL GIRLS, damals nur ein paar Begleitmusiker suchen,<br />
und vielleicht ist es seinem starken Einzeleinfluss zu verdanken,<br />
dass diese Platte derart homogen wirkt. Reggae,<br />
Indierock und Singer|Songwriter sind die Grundbausteine<br />
für ein, trotz häufiger Off-Beats, kühl und gleichermaßen<br />
entspannt, wie konzentriert wirkendes Album. Oft dominiert<br />
die Akustikgitarre die Songs und Ben Harper mag<br />
einem in den Sinn kommen, Jack Johnson, DISPATCH oder<br />
auch Bradley Nowell <strong>von</strong> SUBLIME. Etwas deplatziert wirkt<br />
der – allerdings sehr schöne – Song „Girl, lately things have<br />
been changing“, ein groovendes Rockmonster, wie es MO-<br />
THER TONGUE nicht besser hinbekommen hätten. In ihrer<br />
Heimat Australien sind sie recht erfolgreich und wem es so<br />
schön gelingt, nachdenkliche Texte in ruhige und beruhigende<br />
Songs zu betten, sei dies gegönnt. (51:26) (8)<br />
Ferdinand Praxl<br />
BLACK MARIA<br />
A Shared History Of Tragedy <strong>CD</strong><br />
victoryrecords.com | So langsam kommt die Zeit, in der<br />
die bei der letztjährigen Victory-Metal-Emo-Offensive<br />
zahlreich gesignten Bands ihre Zweitwerke vorlegen und<br />
beweisen müssen, dass sie den Trend weiterführen können.<br />
THE FORECAST sind schon durch. SPITALFIELD kommen<br />
noch. <strong>Die</strong> smarten Boys <strong>von</strong> THE BLACK MARIA liegen heute<br />
zur Beurteilung vor. Im Vergleich zum Vorgänger „Lead Us<br />
To Reason“ (Victory, 2005) scheint „A Shared History Of<br />
Tragedy“ trotz Besetzungswechsel keine neuen Seiten ihrer<br />
Musik zu offenbaren. Vielleicht klingen THE BLACK MARIA<br />
etwas melodischer als vor einem Jahr. Immerhin können sie<br />
das Niveau halten. Nach wie vor liefert die Band den perfekten<br />
Soundtrack zum Emily-Strange-Outfit. Breitwandgitarren<br />
und Breitbandanschluss – die Party ist noch lange<br />
nicht vorbei. Solange wir noch keinen Chef haben, lassen<br />
wir uns tätowieren. Solange wir noch Haare haben, färben<br />
wir sie schwarz. Also lasst uns weiterfeiern! Solange wird<br />
aber für die Alben <strong>von</strong> THE BLACK MARIA gelten: Kennst du<br />
eins, kennst du alle. (42:19) (7) Arne Koepke<br />
BONES BRIGADE<br />
Endless Bummer <strong>CD</strong><br />
coalition-records.com | Yes! BONES BRIGADE können <strong>von</strong><br />
mir aus jeden Tag ein neues Album rausscheißen! Auch diesmal<br />
mag ungeschulten Ohren ein Lied wie das andere vorkommen,<br />
und auch diesmal<br />
gilt dasselbe für geschulte<br />
Ohren. Aber Junge,<br />
Junge, wenn nur jede<br />
fünfzigste Band so vor Energie<br />
strotzen würde, so<br />
ehrliche, auf den Punkt<br />
gebrachte und witzige<br />
Mittelfingertexte schreiben,<br />
oder einfach nur so<br />
souverän, cool und auf<br />
dem Boden geblieben<br />
daher kommen würde,<br />
könnte man sich die Diskussion<br />
sparen, ob Punkrock denn nun tot sei oder nicht. 1A<br />
Oldschool Hardcore-Punk mit Fuck-You-Attitüde, nicht<br />
unähnlich alten Größen wie RKL, DRI oder DS-13! Nach<br />
sechs Songs und neun Minuten mag man einen Schreck<br />
bekommen, dass der Spaß schon sein Ende gefunden hat.<br />
Umso schöner, dass dies – auch auf <strong>CD</strong> – nur das Ende der<br />
ersten Seite ist. Übrigens, wenn alles gut geht, sind sie bald<br />
mit DEAN DIRG auf Tour (Haha, aber in den Staaten!). Skate<br />
and annoy! (22:42) (10) Mario Turiaux<br />
BRIGGS<br />
Back To Higher Ground <strong>CD</strong><br />
Sideonedummy/Cargo | Kürzlich erst hatte ich das Vergnügen,<br />
die BRIGGS live zu erleben, und zwar zusammen<br />
mit den REAL McKENZIES im Schlachthof in Wiesbaden.<br />
Im Gegensatz zu letzteren kann ich bei den BRIGGS auch<br />
tatsächlich <strong>von</strong> einem Vergnügen sprechen. Dementsprechend<br />
freue ich mich über das neue Album, das wie der Vorgänger<br />
„Leaving The Ways“ <strong>von</strong> Joe Gittleman (ex-MIGHTY<br />
MIGHTY BOSSTONES, ex-AVOID ONE THING) produziert<br />
wurde. Und nach wie vor klingen die BRIGGS denn auch<br />
mehr nach Boston als nach L.A., was ich als großer Freund<br />
der Bostoner Szene nur begrüßen kann. Gerade das ausgefeiltere<br />
Songwriting und die streckenweise melancholischeren<br />
Songs erinnern mich stark an die DUCKY BOYS.<br />
Aber damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht, wir reden<br />
hier schon <strong>von</strong> astreinem Streetpunk mit massig Melodie<br />
und Gang-Vocals. Gleich der Opener „Back to higher<br />
ground“ lässt daran keinen Zweifel aufkommen. Aber was<br />
red’ ich: Muss man gehört haben. (36:22) (8) Claudia Luck<br />
BEYOND ALL REASON<br />
Words Of Betrayal <strong>CD</strong><br />
Ad Altriora | FUNERAL FOR A FRIEND! Oh ja! Und ich<br />
komm auch nicht da<strong>von</strong> weg. Nun ja, vielleicht ein bisschen:<br />
Wenn Sänger Venno zeigt, was er kann: Nämlich wie Bruce<br />
Dickinsen jaulen. Obwohl Jaulen ungerecht ist. Mir fehlen<br />
einfach nur die Worte: Ich bin total begeistert. Gesanglich<br />
auf jeden Fall schon interessanter als der Großteil der Emocore/Metalcore-Einheitsbrei-Bands,<br />
und musikalisch auf<br />
jeden Fall metallischer. Mann, bin ich aus dem Häuschen:<br />
<strong>Die</strong> sind echt gut. Und der Gesang – einfach herrlich. Dabei<br />
wollte ich BEYOND ALL REASON wegen ihres Namens und<br />
der Aufmachung <strong>von</strong> „Words Of Betrayal“ schon abfrühstücken.<br />
Oh, wie ich mir in den Hintern hätte beißen müssen.<br />
Jetzt mal alle hergehört die auf FUNERAL FOR A FRIEND<br />
stehen: Besorgt euch „Words Of Betrayal“. Sofort! (8)<br />
Sebastian Wahle<br />
BAD CO. PROJECT<br />
Sucker Stories <strong>CD</strong><br />
Knock Out | Interessant. Wenn man „Sucker Stories“ googelt,<br />
landet man automatisch auf diversen Pornoseiten, die<br />
ihren thematischen Schwerpunkt auf Oralverkehr zu haben<br />
scheinen. Wer hätt’s gedacht. Sucker ist jedoch, soweit mir<br />
bekannt ist, kein Pornostar, sondern der ehemalige Frontmann<br />
der grandiosen Streetpunk-Helden OXYMORON<br />
und veröffentlicht auf Knock Out unter dem Namen BAD<br />
CO. PROJECT neues Material, das er teilweise noch für seine<br />
alte Band geschrieben hat. Dementsprechend knüpft „Su-<br />
cker Stories“ beinahe nahtlos da an, wo OXYMORON mit<br />
„Feed The Breed“ aufhörten und dürfte daher für Fans eben<br />
jener Band genau das sein, wonach sie seit Jahren sehnsüchtigst<br />
gewartet haben. Obwohl wir es hier mehr oder weniger<br />
mit einem Ein-Mann-Projekt zu tun haben, hat sich Herr<br />
Sucker selbstredend Unterstützung <strong>von</strong> befreundeten Musikern<br />
geholt. Am Schlagzeug ist so zum Beispiel Andy <strong>von</strong><br />
MAD SIN zu hören (da Vom Ritchie <strong>von</strong> den TOTEN HOSEN<br />
keine Zeit hatte). Auch Olaf <strong>von</strong> den STAGE BOTTLES, Marti<br />
und Stephan <strong>von</strong> FRONTKICK und Quicker <strong>von</strong> THE VOICE<br />
mischen auf „Sucker Stories“ mit. (54:22) (7) Claudia Luck<br />
BLADE OF THE RIPPER<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
devildollrecords.com | BOTR katapultieren Heavy Metal<br />
ins neue Jahrtausend. Dabei merkt man, dass sie in den<br />
70ern aufwuchsen, in den 80ern musikalisch sozialisiert<br />
wurden und in den 90ern in Bands wie NASHVILLE PUSSY<br />
und den HOOKERS spielten. Dabei möchte ich vorweg nehmen,<br />
dass mit dieser Tatsache selbstverständlich geworben<br />
wird. Doch handelt es sich keineswegs um Masterminds wie<br />
meinetwegen Blaine Cartwright, nein, in genannten Bands<br />
hat nur eine Person gespielt. Und dieser Kerl ist hauptsächlich<br />
Kopf der weltbekannten Metal-Legende, ähem, BROT-<br />
HERS OF CONQUEST. Namedropping der harten Gangart<br />
also. Wie auch immer, BOTR spielen eine moderne und hart<br />
rockende Mischung aus Thrash und Power Metal, und mischen<br />
einen guten Schuss Rock’n’Roll bei. Um beim Namedropping<br />
zu bleiben: Interessierte dürfen sich die Schnittmenge<br />
<strong>von</strong> METALLICA, MISFITS und SMOKEBLOW vorstellen.<br />
Allerdings wird diese nach ein paar Songs recht eintönig.<br />
Trotzdem, die Jungs meinen es ernst! (33:26) (7)<br />
Mario Turiaux<br />
BLOTCH<br />
Chewed To Bits By Flying Rodents <strong>CD</strong><br />
Normal Rec & Finest Noise/Radar | Im Info fragt die Band<br />
„Dance Musik mit Rock-Instrumenten? Und ohne Loops<br />
und Samples? Geht das denn überhaupt?“ – und ich antworte,<br />
ja, es gibt sie noch, die gute alte Instrumentalmusik<br />
mit Schlagzeug, Bass und zwei Gitarren. <strong>Die</strong> zwölf Titel<br />
auf „Chewed To Bits By Flying Rodents“ wirken aber ganz<br />
und gar nicht zerkaut. <strong>Die</strong> vier Nager aus Köln/Bonn haben<br />
ein Händchen für ruhige und sphärische Klänge, da möchte<br />
man meinen, es handelt sich hier um den Soundtrack einer<br />
Grönland-Dokumentation. Zum Glück gehen BLOTCH<br />
nicht so ruhig wie SIGUR RÓS zur Sache und manchmal,<br />
für mich leider etwas zu selten, lärmt es auch aus der Industrial-Ecke,<br />
aber nicht so wild wie bei FOETUS. Das<br />
wohlstrukturierte Album ist nicht schlecht, aber so richtig<br />
springt der Funke nicht über, dafür dümpeln mir einfach zu<br />
viele Songs im House-Sumpf herum. (42:45) (6) Kay Wedel<br />
BONESAW ROMANCE<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
bosstuneage.com/Cargo | Mal wieder ein Fall für die Frage<br />
„Was macht eigentlich ...“? In diesem Fall ersetzten wir die<br />
drei Punkte durch den Namen Scott Reynolds, einst Sänger<br />
<strong>von</strong> ALL, dann unter dem Namen GOODBYE HARRY tätig<br />
und in jüngerer Zeit mit den PAVERS unterwegs. Der hat<br />
mit BONESAW ROMANCE mittlerweile eine neue Band am<br />
Start und lässt da in Sachen basalen Rocks die Hosen runter:<br />
Mittendrin wird AC/DCs „Whole lotta Rosie“ gecovert,<br />
und wer das tut, ist mutig und stellt sich offensiv der Kritik.<br />
Doch ganz eindeutig, BONESAW ROMANCE und vor allem<br />
Reynolds’ rauhes Organ reißen es raus, keine Spur <strong>von</strong><br />
peinlichem Cover-Rock, sondern eine originalgetreue, wilde,<br />
extrem kickende Neueinspielung eines Überklassikers,<br />
an dem man sich als Band sehr schnell die Zähne ausbeißen<br />
kann. AC/DC sind ganz klar Programm hier, offensichtlich<br />
aber auch Jimi Hendrix, dessen „Fire“ ebenfalls gecovert<br />
wird, zu dem ich aber keine besondere Meinung habe. Etwas<br />
Punkrock dazu, und fertig ist ein nach „Spaß mit Bier“ klingendes<br />
10-Song-Album, das nicht gerade innovativ ist, aber<br />
dafür mit so grandiosen Songtiteln (und -texten) wie „Mucho<br />
mega douche fuck“ und „Gucci“. Reynolds-Fans sollten<br />
zugreifen. (35:07) (7) Joachim Hiller<br />
DEREK BAILEY<br />
To Play: The Blemish Sessions <strong>CD</strong><br />
SamadhiSound/Galileo MC | Im Dezember letzten Jahres<br />
verstarb der „Jazz“-Gitarrist Derek Bailey im Alter <strong>von</strong> 75<br />
Jahren. Seit den 60ern war Bailey bekannt für seinen ungewöhnlichen<br />
avantgardistischen Stil, den Leute mit schwachen<br />
Nerven wahrscheinlich mit dem Stimmen einer Gitarre<br />
gleichsetzen werden, denn sein Umgang mit diesem<br />
Instrument entspricht in gewisser Weise John Cages Umgang<br />
mit dem Klavier. Überwiegend disharmonische, improvisierte<br />
Texturen, die eher fordernd als unterhaltsam<br />
sind. Posthum veröffentlichte David Sylvian jetzt auf seinem<br />
Label SamadhiSound die komplette Session mit Bailey,<br />
<strong>von</strong> der er Teile bereits für sein „Blemish“-Album <strong>von</strong><br />
2003 verwendet hatte. Gab es da noch Sylvians Gesang dazu,<br />
bekommt man Bailey hier in der ursprünglichen, ungefilterten<br />
Fassung geliefert. Acht unbetitelte instrumentale Gitarrentracks,<br />
durch ihre radikale Klangästhetik gleichzeitig<br />
faszinierend, wie die Ohren strapazierend, denn es erfordert<br />
schon eine gewisse Geduld und Aufgeschlossenheit, innerhalb<br />
dieser Free-Style-Disharmonie auch Baileys Sinn für<br />
melodischere Momente zu entdecken. Ganz klar, das hier ist<br />
keine Platte für jedermann und auch für Sylvian-Fans ist das<br />
ein ganz harter Brocken, was aber nicht die grundsätzlichen<br />
Qualitäten dieses brillanten Gitarristen mindert, der seinem<br />
Instrument immer wieder wirklich erstaunliche Klänge abringt.<br />
(8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
BIRDS OF A FEATHER<br />
Our Aim <strong>CD</strong><br />
crucialresponse.com | Klassischer Youth Crew-Style-Hardcore<br />
mit dem alten MAINSTRIKE- und NO DENIAL-Sänger<br />
sowie einigen anderen älteren Holländern. Eigentlich<br />
könnte das Review hier auch schon vorbei sein, aber im Gegensatz<br />
zu so vielen anderen europäischen Bands, die diesen<br />
Stil in den letzten Jahren auf <strong>CD</strong>s und Vinyl gebannt haben,<br />
haben BIRDS OF A FEATHER wenigstens richtig Druck<br />
hinter den Songs, die größtenteils auch langsamere Passagen<br />
(keine Moshparts in diesem Fall) enthalten, und so zur<br />
Abwechslung beitragen. <strong>Die</strong> Platte gab es auch auf Vinyl, zusammen<br />
mit dem ganz netten Voice Of A Generation-Zine<br />
aus dem Hause Crucial Response. Und Liebhaber dieses Labels<br />
werden sich die Platte eh besorgen. Alle anderen sollten<br />
zumindest mal ein Ohr drauf werfen. (13:08) (7)<br />
Fabian Dünkelmann<br />
BLACK KEYS<br />
Magic Potion <strong>CD</strong><br />
V2/Rough Trade | Neues Label, neues Glück, nach Alive<br />
und Fat Possum – da erschien zuletzt noch ihre Junior Kimbrough<br />
Tribute-EP – heißt es jetzt in den Staaten Nonesuch,<br />
eher mal Hort gepflegten Rocks für Menschen im gesetzten<br />
Alter, und hierzulande eben V2. Große Überraschungen<br />
gibt keine zu vermelden beim Duo Dan Auerbach und Patrick<br />
Carney aus Akron, OH, die mit einer Gesang/Gitarre/Schlagzeug-Basis<br />
erneut einen höchst knackigen Bluesrock<br />
hinlegen, mehr 70er-Rock als Delta-Blues, aber das<br />
kennt man ja bereits <strong>von</strong> ihren älteren Platten. Auffallend<br />
ist höchstens, dass man das Krach-Level etwas zurückgefahren<br />
hat, das heißt, die BLACK KEYS werden diesmal auch<br />
für Menschen verdaulich, die die WHITE STRIPES für eine<br />
Bluesband halten. Und das ist manchmal schlichtweg etwas<br />
langweilig, auch wenn es vollkommen okay geht, dass Carney<br />
und Auerbach wegkommen wollen vom reinen Gitarrengewichse,<br />
hin zu ausgeklügelteren, abwechslungsreicheren<br />
Songs. Da muss man selbst entscheiden, welchen Grad<br />
an Sophistication so eine Musik verträgt, wobei mir persön-<br />
lich ein wenig das Aggressionspotenzial der ersten Platten<br />
fehlt. Es ist sowieso irritierend, wie plötzlich jeder auf diese<br />
Band abgeht, die hier aber bestimmt nicht ihre beste Platte<br />
aufgenommen hat. Schlecht ist „Magic Potion“ natürlich<br />
auch nicht, aber etwas zu sehr mit dem Makel <strong>von</strong> „adult<br />
orientated rock“ behaftet, und da höre ich mir doch ehrlich<br />
gesagt wesentlich lieber das letzte BELLRAYS-Album an, das<br />
deutlich mehr Soul besitzt. (7) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
BANKRUPT<br />
Shorter Than Danny DeVito M<strong>CD</strong><br />
Piarrecord | <strong>Die</strong> musikalische Globalisierung macht auch<br />
vor der ungarischen Hauptstadt nicht Halt. Und so finden<br />
wir in Budapest mit BANKRUPT eine Band, die einen solch<br />
amerikanischen Pop-<br />
Punk spielen, dass man<br />
nicht glauben mag, hier<br />
einer ehemaligen Ost-<br />
Block-Band zu lauschen.<br />
BANKRUPT stehen ganz<br />
in der Tradition <strong>von</strong> Bands<br />
wie SCREECHING WEA-<br />
SEL, BEATNIK TERMI-<br />
TES oder den PARASITES<br />
mit einem Schuss Orange<br />
County. Hört sich gut an,<br />
oder? Ist es auch. Elf Songs<br />
in weniger als 22 Minuten<br />
lassen jeden Freund <strong>von</strong> catchy Punkrock-Tunes vor Begeisterung<br />
frohlocken. Natürlich darf mit „Farewell to the creetins“<br />
auch eine Hommage an die RAMONES nicht fehlen.<br />
Und mit dem Albumtitel „Shorter Than Danny DeVito“ beweist<br />
die Band dann auch das nötige Gespür für Selbstironie<br />
und Witz. Das spiegelt sich dann auch in den nicht immer<br />
ganz so bierernsten Texten wie „Baby has got bird flu“ wieder.<br />
Ein kurzweiliges, sehr unterhaltsames Album. (20:48)<br />
(8) Abel Gebhardt<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
BLUETONES<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
Cooking Vinyl | Weit weg <strong>von</strong> all dem Britpop-Gemetzel<br />
toben sich die BLUETONES in ihrem kleinen Indiepop-<br />
Kosmos aus. Seit mehr als 10 Jahren gibt es <strong>von</strong> den beiden<br />
Brüdern Mark und Scott aus England die passende Musik<br />
für das tägliche Kännchen Tee. Hoch die Tassen, mit ganzer<br />
Wucht gegen die Wand, aufstehen und sich an diesem Indie-Gedöns<br />
erfreuen. Wir sprechen hier nicht <strong>von</strong> der Kategorie<br />
„New Wave Britpop“ oder wie auch immer, sondern<br />
<strong>von</strong> etwas was den frühen Sachen <strong>von</strong> BLUR, PULP und<br />
der Pfannekuchenfreude der MONKEES. Mit „Surrender“<br />
ein grandioser erfreulicher Anfang, gerade ist es auch draußen<br />
noch mal heiß geworden und das Piano und dieser locker<br />
leichte Fruchtaufstrich, ähem, diese angenehme Stimme,<br />
die einem zwar ein Gefühl <strong>von</strong> Freundschaft gibt, einem<br />
aber keinerlei Meinung aufzwingt. <strong>Die</strong> Band ist aufregend,<br />
Indiepop, keine Spur <strong>von</strong> Melancholie oder da<strong>von</strong>,<br />
einen Aufstand gegen die politischen Missstände anführen<br />
zu müssen. Es geht eher um Kanalschwimmer, Schätze des<br />
Alltags, die kleinen Wehwehchen. Seit ihrem Debüt „Expecting<br />
To Fly“ ist kein bisschen der Melodieverliebtheit verloren<br />
gegangen, das sind ganz klar die BLUETONES in ihrer<br />
eigenen kleinen Welt. (9) Martha Biadun<br />
BLAKHIV<br />
Any Way She Wants It M<strong>CD</strong><br />
lucidrecords.net | Der Name klingt ja eher nach Osteuropa,<br />
aber falscher könnte man damit bei dieser Band geografisch<br />
nicht liegen, kommt sie doch aus Island. Und wer<br />
bei Island maximal an esotherische Sounds à la SIGUR RÓS<br />
denkt, liegt ein weiteres Mal daneben, denn THE BLAKHIV<br />
sind extrem erdige Rocker, die sich selbst auf AC/DC und<br />
THE STOOGES beziehen, aber peinlicherweise im Bandinfo<br />
auch auf THE DARKNESS verweisen, und das geht ja nun<br />
mal gar nicht. Zudem ihr Hardrock-Ansatz ein recht trendiger<br />
ist, ihr Sound eher spitz als wuchtig, und ihr Frontmann<br />
(der mit 75 Prozent Wahrscheinlichkeit Björn heißt)<br />
kiekst eher dancepunkig als rockerig zu brüllen. Von daher<br />
klingt das hier eher nach Moderock für Typen mit Mode-Iro<br />
und teuren Puma-Sneakern an den Füßen, die am Wochenende<br />
mal die Sau rauslassen wollen. Andererseits spricht für<br />
die Band, dass hier (Ex-)Mitglieder <strong>von</strong> THESE ARMS ARE<br />
SNAKES und BRAID mitgewirkt haben ... (10:47) (7)<br />
Joachim Hiller<br />
BURNING SKIES<br />
Desolation <strong>CD</strong><br />
lifeforcerecords.com | Nach ihrem Debüt „Murder By<br />
Means Of Existence“ (2004) dreschen uns BURNING SKI-<br />
ES aus Englands Südwesten nun die zweite Platte um die<br />
Ohren. Dabei raus gekommen ist ein lärmender, zeitweise<br />
groovender Brocken aus Grindcore und Death Metal, der<br />
so schwer im Magen liegt wie ein Kilo rostiger Nägel. Dafür<br />
sorgen nicht nur wuchtiges Doublebass-Geballer und<br />
derbe schneller, sägender Gitarrensound, sondern insbesondere<br />
Frontmetzger Merv, der mal keift wie Knusperhexe<br />
und dann wieder grunzt und grawlt wie der erste Mensch<br />
– Respekt! Im Gegensatz zum Debüt klingt das hier alles<br />
eine Nummer brutaler und mehr nach Grind-als Metalcore,<br />
wobei reine Grindcore-Liebhaber nicht immer ganz zufrieden<br />
sein werden, dem „Verein Jugendfreunde CALIBAN<br />
e.V.“ die Scheibe eine Nummer zu hart sein könnte. Ein gelungener<br />
musikalischer Presslufthammer ist es aber allemal.<br />
(30:44) (8) Carsten Hanke<br />
BITE THE BULLET<br />
The Return Of The Unrich & Ugly <strong>CD</strong><br />
coretexrecords.com/Rough Trade | Man ist fast versucht<br />
zu sagen, dies wäre eine Band <strong>von</strong> Waffennarren, denn Bassist<br />
Frank war seinerzeit bei SCATTERGUN, während Sänger<br />
Nick <strong>von</strong> den KNATTERTONES (sic!) früher bei UNDER<br />
THE GUN aus England spielte, und gebucht werden BITE<br />
THE BULLET auch immer nur zusammen mit Bands wie<br />
PISTOL GRIP oder EAT THE GUN! Wobei dreißig Jahre nach<br />
der Stunde Null gegen einen Kugelhagel aus mittelschnellen<br />
77er-Hymnen im Geiste der 80er mit den Mitteln der 90er<br />
nichts zu sagen bleibt, sofern man schon die Melodien behalten<br />
und mit nach Hause nehmen darf. Außer vielleicht,<br />
dass die moderne Produktion zu Gunsten der dominierenden<br />
Melodik absurderweise ausgerechnet Schlagzeugerin<br />
Marinas Hintergrundgesang als harmonischen Kontrapunkt<br />
zu Nicks rauchigem Timbre zu verschlucken scheint.<br />
Das Fehlen des Demo-Tracks „Chainsaw girl“ schmerzt da<br />
besonders. <strong>Die</strong> Texte der 13 Lieder atmen ein Lebensgefühl<br />
zwischen Gesellschaftsekel und Aufbegehren, vergessen<br />
nach Verziehen des Pulverdampfes aber auch den Spaß zwischendurch<br />
nicht. Stilreiner Punk mit SPIZZ ENERGY-Cover<br />
<strong>von</strong> starkem Kaliber. (29:18) (9) Walmaul<br />
ERIC BACHMANN<br />
To The Races <strong>CD</strong><br />
Saddle Creek | Eine der unangenehmen Nachwirkungen<br />
der 68er-Generation sind Alt-Hippies, die noch immer in<br />
ihren Vans leben und am besten zu allem Übel auch noch<br />
barfuß laufen. Eric Bachmann scheint einer <strong>von</strong> dieser Sorte<br />
zu sein, wird doch als eines der Hauptmerkmale seiner<br />
Musik angegeben, dass er alle Songs auf „To The Races“ im<br />
Sommer 2005 in dem Van geschrieben hat, in dem er damals<br />
lebte – einfach so, weil er wohl gerade Bock drauf hatte.<br />
Eine unverständliche Entscheidung, sind doch die Vorteile<br />
einer Wohnung, im Besonderen zum Beispiel eines Kühlschranks,<br />
im Sommer kaum zu übersehen. Wahrscheinlich<br />
vermitteln deswegen seine Songs auch ein hippiesques Gefühl<br />
der Abneigung. (3) Julia Gudzent<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 62 22.09.2006 20:50:32 Uhr
DRONES<br />
Gala Mill <strong>CD</strong><br />
ATP/R | Eines der imposantesten Alben des letzten Jahres<br />
war mit Sicherheit „Wait Long Enough By The River<br />
And The Bodies Of Your Enemies Will Float By“. Nach<br />
der im Frühjahr erschienen Outtake/Rarities-Kompilation<br />
„Miller’s Daughter“ (auf Bang!) liegt nun der reguläre<br />
Nachfolger „Gala Mill“ vor. <strong>Die</strong> Erwartungen waren groß,<br />
und sie werden vollauf erfüllt. Weggesperrt auf einer Farm<br />
im menschenleeren Tasmanien, spielte der australische Vierer<br />
um Sänger und Gitarrist Gareth Liddiard „Gala Mill“ ein.<br />
<strong>Die</strong> sieben Eigenkompositionen plus zwei Cover („I looked<br />
down the line and I wondered“, „Are you leaving for the<br />
country“) – zwischen vier und neuneinhalb Minuten lang –<br />
knüpfen konsequent an die Stärken des Vorgängers an. Musikalische<br />
und lyrische Epen, die in kleinen Clubs, aber auch<br />
in Stadien vorstellbar sind. Liddiard ist ein Erzähler, der mit<br />
unverwechselbar gepeinigter Stimme Geschichten <strong>von</strong> Verderbnis<br />
und aussichtslosem, falsch verstandenem Heldentum<br />
erzählt, vom sinnlosen Niedermetzeln <strong>von</strong> Millionen<br />
im Maschinengewehrfeuer des Ersten Weltkrieges bis zu öffentlichen<br />
Hinrichtungen, die im 21. Jahrhundert per Videokamera<br />
festgehalten werden („Jezebel“). Mal unendlich<br />
langsam und spartanisch instrumentiert („From the executioner<br />
to Alexander Pearce“, Work for me“), mal dreckig<br />
nach vorne rockend („I don’t ever want to change“). Wer<br />
jetzt an den frühen Nick Cave denkt, liegt nicht falsch. Aber<br />
Liddiard und THE DRONES gehen eine Stufe tiefer, dorthin,<br />
wo es noch dunkler ist. <strong>Die</strong> Größe der DRONE’schen<br />
Alben liegt in Details, die sich erst nach mehrmaligem Hören<br />
erschließen. <strong>Die</strong> Weiterentwicklung <strong>von</strong> „Wait Long ...“<br />
zu „Gala Mill“ beschreibt Liddiard selbst: „From perfect to<br />
divine“ (aus „I‘m here now“). Höhepunkte auf „Gala Mill“<br />
gibt es viele. Anspieltipps keine. Dazu sind THE DRONES zu<br />
facettenreich und das Album als Ganzes zu spannend. Unfassbar<br />
gut! (54 56) (10) Andreas Hüther<br />
DEATH BREATH<br />
Stinking Up The Night <strong>CD</strong><br />
blacklodge.se/Rough Trade | Scheiß was auf 1977, Post-<br />
Punk, 83er Hardcore oder Indierock, in meiner Jugend<br />
hieß meine ganz persönliche Revolution, meine musikalische<br />
Sozialisation in erster Linie Death Metal. Okay, da gab es<br />
durchaus noch andere Sachen, die mich begeisterten, aber<br />
was Platten wie „Left Hand Path“, „Scream Bloody Gore“<br />
„Cause Of Death“, „Harmony Corruption“, „Warmaster“<br />
oder „Symphonies Of Sickness“ bei mir ausgelöst haben,<br />
das war verdammt noch mal prägend für meine junge, unschuldige<br />
Seele. Und auch wenn sich mein Geschmack in<br />
späteren Jahren immer weiter weg vom Metal bewegt hatte,<br />
ganz vergessen habe ich meine Lieblinge nie und in letzter<br />
Zeit erwische ich mich immer häufiger dabei, statt Punkrock<br />
vor allem wieder die Klassiker des Death Metals aus<br />
dem Schrank zu ziehen. Ich weiß nicht ob es HELLACOP-<br />
TERS-Boss Nicke Andersson ähnlich ging, als er zusammen<br />
mit Robert Pehrsson und Mange Hedquist DEATH BREATH<br />
gründete, ob ihm nach all den Jahren Rockgefurzes das gute,<br />
alte Geknüppel gefehlt hat, das er einst mit NIHILIST und<br />
ENTOMBED genreprägend mitentwickelte: Fakt ist, dass die<br />
drei mit „Stinking Up The Night“ und Unterstützung <strong>von</strong><br />
Jörgen Sandström (ex-GRAVE) und Scott Carlson (ex-RE-<br />
PULSION) eine lupenreine Death Metal-Platte aufgenommen<br />
haben, die selige Erinnerungen an frühe DEATH, MAS-<br />
SACRE, REPULSION, AUTOPSY (deren „Severed Survival“<br />
muss ich auch mal wieder rauskramen) und – natürlich –<br />
NIHILIST und ENTOMBED sowie zig andere Vertreter des<br />
ganz frühen Death Metals wecken. Ob es an ihren über die<br />
Jahre gesteigerten musikalischen Fähigkeiten liegt, oder daran,<br />
dass sie einfach wissen, wie Death Metal zu klingen hat,<br />
„Stinking Up The Night“ wäre, wenn 1990 oder so erschienen,<br />
heute eventuell seinerseits ein Klassiker und ist mal<br />
eben das Beste, was seit langer Zeit in diesem Genre entstanden<br />
ist. Und dass die Jungs das Ganze mit einem starken Augenzwinkern<br />
und viel Humor – da reicht ja schon ein Blick<br />
auf den Bandnamen in Verbindung mit dem Albumtitel –<br />
angegangen sind, macht es nur noch besser. <strong>Die</strong> Krönung<br />
dieser Zeitreise ist, dass nach dem Willen der Band – so wie<br />
früher – nur Tapes als Promos verschickt wurden und mein<br />
olles Tapedeck das Ding natürlich – auch ganz so wie früher<br />
– beim dritten Durchlauf gefressen hat. Bandsalat! Wie lange<br />
ist es her, dass ich mich mit so was rumschlagen musste? Irgendwie<br />
habe ich es vermisst. (10) André Bohnensack<br />
ENVY<br />
Insomniac Doze <strong>CD</strong><br />
rockaction.co.uk/PIAS | Angesichts eines erst wenige<br />
Tage zurückliegenden MOGWAI-Konzertes bin ich in Sachen<br />
ENVY nun zum Vertreter der Konvergenz-Theorie geworden:<br />
Auf dem Nachfolger des vor zwei Jahren auf Rock<br />
Action erschienenen „A Dead Sinking Story“-Albums haben<br />
sich die Japaner noch stärker ihren Mentoren angenähert,<br />
über weite Strecken noch mehr vom Hardcore entfernt<br />
und sich epischer Klangmalerei zugewandt – ohne jedoch<br />
die dramatischen, sich immer weiter steigernden, dramatischen<br />
Passagen zu vernachlässigen. Frontmann Tetsuya<br />
hat sein heiseres Organ, mit der er so trefflichst waidwund<br />
brüllen kann, nicht eingebüßt, in seiner Stimme ist<br />
so viel Schmerz, Verzweiflung und Enttäuschung, dass da<strong>von</strong><br />
eine ganze Hundertschaft lahmer Emo-Bands zehren könnte<br />
– und im nächsten Moment ist dann schon wieder Ruhe,<br />
machen ENVY, etwa bei „Night in winter“, moody Stimmungsmusik,<br />
die man stellenweise auch als Untermalung<br />
zu Natur-Dokus verwenden könnte. Da sind sie wieder nah<br />
dran am Soundtrack, doch bevor es gar New Age-kitschig<br />
oder schwülstig werden könnte, brechen Schlagzeug, Gitarre,<br />
Bass und eben Tetsuya wie blutrünstige Bestien aus dem<br />
Unterholz hervor ... Zusammen mit denn aber doch wieder<br />
etwas anders gelagerten, weicheren AMUSEMENT PARKS<br />
ON FIRE sind ENVY, die sich bei zwei Songs bis jenseits der<br />
10- beziehungsweise 15-Minuten-Grenze vorwagen, derzeit<br />
definitiv eine der mitreißendsten Bands dieses bislang<br />
noch namenlosen Genres. (57:51) (9) Joachim Hiller<br />
LEMONHEADS<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
vagrant.com | Evan Dando ist zurück. Wer, wie, was, warum<br />
kann man im Interview nachlesen. Nachdem Evan wegen<br />
seiner Drogenexzesse schon fast abgeschrieben wurde,<br />
die beiden Soloalben in der Zwischenzeit mehr Appetizer<br />
als eine ganze Mahlzeit waren, ist er jetzt mit einem kraftvollen,<br />
typischen LEMONHEADS-Album zurück, zehn Jahre<br />
nach „Car, Button Cloth“. <strong>Die</strong> LEMONHEADS der Achtziger<br />
sind auch im Jahr 2006 Geschichte. Das Produktinfo<br />
spricht <strong>von</strong> einer Fortsetzung der „Best-Of Atlantic Years“.<br />
Mit dieser Behauptung bewegen wir uns auf dünnem<br />
Eis, aber je öfter ich „The Lemonheads“ höre, umso mehr<br />
stimme ich dieser These zu. Das selbst betitelte Werk ist für<br />
mich eine Art Fusion der besten Momente der Alben „Lick“,<br />
„Lovey“, „Come On, Feel The Lemonheads“ und „Car, Button<br />
Cloth“. Rock, Country und ein Hauch Psyche überwiegen.<br />
Der lässige Punkpop <strong>von</strong> „It’s A Shame About Ray“ fehlt.<br />
„The Lemonheads“ musste bei mir erst reifen, da die Songs<br />
komplexer arrangiert sind. Wie liebe ich doch diese einzigartigen,<br />
wundervollen Melodien, diese sanfte, sonore Stimme,<br />
das unverkennbare Gitarrenspiel, das mit J. Mascis (DI-<br />
NOSAUR JR.), der übrigens auch ein Gastspiel auf diesem<br />
Album gibt, Alternative, Independent oder Punkpop geprägt<br />
hat. Evan Dando komponiert, kreiert und produziert zeitlose<br />
Musik, egal ob 1986, 1996 oder im Jahr 2006. Das ist für<br />
mich das Wesentliche an den LEMONHEADS, die mir all die<br />
Jahre, in welcher Besetzung auch immer, so sehr ans Herz<br />
gewachsen sind. Ein großartiges Comeback eines einzigartigen<br />
Songwriters, der für mich nur im Namen der LEMON-<br />
HEADS Großes vollbringt. (34:45) (10) Simon Brunner<br />
PENDIKEL<br />
Don’t Cry, Mondgesicht <strong>CD</strong><br />
blunoise.de/Alive | „Stell dir vor: im Plattenladen vorm<br />
Buchstaben ‚P‘ großes Gedränge“, singt PENDIKELs Carsten<br />
Sandkämper im „La Chanson Parfeite“. Und das kann ich<br />
mir bildhaft vorstellen, denn ich würde ohne große Umschweife<br />
behaupten, unter „P“ stehen die beiden besten<br />
deutschen Bands (die andere ist natürlich PECHSAFTHA)!<br />
Doch wie das so ist mit Lieblingsbands, man liebt sie, weil sie<br />
sich nicht verändern, und wenn sie es doch tun, muss man<br />
sie trotzdem lieben. Zumindest geht es mir so mit PENDI-<br />
KEL. Kraut-, Noise- und Postrock haben sie schon immer<br />
miteinander kombiniert, ohne dass es alt oder bekannt geklungen<br />
hätte oder vor allem zu sehr rockistisch. Auf den<br />
ersten beiden Alben wütete noch der Noiserock, auf der „3“<br />
plötzlich Stille, wichtig waren die Zwischentöne, und gefehlt<br />
haben die beiden, die zu WATERDOWN und GOTO<br />
OKAY gegangen waren. Immer noch zu zweit sind Carsten<br />
und Oliver zum vierten Mal zu Guido Lucas gegangen, ein<br />
Jahr lang immer wieder. Post ist geblieben, Noise ist zurückgekehrt,<br />
wenn auch nicht so rabiat wie früher, dafür schlägt<br />
mehr als früher der Hang zum epischen 70er Jahre Progrock,<br />
ja gar zur Rockoper durch. Wo Hamburger Schule früher<br />
immer aus der Ferne grüßte, ist das neue Album ein gestreckter<br />
Mittelfinger an Hamburg und Berlin, an Quoten-<br />
und Frohsinns-, Betroffenheits- und Revisionismuspop,<br />
eine Absage an Aussaglosigkeit, ein wütendes Pamphlet gegen<br />
Beliebigkeit, ein Manifest voller Dringlichkeit, und vor<br />
allem eine wahre Zitathölle – musikalisch und textlich –<br />
<strong>von</strong> BLUMFELD bis BRÜLLEN, <strong>von</strong> PINK FLOYD bis KING<br />
CRIMSON, explizit natürlich in dem Song „Zitatmaschine“.<br />
In „Falsche Freunde“ dagegen heißt es: „Dafür schenkten sie<br />
dir schon mal eine gebrauchte Mütze / Auf der steht ‚NY<br />
Hardcore‘. Damit kommst du dir stark vor / Dabei geht es<br />
nur um Musik“ PENDIKEL ging es nie nur um die Musik,<br />
PENDIKEL geht es um alles, und das haben sie auch verdient<br />
mit diesem Opus Magnum! (53:21) (10) Chris Wilpert<br />
PROFESSION REPORTER<br />
The Lipstick Durability Test <strong>CD</strong><br />
unterschafen.de/Alive | Eine Band macht den Test. Wie<br />
lange halten Lippenstifte? Glaubt man dem Cover, auf dem<br />
jedes Bandmitglied drei Kussmünder hinterlassen hat, verliert<br />
dieses Schminkutensil rasch an Farbstärke. Vielleicht<br />
haben die Koblenzer PROFESSION REPORTER einfach nur<br />
ausprobieren wollen, was ihnen nach der Veröffentlichung<br />
ihres Debüts noch bevorsteht. Denn für „The Lipstick Durability<br />
Test“ wird ihnen Liebe widerfahren. Auf dieses Stück<br />
Indie- und Popkultur werden sich viele Menschen einigen<br />
können, minderjährige, stark geschminkte Mädchen<br />
ebenso wie studierte BLACKMAIL-Fans, die es schon zu einer<br />
umfangreichen Plattensammlung gebracht haben. 13<br />
Songs, alle <strong>von</strong> vorne bis hinten professionell durchdacht<br />
und nicht nur für eine Lebenssituation geschrieben, entfalten<br />
beim Frühstück mit der Freundin genauso wie abends<br />
im Indieclub ihre volle Größe. Und die ist beachtlich. Das<br />
Spannungsfeld dieses Albums reicht <strong>von</strong> der ruhigen Ballade<br />
(„Beautiful“) bis hin zum Rockhit („Revival“, „Unavoidable<br />
circumstances“). <strong>Die</strong> Songs bestechen durch zwanglose<br />
Komposition, ihre Reihenfolge dabei ist zwingend logisch.<br />
Ich fühle mich mitgerissen. Dass eine deutsche Band<br />
in der Lage ist, mit ihrem Debüt sogar die Qualität <strong>von</strong><br />
Gruppen wie THE STROKES hinter sich zu lassen, finde ich<br />
überraschend. Dass ich mich noch einmal so für Indierock<br />
begeistern kann, auch. (43:02) (10) Arne Koepke<br />
STRIKE ANYWHERE<br />
Dead FM <strong>CD</strong><br />
fatwreck.com | Ein markerschüttender Schrei, kurzes<br />
Vorzählen mit der Gitarre und schon ist es wieder da, das<br />
schlechte Gewissen Amerikas. Drei für eine Hardcoreband,<br />
verdammt lange Jahre haben sich STRIKE ANYWHE-<br />
RE für den Nachfolger zu „Exit English“ gelassen. Da kann<br />
sich bei alledem, was sich in der Welt seitdem ereignet hat,<br />
eine Menge Wut ansammeln. Umso erstaunlicher ist es, dass<br />
„Dead FM“ das bis dato glatteste, eingängigste und positivste<br />
Werk der Band geworden ist. <strong>Die</strong>s allerdings allein dem<br />
Wechsel <strong>von</strong> Jade Tree zu Fat Wreck in die Schuhe zu schieben,<br />
wäre arg billig, schließlich hatten STRIKE ANYWHE-<br />
RE schon bei einigen Songs auf der Zusammenstellung „To<br />
Live In Discontent“ eindrucksvoll bewiesen, dass sie auch<br />
ohne Hardcore-Knüppel wunderbar zurechtkommen.<br />
So verwundert es dann auch nicht, dass im Mittelteil <strong>von</strong><br />
„Dead FM“ des öfteren ein klassischer Punkrock-Song ertönt,<br />
<strong>von</strong> denen kein einziger auch nur ein bisschen <strong>von</strong> der<br />
alten Power und Aggressivität eingebüßt hat. Beim letzten<br />
Lied, „Ballad of bloody run“, einer Ode an die Heimat Richmond,<br />
kommt gar so etwas wie Bierseligkeit auf. Trotzdem<br />
gibt es auf „Dead FM“ immer noch haufenweise Singalongs,<br />
Breakdowns und diese sich ständig mehrfach überschlagen-<br />
de Stimme <strong>von</strong> <strong>Thomas</strong> Barnett. Es ist kaum zu glauben, wie<br />
dieser kleine und eigentlich eher sanftmütige Mann seine<br />
Wut herausbrüllt und sich über die Ungerechtigkeiten unserer<br />
Welt erbost, dabei niemals zynisch wird sondern immer<br />
nach vorne schaut. Erstmals werden auch persönliche<br />
Erfahrungen verarbeitet, etwa beim Opener „Sedition“,<br />
in dem <strong>Thomas</strong> die Geschichte seines Großvaters erzählt,<br />
der im Zweiten Weltkrieg am Manhattan Project mitgearbeitet<br />
hatte oder auch bei „House arrest“, wo die willkürliche<br />
Gefangennahme der Band in Japan für zwei Tage<br />
geschildert wird. In Polizeigewahrsam ohne Anklage – da<br />
scheint ein Brückenschlag zu Guantánamo nicht mehr fern.<br />
So etwas verleiht den politischen Statements der Band noch<br />
mehr Authentizität. Und auch wenn das ganz große Überraschungsmoment<br />
auf „Dead FM“ ausbleibt, so manifestiert<br />
es doch den konstant hohen Level, auf dem sich die Band<br />
seit ihrer ersten Veröffentlichung bewegt. Eventuelle Vorbilder<br />
und Mitstreiter wie GOOD RIDDANCE, RISE AGAINST<br />
oder ANTI-FLAG haben sie in Sachen Musikalischer Qualität,<br />
Credibilität und Glaubwürdigkeit eh schon längst eingeholt.<br />
(31:17) (9) Ingo Rothkehl<br />
SAMIAM<br />
Whatever’s Got You Down LP/<strong>CD</strong><br />
burningheart.com | Für jede andere Band wäre es kommerzieller<br />
Wahnsinn gewesen, sich sechs Jahre (kein Witz,<br />
„Astray“ erschien bereits 2000) mit ihrem neuen Album<br />
Zeit zu lassen, doch SAMIAM, die dürfen das, verfügen sie<br />
doch speziell hierzulande über ein devotes Publikum und<br />
ließen sie sich auch ohne neue Platte in den vergangenen<br />
Jahren immer wieder mal für ein paar Konzerte blicken.<br />
Doch es hat sich so manches verändert in SAMIAM-Land:<br />
Ur-Mitglied James Brogan stieg nach „Astray“ aus, womit<br />
nur noch Sänger Jason Beebout and Gitarrist Sergie Loobkoff<br />
<strong>von</strong> Anfang an dabei sind, und mit Sean Kennerly, wie<br />
Sergie „Guitarer“, haben zwei Dickköpfe das Songwriting<br />
und die musikalische Kontrolle übernommen, schrieb der<br />
eine fünf, der andere sieben der zwölf Songs. Und das Ergebnis<br />
ist ein grandioses, wobei ich zu diesem Urteil auch<br />
erst nach ungefähr 15 Hördurchläufen gelangte. Anfangs,<br />
nach zwei-, dreimaligem Anhören, war da Enttäuschung,<br />
war „Whatever’s Got You Down“ ein schickes, neues Paar<br />
Schuhe, die aber leider drücken. Enttäuschung also, und das<br />
Wissen, dass da nur gezielte Desensibilisierung hilft, also der<br />
Entschluss, das Album so oft zu hören, bis es passt. Und siehe<br />
da, nach einer Woche war ich soweit, grölte den hymnischen<br />
Opener „When we’re together“ mit, hatte ich mich<br />
auch an Jasons eigentümlich hohen Gesang beim ebenfalls<br />
eingängigen „Take care“ gewöhnt und Gefallen daran<br />
gefunden, „Anything“ als potenziellen Klassiker ausgemacht,<br />
„Are you alright“ ebenfalls, in „Lullaby“ einen schönen<br />
Schmuser entdeckt, begonnen „Believer“ mitzusingen<br />
– und „Bide my time“ zu lieben. Von daher: alles bestens<br />
in SAMIAM-Land, auch wenn man sich nach dem Hören<br />
der Platte vorstellen, dass die im Interview hier im Heft<br />
erwähnten Kämpfe zwischen Sean und Sergie über die Ausrichtung<br />
des Albums sicher auch recht hart geführt wurden.<br />
Zu Enttäuschung gibt es jedenfalls keinen Anlass. Wir sehen<br />
uns im Oktober bei den Konzerten mit THE DRAFT. (42:27)<br />
(9) Joachim Hiller<br />
THESE ARMS ARE SNAKES<br />
Easter <strong>CD</strong><br />
jadetree.com/Cargo | Zwei Jahre sind seit „<strong>Ox</strong>eneers ...“<br />
vergangen, dem ersten Album der aus Seattle, WA stammenden<br />
TAAS, und auch wenn deren EP wie das Debüt schon<br />
gut gefielen, so ist doch erst „Easter“ der erhoffte große Wurf<br />
geworden, ein monumentales, bei aller Komplexität doch<br />
sofort mitreißendes Album. Wo andere Band, die sich im<br />
Postrock-Kosmos bewegen, leider auch mal die Wichtigkeit<br />
eines treibenden Grooves übersehen, beim Mathrock-<br />
Frickeln vergessen, den wartenden Zuhörer mitzunehmen,<br />
sind Frontmann Steve Snere nebst Tasteninstrumentbediener/Bassist<br />
Brain Cook, Gitarrenmann Ryan Frederiksen<br />
und Drummer Chris Common klüger und kombinieren<br />
komplexe Songstrukturen mit forderndem Gesang, auf eigenwillige<br />
Weise eingängige Backing-Vocals und pumpendem<br />
Beat. Das sechsminütige „Subtle body“ wird so zur ausufernden<br />
ersten Hymne des Albums, während das folgende<br />
„Desert ghost“ wie auch „Perpetual bris“ für die andere Seite<br />
der Platte stehen, man hier eher bedächtig postrockt, bevor<br />
man dann bei „Hell’s bank notes“ das Gefühl hat, Snere<br />
wolle einen Biafra-sound-alike-Contest gewinnen – und<br />
man sich den ja einst ebenfalls in Seattle ansässigen MEL-<br />
VINS nähert. Mein Höhepunkt ist jedoch „Corporeal“ mit<br />
seinem dominanten Orgelsound, das mit seinen opulenten<br />
6:52 vergessen macht, dass die Akteure einst in BOTCH und<br />
KILL SADIE für Lieder mit einem Bruchteil dieser Spielzeit<br />
verantwortlich waren. Was immer uns der Albumtitel „Easter“<br />
sagen will (für die lustigen Jesusanhänger ist das der<br />
höchste Feiertag), mir fällt es schwer zu glauben, dass THESE<br />
ARMS ARE SNAKES mit diesem meisterlichen Albums bereits<br />
ihren Zenit erreicht haben. Well done!(46:18) (9)<br />
Joachim Hiller<br />
TRAGEDY<br />
Nerve Damage LP<br />
Tragedy | Wenn eine Band einen ganzen Musikstil wie den<br />
Portland-Sound geprägt und mit dem Vorgänger „Vengeance“<br />
ein Jahrhundertalbum abgeliefert hat, kann sie mit<br />
dem Nachfolger eigentlich nur verlieren. Aber weit gefehlt.<br />
TRAGEDY liefern auf ihrer dritten LP wieder ein Feuerwerk<br />
allerbesten Portland-Crusts ab, das allen Nachahmern den<br />
ausgestreckten Mittelfinger zeigt. Original bleibt eben Original.<br />
Wie soll man TRAGEDY beschreiben? Schnelle Crust-<br />
Riffs mit melancholischem Unterton treffen auf heiseren<br />
mehrstimmigen Gesang und exzellentes Tribal-Drumming,<br />
wobei TRAGEDY auf „Nerve Damage“ zugegebenermaßen<br />
noch eine ganze Schippe begnadetere Melodien in die Songs<br />
eingestreut haben und damit etwas eingängiger sind, ohne<br />
einen Millimeter ihrer schier unglaublichen Power einzubüßen.<br />
Bei „The hunger“ wird auch mal kurz zum Klavier<br />
gegriffen, welches dem Gefühl, das diese Platte transportiert,<br />
absolut gerecht wird. Das TRAGEDY auch textlich zum<br />
Besten gehören, was die Hardcore-Szene hervorbringt, bedarf<br />
eigentlich keiner Erwähnung. Song für Song läuft es mir<br />
kalt den Rücken herunter und meine Nackenhaare stellen<br />
sich auf. What a fucking Meisterwerk! (10)<br />
Dr. Oliver Fröhlich<br />
<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 063<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 63 22.09.2006 20:50:45 Uhr
DANIEL BENJAMIN<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
Haldern Pop | As Emo as Emo can get – Melt 2006: Freitag,<br />
17:00 Uhr, der Soundclash hat noch nicht eingesetzt. Da<br />
startet auf der Hauptbühne der erste Act: Es ist Daniel Benjamin,<br />
der seit kurzem neben seiner Screamo-Band JUM-<br />
BO JET auch noch ein eigenes Singer/Songwriter-Projekt<br />
hat. Gleichermaßen überrascht und begeistert bleibe ich<br />
stehen, und schaue mir den Herrn Benjamin (der eigentlich<br />
Schweiker heißt) an. Daniel Benjamin klingt überhaupt<br />
nicht deutsch, eher klingt er wie einer dieser bärtigen Singer/Songwriter<br />
aus dem Mittelteil Amerikas, der den ganzen<br />
Tag mit seinem Hund auf seiner Veranda sitzt und vor<br />
sich hinklimpert. Wunderschöne, atmosphärische Songs,<br />
vorgetragen mit einem Quäntchen sympathischer Zurückhaltung.<br />
Absoluter Hammerhit: „The iron glove“. (9)<br />
Julia Gudzent<br />
BLACK TIME<br />
Midnight World <strong>CD</strong><br />
intheredrecords.com | Ein neues Album der sich geheimnisvoll<br />
in der Anonymität verbergenden Londoner Formation,<br />
in deren Besetzungsliste im Vergleich zum letztjährigen<br />
„Black Out“-Album zwei neue Namen auftauchen: Zu<br />
Lemmy Caution und Red Exposure gesellen sich jetzt noch<br />
Janie Too Bad und Mr Stix. Der Titel „Midnight World“ fügt<br />
sich dabei bestens in die nihilistisch-düstere Tradition ein,<br />
macht dem Bandnamen alle Ehre – und auch dem konsequent<br />
schwarz-weißen Layout. In bester Childish- und früher<br />
CRAMPS-Manier wird dem Minimal-Rock’n’Roll gefrönt,<br />
übersteuert und mit Distortions galore, kompromisslos<br />
und simpel – und manchmal auch knapp über der<br />
Schmerzgrenze, was den übersteuerten und stellenweise<br />
kreischigen Gesang anbelangt. Ja, ich habe das Konzept verstanden,<br />
aber gegen eine gewisse Variation und Weiterentwicklung<br />
desselben habe ich auch nichts einzuwenden, gerade<br />
bei üppigen 16 Songs ... (34:38) (7) Joachim Hiller<br />
BIG SIR<br />
Und <strong>Die</strong> Scheiße Ändert Sich Immer LP/<strong>CD</strong><br />
goldstandardlabs.com | Der Infozettel will mich mit großen<br />
Namen beeindrucken, doch der Musik gelingt das auf<br />
Anhieb nicht: So sind hier also Juan Alderete de la Pena, seines<br />
Zeichens Bassist <strong>von</strong> THE MARS VOLTA, und Lisa Papineau,<br />
die wohl eher durch ihre Kollaborationen mit AIR als<br />
durch ihre Soloaufnahmen bekannt sein dürfte, beteiligt,<br />
nebst Gästen <strong>von</strong> den BEASTIE BOYS bis HELLA. Der Musik<br />
<strong>von</strong> AIR oder MOLOKO ist dieses Album allerdings wesentlich<br />
näher als allem, was man sonst so <strong>von</strong> GSL gewohnt ist.<br />
BIG SIR spielen ein Potpourri aus Bar- und Acid-Jazz, Funk<br />
und souligem Elektropop. Lisas heisere Stimme unterstützt<br />
den Sound dabei perfekt. <strong>Die</strong> – zum Glück sehr seltene –<br />
WahWah-Gitarre nervt, das viel zu seltene Saxophon dagegen<br />
ist klasse. Gute Clubmusik, die nicht stört, aber auch<br />
nicht richtig zündet, und so auch schon mal da gewesen ist.<br />
Fantastischer Titel! (53:07) (6) Chris Wilpert<br />
BLACK TAX / HEROIC DOSES<br />
Split <strong>CD</strong><br />
hollowsoulrecords.co.uk | Ein schwedischer Möbeldiscounter<br />
im Osten Londons: „Der kleine BLACK TAX möchte<br />
aus der Ballkiste abgeholt werden. Er muss wirklich dringend<br />
raus hier!“ – Sonst gibt es ein Blutbad. <strong>Die</strong> noch eben<br />
friedlich spielenden Kinder auf dem Coverartwork dieser<br />
Split-<strong>CD</strong> zeigen Raubtierzähne, die mal eben eine nette<br />
Sozialpädagogin niedermetzeln könnten. Auch die Musik<br />
<strong>von</strong> BLACK TAX und HEROIC DOSES hat ordentlich Biss.<br />
<strong>Die</strong> jungen Punkrock-Bands, beide erst 2004 gegründet, gehen<br />
ab, als wären sie seit 1981 dabei. Sauberkeit und Technik<br />
zählen nichts, Energie ist alles. Besonders BLACK TAX prügeln<br />
mit Gewalt durch ihre Songs, bis alle Schweine dieser<br />
Welt tot sind. Das Fleisch wird roh verzehrt, das ist klar.<br />
Dazu einen Schuss KID DYNAMITE und zwei Biafra-Melodien,<br />
und der Brocken flutscht gut runter. BLACK TAX verlieren<br />
keine Zeit, ihre Songs bewegen sich zwischen 50 Se-<br />
SINGLES<br />
¡ Mit gleich zwei sehr schön gestalteten Siebenzöllern gehen<br />
die Nordiren THE ANSWER an den Start: „Keep Believin’“<br />
in weißem Vinyl, „Into The Gutter“ in schwarzem.<br />
So ganz sicher bin ich mir allerdings noch nicht, was ich<br />
<strong>von</strong> den sich soulful gebenden Hardrockern so halten soll,<br />
im direkten Vergleich wirken die BELLRAYS doch um einiges<br />
erdiger und überzeugender. Erklärte Einflüsse sind LED<br />
ZEPPELIN, FREE und BLACK CROWES (bei letzteren zucke<br />
ich kurz zusammen), und man tourte in England zusammen<br />
mit WHITESNAKE, was man wohl als Zeichen dafür<br />
sehen kann, dass die Band eher im Hardrock- als im Alternative-Lager<br />
zu verorten ist. Bisweilen etwas zu konservativ<br />
für meinen Geschmack, aber noch im grünen Bereich. (Albert<br />
Productions) (7) Joachim Hiller<br />
¡ Auf einer wunderschön aufgemachten (lila Vinyl inklusive<br />
Poster) Splitsingle auf It’s Alive Records geben sich<br />
die Euro-Pop-Punk-Dinosaurier THE APERS und SO-<br />
NIC DOLLS ein Stelldichein. <strong>Die</strong> DOLLS bieten zwei coole<br />
Songs, die nicht auf der kommenden Platte sein werden,<br />
und die APERS legen auf der anderen Seite mit ebenso brillantem<br />
und melodischem Singalong-Pop-Punk nach. Einigen<br />
wir uns also auf ein angenehmes Unentschieden im<br />
Match Deutschland vs. Holland! (8) Bernd Fischer<br />
¡ Garage = schreiender Typ, druckvolles Schlagzeug, kreischende<br />
Orgel, tobender Bass und dreckige Gitarre. So mag<br />
ich ihn auf jeden Fall am liebsten und bewege mich dazu<br />
wie ein Epileptiker. Wichtig ist folgendes: Druck. <strong>Die</strong>ser<br />
fehlt der Band ACHTUNG SPITFIRE SCHNELL SCHNELL!!<br />
leider irgendwie total. Der Sänger hätte gerne Soul, aber der<br />
fehlt. <strong>Die</strong> Orgel klingt leider eher nach Mambo Kurt und die<br />
Gitarren sind nicht ordentlich. Ansatzweise echt nett, aber<br />
richtig überzeugen kann mich die Band nicht. Vielleicht ist<br />
das Problem, dass sich „What’s Up“ (decent-records.com)<br />
in meinem Regal mit einer Übermacht an Screaming Apple-Vinyl<br />
messen muss und bei deren Qualität einfach nur<br />
verlieren kann ... aber der Name ist super! Timbo Jones<br />
¡ Von den fleißig tourenden BUZZCOCKS gibt’s via damagedgoods.co.uk<br />
eine neue, limitierte Picture-7“ namens<br />
„Sell You Everything“ (<strong>CD</strong>-Version via Cooking Vinyl, was ja<br />
eine Lachnummer für sich ist: Das Label mit „Vinyl“ im Namen<br />
macht nur die <strong>CD</strong>-Version, war ja beim Album genauso.<br />
Tjajaja ...). Auf der Flipside zwei exklusive Non-Album-<br />
Tracks, „Sixteen again“ in einer Live-Version <strong>von</strong> 2000, und<br />
„Darker by the hour“ aus dem Soundtrack zu „Last Days Of<br />
The Postal Office“ <strong>von</strong> 1998. Fanfutter. (7) Joachim Hiller<br />
¡ BATHTUB SHITTER und MISERY INDEX haben bereits<br />
einige Male zusammen die Bühne geteilt. Da eh noch eine<br />
Split-LP geplant ist, gibt es schon mal vorweg eine Split-EP.<br />
Ungewöhnlich fett sticht das Schlagzeug der Japaner BATH-<br />
TUB SHITTER hervor. Wie eine Spinne, die nur darauf wartet,<br />
dass ihre Beute ins Netz fliegt, agiert der Rest der Band<br />
und knallt einem unerwartet den Todesbiss in den Kopf. Etwas<br />
eingängiger im Sound und in den Arrangements sind<br />
die mittlerweile bekannten Amis MISERY INDEX, die sich<br />
aber nur Covers <strong>von</strong> NETHERTON und NAPALM DEATH<br />
bedienen. Klasse Artwork im Gatefold-Sleeve. (emeticrecords.com)<br />
(7) Simon Brunner<br />
064 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />
kunden und anderthalb Minuten. HEROIC DOSES klingen<br />
im direkten Vergleich eingängiger. Auch sie schlachten in<br />
hohem Tempo und krakeelen dabei immer wieder fröhliche<br />
Oldschool-Melodien. Ihre schrägen Harmonien erinnern<br />
mich an die frühen NO USE FOR A NAME. Warum sie aber<br />
zum Nachtisch die Akustikgitarre auspacken müssen, bleibt<br />
vorerst ungeklärt. Sind das vielleicht rudimentäre Spuren<br />
<strong>von</strong> Musikunterricht? (19:54) (6) Arne Koepke<br />
BIG SANDY AND HIS FLY-RITE BOYS<br />
Turntable Matinee <strong>CD</strong><br />
yeproc.com | Zwei Jahre ist es nun her, dass sich eine der<br />
besten Kapellen des authentischen Rockabilly mit einem<br />
neuen Album zurück meldet. Mit ihrem letzten Release<br />
auf Yep Roc Records, „It’s<br />
Time“, hab ich ihren unverwechselbaren<br />
Style aus<br />
authentischem Rockabilly,<br />
Western-Swing, Country<br />
und Blues, kennen und<br />
lieben gelernt und mir<br />
nach und nach so ziemlich<br />
alles <strong>von</strong> ihnen besorgt.<br />
Seit Ende der 80er<br />
hat sich Frontmann Big<br />
Sandy dem zeitlosen 50er<br />
Jahre-Stil verschrieben<br />
und seitdem, in oft wechselnder<br />
Besetzung Alben veröffentlicht – mal solo, mal als<br />
FLY RITE TRIO und zuletzt beständig als FLY RITE BOYS. Inzwischen<br />
gilt der schwergewichtige Frontmann Robert „Big<br />
Sandy“ Williams mit der sanften Stimme als Rockabilly-<br />
Ikone neueren Datums, was er und seine Jungs auf „Turntable<br />
Matinee“ noch einmal unterstreichen. Der Sound<br />
kommt dabei, wie zuletzt auf seinen jüngeren Hightone-<br />
Releases so dermaßen puristisch rüber, dass man meint, Big<br />
Sandy hätte selbst noch beim guten alten Sam Perkins (Sun<br />
Records) aufgenommen. Der hätte die Jungs aufgrund ihrer<br />
Professionalität aber vielleicht schon als überqualifiziert<br />
eingestuft. Während „It’s Time“ mein Herz damals im Sturm<br />
erobert hat, braucht „Turntable Matinee“ einige Durchläufe,<br />
doch dann haben sich Songs wie „Power of the 45“, „Ruby<br />
Jane“ oder „Haunted heels“ unter anderem zu regelrechten<br />
Ohrwürmern entwickelt. Leider reicht es insgesamt für<br />
meinen Geschmack nicht an das Ausnahmewerk „It’s Time“<br />
ran, da das einfach mehr rockt, aber wer, im Gegensatz zu<br />
mir, einen Cadillac sein Eigen nennen kann, der ist eigentlich<br />
auch zu „Turntable Matinee“ gezwungen. (46:14) (9)<br />
Carsten Hanke<br />
BLOW<br />
Paper Television LP/<strong>CD</strong><br />
tomlab.com | Willkommen in der schwitzenden Tanzhölle<br />
der Elektro-Wave-Pop-Disco, links ist die Bar, angesagtester<br />
Drink ist Campari-Melisse, da auf dem Dancefloor<br />
sind die schönsten Menschen deiner Stadt, und das da ist die<br />
Band: THE BLOW. Und der Bandname verspricht bereits alles<br />
und nicht zuviel – wenn auch als Kalauer –, denn diese<br />
Mischung aus unterkühltem Pop und sexy Melodien wird<br />
dich wegblasen. Naja, vielleicht nicht ganz, denn die Neuerfindung<br />
des Rades ist das natürlich nicht, muss es aber auch<br />
gar nicht, und will es auch gar nicht sein, reicht doch, dass<br />
die Musik des Duos besser ist als das meiste, was in dieser<br />
Richtung gerade in den Indie-Discos dieser Welt angesagt<br />
ist. Namen gefällig: Wenn dir METRIC, TIMID TIGER, GRY<br />
oder RELAXED MUSCLE gefallen, dann ist THE BLOW genau<br />
das Richtige für dich. Unterirdisch groovy Beats und catchy<br />
Synthies mit einer zarten Stimme versprechen schwitzende<br />
Körper und küssende Münder. (30:22) (7) Chris Wilpert<br />
BOUT D’CHOU<br />
Ménage Et Discotheque <strong>CD</strong><br />
Lolila | Eine Band, hinter der ein Konzept steht. Der erste<br />
Punkt, nämlich eine reine Mädelsband zu sein, schlug fehl,<br />
denn ein Mensch männlichen Geschlechtes ist dabei. Was<br />
¡ <strong>Die</strong> aus Mülheim an der Ruhr stammenden BOMBEN-<br />
ALARM haben nach Single und LP jetzt zwei weitere Songs<br />
auf einer Split-7“ mit den genauso begeisternden DEAN<br />
DIRG veröffentlicht. Sehr schönes Stencil-Sprühdosen-Artwork<br />
(auch wenn gedruckt), wegen der Farben Rot, Grün<br />
und Weiß irgendwie Italienisch anmutend, und wer eine<br />
Insektenphobie hat, sollte da<strong>von</strong> sowieso die Finger lassen.<br />
Einen eindeutigen Gewinner kann man nicht feststellen,<br />
beide Bands gehören derzeit zu den besten ihres Genres<br />
hierzulanden, wobei DEAN DIRG mit „Real good stereos“,<br />
das durch seinen dezenten Keyboard-Einsatz herausragt,<br />
den besten der vier Songs abgeliefert haben. <strong>Die</strong> Musik?<br />
Punk – as fuck! Bestellen bei contaminationdistribution.com<br />
(8/8) Joachim Hiller<br />
¡ CSS wurde in Ausgabe 66 schon mal <strong>von</strong> mir besprochen<br />
– und zwar ziemlich gut. Gefällt mir, was die BrasilianerInnen<br />
auf Sub Pop da so treiben. Freche, elektronisch<br />
angehauchte Songs, die in die Richtung PEECHES oder THE<br />
KNIFE gehen. <strong>Die</strong>s ist nun ein UK-Import der ersten 7“ der<br />
Band, „Let’s Make Love And Listen To Death From Above“.<br />
Sie bietet zwei Songs, nämlich eben „Let’s make love ...“<br />
und „Acho um puoco bom“, was ich euch leider nicht auch<br />
übersetzen kann. Für Freunde der Band ein nettes Extra im<br />
Plattenregal. (8) Sarah Shokouhbeen<br />
¡ Aufgrund der großen Nachfrage wurde die erste Single<br />
<strong>von</strong> CHEVEU auf S_S wieder nachgepresst. Kommen zwar<br />
aus dem Umfeld <strong>von</strong> VOLT und FRUSTRATION, überzeugen<br />
mich auf der „Dog“-Single aber weniger als auf der zweiten<br />
Single „Clara Vénus“, die wesentlich fieser und kaputter<br />
klingt als das relativ relaxte Erstwerk. <strong>Die</strong> zwei Stück der<br />
„Clara ...“-Single sind abgedrehter Elektroschrammelnoisepunk<br />
mit wirklich nervigen Zwischengeräuschen, die dem<br />
Stückchen Vinyl das I-Tüpfelchen geben. Nicht weit <strong>von</strong><br />
dem entfernt, was Anfang der 80er <strong>von</strong> einigen Leuten in irgendwelchen<br />
Kinderzimmern auf Kassetten gebannt wurde,<br />
nur etwas moderner und dichter. Das besagte Umfeld plus<br />
etwas in den Raum geworfenes Spielzeug steckt den musikalischen<br />
Rahmen ganz gut ab. Ah ja, der Titelsong basiert<br />
auf einem Werk <strong>von</strong> Rimbaud, aber den werden sowieso die<br />
wenigsten <strong>von</strong> euch kennen, also. (6/8) kalle stille<br />
¡ Bei einer 7“ zweier Ausnahmebands wie CYNESS und<br />
SKITSYSTEM sollte eigentlich nichts schiefgehen können.<br />
Und zum Glück ist es bei dem neuesten Output <strong>von</strong><br />
unsociable.net auch so. CYNESS gehören für mich ganz<br />
klar zu den besten deutschen Grindbands der letzten Jahre.<br />
Hier hacken sie sich fulminant durch fünf Highspeed-<br />
Songs mit derbem Metal-Einschlag und deutschen Texten.<br />
Mal ein kurzes SLAYER-Riff eingestreut, mal etwas vom Gas,<br />
so macht man das. <strong>Die</strong> Schweden SKITSYSTEM sind ja bekannterweise<br />
Vertreter des derben Skandicrusts und hatten<br />
mit Tompa mal den AT THE GATES-Sänger in ihren Reihen,<br />
dessen Weggang aber nicht wirklich auffällt. Ersetzt wurde<br />
er durch den Gitarristen <strong>von</strong> MATYRDÖD, der einen vollwertigen<br />
Ersatz darstellt. Auf dieser 7“ prügeln sie sich in<br />
bekannter Manier durch zwei fett produzierte Songs, abwechslungsreiches<br />
Crust-Riffing und verzweifelt herausgeschrieenen<br />
Gesang, ach, ich liebe diese Band, die mich wie<br />
kaum eine zweite anspricht ... (9) Dr. Oliver Fröhlich<br />
¡ Nachschlag zu ihrem furiosen neuen Album gibt es <strong>von</strong><br />
den CREETINS aus dem hohen Norden. <strong>Die</strong> in Album-Artwork-Stile<br />
gestaltete 7“ mit Namen „The spirit is willing“<br />
(Roadrunner/Cargo) enthält neben eben jenem Titeltrack<br />
als B-Seite ein Leckerchen besonderer Art: FUGAZIs 2Waiting<br />
room“ in bestechender Interpretation der drei Tour-<br />
den Feminismus nicht ausschließt, den sie sich auf die Fahnen<br />
geschrieben haben. Positiver, nicht wütender Feminismus<br />
– Frauen (und Männer), die noch andere Sorgen als Figurprobleme<br />
haben. Musikalisch sehr anmutig, fast schon<br />
loungig. Stellenweise auch recht artifiziell, was durch den<br />
Gesang in drei Sprachen, nämlich Französisch, Englisch und<br />
Deutsch, unterstrichen wird. Man befindet sich in künstlerischen<br />
Sphären, mir persönlich fehlt der „Bezug zur Straße“<br />
– wo ist der Rotz, wo die Punk-Attitüde? Dennoch, obwohl<br />
scheinbar konzeptionell, eine unterstützenswerte Aussage<br />
hinter einer eigenen Band, die sich hoffentlich nicht<br />
nur hinter Kunststudenten versteckt. Wer Elektropop mag,<br />
sollte sich BOUT D’CHOU anhören. Ich sträube mich hingegen<br />
weiter ein wenig: zuviel Konzept und Kunst, zu wenig<br />
Musik. (39:38) (5) Sarah Shokouhbeen<br />
BELLMER DOLLS<br />
The Big Cats Will Throw Themselves Over M<strong>CD</strong><br />
hungryeyerecords.com | Als „Noise-Goth“ und „Art-<br />
Punk“ mussten sich die BELLMER DOLLS aus Brooklyn, NY<br />
schon bezeichnen lassen, und dabei ist ihre Musik doch so<br />
viel mehr als das, was diese vier Worte zu beschreiben scheinen.<br />
Bestehend aus Musikern, die zuvor bei LOVE LIFE (CE-<br />
LEBRATIOPN), UNIVERSAL ORDER OF ARMAGEDDON,<br />
THE VANITY SET und TAV FALCO’S PANTHER BURNS aktiv<br />
waren und vor gerade mal zwei Jahren gegründet, schloss<br />
man sich erstmal ein Jahr im Proberaum ein, bevor das erste<br />
Konzert gegeben wurde. Kollege Jon Spencer war begeistert,<br />
rekrutierte die BELLMER DOLLS als Opener, und dann<br />
machte man sich unter der Obhut <strong>von</strong> Jim Sclavunos, der<br />
auch schon mit Nick Cave, SONIC YOUTH und den CRAMPS<br />
gearbeitet hat, an die Aufnahme der sechs Songs dieser EP.<br />
Und die ist eine echt Schönheit geworden, abwechslungsreich<br />
und in sich schlüssig zugleich, eine wirklich seltene<br />
Mischung aus düsterem Punk, basalem Rock’n’Roll, noisigem<br />
Rock und schwermütigem Rhythmus. Wer zudem mit<br />
dem New Yorker Ausnahmelabel Hungry Eye vertraut ist,<br />
der sollte zugreifen. (22:57) (8) Joachim Hiller<br />
BY NIGHT<br />
A New Shape Of Desparation <strong>CD</strong><br />
lifeforcerecords.com/Soulfood | <strong>Die</strong> Schweden BY NIGHT<br />
sind auch auf ihrem zweiten Album ihrem Stil treu geblieben.<br />
Der sehr kalte und maschinelle Industrial-Metal ist<br />
hart und düster, wird teilweise aber auch durch Blasts und<br />
Modern Metal-Elemente aufgelockert. Man kann sehr gut<br />
Einflüsse <strong>von</strong> Bands der Marke STRAPPING YOUNG LAD,<br />
FEAR FACTORYs „Demanufacture“, THE HAUNTED und<br />
natürlich MESHUGGAH hören, wobei Letztere am meisten<br />
zum Vorschein kommen. So erinnert der Adrian Westin<br />
stark an den MESHUGGAH-Schreihals. <strong>Die</strong> Songs werden<br />
dominiert <strong>von</strong> präzisem Doublebassgehacke, was den maschinellen<br />
Tenor noch intensiviert. Glücklicherweise haben<br />
die Gitarristen ein Händchen für gute Arrangements, und so<br />
lockern sie die futuristische Atmosphäre durch melodisch,<br />
atmosphärische Leads und unverzerrte, gezupfte Gitarrenläufe<br />
auf. <strong>Die</strong> meisten der zehn Tracks sind sehr heavy, deswegen<br />
freut man sich über die hymnenhaften „Dead eyes<br />
see no future“ und „Time is running out“, die vom Gaspedal<br />
heruntergehen und mit düsteren Pianoklängen ausgeschmückt<br />
sind. Insgesamt ist die Platte gut und man kann<br />
sie Fans der oben erwähnten Kapellen definitiv empfehlen.<br />
Das Problem <strong>von</strong> BY NIGHT ist, dass sie noch nicht eigenständig<br />
genug klingen, was aber ausbaufähig ist. (36:42) (7)<br />
Arndt Aldenhoven<br />
BURN IN SILENCE<br />
Angel Maker <strong>CD</strong><br />
Prosthetic | Fast vierzig Minuten lang ist das Debütalbum<br />
<strong>von</strong> BIS, das <strong>von</strong> Ken Susi (UNEARTH) gemixt und <strong>von</strong> Tue<br />
Madsen produziert wurde. Große Namen sind das, mit denen<br />
hier um sich geworfen wird, aber was hinten rauskommt,<br />
das ist entscheidend. Und wenn ich Eingangs extra<br />
erwähnte, dass das Album fast 40 Minuten lang ist, dann<br />
deshalb, weil in so langer Zeit eigentlich zu erwarten wäre,<br />
monster aus Kiel. Wenn ihr euch jetzt den Zeigestock der<br />
Massenmedien aus dem Arsch gezogen habt, dürft ihr natürlich<br />
gerne ein Konzert der CREETINS besuchen und euch<br />
<strong>von</strong> der unbändigen Live-Energie elektrisieren lassen. Hymnen-gespickter<br />
Punkrock für Herz, Hirn, Faust schütteln<br />
und abgehen! Grandios. Ich war kürzlich erst wieder dabei.<br />
<strong>Die</strong> rocken wie die Bürstenbinder und kehren dabei Ohren<br />
aus... Man sehe zu, diese Band auf einem ihrer zahlreichen<br />
Konzerte (und noch einmal: Tourmonster!!!) heimsuchen<br />
kann und zwar koste es was es wolle! Ein Feuerwerk, was die<br />
zu dritt auf der Bühne abfackeln, ich sag es euch. Hingehen,<br />
zuhören, zustimmend mit dem Kopf nicken, freuen, danke,<br />
Zack! Liebstes nach Kiel, KK<br />
¡ Einen Moment, schon wieder klein und dreckig, nur<br />
diesmal mit Gesichtern. Letztes Mal waren es nur „Things“,<br />
doch so langsam nimmt es Gestalt an. DIRTY LITTLE FACES<br />
aus, na. ihr wisst schon, mit Musik wie – genau! Es ist ein<br />
Phänomen oder? Alles dasselbe, MAXIMO PARK, FRANZ<br />
FERDINAND, DIRTY PRETTY THINGS, hmm, so hört sich<br />
das auch an und trotzdem mag ich die Scheiße. Entweder<br />
man mag’s oder nicht. Etwas Außergewöhnliches an der<br />
Band gibt es nicht. Eine nette 7“ <strong>von</strong> Fierce Panda. Für euch<br />
zum Tanzen. (7) Martha Biadun<br />
¡ Zwei echte Kracher lassen die DAMNATION KIDS da<br />
durch die Boxen fegen. Grandios schmutzig produzierter<br />
Noise, der den dreckigen Melodien gerade noch die nötige<br />
Luft zum Atmen lässt, Wahnsinn! Dritte 7“ der Band, <strong>von</strong><br />
der ich keine einzige Scheibe vermissen möchte. Ohne viele<br />
Worte: Das, was ich bei den SPITS stets an Drive vermisst<br />
habe, ist alles hier, nur viel schmutziger, ohne Perwoll! Yeah,<br />
Hammersongs gehen so: Kabelknarzen, Rückkopplung, ab<br />
dafür! Schlagzeug nur auf der Stand-Tom, Bass in den Unterleib,<br />
Rückkopplung an jeder Ecke, extrem angepisster<br />
Sänger oben drauf und die fiese Farfisa immer dazwischen,<br />
und wo’s passt, schrammt auch noch die Gitarre im unteren<br />
Frequenzbereich. Ganz klar Lärm, aber geil. „I wanna<br />
do it“ ist einer dieser Single-Kracher, die dieses Format so<br />
verdammt wertvoll machen, und weil die Rückseite nicht<br />
minder schlecht ist, gibt es hier volle Punktzahl! Sehr weit<br />
oben und vor allem sehr, sehr geil! (10) kalle stille<br />
¡ „Indie“ ist ein Wort ohne Bedeutung geworden. Jede aktuelle<br />
Major-Rockband läuft musikalisch unter „Indie“,<br />
wenn sie 80er Wave-Einflüsse hat. Neuerdings soll es sogar<br />
den Begriff „Mandy“ geben, der genau für so einen Sound<br />
steht. Das Label LoLiLa (lolila.de) aus Düsseldorf ist wirklich<br />
ein Independentlabel. Es führt einen kleinen Singlesclub,<br />
in dem man limitierte 7“s bekommt. Ich bekam die DA-<br />
TIV BOYS und auf hellgrünem Vinyl singen sie Geschichten<br />
wie „Der Arzt <strong>von</strong> Stalingrad“ und „<strong>Die</strong> Räder, die keiner<br />
will“. Das ganze kann man deutschen Indierock nennen,<br />
ohne gleich rot werden zu müssen und der poppige Sound<br />
ist ach angenehm. Ich würde mich freuen, immer mit den<br />
Releases auf dem Laufenden gehalten zu werden und mir<br />
dann nette Popgeschichten anzuhören. Timbo Jones<br />
¡ Große Worte zu den Leuten hinter DEATH BREATH erspare<br />
ich mir an dieser Stelle und verweise auf das Interview<br />
in dieser Ausgabe. Kurz vor der Review-Deadline ist noch<br />
die limitierte Debütsingle (Black Lodge Records) bei mir<br />
eingetrudelt, die wahrscheinlich 90 Prozent aller HELLA-<br />
COPTERS-Fans hassen werden. Geboten werden drei wunderbare<br />
Uptempo-Schwedentod-Kracher, <strong>von</strong> denen die A-<br />
Seite auch auf dem Album sein wird, während sich auf Seite<br />
B unter .anderem Markus Karlsson <strong>von</strong> I QUIT als Gastgrunzer<br />
austoben darf. Oldschool-Death Metal, wie man ihn sich<br />
dass man zu seinem Sound findet. Ich meine, hier ist irgendwie<br />
alles zuviel und gleichzeitig nichts wirklich zu Ende gedacht<br />
worden. Hier blitzen Keyboards auf, dann plötzlich<br />
wieder eine Doublebass, dann cleaner Gesang und dann<br />
wieder Shoutparts. Das alles in einem wilden Mix, der sehr<br />
chaotisch daherkommt, das passt irgendwie nicht. Und mal<br />
Hand aufs Herz Jungs, hat da wer bei den cleanen Gesangsparts<br />
mit einem Vocoder gespielt? Ich bin mir da nicht ganz<br />
sicher, aber allein schon der Gedanke gibt Abzüge! Oh Mann,<br />
ich glaube, genauso zerfahren wie der Sound der Formation<br />
aus Massachusetts werden meine Zeilen hier. Aber das<br />
ist ja der beste Beweis für die Unausgereiftheit des Sextetts,<br />
die bringen sogar mich durcheinander. Ken Susi weiß<br />
schon, warum seine Band UNEARTH nicht so klingt wie das<br />
hier, denn dann wären UNEARTH nicht da, wo sie jetzt sind.<br />
(38:11) (5) Tobias Ernst<br />
BLUMENTOPFERDE<br />
Kassette Deluxe <strong>CD</strong><br />
nix-gut.de | BLUMENTOPFERDE sehen eigentlich genauso<br />
aus wie andere Pferde, nur ein bisschen anders. Weil sie sehr<br />
scheu sind und manchmal unerwartet komisch wiehern,<br />
braucht es Zeit, sich an sie zu gewöhnen. Auch gehören sie<br />
nicht zu den schnellen, eleganten Vollblütern – sie könnten<br />
bestimmt schneller, höher und weiter, rutschen aber<br />
manchmal in Zwiebelbeeten aus. Sowieso gehören BLU-<br />
MENTOPFERDE zu den eher kleineren Rassen – vergleichbar<br />
mit dem Meißener Reitpony – allerdings kriegt man sie<br />
mit viel Hopfen-Aufbaunahrung leistungsfähig und kindergeburtstagsreif.<br />
Einzig allein mit dem Pferdehusten muss<br />
man aufpassen; hat der erst einmal angefangen, hilft nur<br />
noch ein Gang zu den ÄRZTEN. Strengstens abgeraten wird<br />
auch <strong>von</strong> Ausritten auf politischem und staatlichem Gelände,<br />
außer man kennt die Wege und Hindernisse genau. Sonst<br />
passieren noch böse Dinge mit den Stromzäunen. Und ohne<br />
Huf kein Pferd. (63:58) (6) Katrin Schneider<br />
BEDOUIN SOUNDCLASH<br />
12:59 Lullaby M<strong>CD</strong><br />
Sideonedummy/Cargo | 2007 erscheint das zweite Album<br />
der Reggae-Stars aus Kanada. Als Appetizer gibt es den Reggae-Pop-Hit<br />
„12:59 Lullaby“. Ein sehr ruhiges Stück, mit<br />
Bass- und Keyboardteppich. Im Hintergrund ein Hauch<br />
<strong>von</strong> Off-Beat-Gitarre und die charismatische Stimme <strong>von</strong><br />
Jay Malinowski. Hymnen müssen nicht immer an Lautstärke<br />
mächtig sein. Auf der Vinylversion gibt es dazu eine Interpretation<br />
<strong>von</strong> THE MAYTONES’ „One way“. <strong>Die</strong> M<strong>CD</strong> beinhaltet<br />
noch eine weitere Coverversion der BAD BRAINS<br />
– „Jeb rand is sailin’ on“. Nette Accessoires, wenngleich der<br />
Titeltrack eine unglaubliche Eigendynamik besitzt. Im November<br />
auf Tour! (10:06) (9) Simon Brunner<br />
BOY OMEGA<br />
The Grey Rainbow M<strong>CD</strong><br />
Riptide/Cargo | Ein sehr zweischneidiges Schwert, diese<br />
EP des Schweden Martin Henrik Gustaffson, die seinem<br />
erst kürzlich erschienenen Album folgt: Einerseits mag man<br />
ihm nicht absprechen, eingängige Songs und abwechslungsreiche<br />
Arrangements zu präsentieren, die jede/n Songwriter-FreundIn<br />
interessieren könnten. Schweden, ASTRÖM,<br />
ihr wisst schon ... Andererseits probiert er es für meinen<br />
Geschmack zu sehr, was seinen Gesang angeht: Da schmalzt<br />
und leidet er mit derart viel Elan, dass es das schöne Gefüge<br />
untergräbt. Warum muss er nur so aufgesetzt schmachten,<br />
schlimmstenfalls mit hörbarem Vibrato, fragt man sich. Bei<br />
allen guten Ansätzen bleibt so das Gegenteil <strong>von</strong> gut eben<br />
nur gut gemeint. (24:55) (5) Christian Maiwald<br />
RORY BLOCK<br />
The Lady And Mr. Johnson <strong>CD</strong><br />
Ryko/Rough Trade | Das erste Mal so richtig mit Blues auseinandergesetzt<br />
habe ich mich wohl durch die Releases<br />
des Fat Possum-Labels. Da war der Blues, wie er sein sollte,<br />
rauh, ursprünglich und vorgetragen <strong>von</strong> alten schwarzen<br />
Männern. Schon dort war es irritierend, als dann, wie<br />
wünscht, mit dem obligatorisch knarzigen Stockholmer Gitarrensound<br />
(dessen „Erfinder“ Leif Cuzner im Juni Selbstmord<br />
begangen hat) und in bester Tradition <strong>von</strong> ganz frühen<br />
ENTOMBED oder DEATH. (8) Bernd Fischer<br />
¡ ENSAM besteht aus Leuten der legendären finnischen<br />
Bands RIISTETYT und KAAOS. Ende des Jahres soll noch<br />
eine Platte folgen. Auf diesem Vinyl sind vier Songs der<br />
Band. Dunkler melodischer Midtempo-Punkrock-Thrash<br />
mit auf Dauer nervig-keifender Frauenstimme. <strong>Die</strong> düsteren<br />
Arrangements mit passenden Lyrics gefallen, aber unterm<br />
Strich fehlt der Band irgendetwas, was sie <strong>von</strong> anderen<br />
dieses Genres abheben würde. <strong>Die</strong>se Nachpressung, an sich<br />
für den amerikanischen Markt bestimmt, kommt in farbigem<br />
Vinyl. (Bro-Core Records, P.O. Box 173 Granville, MA<br />
01034, USA). (6) Simon Brunner<br />
¡ Hinter dem Projekt FUTURE PILOT AKA verbirgt sich<br />
Sushil K. Dade, ex-SOUP DRAGONS, 18 WHEELER und<br />
BMX BANDITS. Dade arbeitet seit den 90er Jahren mit diversen<br />
Gästen, unter anderem haben bereits Alan Vega, Jowe<br />
Head oder Birx Smith den Gesang übernommen. Auf der<br />
neuen pinkfarbenen 7“ (Aufgeladen und Bereit/Indigo) geben<br />
sich BELLE & SEBASTIANs Stuart Murdoch und Sarah<br />
Martin beziehungsweise Karine Polwart und Rick Webster<br />
die Gesangsmikrofone in die Hand und setzten uns auf rosa<br />
Wolken. Vielleicht sind die drei charmanten Popsongs mit<br />
„Scottish flavour“ auch nur ein Vorgeschmack auf das neue<br />
Album „Secrets From The Clockhouse“, unter anderem mit<br />
Gästen <strong>von</strong> den FIRE ENGINES, SONIC YOUTH, GO-BET-<br />
WEENS und CAN, zu hoffen wäre es. (7) Kay Wedel<br />
¡ Eine Split-7“ namens „Lay Down & <strong>Die</strong>“ (Rat Town Records)<br />
erreicht uns aus Florida. Vertreten sind die Bands<br />
LEGBONE aus Dayton, Ohio und THE GOONS aus Arlington,<br />
Virginia. Erstere versuchen sich an melodischem Hardcore<br />
im NOFX-Style mit etwas rockigerer Note, was zwar<br />
irgendwie nett klingt, letztlich aber nicht vom Hocker reißt.<br />
THE GOONS spielen Punkrock mit einer etwas chaotischen,<br />
thrashigen Note. Fast könnte man sie als reine Thrash-Band<br />
durchgehen lassen, wofür sie aber doch zu lahmarschig sind.<br />
In guten Momenten scheinen ihre D.C.-Wurzeln durch,<br />
diese stärker zu betonen, würde ihnen sehr gut tun. Beide<br />
Bands geben je drei Songs zum Besten, welche leicht über<br />
dem Durchschnitt liegen, mehr aber auch nicht. (6) OlliW<br />
¡ <strong>Die</strong> wundervollen HUSH PUPPIES aus la très bien France<br />
mit ihrer zweiten Single. Ich hatte nichts Neues erwartet<br />
doch da trifft es mich wie ein Reptilienschenkel am Hinterkopf<br />
– noch gestern habe ich „It’s The Kinks“, mein Lieblingsalbum<br />
der KINKS gehört und ein Lied ist jetzt auch auf<br />
der Single drauf. Hm, schnell auf die <strong>CD</strong>, ich flipp aus, die<br />
haben tatsächlich „I’m not like everybody else“ gecovert.<br />
Gut, neeee – wat? Darf man das so eins zu eins? Ich weiß<br />
nicht genau, was ich machen soll, mich beschweren oder<br />
doch froh sein, dass ich die arme alte Platte nicht mehr so<br />
oft belasten muss. Immerhin zeugt das <strong>von</strong> einem guten Geschmack<br />
– vielleicht gefällt Ray Davies diese Indiepop-Geschichte<br />
ja auch, mir werden die Franzmänner <strong>von</strong> Mal zu<br />
Mal sympathischer. Auf der nächsten Single ist wahrscheinlich<br />
auch ein Bonus-Videoclip drauf, wo sie zusammen mit<br />
la prominence de la Sixties singen. (8) Martha Biadun<br />
¡ One-Man-Bands sind entweder der verzweifelte Versuch<br />
nicht teamfähiger Musiker, trotzdem Gehör zu finden,<br />
oder aber der einzige hörbare Ausweg aus besonders strukturschwachen<br />
Gegenden. Gibt ja mittlerweile schon eine<br />
ganze Handvoll solcher Solisten, allerdings keinen, der so<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 64 22.09.2006 20:50:49 Uhr
zum Beispiel im Fall der BLACK KEYS, irgendwelche Weißbrote<br />
auftauchten, die ebenfalls vorgaben, den Blues zu haben.<br />
Und auch wenn das jetzt arg chauvinistisch klingen<br />
mag, noch weniger behagt mir diese Vorstellung, wenn genau<br />
das eine weibliche Musikerin tut. Nun ist Rory Block<br />
nicht gerade ein Novum in der Bluesmusik, denn die Frau<br />
nimmt schon seit Ende der 70er Platten auf und konnte<br />
sich seitdem eine beachtliche Reputation erarbeiten. Und<br />
auch ihre neue Platte „The Lady And Mr. Johnson“ kann sich<br />
nicht gerade über schlechte Kritiken beklagen, denn Block<br />
bemüht sich um eine größtmögliche Authentizität, was ihr<br />
in technischer Hinsicht auch sicher gelingt, nur so richtig<br />
gefallen tut mir das trotzdem nicht. Denn irgendwie ist es<br />
schon ein Unterschied, ob ein Robert Johnson, Mississippi<br />
Fred McDowell oder R.L. Burnside den Blues mit Leben<br />
erfüllt oder eine weiße Frau, die halt leider eben auch immer<br />
so klingt. Sollte das irgendwie verdreht rassistisch klingen,<br />
kann man nichts machen, aber in der Bluesmusik gilt<br />
für mich: No whiteys, please! Ausnahmen bestätigen die Regel,<br />
zu denen ich Frau Block aber definitiv nicht zähle, auch<br />
wenn sie sich hier im Sinne Robert Johnsons um den Blues<br />
verdient macht. (5) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
CALIFONE<br />
Roots And Crowns <strong>CD</strong><br />
Thrill Jockey/Rough Trade | Schon ein erstaunlicher<br />
musikalischer Wandel, den Tim Rutili und<br />
Ben Massarella <strong>von</strong> ihrer ersten Band RED RED<br />
MEAT hin zu CALIFONE durchlaufen haben,<br />
C<br />
<strong>von</strong> Beefhart-beeinflusster Dekonstruktion <strong>von</strong><br />
Bluesrock hin zu einem esoterischen Prog-Folk,<br />
den man noch so gerade dem Alt-Country-Bereich zuordnen<br />
kann. Und „Roots And Crowns“ bildet da keine Ausnahme<br />
und treibt die Reduktion des CALIFONE-Sounds nach<br />
„Heron King Blues“ vor zwei Jahren noch weiter ins Extrem.<br />
Folk und Blues treffen hier auf Rock-Experimente und<br />
elektronische Sounds, wobei „Roots And Crowns“ ein insgesamt<br />
akustisch fließendes Feeling zugrunde liegt. Ebenso<br />
gibt es immer wieder einen Hang zu äußerst griffigen Melodien,<br />
die Rutili und Kollegen allerdings gut in Schichten<br />
aus seltsamen Geräuschen und einer nicht weit <strong>von</strong> Bands<br />
wie CALEXICO entfernten subtileren Form <strong>von</strong> traditionellem<br />
Folk und Country verpacken, was sich auf fast unheimliche<br />
Art zum irgendwie typischen CALIFONE-Sound verbindet.<br />
Dazu passt auch irgendwie ganz gut, dass man ausgerechnet<br />
„The orchids“ vom zweiten PSYCHIC TV-Album<br />
„Dreams less sweet“ covert, wo die Industrial-Pioniere ihren<br />
Sinn für schwelgerischen Pop entdeckten. Der eigentliche<br />
Hit der Platte kommt allerdings ganz zum Schluss mit<br />
„3legged animals“, einem umgearbeiteten Song aus dem<br />
Horrorfilm „The Lost“ (<strong>von</strong> dem man übrigens nur Gutes<br />
hört, wo bleibt das Ding?), für den Rutili die Musik geschrieben<br />
hat und sein Gespür für leicht abstrakte Popsongs<br />
zeigt. „Roots And Crowns“ ist eine Platte voller leiser, gut<br />
versteckter Höhepunkte und steigert nur meine Wertschätzung<br />
dieses brillanten Musikers, der schon mit den großartigen<br />
RED RED MEAT immer viel zu wenig Beachtung fand.<br />
(9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
CHUCK DUKOWSKI SEXTETT (<strong>CD</strong>6)<br />
Eat My Life <strong>CD</strong><br />
Nice and Friendly | Zu meiner Schande muss ich gestehen,<br />
dass ich die späten, angeblich wesentlich experimentelleren<br />
BLACK FLAG-Alben gar nicht kenne, aber da war<br />
Chuck Dukowski eh schon nicht mehr dabei, und auch um<br />
mein Wissen um die Solokarriere des Herrn ist es eher mager<br />
beschert. Nichtsdestotrotz hat dieses Werk mehr mit Experimenten<br />
zu tun, als mit einer neuen „alten“ Version <strong>von</strong><br />
Altherren-Hardcore, besonders mit Hardcore hat das hier<br />
kaum etwas zu tun. <strong>Die</strong> Musik bewegt sich im Bereich <strong>von</strong><br />
Progrock und Free-Jazz, wobei fast alles <strong>von</strong> Lora Nortons<br />
Gesang bestimmt wird, die sich einmal die Seele aus<br />
dem Leib schreit, einmal sehr nach heißerer Bar-Jazz-Manier<br />
haucht, Dukowski hält sich am Bass – auch im Vergleich<br />
zum abgedrehten Saxophon – sehr zurück. Gerade das ag-<br />
klingt wie Haunted George. Der Junge ist am ehesten mit<br />
DER FLUCH aus Leverkusen vergleichbar (nur besser), oder<br />
mit einem knochigen, gut abgehangenen Tom Bagley (Forbidden<br />
Dimension). Erstaunlich, wie interessant es klingen<br />
kann, wenn man die Tonleiter einfach nur rauf und runter<br />
spielt, dazu etwas Hall, spooky Gesang und fertig. „The devils<br />
canyon“ und „Graves in the desert“ sind auf jeden Fall<br />
kleine Hits, <strong>von</strong> denen sich so manche Horrorpunk-Band<br />
eine Schaufel Graberde abschöpfen kann. Prima Sound, um<br />
sich auf einem alten Friedhof gemütlich ein Grundstück<br />
auszusuchen. Bricht das Eis bei jeder Halloween-Party! (9)<br />
kalle stille<br />
¡ HELLPETROL (hellpetrol.de) aus Düsseldorf sind mir<br />
bis dato noch nicht unter die Ohren gekommen, dabei sind<br />
die mittlerweile zum Quartett angewachsenen Jungs schon<br />
ein paar Jahre dabei. Jeder Chucks-, Jeans-, Lederjackenträger<br />
wird an „Can Give You A Hard Time“ garantiert seinen<br />
Spaß haben! (7) Paul Tackenberg<br />
¡ Ganz coole Punkrock-Single <strong>von</strong> THE INSURGENCE aus<br />
den USA. Der erste Song, „Lost“, klingt wie eine dieser typisch<br />
swingenden RANDY-Nummern und läuft gut rein,<br />
bestes Stück auf der Platte. Das anschließende „Ghost town“<br />
hat eine Bassline, die RANCID alle Ehre machen würde,<br />
kickt aber nicht so wirklich. „Friday night“ schließlich ist<br />
eine straight gebolzte, kurze Punk-Attacke. Wie gesagt, nicht<br />
übel. Produziert <strong>von</strong> Jack Endino ist dieses die zweite Veröffentlichung<br />
der Band nach der EP „Statutory Of Liberty“.<br />
Zur Zeit ist die Band mit besagtem Endino im Studio,<br />
um die erste komplette LP aufzunehmen. Da bin ich mal gespannt.<br />
(06:12) (6) Zahni<br />
¡ Renkeeee, voll super, ey! <strong>Die</strong> Splitsingle der Norddeutschen-Bands<br />
KURHAUS (inzwischen bei Poisonfree Records<br />
untergekommen) und ESCAPADO (mit Oliver<br />
Pochers kleinem Bruder als Sänger) hat mich richtig überrascht.<br />
Zeitstrafe(.de) steht für eigensinnige Releases, aber<br />
damit hätte ich nicht gerechnet. KURHAUS verzichten auf<br />
Geschreie und wandeln dieses Mal eher auf Indierock-Pfaden,<br />
was sehr angenehm klingt, während es bei ESCAPADO<br />
nur Remixe gibt. <strong>Die</strong>se sind sehr ruhige elektronische Stücke,<br />
schon fast Ambient-mäßig. „Endlosschleifen“ wurde<br />
<strong>von</strong> LATTEKOHLERTOR geremixt, während „Magnolien“<br />
<strong>von</strong> ERAZE THE BORDERS verwandelt wurde. Klingt sehr<br />
atmosphärisch. Große Überraschung. Timbo Jones<br />
¡ Via screamingapple.de kommt die neue 7“ der MONS-<br />
TERS, jener legendärsten musikalischen Inkarnation <strong>von</strong><br />
Voodoo Rhythm-Boss Beat-Man. „It’s Rock’n’Roll“ lautet<br />
deren Titel, so heißt auch der Stomper auf der A-Seite, und<br />
nach dem Wenden darf man dann noch einer famosen, fuzzigen<br />
Version des Klassikers „Fever“ lauschen. Schön auch<br />
das sehr affige Cover <strong>von</strong> Grafik-Maestro Marcel Bontempi,<br />
und ich kenne nun echt überhaupt keinen Grund, diese<br />
Platte, die anlässlich des 20. Geburtstages der Schweizer veröffentlicht<br />
wurde, nicht zu kaufen. (9) Joachim Hiller<br />
¡ „Rock Bottom“ ist ein simpler Spaß. Drei simple Garagesongs<br />
bringen MURDER BY GUITAR auf ihrer neuen EP<br />
auf Alien Snatch zu Gehör, die nicht weit vom Powerpop<br />
der REAL KIDS entfernt sind, aber auch Roky Ericksson und<br />
FLAMING GROOVIES der „Teenage Head“-Ära beleihen.<br />
Das hasszerfressene „I’ll be gone“ auf der B-Seite ist mir eine<br />
Spur zu zickig, aber der Schlusstrack, „Wrong side of town“<br />
ist ja auch noch da, und der Song ist ein echtes Pfundsstück.<br />
A-Seiten-verdächtig. (7) Gereon Helmer<br />
gressive „Venus in furs“-Cover klingt großartig, und nicht<br />
nur bei diesem Song ist Lora näher an Kathleen Hanna als<br />
an Nico. Dass es <strong>CD</strong>6 nicht nur um schräge Musik geht, beweist<br />
der Innentext: Zwischen knallbunten, aber gruseligen<br />
psychedelischen Malereien finden sich zahlreiche Appelle<br />
gegen das Militär, für Frieden und Humanität und dafür,<br />
(politische) Verantwortung nicht anderen zu überlassen,<br />
dazu die simple Aussage „Punk rock is dead“. <strong>Die</strong>ses Album<br />
hat jedoch in seiner affirmativen politischen Haltung wesentlich<br />
mehr mit Punk zu tun als viele, die sich Punkrock<br />
auf die Fahne schreiben ... Das einzige, was ich nicht verstehe:<br />
Warum nennen sich vier Leute Sextett? Auch wenn man<br />
die Gastmusiker (darunter auch Flea) dazu nimmt, geht das<br />
nicht auf ... (35:22) (8) Chris Wilpert<br />
COUNTRY TEASERS<br />
The Empire Strikes Back <strong>CD</strong><br />
intheredrecords.com | Als die COUNTRY TEASERS einst auf<br />
Crypt veröffentlichten, hatte noch niemand eine Ahnung,<br />
zu was für Freaks sich die Engländer im Laufe der Jahre entwickeln<br />
sollten. Mit „The<br />
Empire Strikes Back“ ist<br />
ihr achtes Album erschienen,<br />
wie die Vorgänger auf<br />
In The Red, und ich habe<br />
bis heute nicht begriffen,<br />
was die Londoner Meister<br />
des Rockzitates eigentlich<br />
wollen. Ihre Musik<br />
ist im Grunde genommen<br />
gar nicht so „weird“,<br />
schöpft aus Country, Punk,<br />
Pop und Garage, ist auf einem<br />
ähnlichen Sonderlingslevel<br />
wie THE FALL und Herr Childish anzusiedeln<br />
– und wurde diesmal trotz der Abneigung gegen normale<br />
Tonstudios in einem solchen aufgenommen, allerdings in<br />
Portland, OR und nicht im heimischen England. Der Wahnsinn<br />
beginnt dann bereits beim Opener „Spiderman in the<br />
flesh“, in dem PINK FLOYD <strong>von</strong> „The Wall“ verwurstet werden,<br />
„The ship“ wartet mit einem komischen, schleppenden<br />
Walzerrhythmus auf, „Raglan top of lonsdale grey“ hat<br />
völlig strange Country-Anklänge, und den Text will man eigentlich<br />
gar nicht verstehen – jugendfrei ist das jedenfalls<br />
nicht. Ein verdammtes Meisterwerk, diese Platte, so viel ist<br />
mir klar, doch im Detail verstehen können muss man das<br />
nicht – und beschreiben schon gar nicht. Der Höhepunkt<br />
ist übrigens der letzte Song, mit dem brillanten Titel „Please<br />
ban music/Gegen alles“ ... (50:07) (9) Joachim Hiller<br />
CAIPYRANHAS<br />
s/t M<strong>CD</strong><br />
caipyranhas.de | Das Trio CAIPYRANHAS hat sich zwar einen<br />
zweifelhaft lustigen Namen gegeben, gefällt aber trotzdem.<br />
Schwungvoller Rockabilly mit Surf- und Psychobilly-Elementen.<br />
Der Song „Just keep up“ endet sogar in einer<br />
Art, die als Noiserock durchgehen würde. Somit interessant<br />
und keine seichte Schlagermusik, die auch schon mal<br />
gerne als Rockabilly bezeichnet wird. Mit schönen Backing-<br />
Vocals machen die vier Songs Lust auf mehr und durch das<br />
ausgiebige Tourprogramm wird es dazu live genug Gelegenheiten<br />
geben. Dann folgt hoffentlich auch schnell ein Longplayer,<br />
es gibt schließlich viele Bands in diesem Umfeld mit<br />
weit weniger Talent und Esprit. (6) (11:34) Robert Noy<br />
CRADLE OF FILTH<br />
Thornography <strong>CD</strong><br />
roadrunnerrecords.de | Lange ist es her, dass ich mir, anno<br />
dazumal, eine Platte der britischen „Black“-Metaller zu Gemüte<br />
geführt habe. Mittlerweile legt man das siebte Album<br />
vor und dürfte mal wieder für reichlich kontroversen Gesprächsstoff<br />
bei den Szenewächtern sorgen. Der obligatorische,<br />
epische Sound der Insulaner hat sich nämlich einer<br />
gehörigen Frischzellenkur unterzogen und klingt jetzt streckenweise<br />
wie eine Filth’sche Glamrock-Version <strong>von</strong> IRON<br />
¡ <strong>Die</strong> MÖNSTER / CHAINBREAKER-Split-7“ auf Vendetta-Records<br />
vereint zwei großartige Bands aus Berlin/Potsdam.<br />
Gehören MÖNSTER spätestens seit „Arm“ mit ihrer<br />
Mischung aus simplen D-Beat-Riffs und einer gehörigen<br />
Prise Portland-Sound Marke TRAGEDY zu einer der<br />
besten und eingängigsten Bands Deutschlands, müssen<br />
sich die mir bis dato unbekannten CHAINBREAKER auch<br />
nicht verstecken, bringen sie doch guten alten Oldschool-<br />
HC mit deutschen Texten und gebrüllten Vocals unters Volk.<br />
CHAINBREAKER haben aber leider nicht ganz so viel Power<br />
und Energie wie MÖNSTER, die aber sicher eine Ausnahmeband<br />
sind. Deshalb: Uneingeschränkte Empfehlung! (8)<br />
Dr. Oliver Fröhlich<br />
¡ Booooh, hier <strong>von</strong> einer Band und nicht <strong>von</strong> einer<br />
Splitsingle zu reden, fällt wirklich schwer. <strong>Die</strong> B-Seite ist ein<br />
echter Hardcore-Hhammer, wie ihn die WRANGLER BRU-<br />
TES aktuell zelebrieren, während die A-Seite eine quälend<br />
schleppende und fertige Nummer ist, die Heroen vom Kaliber<br />
DRUNKS WITH GUNS oder FLIPPER zur Ehre gereicht.<br />
So kaputt habe ich lange nichts mehr gehört. Aber es ist nur<br />
eine einzige Band, nämlich die PISSED JEANS, die auf dieser<br />
Sub Pop-Single im Grunde die Früh- und die Spätphase<br />
<strong>von</strong> BLACK FLAG vereinen, obwohl die nie so fertig geklungen<br />
haben. Erinnert einen nur daran, wie genial die bewaffneten<br />
Alkoholiker einmal waren. (8) kalle stille<br />
¡ So lecker, dass man sie lutschen möchte, sieht die rotweiß<br />
gefleckte „Snap Out Of It“-7“ der ROTTEN APPLES<br />
auf trash2001.de aus. Und im Vergleich zum Album, das ein<br />
paar Jahre her ist, haben die Amerikaner und -innen aus<br />
Seattle den mich zuvor an EPOXIES erinnernden Sound etwas<br />
abgelegt, haben jetzt einen ganz ordentlichen Rock-<br />
Einschlag, so dass zumindest der Titelsong mich an BELL-<br />
RAYS und GHETTO WAYS erinnert. „Anxiety“ hat dann<br />
wieder etwas Synthie an Bord, ebenfalls schön, und das<br />
BLONDIE-Cover „Picture this“ <strong>von</strong> der B-Seite kennt man<br />
ja vom Tribute-Sampler ihres Labels. (8) Joachim Hiller<br />
¡ So ungefähr jede rundum begeisternde Garageband der<br />
letzten Zeit kam aus Schweden, das ist beinahe schon beängstigend.<br />
Wer sich jedenfalls für orgellastige Shaker mit<br />
Hitqualitäten begeistern kann und CAESARS und MAHA-<br />
RAJAHS gleichermaßen goutiert, der sollte sich auch an den<br />
STOMPIN’ SOULS versuchen, deren „Put Me On“-7“ jedem<br />
Farfisa-Fan wohlige Schauer über den Rücken jagt –<br />
und die vier Nummern hier toppen meiner Meinung nach<br />
auch das schlappe neue Album <strong>von</strong> MANDO DIAO. (9)<br />
Joachim Hiller<br />
¡ Uneingeschränkt kann ich euch die beiden 7“s <strong>von</strong><br />
SEXO Y DROGA (sexoydroga.net) empfehlen. Sex Punk<br />
Trash Rock. Fuck, yeah. So muss das sein! Da bekommt der<br />
7“-Käufer seine Daseinsberechtigung: nämlich solche kleinen,<br />
aber äußerst feinen Perlen aufzutun. Das ist dreckig, das<br />
ist laut und das ist genial! Bitte gebt dieser Band eure Ohren.<br />
Betitelt sind diese beiden 7“s übrigens nicht. Nicht dass einer<br />
denkt, der Paul wäre blöd. (8) Paul Tackenberg<br />
¡ Mit den TURPENTINES haben die TURPENTINE BROT-<br />
HERS nichts zu tun, dazu klingt auch die Musik der 2-<br />
Song-7“ „Get Your Mind Off Me“ (aliensnatch.com) zu anders.<br />
Das Garage-Trio kommt aus Boston, mischt brachialen<br />
Proto-Punk smart mit Blues- und Soul-Parts und Fuzz-<br />
Orgel, wirkt dabei weder dick rockend, noch dünn und zu<br />
garagig, sondern baut eine düstere, wuchtige Soundwand<br />
auf, die unweigerlich mitreißt. Bin gespannt, was da nachkommt.<br />
(8) Joachim Hiller<br />
MAIDEN. Obendrein hat wohl auch Frontzwerg Dani Filth<br />
in der Zwischenzeit die eine oder andere Gesangsstunde genommen<br />
und so weicht das nervige, trommelfellzerrende<br />
Gekreische immer wieder cleanen, hymnenhaften Gesangspassagen.<br />
Anerkennend muss man eingestehen, dass CRAD-<br />
LE OF FILTH trotz aller Flirtereien mit dem Mainstream ihrer<br />
eigenen Interpretation des schwarzmalerischen Metals<br />
treu geblieben sind und dabei versuchen, sich neu zu erfinden,<br />
ohne großartig irgendwelche Risiken einzugehen. Unterm<br />
Strich bleibt ein gewohnt stimmig arrangiertes Metal-<br />
Album, welches sowohl eingefleischte Fans als auch antipathischen<br />
Szenepredigern auf die jeweilige Art und Weise befriedigen<br />
dürfte. Uwe Kubassa<br />
CAPSIZED<br />
Against Your Walls <strong>CD</strong><br />
Bad Land | Ob der gleichnamige SAMIAM-Song namensgebend<br />
war weiß ich jetzt nicht, wäre aber gut möglich, da<br />
CAPSIZED aus Pfarrkirchen in Bayern ebenfalls Emocore<br />
spielen und eine ähnliche Vorliebe für druckvolle Riffs haben.<br />
Nicht nur das, auch gesanglich bringt Raed Mansour<br />
einiges an Fähigkeiten mit und so hinkt der Vergleich keinesfalls.<br />
<strong>Die</strong> andere Seite <strong>von</strong> CAPSIZED erinnert mich angenehm<br />
an UNITY und frühe IGNITE, wobei der Song<br />
„Guilt“ beide genannten Einflüsse auf einen Nenner bringt.<br />
Selbstverständlich ist es nicht einfach, sich in einem Kontext<br />
zu etablieren, der <strong>von</strong> Legenden dominiert ist, aber da<strong>von</strong><br />
lässt sich das Quartett eben nicht abschrecken. <strong>Die</strong> Gruppe<br />
hat definitiv Charisma, Courage und auch einen gewissen<br />
Wiedererkennungswert. So kann „Against Your Walls“ problemlos<br />
überzeugen und ist mit Sicherheit ein gelungener<br />
Einstand. (33:46) (6) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
COOGANS BLUFF<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
Morgana | Aus Rostock kommen die vier Jungs, die sich<br />
der Rockmusik verschrieben haben und seit einigen Jahren<br />
fleißig durch die Lande touren – bis nach Italien reiste man<br />
gar schon. <strong>Die</strong> vorliegende EP ist auch schon die dritte, da<br />
wird’s wohl nicht mehr lange dauern, bis der erste Longplayer<br />
nachgeschoben wird. Man hört, dass im Tourbus gerne<br />
MOTÖRHEAD eingelegt wird, gerade Gitarren, eine bemüht<br />
raue Stimme, und eine Rhythmus-Abteilung, die ordentlich<br />
Gas gibt. Ein bisschen fehlt noch das gewisse Etwas,<br />
aber alles in allem darf man gespannt sein, was da noch<br />
folgt. (24:25) (6) Simon Loidl<br />
CIRCULUS<br />
Clocks Are Like People <strong>CD</strong><br />
Rise Above | Man trägt Kleider und Garderobe aus dem Barock,<br />
was zunächst verdächtig erscheint und sich musikalisch<br />
tatsächlich bestätigt. Man ist dem Barock auch auf dem<br />
Instrument zugetan, versteht es aber in ausgezeichneter Art,<br />
dem Einfluss eine gehörige Portion Moderne beizugeben.<br />
Herausgekommen ist stark hippiesk beeinflusster Psychedelic<br />
Flower-Pop mit Melodien, die auch den ärgsten Hippiefeind<br />
nicht kalt lassen können. So hat man das seit dem<br />
legendären Summer of Love bestimmt nicht mehr gehört.<br />
Ja, es gibt Querflöten zu hören, aber dazu auch einen deftigen<br />
treibenden Bass, elektronische Spielereien sowie flirrende<br />
Gitarrensounds. Wunderbar abwechselnder oder gemeinsamer<br />
„Mann und Frau“-Gesang rundet die Songs<br />
hervorragend ab. Musik, die auf alle Fälle alle Dämonen vertreibt,<br />
wenn es einem mal wieder beschissen geht. Vielleicht<br />
sollte ich mir doch wieder die Haare lang wachsen lassen<br />
und auch mal nackt im Park tanzen gehen ... (42:11) (9)<br />
Claus Wittwer<br />
CIRCLE OF DEATH<br />
Hard To Live M<strong>CD</strong><br />
myspace.com/circleofdeath | <strong>Die</strong> erste 5-Song-M<strong>CD</strong> der<br />
Duisburger inklusive Bonustracks (die aber nicht weiter interessieren<br />
...) bietet düsteren Moshcore der Marke SHAT-<br />
TERED REALM. Überwiegend im schleppenden Midtem-<br />
¡ Jetzt benennen die Japaner ihre Bands schon nach holländischen<br />
Kleinstädten. VOLENDAM DISEASE aus irgendwo<br />
in Japan haben neben dem Spaß an Städtenamen auch<br />
einen Hang zum europäischen Hardcore der Achtziger, den<br />
sie perfekt in ihren klassischen Japcore integrieren. <strong>Die</strong> fünf<br />
Songs ihrer in Kooperation <strong>von</strong> Kangaroo und Even Worse<br />
Records veröffentlichten Debütsingle werden natürlich<br />
in Höchstgeschwindigkeit runter geprügelt, aus der Masse<br />
ähnlicher Bands stechen sie aber durch eine sehr prägnante<br />
und melodische Leadgitarre und den sehr guten Sänger hervor,<br />
der auch ohne Brüllen und Schreien kraftvoll und energetisch<br />
die wütenden Texte ausspuckt. Guter Hardcore ist<br />
eben doch nichts anderes als die Verdichtung <strong>von</strong> Punkrock.<br />
(geocities.com/tysonkangaroo) (8) André Bohnensack<br />
¡ WHERE EAGLES DARE, ja da, da wächst kein Gras mehr,<br />
Freunde, und wenn doch, dann sprießen Arme, Beine, faulige<br />
Schädel mit grinsenden Fratzen und Sanges-Melodiechen<br />
<strong>von</strong> einem Connaisseur auf dieser untoten Wiese... Einer,<br />
der sein Sangeshandwerk fürwahr im Griff hat und dieses<br />
bei seiner Haus-Band namens WILDE 13, schon oft mit<br />
bravour unter Beweis gestellt hat. Aus den Mitgliedern der<br />
Rosenheimer Band, die wenigstens (!!!) TERRORGRUPPE-<br />
Fans bekannt sein sollten und die viel und auch stilistisch<br />
einwandfreien Punkrock und RnR in ihren Sound einfließen<br />
lassen, besteht auch die Horrorpunk-Granate WHERE<br />
EAGLES DARE. <strong>Die</strong> B-Seite beheimatet die MISFITS-Klassiker<br />
„Angelfuck“ und „Death comes rippin“, und der Hit der<br />
schicken, kleinen Scheibe ist die A-Seite mit dem Titeltrack<br />
„Evil Beth“, der aus eigener Feder der Männer um Frontmegaphon<br />
Markus 13 stammt. Getreue MISFITS-.Jünger kommen<br />
an diesem Spukspektakel der vier kompetenten Routiniers<br />
nicht vorbei. Sehr geiles Teil KK<br />
¡ Das Kölner Label Soundflat sollte für die Verdienste am<br />
deutschen Sprachgut einen Verdienstorden bekommen. Nahezu<br />
alle Soundflat-Artists sind mittlerweile genötigt worden,<br />
auch Songs auf Deutsch aufzunehmen. Das ist eine<br />
schöne Tradition, und auch die niederländischen WAIST-<br />
COATS fügen sich der Anordnung des mächtigen Labelbosses.<br />
Dabei zeigt sich deutlich der Helferkomplex des Chefsängers<br />
Jan Hermann Veldkamp, der mit „Ich möchte dir<br />
nur helfen“ eine Freakbeat-Hymne über Selbstlosigkeit herausschmettert,<br />
und danach beleidigt „Wir gehen!“ hinterher<br />
schiebt. Zwei weitere, allerdings englischsprachige<br />
Songs sind auch noch dabei, und alles in allem ist es eine<br />
nette kleine EP geworden. (8) Gereon Helmer<br />
¡ Mrs. Studdert, die Mutter <strong>von</strong> Will und Sam, hat einen<br />
Kühlschrank, aber keinen Plattenspieler, weswegen meinem<br />
Exemplar der auf It’s Alive (itsaliverecords.com) erschienenen<br />
ZATOPEKS-7“ „Smile Or Move“ der Kühlschrankmagnet<br />
und die an und für sich beiliegende <strong>CD</strong>-R fehlt. Sie ließ<br />
mir dafür Aufkleber, Aufnäher, Anstecknadel und das Poster<br />
einer Fotostrecke der Band aus dem Konzertsaal der Universität<br />
Birmingham. Auf dieser zweiten US-Veröffentlichung<br />
der Band mit dem Trommler, der auch ohne Stöcke<br />
weiterspielt (welche Körperteile – ich glaube, es war sein<br />
Penis – er stattdessen verwendet hat, ist bestimmt auf photo.marc-gaertner.de<br />
zu sehen), finden sich zwei Liebeslieder<br />
des Albums, sowie zwei Neuheiten. <strong>Die</strong> A-Seite mit „I<br />
dream I’m home“ und dem „Turn to gold blues“, der auch<br />
für die Vinylfarbe verantwortlich sein sollte, ist balladenhafter,<br />
während „Even Zatopeks cry“ und – mein Lied! – „Another<br />
night on the divide“, schön schnell sind. Hätte mit<br />
Kühlschrankmagnet <strong>von</strong> mir eine „Zehn“ bekommen. (9)<br />
Walmaul<br />
po-Bereich angesiedelt, donnern die Doublebass-Einlagen<br />
wie ein Gewitter aus den Boxen und die tiefen Growls <strong>von</strong><br />
Shouter Florian untermalen die düstere Grundstimmung<br />
des Albums. Insgesamt schon eine fette Keule, die wie ein<br />
Schlag in die Fresse daherkommt, aber mir persönlich doch<br />
auf die Dauer einfach zu langsam. Da man schon zusammen<br />
mit BORN FROM PAIN auf der Bühne stand, wäre es vielleicht<br />
ganz schön, sich <strong>von</strong> deren Tempo etwas beeinflussen<br />
zu lassen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden, denn die<br />
Jungs firmieren ja auch erst seit 2003 als COD. Da kann noch<br />
einiges gehen. Anspieltipps für alle Nike- und Trainingshosenträger<br />
da draußen: „Circle of death“ und „Teamkiller“.<br />
(31:57)(6) Tobias Ernst<br />
CAMPING GROUP<br />
So wie wir heute dastehn <strong>CD</strong><br />
pavlek-schallpatten.de/Hausmusik | „So wie wir heute dastehn,<br />
wird uns morgen keiner mehr ernst nehm’ und nicht<br />
verstehen.“ Leider sagt dieser Satz aus dem Song „Hymnen“<br />
viel Wahres über THE CAMPING GROUP aus. Johannes Finkes<br />
und Daniel Vujanics Kooperation klingt ein wenig wie<br />
eine missglückte Version <strong>von</strong> Finkes Soloalbum, das erst vor<br />
wenigen Monaten erschien. <strong>Die</strong> deutschen Texte sind okay,<br />
auf jeden Fall zeit- und gesellschaftskritisch gemeint, aber<br />
nicht zwangsläufig als solche rezipierbar. <strong>Die</strong> Musik ist leider<br />
zu unaufgeregt und nicht fordernd genug, mit ein wenig<br />
Punkgestus vorgetragener Wohnzimmer-Elektropop mit<br />
HipHop-, Akustik- und (laut Info) „Indyrock“-Schlenkern.<br />
Quasi Diskurspop, der aber auch im Scheitern seine wahre<br />
Größe nicht entfaltet. (45:32) (5) Chris Wilpert<br />
CYRIL LORDS<br />
Motherland <strong>CD</strong><br />
nofunrecords.com | Eine kleine Verwirrungsgeschichte<br />
vorab: <strong>Die</strong> aus Ohio stammenden und mittlerweile in Detroit<br />
ansässigen CYRIL LORDS nannten sich einst BLOO-<br />
DY HOLLYS, benannten sich aber 2002 dann um, denn die<br />
Verwechslungsgefahr mit den auf Alive veröffentlichenden<br />
BLOODY HOLLIES aus Buffaly, NY war wohl einfach zu<br />
groß. Ihrer Herkunft aus der „Rock City“ machen die CYRIL<br />
LORDS jedenfalls alle Ehre, die aus Japan stammende Drummerin<br />
Mayuko kickt stoisch den Rhythmus, und die beiden<br />
Männer in der Band, die sich natürlich in den Vordergrund<br />
drängen müssen, machen sowohl bei den straighten Rocknummern<br />
wie bei den poppigen Sixties-Nummern („You’d<br />
better take care of yourself“) eine ausgesprochen gute Figur.<br />
Exzellent auch die druckvolle Produktion, für die Al Sutton<br />
verantwortlich zeichnet. Eine sehr überzeugende Kombination<br />
aus Garage, Powerpop und Rock, eine unwiderstehliche<br />
Gute-Laune-Platte ohne Schnörkel, die mich phasenweise<br />
an die famosen MUFFS erinnert. (39:04) (7)<br />
Joachim Hiller<br />
CREATURES OF THE GOLDEN DAWN<br />
An Incident At Owl Creek Bridge <strong>CD</strong><br />
gethip.com | International Artists, der Hasch- und LSDpropagierende<br />
Mischkonzern, welcher Mitte der Sechziger<br />
im Redneck verseuchten Texas Bands wie 13th FLOOR<br />
ELEVATORS oder GOLDEN DAWN auf die unbedarfte Hippie-Meute<br />
losließ, wäre stolz auf diesen Release gewesen.<br />
Furztrockene Fuzz-Gitarren, eine knarzige Stimme wie die<br />
des jungen Roky Erickson und gelegentliches leicht folkiges<br />
Jinglejangle machen hier eine Mischung, die für mindestens<br />
dreizehn Köpfchen reicht, auf. Dabei klingt es allerdings<br />
auch nicht hundertprozentig retro, auch der Geist des<br />
Paisley Undergrounds der 80er Garage-Heroes wie UNC-<br />
LAIMED oder FOURGIVEN spukt hier herum und sorgt für<br />
lysergsaure Obertöne. Kein Wunder, dass der selbst ernannte<br />
Garagenpapst Little Steven begeisterte Loblieder auf das texanische<br />
Quintett singt, denen ich mich bedenkenlos anschließen<br />
kann. (8) Gereon Helmer<br />
CHUCK NORRIS EXPERIMENT<br />
Volume! Voltage! <strong>CD</strong><br />
offthehipp.com.au | Da lassen es ein paar Skandinavier<br />
wieder mal ordentlich krachen. Aus dem Nebenprojekt<br />
<strong>von</strong> Mitgliedern diverser recht unterschiedlicher Bands<br />
(RICKSHAW, THE AWESOME MACHINE, TIAMAT, TAU-<br />
RUS), die sich mit dem CHUCK NORRIS EXPERIMENT lediglich<br />
die Zeit vertreiben wollten, ist nun wohl endgültig<br />
was Selbstständiges gewachsen: Ganz feiner punkiger Rock<br />
aus Göteborg in Schweden. Wohltuend ist vor allem, dass das<br />
ganz ohne allzu viel Gepose – wie bei verwandten Bands ja<br />
mehr als üblich – abgeht. Als Einflüsse werden, wie könnte<br />
es anders sei, AC/DC, MOTÖRHEAD, SEX PISTOLS aufgezählt,<br />
erinnern tut das Ganze streckenweise an ELECTRIC<br />
FRANKENSTEIN und ein paar richtige Hymnen (Anspieltipp<br />
„Bullshit city“) sind auch mit dabei: was soll da noch<br />
schief gehen? Merkwürdiges Detail: Mindestens drei Songs<br />
beginnen mit der Textzeile „I got myself ...“ – ansonsten aber<br />
ein durchaus abwechslungsreiches Album, das sich sowohl<br />
zum Aufpeppen eingeschlafener Partys wie für längere Autofahrten<br />
eignen dürfte. (54:49) (8) Simon Loidl<br />
COMITY<br />
As Everything Is A Tragedy <strong>CD</strong><br />
candlelightrecords.co.uk | Wenn eine Band nicht so recht<br />
weiß, welche musikalische Richtung sie einschlagen soll,<br />
kann man da<strong>von</strong> ausgehen dass es sich um Chaoscore mit<br />
Emo-Einschlag handeln könnte. Überspitzt gesagt trifft das<br />
auch in diesem Falle zu. 1996 gegründet, brauchte man fünf<br />
Jahre, um sich überhaupt auf einen Stil zu einigen, und legt<br />
nun nach einer Dekade das erste nennenswerte Lebenszeichen<br />
vor. COMITY bemühen sich hörbar um Komplexität<br />
in ihren vertrackten Post-Hardcore-Songs, und es ist löblich,<br />
dass eine Band den Spagat zwischen Grindcore-Attacken,<br />
atmosphärischen Alternative Rock-Eskapaden, Post-<br />
Hardcore neuer Schule und furchtbar unerträglichen Emo-<br />
Rumgedudel wagt, ohne sich dabei irgendeiner Zielgruppe<br />
explizit anbiedern zu wollen. Wer sich einen Mix aus<br />
BOTCH und alten ISIS mit einem Death Metal-Sänger am<br />
Mikro vorstellen kann, dürfte bei COMITY richtig liegen.<br />
Ist auf jeden Fall weitaus interessanter als die meisten Veröffentlichungen<br />
heutzutage! Uwe Kubassa<br />
CURTAINS<br />
Calamity <strong>CD</strong><br />
Asthmatic Kitty | Einmal quer durch den Pop-Kosmos<br />
geht es mit DEERHOOFs Chris Cohens Ein-Mann-Projekt<br />
THE CURTAINS, bei dem er vor allem in den 1960ern wildert<br />
und frei Schnauze Bubblegum-Pop, Beat und Soul zitiert.<br />
Mit „Calamity“ ist sein Album nicht einmal unpassend<br />
benannt, denn die bestenfalls ungelenken Ergebnisse können<br />
auch mühelos als Misere durchgehen. Im Endeffekt eiert<br />
und dengelt er sich so unbeholfen durch die glücklicherweise<br />
kurzen Songs, dass man manchmal unweigerlich<br />
an die seligen SHAGGS erinnert wird. Er bricht mit so Vielem,<br />
das man für gute Popsongs voraussetzt – Melodie, Timing,<br />
Abstimmung der Elemente untereinander, einigermaßen<br />
gerader Gesang –, dass er bestenfalls als Novelty-Act<br />
ernst zu nehmen ist. Und unter dem Gesichtspunkt entwickelt<br />
das Album tatsächlich einen kruden Charme. (31:36)<br />
(7) Christian Maiwald<br />
CRUSTIES<br />
Rats Revenge <strong>CD</strong><br />
Beer City | Sollte Milwaukee bisher eine vitale Hardcore-<br />
Szene gehabt haben, so ist das wohl an mir unbemerkt vorübergegangen.<br />
THE CRUSTIES sollen jedenfalls dieser seit<br />
Ewigkeiten angehören. Und wenn sie auch noch prototypisch<br />
für den Milwaukee-Hardcore sind, dann kann man<br />
zumindest sagen, dass man in jedem Fall einen ähnlich abgrenzbaren<br />
Wiedererkennungswert besitzt, wie NYHC oder<br />
Hardcore Bostoner Spielart. Soviel zur Theorie – in der Praxis<br />
mag man ihnen durchaus ein gewisses Fundament in Sa-<br />
<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 065<br />
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chen Hardcore zugestehen, aber es wird zusätzlich großzügig<br />
in anderen Genres gewildert. So kommt ziemlich oft der<br />
Off-Beat zum Zuge, wird mit Bläsern gearbeitet, die mitunter<br />
ins Free-Jazzige abgleiten oder die Gitarre verirrt sich<br />
in den Funk. Einige wenige Songs, wie „Eat my fuck“, sind<br />
zwar reiner Hardcore-Punk, aber bei den meisten anderen<br />
habe ich das Gefühl, man versucht etwas künstlerisch Anspruchvolles<br />
herzustellen, was irgendwie nicht zusammenpasst.<br />
Vielleicht verstehe ich diese Platte aber auch einfach<br />
nicht. Oliver Willms<br />
CLICKCLICKDECKER<br />
Nichts für ungut LP/<strong>CD</strong><br />
audiolith.net/Broken Silence | <strong>Die</strong> neue CLICKCLICKDE-<br />
CKER ist da. Endlich. Gerade rechtzeitig, zum Überleben des<br />
ausklingenden Sommers. Gerade rechtzeitig zum Beschallen<br />
des einsetzenden Herbstes. Und letztendlich auch, um einen<br />
durch den nahenden Winter zu geleiten. Einmal mehr eine<br />
kugelrunde Sache, die Kevin Hamann aka CLICKCLICKDE-<br />
CKER hier abliefert. <strong>Die</strong>se Erkenntnis überkommt einen bereits<br />
in dem Moment, in dem man das knallig bunte, wunderschöne<br />
Cover bestaunt und seine Nase einmal kurz in die<br />
Texte steckt, die im schicken Digipak, Ehrensache, komplett<br />
abgedruckt sind. <strong>Die</strong> Texte, die einen großen Teil eines jeden<br />
C<strong>CD</strong>-Liedes ausmachen, sind auch beim vorliegenden<br />
Album wieder vortrefflich. Vom Leben leben und vom zusehends<br />
Zuhören statt vom schwatzhaft Schwadronieren<br />
geprägt, trifft fast ein jeder dieser Texte auf seine eigene Art<br />
und Weise ins Schwarze. <strong>Die</strong> Musik ist wie gehabt ein wohlig<br />
weiches Kissen im Gänsehautbezug, auf dem sich das müde<br />
gelebte Hirn fantastisch für einige versöhnliche Momente<br />
zur Ruhe legen kann. Folkiger Songwriter-Pop, der seine<br />
Untergrundsozialisation niemals vergessen hat, sanft mit allerhand<br />
Facetten des Indierock zu spielen weiß und bei diesem<br />
12 Lieder langen, zweiten Langspieler <strong>von</strong> C<strong>CD</strong> sicher<br />
ein wenig mehr als vorher mit dem Elektrobaukasten spielt.<br />
Was den Songs im Einzelnen allerdings keinen Abbruch<br />
tut, im Gegenteil. <strong>Die</strong>se Songs werden derzeit <strong>von</strong> keinem<br />
deutschsprachigem Künstler (oder besser Musiker?) überboten<br />
und existieren fernab <strong>von</strong> Mainstream-Belanglosigkeit<br />
und vor allem fernab <strong>von</strong> „nicht gänzlich fabelhaft“.<br />
Nein, das hier ist keine Schlaumeierscheiße für Bauspar-<br />
Studenten, das hier ist das Leben da draußen. Das hier hat<br />
Melodie. Das hier ist einfach ehrlich und gut. Das hier, ja, das<br />
hier kann eigentlich alles. Basta. KK<br />
COSMIC PSYCHOS<br />
Off Ya Cruet! <strong>CD</strong><br />
timberyardrecods.com | Am 1. Juli legte sich COSMIC PSY-<br />
CHOS-Gitarrist Robbie Rocket nach einem Konzert schlafen<br />
– und stand nicht wieder auf. <strong>Die</strong> australische Musikszene<br />
reagierte schockiert, scheint damit doch das Ende einer<br />
legendären Band besiegelt, die mit ihrem extrem simplen,<br />
aber dafür um so durchschlagkräftigeren Zwei-Akkord-<br />
Sound ein eigenes Genre prägte, das des „Yob Rock“. Darunter<br />
versteht der Australier Rockmusik, die das Männerdasein<br />
verherrlicht, was in diesem Fall das Biersaufen mit<br />
nacktem Oberkörper inklusive Fachsimpeleien über das zu<br />
diesem Zeitpunkt mit ziemlicher Sicherheit weit entfernte<br />
weibliche Geschlecht sowie das Ausstoßen <strong>von</strong> Verdauungsgasen<br />
auf oralem wie rektalem Wege umfasst. Das mag<br />
danach klingen, als seien die COSMIC PSYCHOS stumpfe<br />
Prolls gewesen, aber das war mitnichten der Fall. <strong>Die</strong> Anfang<br />
der Achtziger nahe Melbourne gegründete Band war eine<br />
andere Form <strong>von</strong> Punkrock, die RAMONES in einer noch<br />
reduzierteren Form, mit einem Bass, der bisweilen klang, als<br />
bestünde die eine Saite aus einem ausgeleierten Unterhosengummi,<br />
dazu stoisches Drumming, gröliger Gesang und<br />
eine beißende Gitarre, die keine Zeit hatte für Solo-Ausflüge.<br />
Damit soll es nun also vorbei sein? Original-Drummer<br />
Bill, der heute in Melbourne in der AC/DC-Lane die Cherry<br />
Bar betreibt, stieg ja schon vor Jahren im Streit aus, ein<br />
gewisser Dean Muller beerbte ihn, doch nach Robbies Tod<br />
ist <strong>von</strong> der Originalbesetzung jetzt eben nur noch Sänger<br />
und Bassist Ross „Knighter“ übrig. Band- und Label-Website<br />
wurden seit Monaten nicht geupdatet, da findet sich<br />
nicht mal ein Hinweis auf Robbies Tod, und der Schock sitzt<br />
wohl noch tief. Als Robbie starb, befand sich die Band gerade<br />
auf Tour, um ihr neues Album „Off Ya Cruet!“ zu bewerben,<br />
das im März erschienen ist, aber eigentlich kaum irgendwo<br />
zu bekommen ist. Schade, denn die zehn Songs zeigen die<br />
Band erneut in Höchstform, knüpfen direkt an „Oh What<br />
A Lovely Pie“ <strong>von</strong> 1997 an, das bis dato letzte Studioalbum:<br />
simple, im Vergleich zu früher kein Stück im Tempp zurückgenommene<br />
Punkrock-Songs, mit wütend vorantreibendem<br />
Drumming und eben Ross’ markant schnarrendem<br />
Bass sowie Robbies sägender Gitarre. Keine Ahnung, ob und<br />
wie es mit den COSMIC PSYCHOS weitergeht, ein würdiges<br />
Vermächtnis ist „Off Ya Cruet“ allemal. (38:25) (8)<br />
Joachim Hiller<br />
CHEEKS<br />
Raw Countryside <strong>CD</strong><br />
Beyond Your Mind | <strong>Die</strong> <strong>CD</strong> ist schwarz, in mattem Silber<br />
lese ich 13 Songs, sie ist rund und hat ein Loch in der Mitte.<br />
Schön, oder? Sobald ich das gute Stück in meine leicht angeschlagene<br />
Anlage stopfe, beginnt die Fassade sich zu verändern.<br />
Es gibt kein Schwarz mehr, sondern eine lebendige<br />
Landschaft voller kurioser Gestalten, die auf einer mit Bier<br />
getränkten Wiese rumhüpfen. Ein paar <strong>von</strong> ihnen, im Stile<br />
der 60er Jahre gekleidet, auf ihrer Stirn steht geschrieben:<br />
Dedicated to good music. Es ist gut, ein festes Ziel vor<br />
Augen zu haben, hat Mutti immer gesagt. Einer <strong>von</strong> ihnen<br />
schwingt mit einem Tambourin rum, singt <strong>von</strong> Liebe, verwirrten<br />
und verrotteten Charakterzügen und sein linkes<br />
Bein geht auf und ab, Hand in Hand mit dem Beat. <strong>Die</strong>ser<br />
Beat fängt erst an, sich an deinen Ohrläppchen hochzunagen,<br />
beißt sich in deinem Hirn fest und zieht dann ganz mies<br />
an deinen Mundwinkeln. <strong>Die</strong> YARDBIRDS, ein Ray Davies,<br />
066 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />
die HOLLIES mit ihren mehrstimmigen Gesängen machen<br />
sich hier breit, und die CHEEKS mit ihrem Powerpop geben<br />
dem Ganzen noch mehr Adrenalin mit ihren zeitlosen, teils<br />
ernsten, teils in Hoffnung gehüllten Texten. Der Gitarrist<br />
ist nicht <strong>von</strong> diesem Planeten, die ganze Erfahrung die die<br />
Jungs aus dem Ruhrgebiet während ihres langen Daseins als<br />
Quintett gesammelt, geschnüffelt und über die Grenze eingeschleust<br />
haben, wird nun präsentiert. In Spanien ist man<br />
schon längst der Band verfallen, da sorgt die Hammondorgel,<br />
die lässige Professionalität die die Jungs live and den Tag<br />
bringen, für viel Begeisterung, ob „Honeymoon hell“ oder<br />
„Vivienne Westwood“ – welcher Be Bop A Lula-Hit auch<br />
immer – ich mag diesen Sixties Rock’n’Roll auf dieser intellektuellen<br />
Basis. Gibt’s das auch als Literatur? (9)<br />
Martha Biadun<br />
COLOUR HAZE<br />
Tempel <strong>CD</strong><br />
elektrohasch.de | COLOUR HAZE haben ja bereits mit ihren<br />
früheren Releases für Laune gesorgt, steht es doch insgesamt<br />
im deutschsprachigen Raum nicht allzu super mit allem,<br />
was man so als Stoner bezeichnet. Obwohl mir beim<br />
Hören eigentlich ständig das Wort „Krautrock“ im Kopf herumschwirrt;<br />
klar, das eine oder andere fette Riff findet sich,<br />
manche Passage erinnert sogar etwas zu sehr an schon bei<br />
KYUSS Gehörtes. Aber da ist dann dieses minutenlange Gefiedel,<br />
diese langsam daherplätschernden Teile, die dann in<br />
drogenverseuchte über wabernde Hammondorgeln gelegte<br />
Gitarrensoli übergehen – das erinnert mich dann doch zu<br />
sehr an bekifftes POPOL VUH-Hören mit 17. Aber dass das<br />
schlechte Erinnerungen sind, dafür können die technisch<br />
einwandfreien und 1A-produzierten COLOUR HAZE nun<br />
wirklich nichts. 48:24 (7) Simon Loidl<br />
CRIME IN CHOIR<br />
Trumpery Metier <strong>CD</strong><br />
GSL | So was macht sich unter Sales-Points natürlich hervorragend,<br />
„founding members of AT THE DRIVE-IN“, genauer<br />
gesagt deren Gitartist Jarrett Wrenn und Keyboarder<br />
Kenny Hopper, die mit „Trumpery Metier“ ihr bereits drittes<br />
Album eingespielt haben. Auch bei CRIME IN CHOIR<br />
geht es progrockig zu, allerdings eher in die Richtung <strong>von</strong><br />
ZOMBI, die auf ähnliche Weise an GOBLIN und PINK FLO-<br />
YD erinnernden 70er Bombast- und Krautrock in die Neuzeit<br />
transportieren konnten. Also kein nerviges Gefrickel<br />
wie bei MARS VOLTA, sondern straighter, voluminöser und<br />
treibender Instrumental-Rock mit einem dichtem Sound<br />
aus überdrehten Keyboards und unendlichen Gitarrensoli.<br />
Alles sympathisch over the top, ohne allerdings dabei zur<br />
Selbstparodie zu werden. Und zwischen dem ganzen breakreichen<br />
Mathrock gibt es auch immer wieder herrliche Melodien,<br />
und das alles geschmackvoll abgeschmeckt. Produziert<br />
hat die Platte Tim Green, was schon mal nicht schlecht<br />
sein kann, aber auch dessen FUCKING CHAMPS-Kumpel<br />
Tim Soete ist hier dabei, ebenso wie THE MASS-Saxophonist<br />
Matt Waters. Schöne Platte, auch wenn ich in Sachen<br />
Unterhaltungswert ZOMBI den Vorzug gebe. (7)<br />
<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
CHANNELS<br />
Waiting For The Next End Of The World <strong>CD</strong><br />
dischord.com | Vor zwei Jahren veröffentlichte Desoto Records<br />
„Open“, die Debüt-EP der CHANNELS, deren sechs<br />
Songs mich uneingeschränkt begeisterten. Mit „Waiting ...“<br />
ist nun das erste Album des Trios aus Washington, D.C. erschienen,<br />
dessen Besetzung seit der Gründung 2003 stabil<br />
gebelieben ist: J. Robbins, Ausnahmeproduzent und einst bei<br />
JAWBOX und dann bei den wundervollen BURNING AIR-<br />
LINES, spielt Gitarre und teilt sich den Gesangspart mit Bassistin<br />
Janet Morgan, und Darren Zentek, den man auch <strong>von</strong><br />
seiner Zeit bei KEROSENE 454 kennt, trommelt. Angeblich<br />
war einst eine gemeinsame Vorliebe für SIOUXSIE & THE<br />
BANSHEES, JESUS LIZARD und XTC der Grund, weshalb<br />
man meinte, es zusammen in einer Band aushalten zu können,<br />
doch an welchen Stellen da<strong>von</strong> bei diesem Album etwas<br />
hört, ist eine Sache spitzfindigen Musiker-Nerdismus’.<br />
Für mich ist angesichts <strong>von</strong> J. Robbins markanter Stimme<br />
und seinem eigenwilligen Gesangsstil, seiner unverkennbaren<br />
Produktionshandschrift der rote Faden <strong>von</strong> JAWBOX<br />
über BURNING AIRLINES hin zu CHANNELS viel klarer erkennbar,<br />
und so ist „Waiting ...“ unterm Strich ein wunderschönes,<br />
stilistisch aber nie überraschendes Album aus der<br />
altbekannten Dischord-Schule, und wer immer aus Überzeugung,<br />
Neugier oder schlichter Begeisterung noch jede<br />
Platte aus diesem Kontext erstanden hat, wird auch hier begeistert<br />
sein. (42:26) (8) Joachim Hiller<br />
CASUALITIES<br />
Under Attack LP/<strong>CD</strong><br />
sideonedummy.de/Cargo | Manischer Gesang, fette Chöre<br />
und eine Lkw-Ladung Hass frei Haus, das alles super dick<br />
produziert. Hierbei handelt es sich um das neue, sechste, Album<br />
der CASUALITIES: „Under Attack“. <strong>Die</strong> CASUALITIES<br />
liefern hier eine Hymne nach der anderen ab, absoluter Mitgrölfaktor.<br />
Ehrlich gesagt, sind mir die erfolgreichen CASU-<br />
ALITIES bisher ziemlich am Arsch vorbei gegangen, empfand<br />
ich doch die Attitüde zu plump oder die Fans zu eitel,<br />
vielleicht beides. <strong>Die</strong>ses Album macht bei der Auseinandersetzung<br />
mit dem selbigen auf jeden Fall Spaß. <strong>Die</strong> Chöre<br />
könnten auch aus einem DROPKICK MURPHYS-Song<br />
stammen, dazu der sich fast überschlagende Gesang vom<br />
Leadsänger Jorge und die Musik, die so auch <strong>von</strong> BLITZ gespielt<br />
worden sein könnte. Produziert wurde das Ganze <strong>von</strong><br />
BLACK FLAG- und DESCENDENTS-Mitglied Bill Stevenson<br />
und trotz der sehr sauberen Produktion kommen die CA-<br />
SUALITIES nicht glatt rüber. Ein Minuspunkt ist jedoch, dass<br />
mal wieder ein Textblatt fehlt, hätte mich doch sehr interessiert,<br />
was die Band so dermaßen ankotzt. (30:04) (7)<br />
Dennis Bruns<br />
CELEBRITY PILOTS<br />
Beneath The Pavement, A Beach! <strong>CD</strong><br />
Sunkentreasure.org | Hinter den CELEBRITY PILOTS verbirgt<br />
sich ein gewisser Chris Sheehan, der auch als Keyboarder<br />
mit Bob Pollard <strong>von</strong> GUIDED BY VOICES auf Tour war,<br />
wobei der ja inzwischen diesen Bandnamen zu den Akten<br />
gelegt hat. Sheehans Songs gehen durchaus in eine ähnliche<br />
Richtung, BEATLES’eske Popsongs mit verspielter Instrumentierung,<br />
allerdings weniger rockig als bei Pollard.<br />
Sheehan präsentiert sich dabei als durchaus kompetenter<br />
Songwriter, auch wenn er sich oft in allzu süßlichen harmonischen<br />
Sphären bewegt, die „Beneath the Pavement,<br />
A Beach!“ zu einem durchaus angenehmen, aber auch etwas<br />
glatten Hörvergnügen machen. Unter dem Strich bleibt<br />
nicht viel hängen, außer dem Gefühl, gerade ein paar hübschen,<br />
geschmackvoll instrumentierten Melodien gelauscht<br />
zu haben, <strong>von</strong> einem in jedem Fall talentierten Musiker. (5)<br />
<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
CATFISH HAVEN<br />
Tell Me <strong>CD</strong><br />
secretlycanadian.com | Vor gar nicht langer Zeit hatte ich<br />
mein Review der EP „Please Come Back“ mit den Worten<br />
„da heißt es jetzt schon gespannt sein auf die nächste Veröffentlichung“<br />
abgeschlossen. Nun, das neue Album ist jetzt<br />
da, und ich muss sagen, dass man sich da vielleicht ein wenig<br />
mehr Zeit hätte lassen sollen. Das Album hat eine große<br />
Schwäche, und wenn diese einem erst einmal aufgefallen<br />
ist, dann kann man sie auch nicht mehr ignorieren: Alle<br />
Lieder sind musikalisch und gesanglich unglaublich repetitiv.<br />
Nichts Ungewöhnliches eigentlich, warum das ausgerechnet<br />
hier so störend wirkt, kann ich gar nicht erklären.<br />
(38:40) Myron Tsakas<br />
DUESENJAEGER<br />
Schimmern LP/<strong>CD</strong><br />
Go-Kart/Rough Trade | Wow, bereits der Opener<br />
überzeugt mich. Wollte ich doch mit Vorurteilen<br />
beladen noch vor dem Hören der neuen Platte<br />
des Osnabrücker Vierers, meiner Sache völlig si-<br />
D<br />
cher, behaupten, dass mich DUESENJAEGER nicht<br />
mehr so zu begeistern wissen, wie sie es noch mit<br />
ihren zwei ersten 7“-Platten zu tun vermochten. Verloren<br />
geglaubt hatte ich die ungestüme Art, mit der sie damals zu<br />
Werke gingen. Doch weit gefehlt ... Erneut und zielsicher<br />
wie eh und je textet Herr <strong>Neumann</strong> gerade kryptisch genug,<br />
um eigenen Interpretationen in seinen Texten Luft zu lassen<br />
und in der hohen Kunst der Wortmalerei ist er mir seit<br />
je her einer der Liebsten seiner Zunft. Reime, die Hooklines<br />
par excellence ermöglichen und die zweistimmigen Passagen<br />
erst so richtig in das Ohr des Zuhörers kriechen lassen,<br />
finden sich zu Hauf, ebenso wie resigniert und wütend klingende<br />
Sprechgesangeinlagen. Der überwiegend im Midtempo<br />
gereichte Punkrock kommt sehr pointiert daher und<br />
das perfekte Zusammenspiel der Instrumente füllt die Löcher,<br />
in denen Fragen nach fehlendem Ideenreichtum liegen<br />
könnten. Der MUFF POTTER-Vergleich hinkt meiner<br />
Ansicht nach ein wenig, auch wenn sich natürlich hier und<br />
da Parallelen, vor allem in der Gitarrenarbeit, ausmachen<br />
lassen. Was einen aber nicht weiter verwundern muss, bewegen<br />
(oder bewegten?) sich beide Bands doch im gleichen<br />
Genre: deutschsprachiger Punkrock mit Herz und Verstand<br />
und mit Knüppel aus dem rhetorischen Sack, statt in der<br />
mit Parolen verschmierten Tasche. Auch DUESENJAEGER,<br />
Hand in Hand mit PASCOW, TURBOSTAAT, DIE ROTE SU-<br />
ZUKI, BOXHAMSTERS, GRAF ZAHL, TREND und vielen anderen<br />
mehr, werden weiterhin dafür sorgen, dass deutscher<br />
Punk bei eingehenderer Betrachtung weitaus besser und<br />
vor allem anspruchsvoller ist als sein gemeinhin schlechter<br />
Ruf. Eine wundervolle, sehr homogene Platte, die den Anspruch<br />
hat, kein Geschwafel oder gar Besserwissereien aufzunötigen,<br />
sondern Veränderungen und Beobachtungen aus<br />
dem eigenen Leben und dem Leben derer, die einen umgeben,<br />
heraus zu schreien, festzustellen oder auch einfach<br />
mal in den Raum zu werfen. Immer in der Hoffnung, dass<br />
es jemanden gibt, der bereitwillig zuhört, sich in den Kontext<br />
der einzelnen Lieder hinein zu fühlen gewillt ist oder<br />
sie einfach nur mag und sich gerne anhört. Applaus hierfür.<br />
Mission erfüllt, DUESENJAEGER! KK<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
DIAMOND DOGS<br />
Up The Rock <strong>CD</strong><br />
smilodon.se/Soulfood | <strong>Die</strong> DIAMOND DOGS ohne ihren<br />
Chef? Im Line-up taucht Bobby Lee Fett, der ja nebenberuflich<br />
bei den HELLACOPTERS die Tasten bedient, jedenfalls<br />
nicht mehr auf.<br />
<strong>Die</strong> bandeigene Homepage<br />
vermeldet nur ein<br />
kurzes „on holiday“. Egal,<br />
es geht auch ohne ihn,<br />
was aber auch nicht weiter<br />
verwundert, schließlich<br />
spielen bei den Dogs<br />
altgediente Veteranen des<br />
schwedischen Punkrocks,<br />
die nun wirklich niemandem<br />
mehr was beweisen<br />
müssen. Und so<br />
hört sich „Up The Rock“<br />
dann auch an: entspannt-knarziger Kneipenrock der Marke<br />
SMALL FACES, mit reduzierten Gitarren und einem klapprigen<br />
Honky Tonk, das ein ums andere mal den Ton angibt.<br />
Das ganze noch mit Handclaps und souligen Backgrounds<br />
untermalt und <strong>von</strong> <strong>Thomas</strong> Skogsberg gekonnt in Szene gesetzt<br />
und fertig ist ein Album, das genauso gut reinläuft wie<br />
ein kühles Bier nach Feierabend. (39:42) (6) Ingo Rothkehl<br />
HEATHER DUBY<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
Sonic Boom/Cargo | Heather Dubys letztes Album hatte ich<br />
zwar erst vor vier Ausgaben besprochen, eigentlich stammte<br />
die Platte bereits <strong>von</strong> 2003, wurde aber hierzulande erst<br />
verspätet veröffentlicht. <strong>Die</strong>se unbetitelte Platte ist aber jetzt<br />
tatsächlich mal ein wirklich neues Werk, wo Duby erneut<br />
einige ganz traumhafte Elektropop-Nummern mit folkigem<br />
Charme eingespielt hat, die diesmal mit recht kräftigen<br />
Beats aufwarten. Eine schöne Mischung aus synthetischen<br />
Klängen und klassischem Pop, mit Cello und Keyboard<br />
instrumentiert, ätherischer Indie-Dreampop, der nie<br />
unterkühlt klingt und dem gerade durch Dubys ausdrucksstarkem<br />
Gesang in emotionaler Hinsicht eine individuelle<br />
Dramaturgie gelingt. Wie „Come Across The River“ wurde<br />
auch diese Platte wieder <strong>von</strong> Steve Fisk produziert, dem erneut<br />
ein faszinierend transparenter Sound gelang, wo trotz<br />
größtmöglicher Dichte jedem Instrument genügend Raum<br />
bleibt und man manchmal das Gefühl hat, ein kleines Kammerorchester<br />
wäre hier beteiligt gewesen, so dass man das<br />
mit der LoFi-Ästhetik diesmal getrost streichen kann. (7)<br />
<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
DRUGSTORE COWBOYS<br />
Chapter 3006 <strong>CD</strong><br />
Lujo | Nicht zu verwechseln mit den Rock’n’Rollern gleichen<br />
Namens, spielt das Duo aus Washington astreinen Discopunk,<br />
der sich ohne Wave-Anleihen hauptsächlich bei<br />
Industrial und Digital Hardcore bedient. Das heißt: Viele<br />
Soundflächen, düstere Samples und scheppernde Drums,<br />
dazu hauptsächlich cleaner Gesang, hier mal ein LOCUSTmäßiger<br />
Ausbruch, da hochtanzbare Beats. Auch wenn das<br />
Soundgewusel manchmal kein homogenes Ganzes ergeben<br />
will und ich manche Sounds einfach nicht mag – ich<br />
sage nur Handclaps und E-Piano – bleiben die DRUGSTORE<br />
COWBOYS doch immer eigenständig und gehen manchmal<br />
sehr gut ins Ohr – und in die Beine. (37:47) (6)<br />
Christian Maiwald<br />
SPENCER DICKINSON<br />
The Man Who Lives For Love <strong>CD</strong><br />
Yep Roc/Cargo | <strong>Die</strong> BLUES EXPLOSION scheint wohl<br />
gerade auf Eis zu liegen und Mr. Spencer hatte sich ja bereits<br />
mit HEAVY TRASH ein neues Vehikel für seinen kreativen<br />
Output geschaffen,<br />
auch wenn das musikalisch<br />
in eine etwas andere<br />
Richtung ging. Und<br />
jetzt überrascht uns der<br />
Mann mit einer Platte,<br />
die die BLUES EXPLOSI-<br />
ON vielleicht nicht überflüssig<br />
macht, aber deren<br />
letzte Platten fast etwas<br />
blass aussehen lässt. Eingespielt<br />
zusammen mit Luther<br />
und Cody Dickinson<br />
<strong>von</strong> den NORTH MISSIS-<br />
SIPPI ALLSTARS, den Söhnen <strong>von</strong> Memphis-Musiker/Produzenten-Legende<br />
Jim Dickinson, der schon mit den FLA-<br />
MIN’ GROOVIES, BIG STAR, Screamin’ Jay Hawkins, RE-<br />
PLACEMENTS, ROLLING STONES und einigen anderen gearbeitet<br />
hat, und der diese Platte auch produzierte. Aufgenommen<br />
in Memphis in Dickinsons Zebra Ranch Studio,<br />
laut Spencer bei Arscheskälte, weshalb man eben ein Feuer<br />
anderer Art entfachen musste. Das war allerdings schon<br />
im Jahr 2001, nur erschien die Platte da auf einem kleinen<br />
Label in Japan, und wurde erst jetzt in den Staaten aufgelegt,<br />
wo die ursprünglichen 12 Songs durch sieben weitere<br />
ergänzt wurden. Angesichts dieser großartigen, dreckig<br />
rockenden und groovenden Blues-Songs vollkommen unverständlich,<br />
dass diese herrliche Platte bisher nur den Japanern<br />
vorbehalten blieb. Auch wenn die Bonustracks vielleicht<br />
etwas schwächer ausgefallen sind, darunter allerdings<br />
der sehr schöne Titeltrack, aber auch das mit knapp elf Minuten<br />
arg in die Länge gezogene Blues-Epos „I’m so alone“,<br />
ist „The Man Who Lives For Love“ ein mehr als erfreulicher<br />
Ersatz für eine neue BLUES EXPLOSION-Platte, auch wenn<br />
die Aufnahmen schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben.<br />
(9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
DRY KILL LOGIC<br />
Of Vengeance And Violence <strong>CD</strong><br />
Repossession | Wie soll man anfangen zu schreiben, wenn<br />
man sich einerseits total freut über das dritte Album einer<br />
ungewöhnlichen Band und sich aber auf der anderen Seite<br />
eingestehen muss, die Band seit ihrem 2004er Release „The<br />
Dead And Dreaming“ gar nicht mehr auf dem Schirm gehabt<br />
zu haben? Sogar die kürzlich erschienene EP „The Magellan<br />
Complex“ ist ungehört an mir vorbei gezogen. Umso schöner,<br />
dass mir nun die Vorabversion des kommenden Albums<br />
vorliegt und ich Versäumtes wieder gut machen kann. 13<br />
Songs stark gibt sich das neue Album und eines wird schon<br />
beim ersten Hördurchlauf klar. Hier hat sich einiges verändert.<br />
DKL haben den Härtegrad weiter nach oben gedreht,<br />
vergessen dabei aber nie den Hang zur Melodie und bauen<br />
eine ganz eigene, intensive Dynamik in jeden einzelnen<br />
Song auf eine andere Art und Weise ein. Hier entladen sich<br />
14 Jahre Bandgeschichte geballt auf einer <strong>CD</strong> und werfen<br />
den Hörer zwischen Begeisterung, Melodramatik und Härte<br />
hin und her. Egal ob nun das kraftvolle „My dying heart“,<br />
das eher schleppend und vom Schlagzeug getragene „Caught<br />
in a storm“ oder einer meiner Favoriten „Dead mans eyes“,<br />
bis hin zur Powerballade „Kingdom of the blind“. Das ist gekonntes<br />
Handwerk mit ganz eigenem Charakter, der vielen<br />
Bands heutzutage leider abgeht. Für alle Fans der Band sowieso<br />
ein Pflichtkauf, und für den Rest ergeht meine unbedingte<br />
Hörempfehlung. (52:50) (9) Tobias Ernst<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 66 22.09.2006 20:51:01 Uhr
DESINTEGRATED<br />
New Born Strength <strong>CD</strong><br />
desintegrated.de | Ursprünglich als Death Metal-Band gegründet,<br />
spielen die Berliner DESINTEGRATED inzwischen<br />
sehr Oldschool-lastigen Hardcore. Fünf reguläre Songs bietet<br />
„New Born Strength“ und obendrein noch mal fünf<br />
Live-Performances. <strong>Die</strong> regulären Songs gehen eigentlich in<br />
Ordnung, auch wenn man der Band den Proberaumstatus<br />
noch anhört. <strong>Die</strong> Richtung stimmt zumindest. Was die Livesongs<br />
angeht, kann ich nur hoffen, dass nur die Aufnahmequalität<br />
so schlecht ist, denn falls die Jungs wirklich so übel<br />
<strong>von</strong> der Bühne runterschallen, wie das hier aus den Boxen<br />
kommt, dann ist es mit der Karriere aber noch ein weiter,<br />
steiniger Weg. 5 Punkte für die regulären Sachen, die Live-<br />
Angelegenheit kehren wir hier punktetechnisch besser mal<br />
unter den Teppich. (26:53) (5) Tobias Ernst<br />
DIE PRINCESS DIE<br />
Lions Eat Lions <strong>CD</strong><br />
goldstandardlabs.com | Eine der derzeit größten Bedrohungen<br />
für die etablierte Musikindustrie geht <strong>von</strong> einem<br />
geheimen Untergrundlabor in Los Angeles aus, dessen irre<br />
Wissenschaftler konsequent<br />
verstörend-geniale<br />
Releases <strong>von</strong> einer Qualität<br />
freisetzen, die 99,9<br />
Prozent des Craps, den die<br />
Majors auf die Welt loslassen,<br />
bei einer direkten<br />
Berührung sofort vernichten<br />
würde. Aktuellste<br />
Kreation sind DIE PRIN-<br />
CESS DIE, denen Cheflaborant<br />
Alex Newport die<br />
äußere Erscheinung eines<br />
aus San <strong>Die</strong>go stammenden<br />
Quartetts gab. Das Rohmaterial wurde vom 2003<br />
in die Welt gesetzten titellosen Debüt übernommen, und jenes<br />
ist unter denkbar günstigsten Umweltbedingungen entstanden,<br />
unter Einfluss etwa <strong>von</strong> THE LOCUST, DRIVE LIKE<br />
JEHU, CLIKATAT IKATOWI oder THREE MILE PILOT. „Lions<br />
Eat Lions“ ist ein unglaublich direktes, dramatisches Album<br />
zwischen etabliertem Noiserock, Dancepunk und bombastischem<br />
Progrock. Hier treffen STATISTICS auf ATARI<br />
TEENAGE RIOT, SUPERSYSTEM auf THE RAPTURE, MARS<br />
VOLTA auf DRIVE LIKE JEHU – und live ist der Vierer wohl<br />
die absolute Macht, so zuschauerfreundlich wie eine entsichert<br />
herumrollende Handgranate. Killer-Album zwischen<br />
Tribal-Rhythmen und Techno-Beats, Hardcore-Blasts und<br />
Psychedelic-Noise. Angesichts des enttäuschend schwachen<br />
neuen RAPTURE-Albums habe ich jedenfalls schon eine<br />
vorzügliche Alternative zur Hand ... (28:37) (9)<br />
Joachim Hiller<br />
DRUGS OF FAITH<br />
s/t M<strong>CD</strong><br />
selfmadegod.com | Acht Lieder in 15 Minuten runterzuballern<br />
kann eigentlich nur für eine ganz bestimmte Musikrichtung<br />
sprechen. Doch erstaunlicherweise schafft es das<br />
Trio seinem grindigen Metal eine ordentliche Ladung rotzigen<br />
Punkrock draufzupacken und hebt sich somit positiv<br />
vom Einheitsbrei ab. Trotz der Hardcore-lastigen Shouts ist<br />
man zum Glück meilenweit da<strong>von</strong> entfernt, es einigen trendigen<br />
Metalcore-Kapellen gleichzutun, vielmehr transportiert<br />
man eine oldschoolige, angepisste Attitüde in den kurzen<br />
Nackenbrechern. Trendfreier, kurzweiliger Grindpunk<br />
für Zwischendurch, der Bock auf mehr macht. Uwe Kubassa<br />
DEAD FISH<br />
Zero E Um <strong>CD</strong><br />
deckdisc.com.br | DEAD FISH kommen aus Brasilien, singen<br />
auf Portugiesisch und bewegen sich musikalisch zwischen<br />
Hardcore und Punkrock, hymnischen Midtempo-<br />
Stücken und knackigen Brettern, richtig groovigen Teilen<br />
und ein bisschen Skatepunk, wobei die Lieder stets ziemlich<br />
melodisch gehalten sind. Der Gesang erinnert ein bisschen<br />
an MILLENCOLIN, klingt aber trotzdem eigenständig<br />
und passt sowohl zu den melodischen als auch zu den etwas<br />
härteren Stücken. Ich würde die Lieder verdammt gerne auf<br />
der nächsten Party mitgrölen, aber dazu muss ich wohl leider<br />
erst Portugiesisch lernen. Alles in allem hat mich die<br />
Platte vom ersten Ton an mitgerissen, ist abwechslungsreich<br />
und Bands aus „exotischen“ Ländern interessieren mich sowieso.<br />
Mein einziger, ganz persönlicher Minuspunkt ist, dass<br />
ich es in der Regel noch etwas dreckiger und rauher mag.<br />
(36:37) (8) Tobias Weber<br />
DAMAGE CASE<br />
Tyranny <strong>CD</strong><br />
punkcore.com | DAMAGE CASE aus Dallas, Texas liefern<br />
hier ihr Gesellenstück ab, ein Mischwesen aus Hardcore und<br />
Punk mit vereinzelten Metal-Einflüssen. <strong>Die</strong> Stimme beschäftigt<br />
mich jetzt schon eine ganze Weile, kommt mir total<br />
bekannt vor, relativ hoch und melodisch, trotzdem aggressiv,<br />
nach stundenlangem Grübeln kommen mir alte AFI<br />
in den Sinn und ich glaube, das passt. DAMAGE CASE haben<br />
nicht nur ihren Namen MOTÖRHEAD entliehen, sondern<br />
auch deren Chefgrafiker Joe Petagno für ihr Debüt „Tyranny“<br />
engagiert. Und so wie das Artwork ist auch der Rest des<br />
Albums absolut gelungen, ich hoffe da kommt noch mehr.<br />
(28:19) (7) Dennis Bruns<br />
DISILLUSION<br />
Gloria <strong>CD</strong><br />
metalblade.de | Ziemlich bombastisch, was da aus den Boxen<br />
kommt. Mit einer ordentlichen Ladung Pathos und<br />
Hang zu theatralischen Hymnen fegt einem das Trio eine<br />
orchestrale Dampfwalze nach der anderen um die Ohren<br />
und gibt sich dabei vorzugsweise unterkühlt – was keinesfalls<br />
negativ zu bewerten sein soll, sondern dem Ganzen<br />
noch einen verrucht-jazzigen Charme verleiht. Sehr progressiv<br />
gehen die Herren Musiker auf ihrem zweiten Longplayer<br />
zu Werke, wobei sie ein geübtes Gehör für recht abstrakte<br />
Harmonien an den Tag legen und dabei eine wahre<br />
Wall of Sound entfachen. Nicht unbedingt Material für<br />
den Durchschnittsmetaller, da die Kompositionen durchaus<br />
mehrere Durchläufe benötigen, um vollends in den Genuss<br />
dieser wirren Metal-Oper zu kommen. Für mich persönlich<br />
die Überraschung dieser Ausgabe! Uwe Kubassa<br />
DEEN<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
thedeen.net | Stoner-Rock nach dem Baukastenprinzip<br />
scheint sich immer noch einer recht großen Beliebtheit zu<br />
erfreuen. Auch THE DEEN versuchen zu beweisen, dass man<br />
Uninspiriertheit mit einem Wall of Sound wettmachen<br />
kann. Leider gelingt ihnen das während der sieben Stücken<br />
eher selten. Zugegeben, es könnte schlimmer kommen, und<br />
Stücke wie „For my wasted years“ oder „You never know“<br />
machen auch irgendwie Spaß, aber selbst das vermag nicht<br />
darüber hinweg täuschen, wie ausgelutscht sämtliche enthaltenen<br />
musikalischen Ideen im Endeffekt sind. Fairerweise<br />
sollte ich erwähnen, dass die Band mit ihrer Musik noch<br />
weit über dem Durchschnitt liegt. Nichtsdestotrotz, ich<br />
möchte in einem Info nie wieder Sätze wie „In den Wagen<br />
einsteigen, Gas geben und mit einem langen Staubschweif<br />
durch die Wüste brettern“, lesen müssen. (26:43) (5)<br />
Lars Koch<br />
DERITA SISTERS<br />
Real Punks Eat Meat <strong>CD</strong><br />
Trash2001.de | Yeah, die drei Typen aus Los Angelas sind so<br />
genial, da fehlen einem die Worte. Zieht euch einfach mal<br />
die Fakten rein: die Band gibt es seit 1992, bis jetzt hat man<br />
20 Alben rausgebracht, in Worten: zwanzig! Und an die-<br />
ser EP kann ich leider keinerlei Verschleiß feststellen. Nicht<br />
umsonst steht auf der Bandhomepage: „The band that refused<br />
to die“. Hier gibt es richtig guten 77-Punkrock mit<br />
Texten, die ans Eingemachte gehen. Songs wie „Fuck myspace“<br />
oder „Wheelchair race“ sind da Paradebeispiele. Auf<br />
der Rückseite wird das Maximum RNR zitiert: „I wish these<br />
guys would get killed in a van accident“. Total geile Scheibe,<br />
kann ich jedem wirklich nur ans Herz legen. Veganer und<br />
Vegetarier natürlich ausgeschlossen, denn nur „Real punks<br />
eat meat“. (8:13) (8) Paul Tackenberg<br />
DERANGED MAD ZOMBIES<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
shocker-europe.com | Das kommt einem aber doch irgendwie<br />
bekannt vor, oder? Und richtig, bei genauerem<br />
Studieren der ersten <strong>CD</strong> der DERANGED MAD ZOMBIES erkennt<br />
man nicht nur in der Label-Gleichheit Parallelen zu<br />
BALZAC. Irgendwoher hat der gemeine Horrorpunk-Fan<br />
das doch schon mal gehört. Natürlich bei BALZAC, denn die<br />
DERANGED MAD ZOMBIES sind eben diese BALZAC, die<br />
sich scheinbar gerne mal ein Spaß daraus machen, ihre Fans<br />
zu irritieren und hinters Licht zu führen. Also wurde diese<br />
<strong>CD</strong>, bei der acht altbekannte BALZAC-Stücke in neuem,<br />
wesentlich krachigerem und trashigerem Gewand eingespielt<br />
wurden, unter anderem Namen herausgebracht. Kein<br />
Schwein interessierte sich in Japan für die Veröffentlichung,<br />
bis das Geheimnis gelüftet wurde, wer sich hinter den DE-<br />
RANGED MAD ZOMBIES verbirgt, schon gingen die <strong>CD</strong> weg<br />
wie geschnitten Brot. Der Beweis für die Notwendigkeit <strong>von</strong><br />
Namedropping zum guten Verkauf eines Albums, war somit<br />
erbracht. Damit aber auch wir hier in der alten Welt in den<br />
Genuss dieser <strong>CD</strong> kommen, hat Shocker-Europe nun einige<br />
da<strong>von</strong> importiert. Ranhalten also, und sich später über eine<br />
tolle japanische Rarität freuen. (29:42) (6) Abel Gebhardt<br />
DÖDELSÄCKE<br />
Herren Gedeck <strong>CD</strong><br />
nix-gut.de | Schrammel, Schreien, Schottenröcke und<br />
Schdudelsäcke. Wer das Saxophonsolo Fred Madisons in<br />
„Lost Highway“ kennt, wird Parallelen zum Dödel-Dudelsackspiel<br />
entdecken. Ich wusste gar nicht, dass man mit diesem<br />
Instrument so viel falsch machen kann. Irgendwo im<br />
Hintergrund singt auch jemand über <strong>CD</strong>U und Junge Union,<br />
fette Deutsche und Telefonterror. Das Glück der Säcke:<br />
Live und betrunken geht auch jeder noch so schiefe Dudelsack<br />
mit der Tin Whistle. Und lange durchgehalten haben<br />
die mittlerweile sechs Mitglieder der DÖDELSÄCKE seit<br />
1988, dafür ein klein wenig Respekt meinerseits. „Herren<br />
Gedeck“ wird diesen jedoch nicht bekommen. (47:44) (3)<br />
Katrin Schneider<br />
DAUGHTERS<br />
Hell Songs M<strong>CD</strong><br />
hydrahead.com/Indigo | Ich hänge dem Glauben an, dass<br />
es für jede Tageszeit die passende Platte gibt, und für jede<br />
Platte die passende Tageszeit. Im Falle der DAUGHTERS, die<br />
auch schon mal mit THE LOCUST, BLOOD BROTHERS und<br />
DILLINGER ESCAPE PLAN verglichen wurden und vor zwei<br />
Jahren eine EP via Robotic Empire respektive Reflections<br />
veröffentlichten, ist diese Tageszeit der späte Abend, wenn<br />
man sich in vertrauter Runde mittels Genuss harter Alkoholika<br />
in einen schön aggressiven Zustand versetzt hat und so<br />
richtig schön auf Ärger, Gewalt und auch etwas Selbstqual<br />
aus ist. Warum also immer nur MELT BANANA oder CON-<br />
VERGE auflegen, wenn auch DAUGHTERS zur Hand sind?<br />
<strong>Die</strong> besorgen es einem mal wieder so richtig, sind, in 23:08<br />
sind die zehn Songs auch schon wieder durch (das sechsminütige<br />
„Cheers pricks“ versaut den Durchschnitt), und<br />
wer seinen eigenen Output schon mit dem Begriff „Hell<br />
Songs“ belegt, hat nicht unbedingt Jammer-Emo im Sinn.<br />
Mike Patton hätte hieran jedenfalls sicher auch seine helle<br />
Freude, Ipecac wäre eine mindestens genauso gut passende<br />
Homebase gewesen wie Hydra Head, und die Kombination<br />
aus nur sekundenschnell aufblitzenden Blastbeats, Maschinengewehrsalven<br />
gleichenden Gitarrenriffs, irrer NOME-<br />
ANSNO-Rhythmuswechsel und auch mal messerscharfen<br />
Bläsereinsätzen nebst verzweifeltem Hysteriegesang kann<br />
ganz schön fordernd rüberkommen. Kein Soundtrack für<br />
ein gemütliches Frühstück zu zweit ... (23:08) (7)<br />
Joachim Hiller<br />
DAMO SUZUKI’S NETWORK<br />
Suomi 2<strong>CD</strong><br />
Damo’s Network/Indigo | Nicht die erste <strong>CD</strong> der Serie <strong>von</strong><br />
Liveplatten des ehemaligen CAN-Sängers Kenji „Damo“ Suzuki,<br />
die ich hier bespreche, der 1970 in München quasi<br />
auf der Straße <strong>von</strong> Holger Czukay und Jaki Liebezeit entdeckt<br />
wurde – so sagt man jedenfalls –, um dann irgendwann<br />
CAN als überzeugter Zeuge Jehovas zu verlassen. Seit<br />
Mitte der 80er macht Suzuki wieder gezielt Musik, vor allem<br />
live, was er seit 1998 mit seinem Label Damo’s Network<br />
eben auch auf <strong>CD</strong> bannt. <strong>Die</strong>smal sind es zwei unterschiedliche,<br />
im Jahr 2002 in Finnland aufgenommene Konzerte.<br />
Während die in Turku aufgenommene Disc Suzuki eher <strong>von</strong><br />
seiner nervös rockigen Seite zeigt, ist gerade die in Helsinki<br />
aufgenommene zweite Disc die größere musikalische Überraschung,<br />
ein sich hypnotisch-monoton steigernder Acid<br />
Rock, der auch schon mal knapp 17 Minuten dauern kann,<br />
was zu dieser Art Musik aber einfach passt. Sowieso lässt sich<br />
Suzukis Musik schlecht <strong>von</strong> der seiner alten Band trennen,<br />
auch wenn diese vielleicht eher versucht hat, den Sprung<br />
in die Moderne zu schaffen, vor allem bei deren Solo-Aktivitäten.<br />
Suzuki steckt doch deutlich in den 70ern fest,<br />
hat diesen Improvisations-Rock-Sound aber so kultiviert,<br />
dass man eher über dessen Zeitlosigkeit staunt, als hier fiese<br />
Althippie-Tendenzen zu bemängeln. Ein weiteres schönes<br />
Puzzle in Suzukis offen gehaltenem künstlerischen Konzept,<br />
mit ständig wechselnden Musikern einen weit reichenden<br />
musikalischen Dialog zu suchen. (8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
DIE IS CAST<br />
Journey <strong>CD</strong><br />
millipederecords.com/planerecords.de | Schau an, schau<br />
an! Das Ruhrgebiet bringt ja richtig gute Bands hervor. Genauer<br />
gesagt, ist es in diesem Fall der Kreis Recklinghausen,<br />
der THE DIE IS CAST hervorgebracht hat. Der Name<br />
klingt schon irgendwie nach Emo-Institution aus Übersee,<br />
die Musik kann da sogar mithalten. Ich sage, hier lohnt es<br />
sich ein Ohr zu riskieren, anstatt angesichts des Three-Letter-Words<br />
„Emo“ die Flucht zu ergreifen. Denn das hier ist<br />
viel besser, weil es unprätentiös ist und nicht aufgesetzt; weil<br />
das Quintett ganz einfach vierzehn Songs ins Gefecht wirft,<br />
bei denen die Melodien sitzen und die Refrains so was <strong>von</strong><br />
schmissig sind; weil die Musik eher zeitlos gut ist, so dass<br />
man THE DIE IS CAST eher aus Versehen ins Emo-Genre<br />
sortiert, weil gerade nichts Besseres da ist. Auch der Gesang,<br />
bei vielen hiesigen Bands die Schwachstelle, die den<br />
Unterschied zwischen Coolness und gutem Ansatz markiert<br />
– auch der passt hier: souverän, charismatisch und eben kein<br />
Rumgeheule. „Journey“ ist das Debütalbum der Band, klingt<br />
aber schon so rund und gekonnt, vielleicht einen Hauch zu<br />
abgeklärt, dass man sich auf weitere Werke freut. Ist aber eigentlich<br />
auch kein Wunder, schließlich sind die Jungs keine<br />
Anfänger. Fragt zum Beispiel den Gitarristen Chris, der früher<br />
seine Saiten für ON WHEN READY geschrubbt hat. Also,<br />
um mal den Albumtitel aufzugreifen: Auf die Reise, Jungs!<br />
Das hier könnte was werden. (50:20) (8) Christian Meiners<br />
DAGDA<br />
An Endless Betrayal LP<br />
ruinnation.org | <strong>Die</strong> letzten Aufnahmen zwischen 2004<br />
und 2005 der irischen Vertreter des düsteren, melodischen<br />
Hardcore, irgendwo zwischen GORMOIL, REMAINS OF<br />
THE DAY oder WORMWOOD, mit leichten Tendenzen zu<br />
FROM ASHES RISE oder TRAGEDY. Während vor allem der<br />
jeweiligen Opener jeder Vinylseite „The great devide“ und<br />
„To stand in array“ treibende Melodiestürme in einem harten<br />
Gitarrenbrett durch das Labyrinth des Gehirns wüten,<br />
verschleppen die restlichen Songs den Zuhörer in ein Meer<br />
<strong>von</strong> Soundcollagen und brutalen Vocals. Es sind die sphärischen<br />
Übergänge. Melancholische, fast schon depressive<br />
Gitarren werden <strong>von</strong> Aggressionen und Wut abgelöst. Eine<br />
hervorragende Produktion, irgendwo zwischen Dead Beat,<br />
Doom, Hardcore und Thrash, ohne jedoch unterschwellig<br />
ein Melodienchaos zu vernachlässigen. Insgesamt sieben<br />
Meisterwerke, die teils etwas langatmig sind, in einem<br />
schmucken Gatefold-Coverartwork. (8) Simon Brunner<br />
DEATH OF A JAPANESE GIRL<br />
All Against Hearts <strong>CD</strong><br />
jodrecords.de | Machen wir es kurz: DEATH OF A JAPANE-<br />
SE GIRL haben einen guten Namen und einen nicht so guten<br />
Sänger. Auf dem frisch gebackenen Greifswalder Label<br />
Jod Records kommt jetzt die erste <strong>CD</strong> dieses Punkrock-Trios.<br />
Punkrock trifft es eigentlich ganz gut, denn hier rumpelt<br />
es stellenweise ordentlich im Zusammenspiel, der Gesang<br />
wagt sich oft in Gefilde vor, denen er zukünftig besser fern<br />
bleibt. Zu hoch die Tonlagen, zu flach die Songs. Stellenweise<br />
erscheint der Weg zum Deutschrock-Schlager nicht weit<br />
zu sein. Ein beherzter Tritt aufs Gaspedal könnte nicht schaden,<br />
schließlich ist die Band noch jung. Ihre Musik ist es<br />
auch. (37:43) (3) Arne Koepke<br />
DEVASTATIONS<br />
Coal <strong>CD</strong><br />
Beggars Banquet/Indigo | Sie haben sich viel Zeit gelassen,<br />
die mal in Berlin, mal in Melbourne wohnenden DEVASTA-<br />
TIONS. Schon vor zwei Jahren, als das erste Album der wiederum<br />
aus LUXEDO hervorgegangen<br />
Band gerade<br />
via Munster als Europapressung<br />
erschienen war,<br />
kündigten sie an, baldmöglichst<br />
mit den Aufnahmen<br />
zu einem neuen<br />
Album beginnen zu<br />
wollen. Bis zu dessen Veröffentlichung<br />
sind nun<br />
doch zwei Jahre vergangen,<br />
mit Beggars Banquet<br />
wurde ein neues europäisches<br />
Label gefunden,<br />
und „Coal“ ist ein zu Recht so betiteltes Werk geworden:<br />
So schwarz und funkelnd wie reiner Kohlenstoff breitet<br />
es sich vor dem Hörer aus, ist viel ruhiger, leiser und bedächtiger<br />
als das Debüt. Wo das lärmige Ausbrüche hatte, ist<br />
hier jetzt allenthalben eine plüschige, aber nicht kuschelige<br />
Stimmung dominant, ist „Coal“ ein stimmiges Album<br />
für den etwas anderen Kaminabend, und wenn auch hier<br />
wieder Vergleiche zu ihrem Landsmann Nick Cave auftauchen,<br />
den es einst ja auch nach Berlin verschlug, dann liegt<br />
das nicht nur an der Verbindung mit EINSTÜRZENDE NEU-<br />
BAUTEN (deren Alexander Hacke hat koproduziert), sondern<br />
lässt sich auch musikalisch gut begründen, man nehme<br />
nur das wundervolle Duett <strong>von</strong> Tom Carlyon mit der neuseeländischen<br />
Sängerin Bic Runga in „A man of fortune“.<br />
„Coal“ ist ein rundum gelungenes Album, das sowohl in den<br />
leisen Passagen wie den dramatischen überzeugt – mit der<br />
Einschränkung, dass mir das Debüt noch eine Idee besser<br />
gefällt. (44:58) (8) Joachim Hiller<br />
DEAD HEARTS<br />
Bitter Verses <strong>CD</strong><br />
Ferret | Endlich! Das längst überfällige Album <strong>von</strong> DEAD<br />
HEARTS ist der erwartete Knaller geworden. Und wie der<br />
Titel bereits verspricht, geht es thematisch nicht um den<br />
Austausch <strong>von</strong> Kochrezepten. „From dusk till dawn“ wäre<br />
ein passender Untertitel gewesen, denn in vierzehn Teilen,<br />
vom frühen Abend bis zum Morgengrauen, dokumentiert<br />
die Band ihren ganz persönlichen Alptraum der sich Leben<br />
nennt. Dabei geht die Band streckenweise ungewohnt<br />
schleppend und rockig zu Werke, was aber der Intensität des<br />
Vortrags keinen Abbruch tut. Ganz im Gegenteil. Mitreißender<br />
hat man diese Band auf <strong>CD</strong> nie erlebt. Wie ein Kreuzritter<br />
kämpft sie sich voller Verzweiflung durch die Ungerechtigkeiten<br />
und Enttäuschungen ihres Daseins, einer Welt an<br />
dessen Ende ein Erwachen steht: „This is the end. The sun<br />
is coming. And I think I’m falling. This is the end.“ Ob <strong>von</strong><br />
Traum oder Wirklichkeit, muss jeder selbst entscheiden.<br />
Bodo Unbroken<br />
DEADLINE<br />
Take A Good Look <strong>CD</strong><br />
People Like You | Unfassbar, aber DEADLINE schaffen es<br />
doch tatsächlich mit ihrem mittlerweile vierten Album<br />
„Take A Good Look“ ihren letzten Longplayer und gleichzeitiges<br />
People Like You-Debüt „Getting Serious“ zu toppen.<br />
Gleich der Opener „Blood on your hands“ macht klar,<br />
dass der Hardcore-Einfluss über weite Strecken des Albums<br />
wieder mehr in den Vordergrund getreten ist. Gerade in der<br />
Hinsicht ist der neue Gitarrist Ryan eine echte Bereicherung<br />
für die Band. Trotzdem gibt es auch wieder jede Menge<br />
melodiösere Songs wie das grandiose „Keep on running“<br />
oder „Hold on me“, bei denen Liz’ Stimme am besten zur<br />
Geltung kommt. „Take A Good Look“ ist eine perfekte Mischung<br />
<strong>von</strong> allen Einflüssen der Band, die der Band zufolge<br />
<strong>von</strong> BLOOD FOR BLOOD bis BLONDIE reichen. THE BO-<br />
NES würden mir da spontan auch noch als ein unüberhörbarer<br />
Einfluss einfallen, wo wir gerade bei Bands mit B sind.<br />
Am deutlichsten kommt der Rock’n’Roll-Einschlag bei<br />
„Hey you!“ raus. Schön zu sehen, dass der ein oder andere<br />
Besetzungswechsel in den letzten Jahren die Band nicht daran<br />
gehindert hat, Sound und Songwriting kontinuierlich<br />
zu verbessern. DEADLINE sind einfach die beste europäische<br />
Streetpunk-Band. Punkt. (38:29) (9) Claudia Luck<br />
DUSTSUCKER<br />
Jack Knife Rendezvous <strong>CD</strong><br />
Limb/SPV | Nach diversen Umbesetzungen also wieder<br />
die gewohnte Portion Arschtritt-Rock aus Ostwestfalen. Für<br />
eine deutsche Band klingen DUSTSUCKER unglaublich authentisch,<br />
druckvoll und abgeklärt. <strong>Die</strong> Geschwindigkeit ist<br />
konstant am Anschlag und sie rocken wirklich bis zur Ohnmacht.<br />
Das Songwriting klingt zwar hier und da etwas „altbacken“<br />
und einseitig, aber wenn die Hütte brennt und der<br />
Alkoholspiegel im Blut stimmt, ist das jedem wirklich so<br />
was <strong>von</strong> scheißegal! DUSTSUCKER sind jetzt einfach mehr<br />
als nur eine weitere Rockband, sondern spielen ab jetzt in<br />
der Oberliga mit. Nachmachen! (7) Carsten Vollmer<br />
DUEL<br />
Lets Finish What We Started <strong>CD</strong><br />
ffruk.com | Punkrock in alter Tradition aus England mit<br />
versierter Lady am Gesang. Während der 15 Songs auf „Lets<br />
Finish What We Started“ geht es überwiegend angenehm<br />
entspannt zur Sache – ohne dabei die nötige Energie einzubüßen.<br />
Seit THE CLASH weiß man eben, dass auch Midtempo-Songs<br />
mitreißend sein können, und diese Kenntnis haben<br />
sich THE DUEL zu Nutze gemacht. Obwohl ich in der<br />
Regel kein Freund <strong>von</strong> Reverb-Effekten bei Produktionen<br />
bin, verleiht der zeitweise gegenwärtige, leichte Hall in der<br />
Stimme <strong>von</strong> Sängerin Tara Rez, diesem Album jedoch noch<br />
zusätzliche Ausdrucksstärke. Darüber hinaus findet man neben<br />
Gitarre, Bass und Schlagzeug auch gelegentlich kleine<br />
elektronische Keyboard-Spielereien wieder, welche sich<br />
optimal ins Gesamtbild einfügen. In den Staaten waren THE<br />
DUEL kürzlich auf Tour, während der sie zu Recht positive<br />
Resonanz entgegengebracht bekommen zu haben scheinen.<br />
Ein wirklich schönes Album einer Band, wie man sie heute<br />
nicht täglich zu hören bekommt. (7) Alex Gräbeldinger<br />
DATSUNS<br />
Smoke And Mirrors <strong>CD</strong><br />
Hellsquad/V2 | „Let’s paint the town blood red ...“ ist nicht<br />
wortwörtlich zu nehmen, aber genau diese Aktion unterstreicht<br />
die Energie, die in der Platte steckt. Das erste Album<br />
der DATSUNS enthielt eine lange Zeit meine favorisierten<br />
Tanzlieder, die zweite Produktion war ganz nett, wurde aber<br />
relativ schnell in die Schublade gepackt, und nun so was.<br />
Sagt mal, seid ihr wahnsinnig? Wer oder was hat euch auf so<br />
einen Trip gebracht? Es ist diese Art <strong>von</strong> Musik die vielleicht<br />
dann entstanden ist, als man sich mit LED ZEPPELIN, DEEP<br />
PURPLE und Rowdys aus der Hardrock-Zeit in ein Zeltlager<br />
mit nur einem Zelt begibt. Man redet, lacht, säuft, und ich<br />
weiß nicht, was die sich genau erzählt haben, aber ich bin<br />
fest da<strong>von</strong> überzeugt, dass die Alten den Jungen den Rest ihres<br />
musikalischen Könnens in die Seele reingequetscht haben.<br />
Das was übriggeblieben ist, eine faltige Hülle mit langen<br />
zerzausten Haaren und lebt nun auf den Bahamas. Was<br />
die DATSUNS daraus gemacht haben, begeistert mich maßlos.<br />
Ich hatte mit einem Album gerechnet, das an die erste<br />
Platte herankommt, aber kein besseres. „Such a pretty curse“,<br />
„Emperor’s new clothes“, was für Titel, schon mal gehört?<br />
Wahrscheinlich, aber wenn ihr hören könntet, was<br />
sich dahinter verbirgt, dann würdet ihr wie ich vor Freudensprünge<br />
machen. <strong>Die</strong> DATSUNS haben sich viel Zeit gelassen<br />
und „Smoke And Mirrors“ zeigt nun, wie die Band eigentlich<br />
ist, wie sehr sich ihr selbstproduziertes Album <strong>von</strong><br />
den in Zeitdruck entstandenen Sachen unterscheidet. Ja,<br />
fuck, ich liebe diese Platte. Ich höre sie Tag und Nacht, ich<br />
stelle mir jedes mal vor, wie ich beim Konzert bin und abgehe<br />
wie die Sau, wenn sie „Maximum heartbreak“ spielen,<br />
und ich platze vor Neid, weil ich alles darum geben würde,<br />
selber dort oben zu stehen und mich an einer Gitarre verausgeben<br />
zu können. (10) Martha Biadun<br />
DR ZERO<br />
Dirty Way <strong>CD</strong><br />
drzero.si | Das hier ist mittelschneller Punkrock alter Schule<br />
aus Slowenien. Wer jetzt exotisch anmutenden Ostblock-<br />
Punk erwartet, wird allerdings enttäuscht. DR ZERO spielen<br />
ihre 10 Songs ziemlich tight, verschnörkeln ihre Songs nicht<br />
mit irgendwelchem überflüssigen Beiwerk und die Vocals<br />
lassen keine etwaigen Rückschlüsse auf die Herkunft der<br />
Band zu. Trotzdem, nur weil die Boys nicht viel falsch machen,<br />
heißt das noch nicht, dass sie alles richtig machen; will<br />
sagen, die Platte weiß letztlich nicht sonderlich zu überzeugen,<br />
wirkt streckenweise sehr austauschbar bis geradezu<br />
langweilig. Für Fans <strong>von</strong> DR ZERO ist „Dirty Way“ bestimmt<br />
eine klasse Platte, alle anderen hören sich was Spritzigeres<br />
an. Denn <strong>von</strong> dieser Art Band gibt es genügend überzeugendere<br />
Vertreter. (28:10) (5) Chris Virgo<br />
DOWNTOWN PSYCHEDELICS<br />
Semaphore Shake <strong>CD</strong><br />
dp-rock.de | Nach eigenen Angaben sind THE DOWN-<br />
TOWN PSYCHEDELICS, ein deutsch-amerikanisches Trio<br />
aus Leipzig, eine High Energy-Rock’n’Roll-Liveband, die<br />
„intuitive handgemachte Rockmusik“ macht, welche<br />
„mitreißt“. <strong>Die</strong> 11 Songs auf ihrer Debüt-<strong>CD</strong> „Semaphore<br />
Shake“ vermitteln da<strong>von</strong> in der Tat einen entsprechenden<br />
Eindruck. Druckvolle Produktion, ein recht ansprechender<br />
Sound und eine passende Stimme treffen auf ein<br />
Songwriting, das in allen erdenklichen Rock-Stilrichtungen<br />
wildert, dabei aber eigenständig rüberkommt und sich<br />
nicht in Rock-Klischees ergeht. Allerdings hätten sich die<br />
drei das SONICS-Cover „Strychnine“ schenken können; bei<br />
aller Liebe zu dem Song, aber bitte, die SONICS hatten auch<br />
noch andere klasse Songs! Nee wirklich, ich bin dafür, diesen<br />
Song mit einem lebenslangen Cover-Bann zu verhängen!<br />
Trotzdem, eine amtliche Rock-Platte und live sind THE<br />
DOWNTOWN PSYCHEDELICS sicherlich empfehlenswert.<br />
(48:53) (7) Chris Virgo<br />
DEAD MAN IN RENO<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
plastichead.com/Soulfood | Ja, der eingefleischte Metalcoreler<br />
hat es dieser Tage schwer – HATEBREED und HEA-<br />
VEN SHALL BURN haben neue Platten und da<strong>von</strong> abgesehen<br />
hauen einschlägige Labels wie Alveran oder Lifefforce<br />
eine neue Kapelle nach der anderen raus. Leider bedienen<br />
diese sehr häufig nur das gute Mittelmaß und sorgen so bei<br />
geneigtem Fan für Desorientierung oder Übersättigung.<br />
DEAD MAN IN RENO aus Tuscaloosa, Alabama sind mit ihrem<br />
gleichnamigen Debüt genau so ein Fall. Viel metallische<br />
Doublebass, geiler Brüllgesang, viele Tempowechsel, Hardcore-Breaks<br />
und Moshparts sowie gute Melodien, und als<br />
diesmal eigene Note, neben reiner Brüllwürfel-Attitüde,<br />
ein freundlicher Singsang zwischendurch. Eigentlich ist die<br />
Platte nicht verkehrt, aber ich fühle mich angesichts geilerer<br />
Releases und der Masse an durchschnittlichem Neuem<br />
eben – wie wahrscheinlich so mancher, der auf der Suche<br />
nach neuer guter Musik aus diesem Bereich ist – desorientiert<br />
und übersättigt. (43:30) (6) Carsten Hanke<br />
DISTRICT<br />
Great Exit Lines <strong>CD</strong><br />
plastichead.com | DISTRICT kommen aus England und<br />
irgendwie hört man das auch. Ihr Emo-Rock ist nicht typisch<br />
amerikanisch sondern ein bisschen verträumt oder<br />
popig. Irgendwo zwischen klassischen Rock Passagen und<br />
der Intensität <strong>von</strong> Bands wie BLACK MARIA, bewegen sich<br />
DISTRICT mal nicht auf allzu sehr ausgetretenen Pfaden.<br />
Schnell will ich der Band ein gewisses Saubermann-Image<br />
anheften, weil sie so untypisch zu klingen scheinen und einfach<br />
nett rüberkommen. Vielleicht sind die Songs auf „Great<br />
Exit Lines“ aber auch einfach nur schön. Interessant klingen<br />
die Fünf aus Brighton auf jeden Fall, wobei ich dennoch<br />
sagen würde, dass ihr Album dann doch zu wenig Ecken hat,<br />
um sich in die Liga der Alben zu spielen, die man wirklich<br />
gehört haben muss. (7) Sebastian Wahle<br />
ESTATE<br />
The Opposite Of Indifference <strong>CD</strong><br />
recordoftheyear.net | Zugegeben, bei der Besprechung<br />
der neuen ESTATE-Scheibe war ich nicht<br />
ganz unvoreingenommen, ja sie haben für mich<br />
eben einen gewissen Österreich-Bonus. Musika-<br />
E<br />
lisch ist das, was die sympathischen Jungs aus Linz<br />
machen, natürlich nicht gerade meine Tasse Tee.<br />
Das soll aber nichts heißen, schließlich bekommt der werte<br />
Hörer durchaus eingängige und einfach gestrickte Metalriffs<br />
mit extrem melodischen – ja ich muss das Unwort<br />
leider wieder mal gebrauchen – gewissermaßen „Emo“-<br />
Parts geboten, wie man sie in dieser Qualität nur <strong>von</strong> den<br />
US-Big-Playern der Emocore-Liga serviert bekommt. Dazu<br />
muss man auch noch sagen, dass die Jungs ihr Handwerk<br />
wirklich verstehen. Ihr Sound erinnert meines Erachtens<br />
ziemlich stark an ATREYU auf „The Curse“, eventuell zeitweise<br />
an AS I LAY DYING, EVERY TIME I DIE oder auch an<br />
BULLET FOR MY VALENTINE und Konsorten. Wer dieses<br />
Genre mag, dem kann ich „The Opposite Of Indifference“<br />
nur wärmstens empfehlen. (43:53) Robert Buchmann<br />
ECHOPHONIC<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
Pink Ink/Silberfisch | Wie es sich anfühlt, einen Majordeal<br />
abzulehnen? Fahrt nach Wien und fragt ECHOPHONIC.<br />
<strong>Die</strong>ses Indiepop-Trio hat dem großen Business die lange<br />
Nase gezeigt und ihr eigenes Label Silberfisch Records gegründet.<br />
Und sie fahren gut damit, denn mittlerweile liegt<br />
ihr drittes, selbstbetiteltes Album vor. Warme Sounds umschmeicheln<br />
das Ohr, Sängerin Tina setzt ihre Stimme<br />
oft wie ein Instrument ein, ergänzt den Klang, so dass ein<br />
schlüssiges Bild <strong>von</strong> ECHOPHONICs Musik ensteht. Manche<br />
Songs erinnern angenehm an Bands wie GARBAGE. Als<br />
<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 067<br />
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zusätzliches Schmankerl bediente sich die Gruppe für diese<br />
<strong>CD</strong> erstmals einer Hammondorgel. Sind die Indiesongs auf<br />
Albumlänge faszinierend oder langatmig? Das kommt ganz<br />
darauf an, was man möchte: Wenn man sich ganz und gar<br />
auf „Echophonic“ einlässt, besticht die Musik durch Intensität.<br />
Doch braucht man den ultimativen Kick, so sind die<br />
Österreicher sicher nicht die erste Wahl. (40:13) (6)<br />
Arne Koepke<br />
JOHN ALEXANDER ERICSON<br />
Black Clockwork <strong>CD</strong><br />
Kalinkaland/Broken Silence | <strong>Die</strong> ersten gesungenen Zeilen<br />
<strong>von</strong> „Sophia in another country“ geben mir den letzten<br />
Rest. <strong>Die</strong>se Art, mit halb geschlossenen Augen leicht klagend<br />
zu singen, findet hier in ihren Höhepunkt, wenn Ericson<br />
eine Ehrenrunde um einige Silben dreht. Der Rest des<br />
Albums hatte es mir schon nicht besonders leicht gemacht,<br />
aber jetzt nehme ich mir die Freiheit, in die letzten der neun<br />
Titel nur noch reinzuhören. Ah! Beim nächsten singt, nein<br />
memmt, er auch noch „I just wanted to be loved ...“. Seine<br />
Kombination aus Pianoakkorden, Keyboardflächen und diversen<br />
spärlichen Beigaben hinterlassen schon einen reichlich<br />
faden Nachgeschmack, aber Gesang und Texte geben<br />
dem Album endgültig den Rest. Da weiß man wieder, was<br />
man an wirklich guten SongwriterInnen hat. (36:26) (1)<br />
Christian Maiwald<br />
EPHEN RIAN<br />
Spread My Wings M<strong>CD</strong><br />
11pm-music.de | Ein Jahr nach ihrer Debüt-<strong>CD</strong> „The Special<br />
Refendum“ melden sich EPHEN RIAN aus Österreich<br />
nun mit dem Soundtrack zur Spirit-Tour 2006 zurück.<br />
„Viva la Moped“ ist die Hymne an das Zweirad, das die Welt<br />
bedeutet und wird <strong>von</strong> drei anderen Songs begleitet: „Framing<br />
the facts“, „Avenue view“ und „With the abscence<br />
of mind“. Alle Songs verdeutlichen warum ausgerechnet<br />
EPHEN RIAN die momentan wohl bekannteste Band aus<br />
Österreich ist. Im letzen Jahr haben sie laut Platteninfo die<br />
unglaubliche Strecke <strong>von</strong> 65.000 Kilometern zurückgelegt,<br />
um der Welt zu zeigen, dass Screamo auch im Alpenstaat angekommen<br />
ist und verarbeitet werden kann. Im Großen<br />
und Ganzen ist „Spread My Wings“ eine solide Bestandsaufnahme<br />
der noch wirklich jungen Band (das Durschnittsalter<br />
ist 21) und wird bestimmt seine Zuhörer finden. (7)<br />
Sebastian Wahle<br />
ESCAPE THE FATE<br />
Dying Is Your Latest Fashion <strong>CD</strong><br />
epitaph.com | Innerhalb eines Jahres bringen die TOKIO<br />
HOTEL <strong>von</strong> Epitaph nun nach ihrer überzeugenden Debüt-<br />
EP mit „Dying Is Your Latest Fashion“ ihren ersten Longplayer<br />
unter die (zum größten Teil bei myspace.com angemeldeten)<br />
Leute. Wie so oft, ist es auch hier bei ESAC-<br />
PE THE FATE die gleiche Prozedur: gesungene Strophe, geschrieener<br />
Refrain – oder auch mal anders herum. Und wie<br />
ich schon in der Review zur EP schrieb, ist hier die Qualität<br />
und nur leider auch der Wiedererkennungswert (man<br />
erkennt vieles wieder, was man bei anderen Bands schon<br />
068 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />
mal gehört hat) hoch. Ach ja,<br />
um noch mal auf TOKIO HO-<br />
TEL zurück zukommen: Es gibt<br />
da ein Foto der Band, das ungelogen<br />
auch der Promomappe<br />
<strong>von</strong> TH entnommen sein<br />
könnte: Milchbubigesichter<br />
und sehr viel Haarspray.<br />
Nichtsdestotrotz können auch<br />
ESCAPE THE FATE Hits schreiben.<br />
In ihrem Fall wäre das<br />
„Guillotine“, welches eigentlich<br />
alles vereint, was das Screamo/Emo-Herz<br />
braucht. Hört<br />
sich alles gut an, ist aber nicht<br />
mehr so unbedingt interessant.<br />
Oder anders gesagt: Wer SAO-<br />
SIN, SENSES FAIL und FUNE-<br />
RAL FOR A FRIEND liebt, wird<br />
hier nicht enttäuscht und hat<br />
vielleicht für eine paar Monate<br />
neue Lieblingssongs. (7)<br />
Sebastian Wahle<br />
EVIL BEAVER<br />
Models Of Virtue E.P. <strong>CD</strong><br />
evilbeaver.us | EVIL BEAVER<br />
sind Evie Evil und Gene Trautmann.<br />
Genau, der Gene Trautmann,<br />
der seine Sticks auch<br />
eine zeitlang bei den QUEENS<br />
OF THE STONEAGE schwang.<br />
Zu zweit machen die beiden<br />
Musik, die sich recht seltsam<br />
anhört, bei einer Instrumentierung<br />
die im Grunde nur<br />
aus (meistens stark moduliertem)<br />
Bass, Schlagzeug und Gesang<br />
besteht, scheint das allerdings<br />
Konzept zu sein. Es gibt<br />
schlimmeres als Musik, die<br />
versucht sich vom Standard<br />
abzuheben. Außerdem gelingt<br />
es den beiden, die vier enthaltenen<br />
Songs interessant zu gestalten<br />
und zeitgleich dafür zu<br />
sorgen, dass der Hörer nicht<br />
entnervt die <strong>CD</strong> wechselt. Problematischerweise<br />
lässt sich die<br />
Sache aber nur schwer in Worte<br />
fassen, und genau das sollte<br />
ich hier ja eigentlich machen. Nun ja, Evie hat eine wirklich<br />
sexy Stimme und ist außerdem eine sehr talentierte und abwechslungsreiche<br />
Bassistin. Gene ist ein Ausnahmetalent am<br />
Schlagzeug. Zusammen sind sie EVIL BEAVER und ... Ach,<br />
hört euch die Sache bitte selbst an, es lohnt sich. (17:53)<br />
(7) Lars Koch<br />
ENDRAH<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
Grapes Of Wrath | Zuerst war es der brutale Sound zwischen<br />
Death Metal und sattem Hardcore, der mich aufhorchen<br />
lies. Als ich dann das beiliegende Bandinfo las, wurde<br />
die Sache aber dann noch mal etwas spannender. Gegründet<br />
vom brasilianischen Ausnahme-Drummer Fernando<br />
Schaefer, brachten ENDRAH ihre Debüt-EP „DEMONstration“<br />
mit Hilfe <strong>von</strong> Billy Graziadei (ex-BIOHAZARD, SUI-<br />
CIDE CITY) heraus, der <strong>von</strong> den Demos so begeistert war,<br />
das er kurzerhand samt Familie nach Brasilien zog, bei den<br />
Jungs als Gitarrist einstieg und die EP produzierte und mixte.<br />
So etwas kann echt nicht jede Band <strong>von</strong> sich behaupten,<br />
aber der Erfolg wird ihnen Recht geben. Das nun vorliegende,<br />
selbst betitelte Album, wurde aber ohne Billy eingespielt,<br />
der inzwischen wieder seinen eigenen musikalischen Verpflichtungen<br />
mit SUICIDE CITY nachgeht. Aber auch mit<br />
nur einer Gitarre wird hier eine Symbiose zweier, eigentlich<br />
völlig verschiedener Lager gefeiert, die keine Wünsche offen<br />
lässt. Du stehst auf SLAYER, MESHUGGAH und die ebenfalls<br />
brutalen FULL BLOWN CHAOS? Kein Problem, mit END-<br />
RAH werden alle positiven Momente der einzelnen Bands<br />
vereint. Klar ist diese Platte irgendwann anstrengend, denn<br />
der Sound geht dir – bei entsprechender Lautstärke versteht<br />
sich – echt an die Eingeweide. Aber nur was abgeht,<br />
kann auch mitreißen. Und das hier geht ab, meine Freunde!<br />
(43:39) (8) Tobias Ernst<br />
EAT NO FISH<br />
Make It Home <strong>CD</strong><br />
artiststation.de/Soul Food | Den Namen <strong>von</strong> EAT NO FISH<br />
habe ich schon oft gehört. Damals, kurz vor der Jahrtausendwende,<br />
war diese Band viel unterwegs, spielte in ganz<br />
Europa Konzerte und hatte einen Vertrag bei einer großen<br />
Plattenfirmen in der Tasche. Alles glänzte, EAT NO FISH waren<br />
auf dem Weg zu echten Stars und ergänzten sich stilistisch<br />
mit den fleißigen DIE HAPPY und vielleicht auch mit<br />
GUANO APES. Es folgte der Absturz und die Neuordnung im<br />
Jahre 2001. Jetzt, fast fünf Jahre danach sind sie mit ihrem<br />
dritten Album „Make It Home“ zurück. Der Sound wurde<br />
der Zeit angepasst, ist Rock und Pop zugleich. <strong>Die</strong> Gitarren<br />
<strong>von</strong> EAT NO FISH sind schwer, die Melodien melodramatisch<br />
und leicht. Wah-Wahs sind immer noch erlaubt. „Erfüllung,<br />
Schweiß und Tränen, Zerreißen und Überzeugung“<br />
haben sich im EAT NO FISH-Sound niedergeschlagen, so<br />
heißt es. Dann fehlt ja eigentlich nur noch das Blut. Auch das<br />
pulsiert in den Songs, mit mittlerem Druck, so dass die Singleauskopplungen<br />
im Radio gespielt werden könnten. Ob<br />
die Band es noch einmal so weit schaffen wird wie damals,<br />
als ihre Plakate jeden Stromkasten zierten? Wir warten ab<br />
und wünschen viel Glück. (39:44) (6) Arne Koepke<br />
ESCAPOLOGISTS<br />
In Free Motion <strong>CD</strong><br />
DevilDuck/Indigo | In Zeiten dumm gehypter englischer<br />
Bands freut man sich über Inselkapellen, die sich auf einen<br />
klassischen Gitarrensound besinnen, so wie dieses Trio mit<br />
Neil Wells <strong>von</strong> SEACHANGE und SAVOY GRAND. <strong>Die</strong> ESCA-<br />
POLOGISTS bewegen sich dabei zwischen gutem alten Slo-<br />
Core und Neil Young-Referenzen, ähnlich wie bei den Jason<br />
Molina-Bands SONGS: OHIA und MAGNOLIA ELECTRIC<br />
CO. Sehr direkt rockende Passagen wechseln dabei ab mit<br />
eher stillen folkigen Momenten, wo dann auch mal ein Klavier<br />
die rudimentäre Instrumentierung etwas auflockert.<br />
Und beim völlig großartigen Song Nr. 5, „A machine for living“,<br />
erinnert man sich EDITORS-like auch an JOY DIVI-<br />
SION, versetzt mit leichten, Bowie’esken Glamrock-Anteilen<br />
im Refrain. „In Free Motion“ versinkt dabei nicht ausschließlich<br />
in einer melancholischen, lahmarschigen Stimmungssuppe,<br />
sondern ist trotz seiner verlangsamten melodischen<br />
Momente eine straight rockende Angelegenheit mit<br />
kleinen Ruhezonen, was die ESCAPOLOGISTS durchaus zu<br />
Geistesverwandten der EDITORS macht, allerdings ohne<br />
deren starke 80er-Bezüge. (7) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
ERASE ERRATA<br />
Night Life LP/<strong>CD</strong><br />
killrockstars.com/Cargo | Ey, ihr Krakeler und Hype-<br />
Herbeischreiber, ihr „Next big thing“-kotzerischen Plattenfirmen,<br />
wo seid ihr denn plötzlich alle? ERASE ERRA-<br />
TA, die vor drei Jahren<br />
noch als das nächste heiße<br />
Dance-Punk-Ding gehandelt<br />
wurden, wollten<br />
wohl nicht so recht nach<br />
eurer Pfeife tanzen, wie<br />
mir scheint, ließen sich<br />
erst mal eine ganze Weile<br />
Zeit mit ihrem dritten Album,<br />
hatten den Ausstieg<br />
<strong>von</strong> Gitarristin Sara Jaffe<br />
zu verkraften, justierten<br />
sich neu – und unterschrieben<br />
schließlich bei<br />
Kill Rock Stars, einem durch und durch krediblen Label abseits<br />
trendigen Getues. Vielleicht ist ja auch manche(r) enttäuscht,<br />
dass aus der Formation aus San Francisco nicht die<br />
nächsten YEAH YEAH YEAHS wurden, aber ich denke, die<br />
Zeit, die sich ERASE ERRATA (immer noch Jenny Hoyston,<br />
Ellie Erickson, Bianca Sparta) mit „Night Life“ gelassen haben,<br />
hat sich nur positiv ausgewirkt. Ihr dritter Longplayer<br />
ist ein absolut eigenständiges Album, das schon durch seine<br />
eigenwillige Rhythmik begeistert, irgendwie funky und<br />
tanzbar und doch spröde und aggressiv ist. Zusammen mit<br />
den leider aufgelösten SLEATER-KINNEY waren/sind sie<br />
für mich die Speerspitze des smarten All Female-Indiepops,<br />
der in einem konservativ gewordenen Amerika mit Songs<br />
wie „Another genius idea from our government“ oder dem<br />
Refrain „Murder with our tax dollar“ über ein grundsätzliches<br />
feministisches Anliegen hinaus klar Stellung bezieht.<br />
Eine wichtige Platte, die mit jedem Hören wächst. (30:10)<br />
(8) Joachim Hiller<br />
FAUVE<br />
s/t <strong>CD</strong> gentlemen.ch/Alive | Knarz, knarz, hier kommen<br />
FAUVE (sprich: „Fohw“). Das Info verspricht einen<br />
„schrägen Höhepunkt der Schweizer Musikszene“.<br />
Na, so schräg klingt das doch gar nicht, ganz<br />
F<br />
im Gegenteil! Das Ein-Mann-Projekt FAUVE from<br />
Lausanne, Switzerland klingt über weite Stre-<br />
cken dieses Albums sehr entspannt und ruhig. Musik für den<br />
Hintergrund einer gemütlichen Bar, wenn die meisten Biere<br />
getrunken sind und der Morgen graut. Wieder mal einer<br />
der Letzten. Gedankenversunken und eine vergessene Kippe<br />
in der Hand. Gleich fällt die Asche runter. Nein, an Schlaf<br />
ist nicht zu denken, eher ans Philosophieren. – Machst mir<br />
noch eins, ne? – Hör mal, FAUVE klingen wie <strong>von</strong> ganz früher<br />
und doch wie heute. Mal wie FAVEZ auf ihrem Akustikdebüt,<br />
mal trippig wie <strong>von</strong> Hippies gemacht und dann Salsa<br />
und trockene Bluesmelodien. Und das Piano macht mich<br />
so melancholisch, echt, jetzt brauch’ ich noch einen Drink.<br />
Herrlich, sag ich dir. Aber sag jetzt nichts, halt die Klappe,<br />
lass uns einfach zuhören, okay? (45:31) (9) Arne Koepke<br />
FRAU DOKTOR<br />
Wer mich leiden kann kommt mit <strong>CD</strong><br />
rookierecords.de | <strong>Die</strong> langjährigen Partner in Sachen<br />
Agentur und Label, Moskito Promotion und Elmo Records,<br />
sind nicht mehr mitgekommen ... hm?! Skanky-Wanky-<br />
Punk gibt es nun <strong>von</strong> Rookie und Ritchie Records. <strong>Die</strong> Diagnose<br />
bei FRAU DOKTOR ist seit Jahren die gleiche: die Instrumentals<br />
„Killer-Virus“, „Stand in Angst“: Top! <strong>Die</strong> Cover<br />
„Babylon’s burning“ und „Maggie May“: Flop! Das „normale“<br />
Programm: für mich belangloses Lalala. „Zweite Liga<br />
kann auch mal ganz schön sein ...“ – zitieren sich hierbei<br />
FRAU DOKTOR selbst? Was sind das für Ziele?! (45:27) (5)<br />
Simon Brunner<br />
FULL BLOWN CHAOS<br />
Within The Grasp Of Titans <strong>CD</strong><br />
Alveran | Ein reißerischer Name ist das, den sich die vier<br />
New Yorker Rude Boys da ausgesucht haben. Aber keine Sorge,<br />
im totalen Chaos versinkt der brutale Sound um Brüllwürfel<br />
Ray Mazzola dann doch nicht. Im Gegenteil, hier<br />
wird auf recht hohem, und vor allem rohem, aber auch vorhersehbarem<br />
Niveau gespielt. Laut Bandinfo spielt die Band<br />
rund 300 Shows im Jahr, eine Tatsache, die erklären würde,<br />
warum die Band trotz der Einfachheit und Brutalität in<br />
der Struktur ihrer Songs nicht langweilig wird und wie ein<br />
Mann aus den Boxen kommt. Ja, ganz recht, wer den Ope-<br />
ner „Trials of triumph“ mag, der kommt auch mit dem Rest<br />
der Platte wunderbar zu recht, wird „Rise & fight“ ordentlich<br />
feiern, bei „Vendetta“ ordentlich moshen und ganz bestimmt<br />
bei „Against the grain“ nicht an den BAD RELIGI-<br />
ON-Klassiker denken. Vielmehr ist die Band interessant für<br />
diejenigen, die auf HATEBREED stehen, denn Sound und<br />
Stimme ähneln sich in gewisser Weise. Ist aber auch kein<br />
Wunder, denn schon die Debüt-EP und das erste Album erschienen<br />
auf Stillborn Records, dem Label <strong>von</strong> Jamey Jasta,<br />
da erklärt sich der Einfluss ja fast <strong>von</strong> selbst. Insgesamt<br />
liegt hier eine in sich sehr stimmige Platte vor, ohne große<br />
Überraschungen und neue Ideen, die aber auf jeden Fall<br />
Spaß macht und ich denke, dass die Band live mit diesem<br />
Set im Rücken auf jeden Fall eine gute Show liefern wird.<br />
(39:52) (7) Tobias Ernst<br />
FUCKUISMYNAME<br />
Stay Gold, Falconass LP<br />
x-mist.de/Broken Silence | Bei all dem Gewese, das gerne<br />
um tanzbaren Post-Punk und No-Wave aus USA gemacht<br />
wird, vergisst man allzu leicht, was für großartige Acts es<br />
diesbezüglich hierzulande gibt. Vor allem weil Bands wie<br />
OLIVER TWIST KOOPERATION (die ihren Bassisten allerdings<br />
an FUCKUISMYNAME verloren haben), ROBOCOP<br />
KRAUS (früher) oder ENIAC immer auch ein bisschen roher<br />
und direkter klingen als die „Konkurrenz“ aus Übersee.<br />
Und in genau diese Kerbe schlägt auch der erste Longplayer<br />
des Trierer Vierers. Immer hektisch, immer vertrackt, immer<br />
mit sägender Gitarre und blubbernder Orgel, immer<br />
eingängige Melodien parat, dabei auch immer ordentlich<br />
rockig, ist der einzige Nachteil dieser Platte, dass sie nur eine<br />
(wenn auch sehr gelungene) Variation bekannter Versatzstücke<br />
ist. Aber es kommt ja schließlich nicht immer darauf<br />
an, was, sondern wie man etwas serviert. Und FUCKUIS-<br />
MYNAME servieren ihren Aufguss aus RADIO 4 & Co.-Dancepunk<br />
sehr frisch und geradeaus, so dass man die Platte ein<br />
ums andere Mal umdrehen muss. Und dass X-Mist sowieso<br />
nie schlechte Platten herausbringt, sollte bekannt sein. Also<br />
stürzt euch ins zuckende Licht der Tanzfläche vor der Bühne,<br />
ihr jungen Menschen, ich will zumindest Schweiß fließen<br />
sehen! (8) Chris Wilpert<br />
FUCK THE FACTS<br />
Stigmata High-Five <strong>CD</strong><br />
relapse.com | <strong>Die</strong> kanadische Grind-Institution dürfte sicherlich<br />
der einen oder dem anderen schon bekannt sein.<br />
Nach unzähligen EPs und sonstigen Veröffentlichungen ist<br />
man bei Relapse untergekommen und somit in bester Gesellschaft.<br />
Ziemlich eigenständig mischen die werten Herren<br />
um die weibliche Frontkehle Grindcore mit progressiven,<br />
punktgenauen Metal und spastischen Noise-Erruptionen,<br />
und das Ganze mit solch unglaublichen Tempowechseln,<br />
dass einem schon allein vom zuhören schwindlig werden<br />
kann. Ab und an gibt es kleinere Verschnaufpausen,<br />
doch nur um dann mit voller Wucht wieder zuzuschlagen<br />
– Kompliment an dieser Stelle an den wirklich druckvollen<br />
Sound, der dem ganzen das i-Tüpfelchen aufsetzt. Wer auf<br />
der Suche nach einem anspruchsvollen Grind-/Noise-Bastard<br />
ist wird mit dem aktuellen Output der Kanadier bestens<br />
bedient werden. Beide Daumen hoch! Uwe Kubassa<br />
FORTY WINKS<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
Wynona | Aufbauend auf einem mit ordentlichem Hitgespür<br />
gesegneten Pop-Punk/Powerpop Fundament à la TRA-<br />
VOLTAS (die sich ja leider kürzlich aufgelöst haben), bauen<br />
die FORTY WINKS gerne mal Versatzstücke und Strukturen<br />
<strong>von</strong> modernem Indie-Sound (spontan denke ich an<br />
die QUEENS OF THE STONE AGE oder FOO FIGHTERS) in<br />
ihre Songs ein. Auf nervige Emo-Jammer-Einlagen verzichten<br />
die Italiener dabei dankenswerterweise, so dass ein Album<br />
in modernem knackigem Sound herauskommt wie es<br />
nicht anders sein sollte. An einigen (wenigen) Stellen besitzt<br />
die Platte zwar noch ein paar Längen, aber ansonsten ist das<br />
Teil eine kurzweilige und unterhaltsame Angelegenheit, die<br />
meiner Meinung nach auch gerne mal größeres Airplay verdient<br />
hätte. Eine Coverversion <strong>von</strong> „Hangin’ on the telephone“<br />
gibt’s als Bonus noch obendrauf. (34:45) (7)<br />
Bernd Fischer<br />
FIFTH HOUR HERO<br />
Not Revenge ... Just A Vicious Crush <strong>CD</strong>/LP<br />
No Idea | Wow, was für eine tolle Stimme! Damit meine<br />
ich insbesondere die Stimme <strong>von</strong> Genevieve Tremblay, die,<br />
obwohl sie gesanglich und natürlich musikalisch <strong>von</strong> ihren<br />
Bandkollegen unterstützt wird, doch heraussticht. FIFTH<br />
HOUR HERO aus Kanada machen, für das Label No Idea<br />
nicht ungewöhnlich, guten Punkrock der catchigen Sorte.<br />
Über allem steht die Erinnerung an die großartigen DIS-<br />
COUNT, denen die Kanadier in nichts nachstehen. Und<br />
auch AGAINST ME!- oder HOW WATER MUSIC-LiebhaberInnen<br />
werden auf den Geschmack kommen. <strong>Die</strong> zwölf<br />
Songs sind mal tragisch, mal glücklich und immer einfach<br />
nur schön. „Not Revenge ... Just A Vicious Crush“ und FIFTH<br />
HOUR HERO machen durchweg Spaß! Unbedingt reinhören!<br />
(37:54) (8) Sarah Shokouhbeen<br />
FAT ASS FUCKERS<br />
Support Your Local Drunks <strong>CD</strong><br />
fatassfuckers.tk | Ich kann mich nicht mehr daran erinnern,<br />
ob ich die Band beim Review ihrer Split-7“ mit AGA-<br />
THOCLES wirklich gut fand. Wenn ich mir jetzt die <strong>CD</strong> ansehe<br />
und –höre, kann ich mir das überhaupt nicht vorstellen.<br />
<strong>Die</strong> Band hat „Support Your Local Drunks“ selber herausgebracht<br />
und es geht ihr auch nur darum, zu saufen, zu<br />
spielen und Spaß zu haben. Generell ein Standpunkt, den<br />
man temporär verstehen kann ... nämlich dann, wenn man<br />
gerade in derselben Laune ist. Wenn ich mich aber sonst mit<br />
dem Kram befasse, langweilt es doch sehr. Hier gibt es meist<br />
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sehr kurze Songs, die ziemlich dreckig produziert sind und<br />
eher schneller Punk als Thrash-Geknüppel sind. 13 Songs,<br />
inklusive In- und Outro plus „R.A.M.O.N.E.S.“-Coverversion,<br />
die mich nicht überzeugen können, alleine auch schon,<br />
weil alles auch noch so lieblos aufgemacht ist, und Saufen ist<br />
cooler, wenn man es selber macht, statt nur Lieder darüber<br />
zu hören. Timbo Jones<br />
ROMAN FISCHER<br />
Personare <strong>CD</strong><br />
blickpunkt pop | Des Fischers zweites Werk. Genauso ernst<br />
und melancholisch wie „Bigger Than Now“. Er ist, wie sagt<br />
man, „erwachsen geworden“ oder seine Musik, seine Haare<br />
sind gewachsen, seine Nase, keine Ahnung, habe nie verstanden<br />
was das heißen soll. Ist das Album deswegen erwachsener,<br />
weil es eine breitere Vielfalt an Themen <strong>von</strong> sich<br />
gibt oder weil Roman jetzt entdeckt hat, dass er unglaublich<br />
hoch singen kann? Oder hat es was damit zu tun, dass<br />
er seine persönlichen Erfahrungen nun auch mit uns teilen<br />
kann, ohne dass er rot wird? Ich möchte den Ausdruck nie<br />
mehr hören beziehungsweise in diesen beigefügten Presseinfos<br />
lesen. Entweder die Musik ist schlechter oder besser<br />
geworden. Fakt ist, hieran hat man mehr zu Knabbern<br />
als letztes Mal, vor allem bei „I can use U“, einem rasenden<br />
Pop-Song, der sich fast 3 Minuten lang mit ungewöhnlich<br />
schnellen Drums und einer klaren Aussage, nämlich<br />
dass Roman die Macht hat, über was auch immer, um einen<br />
legt. Gefällt mir, ein wenig verwirrend zwar dann der Übergang<br />
zu den Balladen, die passend etwa mit „But I will never<br />
die for you“ betitelt sind. Und Track sieben, „Proper order“<br />
– yep, das ist auch ein properer Song, genau so muss das<br />
sein. Hau mächtig drauf, Roman, auf alles, was neben dir<br />
steht, nimm kleinere Wunden und blaue Flecken in Kauf.<br />
Auch wenn du über l’amour singst, da kannst du auch wild<br />
zu herumspringen. Nicht dass die sanfte Seite auf „Personare“<br />
abschreckt, ein netter Charakterzug, aber es sind so viele<br />
gute, aufregendere Ansätze zu hören, dass die bestimmt<br />
auch in den Liebessongs ihren Platz finden würden. Trotzdem,<br />
very nice. (8) Martha Biadun<br />
FUCKED UP<br />
Hidden World <strong>CD</strong><br />
jadetree.com | Vor zwei Jahren erschien via Deranged Records<br />
das erste Album der 2001 gegründeten Kanadier aus<br />
Toronto, jetzt haben sie bei Jade Tree unterschrieben und<br />
mit „Hidden World“ die<br />
neue Scheibe raus. In Rezensionen<br />
der bisherigen<br />
Releases fällt auf, dass als<br />
Referenz immer wieder<br />
NEGATIVE APPROACH<br />
genannt werden, speziell<br />
was das rauhe Organ <strong>von</strong><br />
deren Frontmann John<br />
Brannon anbelangt. Nun<br />
hat Frontmann Pink Eyes<br />
in der Tat ein herrlich gröliges<br />
Organ, das die Band<br />
auch für No Idea qualifiziert<br />
hätte, doch erinnert mich sein stimmlicher Einsatz<br />
auch viel weniger an Brannons Hardcore-Tage als vielmehr<br />
an die unfassbar grandiosen Nachfolger LAUGHING<br />
HYENAS, die heute leider völlig in Vergessenheit geraten<br />
sind. Für eine Jade Tree-Band weisen FUCKED UP mit ihrem<br />
doch sehr subtilen Bandnamen zudem einen starken<br />
britischen Grölpunk-Einschlag auf, erinnern mich mit ihrem<br />
düsteren, bei aller Hardcore-Wuchtigkeit aber auch<br />
melodiösen Sound zudem an die beste Phase <strong>von</strong> POISON<br />
IDEA, an deren „Feel The Darkness“-Album. Klischees bedienen<br />
andere, FUCKED UP sind Wut und Verzweiflung in<br />
ihrer denkbar besten Musikwerdung. Ach ja, wer Hardcore<br />
mit kurzen Song-Granaten gleichsetzt, der sollte sich fernhalten,<br />
denn FUCKED UP sind Meister des epischen Songwritings,<br />
verteilen die 72 Minuten Spielzeit auf gerade mal<br />
13 Songs, <strong>von</strong> denen ein einziger unter drei Minuten bleibt<br />
... (72:31) (8) Joachim Hiller<br />
FALLOPIAN<br />
Dammit, Eat Your Pudding <strong>CD</strong><br />
Avebury | Vier Los Angeles-Ladys, die schon recht abgefahren<br />
aussehen und kleidungstechnisch irgendwo zwischen<br />
1975 und 1985 stehen geblieben sind, machen Musik. Und<br />
die ist laut, gitarrenlastig, ohne Struktur und natürlich abgefahren<br />
wie die Damen selber. Das Quartett präsentiert mit<br />
„Dammit, Eat Your Pudding“ 17 Songs in weniger als einer<br />
halben Stunde. Da wird geschrieen, auch gesungen und der<br />
Punk in euch darf sich auch freuen: musikalisch setzen sich<br />
die Mädels keine Grenzen beziehungsweise brechen selbige,<br />
viele rigoros, fast schon strategisch. Auch textlich ist das Album<br />
abgefahren, denn da geht es nicht nur darum, endlich<br />
den Pudding aufzuessen, sondern auch um Beischlaf mit einem<br />
Baum, um Pelikane und noch viel mehr. Geht in Richtung<br />
THE BOBBYTEENS oder GRAVY TRAIN! Für manche<br />
mag es zu over-the-top sein, ich finde: Das ist Spannung,<br />
Spiel und Musik! (27:03) (6) Sarah Shokouhbeen<br />
FOTOS<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
Labels/EMI | FOTOS. Nicht DIE FOTOS, nicht THE FO-<br />
TOS, einfach nur FOTOS. Gut so, hört sich die erste Variante<br />
doch eher bescheuert an, und die zweite sowieso. Und<br />
jetzt? Schwierig! Ist die Frage, ob es eher ungewohnt scheint,<br />
britischen Indiepop mit deutschen Texten zu hören, ob eine<br />
gewisse Voreingenommenheit vorurteilt oder was es auch<br />
immer sein mag, was mir den Zugang verwehrt ... noch! Dabei<br />
könnten Songs wie „So fremd“ oder „Es reisst uns auseinander“<br />
rein musikalisch gesehen zweifelsohne <strong>von</strong> der<br />
BLOC PARTY oder PANIC AT THE DISCO stammen. Ich<br />
glaube, es ist die Kombination aus ungewohnt und voreingenommen,<br />
die mich noch Abstand halten lässt, aber da ist<br />
das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. Und es würde<br />
mich keinesfalls wundern, wenn ich schon bald den Opener<br />
„Komm zurück“ oder das ungemein radiotaugliche „Giganten“<br />
im Club spielen werde, um es funktionieren zu sehen.<br />
Ja, vermutlich! Vielleicht ist das FOTOS-Debütalbum<br />
schon bald eine meiner Lieblingsplatten und es wird mich<br />
im Nachhinein ärgern, wenn ich ihr zum jetzigen Zeitpunkt<br />
nur sechs Punkte gebe. Oder sieben? Oder ... (38:24) (6)<br />
tom van laak<br />
FRAU MANSMANN<br />
Zu Besuch in der Boppstraße <strong>CD</strong><br />
bakraufarfita-records.de | Rotziger und anspruchsloser<br />
Punkrock, wie ich ihn liebe. Aggressiv und mit Scheißegal-weil-ich-bin-Gott-Attitüde,<br />
ein echter und ehrlicher<br />
Lichtblick zwischen dem ganzen restlichen Schrott.<br />
Claus Lüer aka KNOCHENFABRIK, CASANOVAS SCHWU-<br />
LE SEITE und CHEFDENKER hielt mal wieder als Inspirationsquelle<br />
hin – muss ich noch mehr sagen? Das einzige, was<br />
mich nervt: Was soll ich mit einer EP, wieso nur fünf läppische<br />
Lieder? Setzt euch gefälligst auf euren Arsch, ich will<br />
mehr!(15:17) (7) Katrin Schneider<br />
FEVERDREAM<br />
You Are Happen!ng <strong>CD</strong><br />
Coalition | Das Trio aus Rotterdam gehört nach drei bemerkenswerten<br />
Alben zu denjenigen Gruppen, die man als<br />
Kritiker genauer im Auge behält und so war ich besorgt, als<br />
Bassistin Saskia Anfang 2005 die Band verließ. Etwas später<br />
gründeten Sänger Rene und Drummer Arnold mit AT NO<br />
BIKINI BEACH eine neue Band, standen mit Damo Suzuki<br />
<strong>von</strong> CAN auf der Bühne und all dies stärkte nicht gerade<br />
meinen Glauben an ein Fortbestehen <strong>von</strong> FEVERDREAM.<br />
Nun nimmt es aber doch noch ein gutes Ende, denn mit<br />
„You Are Happen!ng“ meldet sich die Band zurück und hat<br />
sich zudem selbst übertroffen. Teils indem man einige clevere<br />
Schachzüge machte, teils durch die Fortführung bekannter<br />
Elemente. Eine brillante Idee war es sicherlich, die femininen<br />
Vocals beizubehalten, und wer könnte dafür besser<br />
geeignet sein als die holländische Queen of Trash Elle Bandita?<br />
Nun hört man Elles Stimme in vier Liedern. <strong>Die</strong> schrägen<br />
Akkorde sind temporeicher geworden, die Riffs etwas verträglicher,<br />
der Gesang euphorischer und insgesamt scheint<br />
man an den Herausforderungen gewachsen zu sein. Gesanglich<br />
gibt sich Rene Mühe, eine eigene Rhythmik zu schaffen,<br />
statt sich an die restlichen Instrumente anzupassen. <strong>Die</strong>s bereichert<br />
das Postcore-Album um eine weitere Facette und<br />
die Prise R&B ist sicherlich auch nicht alltäglich. Ganz hervorragend!<br />
(36:14) (8) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
FREQUENCY<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
Thrill Jockey/Rough Trade | Warum diese <strong>CD</strong> laut Thrill<br />
Jockey eigentlich nur an Jazz-Magazine verschickt werden<br />
sollte, verwundert wenig, denn dieses aus der facettenreichen<br />
Chicagoer Jazz-Szene stammende Quartett, bestehend<br />
aus Ed Wilkerson, Nicole Mitchell, Harrison Bankhead und<br />
Avreeayl Ra, macht bei den ersten beiden Tracks gut klar, wes<br />
Geistes Kind sie sind. Wilde Improvisations-Free-Jazz-Kakophonien,<br />
die aber gerade durch ihre straffe rhythmische<br />
Basis nie aus dem Ruder laufen und spannend bleiben. Danach<br />
wird es beim knapp 19-minütigen „Satya“ etwas ruhiger,<br />
aber auch deutlich experimenteller, was irgendwie<br />
an gewisse Sun Ra-Kompositionen erinnert und durchaus<br />
Soundtrack-Qualitäten besitzt. Dass diese äußerst vielschichtige<br />
Platte, die auch sehr schöne ruhige und melodische<br />
Momente besitzt, letztendlich bei einem Label wie<br />
Thrill Jockey erschien, hängt sicher damit zusammen, dass<br />
hier exzellente Musiker am Werk sind, die ihre Musik stilistisch<br />
offen halten können und deren Fähigkeiten man mit<br />
dem Etikett Jazz nur begrenzt gerecht wird. FREQUENCY<br />
schaffen hier extrem atmosphärische Kompositionen mit<br />
clever strukturierten Spannungsbögen und Wendungen, auf<br />
die man sich allerdings wirklich einlassen muss, um sie in<br />
vollem Umfang über 70 Minuten erfahren wie genießen zu<br />
können. Jazz ist eben nicht gleich Jazz. (9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
FORM OF ROCKET<br />
Men <strong>CD</strong><br />
sickroomrecords.com | Manchmal habe ich magische<br />
Kräfte. Hier etwa: Ich suche nach der Adresse des Labels, die<br />
weder auf der <strong>CD</strong> noch auf dem Infosheet steht, finde sie<br />
versteckt auf der Website und habe das Gefühl, immer gewusst<br />
zu haben, dass dieses in Chicago ansässig ist. Klar, wo<br />
bitte soll ein Label, das so eine frickelige, komplexe Band<br />
wie FORM OF ROCKET veröffentlicht, auch sonst herkommen?<br />
Sechs Jahre existieren die schon, „Men“ ist ihr drittes<br />
Album, und es hat mich sofort begeistert: Punk-Wut (irgendwas<br />
erinnert mich hier ganz seltsam an AGENT ORAN-<br />
GEs „Bloodstains“) trifft auf NOMEANSNO-like Strukturiertheit,<br />
jazziges Gefrickel auf psychotische JESUS LI-<br />
ZARD-Manie, THESE ARMS ARE SNAKES auf STEAKKNIFE<br />
(letzteres gerade gesanglich), und wer schon immer Probleme<br />
damit hatte, ruhig auf seinem Stuhl zu sitzen, sollte dieses<br />
dunkle, gefährliche Etwas besser nicht in seine Nähe lassen.<br />
Und wer schon immer Mal ein Gefühl dafür bekommen<br />
wollte, wie es sich anfühlt, den Verstand zu verlieren,<br />
der sollte sich parallel zum Anhören des Albums das Gekritzel<br />
im Booklet durchlesen ... Ich habe Angst vor dieser Band!<br />
(8) Joachim Hiller<br />
P PAUL FENECH<br />
The „F“ Word <strong>CD</strong><br />
People Like You | Eine Band ist mit Psychobilly so eng verbunden<br />
wie keine andere: THE METEORS und deren Mastermind<br />
P Paul Fenech stehen für den puren Psychobilly.<br />
<strong>Die</strong> Betonung liegt bei diesem Statement auf pur und nicht,<br />
wie häufig falsch verstanden darauf, die einzige Psychobilly-Band<br />
zu sein. Mit seinen Soloprojekten bewegt sich Fenech<br />
aus diesem selbst auferlegten Puristentum heraus und<br />
lässt musikalische Einflüsse wirken. <strong>Die</strong>se sind Folk, Country,<br />
zusätzliche Instrumentierung mit Klavier oder sogar<br />
Duette. Alles bewegt sich natürlich nicht allzu weit vom<br />
Sound der METEORS weg und ist somit eine willkommene<br />
Abwechslung. „The „F“ Word“ zeigt zudem, welch guter<br />
Musiker Fenech ist. Er beherrscht sein Handwerk und wird<br />
auch mit fortschreitendem Alter nicht schwächer. Wenn beklagt<br />
wird, dass THE METEORS sich nicht weiterentwickeln<br />
würden, dann kommt hier die Gegenthese. Sie könnten es,<br />
aber wollen nichts ändern. Dazu gibt es diese Soloprojekte.<br />
(42:55) (7) Robert Noy<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
FRENCH TOAST<br />
Ingleside Terrace LP/<strong>CD</strong><br />
dischord.com | Mit „Pattern“ war FRENCH TOAST letztes<br />
Jahr auf ihrem Debütalbum „In A Cave“ ein faszinierender,<br />
<strong>von</strong> einem betörenden Beat getriebener Hit mit Tanzflächentauglichkeit<br />
geglückt, ja, das ganze Album strahlte<br />
eine einlullende Coolness aus. Und nun also „Ingleside Terrace“,<br />
auf dem erstmals das neue Bandmitglied Ben Gilligan<br />
zu hören ist, mit dessen Hinzunahme Jerry Busher und James<br />
Canty ihr Duo zum Trio machten. Dessen zweites Album<br />
produzierte James’ Bruder Brendan, den man wiederum<br />
als Mitglied <strong>von</strong> FUGAZI kennt, und es fällt mir echt<br />
schwer, es einzugestehen, aber FRENCH TOAST sind heute<br />
eine unspannendere Band als noch mit „In A Cave“. Nur an<br />
manchen Stellen blitzt noch dieser faszinierende, federnde<br />
Beat auf, ist der elektronische Einfluss einem ganz normalen<br />
Indierock-Sound gewichen. Den beherrschen FRENCH<br />
TOAST freilich, fügen sich damit bestens in den paradoxerweise<br />
ja gar nicht wirklich existierenden Labelsound<br />
ein, aber das, was „In A Cave“ ausmachte, dessen sind die<br />
neuen FRENCH TOAST verlustig gegangen. Sehr schade, es<br />
macht die Band ein ganzes Stück normaler (auf keinen Fall<br />
schlechter), und bremst meine Euphorie merklich. (40:03)<br />
(7) Joachim Hiller<br />
FIREBIRD<br />
Hot Wings <strong>CD</strong><br />
Rise Above | Das vierte Album <strong>von</strong> Bill Steer, ehemals NA-<br />
PALM DEATH und CARCASS, lebt natürlich immer noch in<br />
den 60ern und 70ern der Rockmusik. „Hot Wings“ kommt<br />
mit seinen 10 Songs aber viel rockiger und stärker rüber, als<br />
der eher etwas gediegener ausgefallene Vorgänger „No. 3“.<br />
Was in meinen Ohren jedoch immer noch der offensichtliche<br />
Makel des Ganzen ist, bleibt die doch recht schwache<br />
Stimme <strong>von</strong> Bill Steer. Klar, man braucht für diese Art<br />
<strong>von</strong> Musik nicht unbedingt so ein Organ wie Spice oder JB<br />
<strong>von</strong> den SPIRITUAL BEGGARS, doch mehr Kehle und Röhre<br />
würde dem Ganzen doch ganz gut tun. Rein musikalisch<br />
kann man bei FIREBIRD nichts verkehrt machen, wenn<br />
man auf Jimi Hendrix, LED ZEPPELIN, bluesige ROLLING<br />
STONES oder auch AC/DC steht, doch wie schon erwähnt,<br />
fehlt mir der Kick in der Stimme, der das Feuer entfacht und<br />
die Songs zum Leben erweckt – etwas schade. (38:32) (6)<br />
Ross Feratu<br />
GOTT & DIE WELT<br />
Ihr werdet schon sehen! MC<br />
damenklorecords.de | Eine 7-Track-EP auf Kassette<br />
– das kann doch nur <strong>von</strong> Damenklo Records<br />
kommen, die vor einiger Zeit auch schon das Album<br />
„Dinge <strong>von</strong> Bestand“ <strong>von</strong> GOTT & DIE WELT<br />
G<br />
ausschließlich auf Vinyl veröffentlichten. Und<br />
auch mit dem Medium Tape haben sie Erfahrung,<br />
denn bei den den sympathischen Mittelfranken erschien<br />
ebenfalls ein solches <strong>von</strong> HELP ME, RHONDA. Im Gegensatz<br />
zu den beiden Veröffentlichungen stört mich an dieser<br />
Kassette allerdings, dass sie etwas lieblos gemacht ist. Klar,<br />
<strong>Die</strong> Bands der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong><br />
01_PANIC (Boston, L.A., NYC, USA): Nach der Auflösung<br />
<strong>von</strong> PANIC im Jahr 2002 fand man die Bandmitglieder<br />
bei Größen wie AMERICAN NIGHTMA-<br />
RE, GIVE UP THE GHOST und THE EXPLOSION wieder.<br />
Mit einem neuen Album namens „Circles“, das<br />
bei Reflections Records erscheint, schließt sich nun<br />
der Kreis.<br />
02_MOJOMATICS (Venice, Italy): Auf „Songs<br />
For Faraway Lovers“ (Alien Snatch Records) zeigt das<br />
venezianische Duo Dav und Matt, dass ihr knarziger<br />
(Po-)Delta-Blues-Garage-Punk auch eine ruhige Seite<br />
hat und überlassen die immer gleichen Garage-<br />
Rüpeleien lieber den anderen.<br />
03_P Paul Fenech (London, UK): Keine Band<br />
ist mit dem Begriff Psychobilly enger verbunden als<br />
die METEORS. Mit seinen Soloprojekten löst sich deren<br />
Mastermind P Paul Fenech aus diesem selbst<br />
auferlegten Purismus und verarbeitet Einflüsse wie<br />
Folk und Country – ohne sich allerdings zu weit vom<br />
Sound der METEORS zu entfernen.<br />
04_THE MANGES (La Spezia, Italy): <strong>Die</strong> MAN-<br />
GES spielen nach wie vor das, was sie am besten<br />
können: Pop-Punk in Perfektion, streng nach dem<br />
SCREECHING WEASEL/QUEERS-Gesetz. Mit ihren kritischen<br />
Texten gehen sie allerdings weit über den<br />
üblichen Girls&Party-Kosmos des Genres hinaus.<br />
05_BANKRUPT (Budapest, Hungary): Der<br />
Name des neuen BANKRUPT-Albums ist Programm:<br />
„Shorter Than Danny DeVito“ bietet elf Songs in weniger<br />
als 22 Minuten, die jeden Freund <strong>von</strong> catchy<br />
Punkrock-Tunes à la BEATNIK TERMITES oder PARA-<br />
SITES vor Begeisterung frohlocken lassen werden.<br />
06_McRACKINS (Vancouver, Canada): Das eierköpfige<br />
Trio aus Kanada ist zurück und hat mit<br />
„Bat Out Of Shell“ (Wynona Records) ein hervorragendes<br />
und hochmelodisches Pop-Punk-Album in<br />
bester QUEERS-Tradition im Gepäck, das die tollen<br />
Hooklines der BEACH BOYS mit der Energie der RA-<br />
MONES vermischt.<br />
07_THE TURBO AC’s (New York, NY, USA):<br />
Nach dem Ausstieg <strong>von</strong> Bassist Mike Dolan haben<br />
die TURBO AC’s nicht nur diesen ersetzt, sondern bei<br />
der Gelegenheit gleich noch einen neuen Gitarristen<br />
verpflichtet und sich mal eben neu erfunden.<br />
Der frische Wind, der auf „Live To Win“ weht, hat den<br />
Surfpunk-Rock’n’Rollern hörbar gut getan.<br />
08_SEWERGROOVES (Kiruna, Sweden):<br />
Mit ihrem fünften Longplayer haben sich die<br />
SEWERGROOVES längst vom Schwedenrock-Hype<br />
freigeschwommen, der vor Jahren wie eine Grippe<br />
grassierte. Genau das macht „Rock’n’Roll Receiver“<br />
zu einer zeitlosen und rundum gelungenen Angelegenheit.<br />
09_TRASHCAN DARLINGS (Oslo, Norway):<br />
War man in der Vergangenheit versucht, die lustiger<br />
Bühnenverkleidung gegenüber aufgeschlossenen<br />
Schätzchen eher in die Glam-Rock-Tonne zu packen,<br />
machen die Norweger diesmal musikalisch,<br />
wie <strong>von</strong> der Attitüde her klar, wer und was sie sind:<br />
„Me punk, you fuck“. Selber!<br />
10_THE SPOOKSHOW (Avesta, Sweden):<br />
Dass man ausgerechnet im Horrorpunk mit einer<br />
Frau am Mikrofon als Freak gilt, ist sicherlich eine<br />
der größten Kuriositäten der Popkultur. In diesem<br />
Genre ist man schließlich ganz andere Gestalten gewohnt<br />
als Miss Behave und ihre schöne Stimme.<br />
11_ROTTEN APPLES (Seattle, WA, USA): Schade,<br />
dass ihr die rot-weiß gefleckte Seven Inch gerade<br />
nicht sehen könnt, denn die ist so lecker, dass<br />
manch einer sie lutschen möchte. Doch auch musikalisch<br />
darf man zwischen BELLRAYS und GHETTO<br />
WAYS auf den Geschmack kommen.<br />
12_THE HEROINES (Stuttgart, Germany): Vier<br />
Jahre haben sich die HEROINES für ihr zweites Album<br />
Zeit gelassen und zwischenzeitlich die halbe<br />
Mannschaft ausgetauscht. Deshalb muss Fräulein<br />
Galactica auf „Hurts So Good“ nicht nur Gitarre spielen,<br />
sondern auch singen.<br />
13_2ND DISTRICT (Bochum, Germany)<br />
Bochums Vorzeigepunkrockband hat mit „Emotional<br />
Suicide“ ein verdammt gutes Streetpop-Punk-<br />
Album vorgelegt, das allein durch Marc Aders wirklich<br />
einzigartige Stimme schon seinen Wiedererkennungswert<br />
besitzt. Besser als ein Großteil des<br />
ewig gleichförmigen, zumeist gegrölten Rests der<br />
Straße.<br />
14_STREET DOGS (Boston, MA, USA): Es<br />
scheint ein Gesetz zu geben, dass es Bostoner Bands<br />
verbietet, schlechte Alben zu machen, denn auch<br />
die STREET DOGS um den ehemaligen Sänger und<br />
Mitbegründer der DROPKICK MURPHYS Mike Mc-<br />
Colgan treffen genau ins Schwarze.<br />
15_SIR WILLIAM HILLS (Basel, Switzerland):<br />
Benannt nach einem Buchmacher treffen bei SIR<br />
WILLIAM HILLS die prägnanten 77er Pop-Punk-<br />
Nummern der BUZZCOCKS auf die Songstrukturen<br />
der WHITE STRIPES. <strong>Die</strong>se Band hat mehr zu bieten<br />
als die ganzen Wave- und Indie-Klone, die derzeit<br />
die Insel unsicher machen.<br />
16_CREETINS (Kiel, Germany): Mit einem größeren<br />
Label im Rücken, das ordentlich Wind in die Segel<br />
des Kieler Punkrock-Dreiers bläst, steht der Frage<br />
„Wo bitte geht es zum Stadion?“ nichts mehr<br />
im Weg. Hymnischer als auf „The City Screams My<br />
Name“ geht es nun wirklich nicht mehr.<br />
17_COR (Bergen, Germany): COR (ohne E hinten)<br />
kommen aus Rügen, und da soll es zwar sehr schön<br />
sein, aber eine Punkrock-Hochburg ist die Insel hoch<br />
im Norden sicher nicht. Und doch hält die Band genau<br />
dort als einsamer Leuchtturm der Gegenkultur<br />
die Stellung.<br />
18_NARZISS (Jena, Germany): <strong>Die</strong> meisten<br />
Bands mit dem Prädikat „Metalcore“ verdienen keine<br />
weitere Beachtung, bei dem Quintett aus Thüringen<br />
ist das hingegen anders. Was nicht nur an<br />
den deutschen Lyrics liegt, sondern auch an den feinen<br />
Melodien, die man sonst eher bei schwedischen<br />
Death Metal-Bands erwartet hätte.<br />
19_LOWER FOURTY-EIGHT (San Francisco,<br />
CA, USA): Dynamischer, druckvoller Noisecore<br />
mit Groove und dem Hang zu komplexer Rhythmik,<br />
wütend und aggressiv, im Zweifelsfall eher kickend<br />
als verspielt und teils auch nah dran an strangen, alten<br />
SST-Bands. Beeindruckend an L48 ist vor allem<br />
die mathematische Präzision, mit der hier Druck erzeugt<br />
wird.<br />
20_KURHAUS (Hamburg, Germany): Stacheldraht-Musik<br />
mit durcheinander wirbelndem, mehrstimmigem<br />
Gesang, der <strong>von</strong> sehr melodiös in Sekundenbruchteilen<br />
zu harsch und aggressiv wechselt,<br />
eine Band zwischen den Stühlen, zwischen Indierock<br />
und Hardcore, zwischen ROBOCOP KRAUS<br />
und REFUSED, zwischen Dancepunk und Screamo,<br />
zwischen JR EWING und FUGAZI.<br />
21_Claus Grabke (Gütersloh, Germany): Während<br />
andere Musiker und Künstler, die ein unstetes<br />
Leben führen, mit fortschreitendem Alter gesetzter<br />
werden, das heißt „erwachsen“, will es Claus Grabke<br />
noch einmal wissen.<br />
22_POWERMAN 5000 (Boston, MA, USA): <strong>Die</strong><br />
Band um Sänger Spider, dem kleinen Bruder <strong>von</strong><br />
Rob Zombie, klingt auf „Destroy What You Enjoy“ ungewohnt<br />
punkrockig, vor allem für diejenigen, die<br />
POWERMAN 5000 bisher nur in ihrem familiären<br />
Kontext betrachtet haben. Denn die Elektro-Metal-<br />
Schiene wird mittlerweile nur noch selten gefahren.<br />
23_HELLSONICS (Antwerp, Belgium): <strong>Die</strong> Frage,<br />
ob das nun Blut ist, das der Dame auf dem Cover<br />
aus dem Mund läuft, oder ob sich in der morgendlichen<br />
Hektik lediglich der Lippenstift verirrt<br />
hat, erübrigt sich bereits nach dem ersten Zupfen<br />
am Slap-Bass.<br />
24_MILWAUKEE WILDMEN (Netherlands):<br />
Der fliegende Holländer dürfte den meisten ein<br />
Begriff sein. Auf „Strike Back“ wird nun sein wilder<br />
Landsmann vorstellig. Warum der allerdings vorgibt,<br />
aus Milwaukee zu stammen, bleibt ein Rätsel.<br />
Dafür ist aber die Schublade eindeutig: New School<br />
Psychobilly.<br />
25_DUESENJAEGER (Osnabrück, Germany):<br />
Der MUFF POTTER-Vergleich hinkt zwar, trotzdem<br />
lassen sich natürlich Parallelen ausmachen:<br />
deutschsprachiger Punkrock mit Herz und Verstand<br />
und mit Knüppel aus dem rhetorischen Sack, statt in<br />
der mit Parolen verschmierten Tasche.<br />
26_SEDLMEIR (Berlin, Deutschland): <strong>Die</strong>se Musik<br />
ist seltsam ungelenker, kantiger Rock mit Cheapo-Elektro-Effekten<br />
in reduzierter Version, der klingt<br />
wie aus dem Bausatz, aber wegen der Verschmitztheit,<br />
mit der er rübergebracht wird, dann doch zu<br />
gefallen weiß. Alleinunterhaltermucke für Langzeitstudenten-Absturzkneipen.<br />
27_MITOTE (München, Germany): Wer nicht alle<br />
seine Ideale über Bord geworfen hat und auf intelligenten,<br />
astrein komponierten, deutschen Punkrock<br />
steht, der nicht auf eine hohe Chartplatzierung<br />
schielt, ist bei MITOTE garantiert an der richtigen<br />
Adresse.<br />
28_OHL (Leverkusen, Germany): <strong>Die</strong> OBERSTE<br />
HEERESLEITUNG und ihr knallharter Deutschpunk<br />
haben klare Feindbilder: Religiöser Fanatismus, politischer<br />
Radikalismus, Terrorismus und Nationalismus.<br />
Bei „Feindkontakt“ darf es auch gerne mal etwas<br />
martialisch zur (guten) Sache gehen.<br />
29_CAPSIZED (Pfarrkirchen, Germany): Auch<br />
wenn sich CAPSIZED nicht nach dem gleichnamigen<br />
SAMIAM-Song benannt haben sollten, eine<br />
ähnliche Vorliebe für druckvolle Riffs kann man<br />
durchaus konstatieren. Und genügend Wiedererkennungswert,<br />
um sich in einem solchen Kontext zu<br />
etablieren, ist auch gegeben.<br />
30_FUNERAL MARCH (Dortmund, Germany):<br />
Hier wird ordentlich in die 70er Streetpunk-Kerbe<br />
gehauen. Rau und hart kombinieren die vier Dortmunder<br />
STITCHES-Sound mit soliden Hardcore-<br />
Elementen, die teilweise gar an RISE AGAINST oder<br />
GOOD RIDDANCE erinnern.<br />
31_SKANKING SCUM (Rosenheim, Germany):<br />
Verdammt schneller Hardcore-Punk und rootsiger<br />
60s Ska aus Niederbayern. „Bombed“ ist ein wirklich<br />
mächtiger Titeltrack – Bläsercore à la BLOW HARD,<br />
dunkel arrangiert und ideenreich.<br />
<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 0<strong>69</strong><br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd <strong>69</strong> 22.09.2006 20:51:36 Uhr
Fotocopy-Cover ist cool, aber die kleinen Gimmicks wie<br />
farbiges Tape und liebevolles Artwork, die fehlen. Musikalisch<br />
wird ebenfalls die totale LoFi-Schiene gefahren. <strong>Die</strong><br />
eigentlich sehr melodischen und poppigen Punk-Songs <strong>von</strong><br />
GOTT & DIE WELT schrammeln am Rande des qualitativ erträglichen<br />
durch die sehr kurze Spielzeit des Tapes (ich hab<br />
es ganze 2,5 Mal gehört, während ich diese Zeilen schrieb!).<br />
Doch Schwamm drüber, denn alleine das piepsige Keyboard<br />
in „Hüftgold“ war es wert, mein Tapedeck vom Regal zu holen,<br />
und die naiv-niedlich-nachdenklichen Texte allemal!<br />
Nächstes Mal aber bitte wieder mit etwas mehr Liebe basteln.<br />
Jan Eckhoff<br />
GREAT BERTHOLINIS<br />
Objects Travel In More Than One Direction <strong>CD</strong><br />
hazelwood.de | <strong>Die</strong> GREAT BERTHOLINIS sind heimisch in<br />
Bayern, oder halt, nein, in Ungarn – so behauptet es zumindest<br />
der Infotext. Ist ja auch egal. <strong>Die</strong> GREAT BERTHOLINIS<br />
stammen also aus einer<br />
befreundeten, östlich gelegenen<br />
Nation und spielen,<br />
um das gleich vorweg<br />
zu nehmen, ganz bezaubernd<br />
eigenwillige Musik.<br />
Vergleiche ziehen könnte<br />
man allenfalls zu einigen<br />
dieser, hierzulande<br />
wenig bekannten, amerikanischen<br />
Dark Cabaret-<br />
Bands, wie REVEREND<br />
GLASSEYE, DEVOTCHKA<br />
oder HUMANWINE. Als<br />
grobe Orientierungshilfe: Man kann solchen Bands leicht<br />
begegnen, wenn man bei der WORLD/INFERNO FRIEND-<br />
SHIP SOCIETY losläuft und sich dann immer Richtung Tom<br />
Waits hält. Das Werkzeug der GREAT BERTHOLINIS, mit<br />
dem sie ihre Songs zwischen Americana, Swing und osteuropäischem<br />
Folk kreieren, umfasst unter anderem Trompete,<br />
Posaune, Piano und Banjo. Unkonventionelles Songwriting<br />
und Details wie der Akzent des Sängers, Interludien,<br />
nettes Artwork oder eben jener erfundene Hintergrund<br />
um eine ungarische Zirkusfamilie, machen diese Platte zu<br />
einem einnehmenden und stimmungsvollen Gesamtkunstwerk.<br />
(47:35) (8) Ferdinand Praxl<br />
GORCH FOCK<br />
Thriller <strong>CD</strong><br />
australiancattlegod.com | Album Nr. 3 der Texaner aus der<br />
Hauptstadt Austin. Das neue Album werde Feuer zum Thema<br />
haben, sagte der Frontmann vor den Aufnahmen zu einem<br />
Journalisten, und damit hatte er leider recht: Während<br />
der Aufnahmen zu „Thriller“ (und ohne dass jemand verletzt<br />
wurde) brannte das legendäre Sweatbox-Studio zu<br />
Austin aus, doch als die Band sich an Polizeiabsperrungen<br />
vorbei in die Ruine schlich, fand sie in Mitten der Zerstörung<br />
ihre Masterbänder – unzerstört. So die Legende. Weshalb<br />
die Band, die unlängst bei zwei <strong>von</strong> drei Reunion-Konzerten<br />
ihrer großen Vorbilder SCRATCH ACID den Opener<br />
machen durfte, sich nach dem norddeutschen Heimatdichter<br />
Gorch Fock (1880-1916) benannt hat, ist mir zwar immer<br />
noch nicht klar, aber ganz sicher gehört die Band zu<br />
den Guten mit ihrem strangen, komplexen Noiserock, der<br />
sich irgendwo im Spannungsfeld zwischen MELVINS, NO-<br />
MEANSNO (deren „The river“ wird gecovert), BUTTHOLE<br />
SURFERS und eben SCRATCH ACID (Ehrerbietung mittels<br />
„Mary had a little drug problem“-Cover) bewegt. Besonders<br />
hervorgehoben werden muss auf jeden Fall die sehr räumliche,<br />
druckvolle Produktion, und wer immer die oben erwähnten<br />
Bands schätzt, sollte unbedingt reinhören, denn es<br />
gibt ja kaum noch welche dieser Güteklasse. Cooles Label<br />
übrigens, mit diversen anderen feinen Releases. (51:43) (8)<br />
Joachim Hiller<br />
rereleases<br />
ALLMAN BROTHERS BAND<br />
Gold 2<strong>CD</strong><br />
Universal | <strong>Die</strong> Band ist eines dieser traditionellen US-<br />
Rock-Phänomene <strong>von</strong> Ende der Sechziger und Anfang der<br />
Siebziger, gilt neben LYNYRD SKYNRD als klassischer Vertreter<br />
des Southern Rock – und ist für jemand, der mit Punk<br />
aufgewachsen ist, noch viel weniger zu verdauen als eben<br />
erwähnte, als CCR und ähnliche klassische US-Rockbands<br />
dieser Jahre. Bei „Blues-Rock“ zucke ich instinktiv zurück,<br />
aber man ist ja offener geworden über die Jahre, erkennt die<br />
Größe des klassischen Blues’, hat gegen erdigen Rock noch<br />
nie was einzuwenden gehabt, doch die ALLMAN BROT-<br />
HERS BAND verkörpert letztlich das typische, langatmige<br />
Hippie-Gedudel, das mich schon immer abgestoßen hat.<br />
In den USA freilich sind sie nach diversen Auflösungen und<br />
Reunions längst zu Helden geworden, doch eine Schnittstelle<br />
zu heutigen für uns relevanten Bands kann ich beim<br />
besten Willen nicht erkennen, auch wenn hier gerne mal<br />
der Begriff „Swamp Rock“ verwendet wird. Joachim Hiller<br />
ÄRZTE<br />
Bäst Of 2<strong>CD</strong><br />
Hot Action Records/Universal | Hui, das Ding sieht aber<br />
schick aus! Oder wie es das Label ausdrückt: sauaufwendig.<br />
In eben einer so gestalteten, ziemlich schweren Stahlbox<br />
mit ausgestanztem riesigen „ä“ (aber mit drei Pünktchen)<br />
stecken insgesamt 180 Minuten Best of DIE ÄRZTE auf<br />
zwei <strong>CD</strong>s und ein reich bebildertes und mit Linernotes sowie<br />
vielen wichtigen Informationen über die hier versammelte<br />
Musik versehenes Booklet (<strong>Die</strong> <strong>CD</strong>s als auch der Umschlag<br />
des Booklets sind wiederum mit je einem verschiedenfarbigen<br />
„ä“ bedruckt, so dass man jederzeit das Erscheinungsbild<br />
der Box seiner Tageslaune anpassen kann). Wobei<br />
„Bäst Of“ ein etwas irreführender Titel ist, denn eigentlich<br />
handelt es sich um eine Compilation aller seit der Reunion<br />
1993 erschienenen DIE ÄRZTE-Singles. Wobei sich gerade<br />
auf den B-Seiten der Singles oftmals mit die besten Songs<br />
der Berliner überhaupt fanden, insofern stimmt „Bäst Of“<br />
dann doch irgendwie. Fünfzig Songs sind es insgesamt auf<br />
„Bäst Of“, 25 A-Seiten auf <strong>CD</strong> 1, 25 B-Seiten auf <strong>CD</strong> 2. Wer<br />
angesichts der Tatsache, dass sich auf der B-Seite einer DIE<br />
ÄRZTE-Single oftmals mehr als nur ein Song befand, jetzt<br />
eine Unregelmäßigkeit wittert, dem sei zugestimmt: Ja, es<br />
sind nicht alle Songs aller B-Seiten dabei, sondern nur eine<br />
Auswahl, das Ding heißt also wirklich nicht umsonst „Bäst<br />
Of“. Womit den treuen Singlekäufern etwas Exklusivität<br />
in Form <strong>von</strong> nur dort vorhandenen Songs gelassen wurde.<br />
Über die Musik der besten deutschen Band der Welt (wie es<br />
einst Tom van Laak in Abänderung der Selbstbeschreibung<br />
der DIE ÄRZTE einst so treffend ausdrückte) muss ich mich<br />
nicht weiter auslassen, oder? Dafür gibt’s die volle Punktzahl,<br />
Ausfälle oder Stinker gibt es nämlich keine hier. Das<br />
Ding gibt’s übrigens auch als 5 LP-Stahlbox, wobei sich die<br />
A-Seiten der Singles auf den A-Seiten der LPs befinden, und<br />
die B-Seiten auf den B-Seiten. (10) André Bohnensack<br />
ALICE IN CHAINS<br />
The Essential ... 2<strong>CD</strong><br />
Columbia/Sony BMG | Grunge, da war doch mal was. Damit<br />
wir das ja nicht vergessen, gibt’s mal wieder, bereits zum<br />
vierten Mal, eine Compilation dieser doch reichlich klischeehaften<br />
Rockband der 90er, deren Sänger Layne Staley<br />
2002 einen höchst uncoolen Drogentod starb. Staleys aufdringliches<br />
Geheule war es auch, das ALICE IN CHAINS<br />
immer zu einer der nervtötendsten Bands dieser Gattung<br />
machte, auch wenn Gitarist Jerry Cantrell durchaus für<br />
070 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />
GROWING<br />
Color Wheel <strong>CD</strong><br />
rockactionrecords.com/PIAS | Eigentlich hätten GRO-<br />
WING (einst Olympia, WA, jetzt NYC) im September mit<br />
MOGWAI auf Tour gehen sollen, stattdessen musste man<br />
den uncharismatischen Laptop-Langweiler Kid 606 ertragen.<br />
Mit Album No. 4 ist das einst auf Kranky veröffentlichende<br />
Duo zu Rock Action gewechselt, hat sich passenderweise<br />
<strong>von</strong> Dave Bryant (GODSPEED! YOU BLACK EMPER-<br />
OR) produzieren lassen und widmet auch hier wieder dem<br />
epischen „Drone Metal“ oder wie immer man diesen instrumentalen<br />
Sound nun beschreiben mag. Lieder (besser:<br />
Stücke) für an Schlaflosigkeit leidende Menschen, Musik<br />
gewordene Unendlichkeit, Soundtrack für eine Neuauflage<br />
<strong>von</strong> „2001“, minutenlange Feedback-Orgien, Anti-New<br />
Age-Sounds – für Spezialisten. (50:29) (7) Joachim Hiller<br />
GOATWHORE<br />
A Haunting Curse <strong>CD</strong><br />
metalblade.de | Mal wieder eine Band, die ich schon beinahe<br />
wieder vergessen hatte. <strong>Die</strong> aus New Orleans stammende<br />
Kapelle setzt sich aus Leuten aus dem ACID BATH-, SOI-<br />
LENT GREEN- und CROWBAR-Umfeld zusammen und zelebriert<br />
schon seit knapp einer Dekade einen groovigen Mix<br />
aus Black und Death Metal. Das und nichts anderes erwartet<br />
einen auch beim Metal Blade-Debüt und setzt die eigene<br />
Messlatte einen ganzen Tacken höher an. Wesentlich abwechslungsreicher<br />
kommen die elf Tracks daher und man<br />
merkt der Band an, dass aus dem einstiegen Sideproject eine<br />
ambitionierte, eigenständige Band herangewachsen ist. Wer<br />
die beiden Vorgängeralben noch nicht sein eigen nennt, bekommt<br />
mit „A Haunting Curse“ einen perfekten Einstieg in<br />
den blasphemischen Death Metal der CELTIC FROST-VE-<br />
NOM-Sympathisanten. Bleibt jetzt nur zu hoffen, dass Ben<br />
Falgoust dabei nicht die Zeit für seine eigentliche Hauptband<br />
SOILENT GREEN verliert. Uwe Kubassa<br />
GOLDEN DOGS<br />
Everything In 3 Parts <strong>CD</strong><br />
True North/Alive | Hmm, lecker, goldene Hunde, die krieg<br />
ich immer geschenkt, wenn ich beim Chinamann länger<br />
warten muss. Das Gold pellt sich schnell ab und irgendwann<br />
werde ich vom einstigen Prachtstück nicht mehr wirklich<br />
angezogen. So ungefähr ist es mit der Platte. Beim ersten<br />
Hören kommt es einem noch wie eine anständige emotionsgeladene<br />
Platte vor, die mit viel Geschick produziert<br />
wurde, doch irgendwie nur eine <strong>von</strong> vielen, die so langsam<br />
aber sicher in der „Verschieben wir’s auf morgen“-Kiste<br />
landet. <strong>Die</strong> Kanadier sind zwar mit vielen sanften Chorgesängen<br />
um die Mädchenherzen bemüht und die eine oder<br />
andere Ballade lässt sich durchaus anhören, aber im Ganzen<br />
ist es einfach nur eine durchschnittliche Indie-Band,<br />
die man in jeder Stadt vorfindet. (5) Martha Biadun<br />
GOD DETHRONED<br />
The Toxic Touch <strong>CD</strong><br />
Metal Blade | Machen wir uns nichts vor. Ich kenne diese<br />
Band nicht. Kein Plan, ob das nun guter oder schlechter<br />
melodischer Death Metal ist, im Vergleich zu ihren früheren<br />
Alben und der damals noch anderen Besetzung. Ich<br />
kann nur soviel sagen: <strong>Die</strong> Holländer sind nicht unbedingt<br />
die größte Überraschung des Jahres und das, worauf man<br />
in diesem Bereich anno 2006 gewartet hat. Dafür sind die<br />
einzelnen Songs einfach zu gleich gestrickt, kommt zu wenig<br />
Spannung auf und man ertappt sich dabei, dass die Platte<br />
zwar keineswegs schlecht ist, sie aber irgendwie so mehr<br />
oder weniger an einem vorbeirauscht. Selbst nach mehreren<br />
Hördurchläufen bleibt nicht viel hängen, außer der Dominanz<br />
des Schlagzeugs. Das ist nicht ganz meine Baustelle,<br />
aber wer die Band besser kennt als ich, der wird hoffentlich<br />
selbst wissen, ob er dieses Album besitzen muss oder nicht.<br />
(39:19) (6) Tobias Ernst<br />
überzeugende musikalische Akzente sorgen konnte. Rückblickend<br />
betrachtet kommen einem ALICE IN CHAINS<br />
dann gar nicht mehr so schlimm vor, vor allem im Vergleich<br />
mit Kroppzeug wie NICKELBACK. Das merkt man besonders<br />
in den Passagen, wo sich AIC stärker <strong>von</strong> den Stereotypen<br />
der meisten Grunge-Bands lösen können und einfach<br />
nur kompetente Rocksongs produzieren, vor allem kommt<br />
das bei den ruhigeren Songs zum Tragen. Durch „The Essential<br />
ALICE IN CHAINS“ werde ich sicher nicht plötzlich<br />
zum bekennenden Fan dieser Band, aber durch die 28<br />
Songs, die alle vier Studioplatten abdecken plus Akustikversionen<br />
und Soundtrack-Beiträgen, bekommt man einen repräsentativen<br />
Karrierequerschnitt geliefert, der einen noch<br />
mal seine grundsätzliche ablehnende Meinung überdenken<br />
lässt, da AIC durchaus ihre starken Momente besaßen. Und<br />
besser als diese unsäglichen STONE TEMPLE PILOTS waren<br />
sie sowieso, aber wenn es mich nach Grunge dürstet, höre<br />
ich dann doch lieber „Badmotorfinger“ <strong>von</strong> SOUNDGAR-<br />
DEN oder MOTHER LOVE BONE. (7) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
AL KAPOTT<br />
s/t LP<br />
Dirty Punk | Schon seit geraumer Zeit keimt in mir der<br />
Verdacht, dass Bands aus Frankreich hierzulande vergleichsweise<br />
weniger Beachtung finden. Und wären AL KAPOTT<br />
eine alte England-Punkband, hätte man sicher schon auf<br />
der einen oder anderen Best-Of-Punk-Compilation etwas<br />
<strong>von</strong> ihnen gehört. Aber AK stammen aus der Bretagne, sie<br />
existierten <strong>von</strong> 1983 bis ’87 (oder ’88) und ihr Output beschränkt<br />
sich auf eine 7“, ein paar Sampler-Beiträge und<br />
eine Mini-LP und die sind natürlich längst nicht mehr zu<br />
bekommen – allenfalls zu Mondpreisen. Letztes Jahr reformierten<br />
sich Al KAPOTT noch einmal anlässlich des Erscheinens<br />
der Buchdokumentation „40 Jahre Rock in Brest“.<br />
Nun ist ihre gesamte Diskografie wieder auf Vinyl erhältlich:<br />
Das liebevoll gestaltete Album enthält 13 schnell gespielte,<br />
lupenreine Punkrocknummern mit französischen Texten,<br />
die auch nach guten zwei Jahrzehnten nichts <strong>von</strong> ihrer Frische<br />
verloren haben. <strong>Die</strong> <strong>CD</strong> ist bei Rural Muzik erhältlich,<br />
und wenige weitere Auftritte und eine DVD sollen folgen.<br />
(8) Ute*06<br />
BRIGHT EYES<br />
Noise Floor (Rarities: 1998-2005) LP/<strong>CD</strong><br />
saddle-creek.com/Indigo | Während Connor Oberst<br />
in New York an einer Künstlerkarriere arbeitet und sich<br />
BRIGHT EYES in einer Phase der Inaktivität befinden, veröffentlicht<br />
Saddle Creek diese Zusammenstellung <strong>von</strong> Single-<br />
und Compilation-Tracks aus den Jahren 1998 bis 2005.<br />
Da man für solche Zwecke ja nicht gerade Zweitklassiges<br />
hergibt, sind die 16 Tracks ein Feuerwerk <strong>von</strong> Indierock-<br />
Perlen, taugt „Noise Floor“ sowohl zum Bonus-Album für<br />
den alten Fan wie auch als Einsteiger-Album für all jene, die<br />
bislang noch nicht den Zugang zu den oft dramatischen, eigenwilligen<br />
Songs der Ausnahmeband gefunden haben. Wer<br />
das Vinyl kauft, bekommt fünf Bonus-Songs – und die Möglichkeit,<br />
sich alle Songs auch noch als mp3 <strong>von</strong> der Homepage<br />
herunterzuladen. Eine sehr smarte Idee. (61:00) (8)<br />
Joachim Hiller<br />
BEE & FLOWER<br />
What‘s Mine Is Yours <strong>CD</strong><br />
Neurot/Cargo | Eine Neuauflage des 2003er Albums dieses<br />
überraschend harmonischen, fast poppigen Albums auf<br />
Neurot, doch warum und wieso, darüber schweigt sich das<br />
Info aus. Jedenfalls scheint die Band, die mehr Kammerorchester<br />
als klassische Rockband ist, in diesem Jahr <strong>von</strong> New<br />
York nach Berlin umgezogen zu sein und will wohl momentan<br />
live wieder aktiv werden. „What’s Mine Is Yours“<br />
mit seinen zehn Stücke ist allerdings nach wie vor ihre einzige<br />
Studioplatte. Man denke sich eine minimalistische Mi-<br />
GWAR<br />
Beyond Hell <strong>CD</strong><br />
DRT | Und wieder GWAR. <strong>Die</strong>jenigen, die sowieso nie etwas<br />
für die Band übrig hatten und deren Sound ohnehin<br />
nur als Live-Show-Untermalung sahen, können diese Kritik<br />
getrost überspringen, alle anderen dagegen werden sich<br />
sicherlich auf ein neues Lebenszeichen der Monster-Truppe<br />
freuen. Gerade weil GWAR vor zwei Jahren mit „War<br />
Party“ bewiesen haben, dass sie endlich wieder Eier zwischen<br />
den Beinen haben und einige stattliche Hits auf jenem<br />
Longplayer unterbringen konnten. Doch leider scheinen<br />
die Außerirdischen <strong>von</strong> einer geheimnisvollen Krankheit<br />
befallen zu sein, die es ihnen unmöglich macht, ein Level<br />
auf Dauer zu halten. Anders sind die vielen Ausfälle im<br />
Katalog der Band kaum zu erklären. Jedenfalls reiht sich<br />
„Beyond Hell“ in den Reigen jener Alben ein, die man vernachlässigen<br />
kann, wenn man essentielle Teile wie „Scumdogs<br />
Of The Universe“, „America Must Be Destroyed“, „This<br />
Toilet Earth“ und „War Party“ sein eigen nennt. <strong>Die</strong> aktuelle<br />
<strong>CD</strong> überzeugt allenfalls durch das Können der Musiker, vom<br />
Songwriting kann dagegen fast keine Rede sein. Natürlich<br />
klingt auch Sänger Oderus Urungus weiterhin unverkennbar,<br />
trotzdem bleibt einfach kein Stück im Ohr hängen. Metal-Riffs,<br />
die wahllos aneinander gehängt wurden, machen<br />
eben noch keinen guten Song. Aggressiv ist das Ganze natürlich<br />
trotzdem, aber eben auch nicht mehr. Weiterhin hat<br />
Producer Devin Townsend (ja, genau der <strong>von</strong> STRAPPING<br />
YOUNG LAD) scheinbar vergessen, den Bass in den Mix einzufügen,<br />
so dass der Sound zwar differenziert, aber nicht<br />
übermäßig fett klingt. GWAR-Slaves werden „Beyond Hell“<br />
ohnehin kaufen und sicher finden sich ein paar Freaks, die<br />
das Album lieben werden, weil es so schön technisch und<br />
hart ist. Ich bleibe jedoch dabei: Verglichen mit alten Klassikern<br />
der Band, muss man „Beyond Hell“ schon fast einen<br />
Ausfall nennen. (5) Thorsten Wilms<br />
GITOGITO HUSTLER<br />
Love & Roll <strong>CD</strong><br />
Gearhead | Ein spaßiges All Girl-Quartett aus Japan. Musikalisch<br />
zwischen Pop-Punk, Garage-Rock’n’Roll und Kuriositäten,<br />
wie man sie aus Japan schon beinahe gewohnt ist.<br />
Mehr Punk, aber weniger Rock’n’Roll, als zum Beispiel bei<br />
den 5,6,7,8’s, dafür weniger Punk, aber mehr Rock’n’Roll,<br />
als zum Beispiel bei LOLITA NO. 18. Kurzweilig und amüsant,<br />
sofern man sich durch die typisch quietschigen, schrillen<br />
Stimmen <strong>von</strong> Japanerinnen nicht <strong>von</strong> vorneherein genervt<br />
fühlt – was zugegeben in der Regel tolerante Hörgewohnheiten<br />
vorausgesetzt. Jedenfalls scheint bei soviel<br />
spürbarer Unbekümmertheit und Frohsinn die Welt der<br />
vier Damen noch in Ordnung zu sein. Und die gute Laune<br />
möchte ich ihnen auch gar nicht erst verderben. Aus diesem<br />
Grund enthalte ich mich auch jeglicher weiteren Negativ-<br />
Kritik. (6) Alex Gräbeldinger<br />
CLAUS GRABKE<br />
Dead Hippies / Sad Robot 2<strong>CD</strong><br />
noisolution.de/Indigo | Während andere Musiker und<br />
Künstler, die ein unstetes Leben führen, mit fortschreitendem<br />
Alter gesetzter werden, das heißt „erwachsen“, will es<br />
Claus Grabke noch einmal wissen. Nach einer Maßstäbe setzenden<br />
Skateboard-Karriere, EIGHT DAYZ und der populären<br />
Band THUMB folgten die ALTERNATIVE ALLSTARS,<br />
eine Gruppe, die bei einigen Fans die Trauer über das Ende<br />
<strong>von</strong> THUMB noch einmal intensivierte: Harmloses Rumgerocke<br />
mit Südstaatenflagge und Zuckerguss, das war zu viel.<br />
Jetzt ist Claus Grabke zurück, und zwar mit CLAUS GRAB-<br />
KE. Ein Bandname, der es auf den Punkt bringt: „Reduce<br />
to the max!“ heißt das Rezept, „No overdubs!“ die Ausführung.<br />
Auf der ersten <strong>CD</strong> dieses Doppelalbums regiert der<br />
Rock. Da scheppert die Gitarre schonungslos wie bei jüngeren<br />
THERAPY?-Veröffentlichungen. Der Rhythmus ist<br />
so fesch wie bei den BEATSTEAKS. Oldschool in Lederja-<br />
schung aus Nick Cave, RACHEL’S und COWBOY JUNKIES<br />
mit einem Hang zu echten Popsongs und man kommt BEE<br />
& FLOWER durchaus nahe, die immer angenehm die Waage<br />
zwischen äußerst trübsinnigen und dezent euphorischen<br />
Klängen halten, so dass sich die Begräbnisstimmung<br />
in Grenzen hält, man allerdings auch des öfteren an die Filme<br />
eines gewissen Herrn Lynch erinnert wird. Sängerin<br />
Dana Schechter trägt diese Stimmung durchaus überzeugend,<br />
sexy und morbide zugleich. Okay, wir sind überzeugt,<br />
und wie sieht’s jetzt mal mit einer neuen Platte aus, <strong>von</strong> diesen<br />
zehn Stücken kann man schließlich nicht ewig zehren?<br />
(8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
BORED!<br />
Selftitled EP , Take It On You & More <strong>CD</strong><br />
Afterburn | Noch vor der grandiosen „Negative Waves“-<br />
LP, die ja vor zwei Jahren auf Bang! Records wiederveröffentlicht<br />
wurde, hatten die aus Geelong beziehungsweise<br />
Melbourne stammenden<br />
BORED! mit ihrem<br />
Frontmann Dave <strong>Thomas</strong><br />
1988 eine titellose<br />
EP sowie 1990 die Mini-<br />
LP „Take It Out On You“<br />
aufgenommen, die beide<br />
in Deutschland <strong>von</strong> Glitterhouse<br />
Records veröffentlicht<br />
wurden. Lindsay<br />
Gravina hat diese Aufnahmen<br />
nun neu gemastert,<br />
bevor sie zusammen mit<br />
diversen 7“- und Compilationtracks<br />
auf dieser <strong>CD</strong> neu aufgelegt wurden. Nun sind<br />
BORED! zwar eigentlich aufgelöst, Dave hat mit TIGER BY<br />
THE TAIL eine neue vorzügliche Band, doch gelegentlich<br />
stehen die Herren doch nochmal im „Tote“ oder einer anderen<br />
Rock’n’Roll-Spelunke in Melbourne auf der Bühne<br />
und lassen „Little Suzie“ auferstehen, den Opener ihrer<br />
EP, ihren besten Song ever, ein brandgefährliches Gemisch<br />
aus AC/DC, BLACK SABBATH und Punkrock, wie es nur im<br />
Australien der Achtziger entstehen konnte – man höre sich<br />
nur mal das völlig übersteuerte, sich auf allen Frequenzen<br />
im roten Bereich bewegende „Show me the way“ an. Das ist<br />
pure Rock-Energie, ein Meisterwerk des Wahwah- und Fuzzgitarrengemetzels,<br />
eine musikalische Offenbarung und nur<br />
noch mit den COSMIC PSYCHOS zu vergleichen, und selbst<br />
als BORED! sich dann auf „Take It Out ...“ etwas melodiöser<br />
und minimal gemäßigter zeigten, war das noch beängstigend<br />
energiereich, ein Sound wie ein alter auf Hochtouren<br />
blubbernder Holden-V8. Fragt doch einfach mal WOLF-<br />
MOTHER, wo sie sich ihre Inspiration geholt haben ... Grandios<br />
übrigens auch die diversen Coversongs hier, etwa „Final<br />
solution“ <strong>von</strong> ROCKET FROM THE TOMBS, „Satellite“ <strong>von</strong><br />
den SEX PISTOLS oder „Iron man“ <strong>von</strong> BLACK SABBATH.<br />
Erzähle mir keiner etwas über R.O.C.K., der keine BORED!-<br />
Platte im Schrank stehen hat, das hier ist the real shit, und<br />
im Booklet gibt’s auch noch Anekdoten <strong>von</strong> der Europatour<br />
1990. Muss man haben. (73:45) (10) Joachim Hiller<br />
BLURT<br />
Best of Blurt 2 -<br />
The Body That They Built To Fit The Car <strong>CD</strong><br />
Salamander/Indigo | Mein früheres Zusammentreffen mit<br />
Ted Milton und seinem gefürchteten Saxophon war eher<br />
traumatischer Natur, das änderte sich erst mit der Best Of-<br />
Platte „A Fish Needs A Bike“ vor zwei Jahren. „The Body That<br />
They Built To Fit The Car“ mit 16 Tracks ist der zweite Teil<br />
da<strong>von</strong> und inzwischen gefällt mir Miltons kakophonischer<br />
Saxophon-Sound wirklich ausgesprochen gut, der sich mit<br />
seinem avantgardistischen Rock-Anspruch mit vergleichbaren<br />
Bands wie PERE UBU in bester Gesellschaft befindet.<br />
cke eben. <strong>Die</strong> verschwitzten „Dead Hippies“ hauen auf die<br />
Kacke, als hätte es die ALLSTARS nie gegeben. Roh, wild<br />
und laut. Doch Grabkes Ideen sind noch nicht erschöpft,<br />
sie reichen noch für ein zweites Album namens „Sad Robot“.<br />
Hier werden die Keyboards ausgepackt und Soundteppiche<br />
gefühlvoll unter dicken Streicherformaten ausgebreitet.<br />
Grabkes haucht und flüstert, seine Stimme bricht beinahe.<br />
<strong>Die</strong> Band schafft Klangkollagen, die auch als Filmmusik<br />
tauglich wären. Studioexperimente und Soundfrickeleien<br />
sind in den allermeisten Fällen zum Abgewöhnen; anders<br />
jedoch „Sad Robot“: Er wird viele einsame Seelen und<br />
verliebte Pärchen über den grauen Winter tragen. Hach ja ...<br />
Claus Grabke 2006: Eine Platte zum Saufen, eine zum Kiffen.<br />
Nicht schlecht für einen, den viele schon abgeschrieben<br />
hatten. (97:00) (9) Arne Koepke<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
GONADS<br />
Old Boots, No Panties <strong>CD</strong><br />
Captain Oi! | Oh Mann, was muss man rauchen, um auf<br />
solche Texte zu kommen? Und wo kriegt Garry Bushell das<br />
Zeug nur immer her? Gleich der Opener über einen legendären,<br />
fiktiven Londoner Massenmörder macht klar, wohin<br />
die Reise geht: „Just don’t be too hasty. What’s that in the<br />
pastry? A finger? Hm, quite tasty ... They call me Sweeney<br />
Todd. Do I seem a little odd?“ Oh man, ich schmeiß mich<br />
weg. Klassisch. Aber habe auch, ehrlich gesagt, nichts anderes<br />
<strong>von</strong> dem Mann erwartet, der Oi! erfunden hat. Also irgendwie.<br />
Mit den GONADS hatte der Mann einst den Hit<br />
„I lost my love to a U.K. Sub“. Seit den späten Neunzigern<br />
gab es dann eine Reunion der Band und auch erstmals reguläre<br />
Studioalben. Aber die Band war und ist ohnehin nur<br />
ein kleiner Aspekt des Gesamtphänomens Gary Bushell. Wer<br />
nicht weiß, <strong>von</strong> wem ich hier rede, dem sei das Interview<br />
in #65 empfohlen. Was den Sound der GONADS betrifft, so<br />
sollte man in Richtung TOY DOLLS denken. „Your wife is fat<br />
and you’re a twat. You’re two bob and I want change from<br />
that.“ (39:02) (7) Claudia Luck<br />
GIDDY MOTORS<br />
Do Easy <strong>CD</strong><br />
Fatcat/Pias | Schöner hätte es das beigelegte Info nicht ausrücken<br />
können. „This album grabs you by the throat and<br />
doesn’t stop shaking until it’s good and ready.“ Mir bluten<br />
jetzt schon die Ohren und ich bin erst beim dritten Stück<br />
angelangt. GIDDY MOTORS sind krank, das ist mal amtlich<br />
und anstatt sich auf eine Couch zu legen und dem armen<br />
Mann dort das Leben schwer zu machen, haben sie sich entschieden,<br />
uns alle mit dieser Platte an ihrem Wahnsinn teilhaben<br />
zu lassen. Dafür bin ich ihnen zumindest dankbar,<br />
schon lange nichts mehr so Hartes gehört. (33:00)(7)<br />
Claus Wittwer<br />
GIGLINGER<br />
Distortion+ M<strong>CD</strong><br />
kingpenguinrec.com | <strong>Die</strong> vierköpfige Band GIGLINGER<br />
stammt aus Helsinki, Finnland und präsentiert auf ihrem<br />
<strong>CD</strong>-Debüt eine Mischung aus brachialem Trash mit angezogener<br />
Handbremse und KILLING JOKE aus einer Zeit, als<br />
Jaz Coleman noch nicht in die Welt der Feen abgetaucht war.<br />
Aufgenommen in Jürgen Hendlmeiers Kick Out The Jams!-<br />
Studio schleppt die Band weiterhin tapfer ihre selbst auferlegte<br />
Bürde: no gigs, no full-lenght albums, no bullshit.<br />
<strong>Die</strong> Stücke haben Drive, einige Momente erinnern sogar an<br />
längst vergessene Größen wie DISCHARGE, es gibt ansprechende<br />
Titel, „The power of the powerless, und dennoch genug<br />
Raum für etwas Gefrickel. (11:04) (7) Kay Wedel<br />
GREAT DEPRESSION<br />
Preaching To The Fire <strong>CD</strong><br />
Fire | Bei allen klaren Zutaten und bei allem, was man über<br />
eine Platte schreiben kann, manchmal fällt es schwer, ge-<br />
Das Ganze ist vielleicht nicht einfach anzuhören, wird viele<br />
Leute wahrscheinlich einfach nur nerven, aber Miltons unangepasste<br />
No Wave-Kompositionen besitzen viel Energie,<br />
schon alleine durch ihren betont rhythmischen Charakter<br />
und sind dementsprechend nicht weit <strong>von</strong> Bands wie POP<br />
GROUP oder A CERTAIN RATIO entfernt. Und vor allem<br />
ist Milton in dieser Hinsicht mehr Punk als das, was man<br />
mittlerweile darunter versteht, der aber wohl nicht dem<br />
oberflächlichen Unterhaltungsanspruch der meisten Leute<br />
gerecht werden wird, denn BLURT haben über die Jahre<br />
nichts <strong>von</strong> ihrer Radikalität und Aggressivität verloren, ohne<br />
dass das Ganze unhörbar würde. (8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
BORN/DEAD<br />
Endless War ... Repetition <strong>CD</strong><br />
prankrecords.com | BORN/DEAD aus Oakland sind eine<br />
der wenigen Ausnahmen <strong>von</strong> der Regel, die besagt, dass<br />
Crustpunk und ich nicht wirklich zusammenpassen. Aber<br />
während eben die meisten Vertreter des Genres leider den<br />
immer wieder gleichen DISCHARGE-Aufguss durchkauen,<br />
sind BORN/DEAD einfach weniger limitiert, dem Integrieren<br />
klassischen US-Hardcores in ihre Musik nicht abgeneigt,<br />
scheuen sie sich nicht, hier und da mal eine Melodie<br />
einzubauen und sie covern die NECROS. Zur völligen<br />
Begeisterung fehlt nur die Durchschlagskraft, die eine<br />
Band wie BEHIND ENEMY LINES besitzt. Viel veröffentlicht<br />
haben die seit 2000 aktiven Kalifornier bisher nicht,<br />
neben einer EP und dem Debütalbum „Our Darkest Fears<br />
Now Haunt Us“ <strong>von</strong> 2001 (ebenfalls auf Prank) waren da<br />
nur 2003 die Split-LP mit CONSUME und eine 12“, die sie<br />
selbst 2005 auf Tour verkauft haben – und die in abgespeckter<br />
Form nochmals als 7“ bei Prank erschien. Auf „Endless<br />
War ... Repetition“ finden sich nun eben die BORN/DEAD-<br />
Songs der Split-LP als auch die komplette Tour-12“ und es<br />
fällt beim direkten Vergleich auf, dass BORN/DEAD etwas<br />
an Eingängigkeit gewonnen und sogar teils einen gewissen<br />
POISON IDEA-Touch entwickelt haben. In diese Richtung<br />
sollten sie weitergehen. (8) André Bohnensack<br />
BRUTAL TRUTH<br />
Sounds Of The Animal Kingdom/Kill Trend Suicide<br />
<strong>CD</strong><br />
relapse.com | BRUTAL TRUTH waren immer eine irgendwie<br />
zwiespältige Sache. Mal begeisterten die <strong>von</strong> 1990 bis<br />
2000 aktiven New Yorker um Bassist Dan Lilker (Ex-ANTH-<br />
RAX, Ex-NUCLEAR ASSUALT, S.O.D.) mit absolut grandiosem,<br />
manchmal richtig punkigem, Grindcore, mal strapazierten<br />
sie die Nerven mit im Dopewahn entstandenen Experimenten,<br />
teilweise gleichzeitig in nur einem Song. Nach<br />
zwei Alben für Earache respektive Combat wechselten sie<br />
1996 zu Relapse, wo dann „Kill Trend Suicide“ und 1997<br />
„Sounds Of The Animal Kingdom“ erschienen, die jetzt für<br />
diesen Rerelease zusammengefasst wurden (allerdings fehlen<br />
laut Abgleich der Trackliste mit der Diskografie auf der<br />
Bandwebsite zwei Songs). „Sounds ...“ war dann auch BRU-<br />
TAL TRUTHs letztes richtiges Album, es folgten nur noch<br />
ein paar Compilations, Live-Sachen und Split-Geschichten.<br />
Und hier waren sie wohl auch auf ihrem Höhepunkt<br />
angekommen, hatten das erreicht, was ihnen vorschwebte,<br />
hatten die Kombination aus derbem Grindcore und allerlei<br />
Soundexperimenten – mal elektronisch, mal bloß purer<br />
Krach – perfektioniert. Eine oft nachgesagte Nähe zu John<br />
Zorns NAKED CITY oder PAIN KILLER kann ich hier aber<br />
nicht wirklich erkennen, auch wenn Sänger Kevin Sharp<br />
mal mit John Zorn arbeitete. So weit wie Zorn gingen BRU-<br />
TAL TRUTH dann doch nicht, auch wenn sie oftmals eine<br />
ziemlich anstrengende Angelegenheit waren, wo<strong>von</strong> man<br />
sich anhand dieser <strong>CD</strong> hier einen guten Eindruck verschaffen<br />
kann. Trotzdem eine überdurchschnittliche und für die<br />
Geschichte extremer Musik nicht unwichtige Platte. (8)<br />
André Bohnensack<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 70 22.09.2006 20:51:44 Uhr
nau zu sagen, was das Quäntchen ist, das aus einer Platte einen<br />
Kracher macht oder es in Bedeutungslosigkeit umkippen<br />
lässt. Auf genau dieser Schneide steht auch das neue Album<br />
der beiden Amerikaner, das manchmal an spätere Releases<br />
<strong>von</strong> THE JESUS & MARY CHAIN erinnert, bei denen<br />
sich auch Kompaktheit und Weitläufigkeit zu einer Art abgehangener<br />
Wüstenmusik verband, die mit Country aber<br />
nichts am Hut hatte. Rockmusik, ruhig, ohne Eile. „Preaching<br />
To The Fire“ fehlt es aber an markanten, pointierenden<br />
Momenten, denn in seiner Abgeklärtheit bleibt es bei<br />
allen guten Instrumentierungen und Arrangements etwas<br />
fad. Das geht an mir aber spurlos vorbei. (39:04) (4)<br />
Christian Maiwald<br />
GOOD GOOD<br />
Furrows <strong>CD</strong><br />
menloparkrecordings.com | Wem ANIMAL COLLECTIVE<br />
zu folkig/psychedelisch und HIDDEN CAMERAS zu poppig<br />
sind, für den bietet das Trio THE GOOD GOOD genau die<br />
richtige Mischung. Zwischen allen Stilen und Stimmungen<br />
hüpfen die New Yorker Labelmates <strong>von</strong> JAPANTHER (die sie<br />
auf der Tour im Oktober auch begleiten) so schnell hin und<br />
her, dass man gar nicht mehr weiß, wo einem die Ohren<br />
stehen, und trotzdem ist das fertige Produkt so in sich geschlossen,<br />
so weich, kindlich und schön, dass ich mich in<br />
diese Band verliebt habe. Der Geist <strong>von</strong> Syd Barrett hat bei<br />
THE GOOD GOOD nicht nur überlebt, sondern mit ihnen<br />
auch würdige Erben gefunden. Ihr Sound ist immer leicht<br />
abgedreht, mal folkig, mal post-punkig, mal kinderliedhaft<br />
(inklusive kompletten Kinderchors, versteht sich). Zarte<br />
Glöckchenspielereien gesellen sich zu den als Melodieinstrumenten<br />
benutzten Handyklingeltönen (okay, tatsächlich<br />
handelt es sich vermutlich nur um schlichte Casio-Orgeln).<br />
Jeder Song besteht aus kleinen Fragmenten, die völlig unerwartet<br />
enden und beginnen, sich aber gleichzeitig zu einem<br />
epischem Ganzen zusammenfügen, wobei die Band nie<br />
den Faden und vor allem nicht die tollen Melodien aus dem<br />
Sinn verliert. Manche Songs sind wiederum so durchstrukturiert<br />
und mit exotischen Instrumenten ausgebaut, dass sie<br />
auch THE ARCADE FIRE, nur ohne Pathos, gut zu Gesicht<br />
stehen würden. Bis auf wenige Ausnahmen singt eine Frau,<br />
und nicht nur deshalb erinnern THE GOOD GOOD mit ihrem<br />
(scheinbar) unbedarften Fröhlichkeitspop auch an THE<br />
RAINCOATS. <strong>Die</strong>se Band ist nicht einfach gut, sie ist doppelt<br />
gut. (28:18) (9) Chris Wilpert<br />
GREY<br />
Asleep At The Wheel LP<br />
adagio830.de | In <strong>Ox</strong> #67 besprachen wir die auf Lovitt erschienene<br />
<strong>CD</strong>-Version dieses Albums, jetzt ist auch die Vinylversion<br />
raus, auf Adagio 830 Records aus Leipzig, weshalb<br />
wir uns einfach selbst zitieren: THE GREY aus Ottawa haben<br />
ihre Band im Jahr 2003 gegründet und heuer ihr Debütalbum<br />
veröffentlicht. <strong>Die</strong> vier jungen Herren klingen deutlich<br />
älter als sie sind. Das liegt daran, dass die wahrnehmbaren<br />
Einflüsse aus den Neunzigern stammen und dass diese<br />
zu dieser Zeit selbst schon ... sagen wir routiniert geklungen<br />
haben. THE GREY sind vorrangig eine Rockband, die<br />
jedoch einen rauhen Emo-Charme verströmt, wie es zum<br />
Beispiel ERRORTYPE: 11 auch tun, nur dass sie etwas flotter<br />
zu Werke gehen. <strong>Die</strong> Instrumente machen schön schmutzigen<br />
Lärm, am Ende fügt sich das Ganze aber doch in wunderbare<br />
Harmonie. In guten Momenten erinnert die Gitarrenarbeit<br />
sogar an die der alten Helden <strong>von</strong> DRIVE LIKE<br />
JEHU. Dazu kommt, dass Sänger Matt Deline wie ein alter<br />
Sack klingt. Seine Stimme lässt auf viel Whiskey- und Zigarettenkonsum<br />
schließen, aber genau das macht eben den<br />
oben genannten Charme aus. Ein bisschen stört, dass „Asleep<br />
At The Wheel“ zwar cool ist, aber ohne große Höhen und<br />
Tiefen vor sich hin rockt. Da können THE GREY dann doch<br />
nicht mit ihren Vorbildern mithalten. (7) Christian Meiners<br />
PHILLIP BOA & THE VOODOOCLUB<br />
Copperfield <strong>CD</strong><br />
Hair <strong>CD</strong><br />
Hispanola <strong>CD</strong><br />
Polydor/Universal | So wirklich verschwunden war er nie,<br />
der aus Dortmund stammende Phillip Boa, seit 1985 hat er<br />
quasi jedes Jahr ein neues Album veröffentlicht, doch nachdem<br />
der Meister des eigenwilligen Indiepops zu Beginn der<br />
Neunziger mit VOODOOCULT eine Metal-Karriere einzuschlagen<br />
versucht hatte, hatte ich anschließend das Interesse<br />
endgültig verloren. Seine frühen Werke freilich, „Philister“<br />
<strong>von</strong> 1985, „Aristocracie“ <strong>von</strong> 1986, „Copperfield“ <strong>von</strong><br />
1987, „Hair“ <strong>von</strong> 1988“ und „Hispanola“ <strong>von</strong> 1990, sind<br />
Klassiker, sind eigenwillige, deutlich <strong>von</strong> britischem Post-<br />
Wave-Pop beeinflusste Meisterwerke <strong>von</strong> einer der wenigen<br />
hiesigen Bands, die seinerzeit auch außerhalb Deutschlands<br />
Erfolg hatten. Erschienen sind die drei remasterten und um<br />
Bonustracks ergänzten Alben damals wie heute auf Polydor,<br />
nachdem die beiden ersten Scheiben noch Independent-<br />
Releases waren, unter anderem auf Constrictor. Prägnantestes<br />
Merkmal der damaligen VOODOOCLUB-Platten war<br />
der Wechselgesang <strong>von</strong> Boa und Pia Lund mit ihrer zarten,<br />
hohen Stimme. Bis heute sind Hits wie „Kill your ideals“,<br />
das umwerfende „Container love“ und natürlich die hier als<br />
Bonus enthaltene 12“ „Annie flies the lovebomber“ unvergessen,<br />
war/ist Boa ein eigenwilliger, unbequemer Meister<br />
des gerne auch mal zum Bombast neigenden, üppig produzierten<br />
Indiepops. Lohnt durchaus die (Wieder-)Entdeckung.<br />
(7) Joachim Hiller<br />
BILLY CHILDISH<br />
My First Billy Childish Album <strong>CD</strong><br />
damagedgoods.co.uk/Cargo | Was bei Holly Golightly<br />
schon charmant war, gibt’s jetzt auch in der Billy Childish-<br />
Version: Ein praktisches Einsteiger-Album, das den großen<br />
Vorteil hat, den Neuling weder einzuschüchtern, noch zu<br />
überfordern – denn das kann schnell passieren, wenn man<br />
sich entschieden hat, sich mit einem Musiker, Dichter, Maler<br />
und Lebenskünstler zu beschäftigen, der seit der Gründung<br />
der POP RIVETS 1977 über 100(!) Alben veröffentlicht<br />
hat und unzählige Musiker und Bands mit seinem Minimal-Punkrock<br />
beeinflusst hat. Und so finden sich hier<br />
schön übersichtlich Lieder <strong>von</strong> BUFF MEDWAYS, POP RI-<br />
VETS, THEE HEADCOATS, THE DELMONAS, THE MIGHTY<br />
CAESARS, und THE CHATHAM SINGERS sowie auch welche<br />
der <strong>von</strong> ihm produzierten Girl-Band THEE HEADCOA-<br />
TEES (mit Holly Golightly) und THE BUFFETS – und zum<br />
Abschluss auch noch ein <strong>von</strong> Childish geschriebenes und<br />
gesprochenes Gedicht. Nein, komplett und umfassend ist<br />
diese <strong>CD</strong> auf keinen Fall, aber eine Art <strong>von</strong> „Best Of“ und<br />
repräsentativer Einstieg in die musikalische Welt des überzeugten<br />
Schnauzbart-Trägers und Individualisten, der zudem<br />
auch noch ein sehr netter, sympathischer Zeitgenosse<br />
ist. (46:39) (8) Joachim Hiller<br />
CONFLICT<br />
Turning Rebellion Into Money <strong>CD</strong><br />
mortarhate.com | Ich habe mich bereits im letzten <strong>Ox</strong> über<br />
die Relevanz <strong>von</strong> CONFLICT für die Punkszene der Achtziger<br />
ausgelassen. Hier jetzt der vierte Teil der Wiederveröffentlichungen,<br />
die das Geld für eine Operation des Drummers<br />
Paco aufbringen sollen. „Turning Rebellion Into Money“<br />
ist ein Livemitschnitt des legendären CONFLICT-Gigs<br />
vom 18. April 1987, der als „The Gathering Of 5000“ in<br />
die Geschichte eingegangen ist. <strong>Die</strong> remasterte <strong>CD</strong> kommt<br />
mit sehr ausführlichen Linernotes zu diesem Konzert, welches<br />
dazu gedacht war, die Punkszene um CONFLICT und<br />
CRASS, die sich drei Jahre zuvor aufgelöst hatten, zu vereinen.<br />
Steve Ignorant <strong>von</strong> CRASS war dann auch als Sänger bei<br />
CONFLICT dabei und man spielte Songs beider Bands, wobei<br />
der Gig aber in – wegen Schlägereien auf der Bühne –<br />
GEISHA GIRLS<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
number3records.com | Der böse Kapitalismus: Nicht immer<br />
ist in einem Produkt drin, was außen drauf steht. So<br />
auch bei den GEISHA GIRLS: die sind keine putzige Japan-<br />
Girl-Band, sondern bestehen aus drei jungen Kaliforniern,<br />
die ganz offensichtlich auf die frühen THE CURE stehen<br />
und sich einen Scheiß drum kümmern, dass man das ihrer<br />
Band auch anhört. Und so nölt Frontmann Shawn Robert<br />
(der heißt echt so!) in bester Robert Smith-Manier seine<br />
Texte raus, während Gitarrist John Roller und Drummer<br />
Mike Shelbourn dazu einen ähnlichen reduziert-minimalistischen<br />
Punk-Sound spielen wie die Engländer vor<br />
26, 27 Jahren. Doch eine lahme Coverband sind die GEI-<br />
SHA GIRLS auf keinen Fall, dazu ist ihre Musik zu eigenwillig<br />
und spröde, hätten sie durchaus auch auf Dirtnap landen<br />
können und sind sicher kein Fall für den Dance-Punk-<br />
Zirkus, dessen Zuschauerränge sich freilich schon erheblich<br />
geleert haben. Alles in allem ein rundum gelungenes Debüt,<br />
wenn auch ohne wirklichen Höhepunkt. (27:51) (7)<br />
Joachim Hiller<br />
HORMONAUTS<br />
Hormonized <strong>CD</strong><br />
v2music.com | Aus dem sonnigen Italien spielen<br />
uns die HORMONAUTS ganz locker die volle Ladung<br />
Breitwand-Rock’n’Roll über den Brenner.<br />
<strong>Die</strong> drei Herren bedienen sich dabei an so ziem-<br />
H<br />
lich allen Stilelementen des Genres – <strong>von</strong> Rockabilly<br />
bis Surf, <strong>von</strong> Beat bis Swing, <strong>von</strong> Punk bis<br />
Ska. Und so wähnt sich der Hörer auf einer gelungenen<br />
Cocktailparty inmitten solch illustrer Gäste wie Dick Dale,<br />
den CRAMPS, Buddy Holly, den CLASH, LIVING END oder<br />
Elvis Costello. Da wird mit viel Gefühl geschwoft und mit so<br />
manchem Zitat („My Sharona“) um sich geworfen. Das inzwischen<br />
vierte Album der HORMONAUTS ist ganz klar ihr<br />
ausgefeiltetes und abwechslungsreichstes, so dass die Band<br />
endgültig in der europäischen Rock’n’Roll-Liga angekommen<br />
ist. Im Herbst kommen die HORMONAUTS im Rahmen<br />
ihrer Europatournee auch nach Deutschland. Dort<br />
wird man sehen können, ob sie live halten können, was<br />
„Hormonized“ verspricht. (39:05) (7) Abel Gebhardt<br />
HARMS WAY<br />
<strong>Ox</strong>ytocin <strong>CD</strong><br />
blacklodge.se | Black Lodge ist ein veritables Metal-Label<br />
mit Bands wie AMORPHIS oder CANDLEMASS. Fredrik<br />
Lindgren hat schon in Bands wie UNLEASHED und TERRA<br />
FIRMA gespielt, und mit letzteren hat er ein Album namens<br />
„Harms Way“ veröffentlicht. Hier schließt sich der Kreis.<br />
„<strong>Ox</strong>ytocin“ ist die zweite Veröffentlichung der Schweden,<br />
aber ganz so heftig, wie es die eben genannten Bands vermuten<br />
lassen, geht es dann doch nicht zu. TERRA FIRMA<br />
trifft als Vergleich am meisten zu. Das hier ist solider Stoner-<br />
Rock, der sich natürlich einige Ausflüge ins Psychedelische<br />
nicht verkneifen kann. Viele Überraschungen gibt es dementsprechend<br />
nicht, aber gut gemacht ist es schon, und zum<br />
Glück hat es nur geringen Poserwert. Für leichtes Schmunzeln<br />
sorgen die heftigen Metalattacken, die das Album zu einer<br />
interdisziplinären Angelegenheit machen und doch für<br />
einen gewissen Wiedererkennungswert sorgen. Mittlerweile<br />
aber nur noch etwas für Liebhaber. (45:45) (6)<br />
Christian Meiners<br />
HELMET<br />
Monochrome <strong>CD</strong><br />
Warcon/Soulfood | Eigentlich müsste einem ja folgende<br />
Episode peinlich sein, aber irgendwie ist sie auch symptomatisch<br />
für den Niedergang dieser einst großartigen Band:<br />
Man sitzt also im Büro, konzentriert sich auf hochkomplexe<br />
Aufgaben, während im Hintergrund irgendeine frisch eingelegte<br />
Platte dudelt. Nach relativ kurzer Zeit bittet man<br />
abrupt endenden Zugaben, Straßenkämpfen und übelstem<br />
Rip-Off seitens der Brixton Academy gipfelte. Hervorzuheben<br />
ist die durchaus differenzierte Betrachtung der damaligen<br />
Vorgänge und Ereignisse durch Sänger Colin, der kein<br />
stumpfes Schwarz-Weiß-Schema aufbaut, sondern sachlich<br />
die Planungen und Abläufe des Gigs schildert, in dessen<br />
Verlauf letztendlich unzählige Punks <strong>von</strong> der Riot Squad<br />
verprügelt und 55 <strong>von</strong> ihnen verhaftet, aber auch neun Polizisten<br />
verletzt wurden, vier <strong>von</strong> ihnen schwer. Der Auftritt<br />
führte dann letztendlich zu einem Auftrittsverbot <strong>von</strong><br />
CONFLICT in Großbritannien, die danach nur unter Pseudonymen<br />
live spielen konnten. Betrachtet man rückwirkend<br />
die Ereignisse <strong>von</strong> damals, fällt doch wieder krass der politische<br />
Anspruch einer Szene und auch die Angst der Herrschenden<br />
vor eben dieser Szene auf, die einfach nur andere<br />
Ideale hat und selbstbestimmt leben möchte, ein Anspruch,<br />
den zumindest ich bei vielen heutigen Punk-Kids vermisse.<br />
(77:17) (10) Dr. Oliver Fröhlich<br />
CURE<br />
The Top 2<strong>CD</strong><br />
The Head On The Door 2<strong>CD</strong><br />
Kiss Me Kiss Me Kiss Me 2<strong>CD</strong><br />
GLOVE<br />
Blue Sunshine 2<strong>CD</strong><br />
Universal | Mit diesem Viererpack ist Teil drei des CURE-<br />
Rerelease-Projektes abgeschlossen, liegen nun alle klassischen<br />
Alben der Band um Robert Smith in aufwendiger Deluxe-Edition<br />
vor, jeweils<br />
als Doppel-<strong>CD</strong> (zum einen<br />
das originale Album,<br />
zum anderen Demo- und<br />
Live-Aufnahmen aus der<br />
gleichen Phase) im aufwendigen<br />
Klapp-Digipak<br />
nebst Booklet mit allen<br />
relevanten Hintergrundinfos.<br />
Hier bleiben absolut<br />
keine Wünsche offen, in<br />
dieser Art und Weise will<br />
man Rereleases grundsätzlich<br />
sehen. Mit „Pornography“<br />
<strong>von</strong> 1982 hatten THE CURE für mich ihre letzte<br />
klassische Platte aufgenommen, war die Phase, als die Band<br />
den düsteren Soundtrack für die Lebenskrisen bleichgesichtiger<br />
Post-Punk-Nerds lieferte, abgeschlossen. Schon das<br />
grellbunte, indisch anmutende Coverartwork vom 1984er-<br />
Album „The Top“ unterstrich diesen Eindruck, und die Musik<br />
war sonniger, fröhlicher, poppiger als wir das damals<br />
wahrhaben wollten, und mit „Caterpillar“ hatten Smith &<br />
Co. einen richtigen Hit, der neben dem Opener „Shake dog<br />
shake“ den Höhepunkt des Albums darstellt. Entstanden war<br />
das Album in einem Kraftakt Smiths ohnegleichen, arbeitete<br />
er doch parallel auch am neuen Album <strong>von</strong> SIOUXSIE &<br />
THE BANSHEES mit, spielte teilweise alle Instrumente außer<br />
Schlagzeug im Alleingang ein.<br />
Nur ein Jahr später, 1985, hatte Smith bereits ein neues Album<br />
am Start, und war auf „The Top“ Laurence Tolhurst der<br />
einzig verbliebene Originalmitstreiter gewesen, war jetzt<br />
auch wieder Bassist Simon Gallup am Start. Mit „The Head<br />
On The Door“ setzten THE CURE den Weg weg <strong>von</strong> düsterer<br />
Wave-Band hin zu smarter Pop-Band fort, und bereits der<br />
Opener „Inbetween days“ war ein Hit, ein fröhlicher, unbeschwerter<br />
Song, aber doch unverkennbar THE CURE. Und<br />
mit dem genauso eingängigen „Close to me“ war sogar ein<br />
weiterer Hit am Start, während mein bevorzugter Albumtrack<br />
immer das dramatische „A night like this“ war. Und<br />
hatten THE CURE ihre englische Heimat <strong>von</strong> jeher chartsmäßig<br />
im Griff, schafften sie es mit „The Head On The Door“<br />
auch in den USA in den Mainstream vorzudringen.<br />
deutlich genervt nachhaltig darum, doch diesen miserablen<br />
HELMET-Klon aus dem <strong>CD</strong>-Player zu entfernen. Woraufhin<br />
einem zwei dümmlich grinsende Typen zu verstehen<br />
geben, dass es sich um das neue „Meisterwerk“ genau dieser<br />
Band handelt. Nach einem kurzen Moment peinlicher<br />
Stille kommt man dann allerdings zu der Einschätzung, dass<br />
das doch eher HELMET beziehungsweise Mr Page Hamilton<br />
peinlich sein müsste, dass er wie eine schlechte Kopie<br />
<strong>von</strong> sich selbst erscheint. Okay, HELMET klingen hier wieder<br />
mehr nach den HELMET <strong>von</strong> „Meantime“, was aber noch<br />
lange nicht bedeutet, dass „Monochrome“ auch gut wäre,<br />
denn was früher kraftvoll, präzise und mitreißend war,<br />
klingt jetzt wie das Produkt irgendwelcher Stümper. Und<br />
dazu krächzt sich Hamilton einen ab, dass es einem gleichzeitig<br />
Lach- und Sorgenfalten ins Gesicht treibt. Sorry, diese<br />
Platte ist absolut lächerlich, vor allem im direkten Vergleich<br />
zu „Meantime“. Der einzige brauchbare Track ist der<br />
Titeltrack und selbst der klingt wie eine schwache Kopie, in<br />
diesem Fall der QUEENS OF THE STONE AGE. Traurig, ganz<br />
traurig! (2) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
HEAD LIKE A KITE<br />
Random Portraits Of The Human Movie <strong>CD</strong><br />
Pattern 25/Alive | Wenn die Songs nicht stimmen, dann<br />
können sie auch nicht <strong>von</strong> Samples und Elektroschnipseln<br />
gerettet werden. <strong>Die</strong> guten Ansätze und hörbaren Vorbilder<br />
<strong>von</strong> NOTWIST oder SONIC YOUTH und auch mal JOY DI-<br />
VISION kann man natürlich noch erwähnen, am Ergebnis<br />
ändern sie genauso wenig wie die Beteiligung <strong>von</strong> Musikern<br />
der POSIES und KINSKI. (33:39) (2) Christian Maiwald<br />
HIDRIA SPACEFOLK<br />
HDRSF-1 <strong>CD</strong><br />
nordic-notes.de | Ihr kennt sie ja bereits, jene Band, die ihren<br />
Musikstil schon im Bandnamen trägt und damit eigentlich<br />
jeden Kommentar vorwegnimmt. Allerdings ist die mir<br />
nun vorliegende Wiederveröffentlichung ihres privaten Demos<br />
nicht annähernd so druckvoll und konsequent wie ihre<br />
neueren Veröffentlichungen. Eigentlich schade, denn dass<br />
HIDRIA SPACEFOLK Potenzial haben, hörte man schon<br />
hier deutlich durch. Mir sind die Sounds und ihre Präsentation<br />
aber hier noch ein wenig zu behäbig, unstrukturiert<br />
und langatmig. Sie verlieren sich, wie viele Space-/Progrock-Bands<br />
am Anfang, noch zu oft in ihrem eigenen Universum<br />
und vergessen dabei ganz, den Hörer mitzunehmen.<br />
Da hilft nur eins: <strong>Die</strong> Energien bitte weiter ausschließlich<br />
für die Geschwindigkeit nutzen! (6) Carsten Vollmer<br />
HEROINES<br />
Hurts So Good <strong>CD</strong><br />
Wolverine/Soulfood | Das zweite Album der HEROINES<br />
kommt nach gut vier Jahren endlich raus, und wie man sehen<br />
und hören kann: es hat sich einiges getan, vor allem in<br />
Sachen Besetzung. Fräulein Galactica singt nun selbst und<br />
spielt weiterhin Gitarre. Es gibt einen neuen Drummer und<br />
einen neuen Bassisten, sprich: die halbe Mannschaft wurde<br />
ausgetauscht und eine „neue“ Stimme steht vor dem Mikro.<br />
Wenn ich mich dann aber durch die neun Songs höre, entdecke<br />
ich leider zwei ältere Nummern: „I fell“ und „Zero“.<br />
Hat man in den vier Jahren also doch nur sieben neue Songs<br />
schreiben können?! Scheint wirklich so zu sein und das ist<br />
schon etwas schwach. Schwach bis mittelmäßig sind leider<br />
auch die einzelnen Songs – kaum ein Chorus bleibt hängen<br />
– und der Sound <strong>von</strong> „Hurts So Good“ lässt ebenfalls zu<br />
wünschen übrig. <strong>Die</strong> Gitarren sind viel zu weit im Hintergrund<br />
und der Gesang setzt sich auch nicht wirklich durch.<br />
Da waren Yvy Pop und Electra meiner Meinung nach die<br />
besseren Sängerinnen. Alles in allem habe ich weitaus mehr<br />
erwartet. <strong>Die</strong> Band hatte ihre beste Phase wohl mit ihrer<br />
ersten <strong>CD</strong> und der noch besseren <strong>CD</strong>-EP. Wirklich schade.<br />
(47:36) Ross Feratu<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
Mit „Kiss Me Kiss Me Kiss Me“ <strong>von</strong> 1987 veröffentlichten<br />
THE CURE dann in unveränderter Besetzung gleich ein<br />
Doppelalbum. Jawohl, in der Prä-<strong>CD</strong>-Ära waren Alben, die<br />
wie dieses bei 18 Songs auf rund 75 Minuten Spielzeit kommen,<br />
eine teure und entsprechend besondere Angelegenheit,<br />
waren doch zwei schwarze 12“-Scheiben nötig, um alles<br />
unterzubringen, wohingegen im <strong>CD</strong>- und mp3-Zeitalter<br />
kaum noch eine Band darauf achtet, ob ein Album nun<br />
die Vinyl-Grenze <strong>von</strong> rund 45 Minuten einhält. Soundmäßig<br />
setzte „Kiss Me ...“ den mit „The Top“ eingeschlagenen<br />
Weg weiter fort, und mit dem smoothen „Catch“, dem<br />
grandiosen, euphorischen „Why can’t I be you“, dem schmusigen<br />
„Just like heaven“ (auch grandios <strong>von</strong> DINOSAUR<br />
JR gecovert) und dem verblüffend funkigen „Hot hot hot!!!“<br />
waren gleich vier internationale Hits enthalten, waren die<br />
Briten nun auch in den USA als Popgröße etabliert, hatten<br />
sie aber auch den düsteren Sound der frühen Achtziger mit<br />
Nummern wie „A thousand hours“ oder „Shiver and shake“<br />
nicht aufgegeben. THE CURE, das war das typische Beispiel<br />
dafür, dass es eine der „unseren“ Bands auch irgendwie in<br />
die Charts schaffen konnte, war die Vorwegnahme des Indierock-Siegeszuges<br />
der kommenden Jahre – und zugleich<br />
verlor ich persönlich nach „Kiss me“ bis auf weiteres das Interesse<br />
am immer noch seine Lippen dick rot schminkenden<br />
Smith.<br />
Was nun THE GLOVE anbelangt, so wurde dieses 1983 erschienene<br />
Album schon Mitte der Achtziger als rar gehandelt<br />
(war aber doch beim legendären Malibu-Versand zum<br />
Ausverkaufspreis zu bekommen ...), und für mich schwarzhaarigen<br />
Gruftiefrisur-Träger war es ob der Beteiligung <strong>von</strong><br />
Robert Smith einerseits und Steve Severin <strong>von</strong> SIOUXSIE<br />
& THE BANSHEES andererseits natürlich ein „Must-have“.<br />
Durch den Gesang <strong>von</strong> Jeanette Landray, die doch stark an<br />
Siouxsie erinnert, klang und klingt das Album nur noch<br />
mehr nach einem Zwitter aus beiden Bands, und angeblich<br />
war Smith nur deshalb nicht als Sänger zu hören, weil<br />
dem vertragliche Verpflichtungen entgegenstanden. Auf der<br />
zweiten <strong>CD</strong> hier sind jedenfalls die Demo-Versionen mit<br />
Smiths Vocals enthalten, ihren Reiz entfaltet die Platte jedoch<br />
mehr mit Landrays Vocals. Mit dem Opener „Like an<br />
animal“ ist auch ein kleiner Hit unter den zehn originalen<br />
Songs enthalten, und wer immer als Siouxsie- und CURE-<br />
Fan dieses Album bislang vermisste, sollte es sich zulegen.<br />
Für den Rest ist es eher komplementär ... Joachim Hiller<br />
JOHNNY CASH<br />
The Children’s Album <strong>CD</strong><br />
Columbia/Sony BMG | Cash früheres Label, die ihn Mitte<br />
der Achtziger fallen ließen, hat sich seit dem Erfolg der<br />
American Recordings eines besseren besonnen und bringt<br />
<strong>von</strong> Zeit zu Zeit alte, mittlerweile schwer zu erhaltene Alben<br />
als Rerelease raus. Lässt man die Texte außen vor, dürfte<br />
kaum auffallen, dass Cash die Songs für seine und andere<br />
Kinder geschrieben beziehungsweise gesungen hat. Sein<br />
klassischer Stil ist musikalisch beibehalten worden. Anders<br />
auf dem Original, wo direkt beim ersten Stück „Nasty Dan“<br />
klar wird, wer die Zielgruppe ist. Dort singt Cash ein Duett<br />
mit Oscar The Grouch, der Bestandteil der Sesamstraße<br />
war, bevor sie mit dem widerlichen Samson eingedeutscht<br />
wurde. Oscar hat man bei dieser Abmischung komplett herausgestrichen,<br />
was ein großer Verlust ist und mit Sicherheit<br />
nur daran liegen kann, dass man die typischen Kommentare,<br />
die das Original so sympathisch, aber weniger kommerziell<br />
machten, aus eben letzteren Gründen weggelassen<br />
hat. Dafür aber das tolle Duett mit June Carter, „I got a boy<br />
and his name is John“. June macht hier eigentlich nichts anderes<br />
als Oscar, nämlich im Liedtext zu unterbrechen und<br />
zu berichtigen. Aufgepeppt ist das Album mit vier tatsächlich<br />
unveröffentlichten Songs, darunter eine Version <strong>von</strong><br />
„Grandfather’s clock“. Besonders lohneswert ist vor allem<br />
„Ah bos cee dah“ und „Why is a fire engine red?“. Ein Kin-<br />
HORNY PANCAKES<br />
The Pursuit Of Happiness <strong>CD</strong><br />
horny-pancakes.de | Geht gar nicht. Ich hab es wirklich<br />
versucht und bin bemüht, immer positiv an Besprechungen<br />
ranzugehen, aber dem angepunkten Rockgewichse mit nerviger<br />
Grunge-Stimme der HORNY PANCAKES (der Name<br />
= nicht witzig) kann ich einfach null abgewinnen. Außer<br />
die Erkenntnis, dass es für einige Bands vielleicht das Beste<br />
ist, einfach nur so für sich „Mucke zu machen“ und keine<br />
Tonträger zu veröffentlichen. Abgenudelte, millionenfach<br />
gehörte Schwanzrockriffs à la NICKELBACK treffen in<br />
15 Songs auf vorhersehbare Melodien, die vielleicht der besoffen-schwofigen<br />
Jugend des lokalen Nachwuchswettbewerbs<br />
Feuer im Arsch machen können, aber mir nicht. Riskiert<br />
doch mal was, Jungs! <strong>Die</strong> Texte sagen mehr oder weniger<br />
nichts aus und wenn sich die im Info erwähnte „Punk-<br />
Attitüde“ einzig und allein in einer kritischen Beobachtung<br />
der USA äußert, verstehen die was anderes unter Punk<br />
als ich. Das Artwork will da nicht nachstehen und fügt sich<br />
durch seine Hässlichkeit bestens in den Gesamtkontext ein.<br />
Aber ich will ja nicht unfair sein. Gibt bestimmt Menschen,<br />
denen das hier gefällt. Checkt die Homepage der Band. (2)<br />
(44:27) Renke Ehmcke<br />
HAUNTED<br />
The Dead Eye <strong>CD</strong><br />
Century Media| THE HAUNTED beginnen ihre neue Scheibe<br />
„The Dead Eye“ mit dem treibenden Midtempo-Rocker<br />
„The flood“, dessen Gitarrenwände an METALLICA in ihren<br />
guten Zeiten erinnern. Ganz groß ist <strong>von</strong> Anfang an Sänger<br />
Peter Dolving, der eine unfassbare Intensität an den Tag<br />
legt. Dann folgt „The medication“, eine absolute Granate,<br />
die mich vollkommen wegfegt. Das sind die Songs, die ich<br />
bei THE HAUNTED am meisten liebe und die bei mir definitiv<br />
Gänsehaut verursachen. „The drowning“ und „The reflection“<br />
fallen leider ein wenig ab und plätschern so dahin.<br />
„The prosecution“ bewegt sich ebenfalls im unteren Drehzahlbereich,<br />
ist aber wieder härter, hat coole Beats und eine<br />
Menge Abwechslung zu bieten. „The fallout“ ist eher ruhig<br />
und schiebt immer wieder „echten“ Gesang ein, um mit<br />
„The medusa“ eine langsame Rocknummer folgen zu lassen.<br />
„The shifter“ ist dann (endlich) wieder ein Kracher mit<br />
mächtigem, gedrosseltem Chorus. „The cynic“ lässt mich<br />
eher ein wenig ratlos zurück, geht nicht wirklich rein, der<br />
Song. Mit „The failure“ folgt der längste Song. Feister Rock<br />
mit kurzen Akustikeinschüben. Auch hier lassen METALLI-<br />
CA grüßen. „The stain“ ist ein hartes Kaliber, sehr schnelle<br />
Parts wechseln mit brutalen, gedroschenen Strophen und<br />
sich öffnendem Chorus. „The guilt trip“ als Schlusspunkt<br />
ist ein schleppendes Monster mit grandiosen Gitarren. Unterm<br />
Strich fehlt mir ein wenig die Wucht und die Unbekümmertheit<br />
der Vorgänger, die auslaugende Intensität <strong>von</strong><br />
„rEVOLVEr“ wird nicht erreicht. Wahrscheinlich ist das die<br />
„Weiterentwicklung“, welche die meisten Bands auf dem<br />
Niveau <strong>von</strong> THE HAUNTED früher oder später durchmachen.<br />
Sei’s drum, gute Platte, die ich mir noch des Öfteren<br />
zu Gemüte führen werde. (55:04) (7) Zahni<br />
HIGHSCHOOL LOCKERS<br />
Never Ending Party <strong>CD</strong><br />
Nicotine | Wow, wenn ich bei dieser Platte „Hit an Hit“ sage,<br />
ist das wohl nicht untertrieben und auch die „Never Ending<br />
Party“-Ansage des Albumtitels ist Programm. <strong>Die</strong> italienischen<br />
HIGHSCHOOL LOCKERS bezeichnen sich selbst gerne<br />
als Powerpop-Band, haben im selben Moment aber den<br />
unglaublich coolen Rock’n’Roll-Drive der HEARTBREA-<br />
KERS und schießen dementsprechend 12 absolute Burner<br />
aus den Rohren. Alle Songs hören sich gleich an? Der Sound<br />
ist total out und anachronistisch? Scheiß drauf, sag ich, denn<br />
„Never Ending Party“ is the word und HIGHSCHOOL LO-<br />
CKERS are go! Technisch, songwriterisch und vom Sound<br />
her nahezu perfekt, ähnlich gut haben das in jüngerer Ver-<br />
deralbum <strong>von</strong> 1975 für alle Altersgruppen, das so gar nichts<br />
mit sonstigem Kinderliederkram zu tun hat und selbstredend<br />
ein Muss für alle Fans. (36:40)(9) Claus Wittwer<br />
CRAPSCRAPERS<br />
!Abschreckung! LP<br />
mr.crap@freenet.de | Wenn selbst der Herausgeber den<br />
Wert einer Wiederveröffentlichung sämtlicher CRAPSCRA-<br />
PERS-Aufnahmen über zwanzig Jahre nach ihrer Auflösung<br />
in Frage stellt, wird dieser selbst für Bekannte der Band<br />
dürftig sein, obwohl die CRAPSCRAPERS bei drei Besetzungen<br />
und drei überregionalen Auftritten die immerhin vierte<br />
Spandauer Band mit eigener Plattenveröffentlichung waren.<br />
Hier sind nun 28 Tracks mit sechs Doubletten versammelt,<br />
die sich durch politische Texte (2,5 Mio. Arbeitslose waren<br />
mal erschreckend) in deutscher, englischer und mit „Paska<br />
kieli“ sogar in „finnischer“ Sprache auszeichnen. Verschluckte<br />
Textfetzen, Überschallgeschwindigkeit und heruntergestimmter<br />
Bass: Richtig, das sind Stilmittel des Finnen-Punks.<br />
Haupteinfluss dürften damit die Kumpels <strong>von</strong><br />
den MALINHEADS mit ihrer Single „Probegepogt aus Spandau“<br />
ebenso wie TERVEET KÄDET gewesen sein. <strong>Die</strong> Platte<br />
ist wegen des umfangreichen Beiheftes wenigstens für<br />
Punk-Historiker interessant, da die Mitglieder später in<br />
Bands wie FUNKUCHEN, SUBKULTUR, VKJ (Revival), der<br />
FUCK YOU CREW, COALESCENCE und den RATTLESNAKE<br />
MEN landeten. (6) Walmaul<br />
JOHN DOE<br />
For The Best Of Us <strong>CD</strong><br />
Yep Roc/Cargo | Zu X-Mitglied John Doe muss man wohl<br />
nicht mehr großartig etwas sagen, zumal der Mann auch<br />
schon zu X-Lebzeiten Solo-Platten aufgenommen hatte,<br />
ähnlich wie Kollegin Exene Cervenka mit deutlichem<br />
Country-Einschlag. Ursprünglich erschien „For The Best Of<br />
Us“ als 5-Song-EP auf Kill Rock Stars, eingespielt mit der<br />
Backing-Band <strong>von</strong> Beck und mit einem Song, an dem Dave<br />
Grohl beteiligt war. Hinzugekommen sind jetzt fünf weitere<br />
Songs aus derselben Session, womit man jetzt ein komplettes<br />
Album vor sich hat. Doe tendiert hier zu einem ruppigen,<br />
unterschwellig Country-lastigen Rock, der auch irgendwie<br />
recht punkig rüberkommt, in einem SOCIAL DIS-<br />
TORTION-Sinn, also insgesamt nicht weit <strong>von</strong> X entfernt.<br />
Keine musikalische Revolution also, aber eine Platte, die<br />
deutlich Does Stempel trägt und dementsprechend charakteristisch<br />
rüberkommt. Wie seine anderen Solo-Platten<br />
und auch die <strong>von</strong> X ein recht zeitlose Angelegenheit, die den<br />
Soul und das Feuer besitzt, das so vielen Bands, die meinen<br />
heutzutage Platten aufnehmen zu müssen, völlig fehlt und<br />
wo der Funke direkt auf den Hörer überspringt. (8)<br />
<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
FABIENNE DELSOL & THE BRISTOLS<br />
Best Of <strong>CD</strong><br />
Damaged Goods/Cargo | Wie sich die Zeiten doch ändern,<br />
inzwischen scheint die ehemalige Frontfrau dieser „legendären“<br />
Sixties-Frenchbeat-Offenbarung mit recht überschaubarem<br />
Output so stark in den Vordergrund getreten<br />
zu sein, dass es sich im Titel eben nicht mehr alleine nur<br />
um eine „Best Of“-Platte der BRISTOLS handelt, obwohl es<br />
sich eben genau darum handelt. Zwei Jahre nach der Solo-<br />
Platte <strong>von</strong> Fabienne Delsol gibt es hier eine schöne Zusammenstellung<br />
mit 14 Stücken aus den zwei Alben der Londoner<br />
Band um Toe Rag-Guru Liam Watson, plus einige Single-Tracks,<br />
was man soundtechnisch auf den neuesten Stand<br />
gebracht hat. Delsols Solo-Platte hatte ich als partytauglichere<br />
Version <strong>von</strong> Holly Golightly bezeichnet und das trifft<br />
in noch viel stärkerem Maße auf die BRISTOLS zu, die sich<br />
überwiegend auf die Interpretation <strong>von</strong> Sixties-Songs verstanden<br />
und weniger eigene Stücke im Repertoire hatten.<br />
Macht aber nichts, denn Delsols Englisch mit süßem fran-<br />
<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 071<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 71 22.09.2006 20:51:50 Uhr
ereleases<br />
zösischen Akzent und der lässig swingende Sound der restlichen<br />
BRISTOLS sorgen für genug Eigenständigkeit im Wust<br />
unzähliger anderer Garagebands, ebenso wie für einen hohen<br />
Unterhaltungswert. Und wenn sie all diese wundervollen<br />
Pop-Perlen auch noch selber geschrieben hätten, hätte<br />
man es hier mit wirklichem Klassikermaterial zu tun. Aber<br />
bei den DETROIT COBRAS stört das ja auch niemanden ...<br />
(8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
D.R.I.<br />
Dirty Rotten LP (On <strong>CD</strong>) <strong>CD</strong><br />
beercityrecords.com | Es ist wohl kaum adäquat mit wenigen<br />
Worte zu beschreiben, was D.R.I. mit ihrem Debüt „Dirty<br />
Rotten LP“ einst losgetreten haben und wie viel ihnen die<br />
Hardcore- als auch die Metal-Szene zu verdanken haben. Als<br />
die Band um die aus Austin, Texas stammenden Spike Cassidy<br />
und Kurt Brecht Ende 1982 auf ihrem eigenen Label ihre<br />
„Dirty Rotten EP“ veröffentlichten – und 1983 gleich nochmals<br />
als 12“ und eben mit dem Titel „Dirty Rotten LP“ –<br />
konnten sie selbst nicht absehen, dass sie mit 23 ultrakurzen<br />
Wutausbrüchen in 18 Minuten Musikgeschichte schreiben<br />
würden und mal eben eine Blaupause für zig nachfolgende<br />
Hardcore-Bands vorlegten. Auch einen nicht geringen Einfluss<br />
auf die Entstehung des Thrashcores und den kurz danach<br />
geborenen Grindcore muss man ihnen wohl anrechnen.<br />
Ein Klassiker, ganz klar, im Original seit Jahren ausverkauft<br />
und nur in einer remixten Version mit anderer Songreihenfolge<br />
erhältlich. Zusammen mit D.R.I. haben Beer<br />
City die Platte jetzt so veröffentlicht, wie sie 1983 erschien,<br />
zwar auf <strong>CD</strong>, aber mit dem originalen Front- und Backcover<br />
(letzteres natürlich leicht angepasst) und die Musik wurde<br />
direkt unbearbeitet <strong>von</strong> den Originalmasterbändern gezogen.<br />
So wurde natürlich auch der ursprüngliche Rumpelsound<br />
in die Jetztzeit transportiert, aber, verdammt, so hat<br />
das Ding nun mal geklungen und das hat eben auch zum<br />
brutalen Charme der Platte beigetragen. Wer damals nicht<br />
zugeschlagen hat oder, wie ich, einfach zu jung war – mit<br />
acht Jahren hat wohl nur Harley Flanagan schon Hardcore<br />
gehört – der sollte jetzt seine Sammlung mit diesem grandiosen<br />
Stück Musik komplettieren. (10) André Bohnensack<br />
DICKS<br />
Ten Inches 10“<br />
Hog Hog Hog 7“<br />
deltapop.com | Wunderschöne, zehnzöllige Scheibe in<br />
Gelb-Rosa, wobei das Gelb bei den guten Exemplaren einen<br />
Ring zwischen den zwei rosa Rändern bildet. Sehr, sehr frühe<br />
Liveaufnahmen der Texas-Punks um Gary Floyd, die ähnlich<br />
wie die frühen GERMS-Aufnahmen zwar schön anzuhören<br />
sind, aber nie den Eindruck dessen vermitteln können, was<br />
die Bands damals für eine Schockwirkung auf die Leute gehabt<br />
haben müssen. Sechs Songs, darunter solche Klassiker<br />
wie „Bookstore“, „Kill from the heart“ oder „Wheelchair<br />
epidemic“, die anders als auf der Split-LP mit den BIG BOYS<br />
klingen, aber nicht unbedingt besser. Alles noch sehr roh<br />
und ungestüm, aber absolut inspirierend. Wenn jetzt noch<br />
jemand so nett wäre, die erste LP („Kill From The Heart“)<br />
neu aufzulegen, dann wäre ihm mein Dank gewiss. Schön,<br />
auch wenn ich wegen des Datums etwas irritiert bin, denn<br />
laut der „Dicks 1980-1986“-<strong>CD</strong> war die erste Probe im Mai<br />
1980, das Konzert hier ist aber vom April desselben Jahres.<br />
Hmmm, da hat sich wohl jemand vertan, würde ich sagen,<br />
und auf die Scheibe hier ein Jahr draufhauen. Essentiell ist<br />
dafür die blau-gelbe „Hog Hog Hog“-Single mit dem bisher<br />
unveröffentlichten „Pigs run wild“ und einer alternativen<br />
Version des Überklassikers „Hate the police“, in einer we-<br />
072 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />
gangenheit nur die mittlerweile aufgelösten BACKWOOD<br />
CREATURES hingekriegt. Wer also auf diesen Sound steht<br />
sollte hier unbedingt zuschlagen. Der perfekte Wochenend-<br />
Soundtrack! (37:11) (9) Bernd Fischer<br />
HOSTAGE LIFE<br />
Sing For The Enemy M<strong>CD</strong><br />
householdnamerecords.co.uk | Wirklich gut beginnt diese<br />
9-Song-Debüt-EP <strong>von</strong> HOSTAGE LIFE aus Toronto. <strong>Die</strong> ersten<br />
beiden Songs der EP, „Happy 2000 and anything“ und<br />
„Money parade“, sind schöne Punkrock-Stücke, die rauh<br />
und schnörkellos auf den Punkt gespielt sind. Hier erinnert<br />
die Band an eine rauhe Version der LOVED ONES oder der<br />
LAWRENCE ARMS. <strong>Die</strong> Energie und die Frische der Songs<br />
lassen im Laufe der EP jedoch nach. Und auch wenn die<br />
restlichen Songs keinesfalls schlecht sind, begeistern sie<br />
mich nicht so wie die beiden Opener. Schade eigentlich, das<br />
hätte eine richtige gute EP werden können. Auf das erste Album<br />
der Band bin ich dennoch gespannt. (18:48) (6)<br />
Lauri Wessel<br />
HEART ATTACKS<br />
Hellbound And Heartless <strong>CD</strong><br />
Hellcat | Bei Hellcat Records erschienen, <strong>von</strong> Lars Frederiksen<br />
produziert: „Hellbound And Heartless“, das Debütalbum<br />
der HEART ATTACKS aus Atlanta, welche nicht mit den<br />
gleichnamigen Garage-Punks aus Schweden zu verwechseln<br />
sind. Chase, Lead-Sänger der HEART ATTACKS behauptet:<br />
„We’re a gang of pirate gypsy crackhead smart-mouthed<br />
snot-nosed rock & roll misfits.“ Huiuiui! Zu ihrem forschen<br />
Auftreten und den geschmacklosen 70er-Jahre-Glamrock-<br />
Frisuren liefern die Jungs auch den dazu gehörigen Soundtrack<br />
– sprich: Seventies Rock mit Punk-Einflüssen. Das<br />
Ganze recht wild vorgetragen, mit einer knatschigen, teils<br />
kreischenden, sich überschlagenden Stimme, die zwischendurch<br />
dann auch mal lässig auf cool macht – Rock’n’Roll<br />
eben. Große Gesten, schön aufgesetzt. Dadurch zwar nicht<br />
unsympathisch, vielleicht aber etwas nervig. Als weibliche<br />
Unterstützung trifft man bei einem Duett in dem Song „Tearstained<br />
letters“ sogar tatsächlich auf Joan Jett – einer der<br />
wenigen Höhepunkte dieses Album. (5) Alex Gräbeldinger<br />
HOT SNAKES<br />
Thunder Down Under LP/<strong>CD</strong><br />
swamirecords.com/Alive | Herzlichen Dank ... nie gesehen<br />
und schon wieder aufgelöst! Grm, die aufgepimpte Version<br />
<strong>von</strong> DRIVE LIKE JEHU wirft das Handtuch (haben sie schon<br />
letztes Jahr gemacht, hat nur kaum jemand mitbekommen)<br />
und wir warten darauf, dass John Reis neue Leute finden<br />
wird, mit denen er wieder was auf die Beine stellt. Nach der<br />
Peel Session-7“ gibt es nun eine komplette Live-Radiosession,<br />
die angeblich in Australien aufgenommen wurde. Hört<br />
man zwar nicht unbedingt, dass das live ist, aber es klingt alles<br />
sehr genial, frisch und locker aus dem Ärmel geschüttelt,<br />
vielleicht sogar ein wenig peppiger als auf den regulären<br />
LPs. Naja, es gibt ein paar wenige kurze Ansagen, da<br />
erahnt man ein Publikum, aber was soll’s? Guter Abschied<br />
mit allen bekannten Hits auf lila Vinyl. Mehr Punkte hätte<br />
es gegeben, wenn die Herren nicht nur Songs gespielt hätten,<br />
die man schon mindestens ein Mal im Schrank hat. (8)<br />
Kalle Stille<br />
HARRY J. ALLSTARS<br />
Liquidator 10“<br />
Trojan/Sanctuary | Der hervorragende Klassiker „Liquidator“<br />
<strong>von</strong> HARRY J. ALLSTARS aus dem Jahr 19<strong>69</strong> erlebt<br />
durch den modernen Mix des englischen TROJAN SOUND<br />
SYSTEM nun eine Art Renaissance. Neben dem Original<br />
und dem Debüt vom TROJAN SOUND SYSTEM, erhält man<br />
auf diesem schmucken 10“-Vinyl einen weiteren Mix <strong>von</strong><br />
Wrongtom, sowie die „Chairman of the board“-Version<br />
<strong>von</strong> Bongo Herman, Les & Bunny aus dem Jahr 1972. Bit-<br />
sentlich langsameren Version, die auf eine ganz andere Art<br />
angepisst wirkt als die ursprünglich veröffentlichte. Sehr<br />
genial und wie die 10“ natürlich limitiert. (8/9) Kalle Stille<br />
EPOXIES<br />
s/t M<strong>CD</strong><br />
dirtnaprecs.com | Wer zu spät kommt, den bestraft die <strong>CD</strong>,<br />
oder so. <strong>Die</strong> selbstbetitelte Debüt-7“ der EPOXIES <strong>von</strong> 2001<br />
als auch die „Synthesized“-7“ <strong>von</strong> 2002 sind längst ausverkauft<br />
und spätestens seit dem Signing der Band durch Fat<br />
Wreck nur noch zu Schweinepreisen zu bekommen, also<br />
wurden für alle Nichtbesitzer des Vinyls eben beide auf einer<br />
<strong>CD</strong> zusammengefasst. Erst 2002 <strong>von</strong> der Band selbst, die<br />
das Ding auf Konzerten verkaufte, jetzt nochmals <strong>von</strong> ihrem<br />
alten Label Dirtnap, wo die Singles ja auch ursprünglich erschienen<br />
und sich damit der Kreis schließt. Insgesamt nur<br />
fünf Songs, die aber mit zum Besten des EPOXIES-Repertoires<br />
gehören und „Beat my guest“ und „Clones“ sind hier<br />
exklusiv, heißt, nicht auf den Alben zu finden. (9)<br />
André Bohnensack<br />
FACE TO FACE<br />
Shoot The Moon <strong>CD</strong><br />
Antagonist/Golf/plastichead.com | Im September 2004<br />
lösten sich die aus Kalifornien stammenden FACE TO FACE<br />
nach zwölf Jahren, sechs Alben, diversen Besetzungs- und<br />
Labelwechseln sowie endloser Probleme mit Managern und<br />
Labels frustriert auf. Sie hinterließen eine beeindruckende<br />
Menge mitreißender Punkrock-Songs, machten eine<br />
Entwicklung weg und wieder zurück zum klassischen So-<br />
Cal-Melodic-Punk durch, und nahmen 2002 mit „How To<br />
Ruin Everything“ ihr bestes wie auch letztes Album auf, das<br />
durch unglaublich mitreißende, rauhe Punk-Hymnen begeisterte<br />
– und heute beinahe schon wieder vergessen ist.<br />
Um gegen das Vergessen etwas zu tun, hat Sänger und Gitarrist<br />
Trever Keith auf seinem Label Antagonist Records diese<br />
21 Songs umfassende Best-Of-Compilation veröffentlicht,<br />
die <strong>von</strong> „Don’t Turn Away“ <strong>von</strong> 1992/93 bis zum Abschiedsalbum<br />
reicht, zwei unveröffentlichte Livesongs enthält und<br />
auch noch exquisit ausgestattet ist: schwarzes Artwork mit<br />
kaschiertem Druck, Pappschuber und ein fettes Booklet mit<br />
ausführlicher Band-History, Kommentaren zu allen Platten<br />
und reichlich Fotos. Perfekt – spätestens jetzt sollte jeder<br />
Fan klassischen kalifornischen Punkrocks etwas <strong>von</strong> F2F im<br />
Schrank stehen haben. (64:26) (9) Joachim Hiller<br />
FLESHGORE<br />
Killing Absorption <strong>CD</strong><br />
thisdarkreign.com | FLESHGORE, die Zweite. Oder besser:<br />
die Erste. Bei „ Killing Absorption“ handelt es sich nämlich<br />
um das Rerelease des Erstlings <strong>von</strong> 2003. Habe ich den<br />
Nachfolger „May God Strike Me Dead“ noch in der letzten<br />
Ausgabe über den grünen Klee gelobt, muss ich bei „Killing<br />
Absorption“ doch einige Abstriche machen. Klar spielte<br />
man auch da schon diesen fiesen Brutalo-Death Metal Marke<br />
DYING FETUS – also technisch ohne durch ewiges Gefidel<br />
zu nerven –, aber gerade vom Sound her kann diese<br />
Scheibe nichts reißen, zu dünn, schlechter, zu lauter Drumsound,<br />
nee, da schon lieber den amtlichen Baustellensound<br />
des Nachfolgers. Live in Wacken waren sie aber doch sehr<br />
unterhaltsam und könnten mit etwas Routine sicher zu den<br />
ganz Großen gehören. (31:20) (5) Dr. Oliver Fröhlich<br />
FIX<br />
The Speed Of Twisted Thought LP/<strong>CD</strong><br />
touchandgorecords.com | Touch & Go Records aus Chicago<br />
feiert derzeit seinen 25. Geburtstag, und zu diesem Anlass<br />
kümmert man sich auch um die Pflege des ganz frühen<br />
Katalogs, als neben MEATMEN und NECROS eben auch<br />
THE FIX auf dem frisch gegründeten Label einen Siebenzöller<br />
veröffentlichten (für den unlängst angeblich ein Ir-<br />
te ähnliches mit „Police & thieves“ oder „Pressure drop“ mit<br />
THE CLASH-Versionen. Da fällt mir ein, der Sampler mit all<br />
den Reggae-Songs, die THE CLASH mal neu arrangierten, ist<br />
immer noch nicht erhältlich ... Bis dahin muss eben das „Liquidator“-Vinyl<br />
herhalten. (8) Simon Brunner<br />
DIE HUNNS<br />
You Rot Me <strong>CD</strong><br />
peoplelikeyourecords.com | Duane Peters, Skateboard-Veteran,<br />
Modezar und Punk’n’Roll-Institution in einer Person,<br />
ist so unglaublich fleißig. Nicht nur die U.S. BOMBS hauen<br />
in regelmäßigen Abständen<br />
neue Alben raus, auch<br />
das Nebenprojekt DIE<br />
HUNNS ist wirklich nicht<br />
zurückhaltend mit neuen<br />
Veröffentlichungen. Das<br />
neue Werk ist, verglichen<br />
mit den eher simpel gestrickten<br />
U.S. BOMBS-<br />
Platten der letzten Jahre,<br />
ein wahres Feuerwerk an<br />
originellen Kompositionen,<br />
<strong>Die</strong> kommen zwar<br />
alle nicht ganz geruchlos<br />
daher (manchmal stinkt es schlimmer als eine Wagenladung<br />
Gammelfleisch), doch alles in allem ist „You Rot Me“ ein<br />
erfreulich frisches Album, das zwar hemmungslos in den<br />
Siebzigern zwischen STOOGES, Bowie oder anderen Glampunkern<br />
wildert, das aber immer wieder neu überraschen<br />
kann und die Kurve kriegt vom simplen Punkgeboller hin<br />
zu raffinierten Gitarrenarrangements. (8) Gereon Helmer<br />
HUMAN ABSTRACT<br />
Nocturne <strong>CD</strong><br />
Hopeless | Das opulente Metal-Lead nach dem Akustik-Intro<br />
ist so was <strong>von</strong> berechenbar, da wäre ja selbst meine Oma<br />
draufgekommen, aber immerhin distanzieren sich die Amerikaner<br />
vom stereotypen Metalcore dieser Tage und nennen<br />
ihren Stil „Prog-Metal“. Meist handelt es sich dabei ja um<br />
reine Marketingideen, aber HUMAN ABSTRACT sind tatsächlich<br />
Prog, sie machen Tabbing, übertreffen sich gegenseitig<br />
in ihrem handwerklichen Können und lassen die Soli<br />
so richtig heulen. Gesanglich wird vom Gebrüll bis hin zum<br />
glasklaren Operettenton jede Nuance strapaziert. Ich meine<br />
das ist witzig, aber die meinen das glaube ich ernst. Hmmm<br />
... (46:44) (5) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
IN NOMINE CHRISTI<br />
Quo Vadis? LP<br />
civilisation-records.com | IN NOMINE CHRISTI<br />
sind aus den Schwaben DEKADENT hervorgegangen<br />
und haben gerade mit „Quo Vadis?“ ihren ersten<br />
Longplayer veröffentlicht. Sie machen es mir mit ih-<br />
I<br />
rer Mischung aus depressiven, auf deutsch gesungenen<br />
Songs, Drum-Maschine, schleppenden Sounds<br />
und gelegentlichen Industrialanleihen nicht leicht. Der<br />
12-minütige Opener „Mein Kind“ erinnert mich schwer<br />
an EISREGEN zu „Leichenlager“-Zeiten, wobei IN NOMI-<br />
NE CHRISTI textlich immer politisch und links bleiben.<br />
Mal was anderes ist dann „Ich sehe Bilder“, das mit ausufernden<br />
Drumcomputer-Passagen eher an Bands wie GOD-<br />
FLESH erinnert, ohne annähernd deren Kühle und Sterilität<br />
zu erreichen, was aber sicher auch nicht Ziel war. „Es ist<br />
vollbracht“ dann schon fast melodiös und heiter gestimmt,<br />
wenn man bei „Quo Vadis?“ da<strong>von</strong> sprechen kann. Insgesamt<br />
krankt die Platte für meinen Geschmack nicht an den<br />
Songs, die mir aber persönlich zu depressiv sind, was durchaus<br />
meiner Stimmung entsprechen würde, sondern am<br />
durchgehend kraftlosen und monotonen Gesang. <strong>Die</strong> Band<br />
mit einem guten Sänger und lebendigerem Sound wäre sicher<br />
ein Brecher. (6) Dr. Oliver Fröhlich<br />
rer bei eBay 1.600 Dollar gezahlt hat ...). THE FIX kamen<br />
aus Lansing, Michigan, gründeten sich 1980, spielten zwei<br />
Singles ein („Vengeance/In This Town“, TG02; „Jan’s Room“,<br />
TG05) und lösten sich nach dem Konzert am 31.12.1981 in<br />
San Francisco wieder auf, wissend, dass man besser geht, bevor<br />
man den Spaß an der Sache verliert, denn nicht wenige<br />
waren seinerzeit der Meinung, mit dem Hardcore sei es eigentlich<br />
schon wieder vorbei ... Auf Grund der räumlichen<br />
Abgeschiedenheit <strong>von</strong> Lansing, MI hatten THE FIX unbeeinflusst<br />
<strong>von</strong> all den anderen Hardcore-Bands jener Tage ihren<br />
eigenen, schnarrenden, scharfen, ultraschnellen Sound entwickelt,<br />
der im Booklet dieser 24 Songs umfassenden Zusammenstellung<br />
(neben den Singletracks finden sich noch<br />
Demo-Sessions sowie Livesongs) <strong>von</strong> Henry Rollins, Thurston<br />
Moore, Tim Tonooka und Tesco Vee gewürdigt wird.<br />
Auch Frontmann Steve Miller meldet sich hier zu Wort, erinnert<br />
sich an die Zeit Anfang der Achtziger. Aus THE FIX<br />
gingen seinerzeit übrigens BLIGHT hervor, bei denen neben<br />
Steve Miller und Bassist Mike Achtenberg auch Tesco Vee<br />
spielte. Ein wichtiges Hardcore-Dokument, das in keiner<br />
Sammlung fehlen sollte. (36:52) (9) Joachim Hiller<br />
FLOGGING MOLLY<br />
Alive Behind The Green Door <strong>CD</strong><br />
sideonedummy.de | Manchmal kommt es vor, dass ein Label<br />
seine neueste Veröffentlichung selbst sehr treffend einschätzt.<br />
Der glückliche Rezensent muss dann nur noch das<br />
euphemistische Label-Kauderwelsch in verständliches<br />
Deutsch übersetzen, da ansonsten der eine oder andere Leser,<br />
die im Werbetext enthaltenen Informationen, vielleicht<br />
etwas zu naiv interpretiert. Probieren wir es anhand dieser<br />
Live-Scheibe der derzeit, zu Recht, erfolgreichsten Folk-<br />
Punker. O-Ton des Labels: „‚Alive Behind The Green Door‘<br />
ist FLOGGING MOLLY’s allererste Live-Aufnahme.“ (Also:<br />
Klar, niemand kann erwarten, dass sie zu diesem Zeitpunkt<br />
– 1997, dem Jahr ihrer Gründung – ansatzweise so gut spielten,<br />
wie sie es mittlerweile tun, aber, hey, immerhin ist es<br />
irgendwie historisch, oder?) „Ein kleines, rauhes ...“ (Folglich:<br />
Na ja, nur zehn Songs, aber mehr waren damals eben<br />
nicht vorzeigbar und, ähem, also die Soundqualität …) „<br />
... Sammler-‚Must Have‘ für die Legionen an FLOGGING<br />
MOLLY-Fans da draußen.“ (Sprich: Na, aber glücklicherweise<br />
ist die Band momentan so unglaublich angesagt, dass<br />
wir uns an der Platte trotzdem dumm und dämlich verdienen<br />
werden, haha.) Wie gesagt: Ich kann mich nur anschließen.<br />
(46:23) (4) Ferdinand Praxl<br />
FLAMING LIPS<br />
20 Years Of Weird 1986-2006 <strong>CD</strong><br />
Warner/Alive | Ein Fan-Artikel: Wer mit den Studioalben<br />
der FLAMING LIPS nicht ausgelastet ist, der bekommt hier<br />
elf Live-Tracks aus den vergangenen 20 Jahren geboten, in<br />
verschiedenster Aufnahmequalität zwischen Bootleg und<br />
gut. „Free radicals“ vom aktuellen Longplayer ist dabei, aber<br />
auch das schöne „Shine on sweet Jesus“, das LED ZEP-Cover<br />
„Whole lotta love“ und „Space age love song“ <strong>von</strong> A FLOCK<br />
OF SEAGULLS (denen die Band hier das vorangestellte „A“<br />
geklaut hat, tststs). Das „Booklet“ ist eine spartanische Angelegenheit,<br />
enthält kurze Kommentare <strong>von</strong> Wayne, der<br />
auch im Intro was zu dieser bereits in ähnlicher Form zuvor<br />
mal aufgelegten <strong>CD</strong> erzählt. Essentiell – aber nur für absolute<br />
„Alleskäufer“ dieser Band ... (67:18) (6) Joachim Hiller<br />
GRAFZAHL<br />
Kolepke zahlt <strong>CD</strong><br />
tumbleweedrecords.de/Broken Silence | „Kolepke zahlt“?!<br />
– Da stelle ich mir die grinsenden Gesichter der Redaktion<br />
vor, als Joachim Hiller diese GRAFZAHL-<strong>CD</strong> in mein Fach<br />
wirft. Haha. Nun denn, vielleicht hätte ich diese Sammlung<br />
aus „Singles und anderen Kleinigkeiten“ auch anders betitelt<br />
bekommen. GRAFZAHL werden es in diesem Leben<br />
IRON MAIDEN<br />
A Matter Of Life And Death <strong>CD</strong><br />
emi.de | Okay, vergessen wir mal mein Geschwätz <strong>von</strong> gestern,<br />
<strong>von</strong> wegen, IRON MAIDEN würden seit Jahren nur<br />
noch nette, aber belanglose und damit überflüssige Platten<br />
veröffentlichen. Ja, auch ich kann mich mal irren, verdammt.<br />
Denn auch wenn es mir schwer fällt, es zuzugeben,<br />
das vierzehnte IRON MAIDEN-Album „A Matter Of Life<br />
And Death“ ist eine sehr schöne, streckenweise richtig begeisternde<br />
Platte geworden. Zwar hatte ich anfangs durchaus<br />
Schwierigkeiten mit diesem 72-Minuten-Brocken, wollten<br />
die zehn Songs nicht so richtig zünden. Aber irgendwann<br />
hat es mich doch erwischt und ich wage jetzt zu behaupten,<br />
dass das hier die stärkste Platte der Engländer seit „Seventh<br />
Son Of A Seventh Son“ ist und die erschien immerhin 1988.<br />
Ich kann und will gar nicht genau erläutern, woran das liegen<br />
mag, die einzelnen Songs als auch das Album als Ganzes<br />
wissen einfach zu überzeugen, was in der jüngeren Vergangenheit<br />
eben nicht mehr der Fall war. Klar hatten IRON<br />
MAIDEN immer wieder mal ein paar gute bis sehr gute<br />
Songs geschrieben, aufwerten konnten diese das Gesamtbild<br />
der eher schwachen Alben aber nicht. „A Matter Of Life<br />
And Death“ dagegen funktioniert <strong>von</strong> Anfang bis Ende, hat<br />
wundervolle Momente als auch richtige Hits (die soll aber<br />
bitte jeder für sich selbst entdecken), eine brillante Gitarrenarbeit<br />
und Bruce Dickinsons Gesangsleistung ist genauso<br />
grandios wie auf seinem letzten Soloalbum. Willkommen<br />
zurück in meinem Leben, IRON MAIDEN! Und wo ich gerade<br />
so generös bin: vielleicht sollte ich „Brave New World“<br />
und „Dance Of Death“ doch noch mal eine Chance geben.<br />
Eventuell ist ja auch „No Prayer For The Dying“ gar nicht so<br />
beschissen, wie ich es in Erinnerung habe. (8)<br />
André Bohnensack<br />
I AM BONES<br />
Wrong Numbers Are Never Busy <strong>CD</strong><br />
morningsiderecords.dk/Playground | Das hier ist Kunst.<br />
Der dänische Künstler hinter I AM BONES heißt Johannes<br />
Gammelby, und glaubt man dem Infoschreiben, steht er auf<br />
Heavy Metal, Schädel und Blut. Sein Motto: „Eat, Fuck, Sleep,<br />
Repeat“. Ganz schön abgedreht, was? Verrückt scheint aber<br />
nicht nur Gammelby selbst zu sein, sondern auch seine Musik.<br />
Gammelby und seine Band haben nicht nur mit dem<br />
Albumtitel „Wrong Numbers Are Never Busy“ Recht. Auf<br />
diesem Debüt liegen Genie und Wahnsinn dicht beieinander,<br />
scheinen sich in dem Dutzend Songs sogar zu bedingen.<br />
Ein Mosaik aus Rock und Pop, Indie und Metal, Crossover,<br />
Breakbeat, Funk und Spoken Word. I AM BONES bedienen<br />
sich vieler Stile, ohne die Songs zu überfrachten. Beinahe<br />
jeder Song begründet sein eigenes Genre. Trotz aller<br />
Vielfalt klingen I AM BONES nie konzeptlos. Obwohl sich<br />
die Songs fundamental unterscheiden, bleibt ein roter Faden<br />
erkennbar, die Reihenfolge ist schlüssig. Darüber hinaus<br />
und im Gegensatz zu den Produkten <strong>von</strong> anderen progressiven<br />
Künstlern wie MARS VOLTA oder Mike Patton besitzen<br />
I AM BONES eine vergnügte Leichtigkeit, die es möglich<br />
macht, ihr Album am Stück zu genießen und sich hinterher<br />
auch noch gut zu fühlen. „The beat is Satan“. Monströs!<br />
(32:25) (10) Arne Koepke<br />
INDIGO JONES<br />
40 Miles <strong>CD</strong><br />
skinnydogrecords.co.uk/Gordeon | <strong>Die</strong> Kategorisierung<br />
<strong>von</strong> „40 Miles“, INDIGO JONES dritte Veröffentlichung in<br />
vier Jahren, fällt mir schwer. Fast ausschließlich mit akustischen<br />
Instrumenten gespielt, schlägt die Band eher ruhige<br />
Töne an. Und das hört sich sehr gut an. Ich muss zugeben,<br />
dass ich beim ersten Hören ganz und gar nicht angetan, eher<br />
gelangweilt war – ich muss wohl einen schlechten Tag gehabt<br />
haben, denn das kann ich mittlerweile gar nicht mehr<br />
finden. Hervorheben möchte ich das bedächtige „Come<br />
round“ und „Slipping away“; bei letzterem klingt die Gi-<br />
nicht mehr in meine persönliche Top-Ten schaffen. Dafür<br />
ist mir ihre Popmusik zu kopflastig und weich. Doch GRAF-<br />
ZAHL werden darauf vermutlich nicht viel geben, sie werden<br />
<strong>von</strong> Intro und Spex gefeiert und sind schon seit 13 Jahren<br />
dabei. <strong>Die</strong>ses „Jubiläum“ ist der Grund dafür, einen<br />
Querschnitt aus dem Schaffen <strong>von</strong> 1993 bis heute auf einem<br />
Album zu veröffentlichen. 22 Songs und ein Video dokumentieren<br />
die beachtliche GRAFZAHL-Vergangenheit<br />
und werden vor allem die Fangemeinde der Band verzücken.<br />
Schließlich richten sich viele Insider-Scherze und der<br />
familiäre Ton der Linernotes an Menschen, für die GRAF-<br />
ZAHL nicht bloß der Irre aus der Sesamstraße ist. Für Neueinsteiger<br />
gibt es trotzdem etwas zu entdecken, unter anderem<br />
eine Frühphase, in der die Intelligenz-Popper hemmungslos<br />
dem Punkrock frönten. GRAFZAHL sind die, die<br />
auch in Zukunft ihr eigenes Ding machen werden, das mit<br />
Hochglanzproduktionen und Anpassung nichts gemein hat.<br />
Dafür Respekt, aber mein Portemonnaie zücke ich weiterhin<br />
für andere Bands. (61:27) (6) Arne Koepke<br />
GUN CLUB<br />
Wildweed <strong>CD</strong><br />
Lucky Jim <strong>CD</strong><br />
Mother Juno <strong>CD</strong><br />
Danse Kalinda Boom <strong>CD</strong><br />
flowrecords.nl/Rough Trade | Nach seinem Tod im Jahre<br />
1996 war das musikalische Vermächtnis <strong>von</strong> Jeffrey Lee<br />
Pierce lange Jahre nur noch schwer erhältlich, doch in den<br />
letzten Jahren änderte sich<br />
das und via Sympathy For<br />
The Record Industry erschienen<br />
Neuauflagen der<br />
GUN CLUB-Alben „Death<br />
Party“, „Las Vegas Story“<br />
und „Miami“ sowie <strong>von</strong><br />
„Mother Juno“ und dem<br />
Solo-Werk „Wildweed“.<br />
Mit der Serie 9Lives (die<br />
Pierce nicht hatte ...) wurde<br />
jetzt durch das niederländische<br />
Label Flow Records<br />
eine Rerelease-Serie<br />
ins Leben gerufen, die nach und nach neun Alben <strong>von</strong><br />
Pierce beziehungsweise GUN CLUB nebst zusätzlicher Bonus-<strong>CD</strong><br />
erneut verfügbar macht. Alle Rereleases wurden betreut<br />
<strong>von</strong> Pierce-Biograph Gene Temesy, die drei oben zuerst<br />
erwähnten Über-Klassiker freilich fehlen bislang, aber vielleicht<br />
werden ja auch „12 Lives“ aus der Serie ...<br />
Jeffreys grandioses Soloalbum „Wildweed“ <strong>von</strong> 1985 war<br />
zuletzt 1993 in Deutschland via WSFA in <strong>CD</strong>-Version aufgelegt<br />
worden und die letzten Jahre über wohl nicht mehr<br />
zu bekommen, was eine Schande war. Denn Mr. Pierce, die<br />
Stimme und die Gitarre <strong>von</strong> GUN CLUB, zeigte sich mit<br />
diesem Album sowie der 12“ „Flamingo“ aus dem gleichen<br />
Jahr („Get away“ und der 12“-Remix <strong>von</strong> „Love & desperation“<br />
finden sich auf der <strong>CD</strong> als Bonustracks, während „No<br />
more fire“ und „Flamingo parts 1 + 2“ weiter auf eine Neuauflage<br />
warten müssen) in Höchstform. Gleich drei Hits<br />
und Höhepunkte hat die in London aufgenommene Scheibe<br />
zu bieten: das tanzbare „Love and desperation“ mit dem<br />
markanten Gitarrenakkord, das sehr gunclubbige Sex killer“<br />
und das mitreißende, punkige „Wildweed“. Leider ist das<br />
Coverartwork nicht original, sondern nur ein Ausschnitt, in<br />
zudem recht mieser Qualität. Und dabei ist das ein Foto, das<br />
für mich immer DAS typische JLP-Bild war: Der Herr in einem<br />
Wintermantel und mit Hut irgendwo in der Prärie stehend<br />
(okay, es war in England ...), ein Gewehr lässig auf der<br />
Schulter. Irgendwie fand ich immer, dass Jeffrey hier so aussieht,<br />
wie seine Musik klingt: Einsame, verzweifelte Countrysongs<br />
der anderen Art, wobei JLP damals wohl Dylan und<br />
V.U. als starke Einflüsse empfand. Eingespielt wurde die Plat-<br />
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tarre ähnlich dramatisch wie bei „Phantom der Oper“, und<br />
der Einsatz der E-Gitarre, wohl dosiert, hat Seltenheitswert<br />
auf diesem Album. Allerdings finde ich es seltsam, dass in<br />
dem Booklet nur die Hälfte der Lieder mit ihren Texten abgedruckt<br />
sind – eine Maßnahme, der leider beide oben genannten<br />
Lieder zum Opfer gefallen sind. Auch das eher gelangweilt<br />
vorgetragene Stück „Let it ride“ ändert nichts daran,<br />
dass unterm Strich ein wirklich guter Gesamteindruck<br />
bleibt. (33:09) Myron Tsakas<br />
I DEFY<br />
On The Outside <strong>CD</strong><br />
Thorp | Wenn es eine Band in Deutschland gibt, die die<br />
Hardcore-Fahne hoch hält, dann sind dies I DEFY aus Hannover.<br />
Sie geben <strong>von</strong> der ersten Sekunde an Vollgas auf die<br />
Ohren. „Ignition“ geht steil nach vorn, mit A’s und O’s zuhauf,<br />
„Dear sound“ hat noch mehr Feuer und erinnert in<br />
Sequenzen an alte DAG NASTY. „Lost generation“ beginnt<br />
als treibende Midtempo-Nummer, um am Ende noch mal<br />
durchzustarten. So geht es munter weiter im Text, auf insgesamt<br />
14 Tracks, mit den besten Songs „Everything“ und<br />
„Scandal“ am Schluss der Scheibe. Ich persönlich stehe ja<br />
auf etwas mehr Abwechslung, aber das ist wahrscheinlich<br />
nicht im Sinne <strong>von</strong> I DEFY. Und es ist auch gut so, weil es<br />
authentisch ist. Man merkt, dass die Band nicht erst seit gestern<br />
am Start ist und ihren Weg gefunden hat. Da passt über<br />
den Gesang bis zu den Gitarren alles zusammen und „nebenbei“<br />
sei erwähnt, dass mit Flo einer der besten Hardcore-Drummer<br />
an der Schießbude sitzt, der die Songs auf<br />
ein ziemliches hohes Niveau hebt. Freunde <strong>von</strong> traditionellem<br />
Oldschool-Hardcore werden hier vorzüglich bedient.<br />
(35:06) (8) Zahni<br />
IMMEDIATES<br />
Tailor Made Cut <strong>CD</strong><br />
greencookie.gr | „Clean recording under difficult circumstances“<br />
lautet das abgewandelte Mod-Credo der vier Nordfranzosen.<br />
Was kann man sich darunter vorstellen? Natürlich<br />
gibt es hier orgeldominierten<br />
Freakbeat im<br />
allerbesten pill-popping<br />
Sound, angesiedelt zwischen<br />
REMAINS, ZOM-<br />
BIES und SMALL FACES.<br />
Neuzugang Captain Y<br />
<strong>von</strong> den Surfern STAR<br />
AND KEY OF THE INDI-<br />
AN OCEAN an den Drums<br />
verleiht den Songs dabei<br />
den nötigen Schmackes,<br />
damit die Desert Boots<br />
keine Sekunde zur Ruhe<br />
kommen, und die Zuhörer wie vom Go-Go-Strahl elektrisiert<br />
nächtelang den Shake tanzen, auch wenn die Band einen<br />
Boogaloo spielt. Ein furioses Neo-Mod Album, nicht zu<br />
verwechseln mit Mod-Revivalismus (à la 1979), denn das<br />
war ja meistens nichts anderes als schnöder Powerpop. Hier<br />
klingt alles nach 1966, und das ist auch gut so. Gar nicht gut<br />
allerdings ist das ZOMBIES-Cover „She’s not there“, auch<br />
wenn es ein Granatensong ist, braucht wirklich niemand<br />
NOCH eine Version, die nicht besser oder schlechter als alle<br />
davor klingt. (8) Gereon Helmer<br />
|<br />
IONA<br />
A Noise <strong>CD</strong><br />
Warm Milk/Rille Ralle Kosmos | <strong>Die</strong> Verweise sind nun<br />
sehr offensichtlich: Das schöne Pappcover mag den Hörer<br />
schon an deren Veröffentlichungen erinnern, mit Harris<br />
Newman ließen die fünf Leipziger nicht ohne Hintergedanken<br />
in Montreal den Hausmasterer des Constellation-Labels<br />
letzte Hand an ihre Aufnahmen legen. So hört sich das Ergebnis<br />
auch an, als hätte es problemlos auf dem Label ih-<br />
te seinerzeit kurz nach dem Split <strong>von</strong> GUN CLUB, mit dem<br />
damaligen CURE-Drummer Andy Anderson und John Mackenzie.<br />
Ein wirklich essentielles Album, das auch nach 20<br />
Jahren noch völlig zeitlos wirkt.<br />
Für „Mother Juno“ rauften sich Pierce und Kid Congo Powers<br />
als zentrale GUN CLUB-Mitglieder 1986 wieder zusammen<br />
und nahmen mit Romi Mori als Bassistin und Nick<br />
Sanderson (Ex-CLOCK DVA) als Drummer (sowie Blixa Bargeld<br />
bei „Yellow eyes“ als Gastgitarrist) in Berlin ein neues<br />
Album auf. Produziert wurde es <strong>von</strong> Robin Guthrie <strong>von</strong><br />
den COCTEAU TWINS, eine Band, <strong>von</strong> der JLP wohl immer<br />
ein großer Fan war. GUN CLUB zeigen sich auf diesem<br />
Album härter als noch auf „Las Vegas Story“, doch unterm<br />
Strich ist „Mother Juno“, das seinerzeit für das bald wieder<br />
verschwundene Red Rhino-Label aufgenommen wurde,<br />
dann eben doch wieder ein typisches GC-Album, das geprägt<br />
wird <strong>von</strong> JLPs Gesang, der auch hier wieder sehr prägnat<br />
und teils recht hallig auf der Musik thront. GUN CLUB<br />
waren, das macht auch diese Neuauflage klar, wahre Meister<br />
des Americana-Sounds, nur dass das damals keiner so nannte.<br />
Nein, ihr Platz war einst zwischen NICK CAVE & THE<br />
BAD SEEDS, DINOSAUR JR, HÜSKER DÜ, SONIC YOUTH,<br />
ihre Platten gehörten in jede gute Sammlung. Auf der Bonus-<strong>CD</strong><br />
finden sich die „Berlin Tapes“, andere Versionen der<br />
Album-Songs aus den gleichen Aufnahmesessions.<br />
Noch vor „Mother Juno“ war 1985 das Livealbum „Danse<br />
Kalinda Boom“ erschienen, das ein Jahr zuvor in Rotterdam<br />
mitgeschnitten worden war und auf dessen Bonus-<strong>CD</strong><br />
sich ein weiteres Konzert findet, das 1983 in Australien mitgeschnitten<br />
wurde und dessen Tracklist sich nicht mit den<br />
„Danse ...“-Songs überschneidet. Beide Aufnahmen zeigen,<br />
was für ein brillanter Perfomer Jeffrey war, ganz egal wie<br />
chaotisch sich die Situation durch plötzlich ausgestiegene<br />
oder frisch rekrutierte Bandmitglieder auch gestaltete.<br />
1993 erschien mit „Lucky Jim“ das dann leider letzte GUN<br />
CLUB-Album, und wie Gene Temesy in seinen Linernotes<br />
schreibt, wusste in den frühen Neunzigern keiner so recht,<br />
ob die Band noch existiert, und wenn ja, wer dabei ist. In<br />
einer Dreier-Besetzung mit Romi Mori und Nick Sanderson<br />
entstanden schließlich in einem Studio in den Niederlanden<br />
die zehn Songs <strong>von</strong> „Lucky Jim“ (zum Titel wurde<br />
Pierce inspiriert durch seine Reisen durch Fernost, speziell<br />
Vietnam), und die Neuauflage wurde ergänzt durch den<br />
Bonus-Track „Blue monsoons“. Auf der zweiten <strong>CD</strong> finden<br />
sich 13 weitere Tracks, alle unveröffentlicht und aus der<br />
gleichen Zeit. JLP war damals gesundheitlich schon schwer<br />
angeschlagen, Leberzirrhose und Hepatitis C machten ihm<br />
das Leben schwer, doch seine Musik war so einzigartig und<br />
brillant wie eh und je, mit dem Titelsong „Lucky Jim“ gelang<br />
ihm zudem noch ein später Klassiker. Joachim Hiller<br />
GOLDBLADE<br />
Strictly Hardcore – The Best Of <strong>CD</strong><br />
captainoi.com/Cargo | John Robb, der den ehrwürdigen<br />
Job eines Musikjournalisten ausübt und einst bei den MEM-<br />
BRANES spielte, gründete Mitte der Neunziger in Manchester<br />
GOLDBLADE (die oft auch GOLD BLADE geschrieben<br />
werden). Als „punk rock hooligan blues“ wird ihre Musik<br />
gerne mal bezeichnet, auf nur einen Sound lassen sie<br />
sich keinesfalls reduzieren, haben aber immer wieder einen<br />
schweren CLASH-Einschlag und in John einen schön rotzig<br />
rüberkommenden Frontmann mit einer Vorliebe für hymnische<br />
Melodien. Umso mehr erstaunt es da, dass GOLD-<br />
BLADE bis heute, zumindest in Deutschland, ein Geheimtipp<br />
geblieben sind, denn auch wenn sie mit schöner Regelmäßigkeit<br />
neue Platten veröffentlichen, so kennt sie doch<br />
kaum jemand. Ob diese Zusammenstellung <strong>von</strong> sechzehn<br />
Single- und Album-Songs aus den letzten zehn Jahren daran<br />
etwas ändert, wage ich zu bezweifeln, doch gebe ich<br />
die Hoffnung nicht auf, dass zumindest ein paar Leute nach<br />
dem Hören Blut geleckt haben. (49:11) (8) Joachim Hiller<br />
rer Vorbilder erscheinen können. Instrumentaler Postrock,<br />
große Spannungsbögen, sich aufbauende, <strong>von</strong> Gitarrenhall<br />
durchtränkte Soundwände – die bekannten Zutaten variieren<br />
IONA nur sehr begrenzt, dabei machen sie aber auch<br />
nichts falsch. So ist „A Noise“ ein hörenswertes Debüt geworden,<br />
das für sein Genre erstaunlich kompakt geraten<br />
ist. Auf die Tour mit SCRAPS OF TAPE demnächst kann man<br />
sich freuen. (52:52) (7) Christian Maiwald<br />
INTERNATIONAL PLAYBOYS<br />
Cobra Blood Hangover <strong>CD</strong><br />
australiancattlegod.com | Album Nr. 3 der aus dem hinterwäldlerischen<br />
Missoula, Montana stammenden und aus diesem<br />
Grunde bestens benannten INTERNATIONAL PLAY-<br />
BOYS. Waren die ersten beiden Longplayer noch auf dem eigenen<br />
Label veröffentlich worden, hat man jetzt mit Australian<br />
Cattle God im fernen Austin, TX (wo man das letzte<br />
Album aufgenommen hatte; diesmal fand die Prozedur<br />
in Bellingham, WA statt) ein passendes Label gefunden, das<br />
mit dem strangen Humor des Vierers klarkommt, der ein<br />
Faible für das Verbraten gut abgehangener Rock-Klischees<br />
hat. Auf der einen Seite der Einfluss-Skala stehen hier RI-<br />
VERBOAT GAMBLERS, auf der anderen NOMEANSNO, aber<br />
auch Klischeerocker wie die legendären HOOKERS, doch<br />
wie schon beim Vorgänger „Sexiful“ spielt man mit den Klischees<br />
mehr, als dass man sie sich zu eigen macht, und das ist<br />
gut so. Zudem sind die Riffs hier zwar roh und rauh, doch<br />
für Langeweile-Rock ist der Rhythmus zu wild und pumpend.<br />
Live sicher eine Macht, aus der Konserve funktioniert<br />
das nur bei erhöhter Lautstärke. Lohnt die Entdeckung, versprochen.<br />
(56:56) (7) Joachim Hiller<br />
I AM GHOST<br />
Lover’s Requiem <strong>CD</strong><br />
Epitaph | Brett Gurewitz ist ja bekanntlich nicht auf den<br />
Kopf gefallen, und so lässt er das kalifornische Sextett kurze<br />
Zeit nach der Veröffentlichung der Debüt-EP „We Are Always<br />
Searching“ zügig ein Album nachschieben. Im Studio<br />
dürften die Regler auf Anschlag gestanden haben und etliche<br />
Spuren wurden für Streicher, Synthies, Flüstern und<br />
Overdubs wohl auch benötigt. Das Resultat ist eine eindeutige<br />
Überproduktion. Stilistisch ist das Material eine Synthese<br />
aus AVENGED SEVENFOLD-Riffs, Screamo und bombastischem<br />
Pop. Neben einem schwülstigen Intro befinden<br />
sich noch zwei Songs des Debüts auf diesem Album. Macht<br />
effektiv neun neue Tracks, die durchaus austauschbar sind.<br />
(44:56) (6) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
JANUARY FLAKE<br />
Collapse Patterns M<strong>CD</strong><br />
thejanuaryflakes.de | THE JANUARY FLAKE spielen<br />
Alternative-Post-Hardcore. Sie benutzen ordentlich<br />
Verzerrung. Und wenn es sein muss, auch<br />
mal drei Gitarren. Sie haben auch ruhige Parts. Sie<br />
J<br />
wurden <strong>von</strong> Kurt Ebelhäuser aufgenommen. Sie<br />
haben schon im Vorprogramm <strong>von</strong> BLACKMAIL<br />
gespielt. Sie sind jung. Sie sind ambitioniert. Ja, es stimmt:<br />
Das klingt alles reichlich unspektakulär. Ist es aber nicht:<br />
Denn THE JANUARY FLAKES haben mindestens einen Hit.<br />
(17:32) (7) Arne Koepke<br />
JOLLY JUMPERS<br />
Mobile Babylon <strong>CD</strong><br />
Tug/Indigo | Nach „Hometown Hi-Fi“, welches mich 2005<br />
in große Begeisterung hat ausbrechen lassen, haben die Finnen<br />
einen neuen Longplayer aufgenommen, der, was mich<br />
stark verwundert, wenig mit dem zu tun hat, was die Band<br />
bisher auf Platte veröffentlichte. Hier mag der Einfluss <strong>von</strong><br />
Arimatti Jutila, der vorher bei den FLAMING SIDEBURNS<br />
die Gitarre schwang, klaren Einfluss ausgeübt haben. „Mobile<br />
Babylon“ ist deswegen um keinen Deut schlechter geworden,<br />
ganz im Gegenteil. <strong>Die</strong> Platte durchzieht ein Flair<br />
HERESY<br />
Face Up To It! <strong>CD</strong><br />
bosstuneage.com/Rookie/Cargo | „Face Up To It!“ ist der<br />
zweite Teil der HERESY-Trilogie, die Boss Tuneage im Rahmen<br />
seiner „Retro Series“ veröffentlicht hat, die Besprechung<br />
des ersten Teils bitte<br />
ich in <strong>Ox</strong> #64 nachzulesen.<br />
Ende 1987 hatte<br />
sich mit dem Einstieg<br />
des gleichzeitig noch bei<br />
RIPCORD spielenden Gitarristen<br />
Steve „Baz“ Ballam<br />
das endgültige HE-<br />
RESY-Line-up gefunden,<br />
mit dem man im Januar<br />
1981 in vier Tagen<br />
das einzige HERESY-Album<br />
überhaupt einspielte.<br />
Leider ließen sich HE-<br />
RESY im Birminghamer Ritch Bitch-Studio zur Benutzung<br />
<strong>von</strong> allerlei moderner Technik überreden, mit dem Ergebnis,<br />
dass „Face Up To It!“ scheiße klang. Und auch wenn die<br />
Band selbst nicht mit dem Sound zufrieden war, fehlte HE-<br />
RESY für Neuaufnahmen das Geld, so dass sie die Platte dennoch<br />
veröffentlichten; in England auf ihrem eigenen Label,<br />
auf dem Festland via Konkurrel. Erst 2003 konnten Bassist<br />
Kalv und Baz zusammen mit dem Produzenten Martin Nicholls<br />
„Face Up To It!“ der Platte einen Sound verpassen, der<br />
dem, was ihnen damals vorschwebte, wohl noch am nächsten<br />
kommt. <strong>Die</strong>se neu gemasterten und erstaunlich gut<br />
klingenden 17 original „Face Up To It!“-Songs wurden für<br />
den Rerelease um zwölf bisher unveröffentlichte „rehearsal<br />
tracks“ <strong>von</strong> Dezember 1987 und Januar 1988 ergänzt. Und<br />
auch wenn diese etwas rauher klingen als das Album selbst,<br />
zeigen auch sie, dass HERESY damals einen großen musikalischen<br />
Fortschritt gemacht hatten. Zwar wurde immer<br />
noch überwiegend in Höchstgeschwindigkeit geknüppelt,<br />
aber im Gegensatz zu früheren Aufnahmen gab es auf „Face<br />
Up To It!“ schon beinahe eingängige melodische Momente<br />
sowie langsamere, groovige Parts, wie sie zu der Zeit eher<br />
im Crossover zu finden waren, wobei HERESY starke Metal-Einflüsse<br />
vermieden. „Face Up To It!“ kommt wie auch<br />
der erste Teil „1985 - ’87“ als schön gestaltetes Digipak, mit<br />
Songtexten, vielen Fotos und ausführlichen Linernotes <strong>von</strong><br />
Bassist Kalv. <strong>Die</strong> letzten Jahre HERESYs werden dann im<br />
dritten und letzten Teil aufgearbeitet. (9) André Bohnensack<br />
HARVEY MILK<br />
Courtesy And Good Will Toward Men 2<strong>CD</strong><br />
relapse.com | Nachdem die 1998 aufgelösten und 2005 reformierten<br />
HARVEY MILK just via Troubleman Unlimited<br />
ein neues Album veröffentlicht haben, kommt <strong>von</strong> Relapse<br />
jetzt die Wiederveröffentlichung ihres zweiten Albums „<br />
Courtesy And Good Will Toward Men“ <strong>von</strong> 1997. Benannt<br />
nach dem Politiker Harvey Milk – der als der erste sich offen<br />
als homosexuell bekennende Politiker San Franciscos<br />
gilt und der deshalb mitsamt dem damaligen Bürgermeister<br />
<strong>von</strong> seinem Kollegen Dan White ermordet wurde, wofür<br />
dieser nur sieben Jahre Haft bekam, was die sogenannten<br />
White Night Riots auslöste – existierte die Band aus Athens,<br />
Georgia <strong>von</strong> 1993 bis 1998 und brachte in der Zeit neben<br />
einigen Singles drei Alben raus, <strong>von</strong> denen „Courtesy And<br />
Good Will Toward Men“ als ihr Meisterstück gilt. Und das<br />
zu Recht, denn das Wechselspiel <strong>von</strong> Brachialität und Fragilität,<br />
die Kombination lauter, brutaler Gitarrenwände<br />
und ruhiger, <strong>von</strong> Akustikgitarren geprägter Momente ist<br />
hier nahezu perfekt und die Bedeutung des Wortes Dynamik<br />
in dem gerne genutzten Begriff Laut/Leise-Dynamik<br />
noch etwas wert. „Courtesy ...“ ist ein vertonter Alptraum,<br />
eine nicht enden wollende Folge hörbar gemachter seelischer<br />
Abgründe, die durch kurze hübsche Unterbrechun-<br />
<strong>von</strong> Sixties-Pop und Melodien, wie sie kaum schöner sein<br />
könnten. <strong>Die</strong>s ganz besonders bei „Shooting star“ oder<br />
„Snowy downtown“. Aber auch die vom Vorgänger bekannten,<br />
dreckig verzerrten Gitarren finden ihren Platz bei „Palomino“<br />
oder „Boom boom“. <strong>Die</strong> starken Anleihen an Wüstenrock,<br />
sind nun weniger staubtrocken, sondern durchzogen<br />
<strong>von</strong> finnischer Melancholie „Slow town rules“ und<br />
„Black Betty“. Allen elf Songs ist gemein, eine unglaubliche<br />
Ausdruckskraft zu haben, so durchgängig, wie es sonst<br />
nur selten bei Bands zu hören ist, die sich nicht den immer<br />
gleichen Songs verschrieben haben. Abwechslung wird<br />
hier nicht experimentell verstanden, sondern kommt als<br />
Selbstverständlichkeit rüber. Schwer wird es die Band haben,<br />
wenn sie dereinst ein Best-Of-Album herausbringen<br />
sollte. Da müsste das gesamte Album drauf, <strong>von</strong> den großartigen<br />
Stücken des Vorgängeralbums gar nicht erst anzufangen.<br />
(40:05)(10) Claus Wittwer<br />
JUCIFER<br />
If Thine Enemy Hunger <strong>CD</strong><br />
relapse.com | Ich hasse es, wenn ich feststellen muss, zu<br />
spät zu kommen oder irgendwas nicht mitzukriegen. Und<br />
in meiner Tätigkeit als<br />
Schreiberling hasse ich<br />
das noch viel mehr! Noch<br />
schwerer machen es mir<br />
da Bands, die nicht nur<br />
ohne mein Wissen schon<br />
seit Jahren existieren<br />
und musizieren, sondern<br />
zu allem Überfluss auch<br />
noch absolut unkategorisierbar<br />
sind. Jüngstes Beispiel<br />
sind JUCIFER, ein<br />
Duo aus Athens, Georgia.<br />
<strong>Die</strong> haben nicht nur seit<br />
1993 unzählige Singles und Alben aufgenommen, die ich<br />
nicht kenne, (unter anderem für Capricorn und Velocette)<br />
nein, sie sträuben sich auch gegen jegliche Einordnung in<br />
gängige Schubladen. Da klingen die ersten beiden Songs auf<br />
„If Thine Enemy Hunger“ nach fiesem Doom an der Grenze<br />
zum Drone, dann klingt es auf einmal nach vertracktem,<br />
noisigem Rock, dann erinnert mich ein Song – ich werde<br />
mir nie verzeihen, das jetzt zu <strong>von</strong> mir zu geben – an die <strong>von</strong><br />
mir überaus verachteten WHITE STRIPES, die nächsten wecken<br />
Erinnerungen an längst vergangene Riot Grrl-Zeiten<br />
oder gar an PORTISHEAD. Dennoch wirkt hier nichts zerfahren,<br />
sondern wie aus einem Guss und allen Songs gemein<br />
ist ein wunderbar effektiver Minimalismus, eine einlullende<br />
Monotonie innerhalb jedes Songs und der grandiose Gesang<br />
<strong>von</strong> Sängerin und Gitarristin Amber Valentine, die dir<br />
verführerisch ins Ohr säuselt, dich aber auch zu einem winselnden<br />
Häufchen Elend zusammenschreien kann. Letzteres<br />
zum Glück ohne jegliche Hysterie und mit einer unglaublichen<br />
Energie. Auch wunderschönen Melodien wird hier<br />
viel Platz eingeräumt, mal verpackt in brachiale Gitarrenwände,<br />
und mal ganz fragil, schüchtern und nur mit Akustikgitarre<br />
vorgetragen. Wie JUCIFER – neben Amber ist da<br />
noch Ehemann und Schlagzeuger Edgar Livengood – zu Relapse<br />
gelangt sind, mag eigenartig erscheinen, aber erstens<br />
öffnen sich Relapse musikalisch in letzter Zeit immer mehr<br />
und zweitens ist das auch völlig scheißegal. „If Thine Enemy<br />
Hunger“ ist eine unglaublich großartige Hammerplatte! Da<br />
verzeihe ich JUCIFER auch, dass sie erst so spät in mein Bewusstsein<br />
getreten sind. (9) André Bohnensack<br />
JANKA<br />
In die Arme <strong>von</strong> <strong>CD</strong><br />
decoder-records.com | Deutsprachige Musik ist groß momentan:<br />
SPORTFREUNDE STILLER füllen Stadien, TOCO-<br />
TRONIC könnten dies, wenn sie es denn wollten, MADSEN<br />
und ANJO stürmen die Charts. Stadien werden JANKA wohl<br />
gen nur noch furchtbarer zu werden scheinen. Auch der Gesang<br />
<strong>von</strong> Sänger, Gitarrist und Bandkopf Creston Spiers folgt<br />
diesem Prinzip, ob der Mann herzzereißend zu einer simplen,<br />
aber wunderschönen Gitarrenmelodie croont oder gegen<br />
die selbst erschafften Soundwände anbrüllt, sein Leid<br />
kommt absolut authentisch und zu keiner Sekunde aufgesetzt<br />
rüber. Sei es beim Singer/Songwriter-Stück „One of us<br />
cannot be wrong“ (das gar nicht mal so weit weg vom späten<br />
Johnny Cash ist) oder dem zehnminütigen Noiserock-<br />
Drone-Monster „Pinnochio’s example“, HARVEY MILK waren<br />
immer unglaublich heavy und intensiv. Zusätzlich zum<br />
Originalalbum gibt es auf diesem Rerelease eine zweite <strong>CD</strong><br />
mit vier Songs, die zwar nur knapp zwanzig Minuten lang<br />
ist, aber angeblich ein komplettes Liveset der Band umfasst.<br />
Auf Linernotes wurde verzichtet. (10) André Bohnensack<br />
BUDDY HOLLY<br />
Gold 2<strong>CD</strong><br />
Universal | Ich frage mich, ob Buddy Holly ohne seine<br />
markante schwarze Brille überhaupt <strong>von</strong> jemandem erkannt<br />
worden wäre – auf dem Foto im Booklet ohne Brille<br />
jedenfalls hat er ein Allerweltsgesicht. Mit Songs wie „Peggy<br />
Sue“ oder „That’ll be the day“ und seinem charakteristischen<br />
„Hiccup“-Gesang wurde Holly mit 19, nachdem<br />
er Elvis Presley live gesehen hatte, vom Bluegrass spielenden<br />
Jüngling zum Rock’n’Roller, dessen Auftritt in England<br />
1958 die Herren McCartney und Lennon ähnlich beeindruckte<br />
wie Elvis wenige Jahre zuvor. Buddy. Hollys Karriere<br />
endete jedoch schon wieder, kaum dass sie begonnen hatte,<br />
im Februar 1959 bei einem Flugzeugabsturz – mit an Bord<br />
auch Ritchie Valens. Geblieben sind wunderschöne Lieder –<br />
50 da<strong>von</strong> finde sich auf dieser <strong>CD</strong> in vorbildlicher Ausstattung,<br />
die jeder Billig-Zusammenstellung vorzuziehen ist.<br />
Joachim Hiller<br />
HEFNER<br />
Catfight 2<strong>CD</strong><br />
Cargo | Nach einer Best Of und einem gelungenen Solo-<br />
Album <strong>von</strong> HEFNER-Kopf Darren Hayman gibt es in Form<br />
<strong>von</strong> „Catfight“ 43 unveröffentlichte Songs dieser großartigen<br />
britischen Band. Gerade Disc 1 kommt einem wie ein<br />
weiteres bisher unveröffentlichtes HEFNER-Album vor, mit<br />
jeder Menge unwiderstehlicher Popsongs dieser eigenwilliger<br />
Band, darunter auch eine tolle Version <strong>von</strong> HUMAN<br />
LEAGUEs „Lousie“, einem der letzten guten Songs der Elektropopper.<br />
Bei Disc 2 überwiegt dann teilweise eine Demo-<br />
Akustik-Atmosphäre, die mal mehr, mal weniger gelungene<br />
Songs zum Vorschein bringt, aber auch mit „Lank“ einen<br />
ungewohnt noisigen Track. Für Fans der Band in jedem Fall<br />
ein echtes Fest, denn das Hayman’sche Songwriting ist selbst<br />
in einem reduzierten Song-Frühstadium immer noch ein<br />
verdammt charmantes und originelles Hörvergnügen. Sowieso<br />
verblüffend, wo dieser Mann immer diese kleinen<br />
Geniestreiche hergezaubert hat. Und man kann gar nicht<br />
oft genug betonen, wie unglaublich gut diese Band zu Lebzeiten<br />
war, die sich dann auch noch ausgerechnet nach ihrer<br />
besten Platte verabschiedet hatten, aufhören, wenn es am<br />
schönsten ist sozusagen. (9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
HEIMATLOS<br />
La Seconde Nécessaire 1983-1988 2<strong>CD</strong><br />
http://ratbone.free.fr | Absolute Aussagen, wie die im dieser<br />
<strong>CD</strong> beiliegenden Info, sind mit so einer großen zeitlichen<br />
Distanz immer schwer zu verifizieren: HEIMATLOS<br />
(oder auch HEIMAT-LOS) waren laut Luc <strong>von</strong> Ratbone Records<br />
aus Bordeaux einst die erste und seiner Meinung nach<br />
auch beste französische Hardcore-Band. Nun fällt mir selbst<br />
bei angestrengtem Nachdenken außer KROMOZOM 4 (beide<br />
Bands sah ich einst in Ludwigshafen zusammen mit UP-<br />
RIGHT CITIZENS, EA 80 und RAZZIA) keine weitere französische<br />
HC-Band jener Zeit ein, <strong>von</strong> daher lasse ich Lucs<br />
<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 073<br />
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keine füllen, für die Charts fehlen die Hits. Das ist gut so,<br />
JANKA passen nicht ins Stadion, „In die Arme <strong>von</strong>“ braucht<br />
keine Hits, es hat Gefühle, hat Tiefgang. Pop heißt die Musik,<br />
Hamburger Schule <strong>von</strong> mir aus die Szene. Man war im<br />
angesagten Studio, hatte die angesagten Produzenten, kennt<br />
diverse der angesagten Bands persönlich, hat mit ihnen getourt,<br />
hat auch selbst schon lange zuvor in Bands gespielt<br />
(BLOBKANAL, JUNGES GLÜCK, GARY). Doch Namedropping<br />
haben JANKA eigentlich nicht nötig, denn diese zwölf<br />
Songs hier verschweigen zwar nicht ihre Einflüsse, entfalten<br />
aber dennoch ihre eigenen Stärken, haben ihr eigenes<br />
Rezept: Akustikgitarre begleitet den Gesang, der prägnant,<br />
aber ruhig den Song einläutet, die Gitarren werden lauter,<br />
aber nicht wesentlich schneller, der Gesang eindringlicher,<br />
man erreicht den Höhepunkt, drosselt die Lautstärke, findet<br />
wieder zur Ruhe. Hie und da ein Piano im Hindergrund,<br />
bei „Punkt“ auch mal Bläser, die JANKA gut zu Gesicht stehen.<br />
Zwischendurch wird auch <strong>von</strong> Anfang an nach vorne<br />
gerockt, nicht aber ohne sich diese wohltuende das ganze<br />
Album durchziehende Wärme, diese, trotz so mancher verzerrter<br />
Gitarre, erhaltene Ruhe zu bewahren. JANKA liefern<br />
mit „In die Arme <strong>von</strong>“ ein Album für Menschen die auf<br />
handwerklich gut gemachte Populärmusik deutscher Sprache<br />
mit einem Hauch <strong>von</strong> Melancholie und viel Gefühl stehen<br />
und sich auch nicht vor vereinzelten Griffen in den<br />
Schmalztopf fürchten. (42:47) (8) H.C. Roth<br />
JULIETTE & THE LICKS<br />
Four On The Floor <strong>CD</strong><br />
Hassle/Pias | Es geht mir am Arsch vorbei, dass Mrs. Lewis<br />
bei Scientology ist, solange sie das weder auf ihren Konzerten,<br />
noch auf ihren Platten breittritt. Vor allem dann nicht,<br />
wenn sie wie auf ihrem<br />
neuen Album ordentlich<br />
Vollgas gibt und weiterhin<br />
ihrem Vorbild Iggy Pop in<br />
allen Hinsichten gerecht<br />
wird. <strong>Die</strong>se Frau strotzt<br />
vor Energie und lässt sie<br />
mit voller Wucht raus. Der<br />
Sound ist durchgehend<br />
rockiger und treibender<br />
als Teile <strong>von</strong> „You’re<br />
Speaking My Language“,<br />
was eventuell am neuen<br />
Schlagzeuger liegen mag.<br />
Im Studio hat man niemand Geringeren als Mr. Dave Grohl<br />
gewinnen können. Mrs. Lewis meinte dazu, man habe bereits<br />
vor 15 Jahren gemeinsame Auftritte gehabt, allerdings<br />
in zwei verschiedenen Bands. Zu der Zusammenarbeit jetzt<br />
kam es, als man gemeinsam mit den FOO FIGHTERS auf<br />
einem Festival spielte und Grohl anschließend für ein 5-<br />
Track-Demo den ausgestiegenen Drummer ersetzte. Das Ergebnis<br />
war so energetisch, dass es ein Leichtes war, ihn für<br />
das Album zu gewinnen. Ob aus „I still have the fantasy he’ll<br />
play live with us“ was wird, scheint mir bei der Mini-Clubtour<br />
diesen Herbst eher fraglich. Live-Performances, besonders<br />
<strong>von</strong> „Sticky honey“ und dem heimlichen Hit, „Purgatory<br />
blues“, kann ich kaum noch erwarten. Wie sangen dereinst<br />
in den Sechzigern THE LITTER? „I’m gonna find me<br />
an action woman.“ Juliette Lewis wäre da meine erste Wahl,<br />
aber die steht leider nur auf Kollegen ihres Zweitjobs. Aber<br />
geil wäre es schon! (33:45)(9) Claus Wittwer<br />
DAMIEN JURADO<br />
And Now That I’m In Your Shadow <strong>CD</strong><br />
Secretly Canadian | In zehn Jahren seiner Karriere hat Damien<br />
Jurado eine riesige Anzahl an Veröffentlichungen vorzuweisen,<br />
darunter in seiner Anfangszeit auch auf Sub Pop.<br />
Im Gegensatz zu den meisten anderen Veröffentlichungen<br />
dieses Labels, schimmert hier aber nicht der Wahnsinn<br />
durch die Anmut, Jurado und seine Mitstreiter beschränken<br />
rereleases<br />
Aussage einfach mal so stehen. <strong>Die</strong> im Oktober 1983 in einem<br />
Pariser Vorort gegründete Band war damals beeinflusst<br />
<strong>von</strong> DEAD KENNEDYS, BAD BRAINS, DISCHARGE und MI-<br />
NOR THREAT, aber auch SLIME, RAZZIA und NEUROTIC<br />
ARSEHOLES, später dann kamen SIEGE, F.O.D., MDC, OFF-<br />
ENDERS, INFERNO, NEGAZIONE und so weiter dazu, und<br />
das war dann auch der Zirkel, in dem man sich bewegte, die<br />
Bands, mit denen man in Frankreich, aber auch in Belgien<br />
und Deutschland zusammen Konzerte spielte. In bester<br />
HC-Tradition waren die Songs <strong>von</strong> HEIMAT-LOS maximal<br />
ein bis zwei Minuten dauernde Attacken, schnarrend<br />
und scharf, aber musikalisch abwechslungsreich (siehe die<br />
oben aufgeführten Bands) und nicht das übliche Uffta-Uffta<br />
so vieler Zeitgenossen – sogar mit lagerfeuertauglichen<br />
Songs („Last train to Tucson“) konnten die Franzosen dienen.<br />
Dazu kamen mal französische, mal englische Texte mit<br />
einer klaren politischen Ausrichtung: gegen Umweltzerstörung,<br />
Staatsgewalt, Unterdrückung, für ein selbstbestimmtes<br />
Leben. <strong>Die</strong>se Doppel-<strong>CD</strong> mit 90(!) Songs ist ein beeindruckendes,<br />
umfassendes Dokument einer Ausnahmeband, und<br />
das Booklet platzt beinahe vor Zusatzinfos, ist voll mit Texten,<br />
einer mehrsprachigen History, Fotos, Flyern und so weiter.<br />
Ein lohnenswerte und lobenswerte Veröffentlichung, die<br />
klar macht, warum Hardcore mehr als nur Musik ist (war?).<br />
Mehr Infos unter heimatlos.com. (8) Joachim Hiller<br />
IKE YARD<br />
1980-82 Collected <strong>CD</strong><br />
acuterecords.com/Cargo | Man sollte sich nie der Illusion<br />
hingeben, über ein auch nur halbwegs umfassendes Musikwissen<br />
zu verfügen. Mir etwa waren IKE YARD bislang völlig<br />
unbekannt, und das, obwohl die New Yorker ihr einziges<br />
Album 1982 auf Factory veröffentlichten. Für mich und andere<br />
Spätmerker gibt es aber jetzt diese vorzügliche Zusammenstellung<br />
<strong>von</strong> Factory-Album und Les Disques du Crépuscule-EP<br />
(plus diverse unveröffentlichte Tracks), in deren<br />
Booklet sich ausführliche Linernotes <strong>von</strong> zwei einstigen<br />
Bandmitgliedern finden. Gegründet wurden IKE YARD<br />
(deren Name wie der <strong>von</strong> HEAVEN 17 auf eine Plattenladenszene<br />
in „A Clockwork Orange“ zurückgeht) 1980 <strong>von</strong><br />
vier Leuten mit sowohl Punk- wie Kunst-Hintergrund, die<br />
aber teilweise auch die New Yorker No Wave-Szene mitbekommen<br />
hatten, sich für JOY DIVISON, SUICIDE, KRAFT-<br />
WERK, DER PLAN, MALARIA!, Krautrock und Stockhausen<br />
gleichermaßen interessierten und mit ihrer Musik vor allem<br />
neue Wege gehen wollten. Das bedeutete damals konsequent<br />
den Einsatz elektronischer Gerätschaft, neben Bass,<br />
Gitarre und Schlagzeug. Und mit einer Vorliebe für repetitive<br />
Beats und soundscapehafte Klänge entstanden so weitgehend<br />
instrumentale Stücke <strong>von</strong> oft hypnotischer Monotonie<br />
mit zeitweisen Dub-Anklängen. Noch bevor IKE YARD<br />
die Chance hatten, mit ihrem ersten Album eine an innovativen<br />
Klängen interessierte Öffentlichkeit zu erreichen, lösten<br />
sie sich Anfang 1983 auf. Dank Acute Records wurden<br />
18 ihrer Stücke jetzt vor dem Vergessen bewahrt und erweist<br />
sich diese <strong>CD</strong> als spannendes Dokument einer innovativen,<br />
ambitionierten Band. (78:37) (8) Joachim Hiller<br />
JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE<br />
Früher war auch nicht alles gut <strong>CD</strong><br />
bastardizedrecordings.de | Hier liegt nun eine Art Best-<br />
Of der alten D.I.Y.-Aufnahmen der selbsternannten Grindpunks<br />
aus Krefeld aus den Jahren 1998 bis einschließlich<br />
2002 vor. Damals als kleines Internetprojekt gestartet, um<br />
die kurzen, knackigen Grindcore-Songs mit den eigensinnigen,<br />
deutschen Texten via World Wide Web jedem zugäng-<br />
074 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />
sich auf das Eingängige. Extrem leise Musik mit Akustikgitarre<br />
gibt es zu hören, manchmal für meinen Geschmack<br />
etwas arg zu spartanisch gehalten, und leider viel zu häufig<br />
allzu träge. <strong>Die</strong> perfekte Musik für das letzte besoffene<br />
Häuflein ums erlöschende Lagerfeuer, und manchmal<br />
bläst einer trostlos in die Mundharmonika dazu. Ganz nett,<br />
aber auf Dauer bin ich für soviel Trübsal nicht in Stimmung.<br />
(48:19) (5) Christian Meiners<br />
JAPANTHER<br />
Yer Living Grave <strong>CD</strong><br />
menloparkrecordings.com | Um total kaputten, fiesen<br />
LoFi-Noiserock mit wunderbar schrägem Pop, tanzbarem<br />
No Wave, melodischem Gesang und aberwitzigen Hip-<br />
Hop-Samples auf so einzigartige und unvergleichliche Weise<br />
zu kombinieren wie JAPANTHER, dafür muss man seine<br />
Seele vermutlich dem Teufel verkaufen. Zwar enthält auch<br />
„Yer Living Grave“, deren sieben Songs während der Tour zu<br />
„Wolfenswan“ größtenteils live aufgenommen wurde, wieder<br />
Stücke, die auf ihren anderen Veröffentlichungen in anderen<br />
Versionen bereits enthalten waren, aber das macht<br />
gar nichts, schließlich sind die Lieder so gut, dass man sie<br />
eh wieder und wieder hören möchte. Und während andere<br />
Bands jahrelang sprichwörtlich denselben Song neu einspielen,<br />
damit aber einfach nur langweilen (Ausnahmen<br />
wie die RAMONES natürlich ausgeschlossen), liefern JA-<br />
PANTHER also wörtlich immer wieder den gleichen Song<br />
ab und so führt auch kein Weg daran vorbei, sich diesen<br />
Herbst alle Stücke noch einmal, wenn sie auf Tour sind, in<br />
Live-Versionen anzuhören. Und das lohnt sich bestimmt,<br />
denn bereits die auf <strong>CD</strong> gebannten Aufnahmen versprechen,<br />
dass Schweiß, Blut und Tränen in Strömen fließen werden.<br />
Schweiß: klar, vor Anstrengung, Blut: vielleicht, zur Unterhaltung,<br />
und Tränen: vor Begeisterung! Und wer das nicht<br />
glaubt, der surfe zu YouTube und sehe sich die Live-Darbietungen<br />
<strong>von</strong> JAPANTHER mit SynchronschwimmerInnen<br />
an und schweige, bis es auf den Konzerten vor Freude zu<br />
schreien gilt! Trash-Punk, der größer ist als Gott, oder besser:<br />
der Teufel! (15:30) (10) Chris Wilpert<br />
JOYSTIX<br />
Playin’ With Fire <strong>CD</strong><br />
Shotgun Generation | Jeder hat ihn mal erlebt: jenen Schultag,<br />
als irgendwer im Englischunterricht das Wort „joystick“<br />
wörtlich übersetzt hat. Kicher. Spätestens nach der großen<br />
Pause hat es dann aber auch schon keiner mehr lustig gefunden.<br />
Ganz im Gegensatz zu den aus den SONI<strong>CD</strong>OLLZ<br />
hervorgegangenen ungarischen Punk-Rock’n’Rollern <strong>von</strong><br />
THE JOYSTIX – die finden das so lustig, dass sie für die ganz<br />
Dummen sogar einen Übersetzungshinweis in ihr Bandlogo<br />
eingearbeitet haben: „Just stick it in – and the fun begin.“<br />
Worum sich die Texte <strong>von</strong> „Playin’ With Fire“ so drehen, ist<br />
klar: Schlüpfrigkeiten und Männerphantasien – und das alles<br />
in einem bemühten riffigen Rock’n’Roll-Gewand. Man<br />
hat das alles schon origineller gehört. (38:15) (4)<br />
Simon Loidl<br />
JUNKPILE JIMMY<br />
Alberhill 2LP<br />
cartel-ilustre.com | „Alberhill“ wurde zwar <strong>von</strong> Jim weitgehend<br />
alleine eingespielt, es gibt hier aber nicht unbedingt<br />
klassischen One-Man-Band-Sound zu hören. Vielmehr<br />
werden hier Einflüsse wie DOO RAG oder John Schooley<br />
(und laut Beiblatt noch einige mehr. Ein Wermutstropfen<br />
hier: <strong>Die</strong> Nennung solch zwielichtiger Metalbands wie EM-<br />
PEROR, aber das hat bei SCUM ja auch keinen gestört ...) mit<br />
Radiorauschen, Waschmaschinenlärm, Tierlauten und noch<br />
einigem Krach mehr zu teilweise abenteuerlichen Stücken<br />
gemischt, aufgenommen natürlich stilecht auf vier Spuren.<br />
Einige „klassischere“, bluesige Stücke gibt’s auch, generell<br />
regiert hier aber Krach, Hass und die verzerrte Slideguitar.<br />
Dazu kommen solch freundliche Themen wie Alk und<br />
lich zu machen, nahm man paar Jahre nach dem „kommerziellen“<br />
Durchbruch alle Songs <strong>von</strong> der Archiv-Seite, um sie<br />
nun in gepresster Form zum käuflichen Erwerb anzubieten.<br />
Glücklicherweise kam man nicht auf die Idee, die alten Kassettenaufnahmen<br />
digital zu überarbeiten, insofern kommt<br />
man in den ungefilterten Genuss der alten Songs. Leider<br />
verzichtete man auf eine komplette Diskografie aus dieser<br />
Zeitspanne, aber wahrscheinlich hebt man sich die restlichen<br />
Tracks und Coverversionen für spätere Verwendungszwecke<br />
in der wirklichen Welt auf. Ich für meinem Teil bin<br />
froh, mir damals die Sachen komplett auf <strong>CD</strong> gebrannt zu<br />
haben, so wie es früher zumindest die Intention der werten<br />
Herrschaften gewesen ist. Wie dem auch sei, für eingefleischte<br />
Fans wie Neulinge, die damals die Chance nicht ergreifen<br />
konnten, sich die kompletten alten Aufnahmen auf<br />
den Rechner zu ziehen, alle Mal eine lohnende Investition,<br />
auch wenn das „Bastellayout“ sehr zu wünschen übrig lässt<br />
und man auf umfangreiche Linernotes verzichten muss.<br />
Kube<br />
JENNY PICCOLO<br />
Discography <strong>CD</strong><br />
threeoneg.com | Ooops, nach dem Tippen der Überschrift<br />
sind schon mal eben 6 der insgesamt 52 Songs der JENNY<br />
PICCOLO-Diskografie vorbei ... JENNY PICCOLO waren als<br />
Powerviolence-Trio Ende der Neunziger unterwegs und haben<br />
mehrere Scheiben bei Three.One.G veröffentlicht, die<br />
hier alle zusammen mit anderen äußerst raren Veröffentlichungen<br />
wieder abseits des eBay-Preiswahnsinns das Licht<br />
der Welt erblicken. Wie es bei solchen Zusammenstellungen<br />
nun mal ist, mit durchaus wechselnder Soundqualität,<br />
die aber eigentlich immer annehmbar ist. JENNY PIC-<br />
COLO spielen diese überspitze Hardcore-Variante, die gerne<br />
mal unter Spazzcore firmiert, also irgendwo in der Grauzone<br />
zwischen Grindcore, Hardcore und Chaos. Das machen<br />
sie gar nicht mal so schlecht, aber an Urväter dieser Szene<br />
wie HERESY oder alte NAPALM DEATH kommen sie beim<br />
besten Willen nicht ran. (36:54) (6) Dr. Oliver Fröhlich<br />
JOAN OF ARC<br />
The Intelligent Design Of <strong>CD</strong><br />
Polyvinyl | <strong>Die</strong> ohnehin schon leicht obskuren JOAN OF<br />
ARC halten Rückschau und haben ihre 7“s, Samplerbeiträge,<br />
Coverversionen und japanischen Bonustracks auf diesem<br />
Album versammelt. <strong>Die</strong> Reise in die Vergangenheit beginnt<br />
1996 und so sind die ersten zehn Lieder nicht gerade Easy<br />
Listening. <strong>Die</strong> zweite Hälfe ist hingegen angenehmer und<br />
ohne Frage schön. Meine Begeisterung hält sich allerdings in<br />
Grenzen. Ich will Polyvinyl keine Backkatalog-Ausschlachtung<br />
unterstellen, aber es ist schon schwer genug, dem regulären<br />
Output <strong>von</strong> Tim Kinsella zu folgen, und da JOAN<br />
OF ARC eine sehr konzeptionelle Band sind und diese Zusammenstellung<br />
nur der Chronologie folgt, ist sie eben sehr<br />
unstimmig. Insgesamt würde ich beinahe sagen unnötig,<br />
da im Herbst schon wieder ein Album <strong>von</strong> Kinsellas neuer<br />
Band MAKE BELIEVE ansteht. Wer will da alte Songs hören?<br />
(76:25) (6) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
KICK JONESES<br />
Streets Full Of Idiots <strong>CD</strong><br />
Flight 13/Cargo | Vor rund zehn Jahren erschien mit<br />
„Streets Full Of Idiots“ das ersten Album der Pfälzer Band<br />
KICK JONESES, und tröstete zahlreiche Fans über das Loch<br />
hinweg, welches die Trennung der WALTER ELF damals hinterlassen<br />
hatte. Denn aus diesen entstanden seinerzeit KICK<br />
JONESES, die sich fortan dem englischsprachigen Punkrock<br />
verschrieben hatten. Und dass sie dabei stets viel Wert<br />
auf ausgefeiltes Songwriting legten, kann man noch einmal<br />
auf dieser Neuveröffentlichung gut hören. <strong>Die</strong> Vorliebe für<br />
Bands wie DESCENDENTS, ADOLESCENTS, GODFATHERS,<br />
ALL oder ANGRY SAMOANS versucht man dabei erst gar<br />
Drogen, Knarren, Prügeleien, Tod und andere White-Trash-<br />
Phantasien und der Herr Musiker sieht auf dem beiliegenden<br />
Poster, aufgenommen vor einer Bruchbude mit Gewehr,<br />
Bierflasche und Schaukelstuhl im Hintergrund, auch nicht<br />
gerade wie der favorisierte Schwiegersohn des Peace-Punks<br />
<strong>von</strong> nebenan aus. Was soll ich sagen, mir gefällt es, wie so oft<br />
ist die Platte mit 28 Songs bloß mal wieder etwas zu lang<br />
geraten, aber es werden ja schließlich die Jahre 1998-2003<br />
abgedeckt. Eine Weltsicht wie in „Death total death“ ist jedenfalls<br />
eine realistische, wenn auch nicht sonderlich gesunde:<br />
„New suburban homes / But I see graves in row after<br />
row / Population grows / But all I see is piles of bones.“ (7)<br />
Alex Strucken<br />
JERSEY LINE<br />
Misery Club <strong>CD</strong><br />
Wynona | Sehr steiles Layout, ein Typ mit lila Lederjacke<br />
sitzt auf einer pinken Ledercouch, da hätte ich jetzt eher<br />
Disco erwartet, aber stattdessen gibt es Emocore aus Italien.<br />
Dort scheint die Emo-Welle noch nicht ganz abgeflaut<br />
zu sein und im Falle <strong>von</strong> THE JERSEY LINE tolerieren wir<br />
das mal, obwohl Sänger Gianni recht dick aufträgt und etwas<br />
weniger Pathos nicht schlecht gewesen wäre. Insgesamt<br />
gut, aber die Römer sind mir dann doch zu lieblich und etwas<br />
zu kantenlos. Das klingt alles eine Spur zu kommerziell<br />
und gewollt transatlantisch, dabei hat Italien doch so eigenständige<br />
Bands. (35:31) (6) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
KRASTY<br />
Voice As A Weapon <strong>CD</strong><br />
suspect-records.com | Das österreichische<br />
Sextett KRASTY spielt geradlinigen, Hardcore-beeinflussten<br />
Punkrock, der an die Rauheit<br />
K<br />
des ersten STRIKE ANYWHERE-Albums und<br />
ein wenig auch an deren Gefühle für melan-<br />
cholische Stimmungen erinnert. Das Erfreuliche und letztlich<br />
Besondere an KRASTY ist, dass sie eine Trompete in ihren<br />
Sound integrieren, die nicht nervig trötet, sondern vielmehr<br />
so eingesetzt wird, dass sie Songmomenten eine ganz<br />
eigene, teils melancholische Stimmung gibt. <strong>Die</strong> Kombination<br />
aus Blasinstrument und gut gespieltem Punkrock steht<br />
den Österreichern gut. Ihre politisch-persönlichen Texte<br />
sprechen außerdem für sie. Insgesamt eine sehr gelungene<br />
Mischung aus straightem Punkrock, nachdenklichen Strecken<br />
und eigenen Songideen. Wenn die Österreicher noch<br />
an ihrer Melodieführung und an einer für mich noch etwas<br />
zu zaghaften Stimme arbeiten, wird diese Band richtig gut.<br />
Trotzdem sollte „Voice As A Weapon“ Freunden der LOVED<br />
ONES und der LAWRENCE ARMS zusagen. (7) (32:43)<br />
Lauri Wessel<br />
KEINE AHNUNG<br />
Noch nicht allein <strong>CD</strong><br />
rheinrebell-records.de | Musikalisch sind KEINE AH-<br />
NUNG abwechslungsreich und die Inhalte ihrer Texte decken<br />
sich gut mit der Stimmung, die sie mit ihren Instrumenten<br />
erzeugen. Aber der Gesang ist bei den ersten Stücken<br />
sehr holprig und erinnert mich an Gedichte, die man<br />
zu Grundschulzeiten auswendig vor der Klasse vortragen<br />
musste. Bei „Brüder zur Sonne“ werden die gesanglichen<br />
Defizite offensichtlich, ein schwaches Cover <strong>von</strong> „BGS/<br />
GSG“ der BUTTOCKS und streckenweise abgedroschene<br />
Sprüche über den Weltpolizisten USA und den Schwarzen<br />
Block machen die Platte aber wieder zu einer <strong>von</strong> Millionen<br />
anderen – zu denen mir auch einfach nichts mehr einfällt.<br />
(36:05) (3) Katrin Schneider<br />
KONFUZ<br />
Nicht dabei <strong>CD</strong><br />
nix-gut.de | KONFUZ kommen aus Hameln und beehren<br />
seit 2002 die Welt mit einer Mischung aus Punkrock,<br />
Ska und Reggae. „Nicht dabei“ ist ihre erste Platte und dafür<br />
nicht zu verheimlichen. Aufgestockt werden die vierzehn<br />
Albumtracks diese <strong>CD</strong> mit noch um neun rare oder unveröffentlichte<br />
Bonustracks. So bekommt man eine ordentliche<br />
Ladung KICK JONESES aus ihren Anfangstagen. Und das<br />
sprüht nur so vor Spielfreude und –witz. Schöner Rerelease.<br />
(71:24) (8) Abel Gebhardt<br />
KIDNAPPERS<br />
Ransom Notes And Telephone Calls <strong>CD</strong><br />
aliensnatch.com | Vor ein paar Monaten erschien das neue<br />
Album der KIDNAPPERS auf Rip-Off, doch leider muss ich<br />
sagen, dass die Band da wie neulich live vor den BELLRAYS,<br />
für mich nicht wieder die Perfektion erreicht hat, die sie<br />
mit ihrem Debüt „Ransom Notes ...“ <strong>von</strong> 2003 auf Vinyl<br />
gebannt hatte. Um so besser, dass dieses exzellente Album<br />
jetzt in einer remasterten <strong>CD</strong>-Version vorliegt, ergänzt um<br />
die drei Songs der „Zaxxon“-Bonus-7“. Und das schrieb ich<br />
damals: Hervorgegangen aus den HIGHSCHOOL ROCKERS,<br />
sind die KIDNAPPERS doch glatt noch mal ein gutes Stück<br />
besser – alleine für die unglaubliche Killernummer „Close<br />
to you“, eine vor Schmalz nur so triefende Nummer, ist<br />
die Platte ihr Geld schon wert. Und auch sonst ziehen die<br />
KIDNAPPERS ihr Ding, eigentlich poppige Punksongs in<br />
einer krachigen und dabei doch sweeten Weise runterzurotzen,<br />
unglaublich souverän durch. Mich erinnert das in<br />
den besten Momenten an HÜSKER DÜs verzweifelten Kracher<br />
„Diane“, wobei die KIDNAPPERS jedoch keinen Zweifel<br />
daran lassen, dass ihre Helden viel eher die RAMONES<br />
sind. Und natürlich TEENGENERATE und nicht nur die RIP-<br />
OFFS, sondern auch LOLI & THE CHONES, sonst würden sie<br />
deren „Everybody hates me“ ja nicht covern. Musik, so cool<br />
und basal wie Lederjacke, Jeans und Chucks – das passt immer.<br />
(8) Joachim Hiller<br />
LUZIFERS MOB<br />
Complete 50 Song Discography <strong>CD</strong><br />
Repoman | Zum zehnjährigen Bandbegräbnis gibt es nun<br />
endlich die vollständige Werkschau der Lärmkönige aus<br />
Karlsruhe. Hier wurde alles zusammengetragen, was in den<br />
vier Jahren des Bandbestehens regulär, in welcher Vinylform<br />
auch immer, veröffentlicht wurde, obendrauf gibt es das<br />
erste Demo, das nur die Beinharten in ihrem Schrank stehen<br />
hatten. Tutto kompletto mit allen Texten, Linernotes, jeder<br />
Menge Fotos und an den Stellen, wo es möglich war, auch<br />
Sound-Upgrade. Erstaunlich, wie dieses Hammer-Hardcorebrett<br />
auch heute noch seine volle Wirkung entfaltet.<br />
Ohne viel Rumgewichse, Zielen und großes Rumgeschnatter<br />
wird gleich aus der Hüfte geballert, das volle Magazin<br />
leer gepumpt und dann nachgeschaut, ob man was getroffen<br />
hat. <strong>Die</strong> fünfzig Songs gibt es in nicht mal 45 Minuten,<br />
was eigentlich schon mehr als genug über ausgedehnte Vorspiele<br />
sagt. Auf einer Höhe mit Bands wie DROPDEAD oder<br />
ASSÜCK, nur fand ich den Mob stets wesentlich interessanter,<br />
weil er einfach live spielte und sowohl auf Platte als<br />
auch auf der Bühne richtig bolzte, ohne jemals in dieses Hasenfickerschlagzeuggerammel<br />
zu verfallen. Außerdem hatten<br />
und haben die Jungs hier einfach mehr Humor. Noisecrusttrashgeballer-Geschichtsunterricht,<br />
der einfach in jeden<br />
Tinnitus-Haushalt gehört. Allerdings bezweifle ich, dass<br />
die reguläre 666er+100-<strong>Die</strong>-Hard-Fan-Auflage dafür ausreichen<br />
wird. Lärm kann tatsächlich so verdammt geil sein!<br />
(9) kalle stille<br />
LES SAVY FAV<br />
3/5 <strong>CD</strong><br />
frenchkissrecords.com/Alive | So als kleines Trösterchen<br />
und zur Überbrückung der Wartezeit auf das neue Album,<br />
das Anfang 2007 erscheinen soll, haben die New Yorker LES<br />
SAVY FAV ihr einst 1997 auf The Self Starter Foundation erschienenes<br />
Debütalbum „3/5“ auf French Kiss, dem Label<br />
<strong>von</strong> Bassist Syd Butler, neu aufgelegt. Der <strong>von</strong> James Mur-<br />
wirklich nett anzuhören. Manche Stücke lassen mich sogar<br />
wirklich aufhorchen, so zum Beispiel „Endspurt“. Auch<br />
schmeißt das Trio nicht nur stur verschiedene Stilelemente<br />
zusammen, sondern Musik und Texte scheinen gut überlegt<br />
und durchdacht. Eine solche Band hätte ich nicht auf<br />
Nix Gut erwartet, war ich doch gerade wieder kurz davor,<br />
das Label in einer Schulblade abzulegen. Aber je länger ich<br />
mir „Nichts dabei“ anhöre, desto mehr ist für mich dabei.<br />
(52:57) (6) Katrin Schneider<br />
BEN KWELLER<br />
Ben Kweller <strong>CD</strong><br />
Red Ink | Eigentlich war ich gar nicht heiser, aber als ich<br />
den Umschlag mit all meiner Kraft zerriss, weil ich so eine<br />
Vorahnung hatte, da verlor ich meine Stimme. „AAaahhh,<br />
ich hab’s , ich hab’s ich ich ich!“ Für diese wenigen Sekunden<br />
umarmte ich Ben Kwellers neue Platte innig und fühlte<br />
mich wie die einzige Person, die sie hören darf. Nein, ich<br />
habe mich nicht dabei gedreht, sondern bin total schwerelos<br />
zum <strong>CD</strong>-Spieler gehüpft, hab Play gedrückt und mich<br />
gleich fünf Mal <strong>von</strong> Titel eins bis elf zudröhnen lassen. Ebenso<br />
wie auf „My way“ klammert er sich wieder an die Dinge,<br />
die unser Leben tagein, tagaus beglücken, oder zieht zwischen<br />
den Zeilen über Verhaltensweisen und gesellschaftliche<br />
Systeme her. Weiterentwickelt hat man sich insofern, als<br />
dass nun alle Instrumente da sind, die auch auf einer polnischen<br />
Hochzeit nicht fehlen dürfen: Glockenspiele, Xylophone,<br />
Klavier und ein wenig Umppa Dumppa auf dem<br />
Bass. Und ja – genau alles wurde selber eingespielt, wofür<br />
ich ihn sehr beneide bei meinem Mangel an motorischen<br />
Fähigkeiten. <strong>Die</strong>se Mischung aus Gitarrenpop, Anti-Folk,<br />
den er sich aufgeschnappt hat, als er <strong>von</strong> Texas nach NY zog,<br />
und noch das letzte Stück, Punk-Einfluss <strong>von</strong> seiner ehemaligen<br />
Band RADISH – alles zusammen herzlich zusammengestellt<br />
wie eine Wundertüte. Ich bin so hibbelig und will<br />
mitten im Lied aufs nächste Lied schalten und stehe in einem<br />
unglaublichen Konflikt, nein, erst zu Ende hören, dann<br />
zu „I gotta move“, „This is war“ oder „Sundress“ umschalten.<br />
Meine Finger machen schon die absurdesten Bewegungen<br />
– ich greif lieber nach einer Flasche. „Blink and you’ll<br />
miss it“, sag ich da nur. Wow. Erinnert mich an die Soloplatte<br />
<strong>von</strong> Evan Dando, der alte Hase auf seiner Ranch, beide Platten<br />
– comforting, exciting and fucking thrilling. (9)<br />
Martha Biadun<br />
KING BLUES<br />
Under The Fog <strong>CD</strong><br />
householdnamerecords.co.uk | <strong>Die</strong> Band KING BLUES<br />
entstammt der Londoner Squatter-Szene und setzt sich aus<br />
zwei Akustikgitarren, Akustikbass und Ukulele zusammen.<br />
Der Sänger Johnny Fox aka Itch war bisher zwar in der Hip-<br />
Hop-Szene aktiv, KING BLUES setzten aber voll und ganz<br />
auf akustischen Rocksteady und Punk. Daneben gibt es auch<br />
Doo-Wop und Ska sowie die eine oder andere Pop-Perle zu<br />
hören. Ihr Debüt, der Demotrack „Mr music man“ lief bereits<br />
auf BBC 1. Auch die restlichen 10 Songs auf „Under The<br />
Fog“ begeistern und überzeugen mich sofort. Erstklassiger<br />
Ska, Rocksteady, Punk und Pop, alles auf akustischen Instrumenten<br />
gespielt – man kann es übrigens auch Folk nennen.<br />
Dazu kommen politisch korrekte Texte wie: „we have<br />
the right to choose between labour and tory, like we have<br />
to the right to choose between coke and pepsi, no matter<br />
who you vote for, the government always win, time to empor<br />
yourself when this sinks in“. Das sind zwar keine neuen<br />
Feststellungen, aber verpackt in eine wunderschön zu pfeifende<br />
Melodie, wirkt es erfrischend ehrlich und wie heißt es<br />
so schön in „The sound of revolt“: „in my back pocket theres<br />
a catapult to smash windows with the sound of revolt,<br />
I may not be Guy Fawkes, but I’ll alway be a thorn in your<br />
paws.“ Hierzu eine kleine Anmerkung, Guido Fawkes wurde<br />
am 31.01. 1606, nach einem versuchten Attentat (gunpowder<br />
plot) auf den englischen König Jakob I, hingerich-<br />
phy produzierte Longplayer wurde dafür neu gemastert sowie<br />
mit neuem Artwork versehen – kommt aber dafür ohne<br />
die der Originalversiom beiliegende Duschhaube ... Seinen<br />
komplexen, eigenwilligen noisy Post-Hardcore-Sound hatte<br />
der Vierer damals schon gefunden, auch wenn er noch<br />
nicht so ausgereift und auf den Punkt gebracht war wie<br />
beim Nachfolger „The Cat And The Cobra“. Richtig schön<br />
„arty-farty“ kommt auf jeden Fall das zum französelnden<br />
Bandnamen passende Intro, und jetzt sind wir mal gespannt,<br />
ob auch die im Entstehen begriffene neue Scheibe wieder<br />
so intensive Songs wie das exzellente „Je t’aime“ enthält.<br />
(32:27) (8) Joachim Hiller<br />
LYNYRD SKYNRD<br />
Gold 2<strong>CD</strong><br />
Universal | Sooo schlecht ist der Song ja gar nicht, aber man<br />
hat doch das Gefühl, ganz schnell weiterskippen zu müssen,<br />
wenn „Sweet home Alabama“ ertönt, denn was auf JEDER<br />
schlechten Party gedudelt wird, ist beim circa 555. Mal einfach<br />
unerträglich – und dürfte den Rechteinhabern bis heute<br />
dicke jährliche Tantiemenschecks einbringen. Dabei hat<br />
Hauptsongwriter Ronnie Van Zant selbst sicher nichts mehr<br />
da<strong>von</strong>, starb er doch mit anderen Mitgliedern der siebenköpfigen<br />
Band 1977 bei einem Flugzeugabsturz. <strong>Die</strong> Wurzeln<br />
der Band gehen bis aufs Jahr 1964 zurück, als man sich<br />
in Jacksonville, Florida (<strong>von</strong> wegen Alabama ...) gründete<br />
und irgendwann vom Namen des Sportlehrers zur eigenen<br />
Namensgebung inspirieren ließ: Leonard Skinner hieß<br />
der Mann. Ab 1970 entwickelten sich LYNYRD SKYNRD<br />
dann zu den unangefochtenen Helden des Southern Rocks,<br />
speziell nachdem 1974 die Hitsingle „Sweet home Alabama“<br />
erschienen war und man die Band seitdem unweigerlich<br />
mit Pick-up fahrenden, in Flanellhemden gekleideten,<br />
vollbärtigen, nie ohne Waffe aus dem Haus gehenden<br />
Rednecks in Verbindung bringt. Dabei sah die Band selbst<br />
kein Stück so aus, hatte eher was <strong>von</strong> einem langhaarigen,<br />
bunte Hosen und Hemden tragenden Hippie-Kollektiv, was<br />
vielmehr dem natürlichen Feind des Rednecks entspricht.<br />
Wie auch immer, die Südstaaten-Combo war seinerzeit extrem<br />
erfolgreich, hatte mit „Free bird“ einen weiteren Riesenhit<br />
(ich sage nur 9:10 ...) und prägte ein ganzes Genre<br />
(man nehme allein den Titel <strong>von</strong> „Swamp music“), gehört<br />
deshalb in jede ordentliche Rock-Plattensammlung. Über<br />
die Neuauflage der Band ab 1987 breiten wir freilich besser<br />
den Mantel des Schweigens. Auf der Doppel-<strong>CD</strong> finden sich<br />
die beiden erwähnten Songs nebst 23 anderen, und das dicke<br />
Booklet ist mit seiner History und reichlich Fotos vorbildlich.<br />
(7) Joachim Hiller<br />
MARK OF CAIN<br />
Battlesick <strong>CD</strong><br />
The Unclaimed Prize <strong>CD</strong><br />
feelpresents.com | <strong>Die</strong> aus dem australischen Adelaide<br />
stammenden THE MARK OF CAIN haben auch nach über<br />
20 Jahren noch den Status eines Geheimtips, aber das ist bei<br />
Oz-Bands ja nichts Ungewöhnliches. Dabei bot Deutschland<br />
immerhin eine der ersten Chancen, einem etwas größeren<br />
Publikum bekannt zu werden, veröffentlichte doch<br />
einst das legendäre Bonner Normal-Label die beiden jetzt<br />
<strong>von</strong> Feel Presents neu aufgelegten Alben aus dem Jahr 1989<br />
beziehungsweise 1991. Später dann gab es auch noch eine<br />
Wiederveröffentlichung des Debüts „Battlesick“ auf Henry<br />
Rollins’ 2.13.61-Label, was einfach daher kam, dass Rollins<br />
ein großer TMOC-Fan ist. Und wenn man sich die frühen<br />
ROLLINS BAND-Sachen mal anhört, ist da auch eine<br />
gewisse musikalische Verwandtschaft erkennbar. Was die<br />
Einflüsse anbelangt, sind hier ganz klar JOY DIVISION und<br />
BIG BLACK zu nennen (was die Band selbst auch mittels der<br />
Links auf ihrer Website tmoc.com.au bestätigt), oder auch<br />
die grandiosen HEAD OF DAVID und wegen mir auch RED<br />
LORRY YELLOW LORRY. TMOC verbanden auf diesen bei-<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 74 22.09.2006 20:52:13 Uhr
tet. Es müssen aber nicht immer große Ereignisse sein, auch<br />
die kleinen alltäglichen Beobachtungen kommen hier nicht<br />
zu kurz. Nach etwa drei Minuten Stille wird diese gelungene<br />
Debüt mit dem versteckten Bonustrack „My girl lollipop“,<br />
natürlich als Akustikversion, abgerundet. (36:22) (9)<br />
Kay Wedel<br />
KULTUR SHOCK<br />
We Came To Take Your Jobs Away <strong>CD</strong><br />
koolarrow.com | Warum sprießen zurzeit eigentlich die<br />
Folk-Punk-Bands wie Pilze aus dem Boden? „Momentan<br />
reimt sich Folk-Punk eben nicht schlecht auf Erfolgs-Punk<br />
oder gar Volksbank“, möchte man spötteln, aber dann fallen<br />
einem Bands wie KULTUR SHOCK ein, die schon seit<br />
10 Jahren auf höchstem Niveau Balkan-Punk spielen und<br />
trotzdem vergleichsweise wenig Gehör finden. Ihr bosnischer<br />
Frontmann Gino Srdjan Yevdjevich steht Eugene Hütz<br />
<strong>von</strong> GOGOL BORDELLO in Sachen interessante Biografie<br />
und – vielleicht daraus resultierendem – Charisma in nichts<br />
nach. Auch musikalisch geht es in eine ähnliche Richtung<br />
und eigentlich wäre es gerechter, würde ich an dieser Stelle<br />
erklären müssen, wer eigentlich diese GOGOL BORDEL-<br />
LO sind. KULTUR SHOCK sind härter, abwechslungsreicher,<br />
und wenn es hier um Politik geht, dann mit einer (trotzdem<br />
humorvollen) Abgeklärtheit, die vielleicht nur Leuten<br />
zu eigen ist, die so hautnah unter einem Krieg leiden<br />
mussten, wie es bei gleich mehreren Mitglieder <strong>von</strong> KUL-<br />
TUR SHOCK der Fall war. Vielleicht gelingt ihnen mit dieser<br />
Platte ja endgültig der verdiente Durchbruch. (42:13) (7)<br />
Ferdinand Praxl<br />
KRAUTBOMBER<br />
s/t LP<br />
elfenart.de | ANOTHER PROBLEM waren eine Hardcore-<br />
Band aus Mönchengladbach, die sich nach ständigem Sängerwechsel<br />
auflöste, um sich dann mit neuem Sänger/Gitarristen<br />
zuerst in CROWDBOMBER (deren Texte anfangs<br />
noch auf Englisch waren) und letztendlich KRAUTBOM-<br />
BER umzubenennen. Musikalisch geht es in die Hardcore-<br />
Punk-Ecke und nachdem die Demo schon überall positiv<br />
auffiel, kommt man hier zum Höhepunkt. <strong>Die</strong> selbstbetitelte<br />
LP kam direkt über mehrere kleine Punklabel (Elfenart,<br />
Friends like these, aldi-punk, Katze Platten, Search for<br />
fame) heraus und da die Hüllen eigenhändig besprüht sind,<br />
kann man fast da<strong>von</strong> sprechen, dass jede Platte ein Unikat<br />
ist. Wer auf Bands wie AMEN 81 und LOST WORLD steht,<br />
ist hier richtig. <strong>Die</strong> Texte wirken sehr durchdacht, und wem<br />
die Stimme bekannt vorkommt, dem sei gesagt, dass es sich<br />
hier um NEIN NEIN NEIN-Sänger Michael Straschek handelt.<br />
Gerade seine Stimme und Texte machen die Band aus,<br />
aber Vergleiche zu seiner Hauptband sollte man nicht ziehen,<br />
da es hier wesentlich aggressiver zur Sache geht. Eine<br />
der Bands, die dafür Sorgen, dass deutscher Punk doch nicht<br />
ganz langweilig wird. Timbo Jones<br />
KURHAUS<br />
A Future Pornography LP/<strong>CD</strong><br />
LP: Zeitstrafe/<strong>CD</strong>: Poisonfree | Album Nr. 3 der aus dem<br />
hohen Norden stammenden Band, das mir in der Vinylversion<br />
vorliegt, mit Klappcover (innen drin ein Comic) und<br />
großem Booklet. In diesem findet sich das smarte „The Kurhaus<br />
Manifesto“, das wie alle Texte auf Englisch verfasst ist,<br />
man sollte sich da als Neuling nicht vom Bandnamen verwirren<br />
lassen: „Don’t believe in anything you hear in a song!<br />
Don’t believe anything you read in the booklet of a record!<br />
Don’t believe in anything a band says on stage! A band is not<br />
a political organization! Musicians are no political leaders!<br />
Never believe in what we say! Never trust us! Always think<br />
for yourselves!“ Das kann ich so nur unterschreiben, würde<br />
nur noch ergänzen, frei nach den NEWTOWN NEUROTICS:<br />
„Don’t believe anything you read in the press“, sowie aus aktuellem<br />
Anlass: „Never believe what anonymous idiots blog<br />
den Platten düstere Früh-Achtziger-Sounds mit brachialem,<br />
basslastigem Noiserock, und da wundert es auch nicht,<br />
dass ein gewisser Steve Albini für den Mix des mit Drumcomputer<br />
aufgenommenen zweiten Albums verantwortlich<br />
war. TMOC, bestehend vor allem aus den Brüdern John<br />
und Kim Scott, sind bis heute aktiv, haben die Neunziger<br />
über weitere Alben veröffentlicht, die freilich kaum den<br />
Weg nach Europa gefunden haben. Zwei absolut empfehlenswerte<br />
Neuauflagen, wobei „Battlesick“ im Vergleich das<br />
noch eine Idee bessere Album ist. (9) Joachim Hiller<br />
METEORS<br />
Monkey’s Breath <strong>CD</strong><br />
Anagram | In der Rückbetrachtung hätte jede LP als Nachfolger<br />
zu „Wrecking Crew“ einen schweren Stand gehabt.<br />
Denn, wenn man eine Rangfolge der allesamt hervorragenden<br />
Outputs der METEORS erstellen müsste, würde diese<br />
Platte <strong>von</strong> vielen sicher am unteren Ende angesiedelt.<br />
Im Gesamtwerk vielleicht richtig, für sich betrachtet ist<br />
„Monkey’s Breath“ aber eine lupenreine Psychobilly-Platte,<br />
deren Niveau <strong>von</strong> vielen anderen Bands nie erreicht wurde.<br />
Neben Klassikern wie „Hogs & cuties“ und „Rhythm of<br />
the bell“ sind noch drei Bonustracks zur Orginal-LP hinzugefügt.<br />
„Bad moon rising“ und die Maxiversionen der beiden<br />
bereits erwähnten Klassiker. <strong>Die</strong>se <strong>CD</strong> gehört in jede<br />
Psychobilly-Sammlung und wird bei den Fans auch bereits<br />
vorhanden sein. In dieser Version als Digipak aber natürlich<br />
trotzdem eine Empfehlung. (8) (49:46) Robert Noy<br />
NEW SALEM WITCH HUNTERS<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
gethip.com | Zwanzig Jahre nach dem ersten Erscheinen<br />
hat Get Hip das Debütalbum der aus Cleveland, OH stammenden<br />
„Hexenjäger“ neu aufgelegt, das seinerzeit auf Herb<br />
Jackson Records erschien. <strong>Die</strong> Motivation, diesen wunderschönen<br />
Longplayer mit einem Rerelease vor dem Vergessen<br />
zu bewahren, begründet man im Hause Get Hip (bekanntlich<br />
geführt <strong>von</strong> CYNICS-Boss Gregg Kostelich) mit der Seelenverwandtschaft<br />
<strong>von</strong> CYNICS und NSWH, stammen beide<br />
doch aus der gleichen Zeit, waren sie Teil des Sixties-Garagepunk-Revivals<br />
<strong>von</strong> Mitte der Achtziger, doch während<br />
die CYNICS eher Vertreter der Fuzzgitarren-Schule waren,<br />
waren die „Hunters“ auf den Spuren der frühen SEEDS eher<br />
melodiös unterwegs. Erstaunlich ist für mich die Feststellung,<br />
wie zeitlos die Platte ist, wie ähnlich sich die verschiedenen<br />
skandinavischen Revivalisten und die Band sind, die<br />
diesen Sound schon vor 20 Jahren zu neuem Leben erweckt<br />
hatte. Der Orgelsound <strong>von</strong> James Wilson erinnert mich dabei<br />
auch immer wieder (etwa bei „Goodbye ...“) an die leider<br />
längst vergessenen VIETNAM VETERANS mit ihrem sehr<br />
psychedelischen Garagesound. Vom Fehlen jeglicher Linernotes<br />
mal abgesehen ein sehr schöner und empfehlenswerter<br />
Rerelease. (35:33) (8) Joachim Hiller<br />
PVC<br />
s/t 2LP<br />
rottentotten@freenet.de | <strong>Die</strong> Kompilation <strong>von</strong> Berlin-<br />
Punkrock 1977-1989 „Wenn kaputt, dann wir Spass“ hat in<br />
Ausstattung und Geschichtsschreibung Maßstäbe gesetzt, an<br />
der sich jede Wiederveröffentlichung antiken Punks messen<br />
lassen muss. Das wissen zum Glück auch Rotten Totten<br />
Records und Gerrit Meijer, der auch heute wieder mit PVC<br />
auftritt. Das selbstbetitelte Doppelalbum mit dem Alternativtitel<br />
„1977-79“ ist aufklappbar mit „PopUp“-Diorama<br />
und erscheint mit zwei umfangreichen Beiheften, den Texten<br />
und einer Auswahl zeitgenössischer Zeitungsartikel. Im<br />
Jubiläumsjahr der 30-jährigen Punk-Geschichte sind PVC<br />
wieder in aller Munde, und das wird ihrer Bedeutung ganz<br />
und gar gerecht. <strong>Die</strong> 35 Lieder mit zwei Überschneidungen<br />
mögen für moderne Ohren oll klingen – zur Einschätzung:<br />
auf der zweiten Platte werden zum Beispiel die STOOGES,<br />
in the internet!“. Doch zu „A Future Pornography“: Stacheldraht-Musik<br />
mit durcheinanderwirbelndem, mehrstimmigem<br />
Gesang, der <strong>von</strong> sehr melodiös in Sekundenbruchteilen<br />
zu harsch und aggressiv wechselt, eine Band zwischen den<br />
Stühlen, zwischen Indierock und Hardcore, zwischen RO-<br />
BOCOP KRAUS und REFUSED, zwischen Dancepunk und<br />
Screamo, zwischen JR EWING und FUGAZI, die wirklich<br />
schwer fassbar ist ihrem Versuchen, der vorschnellen Kategorisierung<br />
zu entgehen und die, da bin ich mir angesichts<br />
des Manifestes sicher, nichts so sehr hasst wie Klischees und<br />
Schubladendenken – und deshalb mit dem elektronischen<br />
„From Gainesville to Hamburg“ auch zeigt, dass sie ganz andere<br />
Wege gehen kann (wird?). Smartpunk könnte man das<br />
nennen – sehr sympathisch, das alles hier. Als Kritik sei nur<br />
angebracht, dass die Produktion zwar insgesamt okay ist,<br />
aber letztlich nicht ganz so transparent und wuchtig, wie<br />
man sich das wünschen würde. (8) Joachim Hiller<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
KAMIKATZE<br />
s/t 12“<br />
Drachenwerkstatt | Es ist bereits einige Ausgaben her, als<br />
ich die Demo-<strong>CD</strong> <strong>von</strong> KAMIKATZE besprochen hatte. Damals<br />
schrieb ich: „Drei wild gewordene Furien aus Schweden<br />
rotzen einem brachialen Punkrock entgegen, wie man<br />
ihn <strong>von</strong> Frauen nur äußerst selten zu hören bekommt. Roh,<br />
straight und vor allem angepisst! Eine klitzekleine Prise latenten<br />
Humor möchte ich den Damen dabei nicht absprechen.<br />
<strong>Die</strong> Sängerin kreischt sich jedenfalls mit einer enorm<br />
druckvollen Stimme den angestauten Frust aus dem Leib.<br />
Keinesfalls süß oder charmant, aber durchaus dominant<br />
und sexy.“ Selbige Aufnahmen finden sich nun auf Vinyl in<br />
Form dieser 12“ wieder. <strong>Die</strong>se nehme ich dankend an, auch<br />
wenn sich mir der Sinn <strong>von</strong> einseitig bespielten Schallplatten<br />
bis heute nicht erschlossen hat. Wie auch immer. Zusätzlich<br />
gibt es hier drauf zumindest noch eine amüsante<br />
Elektro-Trash-Disco-Remix-Version des Songs „I hate<br />
kids“. (7) Alex Gräbeldinger<br />
KEVINS CAMPFIRE<br />
Disaster <strong>CD</strong><br />
choirboy-records.de/Cargo | Vor rund zwei Jahren wussten<br />
KEVINS CAMPFIRE mit einer kleinen, aber feinen Eigenproduktion<br />
auf sich aufmerksam zu machen. Mittlerweile<br />
hat es mit dem prophezeiten Plattenvertrag geklappt<br />
und auch sonst lassen sich einige Neuerungen vermelden.<br />
<strong>Die</strong> Bassistin hat letztes Jahr das warme Plätzchen am Lagerfeuer<br />
an einen stattlichen jungen Mann abgegeben und<br />
songwriterisch hat man sich seit „Change Of Tune“ „weiterentwickelt“.<br />
Ja, die Anführungszeichen stehen nicht ohne<br />
Grund da, denn leider bringt nicht jede Veränderung Verbesserungen<br />
mit sich. So wirkt die Screamo-Attacke im Opener<br />
„Sourcream“ doch arg aufgesetzt und auch sonst scheinen<br />
einige Zugeständnisse an den musikalischen Zeitgeist<br />
gemacht worden zu sein, die etwas unangenehm aufstoßen.<br />
Über die volle Distanz eines Albums ist dann auch nicht<br />
wirklich jeder Song spannend. An sich beweist das Ingolstädter<br />
Trio aber nach wie vor ein gutes Gespür für eingängige<br />
Melodien, ist mit Herz und Seele bei der Sache und geht<br />
auch gerne mal etwas härter zu Werke, so dass „Disaster“ alles<br />
andere als ein solches geworden ist. Ganz im Gegenteil.<br />
Aber um an etwaige Referenzen wie SLUT und BLACKMAIL<br />
heranzukommen, fehlt noch ein Stückchen. (44:14) (6)<br />
Ingo Rothkehl<br />
KOLLEKTIVER BRECHREIZ<br />
Der Sinn des Lebens <strong>CD</strong>/LP<br />
hoehni-records.de | <strong>Die</strong> Band stammt aus Sömmerda und<br />
steht zu ihrer Herkunft: „Herr Klose <strong>von</strong> der Stasi“ wird<br />
thematisiert, der Alptraum ist der Wiederaufbau der Mauer<br />
und dass „der Erich wieder da“ ist. Das passt auf jeden Fall<br />
zum zwar krachigen, aber dennoch meist melodisch-flotten<br />
Chris Montez, Eddie Cochran, Liverpool-Rock und die VIB-<br />
RATORS gecovert – auf die Bildung eines harten Kerns und<br />
die Abkehr <strong>von</strong> der Vermarktung durch das Business hatten<br />
PVC als erste Berliner Punkband in den Pionierjahren erheblichen<br />
Einfluss. <strong>Die</strong> erste Platte enthält 4- und 8-Spur-<br />
Aufnahmen, die zweite (nicht vorliegende) einen Gig im<br />
Kant-Kino (das SO36 galt bereits damals als „kommerziell“),<br />
sowie Coverversionen. <strong>Die</strong> vom mittlerweile verstorbenen<br />
Knut Schaller gesungenen Lieder sind häufig am intensivsten<br />
und haben möglicherweise am wenigsten an Aktualität<br />
eingebüßt. Man muss, um zu verstehen, wer man ist,<br />
seine Wurzeln kennen. (7) Walmaul<br />
R.E.M.<br />
And I Feel Fine ... The Best Of The I.R.S. Years 1982-<br />
1987 2<strong>CD</strong><br />
EMI | Eines der interessantesten Labels der Achtziger war<br />
das Quasi-Indielabel I.R.S., das <strong>von</strong> Miles Copeland aufgebaut<br />
worden war, dem Bruder des POLICE-Drummers Stewart<br />
Copeland. Auf I.R.S.<br />
erschienen seinerzeit<br />
Platten <strong>von</strong> solch grandiosen<br />
Bands wie WALL<br />
OF VOODOO, FLESHTO-<br />
NES, LORDS OF THE NEW<br />
CHURCH, GO-GOS und<br />
zig anderen – und eben<br />
R.E.M., die dort in fünf<br />
Jahren fünf Alben veröffentlichten<br />
und 1987 zwar<br />
bei weitem noch nicht die<br />
Superstars waren, zu denen<br />
sie in den Neunzigern<br />
wurden. Nun sind R.E.M. wie DIE ÄRZTE eine jener Bands,<br />
die trotz Superstardom nicht Scheiße geworden sind, aber<br />
ehrlich gesagt, nehmen ich ihre neuen Platten eher über Radio-Airplay<br />
wahr, lege sie mir zwar nur ausnahmsweise zu,<br />
bin aber immer wieder überrascht, wie schön ihre dem immer<br />
gleichen knarzigen 80er-Indierock-Schema folgenden<br />
Songs noch sind. Meine Liebe gilt aber ganz klar den<br />
frühen R.E.M., die hier dokumentiert wurden und die mit<br />
„The one I love“ einen meiner absoluten Lieblingssongs geschrieben<br />
haben. 21 Songs finden sich auf der regulären <strong>CD</strong><br />
(eine Extraversion kommt mit Bonus-<strong>CD</strong>, auf der sich neben<br />
Livesongs andere Mixe bekannter Songs, Demo-Tracks<br />
etc. finden; darüber hinaus gibt’s auch noch eine eigenständige<br />
DVD-Version), und mit „Fall on me“, „It’s the end of<br />
the world as we know it“, „Finest worksong“, „So. Central<br />
rain (I’m sorry)“, „Pretty persuasion“ und natürlich auch<br />
„Radio Free Europe“ <strong>von</strong> der ersten Single sind alle wichtigen<br />
Songs enthalten. Klar, der Fan besitzt die sowieso bereits<br />
alle, ist höchstens scharf auf die Bonus-<strong>CD</strong>, doch wer bislang<br />
an R.E.M. warum auch immer vorbeigegangen ist, sollte<br />
sich spätestens hiermit <strong>von</strong> Michael Stipe und Co. verzaubern<br />
lassen. Traumhaft schöne Lieder, die immer wieder<br />
die Wurzeln der Band in Punk, Garagerock und Folk erkennen<br />
lassen – und die vor allem immer nur nach R.E.M. klingen.<br />
Und hätten HÜSKER DÜ nicht 1987 das Handtuch geschmissen,<br />
wer weiß, wo die heute stehen würden ... Eine<br />
essentielle Zusammenstellung. (78:06) (10) Joachim Hiller<br />
RIOT SQUAD<br />
No Potential Threat <strong>CD</strong><br />
Captain Oi! | <strong>Die</strong> englische Band RIOT SQUAD aus Manchester<br />
gab es leider nur <strong>von</strong> 1981 bis 1984. In dieser Zeit<br />
veröffentlichte man diverse Singles, die dem typischen UK-<br />
Streetpunk-Sound um das Jahr ’82 entsprachen. Man denke<br />
in etwa an THE EXPLOITED, BLITZ, oder ONE WAY SYS-<br />
TEM. In der kurzen Zeit, in der es die Band gab, haben es<br />
RIOT SQUAD, wieder leider, nie zu einem Studioalbum gebracht.<br />
Erst posthum wurden ihre Singles kompiliert und<br />
Deutschpunk. Insgesamt ist die Band, die sich lieber als KBR<br />
abkürzt, eher durchschnittlich, liefert auch mal einen Horror-Text<br />
oder ein Liebeslied. Im Meer des doofen Deutschpunks<br />
macht KBR trotzdem einen korrekten Eindruck. (5)<br />
Klaus N. Frick<br />
KONFLIKT<br />
Sapere aude <strong>CD</strong><br />
nix-gut.de/konflikt.sk | Eine feste Größe im internationalen<br />
Punkrock-Zirkus sind seit über 16 Jahren KONF-<br />
LIKT aus der Slowakei. Durch ausgiebiges Touren, ständige<br />
Live-Präsenz haben sie sich eine treue Fangemeinde erspielt<br />
und somit ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass nun<br />
das neue, leider erst vierte Album auf einem deutschen Label<br />
erscheint. Gemessen an der sonstigen Veröffentlichungswut<br />
lassen sich KONFLIKT Zeit mit ihren Songs und heben<br />
sich somit auch wohltuend vom ganzen mittelmäßigen<br />
Einheitsbrei ab. Der Grundkonsens ist politischer und wütender<br />
Punkrock, aber auch folkloristische und metallische<br />
Motive tauchen wie selbstverständlich auf und verschmelzen<br />
zu einem treibenden Gesamtsound. Leider gibt es keine<br />
Übersetzungen, was ich persönlich sehr schade finde, denn<br />
das Digipak ist ansonsten vorbildlich und aufwendig gestaltet.<br />
(7) Carsten Vollmer<br />
KAADA<br />
Music For Moviebikers <strong>CD</strong><br />
Ipecac | Das zweite Album <strong>von</strong> KAADA hört auf den Namen<br />
„Music For Moviebikers“ und besticht mal wieder<br />
durch ungewohnte, jedoch angenehme Sounds und Kompositionen.<br />
John Kaada hat ein 22-köpfiges Orchester um<br />
sich gescharrt, um die dreizehn Songs einzuspielen. Teilweise<br />
erinnern die Stücke schon an „Romances“, jenes Album,<br />
welches er mit Mike Patton komponiert und aufgenommen<br />
hat, doch muss ich sagen, dass mir „Music For Moviebikers“<br />
teilweise noch besser gefällt und einfach universeller<br />
„einzusetzen“ ist: sowohl in ruhigen, bedächtigen Momenten<br />
als auch während Autofahrten oder beim Arbeiten am<br />
Computer. Man höre nur „Mainstreaming“, „Julia Pastrana“<br />
oder „Celibate“ – genialer geht’s nimmer! KAADA muss<br />
man einfach erlebt haben und dann wird man die Musik<br />
lieben, sofern man sich mit Filmmusik oder klassisch angehauchten<br />
Stücken anfreunden kann. Graziös und über jegliche<br />
Klischees erhaben! (59:55) (9) Ross Feratu<br />
NEIL LEYTON<br />
The Betrayal Of The Self <strong>CD</strong><br />
Feedback Boogie | Wie gewöhnlich mit großen<br />
Ambitionen in Sachen guter abwechslungsreicher<br />
Musik zeigt sich Neil Leyton auf seinem<br />
neuen Werk „The Betrayal Of The Self“. Wenn ich<br />
l<br />
an „Midnight Sun“ oder „Blacklight Skies“ zurück<br />
denke, erscheint mir dieses Album fast wie<br />
ein „Best Of“. Natürlich mit neuen Stücken, aber es bringt<br />
die unermüdliche, leidenschaftliche Atmosphäre der vorigen<br />
Alben und vereinigt sich hier zu einem leckeren, saftigen<br />
Sandwich. Wir haben die punkmotivierten Nummern<br />
wie „The system is the system is the problem“ oder „Automatically“.<br />
Dann wieder diese Glamrock-Sachen, gekoppelt<br />
mit einer AT THE DRIVE IN-Attitüde. Dann hab ich ein<br />
Bild im Kopf wo er zusammen mit seiner derzeitigen Besetzung<br />
(Leute <strong>von</strong> AMEN, BLACK HOLES, Mike Monroe und<br />
SINISTERS) in glitzernden Kostümen mit den Gitarren diese<br />
Auf-und-ab-Bewegungen macht wie man es <strong>von</strong> SWEET<br />
oder STATUS QUO kennt. Alle 13 Lieder verfolgen das Ziel,<br />
sich gegenseitig zu schlagen, ein Wettkampf zwischen seinen<br />
nachdenklichen Balladen, den Pop/Rock-Nummern<br />
und den runtergeschrammelten Punk/Metal-Songs – wenn<br />
die anfangen, aufeinander los zu gehen, dann entsteht zum<br />
Beispiel „Alone/together“. Bei dem Stück meint man, einem<br />
knickt der Kopf nach hinten oder vorne weg, die Übergänge<br />
sind so spitze, es entstehen ungefähr 12 verschiedene<br />
auf „No Potential Threat“ veröffentlicht. Das war kurz nach<br />
Auflösung der Band. Zeit also für Captain Oi!, eben jene Singles-Collection<br />
erneut herauszubringen. Eine sehr löbliches<br />
Unterfangen wenn man bedenkt, dass die originalen Singles<br />
nur schwer, wenn überhaupt, zu bekommen sein dürften<br />
und die Band vielen Leuten, die klassischen englischen Oi!<br />
generell mögen, dennoch nichts sagt. (56:14) (7)<br />
Claudia Luck<br />
RAWSIDE<br />
Staatsgewalt <strong>CD</strong>+DVD<br />
Impact | Bei der <strong>CD</strong> handelt es sich um ein Reissue des Albums<br />
<strong>von</strong> 1997, welches komplett remastert wurde. RAW-<br />
SIDE dürften den meisten wohl als eine feste Größe der<br />
deutschen Hardcore-Szene bekannt sein, zumal sie ja seit<br />
ein paar Jahren wieder aktiv sind. <strong>Die</strong> Songs haben nichts<br />
<strong>von</strong> ihrer Kraft verloren und nichts an Relevanz. Obwohl ich<br />
sie seit langem nicht mehr gehört habe, gebe ich bei den<br />
teilweise englisch und deutsch gesungenen Texten letzteren<br />
immer noch den Vorzug. Allein schon, weil es im deutschsprachigen<br />
Hardcore in der jüngeren Geschichte des Genres<br />
kaum Besseres gab. Dazu gibt es noch mal 16 Songs, live aufgenommen<br />
in der aktuellen Besetzung 2005 beim „Good<br />
Night White Pride“-Festival in Schweinfurt. Und als Bonus<br />
eine Live-DVD mit 18 Tracks vom eben genannten Festival.<br />
Für Jüngere oder Zuspätgekommene unter euch ist dieses<br />
Package zum schmalen Preis meiner Meinung nach ein echtes<br />
Schnäppchen. Oliver Willms<br />
RIVER CITY TANLINES<br />
All 7 Inches Plus 2 More <strong>CD</strong><br />
dirtnaprecs.com | Alicja Trout ist ein irres Arbeitstier und<br />
hat in den letzten Jahren mehr Bands gehabt als so mancher<br />
grau gewordene Rock’n’Roller in seinem ganzen Leben:<br />
LOST SOUNDS, BLACK SUNDAY, DESTRUCTION UNIT,<br />
FITTS, MOUSEROCKET und wie sie alle hießen. Und eben<br />
RIVER CITY TANLINES, mit denen sie im September auch<br />
auf Europatour war. Unter diesem Namen hat sie zusammen<br />
mit Bassist Terrence (unter anderem RL Burnside, MR.<br />
AIRPLANE MAN) und Bubba John (der auch für RL Burnside<br />
trommelte) drei Singles aufgenommen, die wegen geringer<br />
Auflage <strong>von</strong> 300 bis 700 Stück natürlich längst ausverkauft<br />
sind, aber nun <strong>von</strong> Dirtnap auf <strong>CD</strong> wiederveröffentlicht<br />
wurden, ergänzt um drei neue, unveröffentlichte<br />
Tracks. Wer mit Alicja Trout kantige, ultranoisige Elektro-Punk-Nummern<br />
à la LOST SOUNDS verbindet, dürfte<br />
<strong>von</strong> RCT überrascht sein, denn – angesichts der Mitmusiker<br />
überrascht das allerdings nicht wirklich – hier gibt’s<br />
ganz basalen, knarzigen, angebluesten Rock’n’Roll mit teils<br />
recht sweeten Melodien: Alicja kann auch nett singem wenn<br />
sie will, siehe etwa das grandios betitelte „Bummer in the<br />
summer“. Alicja-Fans wissen, was sie bekommen, denke ich<br />
– die Dame ist wirklich eine Ausnahmeerscheinung in der<br />
Männerdomäne LoFi-Punkrock. (33:03) (8) Joachim Hiller<br />
RANTANPLAN<br />
Two Worlds At Once <strong>CD</strong><br />
Anagram | So langsam scheint das Material für Neuauflagen<br />
alter Psychobilly-LPs zu Neige zu gehen. Trotzdem<br />
richtig, alle LPs nach und nach erneut auf <strong>CD</strong> herauszubringen.<br />
RANTANPLAN aus Bremen (nicht zu verwechseln<br />
mit den Hamburger Ska-Punks) haben sich Anfang der 90er<br />
nur kurz in der Psychobilly-Szene aufgehalten und auch<br />
nur eine Platte veröffentlicht. <strong>Die</strong>se gibt es jetzt auch als <strong>CD</strong><br />
und das ist auch das einzig Erwähnenswerte. Musikalisch<br />
ist die Band nicht außergewöhnlich aufgefallen, ihr Sound<br />
war maximal durchschnittlich. <strong>Die</strong> Stimme des Sängers ist<br />
zum Teil sehr dünn, auch wenn nach Abwechselung gesucht<br />
wird. Hits sind nicht enthalten. (34:03) (4) Robert Noy<br />
Songs in einem. Neil Leyton ist bestimmt ein Künstler, der<br />
später als Einfluss für irgendwelche Bands gelten wird. Genauso<br />
muss eine Platte sein, du weißt sofort dass der Interpret<br />
mit ganzem Leib völlig dahinter steht, da gibt es nichts<br />
dran zu rütteln, genauso wollte er es haben. Martha Biadun<br />
LAMBCHOP<br />
Damaged <strong>CD</strong><br />
City Slang/Rough Trade | Es ist für mich schon zu einer Art<br />
Tradition geworden, seit dem 1994er Debüt „I Hope You’re<br />
Sitting Down“ jede neue LAMBCHOP-Platte zu besprechen<br />
und durchaus auch noch<br />
begeistert da<strong>von</strong> zu sein.<br />
Nach der Opulenz der<br />
letzten Platten hat Kurt<br />
Wagner seinen eigenwilligen<br />
Nashville-Country-<br />
Sound sehr zurück gefahren,<br />
was sich eher in Tempo<br />
und Lautstärke niederschlägt,<br />
denn die Instrumentierung<br />
scheint nicht<br />
weniger veredelt zu sein,<br />
was sich besonders an den<br />
eleganten Streicherarrangements<br />
zeigt. Doch hinter den warmen, emotional aufgeladenen<br />
Kompositionen Wagners stecken diesmal erstaunlich<br />
angespannte Geschichten, die hier allerdings eingebettet<br />
sind in ganz wundervolle Musik, selbst für LAMBCHOP-<br />
Verhältnisse. „Damaged“ ist dementsprechend eine Platte<br />
der leisen Höhepunkte, nachdenklich wie bedacht umgesetzt<br />
und auf den sympathischen Größenwahn vorheriger<br />
LAMBCHOP-Werke verzichtend. Was anfangs etwas unspektakulär<br />
wirkt, wobei der Opener „Paperback bible“ einen<br />
durchaus gekonnt mit der Gesamtatmosphäre der Platte<br />
vertraut macht, wächst mit jedem weiteren Hören aufgrund<br />
der generell sehr subtilen Umsetzung <strong>von</strong> Wagners<br />
Songwriting, der seine zahlreichen Mitmusiker sparsam<br />
aber pointiert einsetzt. Mit seinem neunten Album ist Wagner<br />
noch mal ein ganz großer Wurf gelungen, und das will<br />
was heißen, denn so richtig schlecht war bisher noch keine<br />
LAMBCHOP-Platte, wobei die tatsächliche Steigerung hier<br />
diesmal im Weglassen besteht. (9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
LAST CAUSE<br />
Life Vs. Tragedy <strong>CD</strong><br />
strivingfortogetherness.com | So schnell kann es manchmal<br />
gehen. Im Interview der letzten Ausgabe berichteten die<br />
vier sympathischen Jungs aus dem Drei-Länder-Eck noch<br />
<strong>von</strong> nie enden wollenden Aufnahmesessions zu ihrem Debütwerk<br />
... Okay, Spaß beiseite. Was lange währt, wird endlich<br />
gut. <strong>Die</strong> seit dem Jahre 2002 bestehende Band befand<br />
sich im Frühjahr 2005 in einer Art Vakuum, denn der langjährige<br />
Drummer hatte den <strong>Die</strong>nst quittiert und die Suche<br />
nach einem geeigneten Nachfolger sollte sich als weitaus<br />
schwieriger herausstellen als anfangs erhofft. So und nun<br />
zum Wesentlichen. Erschienen auf Strivingfortogetherness<br />
Records und mit ganzen 40:28 Min, verteilt auf 21 knackige<br />
Songs, bietet „Life Vs. Tragedy“, so der unmissverständliche<br />
Titel des Albums, die volle Breitseite Oldschool-Hardcore.<br />
Richtig gelesen, Oldschool und zwar nicht als platte Attitüde,<br />
um sich der „guten alten Zeit“ anzubiedern, sondern<br />
als ernsthafte Auseinandersetzung mit den musikalischen<br />
und textlichen Wurzeln dieses in der heutigen Zeit so oft<br />
falsch interpretierten Genres. Also denkt euch einfach ein<br />
bisschen guten alten Hardcore à la NA, BAD BRAINS, dazu<br />
die Geschwindigkeitsexzesse <strong>von</strong> PUSHEADs „Septic Death“<br />
und dann das Ganze mit Punkrock-Mentalität versehen und<br />
ihr wisst ungefähr, wo ihr den Sound der Band einordnen<br />
könnt. Ab und zu lassen sich auch mal ein paar Reminiszenzen<br />
an längst vergangene METALLICA-Zeiten erkennen. Ich<br />
meine auch, dass die „bösen Buben“ des New York Hardco-<br />
SHAI HULUD<br />
A Profound Hatred Of Man: Shrapnel Inc. <strong>CD</strong><br />
Hearts Once Nourished With<br />
Hope And Compassion <strong>CD</strong><br />
revelationrecords.com | „<strong>Die</strong> Liebe ist ein seltsames Spiel“,<br />
sang Connie Francis im Jahr 1960, und an der Richtigkeit<br />
dieser Aussage hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert.<br />
Deswegen ist es auch keineswegs<br />
inkonsequent,<br />
eine Band zu lieben, die<br />
wie SHAI HULUD „Love<br />
is the fall of every man“<br />
proklamiert. Besagter<br />
Song stammt <strong>von</strong> der ersten<br />
EP der Band aus dem<br />
Süden Floridas, und vor<br />
allem deren Titel („A Profound<br />
Hatred Of Man“)<br />
ist Ursprung einer immer<br />
wieder gerne geäußerten<br />
Fehlinterpretation. Denn<br />
Matt Fox, der Kopf der Band, ist keineswegs der Misanthrop,<br />
den viele in ihm sehen wollen – auch wenn er sich das<br />
auf seine Shirts drucken lässt. Das stellt allerdings nur fest,<br />
wer sich die Mühe macht, auch die düstersten Ecken seiner<br />
verschachtelten Songs nach ihrer wahren und lebensbejahenden<br />
Bedeutung auszuleuchten. Von wegen also „Solely<br />
concentrating on the negative aspects of life“, wie uns<br />
der Opener des ersten SHAI HULUD-Albums „Hearts Once<br />
Nourished With Hope And Compassion“ weismachen will,<br />
das nun neu abgemischt und gemastert sowie mit neuem<br />
Artwork wiederveröffentlicht wurde. Und wen das immer<br />
noch nicht vom Gutem in Matt Fox überzeugt, dem hat<br />
dieser in das dicke Booklet des zweiten Rereleases (mit allen<br />
EPs und Samplerbeiträgen, welche die Band je aufgenommen<br />
hat) ein schönes Zitat <strong>von</strong> Martin Luther King geschrieben:<br />
„Hatred paralyzes life; love releases it / Hatred<br />
confuses life; love harmonizes it / Hatred darkens life; love<br />
illuminates it“. Manchmal kann das mit der Liebe eben auch<br />
ganz einfach sein. <strong>Thomas</strong> Renz<br />
SEX PISTOLS<br />
Spunk <strong>CD</strong><br />
Castle/Sanctuary/Rough Trade | <strong>Die</strong> Geschichte der SEX<br />
PISTOLS ist ausführlichst dokumentiert und popkulturell<br />
komplett verwurstet worden, doch die Anzahl der Wahrheiten<br />
über die zwar nicht erste, aber doch bekannteste Punkband<br />
der Welt ist bis heute erstaunlich. Interessant ist rückblickend<br />
auf jeden Fall die Tatsache, dass die Band ihr erstes<br />
und einziges Album „Never Mind The Bollocks“ erst im Oktober<br />
1977 veröffentlichte, als nach Meinung vieler die erste<br />
Punkwelle <strong>von</strong> 1976 schon wieder abebbte. Zur Verzögerung<br />
hatte auf jeden Fall beigetragen, dass sich nach dem<br />
Rückzug <strong>von</strong> EMI und A&M erst Virgin als drittes Label bereit<br />
fand, das Album auch wirklich zu veröffentlichen. Und<br />
so besaßen die Hardcore-Fans zum Zeitpunkt der Veröffentlichung<br />
<strong>von</strong> „Never Mind The Bollocks“ nicht nur die<br />
Singles, sondern auch das „No Fun“- wie das „Spunk“-Album,<br />
beides Bootlegs, <strong>von</strong> denen ersteres <strong>von</strong> eher schlechter<br />
Qualität war, aber letzteres, im September 1977 unterm<br />
Ladentisch erhältlich, war da eine andere Liga. Hier<br />
fanden sich Studioaufnahmen <strong>von</strong> Juli und Oktober 1976<br />
sowie <strong>von</strong> Januar 1977, die noch mit dem Original-Bassisten<br />
Glen Matlock unter der Obhut <strong>von</strong> Dave Goodman entstanden<br />
waren. <strong>Die</strong>ses Bootleg erfährt nun eine Wiederveröffentlichung,<br />
und im Gegensatz zu unzähligen überflüssigen<br />
Live-<strong>CD</strong>s ist „Spunk“ ein begeisterndes Dokument der<br />
frühen, rauhen SEX PISTOLS vor dem Einstieg <strong>von</strong> Sid Vicious.<br />
<strong>Die</strong> Soundqualität der remasterten (und um drei Bonustracks<br />
aus den gleichen Sessions ergänzten) Aufnahmen<br />
ist ebenfalls erstaunlich gut, und so machen die frühen Ver-<br />
<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 075<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 75 22.09.2006 20:52:20 Uhr
Flight 13 Records<br />
gibt Gartentipps<br />
SONIC DOLLS<br />
- I´m a fl ower too - LP/<strong>CD</strong><br />
„Great Punkrock between<br />
Queers & Screeching Weasel!“<br />
unterwegs: 20.10. - muenster, fi eber-tanzparty<br />
(cubanova) 12.10. - como, milonga, italy / 11.10.<br />
- genova, alter ego, italy / 08.10. - livorno, marquee,<br />
italy / 07.10. - la spezia, scaletta, italy / 06.10.<br />
- milano, indian saloon, italy (tbc) / 05.10. - innsbruck,<br />
PMK, austria (w/ mugwumps)<br />
im Vertrieb <strong>von</strong> .biz<br />
rereleases<br />
sionen <strong>von</strong> Klassikern wie „No feelings“ (hier: „Feelings“),<br />
„Submission“, „Anarchy in the U.K.“ (hier: „Nooky“), „God<br />
save the Queen“ (hier: „No future“) „Pretty vacant“ (hier:<br />
„Lots of fun“) oder „Liar“ echt Spaß. Ein wichtiges Dokument,<br />
dessen Artwork das des Originals aufgreift und in dessen<br />
Booklet die Geschichte <strong>von</strong> „Spunk“ erläutert wird.<br />
(56:27) (8) Joachim Hiller<br />
SUBLIME<br />
Gold 2<strong>CD</strong><br />
Universal | Sie hätten riesig werden können, zu unangefochtenen<br />
Headlinern der großen Sommerfestivals, doch<br />
im Mai 1996, zwei Monate vor Erscheinen des dritten und<br />
titellosen Albums der 1988 gegründeten Formation aus<br />
Long Beach, starb Frontmann Bradley Nowell an einer Heroin-Überdosis<br />
– und die Band, die wie kaum eine andere<br />
vor ihnen rotzige Punk-Attitüde mit Reggae-Grooves, Ska-<br />
Rhythmen und Dub-Relaxtheit verbunden hatte, war Vergangenheit,<br />
ging in den LONG BEACH DUB ALLSTARS auf,<br />
die selbst 2001 aufgelöst und <strong>von</strong> LONG BEACH SHORT-<br />
BUS beerbt wurden. Wer bislang nichts <strong>von</strong> den Kiff-Punks<br />
SUBLIME besitzt, an wem selbst der Klassiker „40 OZ To<br />
Freedom“ bislang vorbeigegangen ist, der bekommt mit<br />
„Gold“ eine zwei <strong>CD</strong>s umfassende Zusammenstellung mit<br />
massiven 44 Songs, auf denen wirklich alles an Hits enthalten<br />
ist (unter anderem „Date rape“, „40 oz to freedom“,<br />
„Santeria“, „What I got“, „Wrong way“), digital remastert<br />
und zwar mit einem hässlichen Wühlkistencover („Gold“<br />
ist eine neue Rerelease-Serie <strong>von</strong> Universal), aber einem<br />
okaynen, informativen Booklet. Von daher. Ein okayner Deal<br />
für Neueinsteiger, für alte Fans aber überflüssig. (9)<br />
Joachim Hiller<br />
SOMELOVES<br />
Don’t Talk About Us – The Real Pop Recordings Of<br />
The Someloves 1985-89 2<strong>CD</strong><br />
Half A Cow | Wie oft hatte ich während meines ersten Winters<br />
hier in groovy old Melbourne town die „Something or<br />
other“-LP der SOMELOVES laufen lassen! Half A Cow Records<br />
haben jetzt noch mal die kompletten Aufnahmen dieses,<br />
nach einem REAL KIDS-Stück benannten Dom Mariani<br />
& Darryl Mather-Projektes als Doppel-<strong>CD</strong> herausgebracht.<br />
Disc One enthält die „Something or other“-LP in Originalgeschwindigkeit.<br />
Wie man in den Linernotes erfährt, hatten<br />
Mushroom Records sie bei Erscheinen 1989 leicht „upspeed“<br />
veröffentlicht. Disc Two ist eine Collection aller weiterer<br />
Tracks der vier Singles plus zwei Remixe. Zusätzlich<br />
dazu gibt es ein 36-seitiges Booklet, in dem nicht nur die<br />
kurze Existenz dieser Band via neuerer Interviews mit Mariani<br />
und Mather äußerst detailliert skizziert wird, sondern<br />
dass auch mit Fotos reich bebildert ist. Laut Linernotes wird<br />
„Something Or Other“ <strong>von</strong> einigen nicht weiter genannten<br />
Leuten heutzutage als eines der 10 besten Powerpop-<br />
Alben aller Zeiten angesehen. Darüber lässt sich vielleicht<br />
streiten, zumal die Hälfte der Songs nicht wirklich Powerpop<br />
ist, sondern eher Melodic Guitarpop. Nichtsdestotrotz,<br />
die meisten der Songs, sowohl die Stücke mit schnellerem<br />
Beat, wie zum Beispiel „Melt“, „Little town crier“, „Another<br />
happy ending“ oder „I didn’t mean that“ mit seinen Knockyou-out-Melodien<br />
und seinen herrlich schönen Refrains,<br />
als auch die ruhigeren, melancholischen Jangle-Pop-Nummern<br />
wie „How she loves“, „Forever a dream“ oder „I’m falling<br />
down“ haben den Pop Music-Fan sofort auf den Knien.<br />
Das sind einfach Melodien, die man für Wochen, Monate,<br />
Jahre im Ohr behält! Und Dom Marianis Stimme passt<br />
perfekt zum Sound. 1985 – während er noch Frontman bei<br />
076 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />
LONELY KINGS<br />
- end of forever - <strong>CD</strong><br />
“Killer Punkrock from Santa<br />
Cruz - their fourth Album”<br />
on tour: 03.10. - Aachen, AZ / 04.10. - Saarbrücken,<br />
Garage / 05.10. - Darmstadt, Oetinger Villa /<br />
06.10. - München, Feierwerk e.V. / 07.10.<br />
Schweinfurt / 08.10. Würzburg / 09.10. - Saarbrücken,<br />
Garage / 10.10. - Regensburg, Alte Mälzerei<br />
/ 11.10.- Zwiesel, Jugendcafe / 12.10. - Leipzig,<br />
Conne Island / 13.10. - Berlin, Wild At Heart / 15.10. - Bonn, KULT 41 /<br />
16.10. - Hannover, Bei Chez Heinz / 17.10. - Bremen, Schlachthof / 18.10.- Bingen,<br />
JuZ im Vertrieb <strong>von</strong> cargo-records.de<br />
Flight 13 Records | Nordstr. 2 | D-79104 Freiburg<br />
Fon ++49 (0)761 208 99 0 | www.fl ight13.com<br />
den 60s Garageheads THE STEMS war – startete er zusammen<br />
mit Darryl Mather (ex-LIME SPIDERS, später ORAN-<br />
GE HUMBLE BAND) und einigen Gastmusikern, unter anderem<br />
Christian Houllemare (HAPPY HATE ME NOTS),<br />
Gary Chambers (THE STEMS), Bill Gibson (THE EASTERN<br />
DARK) und dem Amerikaner Mitch Easter (LET’S ACTIVE),<br />
der neben Gitarren-Overdubs auch für die Produktion zuständig<br />
war, diese, als reines Studioprojekt gedachte Guitarpop-Band.<br />
Da Darryl Mather nicht bereit war, die in Australien<br />
erfolgreiche Platte durch eine Tour weiter zu promoten,<br />
kam es zu keinem weiteren Deal mehr mit dem Major<br />
Mushroom Records und die Band war kurze Zeit später<br />
Geschichte. Dom gründete darauf DM3. Auf der zweiten<br />
<strong>CD</strong> befindet sich neben allen hervorragenden Single-B-<br />
Seiten der Titeltrack „Don’t talk about us“, ein klassisches,<br />
24-Karat-Powerpop-Juwel, das auch auf der hervorragenden<br />
„Do The Pop!“-Compilation auf Shock Records zu finden<br />
ist. „The Real Pop Recordings Of The Someloves 1985-<br />
89“ ist durchgängig zeitlos schöner, melodischer Guitar-/<br />
Powerpop. (83:04) (10) Matt Henrichmann<br />
SEEIN’ RED<br />
Workspiel <strong>CD</strong><br />
coalition-records.com | Warum die nicht ganz frische SEE-<br />
IN’ RED, „Workspiel“, gerade jetzt in meinem Postkasten<br />
landet, ist mir nicht ganz klar, aber egal: SEEIN’ RED sind<br />
die Nachfolgeband <strong>von</strong> LÄRM, die sich Ende der Achtziger<br />
auflösten. Waren LÄRM für ihren kompromisslosen Stop-<br />
And-Go-Thrash bekannt (siehe auch: TH’ INBREAD: Too<br />
Much Hardcore For Breakfast: „7:30 in the morning, stereo<br />
rocks, LÄRM blows off my socks ...“), wandten sich SEEIN<br />
RED zunächst mehr in die Washington, D.C./Dischord-Ecke<br />
und sind, im Vergleich zu heute, auf „Workspiel“ verdammt<br />
melodiös und langsam. Okay, natürlich nur, wenn du EU-<br />
ROPE nicht für harte Musik hältst. Musikalisch gibt es dann<br />
hier auch diese D.C.-typischen sperrigen Songs, wie sie auch<br />
MINOR THREATgespielt haben, die wohl am ehesten zum<br />
Vergleich taugen. Was SEEIN’ RED aber <strong>von</strong> oben genannter<br />
Szene unterscheidet, ist der offensichtliche politische<br />
Anspruch, sind doch SEEIN’ RED zumindest bei der Erstveröffentlichung<br />
<strong>von</strong> „Workspiel“ 1993 bekennende Kommunisten<br />
gewesen, haben sich aber heute <strong>von</strong> Parteipolitik<br />
wieder verabschiedet. Enthält noch die „Seein’ Red“- und<br />
die „It Takes Three To Fuck Up Shit“-7“s. Gehört in jede<br />
Plattensammlung. (54:29) (8) Dr. Oliver Fröhlich<br />
DONA DUMITRU SIMINIC<br />
Sounds From A Bygone Age Vol. 3 <strong>CD</strong><br />
Asphalt Tango/Indigo | In der <strong>CD</strong>-Reihe „Sounds From A<br />
Bygone Age“ veröffentlicht das Berliner Asphalt Tango Label<br />
in Abständen selten Aufnahme mit Musik aus Osteuropa.<br />
Bei Dona Dumitru Siminic handelt es sich um einen Sänger<br />
aus Rumänien, der mit einer unnachahmlichen Falsettstimme<br />
in Gartenlokalen und Restaurants auftrat. In den 50er<br />
Jahren begann Siminic mit den ersten Aufnahmen für das<br />
Radio. Siminic wurde im Studio nicht nur <strong>von</strong> berühmten<br />
Lautarimusikern wie den Bebe-Brüdern begleitet, es passierte<br />
auch, dass zum Beispiel ein fehlender Bassist einfach<br />
aus der nächsten Kneipe geholt wurde. <strong>Die</strong> 13 Titel auf diesem<br />
Album stammen allesamt aus den frühen 60er Jahren.<br />
Begleitet <strong>von</strong> Cymbalon (ein Hammerklavier), Akkordeon<br />
und Bass singt Siminic den Blues aus den Vororten, um den<br />
Einsamen Trost zu spenden, die Wunden der Liebeskranken<br />
zu kühlen und die frisch Verliebten schon auf das Ende der<br />
Liebe einzustimmen. Durch seine eindringliche Stimme erhält<br />
die ohnehin schon virtuose Roma-Musik eine ganz besondere<br />
Note. Wenn man sich einmal auf diese androgyne<br />
Stimme eingelassen hat, dann lässt sie einen nicht mehr los,<br />
und ich beginne zu verstehen, warum dieser Mann im Maßanzug<br />
und sorgsam gestutzten Oberlippenbart mit seinem<br />
Gesang so viele weibliche Fans betörte. <strong>Die</strong> Gäste in den Bu-<br />
re ihre Spuren im Soundgewand der Band hinterlassen haben.<br />
Und das vor allem textlich keine Gefangenen gemacht<br />
werden, sollte dieses kleine Beispiel verdeutlichen: „Think!<br />
Be yourself / Don’t do what the others do / And break out<br />
of all those self imposed chains and clichés that bind us /<br />
I don’t want to live like you / Crawl like cattle stupid and<br />
screwed / Light the Match and fire it up ( Burn the bridges<br />
you have passed“ („Fight song no. 1“). Also keine Anbiederung<br />
an irgendwelche künstlich erzeugten Trends, emotionale<br />
Wichtigtuereien oder eventuelle politische Ideale.<br />
Ganz einfach Straight-to-your-face-Hardcore. Rein optisch<br />
präsentiert sich die <strong>CD</strong> im schicken Design, für das der Mastermind<br />
der Band, Don Schmighty, höchst persönlich verantwortlich<br />
zeichnet. Auch die hin und wieder mal vor und<br />
nach den einzelnen Songs platzierten „Spoken Words“ aus<br />
diversen Filmen und Soundsequenzen runden die ganze Sache<br />
angenehm ab. Ganz im Sinne des Oldschool Spirit misst<br />
der längste Song gerade mal 2:22 Min. Als Anspieltipps seien<br />
an dieser Stelle „OJ a.k.a Shithead“, „The force“ und „Whole<br />
lotta pennies“ genannt. Also wer auf kompromisslosen Oldschool-Hardcore<br />
mit leichter Metalkante und Punkroots<br />
steht, der sollte sich vertrauensvoll an das Label der Band<br />
wenden. Oder ihr surft mal zur Heimatseite der Jungs unter<br />
thatsyourlastcause.de. Ihr wisst, was zu tun ist! (40:28) (7)<br />
Lars Weigelt<br />
LEFT ALONE<br />
Dead American Radio <strong>CD</strong><br />
hell-cat.com/SPV | Das 2005 erschienene LEFT ALONE-<br />
Album „Loney Starts And Broken Hearts“ war nicht mehr<br />
als durchschnittlich. Zu ideenlos wirkte der Streetpunk<br />
der Band, zu sehr nach RANCID-Kopie klangen Sänger Elvis<br />
Cortez und seine Wegbegleiter. Nun, es hat sich einiges<br />
getan im Hause Cortez und der LEFT ALONE-Hauptsongwriter<br />
hat mit „Dead American Radio“ ein Album geschrieben,<br />
das ich in dieser Form nicht erwartet habe. Sicher, man<br />
hört auch hier sehr viele Streetpunk-Einflüsse, bei Songs<br />
wie dem Opener „The sinner“ und „Done wrong“ erinnert<br />
man erneut an RANCID. Eine eingesetzte Hammondorgel in<br />
„Every night“, die Ska-Einflüsse in „4 weeks“, das auf Spanisch<br />
gesungene „La pregunta“ und die Country-Strecken<br />
in „Waiting for you“ sowie „Every night“ sorgen aber für<br />
wohltuende Abwechslung auf dem Album. LEFT ALONE ist<br />
es gelungen, Einflüsse aus Ska, Rock und Country in ihren<br />
schnodderig-schönen Punkrock zu integrieren. <strong>Die</strong>ses Album<br />
zeigt, dass LEFT ALONE nicht mehr nur RANCID nacheifern,<br />
sondern eigene, hohe Songwriter-Qualitäten besitzen.<br />
Für Fans vieler Stile interessant und für mich eine DER<br />
Überraschungen im Jahr 2006. Bravo! (43:58) (8)<br />
Lauri Wessel<br />
LENINGRAD<br />
Helb <strong>CD</strong><br />
eastblokmusic.com | LENINGRAD kommen aus St. Petersburg<br />
und das liegt bekanntlich im ehemaligen Russland.<br />
Und um dort aufzufallen, beziehungsweise immer<br />
noch anzuecken, gehört schon Einiges dazu. Sänger Shur<br />
bedient sich dabei einer Sprache, die sich „Mat“ nennt und<br />
fast ausschließlich aus ständig neu gebildeten und erfundenen<br />
Schimpfwörtern zusammensetzt. Zahlreiche Auftrittsverbote<br />
und Repressionen seitens der Behörden waren und<br />
sind die Folge. Erfolg haben sie trotzdem, denn sie sprechen<br />
aus, was manche Menschen dort nur im stillen Kämmerchen<br />
zu denken wagen. Ihre Musik speist sich aus den verschiedensten<br />
Quellen, ist traditionell und gleichzeitig sehr<br />
modern. Ein wirklich atemberaubendes Gebräu aus traditionellen,<br />
folkloristischen Elementen, Ska, Punkrock und sogar<br />
Rap. Stürmische Spielfreude ist dabei immer garantiert,<br />
denn mit zur Zeit 15(!) Musikern auf der Bühne kommt nie<br />
wirklich Langeweile auf, und dass russische Partys immer<br />
irgendwie anders sind und es dabei auch ausschweifender<br />
zugeht, dürfte allen bekannt sein. Wenn Partymusik mit un-<br />
karester Gartenlokalen und Restaurants hingen an seinen<br />
Lippen, die Tische füllten sich, die Gläser mit Wein oder Tuica<br />
leerten sich und die Kassen der Besitzer klingelten. Leider<br />
wurde sein Tod Anfang der 80er Jahre nirgends registriert,<br />
sein Leben nahm ein unrühmliches Ende. Mit dieser Veröffentlichung<br />
ist dem Label jedenfalls wieder ein ganz großer<br />
Wurf gelungen. (54:23) (8) Kay Wedel<br />
SUNNY DOMESTOZS<br />
The Complete <strong>CD</strong><br />
Built For Speed | Im Zuge der kleinen Psychobilly-Wiederbelebung<br />
sind auch SUNNY DOMESTOZS in diesem<br />
Jahr wieder auf den Bühnen der Republik aufgetaucht. Sie<br />
waren eine der ersten Psychobilly-Bands in Deutschland<br />
und durch die Zusammenarbeit mit Götz Alsmann sind sie<br />
auch nach ihrem Split vielen in Erinnerung geblieben. Auf<br />
dieser Zusammenstellung sind alle Tracks aus den 80ern<br />
enthalten, plus zwei Live-Aufnahmen vom ersten Konzert<br />
1985. Sehr schön die Ansage zu „Blitzkrieg bop“. Der Song<br />
wird auf dem Konzert zum zweiten Mal gespielt. So ist das<br />
halt, wenn man noch nicht so viele Tracks im Repertoire<br />
hat. <strong>Die</strong>se beiden Tracks sind dann auch neben der Aufmachung<br />
als Digipak die einzigen Unterschiede zur bereits früher<br />
erschienenen Version dieser Zusammenfassung. Ich bin<br />
nur gespannt, ob es bald auch Neues <strong>von</strong> der Band zu hören<br />
gibt. <strong>Die</strong> Rückkehr auf die Bühne wird ja wohl nicht alles<br />
gewesen sein. (6) (60:00) Robert Noy<br />
SUNNYBOYS<br />
This Is Real – Singles/Live/Rare 2<strong>CD</strong><br />
feelpresents.com | Dank Tim Pittman, Feel Presents-Betreiber<br />
und großer Fan der SUNNYBOYS, ist jetzt diese Zusammenstellung<br />
<strong>von</strong> Single-Tracks der in Europa unbekannt<br />
gebliebenen, in Australien aber Anfang der Achtziger<br />
aber sehr erfolgreichen Band erschienen. Drei Alben („s/t“,<br />
1981; „Individuals“, 1982; „Get Some Fun“, 1984) nahm<br />
die Band um die Brüder Jeremy und Peter <strong>Ox</strong>ley zwischen<br />
1980 und 1984 auf, und ein interessantes biografisches Detail<br />
ist, dass in der Frühphase ein gewisser Rob Younger mal<br />
an der Gitarre aushalf, auch wenn der damals gerade neunzehnjährige<br />
Frontmann Jeremy ihm zuvor gestanden hatte,<br />
RADIO BIRDMAN nicht zu kennen. Vom australischen<br />
Rockmagazin Blunt wurde ihr Debüt unlängst zu einer der<br />
zehn besten einheimischen Platten aller Zeiten gekürt, steht<br />
da also wahrscheinlich zusammen mit AC/DC, EASYBEATS,<br />
SAINTS, THE CHURCH, RADIO BIRDMAN und ähnlichen<br />
Verdächtigen, und ihr Sound, wie ihn diese Doppel-<br />
<strong>CD</strong> dokumentiert, ist wirklich zeitlos, wunderschöner Gitarrenpop<br />
mit einer gewissen SAINTS-Note, irgendwie typisch<br />
australisch, stellenweise an THE CHURCH und HAP-<br />
PY HATE ME NOTS erinnernd, alles andere als offensichtlich<br />
„kommerziell“ und vor allem frei <strong>von</strong> jeglichen New<br />
Wave-Spielereien, was ja angesichts der damaligen Mode<br />
nicht selbstverständlich ist. Während sich auf der ersten Disc<br />
hier Singletracks sowie rare und unveröffentlichte Nummern<br />
finden, gibt’s auf der zweiten Liveaufnahmen aus den<br />
Jahren 1981/82. Ein guter Einstieg in die Welt der SUN-<br />
NYBOYS, die zuletzt 1998 ein kurzes Konzert spielten: Eine<br />
große Leistung für Sänger und Songwriter Jeremy, der schon<br />
vor dem Ende der Band 1984 an Schizophrenie erkrankt<br />
war und der heute ein zurückgezogenes Leben führt. (7)<br />
Joachim Hiller<br />
TEXAS TERRI & THE STIFF ONES<br />
Eat Shit + 4 LP/<strong>CD</strong><br />
peoplelikeyou.de | Liebe Texas Terri, wie wäre es eigentlich<br />
mal wieder mit einen neuen Album, statt das Debüt <strong>von</strong><br />
1998 zum mittlerweile fünften Mal zu recyclen? Im Ernst,<br />
mittlerweile ist die Scheibe (diesmal um drei Extra-Tracks<br />
sowie ein Video ergänzt) auf dem fünften Label erschienen,<br />
war aber auch länger nicht mehr erhältlich. Und die Schei-<br />
verkrampften und sozialkritischen Texten, dann diese hier!<br />
Als Bonus gibt es noch ein sehr lustiges Animationsvideo<br />
mit frischen und gebratenen Hähnchen. (7) Carsten Vollmer<br />
LAIBACH<br />
Volk <strong>CD</strong><br />
mute.com | Oh ja, LAIBACH sind begnadete Zitierer und<br />
Verwurster, versiert wie keine andere Band im Interpretieren<br />
und Modifzieren, und weil sie sich noch nie <strong>von</strong> irgendwem<br />
in ihrer Kreativität<br />
haben einschränken<br />
lassen, mussten sie es<br />
sich gefallen lassen, sowohl<br />
als extreme Linke<br />
wie als Faschisten bezeichnet<br />
zu werden. Besonders<br />
gut gefallen hat<br />
mir übrigens ein Zitat <strong>von</strong><br />
Sänger Milan Fras zu dieser<br />
Anschuldigung: „Wir<br />
sind so viel Faschisten<br />
wie Hitler ein Maler war.“<br />
Nun, mit diesem Album,<br />
auf Deutsch „Volk“ betitelt, liefern sie all jenen da draußen,<br />
deren Beißreflexe besonders simpel strukturiert sind, neues<br />
Futter – und das sicher mit grimmiger Freude. Für „Volk“<br />
haben LAIBACH sich 14 Nationalhymnen vorgenommen<br />
und sie als Meister der verfremdenden Coverversion in ihrem<br />
ureigenen, düsteren Stil neu eingespielt, teils mit englischen<br />
Übersetzungen des Textes, und das Ergebnis ist immer<br />
wieder verstörend, gerade was „Germania“ anbelangt,<br />
denn direkt zum Einstand wird das „Lied der Deutschen“<br />
inklusive der Zeile „über alles in der Welt“ angestimmt –<br />
da schluckt man schon mal kurz. „Anglia“ basiert dann auf<br />
der englischen Hymne „God save the Queen“, „Francia“ auf<br />
der Marseillaise, „America“ auf der US-Hymne, „Rosiya“<br />
auf der Internationalen, „Yisra’el“ auf der des Staates Israel<br />
und so weiter. Auch die Hymnen der Türkei, Japans, Sloweniens<br />
– und des bandeigenen Staates NSK sind vertreten.<br />
LAIBACH setzen hier einmal mehr ihre Faszination für nationalistischen<br />
Pathos in ihre Kunst um, was sich im offiziellen<br />
Statement zur Albumveröffentlichung so liest: „On<br />
this album, Laibach have uncovered a common ground linking<br />
the nations, a shared patriotic sentiment based around<br />
the bloody and violent foundations of nation which here,<br />
can be heard in the lyrics and pomp of the largely hymnal<br />
tracks. By reinterpreting the music and translating the lyrics<br />
of each anthem, the band have not only shown us this<br />
common ground, they have also offered up a very pertinent<br />
comment on today’s political situation and a warning<br />
for future generations.“ <strong>Die</strong> Förderung <strong>von</strong> Nationalismus<br />
ist also mitnichten Ziel dieser musikalisch höchst reizvollen<br />
Neueinspielungen (für die womöglich besonders kranke<br />
Patridioten der Band Sanktionen androhen, man kennt<br />
solches Pack ja), sondern die Beschäftigung mit seinen Wurzeln.<br />
<strong>Die</strong> finale Version des Albums (mir liegt nur eine Vorab-Promoversion<br />
vor) wird in einer limitierten Version als<br />
Hardcover-Buch erscheinen, mit ausgiebigen Linernotes<br />
(hier finden sich nur Auszüge, die weltweite Dominanz des<br />
Englischen betreffend). Ein verstörendes wie faszinierendes<br />
Album. Auf dem Cover sind übrigens Schafe zu sehen ...<br />
(58:28) (9) Joachim Hiller<br />
LOS NATAS<br />
El Hombre De Montana <strong>CD</strong>/LP<br />
Small Stone | Nach dem experimenteller angelegten „München<br />
Sessions“-Album <strong>von</strong> LOS NATAS (das 2004 an einem<br />
Tag eingespielte Doppelalbum mit grade mal 8 Tracks) legen<br />
die argentinischen Psychedelic-Stoner-Rocker wieder ein<br />
„normales“ Album vor: elf Songs, denen man auch anhört,<br />
dass mehr Arbeit als nur ein Tag Jam-Session dahintersteckt.<br />
Einige Riffs rocken ordentlich dahin, dazwischen verlieren<br />
be ist auf jeden Fall ein Klassiker, einen Tick bissiger als der<br />
vor zwei Jahren erschienene Nachfolger „Your Lips ... My<br />
Ass!“, ein rotzig-aggressives L.A.-Punk-Album auf den Spuren<br />
<strong>von</strong> LEGAL WEAPON, mit einer außergewöhnlichen<br />
Frontfrau, deren rauhes Organ zum offensiven Auftreten<br />
bestens passt. Wer die Platte bislang noch nicht besitzt, sollte<br />
unbedingt zugreifen. (53:05) (8) Joachim Hiller<br />
TODAY IS THE DAY<br />
Temple Of The Morning Star <strong>CD</strong><br />
relapse.com | Mit ihrem vierten Album „Temple Of The<br />
Morning Star“ waren die aus Nashville, TN stammenden<br />
TODAY IS THE DAY um Obersicko Steve Austin 1997 zu Relapse<br />
gewechselt, nachdem ihre Platten bis dahin auf dem<br />
legendären Amphetamine Reptile-Label erschienen waren,<br />
für dessen Sound sie DIE prägende Band waren. Mit Relapse<br />
freilich hatten sie eine neue Heimat gefunden, die genauso<br />
gut zu ihnen passt, auch wenn hier oft eher metallische<br />
Sounds im Vordergrund stehen und nicht der eher aus<br />
dem Punkrock stammende Psycho-Noise, den AmRep seinerzeit<br />
propagierte. Das Album mit dem grandiosen Coverartwork<br />
(Spermien schwimmen auf ein Pentagramm<br />
zu) steht für mich in eindeutiger BUTTHOLE SURFERS-<br />
Nachfolge, in der Tradition <strong>von</strong> SCRATCH ACID/JESUS LI-<br />
ZARD, aber auch SONIC YOUTH und NEUROSIS, und wenn<br />
der Infozettel hier den Hinweis „For Fans of: CONVERGE,<br />
STRAPPING YOUNG LAD, DILLINGER ESCAPE PLAN“ enthält,<br />
ist das eine gewisse Verdrehung der Tatsachen: All diese<br />
Bands haben sich im Zweifelsfall <strong>von</strong> TITD beeinflussen<br />
lassen, nicht andersherum. Ein massives Album, das zwischen<br />
atmosphärischen Parts und extrem noisigen, lauten<br />
Passagen pendelt, das dominiert wird <strong>von</strong> Austins oft verzerrtem,<br />
übersteuertem Gesang und das mit konventionellen<br />
Rockmusik-Strukturen (oder gar Metal-Klischees) rein<br />
gar nichts zu tun hat. Ein wichtiges Album einer herausragenden,<br />
zum Glück immer noch aktiven Band. (57:10) (8)<br />
Joachim Hiller<br />
WALTARI<br />
Early Years 2<strong>CD</strong><br />
nordic-notes.de/Broken Silence | Ich muss zugeben, dass<br />
ich Anfang der Neunziger eine Schwäche für WALTARI und<br />
ihren komischen Mischmasch aus Punkrock, Metal, Alternativerock,<br />
HipHop, Elektronik und wer weiß was noch alles<br />
und vor allem für ihr 94er Album „So Fine!“ hatte. Danach<br />
schwand mein Interesse für die Musik der Finnen und<br />
ab 1997 habe ich sie komplett aus den Augen verloren. Ihr<br />
Konzept, unterschiedlichste Musikstile gleichberechtigt<br />
miteinander zu vermischen, hatte sich spätestens da auch<br />
überholt, neue Impulse konnten sie nicht mehr setzen. Als<br />
WALTARI 1986 anfingen, sah das anders aus, war ihr eigenwilliger<br />
Ansatz, sich an Musikstilverschmelzung zu versuchen,<br />
noch neu und aufregend. Schön, dass „Early Years“<br />
jetzt die Möglichkeit bietet, das nochmals nachzuvollziehen,<br />
denn die Doppel-<strong>CD</strong> umfasst das Debütalbum „Monk<br />
Punk“ <strong>von</strong> 1991, die schon mal 1993 erschienene, diverse<br />
Single- und EP-Tracks sowie bis dato unveröffentlichte<br />
Songs zusammenfassende Compilation „Pala Leipää – Ein<br />
Stückchen Brot“ sowie zehn Songs aus der frühsten Phase<br />
der Band. <strong>Die</strong> wurden zwar Anfang 2006 aufgenommen,<br />
allerdings in der Originalbesetzung, als WALTARI noch ein<br />
Trio waren und – es mag an der Freude an der Reise in die<br />
eigene Vergangenheit liegen – die zwanzig Jahre Differenz<br />
sind nicht wirklich zu hören. WALTARI waren damals zwar<br />
noch um einiges rauher, simpler und auch punkrockiger als<br />
zu ihrer Hochzeit Mitte der Neunziger, ihr unverwechselbarer<br />
Stil und ihr Hang zur musikalischen Nichtlimitierung<br />
aber schon deutlich. Doch, „Early Years“ macht viel Spaß, ist<br />
es eventuell ja auch eine Reise in die eigenen frühen Jahre.<br />
(8) André Bohnensack<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 76 22.09.2006 20:52:28 Uhr
sich die drei Musiker aber auch auf „El Hombre De Montana“<br />
in langen Soli, die immer wieder <strong>von</strong> diesem seltsam<br />
hypnotisierenden Gesang unterbrochen werden. Und nach<br />
dem Ende des Songs greift dann das nächste Riff an, um in<br />
den darauf folgenden Minuten wieder irgendwo verloren<br />
zu gehen, bis die Sache ohne überwältigende Höhepunkte<br />
durchgespielt ist. Wie schon das 2002er Album „Corsario<br />
Negro“ hat diesmal auch wieder Billy Anderson produziert,<br />
der schon bei CATHEDRAL, ALABAMA THUNDERPUSSY,<br />
den MELVINS, diversen Mike-Patton-Projekten oder dem<br />
zweiten NEUROSIS-Album mitgemischt hat. Eine runde<br />
Sache für gemütliche Herbstabende. (58:15) (6)<br />
Simon Loidl<br />
LUCKY PUNCH<br />
Join Our Cruise <strong>CD</strong><br />
Punchin Productions | Eine fleißige Truppe sind sie auf alle<br />
Fälle, die vier Münchner <strong>von</strong> THE LUCKY PUNCH: nicht nur<br />
dass mit „Join Our Cruise“ nicht mal zwei Jahre nach ihrem<br />
Debütalbum „Kick Up A Hullabaloo“ bereits der zweite<br />
Longplayer herausgekommen ist, haben sie im Dezember<br />
letzten Jahres eine mehrwöchige China-Tournee absolviert.<br />
Dass THE LUCKY PUNCH tatsächlich – wie sie selbst behaupten<br />
– die „erste deutsche Band“ sind, die China gerockt<br />
hat, bezweifle ich zwar, aber lassen wir ihnen ihren Stolz.<br />
Musikalisch liefert das Quartett entspannten, gutgelaunten<br />
Rock, gemütliche Riffs, launige Soli – und hin und wieder<br />
eine einschmeichelnde Hammondorgel oder Mundharmonika.<br />
Sehr 70er Jahre, sehr schön. Supports für MOTÖR-<br />
HEAD, HELLACOPTERS und andere Rockgrößen runden<br />
den Lebenslauf ab. <strong>Die</strong> <strong>CD</strong> gibt’s übrigens als „China Edition“<br />
mit entsprechenden Schriftzeichen neben den englischen<br />
Songtiteln sowie einem „China Edition Bonus Track“ – ob es<br />
auch eine andere Variante als die „China Edition“ gibt, darüber<br />
schweigen sich die vermarktungstechnisch nicht unschlauen<br />
LUCKY PUNCH freilich aus. (47:52) (7)<br />
Simon Loidl<br />
JOE LALLY<br />
There To Here <strong>CD</strong><br />
Dischord/Alive | Der Name Joe Lally erzeugt durchaus eine<br />
gewisse Erwartungshaltung, schließlich spielt der Mann seit<br />
1987 Bass bei FUGAZI, die sich ja gerade offenbar eine Auszeit<br />
genommen haben. Ähnlich wie bei Ian MacKayes Nebenprojekt<br />
THE EVENS darf man hier allerdings nicht allzu<br />
viel FUGAZI-ähnliches erwarten. Lally singt und spielt<br />
Bass, und zu dieser minimalistischen Basis gesellen sich ein<br />
paar mal mehr, mal weniger ausgeprägte rhythmischere Aspekte,<br />
was an Mike Watts Doppel-Bass-Projekt DOS zusammen<br />
mit Ex-Frau Kira Roessler erinnert. Bei allzu oberflächlicher<br />
Betrachtung gehen die Feinheiten der Platte allerdings<br />
etwas unter, denn ihre hypnotischen Qualitäten<br />
entfalten sich erst bei intensiverem Hören, ansonsten wird<br />
man „There To Here“ eher als langweilig und monoton erfahren,<br />
was die Platte aber nun mal nicht ist. Zumal Lally<br />
hier scheinbar auch noch ohne Ende Musiker-Prominenz<br />
aus dem Dischord-Umfeld ins Studio geladen hat, wie Ian<br />
MacKaye, Amy Farina, Jerry Busher, Guy Picciotto oder Eddie<br />
Janney. Eine stille, aber keinesfalls schlechte Platte (mit<br />
einem wirklich wunderschönen Covermotiv), auch wenn<br />
FUGAZI-Fans hier vielleicht etwas enttäuscht sein könnten.<br />
(7) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
LATTERMAN<br />
... We Are Still Alive <strong>CD</strong><br />
deepelm.com | Auch mit ihrem dritten Album in vier Jahren<br />
sind LATTERMAN aus Long Island, NY sich selbst treu<br />
geblieben, kombinieren sie treibenden, lauten Punkrock<br />
mit dem für sie typischen, sich oft in den oberen Stimmlagen<br />
bewegenden mehrstimmigen Gesang. Da wird jeder<br />
zweite Song zur Hymne, sieht man die ersten fünf Reihen<br />
eines Konzertes in einem kleinen D.I.Y.-Club vor sich, die<br />
WARPIG<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
relapse.com | Relapse scheinen durch den Rerelease uralter<br />
PENTRAGRAM-Klamotten angefixt worden zu sein, mehr<br />
altes Zeug obskurer Hardrock-Bands aus den Siebzigern zu<br />
veröffentlichen. Das Debütalbum der Kanadier WARPIG erschien<br />
ursprünglich 19<strong>69</strong> auf Fronthill Records und wurde<br />
dann nochmals 1970 außerhalb Kanadas auf London Records<br />
veröffentlicht. Im direkten, gar nicht mal so unpassenden,<br />
Vergleich mit PENTAGRAM lassen sich bei WAR-<br />
PIG aber mehr Einflüsse des Psychedelic Rocks heraushören<br />
(das Zeitalter der Hippies war ja auch noch nicht vorbei)<br />
und man hatte eine Menge gemeinsam mit den beinahe<br />
gleichzeitig startenden, aber um einiges erfolgreicheren<br />
DEEP PURPLE. <strong>Die</strong> Verwendung <strong>von</strong> einer stark im Vordergrund<br />
stehenden Orgel in beiden Bands mag dafür verantwortlich<br />
sein, WARPIG griffen darüber hinaus aber auch zu<br />
einem Cembalo, was in Verbindung mit den furztrockenen<br />
Gitarren verdammt cool klingt. Überhaupt waren WARPIG<br />
ziemlich lässig und groovig, verloren sich nie in endlosen<br />
Dudelparts und behielten trotz einer gewissen Verspieltheit<br />
immer den Song an sich im Auge. Unvergänglich gute Musik<br />
eben, aus einer Zeit, in der Hardrock noch spannend und<br />
aufregend war und nicht stellvertretend für Lahmarschigkeit<br />
und Klischee stand. Wer bei der Nennung <strong>von</strong> Bands<br />
wie LED ZEPPELIN, BLUE ÖYSTER CULT und eben DEEP<br />
PURPLE nicht sofort die Beine in die Hand nimmt, sollte<br />
WARPIG mal eine Chance geben. Nach anfänglichen Zweifeln<br />
bin ich mittlerweile ziemlich begeistert <strong>von</strong> WARPIG,<br />
die angeblich gerade daran arbeiten, das damals nie beendete<br />
zweite Album nach über dreißig(!) Jahren fertig zu stellen.<br />
(8) André Bohnensack<br />
X-RAY SPEX<br />
Let’s Submerge – The Anthology 2<strong>CD</strong><br />
Castle/Sanctuary/Rough Trade | Einer der großen Klassiker<br />
des britischen 77-Punkrocks ist das „Germ Free Adolescents“-Album<br />
<strong>von</strong> X-RAY SPEX mit seinem prägnanten<br />
Cover, in dem die fünf Bandmitglieder in knallbunter<br />
Kleidung in überdimensionalen Reagenzgläsern steckend<br />
zu sehen sind. Poly Styrene, ihre Frontfrau, war neben VICE<br />
SQUADs Beki Bondage, Ari <strong>von</strong> den SLITS und Siouxsie eine<br />
der wenigen weiblichen Punk-Ikonen und prägte mit ihrer<br />
heiseren, markanten Stimme das Genre des „female fronted“<br />
Punkrocks. Dabei dauerte die „Karriere“ <strong>von</strong> X-RAY<br />
SPEX gerade mal <strong>von</strong> 1976 bis 1979, danach trennten sich<br />
die Wege des Fünfers, der mit Saxophonistin Lora Logic eine<br />
weitere Frau in seinen Reihen hatte, und es gab nur Mitte<br />
der Neunziger eine kurze Reunion, die auch ein weiteres<br />
Album hervorbrachte. Mit „Let’s Submerge“ ist nun eine<br />
44 Songs umfassende Anthologie des Schaffens <strong>von</strong> X-RAY<br />
SPEX („Röntgenbrille“, cooler Bandname eigentlich ...) erschienen,<br />
die nicht nur die A- und B-Seiten der fünf Singles<br />
„Oh Bondage, Up Yours“, „Identity“, „The Day The World<br />
Turned Day-Glo“, „Germ Free Adolescents“ und „Highly<br />
Inflammable“ enthält, sondern auch das komplette „Germ<br />
Free Adolescents“-Album sowie die Songs aus zwei Peel-<br />
Sessions und bislang unveröffentlichte Tracks aus den Album-Sessions.<br />
Auf der zweiten <strong>CD</strong> gibt es dann eine ganze<br />
Reihe <strong>von</strong> weiteren Bonus-Songs, etwa „Live at the Roxy“,<br />
Solo-Aufnahmen <strong>von</strong> Poly alias Mari Elliott sowie Demo-<br />
Tracks. In Kombination mit einem großen Faltbooklet mit<br />
ausführlicher History und reichlich Fotos ergibt das eine<br />
beispielhafte, erstklassige Wiederveröffentlichung einer<br />
wichtigen Band, die schon früh für Punk wichtige Themen<br />
besetzte – „I’m a cliché“ wurde so zu einer bis heute Gültigkeit<br />
besitzenden Hymne. (10) Joachim Hiller<br />
lauthals die Refrains mitgrölen und dabei die rechte Faust in<br />
der Luft haben. LATTERMAN, das sind Punkrocker im Herzen,<br />
mit großen Gefühlen und Sinn für überschwängliche<br />
Melodien jenseits der Pop-Punk-Klischees, die gekonnt mit<br />
dem Gegensatz zwischen richtig lauten und dann auch mal<br />
ganz leisen Passagen arbeiten. Wo andere Sänger jedoch gerne<br />
mal in Selbstmitleid versinken, waren und sind LATTER-<br />
MAN eine explizit politische Band, die sich immer wieder<br />
in ihren Texten dem Zustand der Szene widmet, Unschönes<br />
wie Homophobie offen anspricht und insgesamt erfreulich<br />
konkret ist, nicht in selbstverliebtem, kaum deutbarem<br />
pseudopoetischem Geschwurmel versinkt. Eine rundum<br />
angenehme Band, die alles richtig macht und für mich<br />
die derzeit stärkste Band auf Deep Elm ist. (30:20) (8)<br />
Joachim Hiller<br />
LIGHT THIS CITY<br />
Facing The Thousand <strong>CD</strong><br />
prostheticrecords.com | Beachtlich, was so manche Bands<br />
schon in jungen Jahren musikalisch zu Wege bringen. Gerade<br />
im Bereich Metal, Metalcore sinkt das Durchschnittsalter<br />
immer mehr und nicht selten ist die Qualität mehr<br />
als beachtlich. LIGHT THIS CITY <strong>von</strong> der amerikanischen<br />
Westküste sind genau so ein Fall. Alle Mitglieder, einschließlich<br />
Frontfrau Laura Nichols, sind um die 20, gehen teilweise<br />
noch zur Schule, haben mit „The Hero Cycle“ 2002 ihr<br />
Debüt rausgebracht, und legen jetzt mit ihrem dritten Album<br />
„Facing The Thousand“ eine gelungen bolzende Mixtur<br />
aus melodischem Thrash und Death Metal vor, die ich<br />
ihnen nicht zugetraut hätte. <strong>Die</strong> Scheibe ist nicht nur richtig<br />
fett produziert, sondern spielerisch legen die Damen und<br />
Herren hier eine wirklich beeindruckende Professionalität<br />
an den Tag, die so manche Mitstreiter vor Neid erblassen<br />
lässt. Wenn das auch live so viel Spaß macht, dann darf auch<br />
manch alteingesessener Bay-Area-Trasher à la DEATH AN-<br />
GEL zumindest einmal seinen Hut vor Frau Nichols und Co.<br />
ziehen. (40:05) (8) Carsten Hanke<br />
LULLABYE ARKESTRA<br />
Ampgrave <strong>CD</strong><br />
Constellation | In einem anderen Leben werde ich <strong>von</strong> Beruf<br />
„Musikgenre-Erfinder“ und löse die Person ab, die im<br />
Hause Southern derzeit diese Position innehat. Und dann<br />
darf ich mir ausdenken, was in so einem Bandinfo unter<br />
„File under:“ steht. Hier ist es „Distorto Soul Rock“, und den<br />
Terminus finde ich äußerst charmant. Drei Alben hat das<br />
LULLABYE ARKESTRA aus Toronto, Kanada bereits veröffentlicht,<br />
„Ampgrave“ ist das vierte, alle kamen über Constellation,<br />
und es gibt auf jeden Fall schlimmere Wiegenliedchen<br />
als diese hier, die mich stellenweise an eine wütende<br />
Distortion-Version <strong>von</strong> BLACK HEART PROCESSION<br />
erinnern. Kern des „Arkestras“, das mit dieser Schreibweise<br />
bewusst an Sun Ra anknüpft, sind Drummer Jason Small<br />
<strong>von</strong> DO MAKE SAY THINK und Bassistin und Sängern Katia,<br />
die über ein mal einlullendes, dann aber auch furienhaft<br />
abgehendes Organ verfügt. Unterstützt <strong>von</strong> zehn Freunden,<br />
die diverse Blas- und Saiteninstrumente sowie eine Orgel<br />
bedienen, bewegen sich das „Duo“ dann auf einem weiten<br />
Terrain zwischen Garagerock, Punk, Noise, Marching Band,<br />
BIRTHDAY PARTY, BUTTHOLE SURFERS und Mathcore.<br />
Klingt nach einem unglaublichen Crossover? Ist genau das!<br />
Hier spaziert mal wieder jemand auf dem schmalen Grat<br />
zwischen Genie und Wahnsinn, und so was gefällt mir. Tip!<br />
(34:36) (8) Joachim Hiller<br />
LUDICRA<br />
Fex Urbis Lex Orbis <strong>CD</strong><br />
alternativetentacles.com/Cargo | Ich wiederhole mich<br />
gerne: In der Form wie LUDICRA aus San Francisco Black<br />
Metal verstehen und spielen, kann auch ich mich als ausgewiesener<br />
Ignorant des Genres damit anfreunden. Wobei es<br />
zu kurz greifen würde, LUDICRA als puristische Black Metal-Band<br />
aufzufassen. Denn auch wenn der Gesang – dass<br />
hier eine Frau singt, hört man nicht wirklich – die Gitarrenarbeit<br />
und das Zusammenspiel <strong>von</strong> hoher Geschwindigkeit<br />
und hymnischen Melodien sicherlich ihre Wurzeln<br />
im Black Metal haben, finden sich bei LUDICRA genug Einflüsse<br />
aus anderen Metal-Spielarten als auch Berührungen<br />
mit eher experimenteller Rockmusik, um sie nicht so einfach<br />
in eine Schublade zu packen. Auf ihrem dritten Album<br />
„Fex Urbis Lex Orbis“, dem zweiten für Alternative Tentacles,<br />
schaffen es LUDICRA noch besser als zuvor, eine brutale<br />
Heavyness zu erzeugen, die aber nicht im Kontrast mit der<br />
melancholischen Atmosphäre steht, die ihre Songs entstehen<br />
lassen. Was zwar Erinnerungen an NEUROSIS zu „Souls<br />
At Zero“-Zeiten wecken mag, die musikalischen Gemeinsamkeiten<br />
beider Bands sind aber eher marginal, LUDIC-<br />
RA mehr im Metal verwurzelt, als es NEUROSIS je waren.<br />
Knapp vierzig Minuten läuft „Fex Urbis Lex Orbis“, bei nur<br />
fünf Songs heißt das, dass diese in aller Ruhe ihre bedrohliche<br />
Stimmung entfalten können, was im brillanten, über elf<br />
Minuten langen „Collapse“ gipfelt. (8) André Bohnensack<br />
LUCKY JIM<br />
All The King’s Horses <strong>CD</strong><br />
Red Ink | Der glückliche Jim, das sind Gordon Graham und<br />
Ben Townsend. Ich finde ja, dass die Namen alleine schon<br />
unglaublich viel versprechend sind. Gewiss Männer in den<br />
Dreißigern, mit einer Vorliebe für richtig gute Musik. Man<br />
könnte sich die Band ohne weiteres als Support <strong>von</strong> Bob<br />
Dylan oder Johnny Cash oder als Headliner eines Folk/<br />
Sing-a-Song/New-Country-Festivals vorstellen. Wieder<br />
ein Ausdruck, den ich so mag: New Country. Williams würde<br />
sich im Grab umdrehen. Whatever, LUCKY JIM haben es<br />
total drauf. Es ist modern und klassisch, es sind nicht die<br />
einfältigen Gitarren, die einem sonst heutzutage begegnen,<br />
sondern richtige bombastische Konzertstimmungsgitarren.<br />
Als würden die das schon 50 Jahre machen, und dabei auch<br />
noch einen klaren, offenen Kopf behalten, um über zeitlose<br />
Sachen zu singen und sich auch gegenwärtigen Themen zu<br />
widmen. Ich hoffe, es stellt sich nicht heraus, dass die beiden<br />
Mitte zwanzig sind. In ihrer Heimat England werden<br />
sie eine der Bands sein, die garantiert nicht in den Schrottmagazinen<br />
erscheinen werden. Vielleicht eine kurze Kritik,<br />
aber sonst doch ein Fall für seriöse Blätter, die sich gerne auf<br />
Dylan, Petty etc. beziehen. Es gibt nichts an der Platte, das irgendwie<br />
stört, und fehlen tut schon mal gar nichts. Zwei Gitarren,<br />
Glöckchen, warme, angenehme ungestresste Stimmen<br />
und Zeilen wie „I think I really had a change of heart“.<br />
Da krampft sich alles zusammen, Krämpfe und Gänsepocken<br />
für alle. (9) Martha Biadun<br />
LIGHTS<br />
Diamonds And Dirt <strong>CD</strong><br />
wantageusa.com | Ich weiß ja nie, ob ich diese Situation<br />
lieben oder hassen soll: Man beginnt sich für eine Sache zu<br />
interessieren, mit der man sich vorher nicht beschäftigt hat,<br />
und plötzlich erscheint sie einem omnipräsent. So geschehen<br />
bei mir mit der Band MINUTEMEN (ich entschuldige<br />
meine bisherige Unkenntnis einfach mal mit der Gunst<br />
der späten Geburt), die einfach als Vergleich herhalten muss<br />
für THE LIGHTS. Ebenso wie MISSION OF BURMA. Doch<br />
Vergleiche werden einer Sache nie ganz gerecht, und THE<br />
LIGHTS haben natürlich mehr vorzuweisen als schmeichelnderweise<br />
mit Ikonen der 80er verglichen zu werden<br />
oder die Schule des 90er Jahre Indierocks und Hardcore<br />
um MODEST MOUSE oder Dischord durchlaufen zu haben.<br />
Ähnlich wie bei MCLUSKY (deren Erbe sie ja vielleicht<br />
antreten, die Qualitäten hätten sie) dominiert der Bass den<br />
düsteren, bratzigen Wall of Sound und die teils simplen, teils<br />
vertrackten Melodiebögen des Trios aus Seattle. Dazu liefert<br />
ein nervöses, leicht arhythmisches Gitarrenspiel den nötigen<br />
Druck und der mit sonorer Stimme, aber nie gelangweilt<br />
vorgetragene Gesang vermittelt die nötige bissige Haltung.<br />
(42:00) (7) Chris Wilpert<br />
LOUSY<br />
One Good Round Deserves Another <strong>CD</strong><br />
Bandworm | <strong>Die</strong> Chemnitzer LOUSY beehren uns nach<br />
„Best Wishes“ und „Babylon District“ mit ihrem nunmehr<br />
dritten Album. Der Sound erinnert mich an amerikanische<br />
Streetcore-Sachen wie BONECRUSHER oder deutsche Kollegen<br />
wie TOXPACK. Und während ich dies schreibe, schreit<br />
es in meinem Hinterkopf irgendwie die ganze Zeit US<br />
ROUGHNECKS. Das hab ich übrigens öfter. Hinzu kommt<br />
noch jede Menge Schweine-Rock’n’Roll, wie er auch gerne<br />
<strong>von</strong> Leuten mit ekeligen langen Haaren oder dicken Warzen<br />
mitten im Gesicht gemacht beziehungsweise gehört wird.<br />
Soviel zur Theorie. Auch an der Umsetzung habe ich nichts<br />
auszusetzen. Der Sound ist ausgereifter als bei vielen anderen<br />
Bands, die sich in diesem Genre versuchen und Experimente<br />
mit Instrumenten wie Zither (sic!) und Mundharmonika<br />
tragen weiter dazu bei, dass ich LOUSY erfreulich<br />
<strong>von</strong> der Masse abheben. Schön. Gefällt mir. (37:17) (7)<br />
Claudia Luck<br />
LOST AGAIN<br />
It’s Up To You <strong>CD</strong><br />
Red Lounge | LOST AGAIN kommen aus Freiburg und existieren<br />
seit 2002. Nach einer ersten Demo-<strong>CD</strong> erschien im<br />
Jahr 2005 die Debüt-EP „It’s Up To You“ in Eigenproduktion.<br />
Für ein Nachfolgewerk wurden zu Beginn dieses Jahres<br />
nun schließlich zwölf neue Songs im Sonic Temple Studio<br />
auf Mallorca aufgenommen. Positiv anzumerken ist dabei<br />
der inzwischen vollständige Austausch des damaligen<br />
zweiten Sängers der ersten EP. Auch eine musikalische Weiterentwicklung<br />
darüber hinaus ist erkennbar. Dennoch ist<br />
man seinem ursprünglichen Sound treu geblieben, nämlich<br />
kraftvollem, melodischen, durch Hardcore beeinflussten<br />
Punkrock, der beispielsweise an Bands, wie GOOD RID-<br />
DANCE erinnert. Zwar stehen LOST AGAIN den amerikanischen<br />
Vertretern dieses Genres noch in einigen Punkten<br />
nach, was zum Beispiel das Songwriting sowie die Liebe<br />
zum Detail anbelangt, aber Übung und Spaß an der Musik<br />
machen ja bekanntlich irgendwann den Meister.<br />
Alex Gräbeldinger<br />
LE SINGE BLANC<br />
Strak! <strong>CD</strong><br />
Magdalena/Keben | Wenn sich eine Band nur auf Rhythmusinstrumente<br />
wie Bass, Schlagzeug und spärlich eingesetzten<br />
Gesang, Gurgeln oder Schreie beschränkt, kann das<br />
eine anstrengend eintönige Geschichte werden. Muss es<br />
aber nicht zwangsläufig, wie man es an LSB ohne Mühe feststellen<br />
kann. Was die einen als Jazzcore bezeichnen, klassifizieren<br />
die anderen als Noiserock oder Avantgarde-Punk.<br />
Improvisiert wirkende Stücke, deren verschiedene Rhythmen<br />
sich manchmal fast aufzufressen scheinen. Gerade<br />
durch die eingängigen Bass-Arrangements entpuppen<br />
sich die Franzosen beim näheren Hinhören als beeindruckende<br />
Klangkonstrukteure. Weniger kann auch viel mehr<br />
sein. Unbestritten ist, dass sich LSB genauso wie Bands wie<br />
LIGHTNING BOLT, TESTADEPORCU, SQUARTET, oder ZU<br />
als wahre Akustikartisten verstehen können. Sie schaffen<br />
es, Grenzen aufzubrechen und werfen eingefahrene Hörgewohnheiten<br />
gründlich über den Haufen. (8) JeNnY Kracht<br />
LOW LOWS<br />
Fire On The Bright Sky <strong>CD</strong><br />
monotremerecords.com/Cargo | Das englische Ausnahmelabel<br />
Monotreme hatte ich bislang durchweg mit lauten,<br />
noisigen Bands in Verbindung gebracht, da überraschen<br />
die LOW LOWS schon etwas.<br />
Deren Lily Wolfe war<br />
bis vor einem Jahr Teil<br />
des New Yorker „Dream<br />
Pop“-Quartetts PARKER<br />
& LILY, machte sich dann<br />
aber auf Richtung Georgia<br />
und gründete dieses<br />
Trio, dessen Debüt<br />
Ende Oktober erscheint.<br />
Ich war schon nach dem<br />
ersten Hören begeistert,<br />
denn „Fire On The Bright<br />
Sky“ ist ein zugleich kühl<br />
und distanziert wie auch warm und einlullend. Jeremy<br />
Wheatleys Schlagzeugspiel wirkt dabei oft wie ein kontinuierliches<br />
Donnergrollen, Daniel Rickards Farfisa-Orgel<br />
wird auch mal böse verzerrt, und die Gitarre kann zwischen<br />
countryesk und noisy so ziemlich alles. VELVET UNDER-<br />
GROUND und THE JESUS & MARY CHAIN lassen hier gleichermaßen<br />
grüßen, aber auch die alten YO LA TENGO und<br />
ELEVENTH DREAM DAY, Americana und Alternative Country.<br />
Ein wunderschönes Herbst-Album, verträumt und völlig<br />
unkitschig, mit einem faszinierenden dramatischen Unterton.<br />
Mein Geheimtip! (48:33) (9) Joachim Hiller<br />
MITOTE<br />
Starter LP/<strong>CD</strong><br />
red-can.com | Sound like ... BUT ALIVE, aber<br />
so was <strong>von</strong>! <strong>Die</strong> Lieder klingen so schön melancholisch-melodisch,<br />
dass man eigentlich<br />
gar nicht merkt, mit was für einem Tempo<br />
M<br />
und einer erst beim zweiten Hören gespürten<br />
unterschwelligen Wut im Bauch hier gepunk-<br />
rockt wird. Dazu erzählen die Texte auf „Starter“ kleine Geschichten<br />
aus dem Alltag der Songwriter, die auch gerne mal<br />
politisch und nie wirklich weinerlich sind – was sehr für<br />
die vier Herren aus München spricht. Plattitüden sucht man<br />
auf dem Album vergeblich, die Texte erscheinen ziemlich<br />
durchdacht, ohne dabei glücklicherweise zu verkopft oder<br />
gar arrogant zu wirken. Und dann haben red.can.records<br />
mit dieser Platte auch noch einen netten Weg gefunden, das<br />
Vinyl zu retten: Man kann daheim gemütlich dem Knistern<br />
der Schallplatte lauschen, aber fürs Auto oder den iPod wurde<br />
wohlweißlich noch eine <strong>CD</strong> beigelegt. Nett auch, dass es<br />
zur Platte ein Textblatt gibt – denn schließlich haben MITO-<br />
TE so einiges zu sagen, was es durchaus wert ist, rekapituliert<br />
zu werden. Nun, Schwamm drüber, denn wer auf intelligenten,<br />
astrein komponierten deutschen Punkrock steht,<br />
der nicht alle seine Ideale über Bord geworfen hat und es auf<br />
hohe Chartplatzierungen absieht, ist bei MITOTE garantiert<br />
an der richtigen Adresse. Zur weiteren Überzeugung findet<br />
ihr auch einen Track der Band auf der diesem Heft beiliegenden<br />
<strong>CD</strong>. (49:24) (8) Jan Eckhoff<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
MUSIKA 77<br />
Brave You Free May <strong>CD</strong><br />
miamanterecords.com/Cargo | Mittlerweile muss man<br />
aufpassen, was man sagt. Schließlich ist momentan beinahe<br />
jeder dritte Musiker als Singer/Songwriter unterwegs,<br />
da reagiert man beinahe reflexartig, wenn man auf ein Album<br />
stößt, das ein Mensch aus Skandinavien aufgenommen<br />
hat und das etwas ruhiger ist. Viele klingen einfach<br />
zu gleich oder zu belanglos, da mag man schon gar nicht<br />
mehr hinhören. <strong>Die</strong>s hier wäre mir fast durchgegangen,<br />
und das wäre nicht gut gewesen. Ich nehme mal an, Johann<br />
Krantz aus Norwegen steckt hier alleine hinter, auch wenn<br />
er live mit Band unterwegs ist, und deshalb stecke ich ihn<br />
ohne schlechtes Gewissen in oben genanntes Genre. Was ihn<br />
aber <strong>von</strong> vielen anderen unterscheidet, ist, dass er sich selbst<br />
nicht in den Mittelpunkt rückt und man nicht das Gefühl<br />
hat, hier lebe einer sein Geltungsbedürfnis aus oder lasse uns<br />
überflüssigerweise an seinem Selbstfindungstrip teilhaben.<br />
Sicher, pathetisch und etwas selbstmitleidig klingt das Ganze,<br />
hat zudem die typischen Zutaten, dennoch ist dort etwas,<br />
das mich MUSIKA 77 zu meinem persönlichen Favoriten<br />
in dieser Liga erheben lässt. Vielleicht ist es die weibliche<br />
Zweitstimme, die unkitschigen Streicher, das herrlich ein-<br />
<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 077<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 77 22.09.2006 20:52:35 Uhr
lullende, beinahe unverschämt zurückhaltende Tempo, oder<br />
vielleicht auch nur der Umstand, dass Herr Krantz auf allzu<br />
deutliche Country-Einflüsse verzichtet. So kann man sich<br />
bei Vergleichen getrost eher in Richtung DECIBULLY oder<br />
CZARS orientieren, es also als ein etwas extravagantes Indie-Album<br />
ansehen. Und deshalb ist mir ein Album wie<br />
„Brave You Free May“ auch viel lieber als so manch anderes.<br />
(38:32) (8) Christian Meiners<br />
MANDO DIAO<br />
Ode To Ochrasy <strong>CD</strong><br />
EMI | „Hurricane Bar“, MANDO DIAOs zweites Album<br />
und Vorgänger <strong>von</strong> „Ode To Ochrasy“, war ein Meisterwerk,<br />
an dem alles stimmte, und da war die Spannung, wie der<br />
Nachfolger ausfällt, natürlich groß, denn die jungen Schweden<br />
sind ja durchaus auf für schwankende Kondition bekannt:<br />
Ich erinnere mich da an ein Konzert in Köln letztes<br />
Jahr, das mehr langweiligen Schweinerock als coolen<br />
Rock’n’Roll bot. Und nun also die Ode an die eigene, surreale<br />
Rock’n’Roll-Welt einer ständig tourenden Band. Björn<br />
Olsson (UNION CARBIDE PRODUCTIONS, TSOOL) hätte<br />
produzieren sollen, fing auch mit der Arbeit an, beendete sie<br />
aber nicht, so dass die Band sich ihres Schicksals selbst annahm<br />
und ihren Wunschproduzenten mit dem Satz „This<br />
album could have been produced by Björn Olsson“ verewigte.<br />
Ist Olsson also der Verräter oder nur einer, der einfach<br />
die Lust an der Arbeit mit MANDO DIAO verloren hat?<br />
Nun, höfliche Menschen schweigen. Auf mich macht „Ode<br />
To Ochrasy“ einen zwiespältigen Eindruck: Mit Hits wie<br />
der Single „Long before rock’n’roll“, „Tony Zoulias (Lustful<br />
life)“ oder „Morning paper dirt“ können sie mich auch<br />
diesmal wieder richtig begeistern, stimmt ihre Aneignung<br />
<strong>von</strong> Sixties-Pop einmal mehr, doch da sind dann auch nervige<br />
Songs wie „You don’t understand me“, das vor Klischees<br />
nur so strotzende „Amsterdam“, das schmalzige „Josephine“<br />
und „New boy“, hat man das Gefühl, da wolle jemand auf zu<br />
vielen Hochzeiten tanzen. MANDO DIAO covern sich hier<br />
ständig selbst, sind mehr mit ihrer eigenen Coolness als ihrer<br />
Musik beschäftigt, ja sie erwecken bei mir den Eindruck<br />
einer Band, die ihr Pulver bereits verschossen hat, die nicht<br />
so genial ist, wie sie es gerne wäre. Eine respektable Platte,<br />
aber schwächer als der Vorgänger. (46:06) (7)<br />
Joachim Hiller<br />
MOUSE ON MARS<br />
Varcharz <strong>CD</strong><br />
Ipecac/Soulfood Music | Andi Toma und Jan St. Werner<br />
waren immer irgendwie die netten Schwiegersöhne der<br />
deutschen Elektro-Szene, zwei grundsympathische Typen,<br />
die seit ihrem Debüt „Vulvaland“ Mitte der 90er scheinbar<br />
alles richtig gemacht haben, im Geiste KRAFTWERKS und<br />
anderer Pioniere der Elektronikmusik. Ihr Kokettieren mit<br />
Techno spielte sich auch höchstens auf einem eher abstrakten<br />
Level ab, ebenso wie der Versuch, Popsongs zu schreiben.<br />
Jetzt haben sie sogar eine Platte auf Ipecac gemacht und das<br />
merkt man „Varcharz“ durchaus an, ohne dass man <strong>von</strong> einem<br />
völlig anderen Sound sprechen müsste. Ihr anstrengendstes<br />
Werk ist es dennoch geworden – quasi Ehrensache<br />
auf Pattons Label –, eine extrem aufgesplitterte Platte,<br />
die den Bogen <strong>von</strong> den früheren Ambient-lastigeren MOM-<br />
Tracks hin zum überdrehteren Breakbeat-Spielkonsolen-<br />
Sound der letzten Platten spannt. Elektronikmusik auf einem<br />
abstrahierten Level, zwischen mal melodischeren, mal<br />
rhythmischeren Aspekten, aber ein weiterer Beweis für das<br />
kreative Potenzial <strong>von</strong> Toma und Werner, die entweder brutales,<br />
chaotisches Patchwork-Elektrogeballer auf den Hörer<br />
loslassen, oder einschmeichelnde, sanft dahinfließende<br />
Strukturen erzeugen. Nicht für den alltäglichen Gebrauch<br />
geeignet, aber in jedem Fall ein kreativer Triumph zweier<br />
begnadeter progressiver Musiker. (8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
V.a.<br />
Sampler &<br />
Compilations<br />
V.A. 5 Yrs. Morningside Records <strong>CD</strong><br />
morningsiderecords.dk | Das mir bislang unbekannte dänische<br />
Label Morningside Records feiert sein fünfjähriges<br />
Bestehen mit einer kleinen Werkschau. 14 Bands, 14 Songs,<br />
unter anderem mit meiner Entdeckung der Ausgabe, I AM<br />
BONES. Wer leicht schräge Indiesounds mag, ist mit dieser<br />
Auswahl sehr gut bedient. Ich bin mir sicher, dass hier frischer<br />
Stoff für DJs schlummert, der entdeckt und auf die<br />
Plattenteller der Stadt gehört. Also, verzichtet mal auf eine<br />
Weblog-Session und surft schnell hin zu Morningside, denn:<br />
Dänemark klingt anders. (<strong>69</strong>:51) (9) Arne Koepke<br />
V.A. Anti-Capitalism<br />
(Anarcho-Punk Compilation Vol. 4) <strong>CD</strong><br />
overgroundrecords.co.uk | Tjaja, den Widerspruch aufzulösen,<br />
der zwischen dem Kampf gegen den bösen Kapitalismus<br />
und dem Verkauf <strong>von</strong> Schallplatten zu diesem Zweck<br />
liegt, ist bislang noch keinem gelungen. Nehmen wir John<br />
<strong>von</strong> Overground das also auch nicht übel, sondern sehen<br />
wir seine „Anarcho-Punk Compilation“-Reihe, die hier in<br />
die vierte Runde geht, als Dokumentation einer Szene an,<br />
die in den Achtzigern ihre größte Blüte erreicht hatte. Mit<br />
diesem vierten Teil soll die Reihe dann auch abgeschlossen<br />
sein, für die sich Sean McGhee <strong>von</strong> PSYCHO FACTION<br />
durch an die 4.000 Lieder gehört hat, um letztlich 90 auszuwählen.<br />
Von den 23 Songs hier sind 17 bislang unveröffentlicht<br />
gewesen oder liegen hier in einer exklusiven Version<br />
vor (Hey, mit solchen Tricks arbeitet der Kapitalismus, um<br />
Leute zum Konsum zu verführen!), und die Bandauswahl ist<br />
mit CONFLICT, CRASS, RUDIMENTARY PENI, ANTISECT,<br />
CULTURE SHOCK nebst diverser nicht so großer Namen<br />
wirklich exzellent, wobei die Soundqualität zwischen Studio<br />
und Demo pendelt – Polit-Punks in besetzten Häusern<br />
hatten damals eben nicht unbedingt Zugang zu teurer Studiotechnik.<br />
Im 24-seitigen Booklet gibt’s nach einem unbedingt<br />
lesenwerten Vorwort <strong>von</strong> Penny Rimbaud <strong>von</strong> CRASS<br />
(über den Gegensatz <strong>von</strong> „Kommerzpunk“ à la THE CLASH<br />
und SEX PISTOLS einerseits und der D.I.Y.-Szene im Gefolge<br />
<strong>von</strong> CRASS) auch detaillierte Infos zu jeder Band. Eine<br />
essentielle, wichtige Compilation-Reihe, die ich nur empfehlen<br />
kann, denn wie Penny Rimbaud zu Recht schreibt,<br />
wird heute nur zu gerne vergessen, wofür beziehungsweise<br />
wogegen Punk einst angetreten ist. Joachim Hiller<br />
V.A. Balkan Beats Vol. 2 <strong>CD</strong><br />
eastblokmusic.com | In der Bundeshauptsstadt scheint, initiiert<br />
<strong>von</strong> DJ Soko (der auch für diese Compilation verantwortlich<br />
ist), schon seit Mitte der 90er so was wie ein Balkanmusik-Trend<br />
abzugehen, wenn man dem Info glauben<br />
schenken kann. Und mittlerweile dehnt sich das Fieber<br />
auch auf Städte wie. New York und London aus, wo Menschen<br />
diese Klänge ebenfalls zu lieben scheinen. „Balkan<br />
Beats“ ist die dazugehörige Sampler-Reihe, die besagte Musik-<br />
und Partybewegung sozusagen dokumentiert. Zu finden<br />
ist hier ein bunter Stilmix aus Gipsy und Roma, orientalischen<br />
und sogar indischen Einflüssen, Klezmer, Brassmusik<br />
und teilweise Elektronika, so dass es mal eher traditionell,<br />
und melancholisch, mal clubbig-tanzbar oder etwas<br />
experimenteller zugeht. Crossover ist wohl des Öfteren das<br />
richtige Wort. <strong>Die</strong> Künstler sagen dem Außenstehenden natürlich<br />
überhaupt nichts, aber für jemanden, der mit dieser<br />
gewissen Stimmung und den Melodien östlicher Musik<br />
etwas anfangen kann, gibt es hier bestimmt etwas zu entdecken.<br />
Mir persönlich gefällt die traurige, melancholische<br />
078 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />
MATCHES<br />
Decomposer <strong>CD</strong><br />
epitaph.com | Als einer der vielen, die PANIC! AT THE DIS-<br />
CO richtig abfeiern, stürzte ich mich in heller Aufregung auf<br />
„Decomposer“ <strong>von</strong> THE MATCHES. Das Konzept sieht interessant<br />
aus, genauso wie die Aufmachung, sowohl der Band<br />
als auch des Albums: Durchgestylte Indie-Eleganz, ähnlich<br />
der oben genannten Band. Während des ersten Songs lese<br />
ich mir das Booklet durch und was sehe ich da: Neun verschiedene<br />
Produzenten haben auf dem Album mitgewirkt,<br />
unter ihnen Mark Hoppus (ehemals BLINK 182) oder auch<br />
Brett Gurewitz. Da in Amerika die Produzenten einen entscheidenden<br />
Einfluss auf die Songs oder auch den Gesamtsound<br />
einer Band haben, stellt sich mir nun die Frage: Wo<br />
wollen die denn hin? Hoch in die Charts, an die Wall Street<br />
oder doch einfach nur auf die Tanzfläche und in die Ohren<br />
des Zuhörers? Ich erwarte Hits! Gespannt mach ich mich<br />
nun auf die Suche nach den zuckersüßen Ohrwürmern, die<br />
meine Beine lockern. Und ich finde sie nicht. Nein, kann<br />
das sein? Zuviel erwartet? Der zweite Eindruck muss her<br />
und siehe da, THE MATCHES wissen doch zu begeistern.<br />
Zwar nicht so wie erwartet, aber auch keinesfalls uninteressant<br />
oder wenig. Nach ROBOCOP KRAUS wieder eine gute<br />
Tanzband auf Epitaph. (7) Sebastian Wahle<br />
MOVING SOUNDS<br />
Ground Shaker <strong>CD</strong><br />
copasetic.de | Es fällt schwer, den Überblick zu behalten:<br />
Wieviele 60s Bands mit „move“ im Namen soll es denn<br />
noch geben? MOVE, MOVEMENT, MOVEMENTS, LOST<br />
MOVEMENTS, MOVING SOUNDS, das ist schon verwirrend.<br />
Eines kann man sich allerdings merken: <strong>Die</strong> MOVING<br />
SOUNDS kommen aus SCHWEDEN, und sie legen eine verblüffend<br />
originalgetreue PRISONERS-Imitation hin. <strong>Die</strong><br />
Hammond ist hier wie da der zentrale Melodieträger und<br />
Groove-Faktor. Um sie sind herum sind karge, aber straffe<br />
Arrangements der Saiteninstrumente drapiert, dazu formt<br />
ein ultraharmonischer Leadgesang elf wunderbare Modbeat-Songs.<br />
Besonders schön ist dabei „About you“ geraten,<br />
ein extrem poppiges Stück mit umwerfend schöner Melodie.<br />
„You have me“ kennt man hierzulande eher in der Version<br />
des jungen Howard Carpendale, der den Song 1968<br />
unter dem Titel „Du hast misch“ (sic!) eindeutschte. Und<br />
der Höhepunkt: „Adventures of Gunnar Gnauck“, eine Ode<br />
an eine berüchtigte Exil-Hamburger Mod-Krawalltüte, leider<br />
ein Instrumental, denn die Abenteuer des Gunnar G.<br />
reichen ja bekanntlich für mehrere abendfüllende Spielfilme.<br />
(8) Gereon Helmer<br />
GERRY MITCHEL & LITTLE SPARTA<br />
Scalpel Slice M<strong>CD</strong><br />
firerecords.com | LITTLE SPARTA spielen Kammermusik<br />
und Gerry Mitchell spricht mit rauchiger Stimme dazu. Das<br />
Ganze hat einen Hauch <strong>von</strong> CALEXICO, doch nicht mehr,<br />
denn die Arrangements mit herzerweichend zähen Streichern<br />
plätschern belanglos vor sich hin. Wenn das ein Filmsoundtrack<br />
ist, will ich die langen Spaziergänge bei Sonnenuntergang<br />
im Herbst dazu gar nicht sehen. Zugegeben, dieses<br />
Urteil klingt ungerecht, diese Platte ist auch nicht richtig<br />
schlecht, aber leider auch nicht besonders originell. Auch<br />
Mitchells Erzählweise ist nur bedingt witzig, größtenteils<br />
eher anstrengend. Meine Freundin findet, das Cover sieht<br />
aus wie ein „christlicher Scherenschnitt“ – und das sagt eigentlich<br />
alles. (21:16) (4) Chris Wilpert<br />
METAL HEARTS<br />
Socialize LP/<strong>CD</strong><br />
LP: miamanterecords.com/<strong>CD</strong>: Suicide Squeeze/Cargo |<br />
Leisen, verhaltenen Indiepop, wie ihn uns dieses Duo aus<br />
Baltimore vorlegt, kann man ideal an verschlafenen Montagmorgen<br />
hören, wenn es sich eh nicht mehr lohnt, das<br />
Haus zu verlassen. Einfach umdrehen und im Halbschlaf<br />
Spielart <strong>von</strong> Gipsy/Roma, Klezmer ja am besten, aber das<br />
ist ja wie immer bloß Geschmackssache, die nichts über die<br />
Qualität dieses Samplers aussagt. (55:07) (7) Alex Strucken<br />
V.A. Blood On The Scratchplate ’65 <strong>CD</strong><br />
motorsoundsrecords.com | „Niemand spielt den Blues,<br />
damit es ihm besser geht. Du spielst den Blues, damit es anderen<br />
schlechter geht“, sprach der weise Deltablues-Mann<br />
Rattlin’ Orange Peel im RUTLES-Film „All You Need is<br />
Cash“. Das Prinzip lässt sich auch ganz gut auf diese kratzbürstige<br />
Compilation anwenden. CHILDISH THOUGHTS,<br />
URGES, MOTORSOUNDS, MUDLOW, KEEPERS, SUR-<br />
GENTS, SUPERSEXY BOY 1986 und noch ein paar weitere<br />
Kapellen stehen sich allesamt in Griesgrämigkeit in nichts<br />
nach. Sind die Stile auch relativ unterschiedlich (LoFi-<br />
Blues, Haudruff Hardrock, Primitive Garage, Rock’n’Roll),<br />
so sind sie doch in einem einig: die Angepisstheit <strong>von</strong> den<br />
Fiesheiten, die diese kaputte Welt so zu bieten hat. Und deshalb<br />
schön die Zähne auseinander und die Wut der Welt ins<br />
Gesicht gebellt! (7) Gereon Helmer<br />
V.A. Bored Teenagers Vol. 4 LP/<strong>CD</strong><br />
Bin Liner/detour-records.co.uk | Fünf Jahre sind seit dem<br />
Erscheinen <strong>von</strong> Teil 3 dieser Compilation-Reihe aus dem<br />
Hause Detour vergangen, und wer die bisherigen Volumes<br />
kennt, der weiß, dass es hier nicht die übliche Aneinanderreihung<br />
sattsam bekannter alter UK-Bands gibt, sondern<br />
dass hier Musik-Archäologie der Extraklasse betrieben<br />
wurde. Und so findet sich hier beispielsweise eine Formation<br />
namens THE CANE mit zwei Songs, bei denen ein gewisser<br />
Kirk Brandon sang. Yep, mit zarten 16 war der Mann, der<br />
danach mit THE PACK, THEATRE OF HATE und SPEAR OF<br />
DESTINY etwas bekannter wurde, hier als Co-Sänger und<br />
Bassist tätig (auf der <strong>CD</strong> gibt’s als Bonus noch einen weiteren<br />
CANES-Track), und wer es noch obskurer will, bitte: Hinter<br />
PUBLIC PISSTAKE steckten einst ein gewisser Jimmy Pursey<br />
sowie zwei Leute <strong>von</strong> den PRETENDERS, und „Our own creation“<br />
ist eine bewusste Verarsche (daher auch der Name)<br />
der SEX PISTOLS, wie man unschwer überhören kann. Der<br />
Song war bisher unveröffentlicht, existierte nur als Acetat-<br />
Unikat, währen die meisten anderen Tracks hier zumindest<br />
als reguläre Single in 500er bis 1.000er Auflagen erschienen<br />
sind. Etwa die ELEVATORS, die „Pop-Oi!“ spielenden IN-<br />
TROZE, die STEROID KIDDIES (was für ein cooler Bandname!),<br />
THE MACHINES, THE ORDINARYS oder THE RUN-<br />
NING SORES. Von jeder Band gibt’s zwei bis drei Songs in<br />
okayner Soundqualität, und, extrem lobenswert, im Booklet<br />
auch noch eine Doppelseite mit ausführlicher History nebst<br />
Fotomaterial. Ein Sampler, der mit Liebe zum Detail und abseits<br />
der großen Namen zusammengestellt wurde, Pflichtstoff<br />
für jeden Fan <strong>von</strong> britischem Punkrock aus den Jahren<br />
1977 bis 1981. (44:43) (7) Joachim Hiller<br />
V.A. Dip & Fall Back<br />
Classic Jamaican Mento 2<strong>CD</strong><br />
trojanrecords.com/sanctuary | Der Mento, eine Form des<br />
Calypso, besitzt auf Jamaika eine lange Tradition, denn die<br />
ersten Aufnahmen gab es bereits in den 20er Jahren. Ursprünglich<br />
mit Hand Drums, Banjo, Mini-Piano, Bambusflöte<br />
oder Saxophon gespielt, kamen in den 60er Jahren<br />
auch E-Gitarren und Kontrabass zu Einsatz. In den Songtexten<br />
wurden traditionelle Geschichten, Erlebnisse aus dem<br />
Alltag oder aktuelle Nachrichten wie zum Beispiel „Dr. Kinsey<br />
report“ oder „Hooliganism“ verarbeitet. Als dann in den<br />
50er Jahren der R&B aus Amerika Jamaika erreichte, entstand<br />
hier schließlich die Ska-Musik. Mento gilt somit als<br />
eine der Hauptwurzeln des Ska. <strong>Die</strong> 35 Songs auf dieser<br />
Compilation stammen aus den Jahren 1955 bis 1968. Neben<br />
Mento und Calypso sind hier auch Ska, Bebop-Jazz und<br />
R&B-Einflüsse zu hören. Der bekannteste und weltweit erste<br />
No. 1-Calypso-Titel, „Island in the sun“, ursprünglich ge-<br />
solche Musik genießen. Denn so ruhig und verträumt, wie<br />
dieses Album daherkommt, dabei manchmal wie eine akustische<br />
Version <strong>von</strong> MODEST MOUSE oder wie CAT POWER<br />
mit Drum-Maschine oder einfach wie LALI PUNA anmutet,<br />
wüsste ich nicht, wann man es sich besser anhören könnte.<br />
Es wird abwechselnd <strong>von</strong> einer Frau und einem Mann gesungen,<br />
der aber so androgyn klingt, dass es kaum einen Unterschied<br />
macht. Süße Popperlen, die einen zwischen Piano<br />
und Streichern auch wunderbare Feinheiten entdecken lassen,<br />
dabei aber leider manchmal auch recht unspektakulär<br />
sind. (6) Chris Wilpert<br />
MOTÖRHEAD<br />
Kiss Of Death <strong>CD</strong><br />
Steamhammer/SPV | Ich finde ja, dass Lemmy mittlerweile<br />
in einem Alter ist, in dem man mit Titeln wie „Kiss Of<br />
Death“ vorsichtig sein sollte. Andererseits stirbt der ja wahrscheinlich<br />
sowieso auf der<br />
Bühne, mit dem Bass in<br />
der Hand. Bis es soweit ist,<br />
wird Herr Kilmister aber<br />
sicher brav jedes Jahr ein<br />
neues Album abliefern,<br />
und solange er das qualitätsmäßig<br />
auf dem Level<br />
tut, auf dem sich auch<br />
„Kiss Of Death“ bewegt,<br />
bin ich damit einverstanden.<br />
„MOTÖRHEAD spielen<br />
MOTÖRHEAD“, Runde<br />
23. Phil Campbells Gitarrenspiel<br />
ist diesmal so bissig wie schon lange nicht mehr,<br />
Lemmy röhrt so bärig, dass es eine wahre Freude ist, und<br />
auch die übliche Ballade ist nicht peinlich, sondern gänsehauterregend:<br />
„God was never on your side“ singt der Pfarrerssohn<br />
da und will das Lied eindringlich als Message an<br />
„all die Idioten, die immer noch an ihn glauben“, verstanden<br />
wissen. Nein, die Idioten sind nicht die Lemmy-Fans,<br />
sondern die Anhänger des folkloristischen Jesus-Kults ... Alles<br />
in bester Ordnung also im Hause MOTÖRHEAD. Weitermachen.(44:49)<br />
(9) Joachim Hiller<br />
ERIC MATTHEWS<br />
Foundation Sounds <strong>CD</strong><br />
Empyrean/Cargo | Herr Matthews ist ein junger Mann mit<br />
reichlich Soloerfahrung. Einst war er Teil der Band CARDI-<br />
NAL, sein eigenes Debütalbum erschien im Jahr 1994, es<br />
folgten zwei weitere Alben auf Sub Pop, und heuer kommt<br />
schon das fünfte. Seine Alben hat er bis auf wenige Details,<br />
wie etwa Klarinettenpassagen, komplett selbst aufgenommen,<br />
dennoch ist es seine eigene Art des Singer/Songwriter-Sounds.<br />
Mich erinnert es vor allem an späte Sachen<br />
vom seligen Elliott Smith, vor allem weil es ähnlich pompös<br />
und schwülstig arrangiert ist, was seiner Musik den Titel<br />
„orchestraler Pop“ eingebracht hat, und beide ähnliche<br />
Gesangslinien in die Songs flechten. Der Sound dieses Mannes<br />
ist allerdings weniger trocken, und er hat die wesentlich<br />
markantere Stimme, an die man sich aber schnell gewöhnt.<br />
Insgesamt aber, gerade wegen der erhöhten Kitschgefahr<br />
auf „Foundation Sounds“, eher ein gewöhnungsbedürftiges<br />
Album, nicht ganz einfach, aber auf seine Art sehr<br />
reizvoll. (68:40) (6) Christian Meiners<br />
MODERN MACHINES<br />
Take It, Somebody <strong>CD</strong><br />
dirtnaprecs.com | Immer noch und immer wieder ist Dirtnap<br />
Records aus Portland ein verlässlicher Quell wunderschönen<br />
Punkrocks, und die MODERN MACHINES mit ihrem<br />
herrlich alt klingenden Namen, der bei mir die erwünschten<br />
Spät-Siebziger- und Früh-Achtziger-Assoziationen<br />
auslöst, sind da keine Ausnahme. <strong>Die</strong> Band kommt<br />
aus Milwaukee, Wisconsin und vereint all die positiven Ele-<br />
sungen <strong>von</strong> Harry Belafonte, darf natürlich nicht fehlen und<br />
wird hier <strong>von</strong> den HILTONAIRES gecovert. Auch „Under<br />
the mango tree“ aus dem James Bond-Film „Dr. No“ ist dabei.<br />
Andere Titel auf dieser Compilation hingegen, wie etwa.<br />
„Shame & scandal“, „Penny reel“ oder „Big Bamboo“, wurden<br />
später <strong>von</strong> vielen anderen Ska- und Reggae-Künstlern<br />
gecovert. Abgerundet wird diese gelungene Zusammenstellung<br />
durch ein sehr informatives Booklet. (53:57/59:20)<br />
(9) Kay Wedel<br />
V.A. DJ Andy Smith<br />
Presents Trojan Document <strong>CD</strong><br />
Trojan/Sanctuary | Das Coole an derartigen Zusammenstellungen<br />
ist, man hat immer das Gefühl, selbst irgendwo<br />
bei einem Niter mittendrin zu sein. Andy Smith hat ein gutes<br />
Händchen und bedient<br />
sich, wie der Titel bereits<br />
verrät, einiger Musikdokumente<br />
des Traditionslabels<br />
Trojan. Fast achtzig<br />
Minuten legt der DJ alte<br />
Scheiben auf, präsentiert<br />
diese ab und an kurz und<br />
feuert das imaginäre tanzfreudige<br />
Ska-Publikum<br />
an. Das Ein-Zimmer-Single-Appartementausgeräumt,<br />
die Nachbarn in<br />
deinem Block eingeladen,<br />
diese Platte aufgelegt und schon kann es losgehen. Erst einmal<br />
anheizen, dann einige Schmuser, das Tempo wieder etwas<br />
angezogen, Originale und Dub-Versions hinterher gemischt<br />
und schön ausklingen lassen. Recht hat Mr. Smith<br />
mit der These „... a 40 year old Ska track still works as well<br />
today as I imagined it must have done when it first came out<br />
– such is the longevity of this music.“ Was war das doch gestern<br />
wieder für eine Nacht ... (77:45) (9) Simon Brunner<br />
V.A. Dolemite OST <strong>CD</strong><br />
Relapse/SPV | D’Urville Martins „Dolemite“ aus dem Jahr<br />
1975 ist sicherlich nicht der großartigste Blaxploitation-<br />
Film aller Zeiten, allerdings besaß der Streifen bei aller Trashigkeit<br />
schon alleine durch Hauptdarsteller Rudy Ray Moore,<br />
ein schwarzer James Bond-Verschnitt im Luden-Dress,<br />
das Zeug zum Kultfilm, der sich da mit lahmen Karatekicks<br />
in die Herzen der Ladys boxte und gleichzeitig noch in den<br />
70ern den Grundstein für die Rapper <strong>von</strong> Morgen legte.<br />
„Dolemite“ mag für viele nur minderbemittelter Trash sein,<br />
der dazugehörige Soundtrack ist es sicher nicht, der sich<br />
durchaus auf gleicher Höhe mit der Musik zu Filmen wie<br />
„Shaft“, „Superfly“, „Across 110th Street“ oder „The Mack“<br />
bewegt, also leicht sleazige Soul/Funk-Mucke à la Bobby<br />
Womack oder Sly Stone inklusive schöner Soul-Balladen,<br />
die einen nur so dahinschmelzen lassen. Der ursprüngliche<br />
Soundtrack wurde um drei Songs aus Rudy Ray Moores<br />
(noch) wesentlich schlechterer „Dolemite“-Fortsetzung<br />
„The Human Tornado“ und drei Radio-Spots erweitert, wo<br />
Moores rappende Verbalakrobatik gut zur Geltung kommt.<br />
Wer Filme dieser Art mag, wird sich auch über den Soundtrack<br />
dazu freuen, wo allerdings eine Sache den Genuss erheblich<br />
stört, denn Relapse haben das Ganze <strong>von</strong> Schallplatte<br />
gemastert und man hört reichlich fiese Knackser und andere<br />
Unsauberkeiten. Halten wir ihnen mal zugute, dass das<br />
Ausgangsmaterial ziemlich schlecht gewesen sein muss, ansonsten<br />
kann man so was aber besser hinbekommen, weshalb<br />
„Dolemite“ doch eher Bootleg-Feeling versprüht. (7)<br />
<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
V.A. Eat The Rich Vol. 3 <strong>CD</strong><br />
nix-gut.de | Liebhaber der Nix-Gut-Sampler bekommen<br />
in diesen Tagen viel Nachschub <strong>von</strong> ihrem Stoff. Neben<br />
mente <strong>von</strong> MR T EXPERIENCE, REPLACEMENTS und TOS-<br />
SERS – und bei „You’re getting married“ dachte ich sogar, da<br />
sie eine HÜSKER DÜ-Coverband am Werk, so exakt schaffen<br />
es die MODERN MACHINES, deren knarzigen Sound zu reproduzieren.<br />
Ein wunderbar melodiöses Punkrock-Album<br />
ohne zuckerige Süße, mit viel Melancholie, aber auch Wut,<br />
abwechslungsreich und <strong>von</strong> energischen bis zu eher leisen<br />
Tönen die ganze Bandbreite abdeckend. Ein rundum gelungenes,<br />
absolut empfehlenswertes Album, aber das wissen die<br />
Leute, die bereits die „Taco Blessing“-EP auf Recess besitzen,<br />
ja ohnehin schon. (31:09) (8) Joachim Hiller<br />
MR. SYMARIP<br />
The Skinheads Dem A Come <strong>CD</strong><br />
liquidator.com | Roy Ellis aka Mr. Symarip, der 19<strong>69</strong> mit<br />
der Skinhead-Reggae-Band SYMARIP die beiden Traditionsalben<br />
„The Pyramids“ sowie „Skinhead Moonstomp“<br />
geschrieben hat, ist mit neuem Material zurück. Seine Gospel-Wurzeln<br />
pflegt Roy seit dem Kindesalter. Selbst dieses<br />
typisch traditionelle Skinhead-Reggae-Album ist mit Gospel-Einflüssen<br />
infiziert. Mal abgesehen <strong>von</strong> dieser Kleinigkeit,<br />
keine besonderen Vorkommnisse, liebes Reggae- und<br />
Ska-Publikum! Mr. Symarip liefert das, was ihr wahrscheinlich<br />
erwartet. Er bleibt seinen Wurzeln treu. Zur Freude <strong>von</strong><br />
vielen, vielen Fans der authentischen Linie. Mir hingegen ist<br />
das alles zu traditionell, ja fast schon volkstümlich, irgendwie<br />
sogar schlagerartig. Legende mit guter Backing-Band<br />
hin oder her, mal abgesehen <strong>von</strong> wenigen Ausnahmen, kann<br />
mich dieses Album nur bedingt begeistern. (51:57) (6)<br />
Simon Brunner<br />
MOJOMATICS<br />
Songs For Faraway Lovers LP/<strong>CD</strong><br />
aliensnatch.com | Im Interview dieses Frühjahr kündigten<br />
Dav und Matt es bereits an: Für das neue Album, ihr<br />
zweites und Nachfolger <strong>von</strong> „A Sweet Mama Gonna Hoodoo<br />
Me“ <strong>von</strong> 2004, würde man sich auf eine gewisse Neuausrichtung<br />
einstellen müssen, man werde sich stärker an<br />
klassischen US-Songwritern der Sechziger orientieren, allen<br />
voran Bob Dylan. Und so ist es auch gekommen, denn<br />
die zwölf Lieder für die weit entfernte Liebste sind ein gutes<br />
Stück gemäßigter als jene auf dem Debüt. Doch keine<br />
Sorge, wer sich damals für den knarzigen (Po-)Delta-Blues-<br />
Garage-Punk des venezianischen Duos begeistern konnte,<br />
muss sich hier zwar mit ihrer ruhigeren Seite beschäftigen,<br />
doch die zeigt ihre Qualitäten nur noch überzeugender.<br />
Mit „No place to go“, hier auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören und zu<br />
dem auch <strong>von</strong> M.A. Littler <strong>von</strong> Slowboat Films ein Video gedreht<br />
wurde, ist ihnen ein echter kleiner Hit geglückt, dem<br />
„A fall on the floor“ in nichts nachsteht, ja ich bin generell<br />
<strong>von</strong> der gut gelaunten Atmosphäre des Albums überrascht,<br />
denn man ist hier immer wieder dem perfekten Pop-Song<br />
auf der Spur, hat mitnichten so den Blues wie noch vor zwei<br />
Jahren. Sollen andere die immer gleichen und ja prinzipiell<br />
auch gern genommenen Garage-Rüpeleien zelebrieren, die<br />
MOJOMATICS haben die zwar auch drauf, aber auch noch<br />
viel mehr. (33:44) (9) Joachim Hiller<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
MONGREL<br />
Speak Resistance <strong>CD</strong><br />
longbeachrecords.de | Beim Gedanken an deutschen Melodycore<br />
stellen sich bei mir bei circa 80 Prozent aller Bands<br />
die Nackenhaare auf. Zu schlecht, zu langweilig, einfach<br />
peinlich! Nun gut, MONGREL zählen zu den besseren Bands.<br />
<strong>Die</strong> vier Jungs kommen aus München, haben eine ordentliche<br />
Geschwindigkeit drauf und klingen abwechslungsreich<br />
und vor allen Dingen geht das hier voll in die Fresse.<br />
Vor amerikanischer Konkurrenz brauchen sich MONG-<br />
REL sicherlich nicht fürchten. Endlich mal ein Sänger, der<br />
wirklich akzentfrei Englisch kann, und eine Band, die ihre<br />
Instrumente auch bei Überschallgeschwindigkeit noch<br />
„Wir lassen uns das Dagegensein nicht verbieten“ kommt<br />
„Eat The Rich“ Nummer 3. <strong>Die</strong> ersten Stücke rufen mal<br />
wieder Kopfschütteln hervor und mir vergeht die Lust, die<br />
Platte zu Ende zu hören. Aber wenn man nach der Hälfte der<br />
Beiträge immer noch nicht ausgeschaltet hat, auf den wartet<br />
gegen Ende der ein oder andere unterhaltsame Beitrag, z.B.<br />
<strong>von</strong> NEVERMIND. Der Abschluss <strong>von</strong> UNGUNST ist dafür<br />
noch mal umso schlechter. Wenn ich intolerant sein muss,<br />
um mich <strong>von</strong> schlechter Musik fernzuhalten, dann bin ich<br />
das ab heute aus ganzem Herzen. (56:53) Katrin Schneider<br />
V.A. Got The Feeling:<br />
Work Your Soul 2 <strong>CD</strong><br />
trojan-records.com/Sanctuary | Und noch mehr zum<br />
Thema Soul aus Jamaika: „Got The Feeling“, als Fortsetzung<br />
des erfolgreichen Samplers „Work Your Soul“ kann<br />
sich nicht nur hören und sehen lassen, sondern geht im Vergleich<br />
mit der ebenfalls <strong>von</strong> Trojan veröffentlichten <strong>CD</strong>-Box<br />
„Motor City Reggae Box Set“ eindeutig als Sieger hervor.<br />
Hier sind ausschließlich Ska- und Rocksteady-Interpreten<br />
am Start, <strong>von</strong> DESMOND DEKKER & THE ACES über Owen<br />
Gray bis hin zu den BLUES BUSTERS, die übrigens den alten<br />
Marvin Gaye-Hit „Can I get a witness“ in einer wirklich<br />
atemberaubenden Version darbieten. Bei dem Tempo dieser<br />
Compilation bleibt mir kaum Zeit zum Luftholen, höchstens<br />
bei BYRON LEE & THE DRAGONAIRES und ihrer Interpretation<br />
des BOOKER T & THE MG’S-Hits „Green onion“.<br />
Schwarzer Soul, der nicht dunkler klingen könnte. Einige<br />
Titel, wie „Sugar“ <strong>von</strong> Joyce Bond, wurden erst jetzt<br />
zum ersten Mal auf <strong>CD</strong> veröffentlicht. <strong>Die</strong> 25 Songs aus den<br />
Jahren 1962 bis 1971 sind wirklich großartig ausgewählt<br />
und auch das Booklet ist nett aufgemacht und mit vielen informativen<br />
Linernotes versehen. Cooles Teil. (66:17) (9)<br />
Kay Wedel<br />
V.A. Go Kart<br />
Vs. the Coprorate Giant <strong>CD</strong><br />
Go Kart Records | <strong>Die</strong> vierte Ausgabe der Labelschau <strong>von</strong><br />
Go-Kart Records hört sich genau so an, wie man es <strong>von</strong> einem<br />
Label, das Bands wie RIFU, TEN FOOT POLE und die<br />
COUGARS beherbergt: 22 Songs, 22 mal Punkrock. Doch<br />
nicht nur die Altbekannten finden ihren Platz auf „Go Kart<br />
Vs. the Coprorate Giant“. Wie bei low-price Labelsamplern<br />
üblich bekommen auch die neuen Bands auf Go-Kart die<br />
Möglichkeit für Aufsehen zu sorgen und auf sich aufmerksam<br />
zu machen. Für ehrliche Punkrocker eine lohnenswerte<br />
Sache. (7) Sebastian Wahle<br />
V.A. Hier kommt der leise Tod!<br />
Ein Tribut an Geisterfahrer <strong>CD</strong><br />
plasticfrogrecords.com/SXDistribution | GEISTERFAH-<br />
RER aus Hamburg waren eine der ganz frühen deutschen<br />
Independentgruppen und wurden stark <strong>von</strong> JOY DIVISON,<br />
MODERN ENGLISH, GANG OF FOUR und P.I.L. beeinflusst.<br />
Später haben sie auch gerockt, aber eine gewisse Düsternis<br />
ist immer geblieben. Nach einleitenden Worten <strong>von</strong> Klaus<br />
Friebe stellen insgesamt 18 Künstler ihre GF-Interpretationen<br />
vor. Und im Vergleich zu vielen anderen Tribut-Samplern<br />
wird hier tatsächlich interpretiert, das heißt hier gibt es<br />
keine billigen Eins-zu-eins-Kopien, welche dann als Tribut<br />
verkauft werden, sondern teilweise recht eigenwillige und<br />
sperrige Versionen, die es manchmal recht schwer machen,<br />
das Original zu erkennen. Ich finde alleine schon deshalb ist<br />
dieses Tributalbum mehr als gelungen. Alle Beiträge finden<br />
sich irgendwo zwischen Avantgarde und Minimal-Elektronik<br />
wieder und das funktioniert sehr gut, denn schließlich<br />
haben auch GF in ihre Musik Minimal- und Industrial-Elemente<br />
eingebaut. Beim genauen Hinsehen der beteiligten<br />
Künstler entdeckt man sogar den einen oder anderen bekannten<br />
Namen. So verbirgt sich hinter dem Bandprojekt<br />
DAS INSTITUT GF-Godfather Matthias Schuster und auch<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 78 22.09.2006 20:52:42 Uhr
eherrscht. Hört euch das mal an, es lohnt sich wirklich!<br />
<strong>CD</strong> kommt mit zusätzlichem Computer-Schnickschnack.<br />
(49:45) (8) Paul Tackenberg<br />
MYPROOF<br />
Reason For My Justice <strong>CD</strong><br />
godschild.com.hk | Dass in der japanischen Popkultur Gefühle<br />
zuweilen sehr explizit dargestellt werden, kennt man<br />
hierzulande vor allem aus Animes und Mangas. So symbolisiert<br />
beispielsweise ein schwarzes Kreuz auf der Stirn eines<br />
Charakters Wut oder Ärger, während eine über dem Kopf<br />
schwebende Regenwolke Traurigkeit versinnbildlicht. Doch<br />
selbst wenn man solche Codes entschlüsselt, so wirken sie<br />
in ihrer Ausdrücklichkeit für westliche Augen oft etwas befremdlich<br />
– wahrscheinlich auch deshalb, weil sie nicht in<br />
das zurückhaltende Bild passen wollen, das man sich <strong>von</strong><br />
Japan gemacht hat. Hierin dürfte dann auch der Grund zu<br />
suchen sein, warum man dem – manche würden sagen –<br />
Pop-Metal <strong>von</strong> MYPROOF zunächst etwas ratlos gegenüber<br />
steht. Während die Band in den Strophen den klassischen<br />
Bösewicht amerikanischer Superheldencomics gibt,<br />
der an ATREYU oder KILLSWITCH ENGAGE erinnert, hüpfen<br />
in den Refrains die Mädels <strong>von</strong> Sailor Moon umher und<br />
verdrücken übermütig kichernd Unmengen an bunter Zuckerwatte.<br />
Doch letztendlich werden die vielen kleinen<br />
Schweißtropfen auf dem Gesicht des Hörers, durch die im<br />
Manga Ratlosigkeit repräsentiert wird, relativ zügig <strong>von</strong> der<br />
Erkenntnis getrocknet, dass gerade diese kulturelle Dichotomie<br />
den Reiz <strong>von</strong> MYPROOF ausmacht. <strong>Thomas</strong> Renz<br />
MISERY SIGNALS<br />
Mirrors <strong>CD</strong><br />
ferretstyle.com/Soulfood | <strong>Die</strong>ser Platte geht es vor allem<br />
um Selbsterkenntnis. „A lot of the songs ask questions about<br />
self and how people perceive themselves and the images that<br />
they present to others“, erläutert Gitarrist Ryan Morgan den<br />
Titel des neuen Albums „Mirrors“. Schließlich ist es noch<br />
gar nicht so lange her, dass sich MISERY SIGNALS selbst vor<br />
einem Spiegel aufgestellt haben. Damals wurde die Band<br />
<strong>von</strong> ihrem Sänger verlassen, und es stellte sich die Frage, ob<br />
man mit dem Bild, das man bisher abgegeben hatte, zufrieden<br />
war oder doch eher eine neue Identität angenommen<br />
werden sollte. Und weil der griechische Philosoph Heraklit<br />
Recht hatte, als er sagte: „Allen Menschen ist es gegeben,<br />
sich selbst zu erkennen und klug zu sein“, stellte die Band<br />
fest, dass es nach dem wirklich sehr hübschen Debütalbum<br />
„Of Malice And The Magnum Heart“ allenfalls hier und da<br />
wenige kosmetische Änderungen anzugehen galt. So suchten<br />
sich MISERY SIGNALS einen Sänger, der dem alten verblüffend<br />
ähnelte und machten genau da weiter, wo sie aufgehört<br />
hatten. Deshalb klingt auch „Mirrors“ nach einer offensiveren<br />
und weniger vertrackten Variante <strong>von</strong> SHAI HU-<br />
LUD, was vor allem am melodiösen Kern liegt, der sich hinter<br />
der harten Schale verbirgt. Es lohnt also, bei dieser Platte<br />
genauer hinzuhören. Auch weil man sich – wie beispielsweise<br />
beim Titelsong – ein bisschen selbst darin widerspiegeln<br />
kann: „I see now there is a choice to make / We could<br />
be any one, I see now“. <strong>Thomas</strong> Renz<br />
MOCHINES<br />
Hire The Losers <strong>CD</strong><br />
Landspeed | Wüsste ich es nicht besser, würde ich nach<br />
dem Hören des Debütalbums der MOCHINES vermuten,<br />
Cape Town sei eine Stadt in Schweden. Dass auch weiter<br />
südlich auf dieser Welt zeitgemäßer Rock’n’Roll geschmiedet<br />
wird, hat man ja in letzter Zeit beinahe ein bisschen vergessen.<br />
<strong>Die</strong> vier Südafrikaner jedenfalls haben ein ganz feines<br />
punkiges Rockalbum vorgelegt, dass neugierig macht,<br />
was in dieser Hinsicht da unten sonst noch passiert, denn<br />
neben den Grindern <strong>von</strong> GROINCHURN hat man ja in den<br />
letzten Jahren nicht allzu viel vom südafrikanischen Musikgeschehen<br />
mitbekommen. <strong>Die</strong> MOCHINES sind ein guter<br />
Andy Giorbino ist nicht gänzlich unbekannt. Ach ja, der GF-<br />
NDW-Hit „Himmel auf Erden“, gespielt in einer DAF-mäßigen<br />
Version, ist auch mit dabei. (72:08) (9) Kay Wedel<br />
V.A. Hometown Pride <strong>CD</strong><br />
pekkaproductions.com | <strong>Die</strong>se Compilation beinhaltet 16<br />
Songs <strong>von</strong> Bands aus Lahti, einer Stadt in Südfinnland. Entsprechend<br />
dem Titel soll mit diesen der lebendigen Szene<br />
der Stadt Tribut gezollt werden, aus der unter anderem<br />
das Chambers Magazine kommt, das dienstälteste finnische<br />
Punkrock-Magazin. Zwar ist es schön, eines der wenigen<br />
szenebezogenen Releases aus Finnland in der Hand zu haben,<br />
über die mittelmäßigen Songs täuscht dies aber nicht<br />
hinweg. Einzig VICEROY bieten schönen Streetpunk und die<br />
FLIPPIN’ BEANS spielen netten Ska-Punk. Daneben gibt es<br />
hier fast nur polternden Hardcore, der, abgesehen <strong>von</strong> zwei<br />
Oldschool-HC-Songs <strong>von</strong> MORNING AFTER, höchstens<br />
durchschnittlich ist. (43:09) (5) Lauri Wessel<br />
V.A. In Prison: Afroamerican Prison<br />
Music From Blues To HipHop <strong>CD</strong><br />
Trikont/Indigo | Unter dem Titel „In Prison“ veröffentlicht<br />
das Label Trikont eine weitere Kompilation aus der<br />
„Black Radical Music“-Serie. Insgesamt 19 Bands und Musiker<br />
steuern einen Song<br />
zum Thema bei. Ob als<br />
Worksong der Chaingangs,<br />
Blues, Soul oder HipHop,<br />
alle Titel drehen sich um<br />
die Situation der afroamerikanischenGefängnisinsassen,<br />
denn diese<br />
stellen fast die Hälfte der<br />
insgesamt zwei Millionen<br />
inhaftierten Menschen in<br />
den USA – und das, obwohl<br />
sie nur 12 Prozent<br />
der Bevölkerung stellen.<br />
Mit anderen Worten: jeder achte afroamerikanische Mann<br />
zwischen 20 und 35 Jahren sitzt in einer Gefängniszelle. An<br />
der Gesundheitsvorsorge für Häftlinge wurde gespart, nach<br />
einem Wohlfahrtsreformgesetz haben wegen Drogendelikte<br />
verurteilte Ex-Häftlinge zeitlebens alle Ansprüche auf<br />
staatliche Hilfe oder Lebensmittelmarken verloren, in einigen<br />
Bundsstaaten haben verurteile Straftäter alle Bürgerechte<br />
einschließlich des Wahlrechts verloren. <strong>Die</strong> Gefängnisse<br />
werden zu Verwahranstalten der psychisch Kranken, es<br />
fällt das Schlagwort „warehousing of the poor“, faktisch also<br />
eine Einlagerung der Armen. Während Beratungs-, Hilfsund<br />
Wohlfahrtsangebote zusammengestrichen werden,<br />
entstehen immer mehr Gefängnisse, die durch eine immer<br />
schärfere werdende Rechtssprechung gefüllt werden. Hierzu<br />
ein Zitat <strong>von</strong> Alan Elsner: „Wenn eine Nation darüber definiert<br />
wird, was sie produziert, dann sind die Vereinigten<br />
Staaten eine Gefängnisnation geworden.“ Soweit aus dem,<br />
wie bei Trikont üblich, vorbildlichen Booklet. Bei so viel Lesestoff<br />
wird die Musik fast zur Nebensache, an dieser Stelle<br />
deshalb wenigstens ein paar Namen: 2-Pac, K-Solo, Xixa Simone,<br />
TEMPTATIONS sowie Billy Boy Arnold. (73:49) (9)<br />
Kay Wedel<br />
V.A. If The Kids Are Frustrated <strong>CD</strong><br />
contienda.de.vu | Sampler mit 26 Liedern <strong>von</strong> vier sächsischen<br />
Bands mit Auftrag und Sendungsbewusstsein. VOLKS-<br />
OPFER haben in drei Liedern Mut zur Langsamkeit, noch<br />
holperig zwar, doch die Arienhaftigkeit des Gesangs lässt<br />
vermuten, dass es in die SKEPTIKER/KOLPORTEURE-<br />
Richtung gehen wird. <strong>Die</strong> elf Texte der RATTENPISSE sind<br />
gut, aber außer „Frau Elbe“ ist ihr Knüppelcore mit Keksdosen-Schnarrfelltrommel<br />
höchst gewöhnungsbedürftig.<br />
Gegen die ist sogar Johnny Rotten ein Poser. DU UND ICH<br />
Anlass, mal wieder über Euro-US-zentrierte Musikrezeption<br />
nachzudenken und sich vielleicht mal ein bisschen umzuschauen.<br />
Beim Vergleich muss man freilich wieder nach<br />
Europa zurück und landet natürlich wieder in Skandinavien:<br />
Ein bisschen GLUECIFER ist da zu hören, ein, zwei Songs<br />
gehen in die BONES-Richtung, da passt alles zusammen.<br />
Empfehlung! (42:40) (8) Simon Loidl<br />
MEN WOMEN & CHILDREN<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
Inkubator / Soulfood | Männer, Frauen und Kinder zuerst!<br />
<strong>Die</strong>ser durchaus faire Ausruf hätte allenfalls auf dem familienfreundlichen<br />
„Love Boat“ seine Berechtigung gehabt, das<br />
1977 zum ersten Mal in seichte TV-Unterhaltungsgewässer<br />
stach. Und just zu der Zeit steuerte bekanntlich auch die<br />
Disco-Ära auf ihren Höhepunkt zu, die jetzt <strong>von</strong> MEN WO-<br />
MEN & CHILDREN in das neue Jahrtausend gerettet werden<br />
will. <strong>Die</strong> Band um den ehemaligen GLASSJAW-Gitarristen<br />
Todd Weinstock verbindet auf ihrem Debütalbum nämlich<br />
angesagte Post-Punk-Gitarren à la THE RAPTURE mit<br />
dem Falsettgesang der BEE GEES und einem alten Synthesizer<br />
<strong>von</strong> Frank Farian. „You don’t need a reason to get out<br />
on the dance floor / And we can get it on and on all night<br />
long“, lautet das übergeordnete Motto dieser musikalischen<br />
Kreuz- und Queerfahrt, die in manchen Momenten ob ihrer<br />
überambitionierten Produktion zur Irrfahrt zu werden<br />
droht. Denn während Kapitän Weinstock auf möglichst vielen<br />
Floors tanzen will, stehen seine Passagiere zuweilen etwas<br />
überfordert genau dazwischen. Untergehen sollte man<br />
mit MEN WOMEN & CHILDREN trotzdem nicht. Und falls<br />
doch, hat uns die Band schon die passenden und sehr selbstbewussten<br />
Abschiedszeilen geschrieben: „Even if you die tonight<br />
/ We saved your life“. <strong>Thomas</strong> Renz<br />
MORNING RIOT<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
themorningriot.com | Schöner Pop-Punk <strong>von</strong> vier Kerls<br />
aus Kalifornien, der für meinen Geschmack allerdings zu<br />
harmlos und zu sauber klingt. So ein Hauch <strong>von</strong> Emo und<br />
Rock macht sich hier breit, das ist irgendwie nicht mein<br />
Ding. Aber wer’s mag ... (41:04) (5) Paul Tackenberg<br />
MISFIT SOCIETY<br />
... No Discounts On Large Amounts... <strong>CD</strong><br />
misfitsociety.com | „No Discounts On Large Amounts“ ist<br />
der Erstling der Bochumer MISFIT SOCIETY, die erst seit<br />
2005 bestehen, aber dafür sehr eingespielt und fett aus den<br />
Boxen dröhnen. Gegeben wird klassischer Oldschool-Hardcore<br />
amerikanischer Prägung, der zwar die Musik nicht neu<br />
erfindet, aber immer wieder großartig ist. MISFIT SOCIETY<br />
klingen dabei aber nicht konkret nach irgendeinem Vorbild,<br />
sondern ihre Variante des durchaus melodiösen Hardcores,<br />
die auch mal in kurze Thrash Attacken abgleiten darf, ist abwechslungsreich<br />
und frisch. So wünsche ich alter Sack mir<br />
mehr Bands. <strong>Die</strong> Promoaufmachung in schicker schwarzweißer<br />
DVD-Hülle geht in Ordnung, ich vermisse aber die<br />
Texte, die hoffentlich in der regulären <strong>CD</strong> enthalten sind,<br />
grummel. It’s more than music ... Fans klassischen Hardcores<br />
sollten MISFIT SOCIETY unbedingt auschecken. Ansonsten,<br />
one, two, three, four, go! (8) Dr. Oliver Fröhlich<br />
MR. LAB<br />
And Now It’s Time To Go <strong>CD</strong><br />
Jay Jay/Alive | Zunächst war ich versucht, die <strong>CD</strong> unter<br />
„ferner liefen“ einzuordnen, Independent, der nicht aufdringlich<br />
ist und gerne im Hintergrund laufen darf, wenn<br />
man zum Beispiel kocht. Musik für Zwischendurch. Nach<br />
genauerem Hinhören fallen jedoch immer mehr Passagen<br />
auf, die weit mehr zu bieten haben, als zunächst angenommen.<br />
Das ist der eingesetzten elektronischen Effekte<br />
zu verdanken, wie auch den gelegentlichen Lärmattacken<br />
zum Beispiel bei „Never said“. Gerade wenn dieses Wech-<br />
sind tatsächlich ein Duo und dürften wohl auch die Initiatoren<br />
des Projektes sein. Ihre vier Lieder schwanken zwischen<br />
Crust und Folk und erinnern damit an STEP INTO<br />
NOWHERE, vielleicht klangen aber auch die zehn in eine<br />
Kirche gebrüllten Thesen eines Atheisten so. Agitprop ist hier<br />
Programm. Acht Lieder gibt es <strong>von</strong> CONTIENDA LIBERTAD<br />
aus Plauen. Wem das spanisch vorkommt, der ist ein Fuchs,<br />
es bedeutet: „Erkämpfe die Freiheit!“ In ihren schwächsten<br />
Momenten klingen sie wie griffiger Deutschpunk zum Mitsingen,<br />
in ihren stärksten gemahnen sie mit einer Intensität<br />
im Verein mit persönlichen Texten politischer Prägung an ...<br />
BUT ALIVE. (56:50) (7) Walmaul<br />
V.A. Look At All The Love We Found –<br />
Live: A Tribute To SUBLIME DVD/<strong>CD</strong><br />
CornerstoneRas.com | SUBLIME, beziehungsweise deren<br />
Mastermind Bradley Nowell scheint mit seinem Ableben<br />
eine große Lücke in den Herzen seiner Fans zu hinterlassen<br />
haben. Viele dieser Fans sind selbst Musiker, und einige<br />
<strong>von</strong> ihnen tummeln sich jetzt auf diversen Tribute<br />
Compilations. Mit „Look At All The Love We Found – Live“<br />
ist nun auch eine DVD zu einem dieser Sampler erschienen.<br />
Das Ganze enthält ein Konzert vom 24. Oktober 2005,<br />
auf dem UNWRITTEN LAW, LOS LOBOS, FISHBONE, THE<br />
ZIGGENS, OZOMATLI, AWOL ONE, BARGAIN MUSIC, AB-<br />
STRACT RUDE und BLACKALICIOUS ihre Versionen <strong>von</strong><br />
SUBLIME Stücken zum Besten geben. Zwischen den einzelnen<br />
Songs gibt es Interviewschnipsel, in denen die Künstler<br />
über SUBLIME beziehungsweise deren Einfluss reden. <strong>Die</strong><br />
Tatsache wie breit gefächert die Musik <strong>von</strong> Herrn Nowell<br />
war, wird durch die unterschiedlichen Künstler die hier zu<br />
Wort kommen, natürlich ein weiteres Mal unterstrichen.<br />
Aber ansonsten? Ich denke kaum jemand wird sich die Mitschnitte<br />
mehr als einmal angucken wollen. Das macht die<br />
DVD in meinen Augen so ziemlich überflüssig. <strong>Die</strong> beiliegende<br />
<strong>CD</strong> bereitet da irgendwie mehr Freude. Hier gibt es,<br />
neben drei auch auf der DVD enthaltenen Live Stücken, unter<br />
anderem noch „Had a dat“ <strong>von</strong> DR. ISRAEL und THE<br />
BANNED feat. CHUCK D mit “Ebin” zu hören. Lars Koch<br />
V.A. Nordic Notes Vol.1 <strong>CD</strong><br />
Nordic Notes/Broken Silence | 19 Bands/Künstler aus<br />
sechs Ländern und zwar aus Island, Dänemark, Schweden,<br />
Norwegen, Finnland und Estland machen diese Zusammenstellung<br />
fast zu einem Muss für Liebhaber der nordischen<br />
Musik. Songwriter Mikael H. trifft auf die Countrybegeisterten<br />
Norweger <strong>von</strong> HGH (eine Band um den ehemaligen<br />
Schlagzeuger <strong>von</strong> MOTORPSYCHO), die schweren<br />
Gitarren <strong>von</strong> KOMETA kreuzen die Pop-Pfade eines David<br />
Friedlund. Auch der merkwürdige Minimalpop <strong>von</strong> NA-<br />
POO ermöglicht keine echte Verschnaufpause, denn es lauert<br />
bereits der 60s Garagenpunk <strong>von</strong> den RICOCHETS und<br />
HELLDORADO. Obwohl es sich laut Cover um „some kind<br />
of rock/pop notes from the north“ handeln soll, dominierten<br />
hier doch die etwas härteren Klänge. Neben den bereits<br />
genannten gehören wohl Bands wie KIMONO, RÖÖVEL<br />
ÖÖBIK oder SCHTIMM noch zu den bekannteren, auf jeden<br />
Fall gibt es hier einiges zu entdecken. Leider sind die Informationen<br />
über die Bands etwas mager. Immerhin werden<br />
zwar Albumtitel und Label genannt aber die Angaben, wann<br />
die Alben jeweils veröffentlicht wurden, fehlen. Nichts desto<br />
trotz eine gute Zusammenstellung. Sehr interessant klingen<br />
für mich die CARDIACS-beeinflussten ULPA aus Island.<br />
(71:14) (8) Kay Wedel<br />
V.A. Original Riddims:<br />
24 Of Reggae’s Most Sampled Cuts <strong>CD</strong><br />
trojan-records.com/Sanctuary | Hinter einem Riddim<br />
verbirgt sich in der Reggaemusik ein Instrumentalstück,<br />
definiert mit einem kurzen Rhythmusmuster, meistens einer<br />
Bassline, welche aus einem Originalsong übernom-<br />
selspiel zwischen Sägegitarren und Schraubknöpfen zusammenkommt<br />
und in einander übergeht, kommen richtige<br />
Hits dabei heraus. Ein bisschen mehr Kraft könnte die Stimme<br />
des Sängers haben, der sich eher dem Schönsingen verschrieben<br />
hat, dafür aber in gutem Englisch, was bei Franzosen<br />
ja sonst eher zu den vollkommen unbekannten Fremdsprachen<br />
zählt. (60:10) (7) Claus Wittwer<br />
MADE OUT OF BABIES<br />
Coward <strong>CD</strong><br />
Neurot | Nachdem ihr Debüt „Trophy“ schon letztes Jahr<br />
in der Presse gut weggekommen ist und einige Lorbeeren<br />
einheimsen konnte, erscheint nun ein Jahr später das zweite<br />
Album <strong>von</strong> MADE OUT OF BABIES und hört auf den gar<br />
so passenden Namen „Coward“. Dass sich das New Yorker<br />
Quartett um Frontfrau Julie Christmas auf „Coward“ so direkt,<br />
so furchteinflößend, so fordernd, so rauh und energisch<br />
präsentiert, hätte ich nicht erwartet. Wenn man dann<br />
aber im Zusammenhang sieht, dass kein geringerer als Steve<br />
Albini hinter den Reglern saß, ist das Ergebnis natürlich<br />
klar und nicht anders zu erwarten. MOOB haben den Biss,<br />
der BLACK FLAG in ihrer Spätphase Mitte der Achtziger gefehlt<br />
hat: sie reißen an deinen Nervensträngen, schütteln<br />
dich und werfen dich benutzt und ausgepowert in die Ecke,<br />
weil DU der Feigling bist, der aufgibt, der nicht mehr kann.<br />
Ein Song wie „Out“ zum Beispiel: erst Julies zarte Stimme,<br />
erinnert an die CHEERLEADERS, dann setzt eine brachiale<br />
Gitarre ein, die zerrt und kreischt, und weil das noch nicht<br />
reicht, spielen Bass und Drums immer wieder zwischen ruhig<br />
und peitschend hin und her, bis der Song in einem klassischen<br />
SHELLAC-Drive endet und dich mit offenem Mund<br />
in der Ecke sitzen lässt – Ende. Im Anschluss kommt passenderweise<br />
ein „Lullaby“. Doch genug der Ruhe: „Mr. prison<br />
shanks“ zieht an deinen Haaren, zerstörende Gitarren fliegen<br />
durch die Luft und MOOB schaffen es, rauher als SHEL-<br />
LAC, HELMET und BORN AGAINST zusammen zu klingen.<br />
Atemlos. Ruhelos. Nichts für Feiglinge! (37:20) (9)<br />
Ross Feratu<br />
MIND CONTROLS<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
Dirtnap | Ich hoffe, es ist nicht erst seit der King Khan &<br />
BBQ Show klar, dass Mark Sultan aka BBQ einer der derzeit<br />
besten Punkrock/Rock’n’Roll-Songwriter/Sänger ist. <strong>Die</strong><br />
MIND CONTROLS sind eines seiner kurzlebigen Bandprojekte,<br />
bei dem Herr Sultan mit ein paar Montrealer Kumpels<br />
(unter anderem DEMON’S CLAWS- und CONFU-<br />
SERS-Leute) mal eben locker im gewohnt knarzigen Garagensound<br />
ein absolut geiles Album aus dem Ärmel schüttelt.<br />
Grob geht’s in die Richtung der frühen SPACESHITS-<br />
Sachen, aber ich fühle mich streckenweise auch angenehm<br />
an alte End 70er/Anfang 80er Heroen wie die ANGRY SA-<br />
MOANS erinnert. Auf der mir vorliegenden <strong>CD</strong> <strong>von</strong> Dirtnap<br />
ist komischerweise die Tracklist am Ende etwas durcheinander<br />
gewürfelt, daher will ich an dieser Stelle auch noch<br />
mal auf die wunderbar hypnotische Picture-LP auf P.Trash<br />
Records hinweisen (falls die nicht schon ausverkauft ist),<br />
die sich auch noch durch zwei Songs <strong>von</strong> der Dirtnap-<strong>CD</strong><br />
unterscheidet. (20:26) (8) Bernd Fischer<br />
MARS VOLTA<br />
Amputechture <strong>CD</strong><br />
GSL/Universal | Wer vom dritten Album der Herren Rodriguez-Lopez/Bixler-Zavala<br />
etwas anderes erwartet hatte<br />
als eine weitere harte Nuss, der muss naiv sein. Auch „Amputechture“<br />
mit seinem stark an Salvador Dalí erinnernden<br />
Artwork spaltet, lässt nur die Reaktion „love it or leave it“<br />
zu, enthält wiederum keine Musik, die dazu taugt, im Hintergrund<br />
gehört zu werden, sondern erfordert Konzentration<br />
und Zuwendung. Cedric hat endgültig an seinem Hochton-Gesang<br />
Gefallen gefunden, dem zuzuhören durchaus<br />
anstrengt, und wenn angesichts der Musik allenthalben auf<br />
men wird. Oft gehört auch noch eine charakteristische kurze,<br />
<strong>von</strong> Bläsern gespielte Melodie, dazu. Der so entstandene<br />
neue Song ist somit also eigentlich nur eine Version des Originals,<br />
allerdings wurde oder besser wird meistens darauf<br />
verzichtet, den Urheber zu nennen. <strong>Die</strong> CLASH-Songs „Armagideon<br />
Time“ beziehungsweise „Justice tonight/Kick it<br />
over“ basieren so zum Beispiel auf einem Riddim aus „Real<br />
rock“: die Basslinie besteht hier aus einem einzigen Takt, der<br />
durchgehend wiederholt wird, die Bläser spielen fünf Noten,<br />
die Orgel drei. <strong>Die</strong>ses Riddim, mit geschätzten 1.000<br />
Versionen das am meisten verwendete Riddim, fehlt leider<br />
auf dieser 24 Titel umfassenden Compilation, aber sonst gibt<br />
es nichts zu meckern, klassische Reggae-Riddims in Hülle<br />
und Fülle, <strong>von</strong> „Cuss cuss“ über „Stalag 17“ bis hin zu „Bam<br />
bam“. <strong>Die</strong> meisten Aufnahmen auf dieser <strong>CD</strong>, unter anderem<br />
<strong>von</strong> THE ETHIOPIANS, MAYTALS oder TECHNIQUES,<br />
John Holt, Byron Lee, Llyod Robinson oder Ansel Collins,<br />
stammen aus den 60er Jahren. Wer Lust hat, kann ja mal unter<br />
riddimbase.net nach Songs, Riddims oder Interpreten<br />
suchen. (74:06) (8) Kay Wedel<br />
V.A. Revolution Is Just<br />
A Heartbeat Away <strong>CD</strong><br />
twisted-chords.de | Zehn Jahre gibt es Twisted Chords nun.<br />
Anlass genug, sich selbst mit einem Sampler zu feiern. Und<br />
auf dem ist ein großer Querschnitt enthalten durch alles,<br />
was bei dem Label aus der Nähe <strong>von</strong> Karlsruhe in der vergangenen<br />
Dekade erschienen ist. Unter anderem sind GUE-<br />
RILLA, REJECTED YOUTH, INNER CONFLICT, RIFU, MDC,<br />
CHAOZE ONE, YA BASTA, DER TRICK IST ZU ATMEN oder<br />
VIRAGE DANGEREUX dabei. 20 Bands mit 27 Songs decken<br />
somit alles ab, <strong>von</strong> Hardcore über Punk und Ska bis<br />
zu Rap. Eigentlich eine ziemlich durchwachsene Mischung,<br />
da aber alle vertretenen Gruppen einen qualitativen Mindeststandard<br />
teilen, kann man die <strong>CD</strong> wirklich gut durchhören,<br />
ohne dass sie langweilig wird. Totalausfälle gibt es<br />
keine, und wenn mal ein Lied nicht so ganz den persönlichen<br />
Geschmack trifft, das nächste tut es bestimmt wieder.<br />
Also: Herzlichen Glückwunsch, Twisted Chords – auf weitere<br />
zehn Jahre! (77:39) Jan Eckhoff<br />
V.A. Rogue’s Gallery: Pirate Ballads,<br />
Sea Songs, & Chanteys 2<strong>CD</strong><br />
Anti/SPV | Im Zuge der pompösen Marketing-Kampagne<br />
für „Pirates of the Caribbean II“ kamen Regisseur Gore Verbinski,<br />
Hauptdarsteller Johnny Depp und Verbinski-Kumpel<br />
Brett Gurewitz auf die<br />
Idee zu dieser epischen<br />
Compilation, die allerdings<br />
für den größten Teil<br />
des Pirates-Mainstream-<br />
Publikums eher mal <strong>von</strong><br />
untergeordnetem Interesse<br />
sein dürfte. Denn<br />
die 43 Songs <strong>von</strong> 36 Musikern<br />
haben relativ wenig<br />
mit dem Film zu, bis<br />
auf den Umstand, dass es<br />
sich um Interpretationen<br />
alter Seemannslieder<br />
und verwandtem Material handelt. Vorgetragen <strong>von</strong> Richard<br />
Thompson, Darsteller John C. Reilly, Nick Cave, Bryan Ferry,<br />
David <strong>Thomas</strong>, Sting (Würg!), Bono (nochmal würg!), Stan<br />
Ridgway (ganz groß!), Van Dyke Parks, Jarvis Cocker, Lou<br />
Reed, Lucinda Williams und Gavin Friday, um nur einige<br />
zu nennen. Eine definitiv sehr ambitionierte und musikalisch<br />
höchst anspruchsvolle Angelegenheit und um einiges<br />
unkommerzieller als der Film, denn die ruhige folkloristische<br />
Stimmung der Platte erfordert schon einen erwachsenen,<br />
aufgeschlossenen Hörer, und eine vielleicht vermutete<br />
Party-Sauf-Stimmung à la THE POGUES wird man hier<br />
einen so unscharfen und allgemeinen Begriff wie Progressive<br />
Rock zurückgegriffen wird, dann offenbart das weniger<br />
genaue Analyse als eine gewisse Hilflosigkeit im Umgang<br />
mit THE MARS VOLTA – und genau an dieser Stelle beginne<br />
ich die Band, deren Platten auch mich gerne mal überfordern<br />
(um nicht zu sagen: nerven), zu schätzen. Rockmusik<br />
wird <strong>von</strong> Omar, Cedric und wechselnder Begleitung nicht<br />
neu erfunden, aber doch in einer extremen Weise interpretiert,<br />
die an „normalen“ Hörgewohnheiten, dem üblichen<br />
Geriffe und bekannter Melodieführung vorbeigeht. Darauf<br />
lässt man sich ein, fühlt sich herausgefordert und beginnt<br />
irgendwann zu verstehen und zu genießen – oder lässt<br />
es besser ganz bleiben, hält das Gründerduo weiterhin für<br />
Blender, Scharlatane, Hippies und Schlimmeres. „Amputechture“<br />
ist nicht besser oder schlechter als „De-loused ...“<br />
und „Frances ...“, sondern wieder anders – und doch ganz<br />
klar als MARS VOLTA-Werk erkennbar. Kunstmusik <strong>von</strong><br />
Freigeistern – einverstanden? (-) Joachim Hiller<br />
MOUNTAIN GOATS<br />
Get Lonely <strong>CD</strong><br />
4AD/Indigo | Man liebt die MOUNTAIN GOATS wahrscheinlich<br />
vorbehaltlos für immer und ewig oder eben gar<br />
nicht. Ich zähle mich zu erster Gruppe, zumal diese Liebe<br />
schon seit circa zehn Jahren anhält. Dabei hat Sänger/Gitarist<br />
John Darnielle auch diesmal nicht allzu viel Neues zu<br />
bieten, höchstens dass „Get Lonely“ wieder mehr an die reduzierteren<br />
Frühwerke erinnert, also überwiegend Darnielles<br />
ungewöhnlicher Gesang, akustische Gitarrenklänge,<br />
ein paar Klaviertupfer, Streicher, ebenso wie etwas Schlagzeug.<br />
Alles subtil und unaufdringlich arrangiert, aber eben<br />
so, dass Darnielles Songs ihre besondere Emotionalität und<br />
Intensität erreichen, wie man das halt <strong>von</strong> einer MOUN-<br />
TAIN GOATS-Platte erwartet. Sehr sympathisch, wenn ein<br />
Songwriter mit solch reduzierten Mitteln nach wie vor zu<br />
solch tollen Platten in der Lage ist, während man sich zum<br />
Beispiel an einer verwandten Band wie SMOG mittlerweile<br />
satt gehört hat. Zumal Darnielle seiner melancholischen<br />
Grundstimmung auch immer noch eine ansteckende Fröhlichkeit<br />
abringen kann, die ihn deutlich <strong>von</strong> den ganzen Lagerfeuer-Jammerlappen<br />
abhebt. Und irgendwie werden die<br />
MOUNTAIN GOATS-Platten auch immer besser und besser,<br />
ohne dass man wüsste, warum. (9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
MOREME<br />
Promo EP 2006 M<strong>CD</strong><br />
moreme.net | <strong>Die</strong> 007 des Punkrocks? MOREME aus<br />
Worms haben nach eigenen Angaben einen Auftrag zu erfüllen.<br />
Sie wollen die No-Future-No-Money-Subkultur<br />
in die Neuzeit tragen. „Aufruhr mit Stil und Aristokratie“<br />
– hui. MOREME sind überzeugt, dass sie es schaffen können.<br />
<strong>Die</strong> drei Songs ihrer Debüt-EP geben ihnen Recht. Dabei legen<br />
sie erst durchschnittlich mit Emo-Rock los, um dann<br />
die Hits auszupacken. „Words still hurt“ ist eine moderne<br />
Rockrakete, die Eindruck schindet. Der Song lebt <strong>von</strong> einem<br />
einzigen Killerriff, einer fetten Melodie, und der Produktion,<br />
die die entscheidende Schippe drauflegt. Sauber, fett und<br />
professionell. Bisher alles richtig gemacht. MOREME: Keep<br />
Punkrock clean! (11:35) (9) Arne Koepke<br />
MARY JANE<br />
Road Signs & Rock Shows <strong>CD</strong><br />
maryjane-online.de | Oha, wieder eine Band, die sich für<br />
die „deutsche Antwort auf JIMMY EAT WORLD“ hält. Das<br />
kann doch nicht gut gehen. Vor allem, wenn man dann häufiger<br />
bei BLINK 182 klaut. Sowieso klingen die Bubblegum-<br />
Punk-Melodien der Münchener MARY JANE amerikanischer,<br />
als Kaliforniens Küstenwache erlaubt. Hier ist nicht<br />
nur der Bandname langweilig. Sicher ist „Road Signs & Rock<br />
Shows“ gut gemachtes Handwerk. Aber bei Handwerkern ist<br />
es mir lieber, wenn sie selbstständig sind. (45:50) (5)<br />
Arne Koepke<br />
vergeblich suchen. Interessant auch, wie sich die einzelnen<br />
Musiker-Egos doch der Gesamtatmosphäre der Compilation<br />
unterordnen, wodurch selbst jemand wie Sting gut erträglich<br />
wird. Das Ganze steckt in einem schönen Dipack<br />
und kann nur als rundum gelungene Angelegenheit bezeichnet<br />
werden. (8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
V.A. Snakes On A Plane (OST) <strong>CD</strong><br />
New Line/Warner | Kürzlich habe ich mich noch über<br />
die Vorschau auf just diesen Film und die kultivierte Aerophobie<br />
bestimmter Nationen lustig gemacht und zur Strafe<br />
muss ich mir jetzt den Soundtrack anhören, der Gruppen<br />
wie PANIC! AT THE DISCO, THE SOUNDS, FALL OUT BOY,<br />
THE BRONX, ARMOR FOR SLEEP, THE HUSH SOUND und<br />
andere bietet. Klingt gut? Aber nur wenn keine dämlichen<br />
Stampfbeat-Remixes der Titel den Soundtrack füllen. <strong>Die</strong>s<br />
ist hier leider der Fall. Samuel L. Jackson hat mit Sicherheit<br />
sein Veto eingelegt, aber da konnte er einfach nichts mehr<br />
retten. Andererseits schön für das Fueled By Ramen-Unterlabel<br />
Decaydance, dass man hier so viele Bands „platzieren“<br />
konnte. (60:23) (5) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
V.A. Silver Monk Time Playloud! 2<strong>CD</strong><br />
playloud.org | Zum 40. Geburtstag der legendären MONKS<br />
machte sich das Berliner Label Play Loud! daran, eine kleine<br />
Geburtstagsgala in Form einer Tribute-<strong>CD</strong> zu organisieren<br />
– und das unter Teilnahme der Band. Das Ergebnis ist<br />
eine gute, aber auch erst auf den zweiten Blick ihre Qualitäten<br />
offenbarende Mischung, auf der bekanntere Namen<br />
wie THE GOSSIP, Gudrun Gut, FEHLFARBEN, GOLDE-<br />
NE ZITRONEN, MOUSE ON MARS, THE 5.6.7.8’s, FSK, THE<br />
FALL, Alec Empire, Jon Spencer, Alexander Hacke, Barbara<br />
Manning, S.Y.P.H., SILVER APPLES & Alan Vega, THE (IN-<br />
TERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY oder FAUST auf diverse<br />
(mir) unbekannte Interpreten treffen. Auch fällt der<br />
hohe deutsche Anteil bei der Auswahl der Gratulanten auf,<br />
was wiederum Sinn macht, war doch das Deutschland<br />
der Sechziger die Homebase der Amerikaner MONKS, die<br />
es via US Army nach Germany verschlagen hatte. Ich hätte<br />
mir also vielleicht eine etwas internationalere Gratulantenschar<br />
gewünscht, ja eine etwas rock’n’rolligere und weniger<br />
intellektuell-popkulturelle, doch unterm Strich bieten<br />
die 29 Tracks auf den beiden <strong>CD</strong>s ein höchst interessantes<br />
Bild, regen auf jeden Fall dazu an, sich nach dem Hören<br />
um so intensiver mit dem Original zu beschäftigen, das übrigens<br />
auch selbst vertreten ist: <strong>Die</strong> MONKS selbst spielten<br />
mit Charles Wilp zusammen den Song ein, den der damals<br />
als Afri Cola-Werbelied komponiert hatte und den eigentlich<br />
einst die sieben Mönchskuttenträger hätten einspielen<br />
sollen. (8) Joachim Hiller<br />
V.A. Studio One Scorcher Vol. 2 <strong>CD</strong><br />
Soul Jazz/Indigo | Der ersten Ausgabe folgen nun weitere<br />
sechzehn Intrumentals aus dem erfolgreichen Studio<br />
One-Backkatalog, produziert <strong>von</strong> Clement „Sir Coxsone“<br />
Dodd. Mit dabei sind Legenden wie THE SKATALITES, SOUL<br />
VENDORS, Cedric Brooks, Roland Alphonso, Jackie Mittoo,<br />
Tommy McCook oder DUB SPECIALIST. Irre relaxed, dieser<br />
Sampler. Wer den ersten Teil der Serie zu schätzen wusste,<br />
wird hier sicher neben einigen bekannten Hits den einen<br />
oder anderen ungeschliffenen Diamanten finden. (57:28)<br />
(7) Simon Brunner<br />
V.A. Triebwerk.<br />
10th Anniversary Triebwerk <strong>CD</strong><br />
triebwerk.co.at | Mit dieser bereits zweiten Compilation,<br />
feiert sich das österreichische Jugend- und Kulturhaus<br />
Triebwerk in Wiener Neustadt selbst. Und das zu Recht.<br />
Zehn Jahre hat man auf dem Buckel und kann wohl auf so<br />
manche unvergessliche Show zurückblicken. Hier ist alles<br />
versammelt, was in Österreich im Bereich Punk, Hardcore<br />
<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 079<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 79 22.09.2006 20:52:47 Uhr
MINION<br />
Exile Of Fear <strong>CD</strong><br />
minion-online.de | Es ist schon merkwürdig, dass manche<br />
Bands praktisch vom ersten Pieps weg auf irgendwelchen<br />
Majorlabels landen und andere wesentlich qualifiziertere<br />
Kapellen seit Jahrzehnten ein Undergrounddasein fristen<br />
müssen. So wie die Bremer Sportmetaller <strong>von</strong> MINI-<br />
ON, die scheinbar im Zuge des momentan kursierenden<br />
Metal-Trends <strong>von</strong> den einschlägigen Labels gänzlich unbeachtet<br />
bleiben. Längst überfällig liegt mir nun zum Glück<br />
der zweite Knaller vor, der die Band in Höchstform präsentiert.<br />
Geboten wird lupenreiner Power Metal mit thrashiger<br />
Note und jeder Menge lyrischem Pathos. Für Freunde klassischen<br />
Metals die keinen Bock mehr auf den ganzen mo-<br />
080 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />
dernen Firlefanz der Baggypant-Pseudo-Metal-Kiddies haben<br />
uneingeschränkt zu empfehlen. Leider wurde vom malaysischen<br />
Label nur eine kleine Stückzahl gedruckt, weshalb<br />
hier in Deutschland knapp 100 Exemplare via Bandhomepage<br />
verkauft werden können. Also schleunigst zu greifen,<br />
denn wer die Band seiner Zeit mal live erblicken durfte,<br />
weiß, was Metal ist! Uwe Kubassa<br />
MARBLE SHEEP<br />
Raise the Dead: 2006 March Europe <strong>CD</strong><br />
Fünfundvierzig/Indigo | MARBLE SHEEP sind in Japan seit<br />
Anfang der 90er eine Institution des Psychdedelic Rocks,<br />
wo<strong>von</strong> ich mich schon auf zwei Studioplatten überzeugen<br />
konnte, allerdings gibt es noch zehn weitere <strong>von</strong> ihnen. Anfang<br />
dieses Jahres konnte man sie live auch in Europa bewundern<br />
– unter anderem in Deutschland –, wo auch die<br />
acht Tracks dieses Albums mitgeschnitten wurden. Ähnlich<br />
überzeugend wie im Studio entfachen MARBLE SHEEP einen<br />
wilden Psychedelic-Sound zwischen MC5, STOOGES<br />
und progrockigeren Tendenzen, der häufiger mal in lange<br />
Improvisationsteile ausartet, was auf der Bühne noch etwas<br />
ungebremster umgesetzt wird als im Studio. Man muss<br />
nicht unbedingt Fan solchen Acid Rocks sein, um sich <strong>von</strong><br />
dem brachialen Wall of Sound der Japaner beeindruckt zu<br />
zeigen, die so manche vermeintliche Punkband wie weichgespülte<br />
Chartsheinis dastehen lassen. Da<strong>von</strong> vermittelt<br />
selbst diese Konserve einen guten Eindruck, die den rohen<br />
Live-Sound der Japaner in adäquater Form eingefangen hat,<br />
nicht zu perfekt, aber nicht zu bootlegig. Man bedauert eigentlich<br />
nur, dass man selbst nicht dabei gewesen ist. (8)<br />
<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
MANGES<br />
Go Down <strong>CD</strong><br />
Wynona | Hm, überrascht hat es mich doch, dass die MAN-<br />
GES plötzlich Anarcho-Crustpunk machen. Na ja okay, das<br />
war jetzt ein Scherz meinerseits, ein ziemlich flacher noch<br />
dazu, sorry. Denn die MANGES spielen natürlich das, was sie<br />
immer spielen: Pop-Punk in Perfektion, streng nach dem<br />
SCREECHING WEASEL/QUEERS Gesetz. Was die MANGES<br />
für mich aber nach wie vor zu einer europäischen (und internationalen)<br />
Ausnahmeband in diesem Sektor macht, sind<br />
ihre zum Großteil echt kritischen Lyrics, die weit über den<br />
sonst üblichen Girls&Party-Kosmos hinausgehen, der meist<br />
im Pop-Punk vorherrscht. Gut, dass es die Jungs aus La Spezia,<br />
Italien gibt, denn neue Platten <strong>von</strong> denen mag ich immer<br />
gerne, so auch diese. (26:11) (7) Bernd Fischer<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
MANIFESTO JUKEBOX<br />
Strain LP<br />
Unsociable/Combat Rock Industry | Mit etwas Verzögerung<br />
ist jetzt auch die Vinylversion dieses Albums erschienen,<br />
auf Unsociable Records aus Bremen. Deshalb zitieren<br />
wir uns einfach selbst: Achtung, Achtung! Schweres Geschütz<br />
<strong>von</strong> oben! Im Booklet <strong>von</strong> „Strain“ stürzen Militärhubschrauber,<br />
Maschinenpistolen, Kampfjets und Messer<br />
vom Himmel. Vier Jahre nach „Remedy“ (BYO, 2002) sind<br />
die finnischen MANIFESTO JUKEBOX mit ihrem dritten<br />
Album zurück. Ihre Musik lässt sich im Gegensatz zum Cover<br />
allerdings nicht durchgängig als dickmanteliges Punkrock-Geschoss<br />
bezeichnen. Melodien haben MANIFESTO<br />
JUKEBOX noch nie verschmäht. HOT WATER MUSIC übernehmen<br />
eine weitere Patenschaft. Der rauhe Gesang passt<br />
gut auf die hektisch gespielten Gitarren, die Rockrhythmen<br />
regieren. Auffallend bei „Strain“ ist die reduzierte Produktion.<br />
Es kommt nicht darauf an, Wände aus Gitarren aufzustellen.<br />
Vielmehr möchte die Band, die sich auch in HÜS-<br />
KER DÜ-Shirts sehen lassen könnte, den echten, schmutzigen<br />
Punkrock-Sound aus den Verstärkern holen. Richtig<br />
Krach zu machen ist für die meisten Bands nicht einfach; bei<br />
den Finnen gehört er zum Repertoire. Dafür reichen zwei<br />
V.a.<br />
Sampler &<br />
Compilations<br />
und Ska Rang und Namen hat. Und das ist erstaunlich viel.<br />
Da hat man dann so klingende Namen wie SKEPTIC ELEP-<br />
TIC, EPHIAN RIAN, RED LIGHTS FLASH, JAN FEAT. UDSSR,<br />
BLOODSUCKING ZOMBIES FROM OUTER SPACE und<br />
BOUNZ THE BALL. Eine sehr feine Sache also. Trotzdem,<br />
die zwei Tracks, die mich am meisten umhauen, kommen<br />
dann doch aus dem Ausland: Das ist zum einen das fetzige<br />
„Real rain“ <strong>von</strong> den TURBO AC’S und zum anderen „Taking<br />
over primetime“ <strong>von</strong> den schwedischen Noisecorelern THE<br />
SMACKDOWN. (72:33) Robert Buchmann<br />
V.A.Trojan Selecta 3 <strong>CD</strong><br />
trojan-records.com | Mit der „Selecta“-Reihe greift Trojan<br />
auf einen sehr alten, eigenen Kniff zurück. Als man in<br />
den späten Sechziger Jahren erkannte, dass sich der (damals<br />
britische) Käufer schwer tat mit kompletten Alben einzelner<br />
Künstler, reagierte Trojan darauf mit der Sampler-Reihe<br />
„Tighten Up“. Getreu diesem offensichtlichen Vorbild,<br />
handelt es sich also auch hier um eine, aus jüngeren Veröffentlichungen<br />
des Labels zusammengestellte, Compilation<br />
zum kleinen Preis. Als Opener wählte man den besten<br />
Song des neuen Albums der Label-Nesthäkchen PAMA IN-<br />
TERNATIONAL. <strong>Die</strong> Geburtsjahre der übrigen Stücke bewegen<br />
sich innerhalb der Zeitspanne <strong>von</strong> 1968 bis 1988.<br />
Dementsprechend breit gestaltet sich die stilistische Zusammensetzung<br />
<strong>von</strong> Roots über Dub bis Dancehall und genauso<br />
unterschiedlich daher wohl auch die Meinungen, welche<br />
Songs besonders hervorzuheben wären. Ich entscheide<br />
mich für das, auf dem „Rock fort rock“-Riddim basierende,<br />
„Entering the dragon“ <strong>von</strong> B.Ragga und das wundervolle<br />
„Prisoner of love“ <strong>von</strong> Dave Barker. Von der – wohl zur<br />
Überraschung weniger – bald erscheinenden, neuen Single-Sammlung<br />
des kürzlich verstorbenen Desmond Dekkers,<br />
hat man sich mit „Intensified“ für einen Song entschieden,<br />
der trotz riesigem Hitpotenzial nicht täglich im Radio läuft.<br />
Runde Sache. (41:30) (6) Ferdinand Praxl<br />
V.A. Tales From The<br />
Asphalt Dancefloor <strong>CD</strong>/LP<br />
vokdatonicmedia.com | „ This is not Dance Punk!“ lautet<br />
der Hinweis des in Tempe, Arizona ansässigen Labels Vodka<br />
Tonic Media an die Musikjournalisten, die ständig auf der<br />
Suche nach der nächsten heißen Scheiße sind. Dabei ist „Tales<br />
From The Asphalt Dancefloor“ mit seiner Kombination<br />
aus Punkrock und Elektronik schon irgendwie tanzbar,<br />
es handelt sich hier aber eben um Punkrock und nicht um<br />
irgendeinen gehypten, seelenlosen Mist, der so gerne retro<br />
wäre; und die Elektronik ist hier nicht nur Beiwerk, sondern<br />
fundamentaler Bestandteil der Musik. Leider nur sechs<br />
Tracks beinhaltet der als <strong>CD</strong> und hübsche Picture-LP veröffentlichte<br />
Sampler, der aber vom Label auch nicht als solcher,<br />
sondern als eine Art überlange Single verstanden werden<br />
will, quasi mit sechs A-Seiten. Was angesichts der zum<br />
Teil personellen Überschneidungen zwischen den Bands<br />
auch Sinn ergibt. <strong>Die</strong> Songs <strong>von</strong> DESTRUCTION UNIT, SEX<br />
FOR CIGARETTES, BILLY DRUID’S ATOMIC GOSPEL und<br />
THE CUTTERS sind bisher unveröffentlicht, der Beitrag<br />
<strong>von</strong> BLANCHE DIVISION ist ein Remix und nur den DIGI-<br />
TAL LEATHER-Song gab es schon mal woanders. Und auch<br />
wenn alle Songs dem schwammigen Begriff Elektropunk<br />
zugeordnet werden können, sind sie jeder für sich doch völlig<br />
eigenständig, was ein weiterer Unterschied zu dem Discoscheiß<br />
ist, den die jeden aus England kommenden Furz<br />
für originell haltenden Massen so gerne fressen. Neben DE-<br />
STRUCTION UNITs „Come on feel it“ (die letzte gemeinsa-<br />
Gitarren aus. Das klingt nicht fett und nicht modern, macht<br />
aber den Reiz einer Platte aus, die nicht jedem gefallen wird.<br />
Mitreißende Songs in dichter Atmosphäre für die einen, belangloser<br />
Post-Hardcore für die anderen. Mit „Strain“ haben<br />
MANIFESTO JUKEBOX wieder kein Konsensalbum am<br />
Start. (7) Arne Koepke<br />
MASSIVE ASSAULT<br />
Conflict M<strong>CD</strong><br />
crashlandingrecords.com | Mannomann, die Holländer<br />
MASSIVE ASSAULT machen ihrem Bandnamen alle Ehre.<br />
Von der ersten Sekunde dieser 4-Track-<strong>CD</strong> an bläst einem<br />
ein absoluter Death Metal-Orkan entgegen, der in dieser<br />
Zeit seinesgleichen sucht. MASSIVE ASSAULT machen keine<br />
Gefangenen und versuchen gar nicht erst das Genre neu<br />
zu definieren. Ungeniert ballert ein Song nach dem anderen<br />
im bester ENTOMBED- und DISMEMBER-Manier entgegen,<br />
aber zu der Hochzeit dieser Bands, also Ende der<br />
Achtziger. Erwartet hier keine Innovation, jeder Song ist<br />
mit Sicherheit schon mal so <strong>von</strong> einer der beiden genannten<br />
Bands gespielt worden, aber egal, hier regiert die absolute<br />
Dampframme, Musik voller Power und Gewalt. Sehr, sehr<br />
geil. (13:08) (8) Dr. Oliver Fröhlich<br />
MCRACKINS<br />
Bat Out Of Shell <strong>CD</strong><br />
Wynona/Cargo | <strong>Die</strong> verrückten Eierköpfe sind zurück.<br />
Und haben wieder tief in die Trickkiste gegriffen. Vor einigen<br />
Jahren überschwemmte das kanadische Trio den Erdball<br />
praktisch mit seinen<br />
Veröffentlichungen, wo es<br />
bald unmöglich erschien,<br />
noch ein Label zu finden,<br />
bei dem die MCRA-<br />
CKINS nicht schon mal<br />
eine Veröffentlichung hatten.<br />
In den letzten Jahren<br />
wurde es dann etwas ruhiger<br />
um die umtriebigen<br />
Pop-Punker. Ich vermutete<br />
nach all den Releases<br />
ein kreatives Burnout-Syndrom.<br />
Das mag<br />
vielleicht auch der Fall gewesen sein, denn für „Bat Out Of<br />
Shell“, dem inzwischen zwölften Album der Band, ließen sie<br />
sich mal richtig Zeit und arbeiteten rund zwei Jahre an den<br />
zwölf Songs. Fleiß hat seinen Preis, und so ist ein hervorragendes,<br />
hochmelodisches Pop-Punk-Album herausgekommen,<br />
was in bester QUEERS-Tradition die tollen Hooklines<br />
der BEACH BOYS mit der Energie der RAMONES vermischt.<br />
Und ordentlich bekloppt sehen die drei ja auch noch wie eh<br />
und je aus. Was für ein Bild, an Bass und Gitarre stehen die<br />
zwei Eier Bil und Fil, dahinter am Schlagzeug sitzt der Hund<br />
Spot. Im nächsten Jahr werden es diese merkwürdigen Drei<br />
auch wieder auf europäischen Bühnen zu sehen sein. Das<br />
wird ein Spaß ... (36:20) (8) Abel Gebhardt<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
MAXIMUM KOUETTE<br />
Et Alors <strong>CD</strong><br />
Emma/Universal France | Mit ihrer schon seit vielen Jahren<br />
laufenden „Sprachreinhaltungskampagne“ hat die französische<br />
Regierung zwei Dinge erreicht: In Frankreich dominieren<br />
einheimische, frankophone Popkünstler, und außerhalb<br />
des Landes kennt kaum irgendwer französische<br />
Bands – einzelne Ausnahmen bestätigen da die Regel. Nun<br />
singen auch LE MAXIMUM KOUETTE auf Französisch, haben<br />
aber zumindest schon mal eine deutsche Booking-<br />
Agentur und machen sich mit ihrem vierten Album, nach<br />
drei Indie-Releases dort auf Universal erschienen, im Oktober<br />
auf Deutschlandtour. <strong>Die</strong> Wurzeln der siebenköpfigen<br />
Band (drei Männer, vier Frauen) liegen dabei im Punk und<br />
me Aufnahme <strong>von</strong> LOST SOUNDS-Ray und -Alicja, da merke<br />
ich wieder, wie es mich schmerzt, dass es diese brillante<br />
Band nicht mehr gibt) ist das unglaublich grandiose„Fuck<br />
pain“ <strong>von</strong> THE CUTTERS für mich hier der Höhepunkt; aus<br />
diesem Projekt <strong>von</strong> DIGITAL LEATHERs Shawn Foree und<br />
De<strong>von</strong> Morris (THE EX-LOVERS, BETWEEN THE LINES)<br />
soll bald eine richtige Band werden. Unbedingt merken!<br />
(9) André Bohnensack<br />
V.A. Tales From The Australian Underground<br />
– Singles 1976-1989 Vol. 1 <strong>CD</strong><br />
feelpresents.com | In <strong>Ox</strong> #67 rezensierte ich Vol. 2 dieser<br />
Compilation-Serie, die allerdings nicht wirklich aufeinander<br />
aufbaut, sondern Teil 1 eher ergänzt, wobei es bandmäßig<br />
einige Überschneidungen<br />
gibt. Besitzt man<br />
freilich beide Doppel-<br />
<strong>CD</strong>s, hat man einen exzellenten<br />
Überblick über<br />
australische Punk- und<br />
Undergroundszene bis<br />
1990 – und eine perfekte<br />
Ausgangsbasis, um<br />
sich nach und nach eine<br />
Sammlung der essentiellen<br />
Aussie-Rock-Platten<br />
zuzulegen. Allerdings sind<br />
trotz insgesamt rund 100<br />
Songs auf 4 <strong>CD</strong>s einige Lücken zu konstatieren, fragt man<br />
sich, warum BORED!, MEANIES, MASSAPPEAL, SPLAT-<br />
TERHEADS oder YOU AM I nicht enthalten sind – aber wer<br />
weiß, was Vol. 3 dereinst bieten mag. Und da man aus über<br />
1.000 Liedern eine Auswahl treffen musste, war der Job des<br />
Zusammenstellens ja sowieso kein leichter. RADIO BIRD-<br />
MAN als wichtigster Einfluss für die Musikfan-Karriere <strong>von</strong><br />
Feel Presents-Macher Tim Pittman eröffnen den Reigen mit<br />
„Burned my eye“, gefolgt <strong>von</strong> den SAINTS mit „This perfect<br />
day“, THE VICTIMS, THE SCIENTISTS („Frantic romantic“,<br />
was für ein Hit!), FUN THINGS, THE BIRTHDAY PAR-<br />
TY („Happy birthday“ singt Nick Cave hier), SUNNYBOYS,<br />
TRIFFIDS, X (nicht die Kalifornier), DIED PRETTY, THE<br />
EASTERN DARK, THE NEW CHRISTS, Ed Kuepper, Venom P.<br />
Stinger, GOD, THE MARK OF CAIN, CELIBATE RIFLES („Lost<br />
cause“), CELIBATE RIFLES und HARD-ONS. <strong>Die</strong> Reihenfolge,<br />
man erahnt es schon, ist chronologisch, und das beiliegende<br />
Booklet ist so dick und umfassend, dass man beinahe<br />
die gesamte <strong>CD</strong>-Spielzeit benötigt, um die detaillierten<br />
Hintergrund-Infos zu allen Bands zu lesen. Eine liebevolle<br />
Compilation, die ich nur jedem ans Herz legen kann. (10)<br />
Joachim Hiller<br />
V.A. Underground Tajikistan LP<br />
V.A. Underground Uzbekistan LP<br />
geocities.com/tam89rds | Lük Haas, der für das ICRC in<br />
Genf arbeitet und deshalb beruflich Ecken der Welt zu sehen<br />
bekommt, die für „normale“ Menschen unerreichbar<br />
sind, ist seit rund 20 Jahren da<strong>von</strong> besessen, die Punk- oder<br />
zumindest Underground-Musikszene <strong>von</strong> „exotischen“<br />
Ländern und Städten zu dokumentieren, vor dem Vergessen<br />
zu bewahren, ja den Musikern dort irgendwie Zugang<br />
zum weltweiten D.I.Y.-Netzwerk zu verschaffen. Seine beiden<br />
neuen Releases widmen sich den einstigen Sowjetrepubliken<br />
Usbekistan und Tadschikistan. „Underground Tajikistan“<br />
beschäftigt sich, deshalb auch der Untertitel „Dushanbe<br />
Punkers & Rocker“, mit der Musikszene der Hauptstadt<br />
Duschanbe, und wer wirklich mal außergewöhnliche,<br />
wenn auch teilweise anstrengende und nicht immer gerade<br />
perfekt produzierte Musik hören will, ist hier genau richtig.<br />
Das Namedropping erspare ich mir, doch ZAPADNY KVAR-<br />
TAL seien stellvertretend erwähnt, spielen sie doch wunderschönen<br />
Alternative Rock mit schönem Frauengesang.<br />
Reggae, seit Jahren sind/waren sie die Stars der Indie-Szene<br />
unserer Nachbarn, doch ohne dass sie sich ihren Schneid<br />
haben abkaufen lassen. Bei „Et Alors“kann nicht mehr <strong>von</strong><br />
typischem Punk oder Reggae die Rede sein, sind MAXI-<br />
MUM KOUETTE in erster Linie eine begeisternde Pop-Band<br />
mit einem mitreißenden Rhythmus, sind hier neben Punk-<br />
Wurzeln auch Einflüsse aus New Wave und Soul herauszuhören,<br />
liegt die Stärke des Septetts im samtigen, sweeten Gesang<br />
<strong>von</strong> Frontfrau Moon – französischer Pop hat einfach<br />
seinen ganz eigenen Reiz. Alles in allem erinnert mich dieser<br />
eigenwillige, gelungene Crossover ohne jeden Ethno-<br />
Kitsch an die grandiosen LES RITA MITSOUKO, die in den<br />
Achtzigern Erfolge feierten. Ein Geheimtip auf dieser Seite<br />
des Rheins – noch! (42:45) (8) Joachim Hiller<br />
M’S<br />
Future Women <strong>CD</strong><br />
Polyvinyl | Da warte ich auf teils schönen, teils drögen Indie,<br />
den typischen Polyvinyl-Sound eben, und THE M’S bieten<br />
mir einen Opener, der Brian Wilson und Paul McCartney<br />
alle Ehre machen würde. 60s Britpop, elektrisierende Gitarrenläufe<br />
und stetes Drumming ziehen sich wie ein roter Faden<br />
durch das gesamte Album. Im Verlauf desselben öffnet<br />
man sich auch den 70s, so klingt vieles bekannt, mal folkig<br />
nach Dylan oder Guthrie, dann eher nach THIN LIZZY, aber<br />
man spielt auf derart hohem Level, dass der Hörer immer<br />
mit Coverversionen rechnet, aber THE M’S covern nicht.<br />
Folglich wird ihr Album zum Pflichtkauf für Menschen mit<br />
einem historischen Musikinteresse und eigentlich ist jeder<br />
Song auf diesem Album eine Single. Da werden die Kritiker<br />
reihenweise umfallen, aber für den breiten Konsens sind<br />
THE M’S wohl zu nostalgisch. (8) (39:53)<br />
<strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
MONO & WORLD’S END GIRLFRIEND<br />
Palmless Prayer / Mass Murder Refrain <strong>CD</strong><br />
Temporary Residence | Noch vor den Aufnahmen zu ihrer<br />
letzten Platte begannen MONO die Zusammenarbeit<br />
mit Katsuhiko Maeda, der unter dem Pseudonym WORLD’S<br />
END GIRLFRIEND schon seit Längerem unter anderem epischen<br />
Streicher-Postrock aufnimmt. Und episch-breitwandig<br />
ist das Ergebnis auch geworden: Bis zum ersten unvermeidlichen<br />
Aufbäumen dauert es über eine halbe Stunde.<br />
Dass das dann aber geradezu zurückhaltend ausfällt, sagt viel<br />
über die Platte aus, denn hier geht es nicht um die Ausformulierung<br />
<strong>von</strong> Laut/Leise-Dynamiken, sondern das Fließen,<br />
um die Atmosphäre, um Stimmung. Wie auf den blauschwarzen<br />
Boden des Ozeans hinab gezogen fühlt man sich,<br />
lässt man sich auf die hypnotische Kraft der sechs langen<br />
Stücke ein. Das ist absolut keine kammermusikalische Hintergrundberieselung,<br />
sondern eine fordernde, eigenständige<br />
und auf ihre Art wunderschöne Platte, die dem Genre orchestralen<br />
Postrocks eine weitere Facette hinzufügt. (74:06)<br />
(8) Christian Maiwald<br />
NATIONAL RAZOR<br />
Naked Before God And Country <strong>CD</strong><br />
Mapleshade | NATIONAL RAZOR existieren<br />
seit 1998 und veröffentlichten ihr Debütalbum<br />
„Finally Death Is Coming“ im Jahr 1999. Im<br />
Jahr 2001 erschien eine Split-Scheibe mit den<br />
N<br />
U.K. SUBS, ein Jahr später des zweite Album „Do<br />
You Wanna Get High Tonight“. Das Album glänzt<br />
mit einigen echten Ohrwürmern und Highlights – lässiger,<br />
melodiöser und unaufgeregter Punk. <strong>Die</strong>se neue <strong>CD</strong> beinhaltet<br />
„Live-Tracks“, die mit einer analogen 2-Spur-Maschine<br />
während einer Session im Sommer 2004 aufgenommen<br />
wurden. Es sind sowohl Tracks der ersten beiden Alben<br />
als auch unveröffentlichte Songs darauf enthalten. <strong>Die</strong> Idee<br />
war, eine „urtümliche“ Scheibe, ohne den üblichen Studio-<br />
Schnick-Schnack zu veröffentlichen. Wie heißt es so schön<br />
im Info der <strong>CD</strong>: „... four guys playing their guts out, with<br />
Auf „Underground Uzbekistan“ sind dann diverse Bands aus<br />
Tashkent zu hören, etwa HARDCORE-OPA, BROGEN BO-<br />
GEN, TUPRATIKON’S oder SKISSERZ, und generell ist der<br />
Sound hier eher klassischer Punk/Hardcore, sind die Bands<br />
„entwickelter“. Weitere Infos finden sich unter http://uzrock.net,<br />
wobei man ohne Russischkenntnisse da freilich<br />
nicht viel Spaß dran hat. Bemängeln muss ich an beiden<br />
Compilations das Fehlen erläuternder Linernotes: Lük<br />
wird doch sicher über Hintergrundinfos zu den jeweiligen<br />
Bands und Szenen verfügen, und die hätte mich schon interessiert.<br />
So bleibt einem oft nur das erstaunte Zuhören, doch<br />
die Antwort auf die Frage, wie man in einem Land wie etwa<br />
Tadschikistan oder Usbekistan zum Hardcore kommt, hätte<br />
mich schon sehr interessiert. Wer also <strong>von</strong> den ewig gleichen<br />
Sounds und Bands hiesiger Herkunft gelangweilt ist,<br />
sollte hier unbedingt mal zugreifen. (8) Joachim Hiller<br />
V.A. Unterstützer-Sampler <strong>CD</strong><br />
nix-gut.de | Seit August letzen Jahres ist er nun schon im<br />
Gange, der Konflikt zwischen dem Leutenbacher Label Nix<br />
Gut und der Stuttgarter Staatsanwaltschaft wegen der Verwendung<br />
eines durchgestrichenen Hakenkreuzes. Zum allgemeinen<br />
Betroffenheitsausdruck jetzt der Unterstützer-<br />
Sampler für Nix Gut. Rechnet man die Investition in diesen<br />
Sampler mit dem auf, was man an Musik zurückbekommt,<br />
kann unter Umständen schon eine Kaufempfehlung abgeben.<br />
Besonders weil eine Band besonders heraussticht,<br />
nämlich KONFLIKT aus der Slowakei. Der Rest ist mal wieder<br />
gewöhnungsbedürftig, wenn man sich überhaupt an belanglose<br />
Texte mit Leidensattitüde à la NI JU SAN gewöhnen<br />
möchte. (56:03) Katrin Schneider<br />
V.A. Waggle-Daggle.<br />
Der Jubiläums Label Sampler M<strong>CD</strong><br />
waggle-daggle.com | Ein Label mit niedlichem Namen<br />
wird drei Jahre alt. Das ist zwar kein klassischer Zeitpunkt<br />
für eine Jubiläumsfeier, aber bei Waggle-Daggle Records<br />
Grund genug, eine kleine Werkschau zu veranstalten.<br />
Fünf der sieben verpflichteten Bands sind auf dem „Jubiläums<br />
Label Sampler“ mit je einem Songs vertreten: SKAGEN,<br />
SUSHIMOB, VERLEN, KANMANTU und CLOROFORM. Jeder<br />
einzelne Song hat Klasse. Vom Pop über Punkrock bis zu<br />
Indie – die Bands bewegen sich sicher durch heutzutage unsicheres<br />
Terrain. Ich möchte alle Alben dieser Bands haben!<br />
Vielleicht haben sie genau darauf abgezielt, im Hause Waggle-Daggle,<br />
wer weiß? Ich jedenfalls bin auf den Hund gekommen.<br />
(17:27) (10) Arne Koepke<br />
V.A. Waves Of Reverb, Sea Of Fuzz <strong>CD</strong><br />
nofunrecords.com | Ein interkontinentales Meeting zweier<br />
Wellenreiterbands bietet das Detroiter Garage-Label No<br />
Fun auf dem Split-Release „Waves Of Reverb ...“. Zum einen<br />
sind die argentinischen Cocktailsurfer LOS KAHUNAS, zum<br />
anderen die griechischen INVISIBLE SURFERS beteiligt. <strong>Die</strong><br />
Argentinier schneiden allerdings deutlich besser ab als die<br />
hellenischen INVISIBLE SURFERS. <strong>Die</strong>se bieten nämlich<br />
allenfalls durchschnittliche Kost an, ziemlich dröge Surfsongs,<br />
die relativ lieblos komponiert, arrangiert und gespielt<br />
scheinen, dazu gibt es noch einen großer Beutel voller stereotyper<br />
Klischees. Einfach uncharmant, deswegen für die<br />
Unsichtbaren nur eine knappe Ganz anders verhält es sich<br />
mit den KAHUNAS aus Buenos Aires. Dort scheint die Sonne<br />
im Jahresdurchschnitt zwar nicht weniger lange als in<br />
Athen, aber dennoch bieten die Latinos einen erfreulichen<br />
Mix aus sommerlichen Melodeien, die einfach nur Spaß bereiten.<br />
Das Melodiegerüst vieler Songs bedient sich bei den<br />
Klängen des Pampa-Hochlandes, doch auch der Atlantik ist<br />
natürlich auch nicht allzu fern. Insgesamt erinnern die KA-<br />
HUNAS daran, wie viel Spaß ein richtiger Sommer mit der<br />
richtigen Beschallung machen kann. (5/8) Gereon Helmer<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 80 22.09.2006 20:52:59 Uhr
their dicks swinging in the wind.“ Das Ergebnis ist soundmäßig<br />
relativ krass und selbst im Vollrausch definitv nicht<br />
komplett durchhörbar. Aber auch mal wieder ganz nett,<br />
wenn Band und Label auf Konventionen pfeifen, zumal NA-<br />
TIONAL RAZOR die einzige Punkband auf Mapleshade Records<br />
sind ... (39:26) (5) Zahni<br />
NAPALM DEATH<br />
Smear Campaign <strong>CD</strong><br />
centurymedia.com | Das letzte Album „The Code Is Red ...<br />
Long Live The Code“ ist gerade mal ein Jahr alt, da kommen<br />
NAPALM DEATH schon mit dem Nachfolger an. Und „Smear<br />
Campaign“ hält das<br />
hohe Niveau des Vorgängers<br />
weitestgehend problemlos,<br />
scheint sogar so<br />
eine Art experimentelles<br />
Pendant zu „The Code ...“<br />
zu sein. Denn obwohl den<br />
Songs abermals die punkige<br />
Attitüde zu Grunde<br />
liegt, die NAPALM DEATH<br />
in den letzten Jahren wieder<br />
entdeckt haben, und<br />
die Engländer auch dieses<br />
Mal wieder größtenteils<br />
Vollgas geben, ist „Smear Campaign“ etwas weniger<br />
offensiv, dafür verspielter und grooviger geworden als<br />
„The Code ...“. Was durchaus an „Diatribes“ <strong>von</strong> 1996 erinnert,<br />
als NAPALM DEATH auf einmal unverschämt mitreißend<br />
und beinahe tanzbar wurden. Als Gast haben NAPALM<br />
DEATH für „Smear Campaign“ Anneke van Giersbergen <strong>von</strong><br />
THE GATHERING ins Studio geladen um den Song „In deference“<br />
und das Quasi-Intro „Weltschmerz“ gesanglich zu<br />
begleiten; so prägend wie Jello Biafras Gastauftritt bei „The<br />
Code ...“ ist das aber leider nicht. Der mittlerweile übliche<br />
etwas aus dem Rahmen fallende Song – hier ist das der <strong>von</strong><br />
Sänger Barney mit normaler Stimme vorgetragene Titelsong<br />
– funktioniert dagegen wieder wunderbar. Leider mangelt<br />
es „Smear Campaign“ etwas an direkter Eingängigkeit, einen<br />
Hit wie den Titelsong des letzten Albums gibt es hier nicht,<br />
was „Smear Campaign“ insgesamt einen Deut schwächer<br />
macht als „The Code ...“. Dennoch wird erneut untermauert,<br />
dass NAPALM DEATH keine Kategorisierung in Grindcore,<br />
Death Metal oder sonstiges nötig haben, eben einfach<br />
nur NAPALM DEATH sind, und ganz einfach mit das Beste,<br />
was es momentan an extremer Musik gibt. (8)<br />
André Bohnensack<br />
NARZISS<br />
Solang das Herz schlägt <strong>CD</strong><br />
alveranrecords.com/SPV | Obwohl NARZISS schon eine<br />
Weile dabei sind und zwischenzeitlich sogar auf Per Koro<br />
veröffentlichten, sind sie bis jetzt doch spurlos an mir vorbeigerauscht.<br />
<strong>Die</strong> meisten Bands mit dem Prädikat „Metalcore“<br />
verdienen auch meistens keine weitere Beachtung,<br />
bei dem Quintett aus Thüringen ist das hingegen anders.<br />
<strong>Die</strong> deutschen Lyrics sind sicherlich in dieser Musiksparte<br />
schon eine kleine Besonderheit, doch auch musikalisch<br />
überrascht man mit einigen feinen Melodien, die man<br />
sonst eher bei schwedischen Death Metal-Bands erwartet<br />
hätte. Zwar bedienen sich NARZISS auch hin und wieder<br />
des Bauernfängerschemas „gebrüllte Strophe / gesungener<br />
Refrain“, doch Mainstream der Marke CALIBAN hört<br />
sich anders an, der duldet keine bis zum Anschlag durchgetretene<br />
Doublebass. Überschwänglichen Pathos allerdings<br />
schon, die Kitschgrenze überschreiten die Jenaer leider ein<br />
paar Mal, meistens kratzen sie aber, ähnlich wie die <strong>von</strong> mir<br />
hochgeschätzten ESCAPADO, die Kurve. So bleibt „Solang<br />
das Herz schlägt“ eine durchweg emotionale Angelegenheit,<br />
fernab <strong>von</strong> jeglichem Stakkato-Einheitsbrei der üblichen<br />
Metalcore-Kraftprotze. (32:47) Ingo Rothkehl<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
M.A. NUMMINEN<br />
Singt Heinrich Heine <strong>CD</strong><br />
Trikont/Indigo | Der Teufelskerl Mauri Antero Numminen,<br />
Multitalent und Kultfigur des finnischen Underground,<br />
schlägt erneut zu. Nach „Dägä, dägä“ und der Erfindung des<br />
neorustikalen Jazz beziehungsweise Tango gelingt ihm nun<br />
mit „Singt Heinrich Heine“ der nächste Streich. Ausgelöst<br />
durch eine Anfrage des Berliner Literaturhauses anlässlich<br />
des 150. Todestages <strong>von</strong> Heinrich Heine, entstand ein 12 Titel<br />
umfassender Songzyklus, dem sieben Heine-Gedichte zu<br />
Grunde liegen, fünf Mal wurde im Geiste <strong>von</strong> Heine interpretiert.<br />
Herausgekommen sind Texte wie „Gern der Zeiten<br />
gedenk’ ich, gern, gern! Da alle Glieder gelenkig, bis auf eins.<br />
Gern, gern! <strong>Die</strong> Zeiten sind vorüber. Wozu, wozu? Steif sind<br />
alle Glieder. Bis auf eins. Wie schwoll es an, war alles dran!<br />
Ständig wollt’s tun! Und nun doch will’s ruhn“, die natürlich<br />
mit der unverkennbaren Nummin’schen Kieksstimme<br />
vorgetragen werden. Dazu gesellen sich diesmal maschinelle<br />
Rhythmen und Tonfolgen, die mit akustischen Instrumenten<br />
wie Cello oder Vibrafon kombiniert werden. Beim ersten<br />
Hören klang es durchaus etwas befremdlich und düster,<br />
aber Numminen wäre nicht Numminen, wenn er nicht<br />
auch überraschen könnte. Vielleicht nennt er diese Musik ja<br />
einmal neorustikalen Ambient. Abgerundet mit zwei Dub-<br />
Versionen werden die insgesamt 14 Songs mit jedem weiteren<br />
Hören vertrauter und schließlich beginnt man auch<br />
dieses kratzbürstige Cello in sein Herz zu schließen. (48:42)<br />
(8) Kay Wedel<br />
NEW STORY<br />
Untold Stories <strong>CD</strong><br />
Rude | Langweilig mit drei A. Mehr fällt mir zu THE NEW<br />
STORY doch einfach mal nicht ein. <strong>Die</strong> Songs auf „Untold<br />
Stories“ gehen nicht mal auf der einen Seite des Kopfes<br />
rein und auf der anderen wieder heraus, sie streifen mei-<br />
nen Kopf einfach so, ohne dass überhaupt irgendwas hängen<br />
bliebt. Eigentlich schade, da THE NEW STORY aus Italien<br />
kommen und somit den viel versprechenden Exotenstatus<br />
zur Verfügung haben. Total verspielt haben sie den mit ihrer<br />
Mischung aus amerikanischem Durchschnitts-Emo mit<br />
Teenagertexten. Tut mir leid, das sagen zu müssen, aber THE<br />
NEW STORY braucht wirklich niemand. Es ist auch nicht so,<br />
dass das Album mehrere Durchgänge bräuchte, um zu zünden<br />
– da ist einfach nichts. Na ja, dass die Band auch noch<br />
eine oberpeinliche Powerchord-Version <strong>von</strong> Natalie Imbruglias<br />
„Torn“ aufgenommen hat, will ich jetzt mal verschweigen.<br />
Ups! (2) Sebastian Wahle<br />
JOANNA NEWSOM<br />
Ys <strong>CD</strong><br />
Drag City/Rough Trade | Zwei Jahre nach ihrem äußerst<br />
erfolgreichen ersten Album „The Milk-Eyed Mender“ kehrt<br />
die Frau mit der Harfe und dem ungewöhnlichen Gesang,<br />
eine quengelige Mischung aus Björk und Kate Bush, zurück,<br />
um alleine schon durch geschmackvolles Namedropping<br />
auf sich aufmerksam zu machen. Denn mit Jim O’Rourke,<br />
Steve Albini und Van Dyke Parks dürfte auf der technischen<br />
Seite schon mal nichts schief gehen, zumal sie diesmal die<br />
Platte in den heiligen Abbey Road Studios in London aufnahm<br />
und direkt ein komplettes Orchester im Nacken hatte.<br />
In 55 Minuten gibt es gerade Mal fünf Songs, opulent instrumentiert,<br />
ein bizarres Wechselspiel zwischen klassisch<br />
arrangierten Streichersätzen und Newsoms schrägen Gesangskünsten<br />
und ihrem eigenwilligen Harfespiel. Und tatsächlich<br />
hat man hier, ähnlich wie Ende der 70er bei Kate<br />
Bush, das Gefühl, einem seltsamen Zusammentreffen <strong>von</strong> E-<br />
und U-Musik beizuwohnen, denn den ganzen wundervollen<br />
Melodien steht in gleichem Maße ein höchst abstraktes,<br />
immer wieder Haken schlagendes Songwriting gegenüber,<br />
teilweise vergleichbar mit der späteren Aneignung der<br />
BEATLES durch XTC, auch wenn Newsoms Ansatz wesentlich<br />
sperriger ist. Man hat ja selten genug das Gefühl, in der<br />
Musikwelt etwas wirklich Neues zu hören, aber Newsom<br />
hat hier ein ungewöhnliches und eigenständiges märchenhaftes<br />
Kunstwerk geschaffen, das sich Kategorisierungen<br />
und Vergleichen gekonnt entzieht und einen immer wieder<br />
in Staunen versetzt. (9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
NICE BOYS<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
birdmanrecords.com/Rough Trade | Jungs, lasst euch besser<br />
nicht erwischen, okay? Ich meine, euer Intro zum Opener<br />
„Teenage nights“ ist eins zu eins <strong>von</strong> Gino Vannellis<br />
„Black cars“ geklaut, ich habe das eben noch verifiziert.<br />
Okay, ihr mögt jetzt fragen, was ich für ein Typ bin, so eine<br />
peinliche Achtziger-Plastik-Rocknummer überhaupt zu<br />
kennen, aber darum geht’s hier nicht. Bei den NICE BOYS<br />
handelt es sich um die neue Band <strong>von</strong> Terry Six <strong>von</strong> den EX-<br />
PLODING HEARTS, dem einzigen Überlebenden eines Autounfalls,<br />
der im Juli 2003 seine drei Bandkollegen das Leben<br />
kostete. Respekt dafür, dass er es geschafft hat, sich eine<br />
neue Band zu suchen nach so einem Horrorerlebnis. Seine<br />
neuen Mitmusiker fand er bei den RIFFS, jener ebenfalls aus<br />
Portland, Oregon stammenden Formation, die einst auf TKO<br />
veröffentlicht hat, doch wer denkt, die NICE BOYS seien irgendwo<br />
zwischen den beiden Vorgängerbands anzusiedeln,<br />
könnte falscher nicht liegen: Hier sehe ich Schnauzbärte,<br />
Vokuhila-Frisuren und junge Männer in bespoilerten Chevy<br />
Camaros, meine ich eine Band aus den Siebzigern vor mir zu<br />
haben, die sich nicht so recht zwischen CHEAP TRICK, SLA-<br />
DE und SWEET entscheiden kann – und die, jetzt in echt,<br />
wirklich schreckliche Frisuren hat. Power-Pop meets Glam<br />
meets Pub-Rock, so kann man die NICE BOYS beschreiben,<br />
die Songs sind perfekt und eine Spur zu soft produziert, und<br />
doch üben sie einen gewissen Reiz aus, sollten Fans der EX-<br />
PLODING HEARTS ihnen mal eine Chance geben. (32:46)<br />
(7) Joachim Hiller<br />
ON THE LAST DAY<br />
Meaning In The Static <strong>CD</strong><br />
victoryrecords.com | AIDEN hier, AIDEN da – Kajalemo<br />
lebt und scheint seinen Zenit zu erreichen. ON<br />
THE LAST DAY sind nicht nur musikalisch <strong>von</strong><br />
den scheintoten Megasellern auf ihrem Heimatlabel<br />
stark beeinflusst, sondern auch visuell. Man<br />
o<br />
schminkt sich die Augen düster schwarz und<br />
meidet das Sonnenlicht, wie es auch Vampire tun.<br />
Sicherlich haben ON THE LAST DAY viel Zeit im Proberaum<br />
verbracht – so wie es sich für eine aufstrebende Band gehört<br />
–, aber wahrscheinlich haben sich auch viel Zeit damit verbracht,<br />
sich ihre Songideen <strong>von</strong> Alben <strong>von</strong> eben AIDEN, aber<br />
auch RISE AGAINST abzuschauen. Wenn diese beiden Bands<br />
nun in der ersten Liga spielen würden, schaffen es ON THE<br />
ALST DAY leider nur einen hinteren Platz in der unbedeutenden<br />
zweiten Liga zu erspielen. Um aufzusteigen, fehlen<br />
einfach die frischen und selbstständigen Ideen, die die Band<br />
<strong>von</strong> den vielen anderen abheben sollten. Ich sag mal soviel:<br />
Braucht kein Mensch! (5) Sebastian Wahle<br />
OXO 86<br />
So beliebt und so bescheiden <strong>CD</strong><br />
Pukemusic/Broken Silence | OXO 86 liefern deutschsprachigen<br />
Oi! und Ska-Punk, bei dem man getrost, so wie die<br />
Band selbst das tut, <strong>von</strong> „Bierchansons aus Bernau“ sprechen<br />
kann. OXO 86 gibt es mittlerweile seit 10 Jahren, und im<br />
Gegensatz zu vielen ihrer Deutsch-Oi!-Kollegen können die<br />
Jungs und das Mädel an der Trompete mich mit ihrer positiven<br />
Grundeinstellung begeistern. Und es hört sich auch so<br />
an, als könnten sie ihre Instrumente einigermaßen richtig<br />
herum halten. Ich bin wirklich angenehm überrascht und<br />
ertappe mich schon beim Mitträllern. „So beliebt und so bescheiden“<br />
trifft ja durchaus auch auf mich zu. Und „Deine<br />
Freundin steht auf mich“ ist jetzt schon der Hit meiner<br />
nächsten Party. Mit der verwursteten Version des Paul<br />
Anka-Hits „Diana“ liefern OXO 86 den offiziellen Soundtrack<br />
zum 10. Todestag <strong>von</strong> Lady Di (den ich ehrlich gesagt<br />
komplett vergessen hab). Egal. Ich will ein Bier! (44:19) (6)<br />
Claudia Luck<br />
OOIOO<br />
Taiga <strong>CD</strong><br />
Thrill Jockey/Rough Trade | Ein neues Werk <strong>von</strong> Yoshimi<br />
P-We <strong>von</strong> den BOREDOMS mit einem etwas irreführenden<br />
Titel, denn mit „Taiga“ wird im Japanischen ein großer<br />
Fluss bezeichnet. „Taiga“ beginnt mit einem afrikanisch<br />
angehauchten Percussion-Monstrum, um dann in Free-<br />
Jazz-Gefilde abzutauchen, aber auch das gegen Ende mit einer<br />
starken Betonung auf rhythmische Aspekte. Platten <strong>von</strong><br />
OOIOO sind ja in der Regel nicht so leicht verdaulich, wobei<br />
sich Yoshimi hier einem angejazzten Ethno-Krautrock<br />
verschrieben hat, der auf seine Art schon ziemlich einzigartig<br />
ist, vor allem wenn man bei Stück 3 tatsächlich das Gefühl<br />
hat, im afrikanischen Dschungel zu stehen, um dann<br />
Teil einer seltsam funkigen TALKING HEADS-Hommage<br />
zu werden. „Taiga“ ist schon eine erstaunliche Vermengung<br />
<strong>von</strong> Sounds und Rhythmen, wo sich Yoshimi wieder mal als<br />
brillante Schlagzeugerin zeigt, aber es ist auch nicht verachten,<br />
was sich sonst noch auf dieser völlig unberechenbaren<br />
Platte tut, wo jedes weitere Stück einem Sprung ins kalte<br />
Wasser gleicht, aber sich der Naturaspekt des Plattenkonzepts<br />
sehr gekonnt in den Songs manifestiert. Höchstwahrscheinlich<br />
brillant, aber auch sehr mit Vorsicht zu genießen,<br />
denn anspruchslose Popmusik ist das hier nun wirklich<br />
nicht, sollte das bunt-naive Cover das vermuten lassen. (9)<br />
<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
OXFORD COLLAPSE<br />
Remember The Night Parties <strong>CD</strong><br />
subpop.com | Nach dem ersten Durchhören wünsche ich<br />
mir, Sub Pop würden wieder zu ihrer sparsamen Releasepolitik<br />
zurückkehren, denn auch wenn OXFORD COLLAP-<br />
SE gut sind, gemessen am<br />
Labelkatalog sind sie nur<br />
Mittelmaß. Doch nachdem<br />
ich dem mittlerweile<br />
dritten Album des Trios<br />
aus Brooklyn eine Chance<br />
gab, straft mich meine<br />
Aussage Lügen, denn dann<br />
läuft die Platte erst mal<br />
auf Dauerrotation. Zugegeben<br />
Brooklyn wäre mir<br />
als letztes in den Sinn gekommen,<br />
vielmehr hätte<br />
ich die Band – zumindest<br />
in den geografisch eindeutigeren 80ern – gefühlt an der<br />
Westküste angesiedelt, im einschlägig bemühten Dunstkreis<br />
<strong>von</strong> Surfen und Pop-Punk. Als hätten MISSION OF BURMA<br />
die BEACH BOYS verschluckt, als würden BUILT TO SPILL<br />
zu HÜSKER DÜ tanzen, als wären OSTINATO die Nachfolgeband<br />
der PIXIES, als wäre melodischer und gleichzeitig<br />
vertrackter Indierock mit hoher Affinität zu Hardcore aus<br />
der Prä-Grunge- und Post-Punk-Ära unbeschadet in das<br />
neue Jahrtausend gerettet worden. Und irgendwie gelingt<br />
OXFORD COLLAPSE das auch, ohne jemals wie eine Kopie<br />
zu klingen, mit zu gleichen Teilen ruhigeren und lärmigen<br />
Stücken. Wobei erstere auch immer einen Hauch <strong>von</strong> SO-<br />
NIC YOUTH-Balladen haben – nur fröhlicher. Überhaupt<br />
strahlen OXFORD COLLAPSE eine Unbeschwertheit aus,<br />
die beinahe allen Bands in ihrer New Yorker Nachbarschaft<br />
fehlt. (40:59) (8) Chris Wilpert<br />
ONE DROP DOES IT<br />
Your Rome Shall Burn <strong>CD</strong><br />
Modern Noise | „Verflixt sind das gute Melodien.“ ONE<br />
DROP DOES IT aus Bonn haben das große Glück, nicht nur<br />
talentierte, sondern hochbegabte Musiker in ihren Reihen<br />
zu haben. Nicht nur die beiden Gitarristen, die nebenbei<br />
auch noch singen, verstehen ihr Handwerk so gut, dass nicht<br />
selten die Grenze zwischen Emo/Melodycore in Richtung<br />
Progressive überschritten wird. Schlagzeug und Bass outen<br />
sich jedoch auch nicht als durchschnittliches Beiwerk: Sie<br />
füllen den Sound der Band so gut aus, dass man sogar schon<br />
sagen kann, dass ONE DROP DOES IT eigenständig klingen<br />
– und das ist ja schon mal was Außergewöhnliches heutzutage.<br />
Jedoch muss man bei all der Professionalität auch berücksichtigen,<br />
dass „Your Rome Shall Burn“ nicht über die<br />
ganze Spielzeit fesseln kann. Das wird aber bestimmt noch ...<br />
(7) Sebastian Wahle<br />
ONE FINE DAY<br />
Damn Right <strong>CD</strong><br />
rockhit.de/Alive | In zwei Jahren Arbeit entstand das zweite<br />
Album der Hamburger ONE FINE DAY, „Damn Right“.<br />
Nachdem ihr Debüt recht einfältig und AND THE WINNER<br />
IS ähnlich war, sind die zwölf neuen ONE FINE DAY-Songs<br />
vielseitiger und besser. In den ersten Momenten der Platte<br />
hört man schnellere Stücke, deren Drive extrem tanzbodentauglich<br />
ist und deren Melodien <strong>von</strong> den BEATSTEAKS und<br />
BILLY TALENT beeinflusst klingen. In anderen Momenten,<br />
zum Beispiel bei „This dying day“, wird eine andere Seite<br />
der Band deutlich: <strong>Die</strong>se ist ruhiger und lässt eine weibliche<br />
Zweitstimme (Anne Karlstrup <strong>von</strong> den PINBOYS) einfließen.<br />
Aus beidem entsteht ein schönes Popmoment, das<br />
„This dying day“ zu einer Art Verweilmoment des Albums<br />
werden lässt. In den weiteren Songs mischt die Band modernen<br />
Rock à la BEATSTEAKS oder FOO FIGHTERS mit<br />
angepoppten Tönen und melodischen Punkrockelementen.<br />
Ein insgesamt interessanter Sound, dessen Vielseitigkeit dieses<br />
Album schön macht. Von dieser Band wird man (hoffentlich)<br />
noch einiges hören! (45:47) (7) Lauri Wessel<br />
ON PAROLE<br />
Classic Noise <strong>CD</strong>/LP<br />
Punk’n’Drunk | „Classic Noise“ – der Albumtitel soll<br />
Programm sein, denn ON PAROLE stellen sich mit ihrem<br />
Debüt-Longplayer in eine Reihe mit Elvis, den ROL-<br />
LING STONES, den SEX PISTOLS, AC/DC und vielen anderen<br />
Klassikern. Nun, der Anspruch ist hoch, und ob ON<br />
PAROLE diese Linie weiterzuführen vermögen, wird wohl<br />
erst die Zukunft weisen. Auf Classic Noise wird jedenfalls<br />
gediegener Rock’n’Roll geliefert, bei welchem man bereits<br />
nach wenigen Sekunden beziehungsweise einem Blick auf<br />
die Songtitel weiß, worum es hier geht: um den hardrockin’<br />
man, barflies, whiskey, drivin’, und das alles vorgetragen <strong>von</strong><br />
der heavy machinery ON PAROLE. Streckenweise erinnert<br />
Classic Noise an NASHVILLE PUSSY, mit welchen ON PA-<br />
ROLE ja auch bereits die Bühne geteilt haben; wie bei diesen,<br />
ist hier die Welt noch in Ordnung: erdige AC/DC-Riffs, feine<br />
Soli und eben Texte über die paar Dinge, die einem richtigen<br />
Rock’n’Roller halt wichtig sind. <strong>Die</strong> Vinylversion wartet<br />
mit einem Bonustrack auf, wohingegen die <strong>CD</strong> das Video<br />
zu „Hard rockin’ man“ bietet. 30:23 (7) Simon Loidl<br />
OHL<br />
Feindkontakt <strong>CD</strong><br />
Bad Dog/Core Tex | <strong>Die</strong> OBERSTE HEERESLEITUNG gibt<br />
es auch immer noch. Aber manches ist einfach nicht tot<br />
zu kriegen, so wohl auch Deutscher W. in seinem ewigen<br />
Kampf gegen das Böse dieser Welt. Seine Feindbilder sind<br />
wie eh und je fest abgesteckt. Religiöser Fanatismus, politischer<br />
Radikalismus, Terrorismus und Nationalismus sind<br />
die Wurzeln allen Übels. So weit, so gut. Wenn doch nur alles<br />
so einfach wär ... dann wär mein Vater Millionär ... oder<br />
die Welt eine bessere. Aber bis es soweit ist, werden OHL<br />
weiterhin ihren knallharten Deutschpunk raushauen und<br />
hoffen, damit den ein oder anderen schweren Treffer beim<br />
Feind zu landen. Denn martialisch darf es immer gerne mal<br />
zu gehen bei den Herren Egon Krenz, Kalashnikov, Stalin,<br />
L.Kaida und eben Deutscher W. Hinsetzen und mal drüber<br />
reden ist was für gestrige Hippies. Aber ich kann mir nicht<br />
helfen, so richtig modern und dem Zeitgeist entsprechend<br />
klingen OHL jetzt auch wieder nicht ... (31:15) (6)<br />
Abel Gebhardt<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
OUTBREAK<br />
Failure <strong>CD</strong><br />
bridge9.com | Noch vor dem ersten Hördurchgang war<br />
mir klar, dass hier möglicher Weise die Belohnung für die<br />
eine oder andere, mir mühsam abgerungene, Emocore-<br />
Bandbesprechung liegen könnte. Tja, Bridge Nine Records<br />
bürgt nun mal für einen gewissen oldschooligen Standard<br />
in Sachen Hardcore. Produziert wurde „Failure“ <strong>von</strong> Jim<br />
Siegel, der unter anderem mit AMERICAN NIGHTMARE<br />
Hardcore – Geschichte geschrieben hat. Und ja, bereits nach<br />
kurzem Hören fühle ich mich in erfrischender Weise an den<br />
AMERICAN NIGHTMARE-Klassiker „Year One“ erinnert,<br />
allerdings gepaart mit der halsbrecherischen Geschwindigkeit<br />
der BAD BRAINS und der aggressiv-nihilistischen Attitüde<br />
<strong>von</strong> BLACK FLAG. Und vielleicht liege ich da jetzt<br />
völlig falsch, aber ein Funke frühe SUICIDAL TENDENCIES<br />
ist da doch auch noch dabei, oder? Fazit: Sechzehn Hardcore-Punk-Songs<br />
der Extraklasse in knapp zwanzig Minuten ...<br />
und ich hab schon vergessen, dass es so etwas wie Emocore<br />
überhaupt gibt. (20:25) (8) Robert Buchmann<br />
OF THE OPERA<br />
Study Natural Law <strong>CD</strong><br />
Lucid | Robert Bock aus Chicago hat nach seiner Bandzeit in<br />
MONDAY’S HERO und THE FIREBIRD BAND nun ein Egoprojekt<br />
realisiert, welches sich eher an DEPECHE MODE,<br />
BRIGHT EYES und Bowie orientiert als an den Emocore<br />
seiner frühen Tage. Bock spielte alle Instrumente selbst ein<br />
und insgesamt hat das Album einen klaren elektrischen Einschlag,<br />
denn Drums gibt es aus dem Computer. So klingen<br />
die zehn Songs nicht besonders organisch, aber Bock bietet<br />
durchaus schöne, tanzbare Uptempo-Nummern mit einem<br />
hervorragenden Sinn für Rhythmus und außergewöhnliche<br />
Melodien. Das Layout ist stylisch, aber nicht gerade opulent,<br />
wie schon öfters bei Lucid angemerkt, also nicht gerade<br />
ein Vermögen dafür ausgeben, generell aber durchaus<br />
eine schöne Anschaffung, auch für DEATH CAB FOR CU-<br />
TIE-Fans. (44:25) (8) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
PLEXUS<br />
Blunt M<strong>CD</strong><br />
rebelproducts.de | Hihi, beim Blick auf die<br />
Bandhomepage werde ich begrüßt mit den Worten<br />
„Fuck you! Rock’n’Roll“. Das beeinflusste<br />
meine Wahrnehmung natürlich schon vor dem<br />
P<br />
ersten Hören. PLEXUS ist eine sechsköpfige Band<br />
aus dem schweizerischen Interlaken, die eine<br />
Mischung aus Punk und Rock spielt. <strong>Die</strong> große Mitgliederzahl<br />
erklärt dadurch, dass die Gitarren durch Hammondorgel<br />
beziehungsweise Rhodes verstärkt werden. <strong>Die</strong> sieben<br />
Songs sind straight und zackig, die selbst gewählten Vergleiche<br />
mit DOVER oder JULIETTE & THE LICKS treffen durchaus<br />
zu, insgesamt aber klingt das für mich so, als wollten<br />
die netten Jungs und Madels <strong>von</strong> nebenan mal wilde Rocker<br />
sein. So ganz überzeugend kommt das leider nicht rüber.<br />
(17:52) (4) Christian Meiners<br />
POP LEVI<br />
Blue Honey <strong>CD</strong><br />
Counter | Uuhhh yeah, Baby, I like that. was ist bloß diesmal<br />
los, in so kurzer Zeit werde ich mit soviel neuer, fantastischer<br />
Musik zugeworfen dass ich schon ganz gerührt bin.<br />
Danke LUCKY JIM und auch POP LEVI. Ich suche jeden Tag<br />
wie eine Verrückte nach Musikern, die mir ein wenig diesen<br />
Flair <strong>von</strong> Bands wie T. REX, LED ZEPPELIN oder einem mei-<br />
<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 081<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 81 22.09.2006 20:53:09 Uhr
ner Country-Helden bringen. Mit diesem Blue Honey“ ist<br />
schlagartig Nacht, irgendwo im Freien unter Palmen, eine<br />
Party mit viel Wein. Ich kann es nicht verstehen, wenn jemand<br />
die Platte nicht mag, ich werde wie eine Bekloppte<br />
jeden damit nerven und wahrscheinlich die Hälfte meiner<br />
Freunde verlieren, aber es wird sich auszahlen. POP LEVI<br />
hat die Antwort auf die Frage „Was hab ich, was ihr nicht<br />
habt?“, hat diese musikalisch beantwortet, und man könnte<br />
stundenlang darüber reden, was er anders macht. Eine ganze<br />
Menge Bands geben oben genannte Bands als ihre Einflüsse<br />
an, aber hier hat man wirklich das Gefühl, dass er im<br />
Studio steht und sich mental auf irgendeinem kommunikativen<br />
Level mit Marc Bolan trifft. Fünf Lieder reichen vollkommen<br />
aus. Man wird ganz locker, pff, unbezahlte Rechnung,<br />
beim Schwarzfahren erwischt. Fuck it! Was soll’s.<br />
Tambourins, Geschnipse – „Sugar you’re not the same, since<br />
I learned your name“ – Rumgepfeife, mit „Skip ghetto“<br />
eine fabelhafte Akustiknummer, ich glaube, ich bin in einem<br />
Wald, umgeben <strong>von</strong> Glühwürmchen, die enge Jeans<br />
tragen, nur für mich. Anfang nächsten Jahres kommt „Return<br />
To Form Black Magick Party“. Ein ganz großes Huuray<br />
for POOP LEVI! (8) Martha Biadun<br />
PISSED JEANS<br />
Shallow LP<br />
partsunknownrecords.com | Wahnsinn! Seit „Zombie“ <strong>von</strong><br />
den DRUNKS WITH GUNS habe ich kein Schlagzeug mehr<br />
gehört, das wie eine abgefeuerte 44er Magnum mit defektem<br />
Schalldämpfer klingt. <strong>Die</strong> PISSED JEANS hauen heftig<br />
in die Kerbe der ganz frühen Drunks und streuen eine Prise<br />
Frühachtziger Blag Flag mit in die Suppe. Jaja, ich weiß,<br />
kennst du nicht, aber was soll ich machen, einen solch kaputten<br />
Sound gab es bereits einmal, aber er wurde halbfertig<br />
liegengelassen beziehungsweise durch das lasche Spätwerk<br />
mehr oder weniger demontiert. Psychopathen-Sound, kaputt,<br />
fertig, angepisst ... genau die Sorte Musik, die man im<br />
Ohrstöpsel haben sollte, wenn man mit der Halbautomatischen<br />
<strong>von</strong> Onkel Heinz den Beginn des neuen Schuljahrs<br />
feiert und den einen oder anderen Lehrkörper vom Vorjahr<br />
auf dem Gang trifft. Zumindest haben ein paar Willi Wichtigs<br />
danach mal wieder die Ursache für alles Weltübel auf<br />
dem Tisch: Solche Musik, Gewaltvideos und Computerspiele.<br />
Yeah, seit Jahren wirklich keine so kaputte Band mehr gehört,<br />
die sich auf einer Platte derart fertig durch die Stücke<br />
hackt. Herrlich, da fühlt man sich gleich besser, denn DIE<br />
sind richtig fertig und angefressen! Wem FLIPPER ein wenig<br />
zu drogenfrei und harmlos waren, der sollte hier sein Glück<br />
finden! (9) Kalle Stille<br />
PAJO<br />
1968 <strong>CD</strong><br />
Drag City/Rough Trade | David Pajo ist jemand, den man<br />
eigentlich nicht mehr großartig vorstellen muss, der Mann<br />
hat bei SLINT, TORTOISE und bei einigen anderen Bands aus<br />
dem Umfeld <strong>von</strong> Chicago und Louisville gespielt und unter<br />
unterschiedlichen Namen Soloplatten aufgenommen. <strong>Die</strong><br />
waren meist betulicher Natur, das heißt eher spartanisch instrumentiert<br />
und mehr in der Tradition <strong>von</strong> Folk- als Rockmusik<br />
stehend. Das ist bei „1968“ nicht viel anders, auch<br />
wenn die Platte einen etwas lebendigeren Eindruck macht,<br />
dabei ist der Titel durchaus Programm, denn die Songs<br />
durchzieht tatsächlich ein End-60er-Folk-Pop-Feeling.<br />
Folkbarden wie SIMON & GARFUNKEL scheinen da nicht<br />
weit zu sein, ebenso wie Cat Stevens, Neil Young oder Donovan,<br />
ohne dass sich Pajo konkret irgendwo bedienen würde.<br />
„1968“ wurde wieder mal im Alleingang eingespielt,<br />
trotzdem klingt die Platte eher nach einer richtigen Band<br />
als man vielleicht annehmen würde. Pajo kommt hier vielleicht<br />
am ehesten einer richtigen Pop-Platte nahe, die Songs<br />
wirken trotz minimalistischer Umsetzung weniger unfertig<br />
als sonst und scheinen auch weniger davor zurück zu schre-<br />
dvds<br />
ASTA KASK<br />
Dom far aldrig mig DVD+<strong>CD</strong><br />
burningheart.com | Über die schwedische Punkszene der<br />
Achtziger ist hierzulande kaum etwas bekannt, nur ein paar<br />
wenige Bands sind in Erinnerung geblieben. Aber wie war<br />
damals die Stimmung im wohlbehüteten sozialdemokratischen<br />
Paradies, unter was für Bedingungen existierte eine<br />
Band wie ASTA KASK? Darüber ist kaum etwas bekannt, und<br />
diese Doku über ASTA KASK verschafft da einen etwas genaueren<br />
Einblick. <strong>Die</strong> in ihrer ersten Version 1979 gegründete<br />
Band aus der tiefsten Provinz wurde im Laufe der Achtziger<br />
neben den medial weitaus präsenteren EBBA GRÖN zu<br />
einer wichtigsten Punkbands des Landes, die politisch klar<br />
Stellung bezog gegen Militarismus, Aufrüstung, Atomenergie,<br />
die D.I.Y. lebte – und dann in der zweiten Hälfte der<br />
Achtziger zwar trotz ihrer Medienfeindlichkeit großen Erfolg<br />
hatte, aber letztlich <strong>von</strong> ihrer Szene aus Neid und Missgunst<br />
verstoßen wurde und sich dann auch auflöste – nachdem<br />
sie, die sich geschworen hatten, nie ein Album aufzunehmen,<br />
„Aldrig en LP“ veröffentlicht hatten – deren Titel<br />
„Niemals eine LP“ bedeutet ... Seit ein paar Jahren sind ASTA<br />
KASK, die für unzählige Bands wie MILLENCOLIN oder<br />
THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY eine wichtige<br />
Inspirationsquelle waren, wieder aktiv, und so machten<br />
sich Staffan Danielsson und Erik Kolthoff daran, einen Film<br />
über sie zu drehen. Das Ergebnis ist beeindruckend, eine<br />
knapp eine Stunde laufende Doku mit reichlich altem Bildund<br />
Tonmaterial (aber auch neuem), basierend auf Interviews<br />
mit den Bandmitgliedern, Wegbegleitern und Nachfolgern,<br />
natürlich durchgehend auf Schwedisch, aber dank<br />
der englischen Untertitel auch für unsereins verständlich.<br />
Dazu kommt dann noch diverses Bonusmaterial – und eine<br />
Bonus-<strong>CD</strong> namens „Playmates 7805“ mit Neueinspielungen<br />
<strong>von</strong> 17 alten ASTA KASK-Hits. Eine wirklich sehenswerte,<br />
rundum gelungene Doku. (9) Joachim Hiller<br />
BALZAC<br />
66 Hits From Darkism Vol.1 & 2 2DVD<br />
shocker-europe.com | Da leckt sich der Fan die Finger<br />
nach. Meine Güte, was für ein volle Ladung BALZAC gibt<br />
es denn hier auf dieser pickepacke vollgestopften DVD? Für<br />
die 66 Songs, der Titel lässt es bereits erahnen, benötigt man<br />
dann auch gleich zwei DVDs. Ursprünglich wurde die DVD<br />
nur an Fans bei Konzerten in Japan verschenkt(!) – gerne<br />
auch als einzelne DVDs. So ist das halt in Japan, da bekommt<br />
der Gast, in diesem Falle der Konzertbesucher, halt ein Geschenk<br />
mit auf den Heimweg. Eine schöne Tradition, die ich<br />
mir in unserem Kulturkreis auch so manches Mal wünschen<br />
würde. Auf jeden Fall muss der gemeine Westeuropäer diese<br />
Doppel-DVD der japanischen MISFITS käuflich erwerben.<br />
Immerhin kann er das inzwischen via Shocker Europe<br />
auch problemlos tun. Und das lohnt sich auch. Freunde<br />
des trashigen Horrorpunks <strong>von</strong> BALZAC kommen hier voll<br />
und ganz auf ihre Kosten. Vom Opener „Night of the blood<br />
beast“ über „Space vampire in silent noise“ und „The Pain<br />
Is All Around“ bis zum krönenden Abschluss „I can’t stand<br />
it anymore“ (okay, einen Hidden Track gibt es ganz zum<br />
Schluss auch noch) wird kein Hit der Band ausgelassen. <strong>Die</strong><br />
perfekte DVD also für die bevorstehende Halloween-Party.<br />
(8) Abel Gebhardt<br />
BRANT BJORK & KATE McCABE<br />
Sabbia DVD<br />
Duna/Cargo | „Sabbia“ ist eine psychedelische, etwa 80minütige<br />
Dokumentation, die sowohl die südkalifornische<br />
Wüste als auch die rauhe und ebenso trockene Musik <strong>von</strong><br />
082 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />
cken, einem einen prägnanten Refrain zu liefern. Und man<br />
bedauert fast etwas, dass Pajo auf dieser leicht verschrobenen<br />
Künstlerhaltung beharrt, damit man seine Platten auch<br />
ja nicht als vollkommen normal einstuft. (7)<br />
<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
PERE UBU<br />
Why I Hate Women <strong>CD</strong><br />
Glitterhouse/Indigo | Wer nach ROCKET FROM THE<br />
TOMBS angenommen hatte, David <strong>Thomas</strong> hätte wieder<br />
mehr Geschmack an normaler Rockmusik gefunden, wird<br />
bei „Why I Hate Women“<br />
(ein, ähm, wirklich großartiger<br />
Titel ...) erneut eines<br />
Besseren belehrt.<br />
PERE UBU klingen dafür<br />
aber erstaunlich nach<br />
den Anfängen der Band,<br />
ein nervöser avantgardistischer<br />
Rock, durchsetzt<br />
<strong>von</strong> seltsamen Synthie-<br />
Sounds und post-punkiger<br />
Attitüde. Nostalgisch<br />
kann man das nun nicht<br />
wirklich nennen, <strong>Thomas</strong><br />
klingt unangepasst und eigenwillig wie eh und je, tritt hier<br />
aber eine kleine Zeitreise durchs bisherige PERE UBU-Universum<br />
an, wo unter dem Strich eine Platte herauskommt,<br />
die den gewohnten Band-Standard hält, ohne in irgendeine<br />
Richtung extrem auszuschlagen. „Why I Hate Women“<br />
ist vielleicht keine der revolutionärsten Platten <strong>von</strong> <strong>Thomas</strong>,<br />
zumindest für Leute, die so ziemlich jedes Ubu-Werk zu<br />
Hause stehen haben, aber eine gelungene Zustandsbeschreibung<br />
der nach wie vor faszinierenden musikalischen Visionen<br />
dieser „Band“ und ihres Sängers und Kopfes. (8)<br />
<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
PARKWAY WRETCH<br />
Homesick <strong>CD</strong><br />
Formula Thirteen | Ein Trio aus Phoenix, Arizona. PARK-<br />
WAY WRETCH intonieren straighten Punkrock mit rotzigem<br />
Gesang (genau wie WHATEVER!). Das kann mich zwar<br />
nicht wirklich vom Hocker hauen, aber wenn meine alten<br />
Punk- und Hardcore-Kumpels mal wieder am Start<br />
sind und wir eine Partie „Phase 10“ spielen wollen, dann<br />
kann man diese Scheibe getrost einschmeißen und als Background-Untermalung<br />
nutzen. Und das sollte doch wohl<br />
eher als Kompliment verstanden werden, oder? Tut keinem<br />
weh und geht klar. (25:43) (6) Zahni<br />
PINK MOUNTAIN<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
freneticrecords.com | PINK MOUNTAIN stellen den Hörer<br />
(und seine Umwelt) mit ihrem Album vor eine schwere<br />
Herausforderung, und wer schwache Nerven hat, der sollte<br />
besser die Ohren da<strong>von</strong> lassen. Bei aller Begeisterung fand<br />
ich es trotzdem enorm stressig, das Album am Stück anzuhören.<br />
Fiese schleppende, beinahe doomige Feedbackorgien<br />
wechseln sich mit komplett irrem, kreischendem Free-Jazz-<br />
Klangchaos ab. Ruhe wird dem Hörer über zwölf Songs nur<br />
selten gegönnt. Wenn, dann muss er sich in einem Bett aus<br />
Dissonanzen wohl fühlen, begleitet <strong>von</strong> zähen und schrägen<br />
Saxophonen, Violinen, Synthesizern und den klassischen<br />
Rockinstrumenten, die hier wenig herkömmlich eingesetzt<br />
werden – obwohl durchaus BLACK SABBATH-Riffs<br />
durchklingen, wenn auch völlig verfälscht. So comichaft die<br />
pinkfarbene Gestaltung des Covers ist, die sich wie eine liebenswerte<br />
Variation <strong>von</strong> Doom-Motiven ausnimmt, so comichaft<br />
ist auch die Musik. Wahnsinnig schnelle Passagen<br />
sind selten und kurz, werden immer <strong>von</strong> langen, atmosphärischen<br />
abgelöst. Gerade in den Momenten rasender Wech-<br />
Desert-King Brant Bjork vereinigt. Kate Mccabe traf Brant<br />
Bjork vor einiger Zeit im Troubadour in L.A. und schnell<br />
fanden beide zueinander. <strong>Die</strong> Idee eines Films, begleitet <strong>von</strong><br />
seiner Musik, war schnell geboren. Zwischen der unendlich<br />
scheinenden Wüstenlandschaft und dem Spirit der staubigen<br />
Vergangenheit knüpft der Film einen wunderschönen<br />
Wandteppich, in dem perfekte Momente und der rohe<br />
Rock’n’Roll-Lifestyle die Balance halten. Ruhig und gelassen<br />
geht es hier vor: mal werden klassische Desert-Bilder gezeigt,<br />
dann wieder ein riesiger Autoschrottplatz. Zwischendurch<br />
geht Brant Bjork mal Bier holen, sitzt in der Rancho<br />
de la Luna und lässt es sich auch nicht nehmen, mal so richtig<br />
im Oldschool-Stil zu skaten – und das alles zu seiner gelassenen<br />
Musik. „Let the truth be known ... and get stoned“.<br />
Eine schöne, gediegene Sache, um zu entspannen und einfach<br />
mal etwas Desertrock-Flair zu tanken und ein paar Alltagseindrücke<br />
<strong>von</strong> Brant Bjork zu sammeln. Anschauen und<br />
sich treiben lassen. (7) Ross Feratu<br />
JOHNNY CASH<br />
Man In Black: Live In Denmark 1971 DVD<br />
Legacy/Sony | 1971 trug Johnny Cash nur noch schwarze<br />
Kleidung auf der Bühne, erschien der Song „Man in black“,<br />
in dem die Hintergründe erklärt werden – und dessen Titel<br />
zum Synonym für Cash wurde. Zu der Zeit war Cash zusammen<br />
mit June Carter Cash, Carl Perkins, den (schrecklich<br />
anzusehenden) Statler Brothers und der Carter Family<br />
auf Welttournee, und in deren Rahmen trat der Country-<br />
Zirkus auch für das dänische Fernsehen auf. Keine kitschige<br />
Scheunen-Deko ist im Hintergrund zu sehen, stattdessen<br />
ein avantgardistisch wirkende Bretterkonstruktion, die<br />
Damen im Publikum tragen Betonfrisuren – und Cash und<br />
seine Entourage liefern ein perfekte Show, mit Klassikern<br />
wie „A boy named Sue“, „I walk the line“, „Folsom prison<br />
blues“, „Me and Bobby McGhee“, „If I were a carpenter“ und<br />
„Man in black“, und daneben gibt Carl Perkins seinen Hit<br />
„Blue suede shoes“ zum Besten, die Carter Family darf allein<br />
und mit Cash musizieren und singen, und allein die Statler<br />
Brothers sind unerträglich, aber dafür gibt es ja eine Fernbedienung,<br />
ebenso wie man bei der letzten Nummer „Children,<br />
go where I send thee“ auch besser abschaltet, denn hier<br />
erweist sich Cash als extremer Jesus-Freak. Alles in allem<br />
eine schöne DVD für den fortgeschrittenen Cash-Fan.<br />
Joachim Hiller<br />
HAMMERHEAD<br />
Sterbt Alle! – The Rise And Fall<br />
Of The Only Hardcorepunkband Of The 90er DVD<br />
hammerhead.de | <strong>Die</strong>ser Dokumentarfilm erzählt die Geschichte<br />
der „einzig wahren Hardcorepunk-Band der 90er<br />
Jahre“ – HAMMERHEAD! <strong>Die</strong>ser Film ist der Versuch einer<br />
Annäherung an eine Band, die wohl für manch einen<br />
immer ein Mysterium dargestellt zu haben scheint. Eine<br />
Band, die manch einen verunsicherte oder gar überforderte.<br />
Eine Band, die immer Fragezeichen aufgeworfen hatte.<br />
Pose? Fake? Verballhornung? Authentizität? Attitüde? Eine<br />
Band, die einen Humor besaß, <strong>von</strong> der manch einer nie genau<br />
wusste, wie ernst er gemeint war. Pokerface statt Augenzwinkern?<br />
Böse Miene zum guten Spiel? Da<strong>von</strong> abgesehen<br />
aber auch eine Band, die Hardcore wieder zurück zur<br />
Basis, nämlich zum Punkrock brachte und diesen wieder<br />
mit der verlorenen gegangenen Kompromisslosigkeit ausstattete.<br />
Eine Band, die den Mut aufbrachte, Leuten wieder<br />
vor den Kopf zu stoßen. Und mit deren Platten manch einer<br />
damals seine Freunde schocken konnte, wenn er mal gerade<br />
keine Rehe im Wald am retten war. Eine Band, bei der<br />
ein Label keinen Widerspruch darin sah, neben DIE KASSIE-<br />
RER und LOKALMATADORE auch ein HAMMERHEAD-Album<br />
zu veröffentlichen. Oder <strong>von</strong> der sich ein anderer Labelchef<br />
bloß als Erfüllungsgehilfen zum kommerziellen Erfolg<br />
ausgenutzt fühlte. Eine Band, die <strong>von</strong> Ostlern anfangs<br />
als arrogante Edel-Punks aus dem Westen empfunden wur-<br />
sel erinnern PINK MOUNTAIN natürlich an NAKED CITY<br />
(und man hat auch schon mit John Zorn und Fred Frith zusammengearbeitet),<br />
FANTÔMAS oder – meine Lieblinge in<br />
puncto antirockistischer Strukturlosigkeit – FAT WORM OF<br />
ERROR, auch wenn die noch mehr auf reine Kakophonie<br />
ausgelegt sind. Irgendwie eine Form <strong>von</strong> Krach, der absichtlich<br />
neben der Spur klingt. (46:49) (8) Chris Wilpert<br />
PLEASURE<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
rookie-records.de | Es gibt Leute, deren Hobby es ist,<br />
Schlachten aus vergangenen Weltkriegen in Originalkostümen<br />
nachzustellen. THE PLEASURE aus Köln stellen stattdessen<br />
BEATLES-Songs nach. Aus vielen kleinen Versatzstücken<br />
der Lennon/McCartney-Stücke entsteht hier neues<br />
Material, das im Ansatz so ähnlich klingt wie die unvergleichlichen<br />
RUTLES. Doch wo Neil Innes aka Ron Nasty<br />
vorzugsweise humorgetränkte, selbstironische kleine Popperlen<br />
hervorbrachte, klingt hier leider alles so bierernst<br />
und verkopft, dass es außer bei den beteiligten Musikern<br />
wohl wenig Anklang finden wird. Technisch ist es allerdings<br />
schon beeindruckend perfekt, doch was nützt das, wenn die<br />
Songs dabei seelenlos bleiben? (5) Gereon Helmer<br />
ELVIS PUMMEL<br />
Recalled To Be Executed: The Pummel Years 1996-<br />
2006 <strong>CD</strong><br />
Crazy Love | „I don’t like this overproduced shit“, schreit<br />
mir Elvis Pummel in Song Nr. 6 entgegen. Zu dem Zeitpunkt<br />
liege ich schon vor Erregung unter dem Tisch und 50 Songs<br />
liegen noch vor mir. Also alles, was der pummelige Elvis in<br />
den letzten 10 Jahren auf Kleinformaten rausgebracht hat.<br />
Oje! Selber nennt er das 50’s Punkrock, ich umschreibe es<br />
mal als unterproduziertesten One-Man-Rockabilly. Andere<br />
Leute kriegen da sicher das Laufen, aber ich amüsiere mich<br />
köstlich bei dieser Scheibe und unerwarteten Sounds wie<br />
Trillerpfeifen, Xylophon, Geigen und dazwischen Scheißegelaber<br />
galore! Gut, ich gebe zu: Unter Umständen ist die <strong>CD</strong><br />
ähnlich anstrengend zu hören wie eine Grindcore-Platte<br />
mit 100 Songs, aber meine Freundin sagt „<strong>Die</strong> Scheibe finde<br />
ich geil“ und irgendwie habe ich Angst, dass Elvis Pummel<br />
sie mir ausspannt. Absoluter No-Fashion-Sound, für Leute,<br />
die wirklich wissen, was gut ist, hehe! Inklusive oberscharfem<br />
Ed-Wood-Style-Video. (70:57) Bernd Fischer<br />
PEARL JAM<br />
Live At Easy Street <strong>CD</strong><br />
Monkey Wrench/Alive | PEARL JAM, deren Jeff Ament<br />
und Stone Gossard ja eine Hälfte des MUDHONEY-Vorläufers<br />
GREEN RIVER bildeten, waren eigentlich immer die<br />
Band, die sich über die Jahre noch am besten aus dem ganzen<br />
Grunge-Kontext herauslösen könnte, was nichts daran<br />
ändert, dass ich mich irgendwann fragen musste, warum<br />
ich mir ihr überaus langweiliges erstes Album „Ten“<br />
überhaupt zugelegt hatte. Danach ging mir die Band dann<br />
völlig am Arsch vorbei. Folgende Live-EP mit sieben Songs<br />
ist also mein erstes intensiveres Zusammentreffen mit dieser<br />
Grunge-Institution nach langer Zeit, ein allerdings etwas<br />
kurzes Vergnügen, wo sich PEARL JAM in einem Plattenladen<br />
in Seattle als spielfreudige und mitreißende Rockband<br />
präsentieren, was vielleicht auf Studioplatte immer<br />
etwas unterging. PEARL JAM können richtig rocken, und<br />
durchaus sympathisch ist dann auch ihre Version des KNIT-<br />
TERS-Songs „New world“, sogar mit John Doe als Gastsänger.<br />
Fast bedauert man, dass man hier nicht das komplette<br />
Konzert geboten bekommt, was sich allerdings etwas relativiert,<br />
wenn man weiß, dass Sony offenbar fast ihre komplette<br />
2000er Tour auf <strong>CD</strong> veröffentlicht hatte. Scheinbar gibt<br />
es da draußen jede Menge Fan-Deppen, die jeden Furz ihrer<br />
Lieblingsband kaufen müssen, womit man dann wirklich<br />
ungern etwas zu tun haben will. (7) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
de. Eine Band, deren Auftreten manch einen in dem Glauben<br />
bestärkte, HAMMERHEAD seien asoziale Arschlöcher.<br />
Eine Band, deren Schlagzeuger während des Konzerts auf die<br />
Bühne kotzte oder bereits zuvor beim Catering mit dem Gesicht<br />
in der Erbsensuppe gelegen hatte, wenn er nicht gerade<br />
damit beschäftigt war, aus seiner Haschischpfeife mittels<br />
damit verbundenen Gasmaske zu inhalieren. Eine Band,<br />
deren charismatischer Sänger bei MTV prahlte, er würde<br />
Mülltonnen in Schaufensterscheiben schmeißen, um einige<br />
Jahre später dann verlegen zuzugeben, dass er bisher nie<br />
eine Schaufensterscheibe eingeschmissen habe, sondern lediglich<br />
ein Bushaltewartehäuschen. Eine Band, die manch<br />
einen sogar als Orientierungshilfe während der Adoleszenz<br />
diente und durch die manch einer zum Mann geworden<br />
zu sein gesteht. Eine Band, die das Zeitgeschehen kommentierte.<br />
Und eine Band, welcher selbst der Herausgeber<br />
dieses Heftes eine Bedeutung für die deutsche Punk/Hardcore-Szene<br />
zugesteht, und das, trotz bekanntermaßen zwiespältigem<br />
Verhältnis selbiger gegenüber. Zusätzlich zum Dokumentarfilm<br />
gibt es übrigens eine Materialsammlung in<br />
Form einer Bonus-DVD. <strong>Die</strong>se beinhaltet Ausschnitte <strong>von</strong><br />
18 verschiedenen Konzerten aus der gesamten Zeitspanne<br />
<strong>von</strong> 1991-2004. Darüber hinaus gibt es aus eben jenen Jahren<br />
auch zahlreiche Fotos, Flyer und Fanzinebeiträge. Und<br />
obendrein noch einige zusätzliche Anekdoten, der im Film<br />
befragten Zeitzeugen. Was die Produktion sowie den Unterhaltungswert<br />
dieser DVD anbelangt, setzen HAMMERHEAD<br />
mit dieser Hinterlassenschaft als deutsche Band schwer zu<br />
überbietende Maßstäbe. HAMMERHEAD – eine Band, die<br />
beeindruckte und faszinierte. (10) Alex Gräbeldinger<br />
HAYSEED DIXIE<br />
No Sleep ’til Liverpool DVD<br />
Cooking Vinyl/Indigo | Manche Sachen funktionieren<br />
einfach nur einen Sommer lang, danach sollte man die Idee<br />
verbrennen und sich eine neue Inspirationsquelle suchen<br />
oder anderen Freizeitbeschäftigungen widmen. Was auf<br />
den <strong>CD</strong>s noch erträglich gut funktioniert, scheitert an der<br />
Live-Umsetzung beziehungsweise an der nicht vorhandenen<br />
Ausstrahlung und Humor aller teilnehmenden Akteure.<br />
Wie bei ELÄKELÄISET auch, läuft sich eine unschuldige<br />
Idee einfach irgendwann tot, sobald sie übertrieben wird.<br />
<strong>Die</strong> „Hillibillysierung“ <strong>von</strong> Hardrock-Klassikern ist ja ganz<br />
nett, aber in einer Endlosschleife wird es nur noch nervend<br />
und das eigene Songmaterial, das hier dann zur Abwechslung<br />
eingestreut wird, ist mehr als mager. Spätestens bei der<br />
saft- und kraftlosen Interpretation der „Duelling Banjos“<br />
aus dem Film „Flussfahht“ schaltet selbst der härteste Junkie<br />
ab. <strong>Die</strong> Videos braucht auch niemand, ganz zu schweigen<br />
<strong>von</strong> einer filmischen Umsetzung der Pseudo-Band-History<br />
über die Entstehungsgeschichte des so genannten „Rockgrass“-Styles,<br />
die schon auf der ersten <strong>CD</strong> verbraten wurde.<br />
Ein letzter Blick in die Fan-Bildergalerie bestätigt, die HAY-<br />
SEED DIXIEs sind etwas für alternde Hardrocker und Sozialhilfeempfänger,<br />
die auf Grund ihres Bierbauches den Absprung<br />
schon vor Jahrzehnten verpasst haben. casi<br />
HOLY MOLAR<br />
Dentist The Menace DVD<br />
Three One G | Wer bisher nicht das Glück hatte, HOLY MO-<br />
LAR live zu erleben – und das hatten offensichtlich nur wenige<br />
– für den ist diese DVD Pflicht. Auch wenn sie kein<br />
Live-Erlebnis ersetzten kann (aber welche DVD könnte das<br />
schon?), den Spaß, den sie bringt, hat mir nur selten eine<br />
Musik-DVD beschert. Für die, die die Musik nicht kennen<br />
oder bei der Erwähnung des Labelnamens nicht eh schon<br />
zum Mailorder des Vertrauens surfen: HOLY MOLAR zelebrieren<br />
in aberwitzigen Zahnarztkostümen dermaßen wüsten<br />
Thrashcore, wie Vergleichbares höchstens eine Liaison<br />
aus THE LOCUST, DAS OATH, SOME GIRLS, GET HUSTLE<br />
oder HEAD WOUND CITY schaffen würde. Kein Wunder,<br />
schließlich besteht die Band aus Mitgliedern der eben Ge-<br />
BRIAN POSEHN<br />
Live In: Nerd Rage <strong>CD</strong><br />
relapse.com | Herr Posehn dürfte eventuell einigen in Rob<br />
Zombies DEVIL REJECTS-Film als bekiffter Roadie aufgefallen<br />
sein. Dass er aber seinen Lebensunterhalt als Stand-up-<br />
Komiker verdient, dürfte außerhalb Amerikas noch weitgehend<br />
unbekannt sein – ebenso seine Liebe für Oldschool-<br />
Heavy Metal. Brian Posehn erzählt Geschichten aus seinem<br />
Leben als Nerd mit äußerlichen Handicaps, der es trotzdem<br />
geschafft hat, eine Frau abzukriegen und nun mit dem alltäglichen<br />
Wahnsinn einer Ehe, den sexuellen Verlockungen<br />
der Medien und des Älterwerdens zu kämpfen hat. Humor,<br />
der unter die Gürtellinie zielt, insbesondere wenn er die<br />
neue „Star Wars“-Trilogie mit dem Besuch eines betrunkenen,<br />
pädophilen Onkels gleichsetzt, dürfte sicherlich einigen<br />
übel aufstoßen. Definitiv nichts für politisch-korrekte<br />
Moralapostel, alle anderen können getrost einem Enddreißiger<br />
Metal-Nerd beim Ausrasten lauschen. Obendrauf gibt<br />
es noch zwei musikalische Seitenhiebe auf die ganze Metal-<br />
Emocore-Welle und METALLICA, bei denen sich Brian Posehn<br />
prominente Besetzung mit unter anderem Scott Ian,<br />
Joey Vera und John Tempesta ins Boot geholt hat, die belegen,<br />
dass der Typ „truer“ ist als die meisten anderen Langhaar-Metaller.<br />
Uwe Kubassa<br />
PETE BAMBOO<br />
Welcome M<strong>CD</strong><br />
808records.ch | <strong>Die</strong> Heimat der Ska-Band PETE BAMBOO<br />
ist die Schweiz und so ein bisschen hört man das auf allen<br />
Stücken ihrer EP auch heraus, egal ob auf Deutsch, Spanisch<br />
oder Englisch gesungen wird. Für sich genommen ist<br />
das noch nicht schlimm, ganz allgemein möchte man PETE<br />
BAMBOO aber dazu raten, sich für den Gesangspart noch<br />
jemanden zusätzlich ins Boot zu holen. Ansonsten ist die<br />
Platte gar nicht übel, zumindest im Vergleich zu der Heerschar<br />
eidgenössischer NGURU-Klonkrieger. Im Gegensatz<br />
zu diesen, gehen PETE BAMBOO etwas ruhiger zu Werke<br />
und sind durchaus in der Lage nette, eigenständige Songs zu<br />
schreiben und diese technisch solide umzusetzen. <strong>Die</strong> Band<br />
ist noch relativ jung und diese EP wurde bereits vor einem<br />
Jahr aufgenommen. In Anbetracht dessen, mag „Welcome“<br />
zwar noch keine gute Platte sein, aber eine die nahe legt,<br />
PETE BAMBOO zumindest im Auge zu behalten. (24:55)<br />
(4) Ferdinand Praxl<br />
CALE PARKS<br />
Illuminated Manuscript <strong>CD</strong><br />
Polyvinyl | Als Musiker <strong>von</strong> ALOHA dürfte Parks wenigen<br />
ein Begriff sein, neben dem Job bei der Polyvinyl-Combo<br />
half er aber auch JOAN OF ARC, CEX, OWEN, CHIN<br />
UP CHIN UP und Georgie James, ehemals Q AND NOT U,<br />
auf Tour aus. Der Mann scheint sich derart ans Reisen gewöhnt<br />
zu haben, dass er sein Album in verschiedenen Städten<br />
auf diversen Maschinen und Computern <strong>von</strong> Freunden<br />
eingespielt hat. So klingt das Album mondän, belebt, vielleicht<br />
getragen, aber keineswegs träge. Im Zentrum stehen<br />
Keyboard und Loops, also verträumte Elemente und die<br />
elektronische Beats scheinen sowieso der neueste Trend in<br />
Übersee zu sein. Größtenteils ohne Gesang arrangiert, darf<br />
man sich die zwölf Lieder als Wohlklang in Endlosschleife<br />
vorstellen, eventuell fürs Yoga geeignet. Schön, sehr schön.<br />
(52:23) (7) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
PAMA INTERNATIONAL<br />
Trojan Sessions <strong>CD</strong><br />
trojanrecords.com | Allein der Titel der Platte macht deutlich,<br />
dass es sich nicht nur einfach um das vierte Album <strong>von</strong><br />
PAMA INTERNATIONAL handelt. Immerhin sind sie der<br />
erste Neuzugang bei Trojan seit Jahrzehnten. Offensichtlich<br />
versucht man eine Brücke zu schlagen in die Vergangenheit<br />
des Labels, indem man jede Menge großer Namen<br />
nannten. Neben knapp 17 Minuten regulärem Live-Material<br />
<strong>von</strong> zehn Songs auf vier verschiedenen Konzerten (keine<br />
Sorge, das reicht! Danach ist man selbst vor dem heimischen<br />
Fernseher dermaßen platt, als wäre man dabei gewesen)<br />
bietet die DVD auch eine alternative Schnittfassung und<br />
Tonmischung der gleichen Aufnahmen, einen zehnminütigen<br />
Auftritt auf einer Geburtstagsparty und Schnipsel witziger<br />
Zwischenfälle und Interviews. Dazu gibt es ausnahmsweise<br />
auch unterhaltsame Menühintergründe in Form <strong>von</strong><br />
Ultra-Nahaufnahmen brabbelnder Rachen. Bild- und Tonqualität<br />
sind eigentlich richtig gut, und gerade die nervöse<br />
Handkamera und die hektischen Schnitte fangen perfekt<br />
den chaotischen Sound und die ebenso chaotischen Auftritte<br />
der Band ein, so dass man doch beinahe das Gefühl hat,<br />
dabei zu sein. (9) Sir hc Wilpert<br />
HARDCORE SUPERSTAR<br />
Live at the Sticky Fingers DVD<br />
Gain.se/Cargo | Hab ich das letzte Album ja als Überraschung<br />
des Monats gefeiert, bekomme ich nun Nachlag mit<br />
dieser Live-DVD, bei der die Schweden ihr neuestes Machwerk<br />
im „Sticky Fingers“ vorstellen und <strong>von</strong> einer frenetisch<br />
jubelnden Meute dafür abgefeiert werden. Für Fans der<br />
Band wird auf der DVD nur der eine Auftritt plus eines jedoch<br />
eher überflüssigen Backstage-Gebrabbels geboten. Wer<br />
aber nicht auf alle möglichen Extras steht und nur Musik<br />
will, der macht mit der DVD nichts falsch. Wie zu erwarten<br />
schaffen es HARDCORE SUPERSTAR die neuen Songs<br />
auch live zu rocken. <strong>Die</strong> Bild- und Soundqualität stimmt<br />
und Band und Publikum geben alles. Wie das jedoch mit<br />
derlei DVDs so ist, schaut man sich das Ding einmal an und<br />
gut ist. Da hätte es eine Special-Edition der neuen <strong>CD</strong> inklusive<br />
Live-DVD, für ein paar Euro mehr wahrscheinlich auch<br />
getan. Nichts destotrotz: HARDCORE SUPERSTAR rocken!<br />
(60:09) (7) Carsten Hanke<br />
HERESY<br />
1987 DVD<br />
bosstuneage.com/Rookie/Cargo | Passend zur Wiederveröffentlichung<br />
des Gesamtwerks der UK-Hardcore-Veteranen<br />
HERESY (siehe dazu auch die Besprechung <strong>von</strong><br />
„Face Up To It!“ bei den Rereleases) bringen Boss Tuneage<br />
mit „1987“ eine DVD raus, die Livemitschnitte der Engländer<br />
aus Holland, Belgien und England eben aus dem Jahr<br />
1987 enthält. Und da HERESY keine Big Budget-Band waren,<br />
sondern ein Haufen idealistischer D.I.Y.-Punks, gibt es<br />
hier natürlich keine mit zig Kameras gefilmte Multiangle-<br />
Live-Show zu sehen, sondern eine mitten aus dem Publikum<br />
mittels eines Camcorders gefilmte Dokumentation eines<br />
typischen HERESY-Konzerts. <strong>Die</strong> Ton- und Bildqualität<br />
und teils auch der Blickwinkel auf das Geschehen sind zwar<br />
recht abenteuerlich, dennoch kommt die Energie der Band<br />
und das Überspringen derselbigen aufs Publikum gut rüber.<br />
Als Bonus gibt’s noch einen kurzen Mitschnitt aus den<br />
Studioaufnahmen zur „Thanks“-EP zu sehen. Zwar habe ich<br />
mit „1987“ wie mit fast allen gefilmten Livemitschnitten<br />
das Problem, dass sich auf der Couch oder vor dem Rechner<br />
keine rechte Konzertatmosphäre entwickeln will, als<br />
eine kurzweilige Reise in die eventuell sogar eigene Vergangenheit<br />
eignet sich das Ding aber gut. Und man kann sich<br />
eine knappe Stunde wieder fragen: „Ist das wirklich schon<br />
so lange her?“. (7) André Bohnensack<br />
MARSHALL ARTS<br />
A B-Movie Collection DVD/ZINE/<strong>CD</strong><br />
cashflagg13@hotmail.com | Brian Marshall aus Connecticut<br />
ist ein humorvoller und vor allen Dingen ein gelangweilter<br />
Punkrocker, der sein Herz offensichtlich an den<br />
D.I.Y.-Gedanken verloren hat. Und so liegt mir jetzt eine mit<br />
viel Liebe gemachte Box mit selbstkopierten Cut&Paste-Covern<br />
vor, bestehen aus einer Kurzfilm-DVD, dem Cash Flagg-<br />
Zine #3 und einem Album <strong>von</strong> Brians Band CODE WORDS.<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 82 22.09.2006 20:53:14 Uhr
als Gastmusiker verpflichtet hat: Den legendären Posaunisten<br />
Rico Rodriguez, Reggae-Queen (na, vielleicht doch<br />
eher Duchess) Dawn Penn, Toasting-Urgestein Dennis Alcapone<br />
und Ska-, Rocksteady- und Early Reggae-Helden wie<br />
Derrick Morgan, Winston Francis und Dave & Ansel Collins.<br />
Im Raum steht die Frage, ob es überhaupt möglich ist, dem<br />
Charme alter Aufnahmen solcher Künstler heutzutage auch<br />
nur nahe zu kommen. PAMA INTERNATIONAL erweisen<br />
sich mit ihrer Mischung aus Traditionsbewusstsein und Experimentierfreude,<br />
mit ihrem, mittlerweile noch ausgefeilteren<br />
Sound zwischen Reggae, Ska und Dub als geeignete<br />
Band für diese Herausforderung. Auch die alte Garde<br />
hat nichts verlernt und ein paar Tunes auf dem Album wären<br />
damals vielleicht selbst bei dem kritischen, jamaikanischen<br />
Publikum der Sechziger und Siebziger gut angekommen.<br />
(39:42) (8) Ferdinand Praxl<br />
PILOT SCOTT TRACY<br />
We Cut Loose <strong>CD</strong><br />
alternativetentacles.com/Cargo | Zwar hat die Band um<br />
die miteinander verheirateten ehemaligen CAUSEY WAY-<br />
Köpfe Scott Stanton und Tracy Cox mittlerweile die Erdatmosphäre<br />
verlassen und<br />
treibt sich im Weltraum<br />
rum, ansonsten ist PI-<br />
LOT SCOTT TRACYs drittes<br />
Album „We Cut Loose“<br />
eine konsequente Weiterführung<br />
ihres komischen<br />
Fluggeräte-Konzepts und<br />
damit die logische Fortsetzung<br />
vom 2005 ebenfalls<br />
bei Alternative Tentacles<br />
erschienenen Album<br />
„Any City“. Auch musikalisch<br />
knüpfen PILOT<br />
SCOTT TRACY an „Any City“ an, wo sie die Verschrobenheit<br />
<strong>von</strong> CAUSEY WAY um viel Pop erweiterten und damit eine<br />
recht eigenwillige Musik erzeugten, auf die das Etikett New<br />
Wave wohl noch am ehesten passt. Im direkten Vergleich<br />
mit dem Vorgänger zeigt sich „We Cut Loose“ als ein noch<br />
größerer Schritt in Richtung Pop, gerade bei den <strong>von</strong> Tracy<br />
gesungenen Songs, wie dem wundervollen THE SMIT-<br />
HS-Cover „There is a light that never goes out“, ist <strong>von</strong> irgendwelchen<br />
musikalischen Verrücktheiten kaum noch etwas<br />
zu spüren. Zwar fehlt „We Cut Loose“ etwas der Überraschungseffekt,<br />
den „Any City“ noch hatte, aber eine langsame<br />
Weiterentwicklung ist ja doch manchmal wünschenswerter<br />
als der große Stilbruch und dass „We Cut Loose“ eine<br />
ganz hervorragende Platte ist, steht außer Zweifel. (8)<br />
André Bohnensack<br />
POWERMAN 5000<br />
Destroy What You Enjoy <strong>CD</strong><br />
DRT-entertainment.com | <strong>Die</strong> Band um den Sänger Spider,<br />
dem kleinen Bruder <strong>von</strong> Rob Zombie, hat ihr neues<br />
Album auf DRT herausgebracht. Und es ist nicht schlecht.<br />
Zwar werden böse Zungen behaupten, dass die Musik, die<br />
auf „Destroy What You Enjoy“ belanglos und Easy Listening<br />
wäre, doch mir gefällt es. <strong>Die</strong> 12 Songs klingen ungewohnt<br />
punkrockig, vor allem für Leute, die die Band nur als gutes<br />
WHITE ZOMBIE-Plagiat kennt. Vor allem „All my friends<br />
are ghosts“, welches mich ein wenig an neue BACKYARD<br />
BABIES erinnert, oder „Enemies“ sind Gute-Laune-Ohrwürmer<br />
erster Güte mit starken Hooklines. <strong>Die</strong> Electro Metal-Schiene<br />
wird mittlerweile nur noch spärlich gefahren,<br />
was wahrscheinlich auch daran liegt, dass dieser Sound<br />
nicht mehr so angesagt ist wie in den Neunzigern. Das beweist<br />
ja auch das aktuelle Album des „big brothers“. Zwischendurch<br />
gibt es etwas Tough-Guy-Gebrabbel <strong>von</strong> Spider,<br />
Orgelklänge, das stark auf Hit getrimmte „Destroy what you<br />
<strong>Die</strong> „Zombievision“-DVD besteht aus zwölf, ähem, „Kurzfilmen“,<br />
die Brian mit seinen Freunden gefilmt hat. Nun<br />
wird dieser Begriff dem vorliegenden Trash nicht ganz gerecht,<br />
denn vielmehr handelt es sich um eine Ultra-LoFi-<br />
No-Budget-Splatter-Chaos-Produktion, nicht unähnlich<br />
dem deutschen „Freax“. Ob nun die lustig aneinander geschnittenen<br />
Auszüge aus George W.s Reden, Stop-Motion<br />
Star-Wars-Battles, einer sichtbar handgeführte Godzilla-Neuverfilmung<br />
oder Marmeladen-Zombie-Splatter-Clips<br />
– gut ist das alles nicht, unterhaltsam jedoch allemal!!<br />
Cash Flagg #3 besteht hauptsächlich aus Video-Reviews<br />
neuerer B-Movies wie „Kung Fu Hustle“ oder „Land<br />
Of The Dead“ und Kassenschlagern wie „Supersize Me“ oder<br />
„Alien Vs. Predator“. Angenehm zu lesen, und mindestens<br />
genauso witzig wie die Kolumnen, die den Rest des aus vier<br />
A4 Seiten zusammengetackerten Heftes ausmachen. Eine<br />
echte Überraschung ist Brians Oldschool-Hardcore-Band<br />
CODE WORDS, bestehend aus Brian an Gitarre, Gesang und<br />
Bass und seinem Rechner am Schlagzeug. 17 schrammelige<br />
Punksongs, eindeutig beeinflusst <strong>von</strong> Bands wie BLACK<br />
FLAG, CIRCLE JERKS und REAGAN YOUTH! Viel Geld würde<br />
ich für diese Box nicht lassen, sie in meiner Sammlung<br />
zu haben, um Freunden darüber zu berichten, erfüllt mich<br />
jedoch mit Glücksgefühlen. Ich glaube, ich will Brian mal<br />
kennen lernen ... (8) Mario Turiaux<br />
Punk Rock Holocaust. Punks Not<br />
Dead ... But It’s About To Be. DVD<br />
springmanrecords.com | Im Jahre 2003 hat ein findiges<br />
Team den Festivalzirkus, der jährlich als „Vans Warped Tour“<br />
über die USA hinwegfegt, für eine Filmdokumentation der<br />
besonderen Art genutzt. Immer nur Live-Auftritte in mittelmäßiger<br />
Tonqualität abzufilmen ist ja auf die Dauer nicht<br />
nur für die Konsumenten ermüdend. Also nahm man die<br />
Kulisse des riesigen Punkrock-Marken-Spektakels als Hintergrund<br />
für ein B-Movie der Kategorie „Splatter“. Der Plot<br />
ist schnell skizziert: Im Verlauf der Tour metzelt ein maskierter<br />
Skateboarder mit Samuraischwert beinahe sämtliche<br />
Tourteilnehmer (Bands, Manager, Roadies, Groupies ....)<br />
nieder. Während das Kunstblut hektoliterweise spritzt, ermittelt<br />
eine knackige Nachwuchsreporterin in diesem Fall.<br />
Amüsante Idee, und die erste halbe Stunde ist auch durchaus<br />
kurzweilig umgesetzt, dann aber wartet das Publikum<br />
auf eine Auflösung, die einfach nicht kommen will, bis auch<br />
wirklich das letzte Crewmitglied dahingerafft ist. Zusätzlich<br />
verlängern überflüssige Büroszenen mit einfallslosen Dialogen<br />
die Wartezeit bis zum Showdown. Und nur für den ausgesprochen<br />
schönen Filmtod <strong>von</strong> Fat Mike lohnt sich der<br />
„Punk Rock Holocaust“ leider nicht. (5) Arne Koepke<br />
ELVIS PRESLEY<br />
68 Comeback DVD<br />
Aloha From Hawaii DVD<br />
Sony | Elvis war eine verdammt coole Sau. Okay, zum<br />
Schluss eine ziemlich fette coole Sau, aber 1968, in meinem<br />
Geburtsjahr, stand der King mit seinen 33 Jahren richtig gut<br />
im Saft und sah mit seinen pechschwarzen Haaren in seinem<br />
schwarzen Leder-Dress einfach umwerfend aus, war<br />
er ein extrem smart rüberkommender Perfomer – dokumentiert<br />
auf „68 Comeback“, einem erneuten DVD-Rerelease<br />
seiner Comeback-Show. Unglaublicherweise war Elvis<br />
zuvor sieben Jahre lang nicht live aufgetreten, hatte stattdessen<br />
Filme gedreht, aber angeblich auch so seine Probleme<br />
mit der „British Invasion“ (aka BEATLES und Co.) gehabt.<br />
Im Juni 1968 stand er dann im Studio des US-Senders<br />
NBC, eine perfekte Show wurde aufgezeichnet, die in ihrer<br />
artifiziellen Studio-Atmosphäre extrem seltsam wirkt,<br />
im Dezember 1968 wurde sie ausgestrahlt und war damals<br />
ein Straßenfeger. Elvis bot damals ein bestechendes Best-<br />
Of, frühe Klassiker und Gospel-Nummern sind gleichermaßen<br />
zu finden, und es fällt schwer, dem King hier nicht<br />
zu verfallen.<br />
enjoy“, einen originell bis nervigen Countrysong namens<br />
„Miss America“ und am Ende eine fetzige Live-Version <strong>von</strong><br />
„Heroes and villains“. Wie gesagt, belanglos bis gut, was jeder<br />
für sich selbst herausfinden muss. Mir gefällt es. (38:35)<br />
(7) Arndt Aldenhoven<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
PLANES MISTAKEN FOR STARS<br />
Mercy <strong>CD</strong><br />
alveranrecords.com/Soulfood | Soviel vorneweg: Das<br />
Überwerk „Up In Them Guts“ konnten sie nicht toppen.<br />
Vielleicht wussten die Musiker das. Also machten PLANES<br />
MISTAKEN FOR STARS<br />
das, was sie bisher immer<br />
taten: Sie erfanden sich<br />
neu. Neues Label, neuer<br />
Bassist und ein neues Album,<br />
das natürlich wieder<br />
ganz anders klingt, als<br />
alles was man davor gemacht<br />
hatte. Wenn man<br />
„Mercy“ mit dem Vorgänger<br />
vergleichen will,<br />
kommt einem das Wort<br />
„Reduktion“ in den Sinn.<br />
Kein Bombast, kein Pathos,<br />
kein Cello und kein Piano mehr, stattdessen ein furztrockener<br />
Sound, der fast ein bisschen in Richtung Stoner<br />
geht. Aber eben nur fast, PMFS sind viel zu kantig um sie<br />
einfach in eine Schublade zu stecken. Um „Mercy“ in vollen<br />
Zügen genießen zu können, braucht man viel Geduld<br />
und eine gehörige Portion Leidensfähigkeit, denn bevor sich<br />
ein Song wie zum Beispiel der Titeltrack „Mercy“ in Wohlklang<br />
auflöst, muss man erst einmal durch eine kakophonische<br />
Schallmauer hindurch. Jene ist allerdings verdammt<br />
solide gebaut und hält eine Menge fieser Überraschungen<br />
bereit. Aber die Quälerei zahlt sich aus, die Belohnung dafür<br />
ist fast so schön wie das Gefühl, wenn der Schmerz nachlässt.<br />
Ein Produzent wie Matt Bayles wurde bestimmt auch<br />
nicht zufällig gewählt, mit MASTODON und ISIS hat dieser<br />
schließlich schon Bands den richtigen Sound verpasst,<br />
an die sich PMFS mittlerweile musikalisch angenähert haben.<br />
Freilich sind die Männer aus Denver immer noch im<br />
Punkrock verwurzelt, spielen mehr mit dem Herzen als mit<br />
dem Kopf, die Songs sind auch als solche erkennbar und packen<br />
einen immer noch bei den Eiern. Jedes Lied ist sorgfältig<br />
inszeniert, wechselt mehrfach das Tempo und baut sich<br />
schichtartig zum dramatischen Höhepunkt auf. Dazu versucht<br />
Gared O’Donnell erstmals richtig zu singen und klingt<br />
dabei fast wie Captain Beefheart, allerdings weniger lakonisch,<br />
dafür fast schon verletzlich wie zum Beispiel beim<br />
wunderschönen „Never felt prettier“ oder dem akustischen<br />
Rausschmeißer „Penitence“. Einziges Manko ist die fehlende<br />
Geschlossenheit, die zum Beispiel „Up In Them Guts“<br />
zu einem „runden“ Album machten, wohingegen „Mercy“<br />
bisweilen an eine Ansammlung einzelner Songs erinnert,<br />
wenngleich auch verdammt guter. (38:31) (9)<br />
Ingo Rothkehl<br />
PILOTEN<br />
Neue Liebe M<strong>CD</strong><br />
unsereschokoladenseite.de | Häufig ist es vielsagend, den<br />
Bands zur Beschreibung ihrer Musik selbst das Wort zu<br />
überlassen. Also dann: DIE PILOTEN aus Stuttgart spielen<br />
„Minirock mit deutschen Texten“. Haha, tolles Wortspiel!<br />
Moment, es geht noch weiter: „Wir sind zwar keine Helden<br />
und weder aus Hamburg noch Berlin, dafür heißt unser<br />
Hund nicht Marie und unsere Sportfreunde sind alles andere<br />
als Stiller.“ <strong>Die</strong>se Umschreibungen treffen zwar nicht<br />
meinen Humor, dafür aber die Sache ziemlich gut. Fassen<br />
wir zusammen: DIE PILOTEN füllen ihre Debüt-EP „Neue<br />
Fünf Jahre später dann die erste weltweit per Satellit übertragene<br />
Ausstrahlung eines Pop-Konzertes, „Aloha From<br />
Hawaii“, und war Elvis bei „68 Comeback“ noch der coole<br />
Rock’n’Roller, ist sein weißer Glitteranzug mit Schlaghosen<br />
so weit wie ein Rock ein eher unerquicklicher Anblick<br />
– die Siebziger eben ... – und die pseudohawaiianische Papierblumenkette<br />
um den Hals sieht auch eher albern aus.<br />
„Burning love“, „Steamroller blues“, „My way“, Johnny B.<br />
Goode“, „Blue suede shoes“, „I can’t stop loving you“, „Fever“,<br />
„Suspicious minds“, „Hound dog“ und zig andere singt<br />
der King, doch wo „68 Comeback“ so was wie Intimität und<br />
Nähe aufkommen ließ, ist das eher die große Show und wenig<br />
mitreißend. Ach ja, eine nette Anekdote am Rande, auf<br />
die ich eben gestoßen bin: Elvis mochte den kriminellen<br />
Präsidenten Nixon, und der mochte Elvis, und so machte er<br />
ihn zum „Federal Agent“ der US-Drogenbehörde und damit,<br />
wie man nach Elvis’ Tod 1977 erfuhr, damit quasi den<br />
Bock zum Gärtner. Joachim Hiller<br />
R.E.M.<br />
When The Light Is Mine DVD<br />
EMI | Parallel zur <strong>CD</strong>-Veröffentlichungung „And I Feel Fine<br />
– The Best Of The I.R.S. Years 1982-1987“ gibt es auch eine<br />
DVD-Version dieser essentiellen Zusammenstellung, die mit<br />
anderer Reihenfolge und leicht abweichender Songauswahl<br />
aber durchaus eine Alternative zur <strong>CD</strong> darstellt. Elf Musikvideos<br />
filmten R.E.M. in der Zeit, da sie bei I.R.S. unter Vertrag<br />
waren (die damals übrigens für MTV eine Sendung produzierten),<br />
unter anderem zu „Wolves, lower“, „Radio Free<br />
Europe“, „Talk about the passion“, „So. Central rain“, „Fall<br />
on me“, „The one I love“, „It’s the end of the world ...“ und<br />
„Finest worksong“. Zusammen mit TV-Studio-Mitschnitten<br />
sowie diversem Bonusmaterial inklusive Interviews kommt<br />
die DVD auf über zwei Stunden Spielzeit. Ganz klar: Pflichtmaterial<br />
für jeden Fan. (8) Joachim Hiller<br />
DIE TOTEN HOSEN<br />
3 Akkorde für ein Hallelujah 2DVD<br />
jkp.de | Näää, was war das früher für ein lustiger Haufen ...<br />
Damals, 1989, die DDR war noch, veröffentlichten die Düsseldorfer<br />
eine VHS-Kaufkassette namens „3 Akkorde für ein<br />
Hallelujah“, auf der sie die Bandgeschichte der Jahre 1982<br />
bis 1988 Revue passieren ließen. Mit der Karriere der Vorzeigepunks<br />
war es bis dahin stetig aufwärts gegangen, gerade<br />
ihr erstes Hit-Album „Ein kleines bisschen Horrorschau“<br />
erschienen, da machte eine Doku irgendwie Sinn. Und so<br />
wurden die verschiedensten privaten wie professionellen<br />
Videoaufzeichnungen (die Hosen verfügen bekanntlich seit<br />
früher Zeit über ein vorzügliches Medienarchiv) <strong>von</strong> Trini<br />
Trimpop zu einer höchst unterhaltsamen und jetzt erstmals<br />
auf DVD erhältlichen Doku zusammengeschnitten. <strong>Die</strong><br />
Hosen im Schweizer Rentnerfernsehen, die Hosen bei der<br />
Anti-WAA-Demo in Wackersdorf, auf der Fahrt nach Helgoland,<br />
live in Litauen, die Hosen im Fernsehen, mal live,<br />
mal Playback, das volle Programm eben, kommentiert <strong>von</strong><br />
Faust, der damals schon Fahrer/Bandbetreuer/Roadie war.<br />
Auffallend ist, wie organisiert die Hosen auch vor 20 Jahren<br />
schon waren, bei allem Chaos, das sie veranstalteten, wie<br />
viel aggressiver ihre Musik war – und wie wenig sie sich unterm<br />
Strich dann doch verändert haben. Für alle alten Fans<br />
der Band ein Muss, für das junge Gemüse womöglich ein<br />
Kulturschock. Als Bonus gibt’s eine zweite, ebenfalls 89 Minuten<br />
laufende DVD, auf der Campino und Faust die ganze<br />
Sache kommentieren – aus heutiger Sicht ... Joachim Hiller<br />
V.A. The Speedfreaks Ball DVD<br />
Captain Oi! | Der „Speedfreaks Ball“ ist ein relativ junges<br />
Festival aus England, auf dem man einige der besten Bands<br />
aus den Bereichen Oi!, 2Tone und Psychobilly bestaunen<br />
kann. Es sollte mehr Festivals geben, die eine so ausgewogene<br />
Mischung hinkriegen. Der Speedfreaks Ball fand meines<br />
Wissens im November 2005 zum ersten mal in Great Yar-<br />
Liebe“ mit Gute-Laune-Harmlos-Musik und sind nicht so<br />
gut wie die aus Funk und Fernsehen bekannten Vorreiter<br />
dieses Stils. Der PILOTEN-Sound besitzt aber durchaus reizvolle<br />
und eigene Momente, meistens dann, wenn sie ohne<br />
die quäkende und heisere Stimme des zweiten Sängers auskommt.<br />
Für eine Band, die den Status eines Hobbys niemals<br />
verlassen wird, ist die Qualität der Songs beachtlich. Wie<br />
lange aber die „Neue Liebe“ anhält, wird sich dann noch<br />
zeigen. (6) Arne Koepke<br />
PHANTOM FRANK<br />
s/t LP<br />
MuSick | Der als Leadgitarist der niederländischen Band<br />
THE TREBLE SPANKERS bekannte Phantom Frank hat mit<br />
dem gleichnamigen Album sein erstes Soloalbum vorgelegt.<br />
Auf diesem amerikanischen Release findet man insgesamt<br />
18 Super-Surf-Tracks der Spitzenklasse, wobei ein paar hier<br />
vorhandene Bonustracks auf der europäischen Version des<br />
Albums fehlen. Klassiker wie „Dead man surfin’“ und „Punjabi“<br />
gehören zu den „All-Time-Surf-Greats“ und die prägnante<br />
und sehr surfige Gitarre <strong>von</strong> Phantom twangt durch<br />
das ganze Album. Spitze ist das Wechselspiel zwischen aggressiven<br />
Surf-Punk-Passagen und coolem Hawaii-Sound.<br />
Manchmal etwas schräg, aber ein tolles Surfalbum. Absoluter<br />
Kaufzwang für den Surf-Musik-Apologeten. Ach so: Seine<br />
Lap-Steel muss man unbedingt hören, sehr cool! (52:41)<br />
(8) <strong>Thomas</strong> <strong>Neumann</strong><br />
VINNY PECULIAR<br />
The Fall And Rise Of Vinny Peculiar <strong>CD</strong><br />
on song | Uuaah, was haben wir denn hier. Nonplusultra.<br />
Mike Joyce und Gannon (SMITHS) und Jungs <strong>von</strong> den<br />
MIGHTY LEMON DROPS und WORLD OF TWIST. Dazu<br />
noch Vinny Peculiar – das lässt sich sehen, aber vor allem<br />
hören. Das ist echt gut, das ist wirklich gut – zurück zu den<br />
mouth statt, und dann und dort entstand diese DVD, auf der<br />
man unter anderem die COFFIN NAILS, SECTION 5, THE<br />
BUSINESS, RESTLESS, die BAD MANNERS, LONG TALL TE-<br />
XANS, und THE RIFFS zu sehen und hören bekommt. Sowohl<br />
Ton- als auch Bildqualität sind eher mittelmäßig, aber<br />
ich kann sowohl diese DVD als auch das Festival nur jedem<br />
ans Herz legen. Im November findet der nächste Speedfreaks<br />
Ball statt. Dann sind unter anderem dabei: BATMO-<br />
BILE, KING KURT, die COCKNEY REJECTS, LAST RESORT,<br />
THE SELECTER und die ROUGH KUTZ. Ich sag’s ja immer:<br />
If the kids ... (8) Claudia Luck<br />
V.A. Maximum Oi! DVD<br />
Cherry Red | <strong>Die</strong>se Veröffentlichung aus dem Hause Cherry<br />
Red wartet mit neuerem Live-Material der beiden Oi!-<br />
Helden THE OPPRESSED und THE WARRIORS (ehemals:<br />
THE LAST RESORT) auf. Es gibt jeweils so ziemlich alle Hits<br />
der beiden Bands live zu hören und sehen. Bei OPPRESSED<br />
dürfen da natürlich „Work together“, „Joe Hawkins“, „Substitute“<br />
und „Ultra violence“ nicht fehlen. Bei den WARRI-<br />
ORS gibt es wie gewohnt alte Sachen <strong>von</strong> THE LAST RESORT<br />
wie „Working class kids“ und „Violence in our minds“ und<br />
WARRIORS-Songs wie „Sawdust Ceasar“ und „Free Reggie<br />
Kray“ zu sehen. Gespickt ist das Ganze mit Interview-Einspielern,<br />
die Hintergrundinformationen zu den Bands liefern.<br />
Das ist einerseits interessant für Leute, die die Bands<br />
noch gar nicht kennen, aber auch für Leute wie mich, die<br />
zwar die Geschichte der Bands kennen, sie aber noch nie<br />
<strong>von</strong> den Bandmitgliedern selbst gehört haben. Und obwohl<br />
hier live THE WARRIORS mit Saxby am Gesang zu sehen<br />
sind, kommt zwischendrin auch Millwall Roi zu Worte. Da<br />
werden einem dann wieder die Nachteile so einer DVD bewusst:<br />
Oh Mann, ist der hässlich! (8) Claudia Luck<br />
V.A. 1. Kölner Punkrock<br />
Minigolfturnier DVD<br />
nix-gut.de | Was als Schnapsidee begann, mündete in der<br />
Geburt eines neuen DVD-Genres: Punk meets Spitzensport.<br />
Im Sommer letzten Jahres machten sich sechs Kölner Bands<br />
auf, sich nicht nur musikalisch zu messen, sondern auch den<br />
körperlichen Ertüchtigungszustand untereinander zu vergleichen.<br />
<strong>Die</strong> teilnehmenden Bands CHEFDENKER, AMOCO<br />
CADIZ, DDP, SUPERNICHTS, 2LHUD und SOCKS schenkten<br />
sich nichts auf dem Grün, und die meisten machten einen<br />
guten Eindruck in ihren schicken Golfklamotten. In<br />
circa 30 Minuten sind die Höhepunkte dieser Sternstunde<br />
den Minigolfsports zusammengefasst, die Fans aufgrund der<br />
Virtuosität der Ballbehandlung der Protagonisten mit der<br />
Zunge schnalzen lässt. Eine Sportdokumentation, wie man<br />
sie selten gesehen hat. In der Reihenfolge vom Letztplatzierten<br />
zum Sieger besteigen dann die Heroen die Bühne und<br />
geben jeweils fünf Stücke ihres eigentlichen Schaffens zum<br />
Besten. Ich kann nur jedem raten, sich die Bands noch mal<br />
live anzusehen, solange sie noch existieren. Einige <strong>von</strong> ihnen<br />
werden sich wohl demnächst auflösen, um eine Profikarriere<br />
in der elitären Welt des Golfsports zu beginnen. Ich<br />
wünsche ihnen dabei viel Glück und hoffe sie demnächst<br />
des nächtens auf Eurosport oder DSF wieder zu sehen. Idee/<br />
Umsetzung: (9/7) OlliW<br />
V.A. Lindenpunk Festival DVD<br />
halb7records.de | Ein In-Door-Festival auf DVD festzuhalten<br />
ist gar keine schlechte Idee, vor allem wenn man sich<br />
dabei so viel Mühe gibt wie die Macher dieser DVD. Geboten<br />
werden gut designte Menüs, ein mit viel Mühe gestaltetes<br />
Booklet samt Infos zu den Bands und als Hauptinhalt<br />
ein Querschnitt durch das Festival mit kurzen Interview-Ausschnitten<br />
zwischen den einzelnen Liedern. Außerdem<br />
gibt es noch einiges an Bonusmaterial. Stattgefunden<br />
hat das 1. Lindenpunk Festival in Potsdam und los geht<br />
es mit THEE FLANDERS, einer Psychobilly-Band, die bietet,<br />
was das Genre halt so bietet und Fans ebendieses Genres<br />
frühen 80ern, Hand in Hand, vier in die Jahre gekommene<br />
Männer, geprägt <strong>von</strong> einem Leben in der aufregendsten<br />
Musikepoche, das ist äußerst effizient.. Ein Kollektiv mit ein<br />
und demselben Glauben, wie Vinny Peculiar es auf der beigelegten<br />
DVD nennt. Mit dieser neuen Besetzung wächst die<br />
Attraktivität der Melodien. Mit ehemaligen Mitgliedern <strong>von</strong><br />
THE FALL, den BUZZCOCKS und den SMITHS gibt jeder<br />
seinen Senf dazu, ob es Schlagzeugpassagen sind die an Stücke<br />
<strong>von</strong> „Meat Is Murder“ erinnern oder ein langgezogenes<br />
Keyboard-Gelalle wie sie vor 20 Jahren oft eingebaut wurden.<br />
Ich bin beeindruckt, das Album macht Spaß, die sublimen<br />
Launen und Titel sprechen für sich selbst: „Song to<br />
bring back a girl“, „A man afraid“ oder „Living in the past“.<br />
<strong>Die</strong> Beziehungen, die sich während der Aufnahmen aufgetan<br />
haben, gaben dem Produkt nur Positives, da ist halt<br />
viel Erfahrung hinter, keine Hitparadenleckerlis, aber die<br />
braucht auch keine Sau. Nicht jedes Album braucht einen<br />
Dancefloorkracher, es geht auch gediegen. Ein Tribut an die<br />
guten alten Zeiten. (8) Martha Biadun<br />
PARTYLINE<br />
Zombie Terrorist M<strong>CD</strong><br />
retarddisco.com/Cargo | Was macht eigentlich ... Allison<br />
Wolfe <strong>von</strong> BRATMOBILE? Voilà, hier ist sie wieder: PARTY-<br />
LINE. Bei einer Spielzeit <strong>von</strong> knapp 18 Minuten rede ich im<br />
Gegensatz zu ihrem Label zwar nicht <strong>von</strong> „Full Length“, aber<br />
die elf Songs des Trios, die <strong>von</strong> Q AND NOT U-Frontmann<br />
Chris Richards sowie Don Zientara in Washington D.C. produziert<br />
wurden (letztes Jahr ging eine EP voraus), sind herrlich<br />
simpler Girl-Punk-Pop mit ramonesker Attitüde, gemischt<br />
mit dieser Sprödigkeit, die einst auch BRATMOBILE<br />
auszeichnete, und dass die Texte in die Eier treten, klar feministisch,<br />
jedoch parolenfrei sind, sollte nicht überraschen.<br />
Und damit ist eigentlich alles gesagt. (17:59) (8)<br />
Joachim Hiller<br />
mit Sicherheit entzücken wird. <strong>Die</strong> zweite Band heißt FAR<br />
FROM FINISHED, kommt aus Kanada und spielt recht melodiösen<br />
Hardcore. DRITTE WAHL dürfte jeder kennen und<br />
die Skinheads <strong>von</strong> LOIKAEMIE stellen für mich den eigentlichen<br />
Höhepunkt der DVD dar. Danach ist mit den REAL<br />
McKENZIES endgültig für ein abwechslungsreiches Programm<br />
gesorgt. Den Abschluss bilden THE EXPLOITED. <strong>Die</strong>se<br />
klingen wie gewohnt, allerdings hat sich Watties Stimme<br />
sowohl live als auch auf Platte schon mal frischer angehört.<br />
Alles in allem ist „Lindenpunk Festival“ eine <strong>von</strong> vorne bis<br />
hinten gute DVD, die dadurch überzeugen kann, dass mit Sicherheit<br />
für jeden eine Band dabei ist. (8) Tobias Weber<br />
V.A. Frische Früchte<br />
für faules Fleisch DVD<br />
Klartext | Da freut sich der Hanseat. Erschien mit „Hansepunx“<br />
(Klartext Records) in diesem Jahr bereits der Audio-Überblick<br />
über das Treiben der Hamburger Punk-Szene,<br />
so wird mit „Frische Früchte für faules Fleisch“ nun der<br />
visuelle Nachschlag geliefert. Nicht nur der Titel, auch das<br />
Coverartwork ist eine Hommage an die DEAD KENNEDYS,<br />
und startet man die DVD, wird man allerdings nur noch mit<br />
rein hamburgerischen Bands und Interpreten konfrontiert.<br />
Und da<strong>von</strong> gibt es gleich 48 Stück zu bestaunen, sowie einiges<br />
an Bonusmaterial. <strong>Die</strong> Qualität der einzelnen Beiträge<br />
schwankt dabei genauso wie die musikalische Bandbreite.<br />
So gibt es hochprofessionelle Videoclips direkt neben verwackelten<br />
Livemitschnitten, Pop-Punk neben Crust-Core<br />
und Eletro-Trash neben Deutschpunk zu bestaunen. Langeweile<br />
kommt da erst gar nicht auf. Und da die einzelnen<br />
Beiträge nie sonderlich lang ausfallen, stören auch die Ausfälle,<br />
die jeder nach persönlichem Geschmack für sich definieren<br />
muss, nicht weiter. Hier jetzt noch ein paar beteiligte<br />
Bands: RAZORS, RAMONEZ 77, THE CRIMES, SS ULTRAB-<br />
RUTAL, HEIMATGLÜCK, RANDY’S RIPCORD, GOTTKAI-<br />
SER, KETTCAR, PROJEKT KOTELETT, NORDEN, BRONX<br />
BOYS und EIGHT BALLS, nur um mal einen kleinen Teil zu<br />
nennen. Da diese DVD zum Spottpreis <strong>von</strong> 7,70 Euro verkauft<br />
wird, sollte die Anschaffung dieser wirklich gelungenen<br />
Video-Zusammenstellung nicht nur für Hamburger<br />
Jungens und Derns empfohlen sein. Also bitte bestellen. (9)<br />
Abel Gebhardt<br />
Voodoo Rhythm – The Gospel<br />
Of Primitive Rock’n’Roll DVD<br />
slowboatfilms.com/Voodoo Rhythm/Cargo | Über Beat<br />
„Beat-Man“ Zeller, den Kopf des Voodoo Rhythm-Imperiums<br />
aus der Schweiz, wurde in diesem Heft ja immer schon<br />
ausgiebigst berichtet, ebenso wie über die musikalischen<br />
Inkarnationen des Meisters selbst (MONSTERS, Reverend<br />
Beat-Man, etc.) sowie über die diversen Bands des Labels,<br />
etwa DEAD BROTHERS, DM Bob, WATZLOVES, THE COME<br />
N’ GO oder ZENO TORNADO & THE BONEY GOOGLE<br />
BROTHERS. M.A. Littler, seines Zeichens Rock’n’Roll-Dokumentarfilmer<br />
aus der Nähe <strong>von</strong> Frankfurt, verspürte eine<br />
ähnliche Begeisterung für den gleichermaßen sympathischen<br />
wie spinnerten Schweizer und machte sich so letztes<br />
Jahr daran, die Welt des Beat-Man zu ergründen. Mit der<br />
Kamera ging es ab in die Schweiz, man führte ausführliche<br />
Interviews mit dem Labelboss selbst, mit den DEAD BROT-<br />
HERS, Robert Butler, Zeno Tornado und diversen anderen,<br />
fuhr mit auf Konzerte, und so entstand eine beeindruckende<br />
Doku über einen eigenwilligen Musiker und Perfomer, die<br />
klarmacht, dass es mit unbändiger Willensstärke und einer<br />
Mischung aus Genialität und Wahnsinn auch in einer konformen<br />
Gesellschaft möglich ist, sein Ding durchzuziehen,<br />
den „Gospel“ des „Primitive Rock’n’Roll“ zu verkünden.<br />
Auf 115 Minuten Spielzeit nebst Bonusmaterial addiert sich<br />
die Ausbeute der Dreharbeiten Littlers, doch so beeindruckend<br />
die Doku auch ist, sie hat auch ihre Längen, und statt<br />
des sich wiederholenden Wechsels <strong>von</strong> Proberaum-Interview-Szene<br />
und Konzertmitschnitten hätte man sich etwas<br />
<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 083<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 83 22.09.2006 20:53:20 Uhr
PUNCH UP POGOS<br />
Punkrock Made In Elstal <strong>CD</strong><br />
punchuppogos.de.vu | Jawohl, „Punkrock made in Elstal“,<br />
im schönen Havelland vor den Toren Spandaus. Schön<br />
auch, dass es da jetzt wieder Shows gibt. <strong>Die</strong> Produktion<br />
der 16 Lieder – keines des Demos hat es auf das Debüt geschafft<br />
– ist ein wenig flach, so dass sich die mangelnde Fülle<br />
der Stimme besonders schmerzhaft äußert. Textlich geht es,<br />
auch wenn man sich ab und zu seiner Überzeugungen versichert,<br />
um Spaß. Und angesichts der Ausflüge in den Ska-<br />
Punk, Rockabilly, Schlager und metallischen Hardcore wird<br />
deutlich, dass dieser teils englischsprachige Deutschpunk<br />
zwischen RAMONES und ABSTÜRZENDEN BRIEFTAU-<br />
BEN auf Tanz und gute Laune abzielt. Dabei ist die <strong>CD</strong> für<br />
eine Partyplatte mit knapp einer Stunde Laufzeit entschieden<br />
zu lang. Eine Partyplatte muss man bei voller Lautstärke<br />
gehört haben können, bevor die Bullen kommen. Und live<br />
lässt sich diese gute Laune bestimmt besser transportieren<br />
als auf Konserve. Gute Band, definitiv nichts für Pogophobe.<br />
(57:07) (7) Walmaul<br />
RÖMER<br />
Ausgesoffen & weggeschmissen <strong>CD</strong><br />
dieroemer-punkrock.de | DIE RÖMER hielt ich<br />
zuerst für eine stumpfe Deutschpunkband, dann<br />
erschienen sie mir viel ironischer und mehr auf<br />
Funpunk ausgerichtet. Jedenfalls kann man zu-<br />
R<br />
mindest an deren Aussagen nicht meckern und<br />
die Attitüde scheint auch zu stimmen. Auch<br />
wenn mir der schon am Albumtitel erkennbare Hobbyalkoholismus<br />
zu sehr in Szene gesetzt ist und sich sowohl Musik<br />
(Standard-Punkrock) als auch die ganz guten, aber etwas<br />
plumpen Texte nicht gerade durch ihren Feinschliff<br />
auszeichnen, haben DIE RÖMER ihren Vorteil gegenüber<br />
manch anderer Band in einem ihrer Texte schon selbst formuliert:<br />
„I think a bad original is better than a good copy!“.<br />
(34:18) (5) Tobias Weber<br />
RATOS DE PORAO<br />
Hominem Inimigo Do Homem <strong>CD</strong><br />
munster-records.com | Das Munster-Sublabel Beat Generation<br />
ist die neue Heimat der Brasilianer RATOS DE PO-<br />
RAO, die mit „Hominem Inimigo Do Homem“ ihr 25-jähriges<br />
Bandbestehen feiern. Mit brasilianischen Bands liegt<br />
man eigentlich nie daneben und so ist auch hier. RATOS DE<br />
PORAO sind eine lebende Legende, die mit ihrem metallischen<br />
Hardcore wahrscheinlich Legionen südamerikanischer<br />
Bands beeinflusst hat – und das zu Recht. Auch auf ihrem<br />
neuesten Release machen RDP keine Gefangenen und<br />
brettern ein bestens produziertes Album herunter, das nur<br />
vor Energie und Wut strotzt. Vergleichbare Bands kommen<br />
eigentlich nur aus derselben Gegend, ich möchte nur die<br />
Überbands AÇÃO DIRETA und I SHOT CYRUS anführen.<br />
Kurze Songpassagen brechen immer wieder aus dem üblichen<br />
Schema aus, erinnern mal an MOTÖRHEAD, mal an<br />
NAPALM DEATH und lassen so die Scheibe nie langweilig<br />
werden. Textlich geht es bei „Der Mensch ist der Feind des<br />
Menschen“ um hardcoretypische linke Inhalte, soweit ich<br />
es mit meinen beschränkten Portugiesischkenntnissen beurteilen<br />
kann. <strong>Die</strong> <strong>CD</strong> kommt in schönem Digipak. Und irgendwann<br />
mal soll es auch eine Übersetzung der Texte auf<br />
der Homepage der Band geben ... (30:23) (8)<br />
Dr. Oliver Fröhlich<br />
RESTLESS YOUTH<br />
Light Up Ahead <strong>CD</strong><br />
Complete Control | <strong>Die</strong> Niederländer RESTLESS YOUTH<br />
gehen als Mischung aus frühem 80er Hardcore und traditionellem<br />
Rock durch. Der Opener „Cold hearted“ erinnert<br />
an BLACK FLAG, kommt sehr abgehangen und cool rü-<br />
dvds<br />
mehr Bilder aus dem „richtigen Leben“ der Portraitierten<br />
gewünscht: Wie leben und arbeiten die Musiker, wie sieht<br />
ihr Umfeld sie? Trotzdem: Ein beeindruckender wie unterhaltsamer<br />
Film. Joachim Hiller<br />
V.A. Appetite For<br />
Deconstruction DVD<br />
destiny-tourbooking.com/Destiny | Pünktlich zur aktuellen<br />
Tour bringt Destiny Records die „Appetite Of Deconstruction“-DVD<br />
auf den Markt, die uns noch einmal<br />
die Schmankerl der Europatour 2004/05 zu Gemüte führt.<br />
Und das, was man hier für sein Geld geboten bekommt, ist<br />
durchaus nicht schlecht. Über zweieinhalb Stunden Spielzeit<br />
weist die DVD auf. Neben Live-Musik darf man die Deconstruction-Musiker<br />
in skurrilen Backstageszenen bewundern,<br />
die Bands und die Crew werden vorgestellt, interviewt<br />
und nach ihrer aktuellen politischen Einstellung,<br />
natürlich im Bezug auf den Herrn Bush ausgefragt und die<br />
Motorbiker, die diesmal mitgereist sind, dürfen den ein oder<br />
anderen Stunt auf dieser DVD machen. Ein paar Auftritte<br />
stechen besonders heraus, so beispielsweise die sehr abgedrehte<br />
Performance <strong>von</strong> MAD SIN. <strong>Die</strong> MAD CADDIES sorgen<br />
mit „Drinking for eleven“ für Partystimmung und die<br />
Profis wie LAG WAGON und PENNYWISE, die mit mehr als<br />
einem Song eine Sonderstellung auf der DVD haben, sind<br />
ja eh immer klasse. Originell kommen auch das Ska-Ensemble<br />
THE SLACKERS und die coolen THE MOVEMENT.<br />
Insgesamt also ein tolles Produkt. <strong>Die</strong> Bikershows werden<br />
nach fünf Minuten langweilig und verleiten zum skippen.<br />
Was auch nicht gefällt, sind die viel zu abgenudelten Hits<br />
der Sorte „Turncoat“ <strong>von</strong> ANTI-FLAG und „Panic“ <strong>von</strong> den<br />
BEATSTEAKS. Hier hätte ich mir ein wenig mehr Kreativität<br />
gewünscht. Einen Abzug in der B-Note bekommt auch das<br />
hässliche und total unübersichtliche Menü mit seiner umständlichen<br />
Bedienung, ansonsten eine lohnenswerte Investition.<br />
(159:28) (8) Arndt Aldenhoven<br />
PAUL WELLER<br />
As Is Now DVD<br />
v2music.com | Sensationell. Wer bei dieser Dokumentation<br />
über die Produktion <strong>von</strong> Wellers aktuellem Album bei<br />
Timecode 38:42:31 die Pause-Taste drückt, sieht tatsächlich<br />
ein Lächeln über Pauls Gesicht huschen. Das hält knapp eineinhalb<br />
Sekunden an, dann ringt er schon wieder mit sich<br />
und versucht, die Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu<br />
bekommen. Zudem gibt es noch genau zwei Szenen auf dieser<br />
DVD, wo Weller Humor zeigt, allerdings hat er da auch<br />
schon ein paar Bierchen drin. Ansonsten ist „As Is Now“<br />
eine bitterernste Sache, gezeigt wird eine sehr talentierte<br />
Band, die sich um einen begnadeten Songschreiber gesammelt<br />
hat. Und die Studio-Sessions sind zwar relativ locker<br />
abgelaufen, aber dennoch ist es wohl verdammt harte Arbeit,<br />
ein so schönes Album aufzunehmen, wenn man Pauls<br />
dauerverkniffenes Gesicht betrachtet. Etwas mehr Lockerheit<br />
bietet die ebenfalls enthaltene Show aus dem Londoner<br />
100 Club (wo THE JAM ja einige ihrer besten Konzerte gespielt<br />
hatten). Schön zu beobachten ist dabei, dass Paul immer<br />
noch seine Bühnenbewegungen nahezu hundertprozentig<br />
<strong>von</strong> SMALL FACES-Sänger Steve Marriott und seinem<br />
Rumpelstilzchen-Boogaloo abkupfert. Apropos Marriott::<br />
„Es stimmt nicht, dass ich den ganzen Tag SMALL FACES<br />
höre, das tue ich nur Vormittags“, kaspert Weller im Interview.<br />
Der vierte Beweis für Humor auf dieser DVD. Dabei<br />
bleibt es dann glücklicherweise auch. (7) Gereon Helmer<br />
084 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />
ber, danach folgt „Do you mind?“, eine schnelle, sehr kurze<br />
Nummer, die auch <strong>von</strong> den BAD BRAINS sein könnte. Wobei<br />
es natürlich immer schwierig sein wird, diese unglaublichen<br />
Truppen als Referenz zu benutzen. Sei’s drum, soll ja<br />
nur der Orientierung dienen ... Danach bleibt die Band ihrem<br />
schrägen, leicht destruktiven Sound treu, driftet jedoch<br />
mehr in die Rockecke ab. „Thieves“ und „Channel zero“<br />
könnten auch <strong>von</strong> MC5 intoniert worden sein, und Iggy Pop<br />
hat auch noch eine Sequenz beigesteuert. Bei „Beyond solitude“<br />
wird das Tempo wieder deutlich angezogen und John<br />
Joseph übernimmt die Kontrolle. Genauso geht es weiter bis<br />
zum Ende der Scheibe. Gut gerockt und entwicklungsfähig.<br />
(19:25) (6) Zahni<br />
RIPPERS<br />
Tales Full Of Black Soot LP/<strong>CD</strong><br />
screamingapple.de | <strong>Die</strong> italienischen THE RIPPERS, die<br />
wohl derzeitig wildeste Garagepunk-Band, ist zurück und<br />
Ripper I, II, III und IV haben mit „Tales Full Of Black Soot“<br />
ihre grandiose zweite LP<br />
in die Vox-Gitarrenkoffer<br />
gepackt. Wurde die selbstbetitelte<br />
Debüt-LP noch<br />
in der heimischen Garage<br />
aufgenommen, besuchte<br />
man dieses Mal ein Studio<br />
und spielte die 13 Songs<br />
live ein, doch keine Angst,<br />
THE RIPPERS klingen<br />
trotz Studio und „richtiger“<br />
Produktion nun keinesfalls<br />
„sauber“ oder<br />
„poliert“, die Aufnahme<br />
ist verdammt rauh, kratzig, aber mit dem nötigen Druck,<br />
der dem Vorgänger hier und da dann doch fehlte. Aber auch<br />
das Songwriting hat, wie auch der Sound, scheinbar gewisse<br />
Aufbaupräparate verabreicht bekommen; alle Songs (zehn<br />
Originale, drei Coverversionen) gehen ab wie Schmitz’ Katze,<br />
kein einziger Füller, 13mal Teen-Garagepunk vom Feinsten.<br />
Eine Steigerung auf ganzer Linie! THE RIPPERS klingen<br />
auf „Tales Full Of Black Soot“ authentisch wie nie, strotzen<br />
jedoch vor nach heutigen Maßstäben bemessener Punk-<br />
Energie, die die Original-Bands in den 60ern einfach noch<br />
nicht hatten (THE ZAKARY THAKS’ „Bad girl“ mal ausgenommen).<br />
Und genau dieser Umstand macht die RIP-<br />
PERS zu einer „echten“ 60s-Punk-Band und nicht zu einer<br />
Stadtfest-Oldie-Night-„Retro“-Gurkentruppe. Menschen<br />
mit bleistiftdünnen Schlipsen, engen Anzügen, Beat-Boots<br />
und einem Hang zu exzessiver 60s Punk-Mucke sollten jedenfalls<br />
zugreifen. Allerdings, kleiner Wermutstropfen: Einen<br />
Punkt Abzug für das abscheuliche Artwork! (29:16) (8)<br />
Chris Virgo<br />
RED LIGHT RIPPERS<br />
Nobody Likes A Rat <strong>CD</strong><br />
fadingways.co.uk | GUNS N’ROSES, Alice Cooper oder VAN<br />
HALEN nennen die RED LIGHT RIPPERS als ihre Vorbilder.<br />
Und somit ist auch schon klar, dass die Reise in die 80er zurückgeht,<br />
in eine Zeit, als es noch üblich war, über ein Intro-Riff<br />
gleich ein Wah-Wah-Solo drüberzuschnalzen. Dass<br />
Sänger Rip Skinner auf manchen Fotos eine gewisse Ähnlichkeit<br />
mit dem jungen Ozzy Osbourne aufweist, passt<br />
dann auch noch gut hinein. Musikalisch und textlich würde<br />
ich die vier Kanadier aber weniger zu GUNS N’ROSES<br />
als vielmehr direkt neben MÖTLEY CRÜE stellen: sehr rolliger<br />
Hardrock mit sympathischen Texten über Rock’n’Roll-<br />
Nurses, Liebesprobleme und was das Leben sonst noch so<br />
für Herausforderungen an den Berufsteenager stellt. Insgesamt<br />
nicht unsympathisch, aber manchmal stellt man sich<br />
beim Hören die Frage, warum man nicht gleich zum Original<br />
greifen und in Jugenderinnerungen schwelgen sollte?<br />
RED LIGHT RIPPERS bringen einen auf jeden Fall dazu, mal<br />
wieder in die tieferen Gefilde der eigenen Plattensammlung<br />
abzutauchen. (30:22) (7) Simon Loidl<br />
ROYAL ROLLEXBOYS<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
Royall Rollex | <strong>Die</strong> Darmstädter ROYAL ROLLEXBOYS präsentieren<br />
auf dieser EP ihre „Musik mit Zug“, wie sie selbst<br />
ihre Arbeit nennen. Man könnte es auch Rock’n’Roll nennen,<br />
erdig, aber mit etwas zu akzentverseuchtem englischsprachigem<br />
Gesang. Dass die Songs mit einem Budget <strong>von</strong><br />
100 Euro aufgenommen wurden, hört man nicht unbedingt,<br />
da ist auf alle Fälle was drin. Leider finden sich statt<br />
der im Pressetext angekündigten sechs Tracks lediglich drei<br />
auf der <strong>CD</strong>, die Spielzeit verkürzt sich auf knapp zehn Minuten<br />
und auch am Cover sind nur drei Songs gelistet. Wo ist<br />
der Rest geblieben? (5) Simon Loidl<br />
RETURNABLES<br />
s/t M<strong>CD</strong><br />
Dirtnap | Ich sitze hier und frage mich: Was ist das für eine<br />
großartige Band? Warum kannte ich die vorher nicht? Was<br />
für eine großartige Stimme, was für tolle Songs! Warum sind<br />
nur sieben Stücke auf der <strong>CD</strong>, da<strong>von</strong> auch noch drei live (inklusive<br />
das WEDDING PRESENT-Cover)? Ich brauche mehr!<br />
Dann les ich das Info und muss schlucken: Sänger und Gitarrist<br />
Bobby James ist letztes Jahr bei einem tragischen Autounfall<br />
gestorben. Manchmal schreibt das Leben echt miese<br />
Geschichten! Es bleiben sieben großartige Songs mit herzergreifendem<br />
Pop-Appeal und rauhem Punkrockcharme,<br />
irgendwo zwischen den UNDERTONES und einer ganz eigenen<br />
Note, mit der es THE RETURNABLES eigentlich verdient<br />
hätten groß rauszukommen. Besorgen! Absoluter Tip!<br />
(22:14) (9) Bernd Fischer<br />
RESISTANCE 77<br />
Songs For A Nanny State <strong>CD</strong><br />
Captain Oi! | Obwohl Mark Brennans Label Captain Oi!<br />
eher auf die Wiederveröffentlichung <strong>von</strong> alten englischen<br />
Punk- und Oi!-Alben spezialisiert ist, gibt es auch die ein<br />
oder andere Band, die neues Material dort herausbringt.<br />
Dazu gehören auch RESISTANCE 77, die nun den Nachfolger<br />
zu „Long Time Dead“ vorlegen. Sowohl stilistisch<br />
als auch altersmäßig ist die Band, die sich 1979 in England<br />
gründete, dort sicher an der richtigen Adresse. Sänger Oddy<br />
war <strong>von</strong> 2004 an auch für einige Zeit der Sänger <strong>von</strong> ME-<br />
NACE, aber das hat sich wohl wieder erledigt, wobei ich<br />
nicht sagen kann, warum. „Songs For A Nanny State“ liefern<br />
RESISTANCE 77 No-surprises-Streetpunk der alten Schule.<br />
Gefällt mir durchaus ganz gut, aber ich muss schon sagen,<br />
dass es eine Menge junger Ami-Bands gibt, die diesen Sound<br />
einfach besser umsetzen, auch wenn sie vielleicht sogar <strong>von</strong><br />
RESISTANCE 77, oder zumindest ihren Altersgenossen, beeinflusst<br />
sind. (40:02) (6) Claudia Luck<br />
RAW INSTINKT<br />
Das sind wir <strong>CD</strong><br />
Bandworm/Asphalt | Oh nein, unfassbar. <strong>Die</strong> nerven schon<br />
nach 20 Sekunden. Das hat seit den STAMMTISCHPROLLS<br />
auch keiner mehr geschafft. RAW INSTINKT aus Castrop-<br />
Rauxel spielen deutschen Oi!/Streetcore, der leider textlich<br />
kein Klischee auslässt: <strong>Die</strong> Welt ist schlecht, die Gesellschaft<br />
ist schuld und meine Mami auch, weil die mich nicht<br />
lieb hatte. Oh nein, jetzt auch noch Akustikeinlagen. An den<br />
guten Stellen erinnert mich das Album noch gerade so an<br />
TOXPACK, aber insgesamt ist das doch an zu wenigen Stellen<br />
der Fall. Am schlimmsten eindeutig der „Zuppelsong“:<br />
„Wenn nachts die Alte schlafen ist, lieg ich noch wach im<br />
Bett. Ich zuppel an mein (sic!) Schnippel rum, denn Zuppeln<br />
find ich nett.“ Nein, oder? Kleiner Tipp unter Freunden:<br />
Lest mal ganz dringend ein Buch. Soll helfen. Und übrigens:<br />
Meine Mami hatte mich früher auch nicht lieb, aber<br />
ich mache trotzdem keine schlechte Musik. (39:54) (3)<br />
Claudia Luck<br />
RED UNION<br />
Black Box Recorder <strong>CD</strong><br />
bandwormrecords.de | Das erste Mal bin ich vor drei Jahren<br />
mit RED UNION in Kontakt gekommen und zwar in<br />
Pula, Kroatien auf dem Monte Paradiso-Festival. Da hab ich<br />
mir ihr erstes Album „Rebel<br />
Anthems“ als Tape gekauft,<br />
in Osteuropa gibt<br />
es noch einen florierenden<br />
Tapehandel. „Rebel<br />
Anthems“ hatte mich<br />
ziemlich begeistert, musikalisch,<br />
wie auch textlich.<br />
Das neue, zweite Album<br />
„Black Box Recorder“<br />
hat nun meine Erwartungen<br />
bei weitem<br />
übertroffen. RED UNI-<br />
ON haben sich qualitativ<br />
noch mal gesteigert, unheimlich schöne Melodien und<br />
intelligente, persönliche Texte zu eingängigen Liedern geformt.<br />
Elf eigene Songs und eine Coverversion des Arbeiterliedes<br />
„Power in the union“. Musikalisch geht’s in Richtung<br />
erste JAM und CLASH. Auf der <strong>CD</strong> befindet sich ein Live-Video,<br />
in dem beide Bands gecovert werden und ein gelungenes<br />
Musikvideo zu „WMD“. Auf ihrer letzten Tour hab ich<br />
ein Konzert mit den Jungs ausgerichtet und konnte mich<br />
da<strong>von</strong> überzeugen dass sie live, noch eine Spur mehr Gas geben<br />
und auch so äußerst angenehme Burschen sind. (41:03)<br />
(9) Dennis Bruns<br />
RAPTURE<br />
Pieces Of The People We Love <strong>CD</strong><br />
Universal | Dass es schwer sein würde, die weitere Reiseroute<br />
<strong>von</strong> THE RAPTURE festzulegen, war nach dem Erfolg<br />
des 2003 erschienenen „Echoes“-Albums klar. Damals war<br />
der ganze Dancepunk-Hype auf seinem Höhepunkt angelangt,<br />
die Wahl-New Yorker mittendrin. Doch seitdem hat<br />
sich einiges verändert, das Dancepunk-Ding ist noch nicht<br />
ganz tot, aber riecht schon sehr streng, und so hatten THE<br />
RAPTURE nur die Chance, sich vom Pulk abzusetzen und<br />
ihren Sound weiterzuentwickeln. Das haben sie auf „Pieces<br />
Of The People We Love“ auch konsequent getan – und es gefällt<br />
mir nicht. Wenn Leute mit einem vagen Punk-Background<br />
die Entwicklung der frühen Achtziger nachvollziehen<br />
wollen, als aus Punk erst Wave und dann mal besserer,<br />
mal schlechterer Pop wurde, schön für sie, und manche Ergebnisse<br />
gefielen mir ausgesprochen gut, doch THE RAPTU-<br />
RE haben für mich den kompletten Ausstieg vollzogen, in<br />
stilistische Bereiche, die mich kein Stück interessieren. Das<br />
hier ist ein lupenreines Dance-Album, leider auch sehr funky,<br />
purer Pop, und wenn es hier und da noch gewisse Parallelen<br />
zu alten Wegbegleitern wie RADIO 4 gibt, dann ist das<br />
die Ausnahme. Ich bin gespannt, ob die Mainstream-Popwelt<br />
THE RAPTURE akzeptiert, denn <strong>von</strong> ihrer alten Kantigkeit<br />
sind durchaus noch Spuren geblieben – für mich jedoch<br />
zu wenig. (43:44) (4) Joachim Hiller<br />
RAHIM<br />
Ideal Lives <strong>CD</strong><br />
frenchkissrecords.com/Alive | Das New Yorker Label<br />
French Kiss hat sich mit den ebenfalls aus NYC stammenden<br />
RAHIM eine Band an Bord geholt, die mit ihrem komplexen,<br />
aber nicht frickeligen Post-Punk auch sehr gut ins<br />
Dischord-Programm passen würde – kämen sie denn aus<br />
D.C. und hätten nicht nur mit jemandem <strong>von</strong> dort aufgenommen.<br />
J. Robbins war das, und so schließt sich der Kreis<br />
mal wieder. „Ideal Lives“ ist ein schüchternes Indiepop-Album,<br />
das vor fünfzehn Jahren noch lauter Post-Hardcore<br />
gewesen wäre, SHUDDER TO THINK-Melodien treffen hier<br />
auf FUGAZI-Sprödigkeit, aber auch alte englische Meister<br />
wie THE FALL oder MONOCHROME SET meine ich heraushören<br />
zu können. Ich glaube, das sind Gute. (36:46) (7)<br />
Joachim Hiller<br />
REGURGITATE<br />
Sickening Bliss <strong>CD</strong><br />
relapse.com | Respekt, mit „Sickening Bliss“ ist es REGUR-<br />
GITATE gelungen, beim Hörer eine beinahe so verstörende<br />
Stimmung entstehen zu lassen, wie es einst CARCASS<br />
mit „Symphonies Of Sickness“ gelang. <strong>Die</strong> Schweden deswegen<br />
als bloßes CARCASS-Surrogat abzutun, damit würde<br />
man ihnen aber Unrecht tun. Denn auch wenn REGUR-<br />
GITATE mit ihrem vierten Album näher am Meisterstück<br />
der Engländer sind als je zuvor, besitzen sie doch eine angenehme<br />
Eigenständigkeit, die es im Grindcore leider viel<br />
zu selten gibt. Was wiederum Vergleiche mit NASUM heraufbeschwört,<br />
die es durch Hinwendung zu richtigen Songs<br />
ja auch schafften, aus dem Grind-Einheitsbrei hervorzustechen.<br />
Ganz so gut wie NASUM sind REGURGITATE zwar<br />
noch nicht, aber wie ihre Landsmänner verstehen auch sie,<br />
dass selbst im Grindcore gutes Songwriting kein Fehler sein<br />
kann. 26 Songs in 36 Minuten bedeuten zwar auch hier, dass<br />
hauptsächlich in Höchstgeschwindigkeit musiziert wird,<br />
aber ein vernünftiger Songaufbau und etwas Abwechslung<br />
hier und da machen eben den kleinen, aber feinen Unterschied<br />
zwischen ödem Geknüppel und wirklich brutaler<br />
Musik aus. Was den immer wiederkehrenden Vergleich<br />
mit CARCASS angeht, so kommt dieser sicherlich neben den<br />
musikalischen Gemeinsamkeiten und dem Spaß an toten<br />
Körpern auch deshalb zustande, weil der absolut grandiose<br />
rülpsige Gurgelgesang <strong>von</strong> Rikard Jannson den <strong>von</strong> CAR-<br />
CAS’ Jeff Walker beinahe noch übertrifft. Andererseits hatten<br />
CARCASS aber nie ein SLAYER-Quietsche-Solo. (8)<br />
André Bohnensack<br />
REVEREND SCHULZZ’S<br />
BIRDSPOOKERS<br />
First Division Town <strong>CD</strong><br />
Cellarphon/United Power Fields | Ich frage mich, warum<br />
es eigentlich als Lob zu verstanden wird, wenn man einem<br />
deutschen Künstler nachsagt, er stehe bei der Authenzität<br />
der gemachten Musik, den amerikanischen Originalen<br />
in nichts nach. Ich streite nicht ab, dass ich dies auch<br />
schon in dem ein oder anderen Review deutscher Künstler<br />
geschrieben habe, und war auch jetzt versucht, dies zu<br />
machen. Eigentlich besagt es doch nichts anderes, als das jemand<br />
einem Stil nacheifert, der nicht der eigene wäre? Aber<br />
da wir ja seit den 50ern alle mit größtenteils englischsprachiger<br />
Musik, und dadurch auch deren kulturellem Hintergrund<br />
aufwachsen, mag es völlig in Ordnung sein, wenn<br />
man sich so anhört, wie die Musik, die man selber schätzt.<br />
Der aus Frankfurt stammende Reverend dürfte da in den<br />
oberen Ranglisten auftauchen, geht es um Singer/Songwriter-Stil,<br />
basierend auf Americana in all seiner Bandbreite.<br />
Dass dahinter auch noch ein humorvolles Selbstverständnis<br />
steht, zeigt der Titelsong, wo in schönster Countryfolk-<br />
Manier der Eintracht Frankfurt eine Ballade gewidmet ist,<br />
welche die ganze Traurigkeit des Fans widerspiegelt, der ein<br />
noch schlimmeres Los als wir Kölner zu tragen hat. (73:31)<br />
(8) Claus Wittwer<br />
REEBOSOUND<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
reebosound.de | Hinter REEBOSOUNDS verbirgt sich Sven<br />
Missulllis, der sonst die eine Hälfte der Urheber der PSY-<br />
CHEDELIC AVENGERS ausmacht. Nun könnte man annehmen,<br />
dass hier ebenfalls Psychedelic zelebriert wird, aber<br />
mitnichten. Hier wird eine erstklassige Powerpop-Nummer<br />
nach der anderen ins Rennen geschickt, die mal kräftig<br />
rocken bei „Don’t panic“ oder „That gun“, an anderer<br />
Stelle darf man sich entspannt zurücklegen, „Starship“ und<br />
dem wunderschönen „Poor old sun“. Um das Bild perfekt<br />
zu machen wird bei „Me the saint“ auch noch mit leichten<br />
Country-Anleihen geglänzt. Hinzu kommt, dass Songs wie<br />
„Deleted scenes“ durchaus auch auf dem Frank Black-Klassiker<br />
„Teenager of the year“ zu finden gewesen sein könnten,<br />
oder hat der kleine dicke Frank hier tatsächlich selbst<br />
mitgewirkt? Nein, und auch sonst niemand, denn schlussendlich<br />
gilt es zu erwähnen, dass Missullis alle Instrumente<br />
selbst eingespielt hat. Eigentlich müsste ich an dieser Stelle<br />
den ultimativen Kaufbefehl aussprechen, aber es geht<br />
noch viel einfacher und vor allem sympathischer. Netterweise<br />
kann man sich nämlich auf reebosound.de das gesamte<br />
Album kostenlos runterladen, nebst dem Coverartwork.<br />
(30:32) (9) Claus Wittwer<br />
REPOS<br />
Hearts And Heads Explode LP<br />
Youth Attack | Heilige Scheiße, was für ein Durchlauf! Hätte<br />
es da vor Urzeiten nicht schon eine Band namens SEPTIC<br />
DEATH gegeben, würde es hier schwer mit einem Vergleich.<br />
Aber die Jungs gab es, und das hier ist nichts anderes als eine<br />
1.2-Version der Jungs um Brian Pushead Schröder, freilich<br />
ohne personelle Überschneidungen. Knapp 20-minütiges<br />
Hardcore-Massaker, jede Seite nonstop durchgehackt<br />
(das meine ich auch so, es gibt keine Pausen zwischen den<br />
Songs), ohne Rücksicht auf den Nebensitzer oder Verluste.<br />
Eckig, kantig, trotzdem mit dermaßen viel Tempo durchgeballert,<br />
dass man über die komplette Länge einer Seite gerne<br />
die Luft anhalten will. Hardcore, so wie er sein sollte, ohne<br />
Brimborium, Schnickschnack, Gimmicks oder viel Gesülze.<br />
P-e-r-f-e-k-t! Den einen Punkt Abzug gibt es nur, weil eine<br />
Band aus Boise, Idaho die Sache vorexerziert hat. Schniekes<br />
Wendecover aber auch! (9) Kalle Stille<br />
RONNY MONO<br />
Addicted To You M<strong>CD</strong><br />
rehearsalroom.de | Sechs Songs, die man meint, schon xmal<br />
gehört zu haben, reichen nicht für ein 9-Punkte-Review,<br />
aber für eine dritte Platte und ein kurzes, kurzlebiges<br />
Hörvergnügen. Mit sichtlich viel Freude fabriziert das<br />
Trio aus Braunschweig Garagenpunk irgendwo zwischen<br />
MONSTERS und RAMONES und versucht dabei erst gar<br />
nicht, den Rock’n’Roll neu zu erfinden, ihm aber doch wenigstens<br />
„ein neues Gesicht“ zu verpassen. Um genau zu<br />
sein, ist jedoch auch dieser Versuch gescheitert. Doch muss<br />
ich zugeben, der EP bei mehrfachem Durchhören mehr und<br />
mehr abgewinnen zu können. Wie gesagt, nichts, aber auch<br />
gar nichts Neues, standardisierte Klischeetexte, aber doch zu<br />
rotzig und elanvoll, um wie so viele dieser Lemmy-Söhne<br />
im Mülleimer verschwinden zu lassen. Nach dem ein oder<br />
anderen dritten Bier mit großer Wahrscheinlichkeit live ein<br />
Genuss. (14:40) (5) Mario Turiaux<br />
ROY & THE DEVILS’S MOTORCYCLE<br />
Because Of Women <strong>CD</strong><br />
voodoorhythm.com | Es gibt Platten, die am besten nicht<br />
bei Tageslicht gehört werden sollten. „Because Of Women“<br />
ist auch so ein Fall. Der hypnotische Bluesrock der vier<br />
Schweizer kann einfach<br />
nicht bei Sonnenschein<br />
seine magnetisierende<br />
Wirkung entfalten. Ist die<br />
Sonne allerdings erst mal<br />
untergegangen, erscheint<br />
auch dieses Album in einem<br />
ganz anderen Licht.<br />
Jaulende Slide-Gitarren,<br />
ein stoisches Schlagwerk,<br />
und ein lakonisch desinteressierter<br />
Gesang machen<br />
hier die Mischung<br />
fett. Irgendwo zwischen<br />
VELVET UNDERGROUND, SPACEMEN 3 und anderen lichtscheuen<br />
Gestalten fühlen sie sich am wohlsten, und die Coverversion<br />
<strong>von</strong> „Johnny B. Goode“ gehört so ziemlich zum<br />
Abgedrehtesten, was man sich als Chuck Berry-Interpretation<br />
vorstellen kann. (7) Gereon Helmer<br />
RED SPAROWES<br />
Every Red Heart Shines Toward The Red Sun <strong>CD</strong><br />
Neurot | „Every Red Heart ...“ ist das zweite Album der roten<br />
Spatzen aus Los Angeles und wie schon beim Debüt sind<br />
es reine Instrumental-Kompositionen, die einen jedoch so<br />
stark in den Bann ziehen können, dass jegliche Vocals eher<br />
alles zerstören würden. Es ist nicht <strong>von</strong> der Hand zu weisen,<br />
dass die fünf Musiker – ebenfalls tätig bei ISIS, NEU-<br />
ROSIS und auch HALIFAX PIER – durch unzählige Shows<br />
und Touren bestens aufeinander eingespielt sind. <strong>Die</strong> acht<br />
Songs erscheinen noch greifbarer, direkter und holen trotzdem<br />
doch viel weiter aus. Sie spannen ihre Flügel aus, tragen<br />
den Hörer da<strong>von</strong> und setzen ihn nach einer guten Stunde<br />
wieder wohlbehütet ab. Das wunderschöne Artwork ist<br />
ein prägnanter 5-Farb-Druck, inklusive der Sonderfarbe<br />
Gold, und wurde <strong>von</strong> Josh Graham gestaltet. Ich freue mich<br />
schon auf die anstehende Tour im Frühjahr 2007 und solange<br />
werde ich mich mit „Every Red Heart ...“ begnügen müssen.<br />
(61:35) (9) Ross Feratu<br />
S.P.Q.R.T.<br />
Record <strong>CD</strong><br />
raketemusik.de | Wo andere Labels in den Presseinfos<br />
nur Floskeln verbreiten, liefert Rakete<br />
Musik aus Köln einen richtig schönen Artikel zu<br />
S.P.Q.R.T., über dessen exakten Wahrheitsgehalt<br />
S<br />
ich mir zwar im Unklaren bin, aber die Legende<br />
über diese Formation aus Vermont besagt, der<br />
Name gehe auf einen gemeinsamen Rom-Besuch der Herren<br />
Carl Blend und Howard Lespie zurück, bei dem sie allenthalben<br />
auf die alte römische Inschrift „S.P.Q.R. “ stießen,<br />
was im Original für „Senatus Populusque Romanus“ steht<br />
(wer das Latinum hat, ist jetzt klüger, der Rest hat Pech) und<br />
hier mittels angehängtem T zur Abkürzung <strong>von</strong> „Self Producing<br />
Quality Recording Tourists“ wurde. Und um jetzt<br />
unelegant den Bogen vom Bandnamen zur Musik zu schlagen:<br />
S.P.Q.R. wurde einst in Stein gemeißelt, und apropos<br />
Stein, haha, die Herren sind dem Stoner-Rock nicht abgeneigt,<br />
sind sich sogar für den Kalauer, sie spielten „Rudolf<br />
Stoner Rock“, nicht zu schade. Waldorfschüler und Anthroposophen<br />
dürfen jetzt lachen. Wem also QUEENS OF<br />
THE STONE (sic!) AGE et al liegen, wer POTHEAD goutiert,<br />
der wird auch an diesem zwar nicht originellen, aber doch<br />
sehr groovigen, trockenen und weit über dem Genredurchschnitt<br />
anzusiedelnden Longplayer seine Freude haben –<br />
wie auch jene paar Musikfans, die sich noch an die Anfang<br />
der Neunziger musizierende Vorgängerband H.OILERS erinnern<br />
können. (59:53) (7) Joachim Hiller<br />
SUBMARINE RACES<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
intheredrecords.com | <strong>Die</strong> aus Chicago stammenden SUB-<br />
MARINE RACES sind die neue Band <strong>von</strong> Ian Adams, der<br />
einst bei HAPPY SUPPLY spielte und dann zum zwischenzeitlichen<br />
Vollmitglied der PONYS wurde (die übrigens<br />
derzeit an einem neuen Album arbeiten, das nächstes Jahr<br />
via Matador erscheinen wird). Adams ist ein erklärter Fan<br />
britischen Gitarrenpops der Achtziger, aber war eben auch<br />
maßgeblich an der Prägung des eigenwilligen Wave-Punk-<br />
Sounds der PONYS beteiligt – und hat zudem wohl einen<br />
starken Hang zu den EASYBEATS. Aus all diesen Einflüssen<br />
sowie denen seiner beiden Mitmusiker ergibt sich schließlich<br />
ein ganz neuer Sound, der irgendwo zwischen Garagepunk<br />
(wir reden ja schließlich <strong>von</strong> In The Red als Label),<br />
jangly Britpop und Psyche-Rock anzusiedeln ist. Keine alltägliche<br />
Kombination, viel schwerer zu beschreiben als zu<br />
hören, aber auf jeden Fall ein weiter exquisiter ITR-Release<br />
– und wer die PONYS schätzt, sollte unbedingt reinhören.<br />
(37:00) (7) Joachim Hiller<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 84 22.09.2006 20:53:25 Uhr
SONIC DOLLS<br />
I’m A Flower, Too <strong>CD</strong><br />
Flight 13 | Irgendwie mochte ich bei den SONIC DOLLS<br />
früher den Gesang nie. Und ich mochte es auch nicht, dass<br />
Fränkie Disco bei einem Konzert mal <strong>von</strong> der Bühne aus behauptet<br />
hat, ich sähe aus<br />
wie der kleine Bruder<br />
<strong>von</strong> Martin Semmelrogge.<br />
Dann haben die SONIC<br />
DOLLS aber mit „Dance<br />
with me tonight“ wiederum<br />
einen meiner ewigen<br />
Punkrock-Hitsongs geschrieben.<br />
Und irgendwie<br />
sind auch auf „I’m A Flower,<br />
Too“ überhaupt keine<br />
Schwächen für mich<br />
auszumachen. Zuckersüße<br />
Melodien in poppigen<br />
Punksongs reihen sich an altbewährte RAMONES/RI-<br />
VERDALES-Stomper. Auch die nöligen Vocals passen und<br />
nette Hommagen an coole Bands (die leider nur noch die<br />
wenigsten kennen) bauen die SONIC DOLLS auch ein, oder<br />
will etwa jemand die Parallelen des Titelsongs zu „Especially<br />
you“ <strong>von</strong> den SMUGGLERS leugnen? Also mal wieder ein<br />
absolut frisches und cooles Punkrock-Album <strong>von</strong> den Veteranen.<br />
Sie können’s einfach und es ist schön, dass es die<br />
SONIC DOLLS immer noch gibt! Über den Semmelrogge<br />
müssten wir aber vielleicht noch mal reden ... (32:10) (7)<br />
Bernd Fischer<br />
SOMETREE<br />
Hands And Arrows M<strong>CD</strong><br />
PIAS | Kurz nach dem großartigen Album „Bending The<br />
Willow“ und als Begleitung zur Tour werfen SOMETREE<br />
nun eine EP auf den Markt, dessen Inhalt hauptsächlich aus<br />
dem Titelsong besteht. Gleich viermal gibt’s den Song zu hören,<br />
das heißt einmal im Original und in drei Remixen, einmal<br />
als Piano-, zweimal als elektronische Version. Spätestens<br />
beim zweiten Remix stelle ich mir die Frage nach dem Sinn<br />
des Ganzen. Der Sound mag ein anderer sein, die Melodie<br />
ist dennoch immer dieselbe, deshalb werde ich des Hörens<br />
doch recht schnell müde. Viel mehr Sinn machen da schon<br />
die beiden unveröffentlichten Tracks namens „Metaphysics“<br />
und „Iron“, die <strong>von</strong> der Qualität her alles andere als zweite<br />
Wahl sind, und das Video zu „Hands and arrows“ als Gimmick.<br />
Ich finde, man hätte sich mindestens eine der Wiederholungen<br />
sparen können und dafür vielleicht noch irgendein<br />
Demo mit draufpacken können, da würde sich für<br />
mich der Kauf eher lohnen. (25:15) (6) Christian Meiners<br />
SOULSHAKE EXPRESS<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
pitshark.com | Nach einem seltsamen Intro, dass merkwürdig<br />
an RAGE AGAINST THE MACHINE erinnert, geht<br />
die Debüt-EP des schwedischen SOULSHAKE EXPRESS<br />
dann ganz anders weiter, und zwar so wie der Name vermuten<br />
lässt: bluesrockig, mit entspannten Orgeln und erdigen<br />
Licks. Dann plötzlich wieder so ein Riff, das man eher am<br />
Müllhaufen des Metal-Crossover vermuten würde. Irgendwie<br />
scheinen da einige Bandmitglieder woanders hinzuwollen<br />
als die anderen; manchmal passt das seltsamerweise<br />
sogar zusammen, manchmal wirkt es etwas beliebig. Nachdem<br />
sie kürzlich einen Deal mit Beatville Records aus Chicago<br />
an Land gezogen haben, arbeiten die fünf Schweden an<br />
weiteren Releases, und man darf gespannt sein, worauf sie<br />
sich einigen. (15:24) (6) Simon Loidl<br />
SINISTERS<br />
Terminal Volume M<strong>CD</strong><br />
fadingways.co.uk | 13 Jahre kicken die kanadischen SINIS-<br />
TERS bereits ihren straighten Rock’n’Roll durch die Welt,<br />
und sie kicken gut. Ein bisschen Horrorpunk, eine Spur Psychobilly,<br />
die wunderbar kratzige Stimme <strong>von</strong> Steevi Saint<br />
– selbst die eigentlich nicht so ganz dazupassende Mundharmonika,<br />
die immer wieder mal daherstolpert, fügt sich<br />
dann doch gar nicht so schlecht ins Gesamtbild. Fast wundert<br />
es einen, vorher noch nie über diese vier Knaben gestolpert<br />
zu sein. Dabei sind die SINISTERS recht aktiv, touren<br />
fleißig, haben sich dabei aber bislang auf ihr Heimatland<br />
und die USA beschränkt. Auffällig ist die Straffheit der<br />
Songs, welche kurz und knackig daherkommen und teilweise<br />
fast abgewürgt wirken; Songlängen <strong>von</strong> durchschnittlich<br />
eineinhalb Minuten führen aber auch dazu, dass die<br />
zehn Tracks bereits nach knapp 22 Minuten durchgespielt<br />
sind. Da hätte man sich ruhig an der einen oder anderen<br />
Stelle etwas länger aufhalten können. Rock’n’Roll für Eilige.<br />
(21:48) (8) Simon Loidl<br />
SPELLBIND<br />
Cocoon <strong>CD</strong><br />
Modern Noise/Radar | <strong>Die</strong>ser Vierer aus dem Fränkischen<br />
hat als akustische Band begonnen, mittlerweile dominieren<br />
die Gitarren. Ob sich dieser Wandel gelohnt hat, kann ich<br />
nicht sagen, den <strong>von</strong> den alten Songs sind keine aufzutreiben,<br />
und offiziell ist „Cocoon“ das erste Album der Band.<br />
<strong>Die</strong> zwölf Songs darauf sind entweder ruhig, oder sie rocken<br />
gemächlich vor sich hin. Richtig in Schwung bringen sie<br />
mich also nicht. Das Ganze ist diese Art <strong>von</strong> solidem Rock,<br />
den man auf Wettbewerben wie dem Emergenza hört, und<br />
danach nie wieder. Ich möchte die musikalische Leistung<br />
nicht schmälern, denn handwerklich ist das durchaus gute<br />
Arbeit, mir ist das allerdings viel zu brav. Und zu belanglos.<br />
(46:27) (4) Christian Meiners<br />
SECURITY THREAT<br />
The Truth Is Out LP<br />
civilisation-records.com | SECURITY THREAT sind die<br />
zweite Band des CATHETER-Drummers H Murder, der hier<br />
zum Viersaiter greift, und zweier mir unbekannter BLACK<br />
LUNG-Jungs aus Denver, Colorado. CATHETER sind für<br />
mich eine der brutalsten Grindcore-Bands dieses verschissenen<br />
Planeten, haben mit SECURITY THREAT aber nicht<br />
allzu viel gemeinsam. Sie spielen eher traditionellen, skandinavisch<br />
beeinflussten Crust-Sound, der aber sehr viel näher<br />
an Hardcore als an Metal ist. SECURITY THREAT wissen<br />
geschickt Midtempo-Passagen in die Songs zu integrieren,<br />
die dadurch noch kraftvoller wirken. Optisch und inhaltlich<br />
in typischer Crust-Manier, in diesem speziellen Fall<br />
klar gegen das Bush-Regime. Ein CATHETER nicht unähnlicher<br />
absolut brutaler Sound tut ein Übriges, diese Platte zu<br />
einem Tip zu machen. Kommt bei Selfmadegod als <strong>CD</strong> heraus<br />
und enthält mit „Shot, knife, strangle, beat and crucify“<br />
einen GG Allin- Coversong. (7) Dr. Oliver Fröhlich<br />
SCHWEISSER<br />
Pororoca <strong>CD</strong><br />
suedpolmusic.de/Alive! | Bei dem Namen SCHWEIS-<br />
SER kommen böse Erinnerungen hoch: langweiliger, verkopfter<br />
Riff-Metal, der für sich in Anspruch nahm, innovativ<br />
zu sein, stattdessen aber nur unerträglich nervte. Irgendwann<br />
kam aus München kein Lebenszeichen mehr und<br />
das war gut so. Und dann, nach fünf Jahren der Funkstille,<br />
entschließt sich Bandleader <strong>Thomas</strong> Böck mit neuer Mannschaft,<br />
aber altem Namen weiterzumachen. Und, Überraschung,<br />
nix mehr verkopft, nicht mehr dieses verkrampfte<br />
„Wir wollen innovativ sein“. Stattdessen nimmt der Kerl<br />
mit zwei Kumpels ein im besten Sinne altmodisches Indierock-Album<br />
auf, das einen zwar nicht wie die titelgebende<br />
Amazonaswelle aus den Latschen haut, aber einige wirklich<br />
schöne Momente zu bieten hat. Den Opener „Gelbkarierte<br />
Sakkos“ etwa, mit seiner herrlich antiquierten THIN LIZZY-<br />
Gitarre. Ebenso das kraftvolle und sarkastische „Helden“<br />
oder die Loser-Hymne „<strong>Die</strong> binären Idioten“, die nöliger<br />
daherkommt, als TOCOTRONIC jemals klangen. Auf der an-<br />
deren Seite versaut es sich Böck dann auch wieder, verfällt<br />
in alte „Tugenden“ und verhunzt einen an sich fetten Punk-<br />
Kracher wie „Freiheit?“ durch diesen RAMMSTEIN-artigen<br />
Sprechgesang. Hinzu kommt, dass „Pororoca“ etwas heterogen<br />
wirkt, Böck probiert wieder allerhand aus. Dennoch<br />
überwiegt der positive Eindruck und wer hätte jemals daran<br />
gedacht, den SCHWEISSER-Sound als warm und erdig zu<br />
bezeichnen? Genau das ist er nämlich anno 2006. (39:24)<br />
(6) Ingo Rothkehl<br />
STUDIOFIX<br />
Will Change Your Mind <strong>CD</strong><br />
Avebury | Neben FALLOPIAN die zweite Mädelstruppe auf<br />
Avebury. Auch diese drei Damen kommen aus Kalifornien,<br />
sind aber ein komplett anderes Kaliber. Hier haben wir es<br />
mit in erster Linie Studentinnen zu tun, die das Rad nicht<br />
neu erfinden und das auch schätzen. Vielmehr nehmen sich<br />
THE STUDIOFIX selber nicht immer ganz ernst, was äußerst<br />
sympathisch ist. Auch die Musik ist ansprechend, eher traditioneller<br />
Rock’n’Roll, anmutiger Gesang und sogar eine Art<br />
Ballade versprechen kurzweilige Unterhaltung. Zu vergleichen<br />
ist die Truppe am ehesten mit Bands wie PONY UP!<br />
oder aber frühen SLEATER-KINNEY. Reinhören! (36:08)<br />
(7) Sarah Shokouhbeen<br />
SPOTLIGHT KID<br />
Departure <strong>CD</strong><br />
Club AC30/Indigo | Nach MONOLAND vor einigen Monaten<br />
hier eine weitere schöne Noisepop-Veröffentlichung,<br />
bei der Vorbilder eigenständig in den Sound einfließen und<br />
nicht bloß kopiert werden. Das aus SIX BY SEVEN hervorgegangene<br />
britische Duo geht dabei wesentlich songorientierter<br />
vor als die Berliner und schrammelt und dröhnt sich<br />
durch die SPACEMEN 3- und MY BLOODY VALENTINE-inspirierten<br />
Popsongs, die noch einmal eindrucksvoll zeigen,<br />
mit was für einer Leichtigkeit sich episch, verträumt und<br />
krachig mit poppig. eingängig und kompakt verbinden lassen.<br />
Und Katty Heath und Chris Davis singen und säuseln<br />
dazu in nahezu perfekter Abstimmung. So kann sich <strong>von</strong> mir<br />
aus das 90er-Revival anhören. (45:11) (8)<br />
Christian Maiwald<br />
STYRIAN BOOTBOYS<br />
Violence & Profit <strong>CD</strong><br />
Bad Dog/Rough Trade | Unfassbar, haben die STYRIAN<br />
BOOTBOYS doch heimlich Englisch gelernt! Wer sich noch<br />
an ihre erste Veröffentlichung, ihren Beitrag zum COCK<br />
SPARRER-Tribute „Get A Rope“ erinnert, dem dürfte aufgefallen<br />
sein, dass das nicht immer so war. Auch musikalisch<br />
haben sich die Jungs aus der Steiermark weiterentwickelt.<br />
Der Sound bewegt sich zwischen klassischem Oi! und<br />
Streetpunk <strong>von</strong> STIFF LITTLE FINGERS bis OPPRESSED<br />
und jüngeren US-Streetpunk-Bands wie den DROPKICK<br />
MURPHYS. Man hat sich also erfreulicherweise vom klischeehaften<br />
Saufen-Ficken-Oi!-Sound entfernt, und darf es<br />
dann auch gerne mal einen Tick melodischer sein wie bei<br />
dem durchaus gelungenen BUZZCOCKS-Cover „Ever fallen<br />
in love (with someone you shouldn’t have)“. Auch textlich<br />
kann mich die Band überzeugen. Gerade der Song „Conservative<br />
punk“ kritisiert sehr treffend ein nicht nur mir<br />
und den STYRIAN BOOTBOYS noch immer unbegreifliches<br />
und erschreckendes Phänomen. „It’s like I’m vegan and<br />
I love meat. I’m white power while I’m black. Wohoho I’m<br />
punk and republican.“ (39:02) (8) Claudia Luck<br />
SEVEN LOW DOWN<br />
Room, City, Landscape. <strong>CD</strong><br />
wynonarecords.com | <strong>Die</strong> seit mehr als neun Jahren existierende<br />
Band aus Rom war schon mit so Größen wie<br />
FROM AUTUM TO ASHES und FURTHER SEEMS FORE-<br />
VER auf Tour. Und letztere dürften wohl die größten musikalischen<br />
Vorbilder sein. Laut Bandinfo soll das auch nach<br />
Post-Hardcore im Sinne <strong>von</strong> AT THE DRIVE-IN klingen.<br />
Das würde ich jetzt nicht unbedingt unterschreiben, denn<br />
dazu sind SEVEN LOW DOWN dann doch viel zu eingängig<br />
und melodisch und kaum vertrackt. Im Übrigen überzeugt<br />
mich „Room, City, Landscape.“ in den ruhigeren, fast<br />
sphärischen Momenten mit ziemlich stimmungsvollen Klavier-Parts<br />
am meisten. Zum Beispiel „Stella01“ erinnert auf<br />
wunderbare Weise an TEAMSLEEP. Verblüffend finde ich außerdem,<br />
wie sehr der Sänger doch nach Walter Schreifels<br />
mit RIVAL SCHOOLS klingt. Ich weiß auch nicht, irgendwie<br />
finde ich das Album erstaunlicherweise gut; und darauf<br />
war ich eigentlich gar nicht vorbereitet. (41:07) (7)<br />
Robert Buchmann<br />
STREET DOGS<br />
Fading American Dream <strong>CD</strong><br />
DRT/Brass Tacks/Soulfood | Wenn das so weiter geht,<br />
sehe ich mich echt gezwungen, meine Wohnung zu kündigen<br />
und nach Boston zu ziehen. Es scheint ja ein Gesetz<br />
zu geben, dass es Bostoner Bands verbietet, schlechte Alben<br />
zu machen. Wieder einmal hat ein Album einer Bostoner<br />
Band bei mir genau ins Schwarze getroffen. Gut, ich gebe zu,<br />
<strong>von</strong> der Band um den ehemaligen Sänger und Mitbegründer<br />
der DROPKICK MURPHYS Mike McColgan hatte ich<br />
nach dem 2003er Debüt „Savin Hill“ und dem Nachfolger<br />
„Back To The World“ auch nichts anderes erwartet. Auf „Fading<br />
American Dream“ gibt es in knapp 43 Minuten nicht<br />
einen einzigen Ausfall. Zu hören gibt es die gewohnte Mischung<br />
aus melodischem Streetpunk und jeder Menge keltischem<br />
und traditionellem amerikanischen Folk. Grandios<br />
umgesetzt hat die Band vor allem das Cover des Billy Bragg-<br />
Klassikers „There’s power in a union“. Auch genial: „Rights<br />
to your soul“, „Fading American dream“ und, ach, eigentlich<br />
alle! (42:55) (9) Claudia Luck<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
STABILISERS<br />
Wanna Do The Wild Plastic Brane Love Thing? <strong>CD</strong><br />
acidjazz.co.uk | Beim zweiten Song „Plastic love“ vom<br />
zweiten THE STABILISERS-Album „Wanna Do The Wild<br />
Plastic Brane Love Thing?“ ist mir klar, jetzt gibt’s was Geiles!<br />
Wer solch einen Song mit einem so einem untrüglichen<br />
Sinn für mitreißende Pop-Punk-Perlen zusammengeschweißt,<br />
kann gar keinen Mist fabrizieren! Und dieser Eindruck<br />
halt sich: 17 Songs, alle catchy as hell, eine wirklich<br />
gute Mischung aus Oldschool-Punkrock, Pop-Punk, Garagerock<br />
und etwas New Wave; weiterhin befindet sich mit<br />
dem Gitarristen und Sänger Allan Crockford ein musikalischer<br />
Hochkaräter und Überzeugungstäter aus dem Billy<br />
Childish-Umfeld mit an Bord, und diese Tatsache alleine<br />
steht meiner Meinung nach schon als ein gewisser Vorab-Qualitätsbeweis,<br />
ich meine, eine aktive Mitwirkung in<br />
Bands wie den HEADCOATS, den SOLARFLARES und den<br />
PRISONERS spricht schon für sich, wenngleich die STABI-<br />
LISERS mit einem komplett anderen Sound und Stil aufwarten.<br />
Wie auch immer, auch ohne hier irgendwelche Referenzen<br />
groß anzuführen: die Platte rockt, und wie! Nur<br />
halt nicht im gewohnten (und hoch geschätzten) Medway-<br />
Sound. Wer trotzdem, gerade deshalb oder sowieso britischen<br />
Pop-Punk alter Schule mag, kann unbesorgt zugreifen.<br />
(48:27) (8) Chris Virgo<br />
SILVER<br />
World Against World <strong>CD</strong><br />
badafro.dk | SILVER aus Norwegen haben prominente Fürsprecher:<br />
Euroboy produzierte die anno 2001 erschienene<br />
Debüt-EP „Riot 1-2-3“ und das Interesse vom TURBO-<br />
NEGRO-Gitarristen und seinem Kollegen Happy Tom an<br />
den jungen Landsmännern führte zum Support der Scandinavian<br />
Leather-Tour durch SILVER. Mit „World Against<br />
World“ liegt nun das zweite Album vor und SILVER setzen<br />
auf ein Rezept, welches sich in Skandinavien während der<br />
letzten Jahre stets bewährt hat: Ein bisschen Punk, ein bis-<br />
schen Rock’n’Roll, eine Prise Glam und etwas Garage, dazu<br />
mischen SILVER auch noch die eine oder andere Metal-Reminiszenz<br />
– heraus kommt ein hörbares Stück Rockmusik,<br />
über dem stets eine etwas düstere Stimmung liegt und das<br />
live angeblich ganz hervorragend funktioniert. Wem GLUE-<br />
CIFER oder die HELLACOPTERS schon zu abgenudelt sind,<br />
der könnte hier neuen Stoff finden. Und auch Danko Jones<br />
empfiehlt die Bande – was braucht man mehr? 34:17 (6)<br />
Simon Loidl<br />
SUPERSYSTEM<br />
A Million Microphones <strong>CD</strong><br />
touchandgorecords.com | Album Nr. 4 dieser Band, die<br />
einst als EL GUAPO auf Dischord startete und dann mit Album<br />
Nr. 3 vor zwei Jahren als SUPERSYSTEM bei Touch &<br />
Go wieder auftauchte. Postrock as fuck ist auch wieder „A<br />
Million Microphones“, bei dem es im Vergleich zum sehr<br />
eingängigen Vorgänger „Always Never Again“ aber etwas<br />
länger braucht, bis man die Infektion spürt. Was hier anders<br />
ist? Ein paar mehr elektronische Beats vielleicht, das Fehlen<br />
eines so prägnanten Hits wie „Born into the world“ („The<br />
only way ...“ kommt da leider nicht ganz ran), die Tatsache,<br />
dass man noch etwas verspielter ist und zwischen Electronica,<br />
dicken Beats und Grooves, World Music-Zitaten und<br />
sehr „postigem“ Punk herumwuselt, keine Scheu vor cheesy<br />
Synthie-Sounds hat. Auf jeden Fall vorhanden ist dieser<br />
ganz spezielle SUPERSYSTEM-Sound, diese markante Melodieführung,<br />
der prägnante dreistimmige Gesang, der auch<br />
schon EL GUAPO zu einer Ausnahmeerscheinung machte,<br />
und so ist „A Million Microphones“ unterm Strich zwar<br />
einen Hauch schwächer, aber sind SUPERSYSTEM immer<br />
noch eine magische, faszinierende Band. (41:28) (8)<br />
Joachim Hiller<br />
SIR WILLIAM HILLS<br />
Cheer <strong>CD</strong><br />
Bad Dog/RTD | Vom wettverseuchten England (Sir William<br />
Hills ist der Name eines Buchmachers) verschlug es den<br />
charismatischen Frontman Steve nach Basel, wo er frustriert<br />
(Scheiß Tee hier!) und begeistert zugleich (FC Basel),<br />
seine neue Band startete, bei der die prägnanten 77er Pop-<br />
Punk Nummern der BUZZCOCKS auf die Songgerüste der<br />
WHITE STRIPES treffen, alles begleitet <strong>von</strong> Steves very British<br />
voice, irgendwo zwischen Wild Billy Childish und zuviel<br />
Benson&Hedges-Konsum. Dass dabei echte Hits wie<br />
„Under the carpet“ oder „Oh Angelina“ herausgekommen<br />
sind, verwundert weniger, wenn man bedenkt, das dieser<br />
urbritische Pubgänger seit 1978 unterwegs ist. Auch seine<br />
Kollegen bringen ein gutes Pfund mit, wie der Ex-VANILLA<br />
MUFFINS-Drummer Eddie Jr.. Dem traditionellen frühen<br />
70s Brit-Punk verpflichtet, haben die SIR WILLIAM HILLS<br />
aber mehr zu bieten als die ganzen Wave- und Indie-Klone,<br />
die derzeit die Insel unsicher machen. Nicht nur textlich<br />
kommen Steve und Co. authentischer rüber, sondern auch<br />
im Songwriting behalten sie eine Menge ihrer Street Credibility,<br />
ohne dabei sorgfältiges Songwriting zu vernachlässigen.<br />
„Cheer“ ist ein Pint of Lager der Extraklasse, da verwette<br />
ich meine Hartz IV-Dole Q drauf! Frank Buchholz<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
SPEARMINT<br />
Paris In A Bottle <strong>CD</strong><br />
apricot-records.de | Vier Fremde laufen sich durch Zufall<br />
in einer Samstagnacht in Paris über den Weg. Shirley, Graham<br />
und die beiden Schönheiten Genevieve und Monique.<br />
Sie verbringen eine ausgesprochen seltsame, aber denkwürdige<br />
Nacht in der Stadt – zwischen Kartenspielen, ausgeleierten<br />
Mixtapes und ein paar Flaschen Le Patron tauschen<br />
sie sich darüber aus, was sie als gestandene Endzwanziger<br />
noch so alles auf der Agenda haben. So verschieden die Charaktere,<br />
so verschieden die Ziele: Der eine will ein Musical<br />
schreiben, der nächste wünscht sich eine Serienkillerin als<br />
Freundin und so weiter. Man geht im Morgengrauen auseinander,<br />
und es vergehen lange Jahre, bis man sich wieder<br />
trifft. Was ist in der Zwischenzeit aus all diesen Menschen<br />
geworden? Das genau ist das Thema dieser wundervollen<br />
Konzept-Pop-Platte, die musikalisch enorm vielfältig daherkommt<br />
und ziemlich genau den Charme widerspiegelt,<br />
den der hervorragende Plot an den Tag legt. Das Spektrum<br />
reicht <strong>von</strong> Musette-Akkordeons bis zu schwungvollen Indiepop-Stampfern,<br />
<strong>von</strong> sonnigstem frankophilen (schottischem!)<br />
Britpop bis zu unglaublich leicht-flockigen, fast<br />
Northern Soul-haften Pop-Songs. Einfach schön, genau wie<br />
ein Sonntagnachmittag unter der Markise in einem Café an<br />
der Seine, die Sonne scheint, und dazu ein Gläschen Pernod.<br />
(9) Gereon Helmer<br />
NO SOLUTION Records<br />
nosolutionrecords.dimestore.de, Cargo Records | Von<br />
den Leuten. Für die Leute. Eine kleine Werkschau. Frisches<br />
Label, frischer Wind, frische Bands. Drei Releases, dreimal<br />
<strong>CD</strong> only (aber lediglich vorerst) gilt es zum Grand Opening<br />
des No Solution-Plattenwerkes zu Köln zu bestaunen<br />
als auch zu bewerten.<br />
Der erste Kandidat, der mir die Ohren durchpusten darf,<br />
sind FUNERAL MARCH. Eine relativ junge, vierköpfige<br />
Band, die für mich noch am ehesten den grundlegenden<br />
Geist <strong>von</strong> Labelmacher, Studio-Maniac und DUM-<br />
BELL Fronter Paul Smith transportiert. Schwindelerregende<br />
Sechzehntel Hi-Hat-Beats rasseln an Kreissägen-gleichen<br />
Gitarren entlang und ein angepisster Gesang kläfft Kampfansagen<br />
gegen alles und jeden in ein vor Spucke triefendes<br />
Mikrofon. Sieht und hört man sich diese Band an, weiß<br />
man: <strong>Die</strong> 80er sind wieder oder gar imme rnoch da, so wie<br />
Onkel Paul sie am liebsten mag. <strong>Die</strong> grandiose Coverversion<br />
<strong>von</strong> REAGAN YOUTH unter den acht im Schnitt unter<br />
zwei Minuten gehaltenen Liedern des selbstbetitelten Debüt-Albums<br />
zeigt schonmal die grobe Richtung an, in die<br />
der FUNERAL MARCH stylisch zieht ... In bester 80er-Westcoast<br />
Hardcore-Punk Tradition, dank Pauls Händchen und<br />
Herz für diese Zeit und ihre Musik wunderbar authentisch<br />
daherkommend, weiß man die Worte „HALT“ und „STOP“<br />
nicht einmal mehr zu buchstabieren, und das musikalische<br />
Ergebnis, tja, das tritt schlicht und ergreifend Arsch. Man<br />
kann man sich FUNERAL MARCH mehr als gut auf einer<br />
Bühne mit den Mittelfinger-Werfern <strong>von</strong> DEAN DIRG vorstellen.<br />
Klingt nicht gleich, aber Klingt ähnlich agil, aggressiv<br />
und angepißt. Oh ja, was für ein Fest, das ich da sehe und<br />
höre, vor meinem inneren Ohr und Auge... Bin geneigt zu<br />
sagen: Ein Absolut Ausfall-freies Release. Nein, ein Muss sogar,<br />
wenn solche Musik der Soundtrack deines Mülltonnen-<br />
Schmeisser Lebens war, ist, oder noch werden soll. Wort!<br />
(Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.)<br />
Als nächstes beschäftigen wir uns mit dem Debüt <strong>von</strong> SO-<br />
CIAL DISTRUST mit Namen „The Blackbirds Cry“. <strong>Die</strong>se<br />
Herren machen ihre Sache nicht weniger gut, jedoch<br />
schon ein wenig anders. Hier geht es hymnischer zur Sache,<br />
mehr Melodie, mehr Sing-Alongs und dergleichen. Vermag<br />
mich zu überzeugen, jedoch bei weitem nicht so zu begeistern<br />
wie die zuerst gehörten FUNERAL MARCH. Reden wir<br />
bei zuvor genannten eher <strong>von</strong> Hardcore-Punk, so sind wir<br />
hier eher im Bereich Streetpunk angelangt. Man verzeihe<br />
mir die Nennung dieser sich leider oder auch gewollt anbietenden<br />
Standard Schublade. Damit meine ich in erster<br />
Linie die Möglichkeit, vor der Anlage den Fistbanger zu geben<br />
oder auch einmal mitzugrölen, wenn einer der griffigen<br />
Refrains einsetzt. Perfekter Sparringspartner für die frühen<br />
BOMBSHELL ROCKS, ehe die sich im Klamottenladen verlaufen<br />
hatten. Hier verirrt sich glücklicherweise auch mal<br />
ein filigranes Gitarrensolo in den Ablauf des einen oder anderen<br />
Songs, was ich im gebotenen Ausmaß nicht immer<br />
als angenehm oder gar nötig befinde, was die Sache aber<br />
SKYGREEN LEOPARDS<br />
Disciples Of California <strong>CD</strong><br />
Jagjaguwar/Cargo | <strong>Die</strong> Folkband um Glenn Donaldson<br />
und Donovan Quinn stammt aus dem Umfeld des Jewelled<br />
Antler-Labels. Als SKYGREEN LEOPARDS starteten die beiden<br />
2001 in San Francisco und haben seitdem fünf Alben<br />
veröffentlicht. Bösartige Zungen behaupten zwar, die beiden<br />
machen LSD-Folk mit Naturgeräuschen, aber mir gefallen<br />
die ruhigen Klänge sehr gut. Das neue Album „Disciples<br />
Of California“ wurde erstmalig außerhalb des bandeigenen<br />
Studios aufgenommen und ist gleichzeitig das Debüt<br />
einer Rhythmussektion, bestehend aus Schlagzeug und<br />
Bass. Dadurch erhalten die elf Folk- und Countrysongs neue<br />
Facetten. <strong>Die</strong> mit Banjo, 12-saitiger beziehungsweise Steel-<br />
Gitarre oder E-Piano arrangierten Stücke, lassen nicht nur<br />
Raum für psychedelische Ausflüge, hier finden auch feine<br />
Pop-Melodien eine wohlige Wohnstätte. Textlich bewegen<br />
sich Donaldson und Quinn weiterhin in mystischen Sphären.<br />
Alles in allem ein Album mit sehr weichen Klängen.<br />
(35:02) (7) Kay Wedel<br />
S.PUNCH<br />
New Royal Exhibition <strong>CD</strong><br />
zebraproductions.de | Auf ihrer Debüt-<strong>CD</strong> knüppeln sich<br />
S.PUNCH so gut durch die zehn Songs bis mir als Hörer mal<br />
überhaupt nichts anderes übrig blieb als meine Bude zu zerlegen.<br />
Songs wie „Scrapboak of your life“ laden mit jeder<br />
Menge Double-Bass, schnellen Gitarren und giftigem Gekreische<br />
ein, nicht mehr stillzusitzen. Günstigerweise setzt<br />
auf „New Royal Exhibition“ nie Monotonie oder Langeweile<br />
ein, da S.PUNCH ihr Sound-Spektrum nicht nur auf Metalcore<br />
so wie NARZISS ihn machen, beschränkt, nein, sie<br />
streuen gekonnt Passagen ein, die auch gut auf eine KUR-<br />
HAUS-<strong>CD</strong> gepasst hätten. Soll heißen, hier wird zwar so<br />
lange geknüppelt, bis die Atmosphäre auch ihre ganze Fülle<br />
entfalten kann, aber dennoch nie das gewisse Etwas vergessen,<br />
das wieder die Aufmerksamkeit des Hörers einfängt und<br />
sie auf „New Royal Exhibtion“ bannt. (8) Sebastian Wahle<br />
SIERRA LEONE’S REFUGEE ALL STARS<br />
Living Like A Refugee <strong>CD</strong><br />
Anti/SPV | Trotz zahlreicher Diamantenminen zählt Sierra<br />
Leone zu den ärmsten Ländern Afrikas. Zwischen 1991<br />
und 2002 herrschte in Sierra Leone ein grausamer Bürgerkrieg.<br />
Um sich vor dem Bürgerkrieg zu retten, flüchteten<br />
fast 700.000 Menschen, das sind fast zehn Prozent der Landesbevölkerung,<br />
in Nachbarländer. Auch die Mitglieder der<br />
SIERRA LEONE’S REFUGEE ALL STARS verbrachten fast zehn<br />
Jahre in Flüchtlingslagern. Bekannt wurde die Band durch<br />
den inzwischen prämierten Dokumentarfilm „Living Like<br />
A Refugee“ aus dem Jahr 2005. <strong>Die</strong> beiden Filmemacher<br />
Zach Niles und Banker White begleiten die Musiker drei<br />
Jahre lang auf ihrer Reise durch die Flüchtlingslager Guineas<br />
bis zu ihrer Rückkehr nach Sierra Leone. <strong>Die</strong> 17 Titel<br />
auf dem Debütalbum „Living Like A Refugee“ entstanden<br />
alle während der Zeit im Exil und erzählen ohne Betroffenheitspathos<br />
<strong>von</strong> Gewalt, Hunger, Krieg und Vertreibung.<br />
Voll und ganz vertraut die mittlerweile auf elf Personen angewachsene<br />
Band auf die heilende Kraft der Musik und ich<br />
muss zugeben, die <strong>CD</strong> läuft bei mir inzwischen fast ununterbrochen,<br />
ohne dass sich Abnutzungserscheinungen einstellen.<br />
<strong>Die</strong> zwischen traditioneller westafrikanischer Musik,<br />
Roots Reggae und Rhythm & Blues eingebetteten Songs<br />
klingen sehr professionell und eingängig und würden sich<br />
sicher auch problemlos auf Platten <strong>von</strong> Manu Chao, Femi<br />
Kuti oder auf der „Sandinista“ <strong>von</strong> THE CLASH wohlfühlen.<br />
Wenn ich allerdings daran denke, welches Leid die Musiker<br />
erlebt haben, sträuben sich mir aber, in meinem „Safe European<br />
home“, die Nackenhaare. Compliments for the peace.<br />
(73:06) (9) Kay Wedel<br />
SADIES<br />
In Concert, Vol. 1 2<strong>CD</strong><br />
Yep Roc/Cargo | <strong>Die</strong> SADIES aus Toronto um die Brüder<br />
Dallas und Travis Good sind einer der momentan originellsten<br />
und besten Bands des Alt-Country-Bereichs, das konnten<br />
sie auf ihren bisherigen fünf Studioplatten unter Beweis<br />
stellen, ebenso als Begleitband <strong>von</strong> Neko Case oder Andre<br />
Williams. Und auch diese epische Liveplatte mit 41 Tracks<br />
unterstreicht das noch mal nachdrücklich, wo die SADIES<br />
so ziemlich alles <strong>von</strong> Surf, über Garage, bis zu Blues oder<br />
Bluegrass locker drauf haben. „In Concert, Vol. 1“ wurde an<br />
zwei Tagen im Lee’s Palace in Toronto in perfekter Klangqualität<br />
aufgenommen und gleicht mehr einer großen Party als<br />
einer normalen Liveplatte, denn hier geben sich jede Menge<br />
prominenter Gäste die Klinke in die Hand. Überwiegt auf<br />
durchaus spannend hält, im Gegensatz zu vielen vergeblichen<br />
Bemühungen ähnlich angelegter Bands. <strong>Die</strong> Stimme<br />
des Sängers ist mir oftmals ein wenig zu gestelzt in ihrem<br />
Bemühen, dunkel und böse zu klingen. Dann jedoch<br />
sehr schöne, mehrstimmige Chorus-Passagen, ein vor sinnigen<br />
Breaks und Fills strotzendes Schlagzeug-Spiel, das sich<br />
überwiegend dem Achtel-Beat widmet. Und überall große<br />
Melodien, die das Ganze <strong>von</strong> ähnlichen Bands ohne zündende<br />
Ideen an den rechten Stellen zu unterscheiden wissen.<br />
Ein ebenfalls sehr gelungenes Debut, das sicherlich viele<br />
Fans <strong>von</strong> melodischem, hymnischen Punkrock-Sounds zu<br />
begeistern weiß.<br />
Nun also zum Papa dieser ehrlich punkenden Mischpoke,<br />
zum Godfather of Smithrock, zu Mr. Paul „Supersonic“<br />
Smith und seinem glücklicherweise wiederauferstandenen<br />
Monster <strong>von</strong> Band: DUMBELL. El Dampfwalze ist zurück,<br />
yeah. „Instant Apocalypse“<br />
ist wahrlich mit dem<br />
Terminus Album nicht<br />
ausreichend tituliert.<br />
Hierbei handelt es sich<br />
ganz klar um ein Manifest.<br />
Eine Punk-Rock-Liebeserklärung<br />
an 50 Jahre<br />
Rock and Roll, an Chuck<br />
Berry ebenso wie an Joey<br />
Ramone und auch an AC/<br />
DC in ihrer Frühphase.<br />
Und ebenso an jeden musizierenden<br />
Punkrocker,<br />
den die beschissenen US of A <strong>von</strong> 1977 bis heute hervorgebracht<br />
haben. <strong>Die</strong>se Band fraß seit ihrer Gründung 1996<br />
die unglaubliche Zahl <strong>von</strong> 16 aktiven Mitgliedern, das aktuelle<br />
Line-up inbegriffen, doch hat, so scheint es, sich stets<br />
ein Stückchen Seele <strong>von</strong> jedem dieser Menschen bei sich<br />
zurückbehalten. <strong>Die</strong> einzige Konstante ist eben jene vollkommen<br />
wahnsinnige Songschreibmaschine namens Paul<br />
Smith. Bzzz, Mr. 100.000 Volt! Und so hat Mann eben mal<br />
auf die Schnelle ein Album eingespielt, das mit 27 Tracks<br />
einen guten Überblick über die wunderbar weite Welt der<br />
Definition <strong>von</strong> Punkrock gibt, die Paul <strong>von</strong> seiner Jugend bis<br />
heute lebte und lebt. Ein bewegter Marsch, <strong>von</strong> den nachdenklichen<br />
Klängen eines Paul Westerberg Devotés als auch<br />
<strong>von</strong> einem Gift-sprühenden Irrwisch, der es vermag, bei<br />
„Smash the state“ die DICTATORS hochleben zu lassen um<br />
im Anschluß daran das schräge, aber dennoch griffige „Final<br />
solution“ zu schmettern. Fantastisch abwechslungsreich<br />
präsentieren sich Mr. Smith und seine Mannen mit dieser<br />
Platte. Ein Zahnrad greift sauber und sicher in das Nächste,<br />
und hinzu kommt: Bei dieser Albumlänge (über 1 Stunde<br />
Musik!) sind nur zwei oder drei Songs vorzufinden, die es<br />
nicht hätten auf diese <strong>CD</strong> schaffen müssen, das beeindruckt<br />
mich. Unglaublich roh, wirklich abwechslungsreich und<br />
stets charmant, mit dem Punkrockerherz am rechten Fleck.<br />
Für mich das spannendste und universellste Punkrock-Album<br />
des Jahres. Unbedingt antesten! KK<br />
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NARZISS - „Solang das herz schlägt“ <strong>CD</strong> 12,-<br />
NEW YORK DOLLS - „One day we´ll please us“ 2LP/<strong>CD</strong> 17,9/16,9<br />
NICK OLIVERI & MONDO GENERATOR - „Dead planet“ 2LP/<strong>CD</strong> 21,5/14,9<br />
* NOMEANSSNO - „All roads lead to ausfahrt“ <strong>CD</strong> 13,5<br />
ORDINARY ME - „Breathing is a reflex“ LP/<strong>CD</strong> 12,-/13,-<br />
P. PAUL FENECH - „The F word“ LP/<strong>CD</strong> 11,-/13,5<br />
PALE - „Brothers sisters bores“ LP/<strong>CD</strong> 12,-/15,-<br />
PEACHES - „Impeach my bush“ 2LP/<strong>CD</strong> 16,90/16,50<br />
PEARL JAM - „s/t“ 2LP 19,90<br />
PEEPING TOM - „s/t“ Picture-LP/<strong>CD</strong> 14,50/15,50<br />
PIPETTES - „We are the Pipettes“ LP/<strong>CD</strong> 15,50/14,90<br />
RADIO BIRDMAN - „Zeno beach“ LP/<strong>CD</strong> je 14,-<br />
RAPTURE - „Pieces of the people“ <strong>CD</strong> 14,9<br />
RED SPARROWS - „Every red heart shines“ 2LP/<strong>CD</strong> 19,5/15,5<br />
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* RIPPERS - „Tales full of black soot“ LP/<strong>CD</strong> 10,-/12,-<br />
ROGER MIRET - „My Riot“ LP/<strong>CD</strong> 11,-/13,5<br />
ROOTS - „Game theory“ 2LP/<strong>CD</strong> 17,90/16,90<br />
* SAMIAM - „Whatever´s got you down“ LP/<strong>CD</strong> 11,-/14,9<br />
SEVEN SIOUX - „Argue again“ <strong>CD</strong> 13,9<br />
SHE-MALE TROUBLE - „Get off the hook“ LP/<strong>CD</strong> je 11,-<br />
SHOP FRONTS - „S/t“ LP/<strong>CD</strong> 11,5/13,5<br />
* SONIC DOLLS - „i´m a flower too“ LP/<strong>CD</strong> je 10,-<br />
STRIKE ANYWHERE - „Dead fm“ LP/<strong>CD</strong> 10,5/14,-<br />
SUPERSYSTEM - „A million microphones“ LP/<strong>CD</strong> 12,-/14,-<br />
TERRORGRUPPE - „Rust in pieces“ <strong>CD</strong> 14,-<br />
* THERMALS - „The body, the blood, ...“ LP/<strong>CD</strong> 11,5/14,5<br />
THESE ARMS ARE SNAKES - „Easter“ LP/<strong>CD</strong> 11,5/13,-<br />
THIS IS MY FIST - „A history of rats“ LP/<strong>CD</strong> je 12,-<br />
TRASHMONKEYS - „Favourite enemy“ LP/<strong>CD</strong>+DVD 13,5/17,5<br />
TURBO AC´s - „Live to win“ LP/<strong>CD</strong> 12,-/13,-<br />
TURPENTINE BROTHERS - „Get your mind of me“ 7“ 4,3<br />
WILLIAM E. WHITMORE - „Song of the blackbird“ LP/<strong>CD</strong> 16,5/15,5<br />
V/A - „Burn to shine portland“ DVD 13,5<br />
XIU XIU - „Air force“ LP/<strong>CD</strong> 12,-/14,-<br />
* YAKUZI - „One to all“ <strong>CD</strong> 10,5<br />
YO LA TENGO - „I am not afraid of you“ LP/<strong>CD</strong> 15,9/13,9<br />
Disc 1 der eher typische SADIES-Sound, zwischen Surf, Sixties-Pop<br />
und Country, passt man sich auf Disc 2 fast chamäleonhaft<br />
Mitmusikern wie Jon Spencer, Jon Langford oder<br />
Neko Case an, was „In Concert, Vol. 1“ schon alleine durch<br />
seine stilistische Vielfalt zu einem großartigen Erlebnis<br />
macht, dazu kommt der offensichtliche Spaß aller Beteiligten,<br />
der schnell auf den Zuhörer überspringt. Also bleibt nur<br />
zu hoffen, dass „Vol. 1“ nicht nur eine leere Versprechung ist<br />
und auch noch Vol. 2 folgt. (9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
SUPER DELUXE<br />
Surrender! <strong>CD</strong><br />
controlgroupco.com | <strong>Die</strong> vier Jungs <strong>von</strong> SUPER DELUXE<br />
sehen unglaublich jung aus, ich würde ihnen, um auf der sicheren<br />
Seite zu sein, kein Bier verkaufen. Doch der Schein<br />
trügt, mittlerweile sind sie gestandene Mittzwanziger, und<br />
„Surrender!“ ist tatsächlich ihr drittes Album. Seit 1997 sind<br />
sie in der Tat schon im Geschäft, sogar MTV zeigte damals<br />
häufig ihr erstes Video. Ist aber alles an mir vorbeigegangen.<br />
Natürlich drängt sich bei ihrem Sound eine Band als Referenzmodell<br />
auf: REDD KROSS. <strong>Die</strong> Brüder waren bei ihren<br />
ersten Releases auch kaum strafmündig, und haben dann<br />
nach viele Jahre erst zu ihrem zuckersüßen Powerpop gefunden.<br />
Und „Surrender!“ erinnert nicht selten mit den<br />
mehrstimmigen Harmoniegesängen und euphorisierten<br />
Gitarrenstürmen an genau das Spätwerk der MacDonald-<br />
Brüder. Also sie sind hier nicht allzu originell, aber wer zudem<br />
noch POSIES oder WEEZER schätzt, liegt hier bestimmt<br />
nicht falsch. Schönes Album für die letzten Sommertage jedenfalls!<br />
(7) Gereon Helmer<br />
SHERMAN ROBERTSON<br />
& BLUESMOVE<br />
Guitar Man – Live <strong>CD</strong><br />
R.J. MISCHO<br />
He Came To Play <strong>CD</strong><br />
crosscut.de | Traditionalisten der Neuzeit in bester Spiellaune!<br />
So könnte die knappe Zusammenfassung dieser beiden<br />
Blues-<strong>CD</strong>s aus dem Hause Crosscut lauten. Beide Alben<br />
verbindet der Hang zum puren, stürmischen und elektrifizierten<br />
Blues, beides sind Liveaufnahmen, die einen tiefen<br />
Einblick in die Seele dieser Musiker bieten. Mr. Robertsons<br />
Auftritt fand 2005 auf einem holländischen Blues-Festival<br />
statt, Mr. Mischo hingegen lud sich Freunde zu einer<br />
Session ins Studio ein. Beide sind hervorragende Solisten<br />
auf ihren jeweiligen Instrument und werden unterstütz <strong>von</strong><br />
eingespielten Backing-Bands, die für den nötigen Groove<br />
und Freiraum sorgen. S. Robertson spielt traditionelle<br />
Blues-Standards verbunden mit modernen Rockelementen.<br />
Zwar nicht immer originell oder neu, aber garantiert immer<br />
technisch perfekt, stürmisch und begeisternd. Eine solide<br />
Gesamtleistung und hörbar ein mitreißendes Tondokument,<br />
dass Blues auch noch in 21. Jahrhundert überlebensfähig<br />
ist. R.J. Mischo ist ein Purist der netteren Sorte, ein wenig<br />
„eigen“, was authentische und minimalistische Aufnahmetechniken<br />
angeht, aber sonst auch vollkommen auf der<br />
Höhe der Zeit. Ausgestattet mit einem wohltuenden, teilweise<br />
sehr bissigen Humor, werden hier aktuelle Themen<br />
verarbeitet und kommentiert. Authentischer geht es nicht.<br />
(7) Carsten Vollmer<br />
RONNIE SPECTOR<br />
The Last Of The Rock Stars <strong>CD</strong><br />
Laughing Outlaw | Veronica Bennett Spector, die First Lady<br />
des Girl Group-Genres, die Anfang der Sechziger im New<br />
Yorker Stadtteil Spanish Harlem im zarten Alter <strong>von</strong> 17 Jahren<br />
als Little Ronnie Bennet zusammen mit ihrer Schwester<br />
Estelle und ihrer Cousine Nedra die RONETTES gegründet<br />
hatte und den ultimativen Sixties-Bad Girl-Look<br />
(„the shortest mini and the highest hairdo“) bekannt gemacht<br />
hat, hat jetzt noch mal neuere Songs veröffentlicht<br />
und alle, ob jung oder alt, waren sie auf ein Gastspiel zu den<br />
Aufnahmen vorbei gekommen: Keith Richards, Patti Smith,<br />
Daniel Rey, ehemals Produzent der RAMONES, die UPTON<br />
HORNS, die RAVEONETTES und Nick Zinner, Gitarrist der<br />
YEAH YEAH YEAHS. Selbst der schwerkranke Joey Ramone,<br />
der ein großer Fan war, hat hier noch den Refrain für das<br />
Johnny Thunders-Cover „You can’t put your arms around<br />
a memory“ eingesungen. Wer kriegt da nicht den Blues!<br />
„The Last Of The Rock Stars“ enthält elf Tracks, die über einen<br />
Zeitraum <strong>von</strong> fast acht Jahren eingespielt worden sind.<br />
Anders als bei den RONETTES, deren Songs vom legendären<br />
und exzentrischen Producer Phil Spector, ihrem späteren<br />
Mann, im so genannten „Wall of Sound“-Verfahren aufgenommen<br />
worden sind, hat Ronnie hier die Stücke selbst<br />
ausgewählt und zum ersten Mal selbst im Produzentensessel<br />
gesessen. Das liebreizende, <strong>von</strong> Phil Spector geschriebene<br />
„Be my baby“, der größte RONETTES-Hit, ist heute, mehr<br />
als 40 Jahre später, einem abgeklärten „Never gonna be your<br />
baby“ gewichen. „Ode to L.A.“, ein mit viel Percussion und<br />
Background-Chören versehener, typischer Wall-of-Sound-<br />
Song, klingt mit seinen herrlichen Whoo-uh-woo-uh-ohs<br />
absolut nach RONETTES, ist aber im Original <strong>von</strong> dem dänischen<br />
Duo THE RAVEONETTES, die schon bei der Namensgebung<br />
ihren Heroinen Tribut gezollt zu haben scheinen.<br />
Dass auch die in die Jahre gekommene Ronnie immer<br />
noch Attitüde besitzt, zeigt sich zum Beispiel in der Art, wie<br />
sie „Someone has to pay the price, it’s not me baby“ im RA-<br />
MONES-Cover „Here today gone tomorrow“ singt. „Girl<br />
from the ghetto“, ein Song mit dezent eingesetzten Bläsern<br />
und autobiografischem Text über verletzten Stolz, ist dann<br />
ihre eigene, kleine Abrechnung mit dem, seit 2003 wegen<br />
Mordes an Lana Clarkson angeklagten Mister Spector, ihrem<br />
Ex-Mann: „... I hope your hell is filled with magazines / And<br />
on every page you’ll see a big picture of me / And under<br />
every picture a caption will be / Not bad for a girl from the<br />
ghetto like me“. Schön auch die Auswahl aller weiterer Coverversionen,<br />
sei es die im Duett mit Keith Richards eingesungene,<br />
alte IKE AND TINA TURNER-Nummer „Work out<br />
fine“ oder der alte Soul-Stomper „Hey sah lo nay“. Sei es<br />
„All I want“, ein Cover der mir unbekannten Singer/Songwriterin<br />
Amy Rigby, welches eine Midtempo-Ballade mit<br />
wunderschönen Back-Up-Vocals ist, oder der moody Rausschmeißer<br />
„Out in the cold again“, ein Song des schwarzen<br />
Künstlers Frankie Lymon, Ronnies Teenager-Idol und<br />
Freund, der in jungen Jahren an einer Überdosis verstorben<br />
ist. <strong>Die</strong> unverwechselbare Stimme <strong>von</strong> Ronnie Spector ist<br />
es jedoch, die diesen Coverversionen das gewisse Etwas gibt.<br />
Im Booklet gibt es neben vielen Ronnie-Fotos (ein Portrait<br />
zierte auch einige Jahre mein Wohnzimmer) ein Wiedersehen<br />
mit Brian Jones, John Lennon, Bo Diddley, Joey Ramone<br />
und anderen Rockstars. (42:36) (9) Matt Henrichmann<br />
SWAN LAKE<br />
Beast Moans LP/<strong>CD</strong><br />
jagjaguwar.com | Wollte man mir einen Sampler meiner<br />
aktuellen Lieblingsbands zusammenstellen – und dabei<br />
nicht auf den tollen Fat Cat-Labelsampler, der der PNG <strong>69</strong><br />
beiliegt, zurückgreifen –, das Album <strong>von</strong> SWAN LAKE würde<br />
es auch tun. Denn diese Band klingt manchmal wie ein<br />
Sammelsurium an Lieblingsbands und kann ANIMAL COL-<br />
LECTIVE und Co. sicher das Wasser reichen. <strong>Die</strong> locker fröhlichen<br />
Passagen erinnern fast durchweg an die New Yorker<br />
Weird-Folker, wenn spartanischer Noise-Pop zelebriert<br />
wird, klingt XIU XIU durch – doch wesentlich entspannter<br />
und nicht im Mindesten düster. Und wenn THE GOOD<br />
GOOD in ihrer Sängerin so etwas wie die weibliche Reinkarnation<br />
<strong>von</strong> Syd Barrett haben, dann ist er bei SWAN<br />
LAKE gleich in alle drei Bandmitglieder gefahren. SWAN<br />
LAKE säuseln mir in einem Moment irrsinnige, verträumte<br />
Akustik-Folk-Songs ins Ohr, klingen dabei so abgedreht<br />
und weltfremd wie Syd Barrett persönlich, betören mich<br />
im nächsten mit völlig schiefen Weird-Folk-Songs. Bei alledem<br />
könnte es sich auch um unveröffentlichtes Material<br />
des ANIMAL COLLECTIVE handeln, die Instrumentierung<br />
und der Einsatz einander überlagernder, dahinschwebender<br />
Echospuren sind fast identisch. <strong>Die</strong> ideale Mischung aus<br />
dem Besten des 60er Underground, der avantgardistischen<br />
Seite des Punk und dem Spannendsten, was aktuell an progressiver<br />
(Folk-)Musik aus den USA kommt. Unnötig zu erwähnen,<br />
dass die Aufmachung wunderhübsch ist. (48:41)<br />
(8) Chris Wilpert<br />
SLIGHTLY STOOPID<br />
Closer To The Sun <strong>CD</strong><br />
Stoopid/Reincarnate | Wenn die Sonne scheinen würde,<br />
wäre die <strong>CD</strong> unterhaltsamer. Glücklicherweise ist die enthaltene<br />
Musik nicht mehr ganz so schlimm, wie auf der reinen<br />
Akustikaufnahme, die ich vor drei Ausgaben besprechen<br />
durfte. Wie auch immer, die großen Vorbilder sind nach wie<br />
vor SUBLIME, aber an die ist nun mal schwer ranzukommen.<br />
SLIGHTLY STOOPID versuchen es mit einem Stilmix,<br />
der leichtfüßig zwischen Blues, Reggae, HipHop und Punk<br />
hin und her tänzelt. Leider schafft es die Band dabei nicht,<br />
irgendwo so anzuecken, dass dabei etwas hängen bleibt. <strong>Die</strong><br />
zwanzig Tracks weisen zwar technisch keine Mängel auf,<br />
sind für meinen Geschmack leider zu stromlinienförmig<br />
geraten. Ist wohl eher etwas für Besitzer <strong>von</strong> Strand- und<br />
Cocktailbars. Allerdings habe ich großen Respekt vor Musikern,<br />
die Pop-Appeal mit D.I.Y.-Kultur verbinden. Ich wäre<br />
ein ziemlicher Miesepeter, würde ich dafür weniger als fünf<br />
Punkte geben. (60:44) (4) Lars Koch<br />
SLAYER<br />
Christ Illusion <strong>CD</strong><br />
americanrecordings.com | Verrückte Welt: Zu der Zeit, als<br />
ich noch großer SLAYER-Fan war, galten sie in der Hardcore-Szene<br />
im besten Fall als tumbe Metaller, im schlimmsten<br />
aber als Nazis. Und heutzutage<br />
werden sie <strong>von</strong> Teilen<br />
genau dieser Szene abgöttisch<br />
verehrt, ihre Musik<br />
schamlos kopiert und<br />
alle Kontroversen, die immer<br />
wieder um SLAYER<br />
aufkamen, sind vergessen<br />
und vergeben. Aber darum<br />
soll es hier nicht gehen,<br />
sondern um SLAYERs<br />
neuntes reguläres Studioalbum<br />
„Christ Illusion“,<br />
das erste seit 1990 in Originalbesetzung<br />
mit dem zurück gekehrten Dave Lombardo.<br />
Und ja, „Christ Illusion“ ist eventuell wirklich die beste<br />
SLAYER-Platte seit „Seasons In The Abyss“ – kommt an diese<br />
und ihre beiden Vorgänger aber nicht ran. Was daran liegt,<br />
dass „Christ Illusion“ als Gesamtwerk zwar unglaublich intensiv<br />
und brillant ist, diverse einzelne Momente in den<br />
Stücken nicht minder grandios sind, aber herausragende<br />
Songs abermals fehlen. Damit keine Missverständnisse aufkommen:<br />
Musikalisch sind SLAYER hier so gut wie schon<br />
lange nicht mehr, der kleine Schritt „back to the roots“<br />
samt Erhöhung des Tempos macht sich da positiv bemerkbar<br />
(die modernen Elemente der letzten nicht voll überzeugenden<br />
Platten sind aber streckenweise noch vorhanden).<br />
King und Hannemann haben sich die denkbar brutalsten<br />
Riffs seit langem ausgedacht, Arayas Gebrüll ist immer<br />
noch herrlich fies und Lombardos Schlagzeugspiel natürlich<br />
über alle Zweifel erhaben. Aber einen Hit wie „Postmortem“,<br />
„South of heaven“ oder „Dead skin mask“ gibt es<br />
auch auf „Christ Illusion“ wieder mal nicht. Auf solch einen<br />
oberflächlichen Reiz mag es den meisten Hörern zwar nicht<br />
ankommen, mir ist so etwas aber nicht unwichtig. Den Hörgenuss<br />
schmälert das kaum, aber dadurch kommt „Christ<br />
Illusion“, wie gesagt, eben an die Glanztaten SLAYERs nicht<br />
ganz ran. Irgendwie schade ist auch, dass man SLAYER mittlerweile<br />
überhaupt nicht mehr ernst nehmen kann. Oder<br />
was soll man <strong>von</strong> einem Sänger halten, der als bekennender<br />
Christ eine Art Konzeptscheibe gegen Religion einsingt und<br />
ganz offen dazu steht, hier nur eine Rolle auszuüben? Aber<br />
er war/ist ja auch ein Freund des Pinochet-Regimes in Chile,<br />
da wundert sich ja auch keiner mehr drüber. Dennoch:<br />
„Christ Illusion“ ist eine ganz hervorragende Platte, das will<br />
ich nicht anzweifeln. (9) André Bohnensack<br />
SOLILLAQUISTS OF SOUND<br />
As If We Existed <strong>CD</strong><br />
Anti/SPV | Coole Scheibe, die sich nicht vor Experimenten<br />
scheut. Scheiße, das hört sich irgendwie dumm an. Ich<br />
will damit eigentlich nur sagen, dass sich auf „As If We Existed“<br />
Sounds finden lassen, die sich vom Standard in Sachen<br />
nordamerikanischer HipHop abheben. Okay, die SOLILLA-<br />
QUISTS OF SOUND machen nichts, was man nicht schon<br />
einmal gehört hat, aber die Zusammensetzung ist alles andere<br />
langweilig. <strong>Die</strong> Combo lässt einem kaum Zeit, über das<br />
Gehörte nachzudenken, es wirkt anfangs fast schon leicht<br />
überladen und versprüht über große Strecken eine angenehme<br />
Hektik. Nur an wenigen machen Stellen kann man<br />
<strong>von</strong> zurückgelehnter Atmosphäre sprechen, eine aufgekratzte<br />
Stimmung ist allgegenwärtig. Das einzige was für<br />
Entspannung sorgt, sind die Parts <strong>von</strong> Alexandrah und Tonya<br />
Combs, die es mit ihrem Gesang ermöglichen, dass Swamburger<br />
als MC Verschnaufpausen. bekommt. Auch inhaltlich<br />
ist die Scheibe vielen Kollegen meilenweit voraus, und ist<br />
somit eines der interessanteren HipHop-Alben, die ich in<br />
letzter Zeit gehört habe. (51:27) (7) Lars Koch<br />
SEDLMEIR<br />
Feelings <strong>CD</strong><br />
hauteareal.de/Cargo | Ganz ehrlich, die Platte hat alles,<br />
was mich normalerweise stört, und ihr fehlt, was ich sonst<br />
an Bands schätze – und doch fasziniert sie mich. Doch was<br />
rede ich da, „Band“, das ist ein One-Mann-Ding, eben der<br />
Herr Henning Sedlmeir, der mit Gitarre und Computer eine<br />
ganz eigene Art <strong>von</strong> Laptop-Rock betreibt, die alles hat, was<br />
auf coolen Studentenparties für gute Unterhaltung sorgen<br />
sollte. Doch da ist auch was, so ein enormer Trashfaktor, der<br />
mich genau daran wiederum zweifeln lässt, wo ich mir angesichts<br />
<strong>von</strong> Songs wie „Arschloch Tricks“ (schreibt man eigentlich<br />
immer noch mit Bindestrich, aber egal; gefällt wegen<br />
seines seltsamen Boykott-Textes à la „Ich kauf nicht<br />
beim Arschloch“), „Freier Mann“ (hier auf der <strong>CD</strong> zu hören<br />
und so cool wie bescheuert mit diesem Fake-Akzent) oder<br />
„Whitesnake, oi!“ (da ist allein schon der Titel grandios) das<br />
Grinsen nicht verkeneifen kann. <strong>Die</strong> Musik ist seltsam ungelenker,<br />
kantiger Rock mit Cheapo-Elektro-Effekten in reduzierter<br />
Version, der klingt wie aus dem Bausatz, aber der<br />
wegen der Verschmitzheit, mit der das alles rübergebracht<br />
wird, dann doch zu gefallen weiß. SEDLMEIER ist großmäulig,<br />
wortgewaltig und kantig, so eine Art Bastard aus SUR-<br />
ROGAT und Olli Schulz, Alleinunterhaltermucke für Langzeitstudenten-Absturzkneipen.<br />
(38:14) (7) Joachim Hiller<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
SHOKEI / KIDS EXPLODE<br />
Split <strong>CD</strong><br />
Altin Village/Mime | SHOKEI aus Bad Bocklet haben einst<br />
als Noiserocker begonnen, drifteten langsam in die NORTH<br />
OF AMERICA-Richtung ab und bieten nun auf dieser schön<br />
gestalteten Split sechs Lieder, die zwar tontechnisch verbesserungsfähig<br />
sind, stilistisch jedoch völlig überzeugen. Ein<br />
markanter Bass wird <strong>von</strong> verspielten Gitarrenarrangements<br />
umschmeichelt und ein hektischer Drummer wirft die romantische<br />
Liaison des Öfteren nichtsachtend über den<br />
Haufen. Doch, eine ganz feine Sache, diese Songs. Das Organ<br />
des KIDS EXPLODE-Sängers erinnert an Cedric <strong>von</strong> AT<br />
THE DRIVE-IN, wobei die Titel allerdings flüssiger und etwas<br />
gewollt arty sind, dafür aber weniger häufig ins Stakkato<br />
fallen. Gesanglich leistet die gesamte Gruppe Unterstüt-<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 86 22.09.2006 20:53:35 Uhr
zung und so klingen die Tracks ein wenig nach den HIVES<br />
im Jam mit einer Dischord-Band. Hochklassiger Split-Release<br />
für Freunde der gepflegten Schräglage. (25:11) (8)<br />
<strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
STREETSIDE PROPHET<br />
Talking To Walls <strong>CD</strong><br />
formula13.com | Kurze <strong>CD</strong>, melodischer Punkrock ohne<br />
große Schnörkel aus dem sonnigen Arizona. Zwar erfindet<br />
diese Band das Melody-Punk-Genre nicht neu, doch dafür<br />
sind die sieben Lieder eingängig und während der kurzen<br />
Spielzeit hat man sowieso keine Zeit, um sich zu langweilen.<br />
Jedoch klingt mir die ganze Veranstaltung einfach zu glatt<br />
und zu brav. Mehr fällt mir dazu auch gar nicht ein, was ja<br />
gewissermaßen für sich spricht ... (20:50) (4) Tobias Weber<br />
STAATSPUNKROTT<br />
Pimp My Riot <strong>CD</strong><br />
nix-gut.de | Erst einmal Respekt: welche Punkband kann<br />
schon so jung aussehen und sich trotzdem mit dem vierten<br />
Release schmücken. STAATSPUNKROTT sind vier Jungs<br />
um die 20, die auf den ersten Blick dem Jugendhaus einer<br />
Kleinstadt entsprungen sind. Auf den zweiten Blick sind<br />
aber doch schon Spuren eines eigenen Stils und Humor zu<br />
erahnen. <strong>Die</strong> Musik reißt mich nicht vom Hocker, mir fehlen<br />
die Energie und der Druck nach vorne. Alles in allem<br />
zwölf Tracks plus einen ganz netten Videoclip, die ich weder<br />
loben, noch hassen kann. (26:48) (5) Katrin Schneider<br />
SAROS<br />
Five Pointed Tongue <strong>CD</strong><br />
hungryeyerecords.com | Wenn ein Label wie Hungry Eye<br />
(PHANTOM LIMBS, THE VANISHING,BLACK ICE) eine<br />
Metalband unter Vertrag nimmt, dann ist eigentlich da<strong>von</strong><br />
auszugehen, dass sich diese auf eher unkonventionelle Weise<br />
dem Thema nähert oder zumindest in irgendeiner Form<br />
anders als andere Metalbands ist. Nun, auf SAROS aus San<br />
Francisco trifft das einerseits zu, anderseits aber auch nicht,<br />
denn die Musik der drei Herren und der Dame auf ihrem<br />
Debütalbum könnte klassischer nicht sein. Sie bedienen<br />
sich hauptsächlich am Thrash Metal der Achtziger, lassen<br />
auch ein wenig Death Metal, Doom und antiken puren Heavy<br />
Metal einfließen, Noise-, Hardcore- oder andere, genrefremde<br />
Einflüsse sind aber nicht zu finden. Insofern absolut<br />
konventionell, auch wenn eine Frau hier für den heiseren<br />
Gesang sorgt. Allerdings schaffen es SAROS, trotz dieser<br />
vermeintlich eindimensionalen Verwendung gängiger Metal-Schemata<br />
klischeefrei zu klingen, was sie im Endeffekt<br />
halt „anders“ macht. Erklären kann ich mir das nicht, aber<br />
die fünf Songs auf „Five Pointed Tongue“ – drei da<strong>von</strong> mit<br />
einer Länge um die zehn Minuten – sind sogar dazu geeignet,<br />
Metal-Hasser zuhören zu lassen, obwohl sie Metal pur<br />
sind. Damit sind sie LUDICRA nicht unähnlich, die auf ihrer<br />
Platte für Alternative Tentacles ebenfalls Metal für Nicht-<br />
Metaller gemacht haben. (7) André Bohnensack<br />
SKAFIELD<br />
Create Your Own Hell <strong>CD</strong><br />
leechredda.com | In Zeiten, in denen in denen unter deutschen<br />
Ska-Punk-Bands nun schon seit Jahren ein Wettbewerb<br />
zu laufen scheint, wer am kläglichsten daran scheitert,<br />
wie wahlweise RANTANPLAN, die MAD CADDIES oder<br />
SKA-P zu klingen, bringen SKAFIELD ihr drittes Album<br />
heraus und ich bin überrascht. Überrascht <strong>von</strong> der Band,<br />
dass sie prinzipiell kaum etwas anders macht, als auf ihrer<br />
allerersten Platte und überrascht <strong>von</strong> mir, dass ich das uneingeschränkt<br />
gut finde. SKAFIELD spielen schon eine ganze<br />
Weile schnörkellosen Ska-Punk, der in seinen besten Momenten<br />
an die großartigen LINK 80 erinnert. Einen neuen<br />
Sänger haben sie, aber der ist weder gewöhnungsbedürftig,<br />
noch herausragend besser oder schlechter als der alte.<br />
Sound und Songwriting sind ausgereifter, aber sie bleiben<br />
bei ihren Leisten und das wirkt, so paradox es klingen mag,<br />
erfrischend. Ska-Punk ist, auch ohne Experimente, ein musikalischer<br />
Bastard, der für sich allein schon schwierig genug<br />
zu meistern ist. SKAFIELD gelingt es. (40:37) (6)<br />
Ferdinand Praxl<br />
SKAFARI<br />
Still Wild And Thirsty <strong>CD</strong><br />
808records.ch | Das Review in der Version für junge Leser:<br />
SKAFARI sind eine tolle Ska-Band aus der Schweiz.<br />
Mit Gastmusikern <strong>von</strong> den TOASTERS, SPITFIRE und sogar<br />
den POGUES ist dieses Album über jeden Zweifel erhaben.<br />
<strong>Die</strong> Songs sind übrigens (fast) alle Coverversionen. Wenn<br />
ihr diese Scheibe auf eurer nächsten Party auflegt, macht<br />
ihr eindeutig klar, dass ihr Ahnung <strong>von</strong> cooler Musik habt,<br />
müsst aber trotzdem nicht auf lieb gewonnene Songs wie<br />
„Mighty Quinn“, „Believer“ oder „Smoke on the water“ verzichten.<br />
Einen HipHop-Song mit einem Schweizer MC gibt<br />
es als Bonus obendrein. Das Review in der Version für ältere<br />
Leser: SKAFARI sind eine Rock-Cover-Band mit Bläsern<br />
und Hausband des Churer Safari Beat Clubs, würden aber<br />
auch in jedem Bierzelt eine gute Figur abgeben. Kürzlich las<br />
ich in meiner Lokalzeitung einen Satz, der mir gut gefiel.<br />
Über einen Wissenschaftler und seine Errungenschaften im<br />
Bereich der Materialforschung hieß es dort: „Der Arbeit <strong>von</strong><br />
(...) gelang es völlig neue Zugänge zum Thema ‚Ermüdung‘<br />
aufzuzeigen.“ Ein wohl formuliertes Kompliment, das auch<br />
SKAFARI gut zu Gesicht stünde. (43:47) (5)<br />
Ferdinand Praxl<br />
SNOTTY CHEEKBONES<br />
Pop! <strong>CD</strong><br />
808records.ch | <strong>Die</strong> Eidgenossen <strong>von</strong> den SNOTTY CHEEK-<br />
BONES geben mit dem Albumtitel „Pop!“ gleich die Marschrichtung<br />
an. <strong>Die</strong> BEACH BOYS gucken bei den Bubblegum-Melodien<br />
fleißig um die Ecke und natürlich auch der<br />
gute Joe Queer (am Ende der <strong>CD</strong> wird konsequenterweise<br />
gleich das WHO-Cover der QUEERS gecovert, but it’s alright<br />
kids, if you know what I mean). Aber die SNOTTY CHEEK-<br />
BONES können auch anders und liefern zum Beispiel bei<br />
Song Nr. 6 einen charmanten BEATSTEAKS/CLASH Rip-Off<br />
und haben durch ihren eher cleanen, unverzerrten Gitarrensound<br />
allgemein einen ganz guten Wiedererkennungswert.<br />
Gerade im Augenblick, wo ich irgendwie das Gefühl<br />
habe/hatte, Pop-Punk würde aussterben, tut es gut, mal<br />
wieder so eine Platte wie „Pop!“ <strong>von</strong> den SNOTTY CHEEK-<br />
BONES zu hören. Und in der europäischen Liga der verbliebenen<br />
Bands des Genres belegen die Schweizer mit diesem<br />
Album locker einen Uefa-Cup-Platz. (35:37) (7)<br />
Bernd Fischer<br />
STARKWEATHER<br />
Croatoan <strong>CD</strong><br />
Candlelight/PHD | Der ehrwürdige Paul Romano, der<br />
schon Artwork für MASTODON, EARTH und GODFLESH<br />
entwarf, nahm sich auch „Croatoan“ an, Pierre Remillard<br />
hat produziert, da er schon bei CRYPTOPSY die Regler äußerst<br />
passend schob, und so bekamen diese Monstersongs<br />
ein würdiges Gewandt. Formiert hat sich die Band 1990,<br />
seit damals gab es zwei Alben und nach fünf Jahren ohne<br />
jegliche Aufnahmen darf man nun dem dritten im Bunde<br />
in Gänze sein Ohr schenken, vorausgesetzt man hält durch.<br />
STARKWEATHER sind ein Schmelztiegel verschiedenster<br />
Einflüsse, <strong>von</strong> INTEGRITY über NEW DAY RISING bis hin<br />
zu Devin Townsend, hört man viel Vertrautes, wobei es wohl<br />
meist eher so sein wird, dass STARKWEATHER die Inspiration<br />
gebende Kraft gewesen sein werden. Gastspiele gibt<br />
es <strong>von</strong> Liam Wilson <strong>von</strong> DILLINGER ESCAPE PLAN und<br />
Jim Winters, früher bei EARTH CRISIS und TURMOIL aktiv.<br />
Hier wird in epischer Breite geröchelt, Gitarrensoli sind<br />
gern gesehen, und wem INTO ANOTHER gesanglich gefallen,<br />
der wird auch mit dem cleanen Gesang der Gruppe aus<br />
Philadelphia klarkommen. (54:09) (8) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
SLEEP IN SILENCE<br />
At Last M<strong>CD</strong><br />
sleepinsilence.de | Oh yeah, Baby, wieder eine Band aus<br />
Münster, da stehe ich drauf. Ja, SLEEP IN SILENCE spielen<br />
diesen Sound, der hier aus jedem zweiten Raum des Probezentrums<br />
auf die leeren Straßen des alten Industriegeländes<br />
dröhnt: Emocore der harten Sorte. Geschrei und Gesang.<br />
Guter Bulle, böser Bulle. Das Erfolgsrezept für hier ansässige<br />
Kombos, um auch für die Bühnen außerhalb Westfalens gebucht<br />
zu werden. Da ist die Konkurrenz auch nicht so groß.<br />
Doch zurück zu SLEEP IN SILENCE: Sechs Songs sind drauf,<br />
auf ihrer zweiten EP „At Last“, die vor allem im Fankreis <strong>von</strong><br />
BOYSETSFIRE und WATERDOWN Freunde finden dürfte.<br />
Sänger Stephan kotzt sich Frust und Seele aus dem Leib,<br />
brüllt und schreit die Gitarren an, die derweil braten, was<br />
das Zeug hält. Obwohl ihr Stil nichts Besonderes ist, macht<br />
das Quintett so ziemlich alles richtig. Auf „At Last“ sowieso,<br />
aber auch im Netz. Sämtliche bisher aufgenommenen Songs<br />
der Band lassen sich kostenlos <strong>von</strong> ihrer Seite herunterladen,<br />
inklusive die der hier vorgestellten EP. Münster rockt.<br />
(18:10) (8) Arne Koepke<br />
SABERTOOTH TIGER<br />
Extinction Is Inevitable <strong>CD</strong><br />
goldstandardlabs.com | Ich muss zugeben, ich hatte Gold<br />
Standard Laboratories bis zu meinem Interview mit YEAR<br />
FUTURE-Mitglied und Labelgründer Sonny Kay nie für ein<br />
wirklich politisches Label gehalten, eher eines mit spinnertgenialer<br />
Künstlerattitüde. Doch die Bush-Zeit hat so manches<br />
geändert, wie mir scheint, und in den Chor der wohlbegründeten,<br />
sehr wütenden Kritiker stimmen auch SA-<br />
BERTOOTH TIGER ein, deren Namen als höchst metaphorisch<br />
anzusehen ist: Der Säbelzahntiger als extrem gefährliches<br />
Raubtier (ein Synonym für die USA?) starb trotzdem<br />
aus, und mit der unaufhaltsamen (Selbst-)Ausrottung, in<br />
diesem Fall: der Menschheit, beschäftigt sich das Album thematisch,<br />
findet sich zu diesem Thema im Booklet ein Essay<br />
<strong>von</strong> Noam Chomsky. Bassist Chris Burnett und Gitarrist Aaron<br />
Farley teilen sich bei diesem Trio aus Los Angeles den<br />
Gesangspart, und gleich drei Drummer kamen zum Einsatz,<br />
darunter auch Jon Theodore <strong>von</strong> THE MARS VOLTA, womit<br />
man mal wieder Familiensinn bewiesen hat. Der Sound<br />
der Band: treibender, komlexer, düsterer, wütender Hardcore,<br />
der mich an eine Mischung aus ARTICLES OF FAITH<br />
und STEAKKNIFE erinnert. Melodiöse, dunkle Parts treffen<br />
hier auf laute, kickende, und irgendwie hätte dieses Album,<br />
das textlich klar Stellung bezieht, aber keine Parolen runterbetet,<br />
auch sehr gut auf Alternative Tentacles erscheinen<br />
können, erinnert es mich doch phasenweise stark an RE-<br />
PORT SUSPICIOUS ACTIVITY. Definitiv ein Fall für Menschen<br />
mit gutem Geschmack abseits jeglicher Trends, und<br />
zwei Videoclips gibt es auch noch, unter anderem zu „Argentina“,<br />
in dem es um den <strong>von</strong> der Weltbank und IWF<br />
(mit)verschuldeten Kollaps des südamerikanischen Landes<br />
geht. (41:00) (9) Joachim Hiller<br />
SUBHUMANS<br />
New Dark Age Parade <strong>CD</strong><br />
alternativetentacles.com/Cargo | Ich war ja schon versucht,<br />
diese <strong>CD</strong> in meine Rerelease-Kiste zu packen, doch<br />
ein genauerer Blick offenbarte dann, dass es sich mitnichten<br />
um eine Zusammenstellung<br />
alten Materials<br />
der legendären Band aus<br />
Vancouver, Kanada handelt,<br />
sondern um ein ganz<br />
neues Album der 1978 gegründeten<br />
Formation um<br />
Frontmann Gerry „Useless“<br />
Hannah, die neben<br />
D.O.A. die wichtigste<br />
Band der lokalen Szene<br />
war und Leuchtturm-<br />
Funktion für die gesamte<br />
kanadische Punk-Szene<br />
hatte. Und vor allem beließ es Frontmann Hannah nicht bei<br />
verbalen Attacken auf die Gesellschaft, sondern schloss sich<br />
1981 einer Gruppe namens „Direct Action“ an, die bereit<br />
war, gewaltsam für Veränderungen einzutreten. Nach einem<br />
Anschlag auf eine Rüstungsfabrik wurde er geschnappt, zu<br />
zehn Jahren Haft verurteilt, saß da<strong>von</strong> fünf ab, schrieb aus<br />
dem Knast heraus Kolumnen für das MRR. <strong>Die</strong> Band machte<br />
unterdessen ohne ihn weiter, nahm nach dem wichtigsten<br />
Album „Incorrect Thoughts“ <strong>von</strong> 1980 mit „No Wishes,<br />
No Prayers“ 1983 noch ein weiteres Album für SST auf,<br />
mit Wimpy als Sänger, den man ja auch <strong>von</strong> seiner Zeit bei<br />
D.O.A. kennt, bevor die Band auseinanderbrach. 2005 dann<br />
fand man wieder zusammen, Wimpy singt, Hannah spielt<br />
Bass, Jon Card (unter anderem SNFU und D.O.A.) trommelt,<br />
und Mike Graham spielt wie einst Gitarre. In Kanada ist<br />
das Album auf G7 Welcoming Committee erschienen (die<br />
auch für das sehr an Winston Smith erinnernde Coverartwork<br />
verantwortlich sind), Gerry Hannah schrieb die meisten<br />
Texte, die meist klar politisch sind (etwa „Daisy cutter“<br />
oder „I got religion“), und musikalisch fühle ich mich<br />
bei den 14 Songs an eine Mischung aus D.O.A., SNFU und<br />
MDC erinnert, spielen die SUBHUMANS (die ja nur Laien<br />
mit den gleichnamigen Engländern verwechseln, aus denen<br />
unter anderem CITIZEN FISH hervorgingen) rauhbeinigen<br />
und doch melodiösen Punkrock im unteren Geschwindigkeitsbereich.<br />
Eine rundum gelungene Comeback-Platte, die<br />
ohne jeden Nostalgiefaktor zu gefallen weiß. (46:17) (8)<br />
Joachim Hiller<br />
SUFFOCATION<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
relapse.com | <strong>Die</strong> Death Metal-Untergrundlegende SUF-<br />
FOCATION ist wieder da. Aber, ABer, ABEr, ABER: Wenn ein<br />
Haufen begnadeter Instrumentalisten ein abgefahrenes Riff<br />
ans nächste reiht, kommen immer noch keine Songs bei<br />
raus, sondern Fragmente. Dazu ein überaus gewöhnlicher<br />
Growler und Shouter. Nur was für Technikfritzen, aber die<br />
werden gut bedient. (5) Dr. Oliver Fröhlich<br />
SPOOKSHOW<br />
Psychosexual Chapter 1 <strong>CD</strong><br />
Wolverine/Soulfood | <strong>Die</strong> schwedischen THE SPOOK-<br />
SHOW sind nun bei Wolverine Records gelandet, und da sie<br />
eine Horrorpunk-Band mit Female Vocals sind, gelten sie<br />
eh schon als Ausnahmeband in diesem Genre. Deshalb verlangt<br />
das Ganze schon einen tieferen Blick in die Welt <strong>von</strong><br />
SPOOKSHOW: Miss Behave hat eine schöne, kräftige und<br />
angenehme Stimme und weiß sich bei den dreizehn RA-<br />
MONES- und MISFITS-geschwängerten Songs durchzusetzen.<br />
Vor allem „Attack me from behind tonight“, „Send me<br />
an angel“ und „I can kill you in a heartbeat my dear“ sind<br />
wahre Reißer auf ihrer Debüt-<strong>CD</strong>. Sicher gibt es auch massig<br />
Ohhhhhs und Ahhhhs zum Mitgrölen und auf dem diesjährigen<br />
Wave-Gothik-Treffen in Leipzig haben sie mich auch<br />
live überzeugt. Sympathisch und spritzig! Wer auf den klassischen<br />
One-two-three-four-Horrorpunk steht, sollte hier<br />
zugreifen. (31:14) (7) Ross Feratu<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
SCISSORS FOR LEFTY<br />
Underhanded Romance <strong>CD</strong>/LP<br />
Rough Trade/Sanctuary | Bei „Underhanded Romance“<br />
kann man gut und gerne an ein halbes Dutzend Bands denken,<br />
bei denen die SCISSORS FOR LEFTY schamlos geklaut<br />
haben. Vielleicht erinnern sie aber eben einfach auch nur so<br />
an die eine oder andere Band. Offensichtlich ist auf jeden<br />
Fall die Parallele zu HOT HOT HEAT und THE FEVER. PINK<br />
GREASE und IMA ROBOT sind aber irgendwie auch auf<br />
manchen „Underhanded Romance“-Tracks auszumachen.<br />
Beeinflusst wurde die Truppe übrigens <strong>von</strong> THE CLASH, LED<br />
ZEPPELIN, KOOL AND THE GANG und STEVIE WONDER.<br />
Es wird nach den Referenzen wohl hoffentlich keiner mehr<br />
glauben, dass das Quartett aus Kalifornien auf den längst abgefahren<br />
Dance-Wave-Punk-Zug aufspringen wollte. War<br />
nie die Absicht, denn dafür bieten die SCISSORS eben einfach<br />
zu viel, was zu entdecken lohnt. Einige verdrehte Indie-<br />
Pop-Rock-Songs zum Beispiel, die oftmals ganz unerwartet<br />
eine Kehrtwende machen und am Ende da ankommen, wo<br />
man es nicht für möglich gehalten hätte. (44:48) (7)<br />
Manuel Möglich<br />
SKANKING SCUM<br />
Bombed <strong>CD</strong><br />
skankingscum.de | „Verdammt schneller Hardcore-Punk<br />
und rootsiger 60s Ska“ aus Niederbayern. Der Titeltrack ist<br />
mächtig – Bläsercore à la BLOW HARD. Der restliche Hardcore-Off-Beat-Punk<br />
hingegen ist langatmig und wenig innovativ,<br />
auch wenn die dunklen Arrangements mit Ideen<br />
(„Can’t ignore“) gespickt sind. Auf den Punkt gekommen<br />
hätte man hier einige knackige Songs in gerade Mal der<br />
Hälfte der Zeit als EP präsentieren können. (34:05)<br />
Simon Brunner<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
SOUTH<br />
Adventures In The Underground Journey To The<br />
Stars <strong>CD</strong><br />
Cooking Vinyl/Indigo | Das ganz hohe Niveau des schmissigen<br />
Openers „Shallow“ kann der Rest des dritten Albums<br />
des Trios zwar nicht halten, insgesamt ist ihnen mit „Adventures<br />
...“ aber eine mehr als gefällige Pop-Platte gelungen.<br />
Das Schwebende und zugleich Bodenständige ihrer Songs<br />
erinnert nicht selten an U2 oder NEW ORDER, landet dabei<br />
aber glücklicherweise nie in der Pathosfalle. Am ehesten<br />
lässt sich ihre Musik mit COLDPLAY vergleichen, die mit<br />
SOUTH gemeinsam haben, dass ihre Songs bei allen hörbaren<br />
Einflüssen angenehm eigenständig klingen und auch<br />
mal dick auftragen können, ohne aufdringlich zu werden.<br />
Das ist sofort eingängig, abwechslungsreich instrumentiert<br />
und produziert und kann allen, die zeitgemäßer Popmusik<br />
nicht abgeneigt sind, bedingungslos empfohlen werden.<br />
(48:38) (7) Christian Maiwald<br />
SONS OF CYRUS<br />
Trigger-Happy 12“/M<strong>CD</strong><br />
soundsofsubterrania.com | Irgendwie scheint es im Getriebe<br />
der famosen SONS OF CYRUS gewaltig geknirscht zu<br />
haben im letzten Jahr: „Trigger-Happy“, mit acht Songs eher<br />
eine Mini-LP als ein ausgewachsenes Album, wurde bereits<br />
2003 und 2004 eingespielt, aber erst jetzt veröffentlicht,<br />
und es würde mich schon wundern, wenn das nichts damit<br />
zu tun hätte, dass letztes Jahr Hauptsongwriter Loco Lopez<br />
die Band verlassen hat (seine neue Band heißt MURDER BY<br />
GUITAR). Wie auch immer, S.O.C. machen weiter, sind im<br />
November erneut auf Deutschlandtour, und da Loco bei den<br />
Aufnahmen hier noch mit dabei war, ist alles wie gehabt, zelebrieren<br />
SONS OF CYRUS in Perfektion ihren Sound zwischen<br />
Garage und Rock, zwischen RADIO BIRDMAN und<br />
HELLACOPTERS, ohne auch nur ansatzweise in irgendwelchen<br />
Genreklischees zu versinken. Eine vorzügliche Band<br />
mit einem Händchen für sweet-mitreißende Pop-Melodien<br />
– und ich bin jetzt mal auf die neuen Aufnahmen gespannt<br />
... (23:16) (8) Joachim Hiller<br />
STEVE TURNER & HIS BAD IDEAS<br />
New Wave Punk Asshole <strong>CD</strong><br />
funhouse-recordings.com/Cargo | Erstaunlich eifrig<br />
ist MUDHONEY-Gitarrist Turner auch außerhalb seiner<br />
Hauptband. Innerhalb <strong>von</strong> vier Jahren veröffentlichte<br />
er drei Alben und eine EP, plus die Aktivitäten mit MUD-<br />
HONEY, und das grandios betitelte „New Wave Punk Asshole“,<br />
dessen Titel man einfach mal unkommentiert in den<br />
Raum stellen (oder brüllen!) kann, ist dabei ein ganz anderes<br />
Kaliber als der titellose Vorgänger. Der hatte auch mal<br />
countryeske Momente, war so was wie ein typisches Soloalbum,<br />
doch keine Spur da<strong>von</strong> beim im heimischen Seattle<br />
mit und <strong>von</strong> Johnny Sangster aufgenommenen Nachfolger.<br />
Keine bekannten Gastmusiker diesmal, nur Drummer Kevin<br />
Warner war außer Turner, Johnny Sangster und Jim Sangster<br />
im Studio. Turner sang und spielte Gitarre, Sangster ist an<br />
der 12-saitigen Gitarre und der Farfisa-Orgel zu hören, und<br />
Jim Sangster spielte Bass. Das Ergebnis ist ein klassisches, mit<br />
16 Songs sehr lang ausgefallenes Sixties-Punk-Album mit<br />
prägnantem Orgeleinsatz, das in bester Northwest-Punk-<br />
Tradition steht, aber nicht auf übermäßigen Fuzzgitarren-Sound<br />
setzt, sondern mehr auf ausgefeiltes Songwriting,<br />
auf fröhliche, shakende Nummern an der Grenze zum<br />
Pop. Mein Favorit ist jedenfalls „I know you scorpio“ – und<br />
auch der Rausschmeißer „The end of the song“, der mich<br />
an Springsteens „My hometown“ erinnert, ist sehr schön.<br />
Nur wer nach New Wave-Punk sucht, der geht hier leer aus.<br />
(34:02) (8) Joachim Hiller<br />
SEWERGROOVES<br />
Rock’n’Roll Receiver <strong>CD</strong><br />
wildkingdom.se | Werde ich es schaffen, eine Rezension<br />
über die aus dem nordschwedischen Kiruna stammenden<br />
SEWERGROOVES zu verfassen, ohne jene andere schwedische<br />
R O C K-Formation zu erwähnen? Ich denke ja.<br />
„Rock’n’Roll Receiver“ ist bereits der fünfte Longplayer des<br />
Quartetts, und damit haben Frontmann/Gitarrist Kurt und<br />
seine Mitstreiter, die einst die Rekrutierung ihres Drummers<br />
Fredrik <strong>von</strong> dessen RADIO BIRDMAN-Kenntnissen abhängig<br />
machten, sich längst freigeschwommen vom Schwedenrock-Hype,<br />
der vor Jahren wie eine Grippe grassierte. Zusammen<br />
mit den nicht minder vorzüglichen SONS OF CY-<br />
RUS sind sie seitdem unterwegs, das weite Terrain zwischen<br />
THIN LIZZY, CHEAP TRICK, NEW YORK DOLLS und erwähnten<br />
RADIO BIRDMAN zu beackern, sind sie zu echten<br />
Meistern eines Sounds geworden, der erfreulich zeitlos<br />
ist und in dem sich längst die Spreu vom Weizen getrennt<br />
hat. Wundervoll straighte, trockene Gitarrenriffs treffen hier<br />
auf überschwängliche Melodien, treibendes Drumming auf<br />
rauhe und auch mal soulige Vocals, und unterm Strich ist<br />
„Rock’n’Roll Receiver“ so ein rundum gutes Album geworden.<br />
(33:48) (8) Joachim Hiller<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
TAR ... FEATHERS<br />
Make Way For TheOcean Floor<br />
To Fall To The Surface LP/<strong>CD</strong><br />
adagio830.de | Der Sound und auch der leicht<br />
exaltierte Gesang erinnern mich unweigerlich<br />
an THE ROBOCOP KRAUS, nur unprätentiöser,<br />
manchmal überschlägt sich der Gesang so-<br />
T<br />
gar schon so weit, dass mir XIU XIU in den Sinn<br />
kommt. TAR ... FEATHERS bauen ihre Songs wun-<br />
derbar langsam und detailverliebt auf, da ist auch immer<br />
eine Nähe zu Weilheim’schen und Morr Music-haftem Pop<br />
spürbar, aber ohne allzu viel Elektronik. Wer sich die Zeit<br />
nimmt, kann darauf viel Schönes entdecken. Wenn man<br />
auch nicht mittanzen kann, so bieten TAR ... FEATHERS uns<br />
eine Wohnzimmer-Pop-Version <strong>von</strong> Dance-Punk, und die<br />
gefällt. Fast schöner als die Musik der Schweden ist die Covergestaltung:<br />
auf gelbem Grund und blauem Tapetenmuster<br />
befinden sich rosa Herzchenhäschen, ich bin gerührt!<br />
(7) Chris Wilpert<br />
ALEXANDER TUCKER<br />
Furrowed Brow <strong>CD</strong>/LP<br />
alltomorrowsparties.co.uk/Rough Trade | Alltomorrowsparties<br />
Records ist definitiv eines dieser kleinen, unscheinbareren<br />
Labels – da sie selbst innerhalb der Szene nie<br />
die richtig tollen Sachen im Programm haben –, die aber<br />
dafür mit erstaunlicher Konstanz unspektakuläre Kleino-<br />
<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 087<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 87 22.09.2006 20:53:43 Uhr
de fabrizieren, in die der Hörer sich erst hineinhören muss.<br />
Und „Furrowed Brow“ ist definitiv eine Platte, zu der man<br />
in der richtigen Stimmung sein muss, oder sich <strong>von</strong> ihr in<br />
diese versetzen lassen kann. Alexander Tucker entwirft atmosphärische<br />
Klangteppiche, größtenteils auf der Akustikgitarre<br />
gespielt, manchmal auch mit monumentaler Instrumentierung,<br />
zu denen er mit seiner markanten, klaren<br />
Stimme sehr spärlich singt. Seine Hardcore-Wurzeln und<br />
auch die Zusammenarbeit mit Lärmkoryphäen wie Stephen<br />
O’Malley <strong>von</strong> SUNNO))) scheinen auf dieses völlig in den<br />
Dream-Folk abgedriftete Werk überhaupt keinen Einfluss<br />
geübt zu haben, mehr dagegen wohl die Begeisterung für Tapeloops<br />
in langen monotonen und psychedelischen Improvisationen<br />
im Stile <strong>von</strong> Bands wie JACKIE-O-MOTHERFU-<br />
CKER. Eine schöne, aber unaufregende, nur selten völlig abgedrehte<br />
Platte. (45:03) (6) Chris Wilpert<br />
TRAINWRECK<br />
s/t M<strong>CD</strong><br />
trainwreck.de | EAVES sind tot, ENGRAVE ebenso, dafür<br />
gibt es jetzt das Beste <strong>von</strong> beiden Bands als TRAINW-<br />
RECK auf die Ohren. <strong>Die</strong> verbliebenen Ex-Mitglieder beider<br />
Kapellen taten sich nach dem leider viel zu frühen Ableben<br />
der ehemaligen Hauptbands kurzerhand zusammen<br />
und konnten schon einige Ohren auf sich aufmerksam machen.<br />
Obendrein tourte man innerhalb kürzester Zeit durch<br />
Deutschland und Umgebung, weshalb man sicherlich schon<br />
einen gewissen Bekanntheitsgrad für sich verbuchen konnte<br />
bei Fans postalisch-vertracktem Hardcores mit Screamo-<br />
Einschlag. TRAINWRECK fangen praktisch da an, wo EN-<br />
GRAVE und EAVES musikalisch aufgehört haben, und ist somit<br />
eine konsequente Melange aus beiden. Wer also mit den<br />
verblichenen Kapellen was anfangen konnte, wird mit diesem<br />
feinen Appetizer der neuen Band definitiv nicht enttäuscht<br />
werden. Uwe Kubassa<br />
TAKE SHIT<br />
Neue Scheiße – alte Männer <strong>CD</strong><br />
nix-gut.de | Drei Typen aus dem Schwäbischen, zwanzig<br />
Stücke, eine <strong>CD</strong>: <strong>Die</strong> drei kommen nicht nur aus der Region,<br />
der NORMAHL entstammen, sie klingen auch noch so,<br />
wie sich die Deutschpunk-Klassiker anno 1981 anhörten.<br />
Rotzig-kurze Texte über Pogo und Saufen, über Nazis und<br />
das Arbeitsamt, dazu klassisch-schrammeliger Pogo-Punk.<br />
Unglaublich! Anfangs fand ich’s völlig stumpf, dann aber<br />
immer besser – ich kam mir vor wie in einer Zeitmaschine<br />
in meine Jugend (ging wahrscheinlich den drei Herren<br />
<strong>von</strong> TAKE SHIT ähnlich, so wie die aussehen). Wer auf alten<br />
Deutschpunk steht, sollte hier zugreifen! (6) Klaus N. Frick<br />
TWOPOINTEIGHT<br />
s/t <strong>CD</strong><br />
Muse Entity | Junge Band aus Stockholm. Musikalisch zwischen<br />
THE CLASH, RANCID und BOMBSHELL ROCKS einzuordnen.<br />
Haben es in Schweden schon bis auf MTV geschafft<br />
und gehen bald mit FLOGGING MOLLY auf Tour.<br />
Schön, und ich bin gelangweilt <strong>von</strong> so viel Durchschnitt.<br />
(42:36) (4) Paul Tackenberg<br />
TACKLEBERRY / CUT’N’RUN<br />
Split <strong>CD</strong><br />
tackebetty.de | Eine Split-<strong>CD</strong> <strong>von</strong> TACKLEBERRY aus Kiel<br />
mit den Russen CUT’N’RUN, die mit sechs Songs den Reigen<br />
eröffnen. Aber glaubt bloß nicht, dass der Fünfer einen<br />
Exotenbonus nötig hätte, die Zeiten sind längst vorbei.<br />
CUT’N’RUN spielen flotten, energiegeladenen Oldschool-<br />
HC amerikanischer Schule, mit ordentlichem Drive und<br />
angenehmem Gesang, teils auf Russisch, teils auf Englisch.<br />
Sehr gelungen. Dann folgen sieben Songs der Kieler TACK-<br />
LEBERRY, die ich mit ihrem Posicore live gleich ins Herz geschlossen<br />
habe. Eine junge Band voller Power und Wut, die<br />
aber ganz und gar nicht auf Spaß verzichtet. Und genau das<br />
demos<br />
AND I BLEED Demo 2006 <strong>CD</strong>-R<br />
andibleed.com | 2003: Vier Freunde - jeder spielt bereits in Bands<br />
seit er aufrecht gehen kann - beschließen gemeinsam ein Projekt<br />
zu gründen, für das vorerst kaum Zeit bleibt. 2006: <strong>Die</strong> zeitintensive<br />
Skapunkband zweier jener vier Freunde scheidet dahin, und<br />
AND I BLEED wird die Zeit gewidmet, die AND I BLEED verdient.<br />
Denn es gefällt was auf diesem Demo zu hören ist: Melodischer<br />
Indierock, eingängig wie punklastig, mit Hang zum Kreischcore.<br />
Frisch, fesselnd, gut. War Andis Gesang schon bei JAN FEAT.<br />
UDSSR unverkennbar, so sorgt dieser auch hier für Widererkennungswert.<br />
Auch textlich bleibt der Weg altbewährt: Politisch, sozialkritisch,<br />
persönlich. (16:43) (7) H.C. Roth<br />
BLOOD ATTACK Burn Out Of Ashes <strong>CD</strong>-R<br />
myspace.com/bloodattack | Nach langer Ruhe, und fast verblichenem<br />
Metalcore-Hype, tauchen ein paar Kerle auf, die das fordern,<br />
was ihnen, vielleicht sogar, zugesteht: <strong>Die</strong> Krone der Melacore-Sszene.<br />
Warum? <strong>Die</strong> Mitglieder haben früher bei Bands wie<br />
RISE ANEW, GOMMORHA und CREUTZFELDT gespielt, welche<br />
schon metallischen Hardcore gespielt haben, als die meisten Bollos<br />
noch WIZO-Fans waren. <strong>Die</strong> Band aus Neuwied/Koblenz erfindet<br />
hier das Rad nicht neu, aber die Aggression kommt hier<br />
nicht so ausgelutscht rüber und gerade live wird sich oft daneben<br />
benommen. Um nachdem man beim Sozialarbeiter verschissen<br />
hat, wenigstens noch bei den Damen einen positiven Eindruck<br />
zu hinterlassen, gibt es natürlich auch cleane Gesangsparts. <strong>Die</strong>se<br />
sind in meinen Augen das einzige Manko, da ich darauf wirklich<br />
nicht stehe, aber ansonsten bringen BLOOD ATTACK mal wieder<br />
frischen Wind in die Metal-Kaste des Hardcore. Timbo Jones<br />
BUTTPLUGS Plug & Play <strong>CD</strong>-R<br />
the-buttplugs.com | Ich bin überrascht; aufgrund des Bandnamens<br />
THE BUTTPLUGS hab ich dann doch was anderes als melodischen<br />
Garage-Rock erwartet, mehr so Asi-High Octane-Hi<br />
NRG-Schweinerock. Da ich zuletzt genanntes Genre nicht besonders<br />
bis gar nicht schätze, bin ich somit <strong>von</strong> den THE BUTT-<br />
PLUGS aus Konstanz sehr positiv überrascht! Auf „Plug & Play“<br />
finden sich fünf Garage-Rocker mit ansprechendem Songwriting,<br />
die Stimme ist durchaus rotzig und die Band geht im Großen und<br />
Ganzen eher mit durchgedrücktem Gaspedal zur Sache (um jetzt<br />
dann doch mal einen rockistischen Vergleich zu bemühen). Ein<br />
bißchen noch mehr Druck und einen schönen kratzigen Sound,<br />
dann kann auch gerne ein Longplayer der THE BUTTPLUGS folgen.<br />
Mein einziger Wermutstropfen: so ein Bandname ist meiner<br />
Meinung nach reine Effekthascherei und in diesem Fall sogar eine<br />
Vortäuschung falscher Tatsachen, Name und Musik passen einfach<br />
nicht zusammen! Da<strong>von</strong> abgesehen finde ich es persönlich so oder<br />
so nicht grade anmachend, beim Hören ständig an Anal-Pfropfen<br />
zu denken. Und eine Schocker-Band, bei der so eine Koketterie<br />
passen würde, sind die BUTTPLUGS dann doch nicht. Aber wie<br />
ihr meint, Jungs! (15:52) (6) Chris Virgo<br />
CYRCUS Another Phrase M<strong>CD</strong><br />
cyrcus.com | Oha! Da hätte ich der rheinländischen Band doch<br />
glatt unrecht getan wenn ich sie nur nach ihrem furchtbaren<br />
Bandfoto beurteilt hätte. Auf diesem entsteht nämlich schnell der<br />
Eindruck man hätte es hier mit der x-ten New Metal-Totgeburt zu<br />
tun und ein Einlegen des bereits dritten Lebenszeichen der Band<br />
nach ihrer Demo „Nu Enterteinment“ und des ebenso betitelten<br />
Albums widerstrebt einem. Alte Weisheiten verlieren anscheinend<br />
nicht so schnell ihre Bedeutung und so fällt mir das mit dem Buch<br />
und dem Umschlag ein. Nun zur Musik: CYRCUS machen durchschnittlichen<br />
Metalcore amerikanischer Art. <strong>Die</strong> Proktion ist fett<br />
und alle Protagonisten scheinen ihr Handwerk zu beherrschen.<br />
Ob CYRCUS jedoch irgendjemand braucht, ist die andere Frage.<br />
Sie erfinden das Rad nicht neu, machen ihre Sache aber souverän.<br />
Man wandelt auf ausgetretenen Pfaden. (5) Sebastian Wahle<br />
COLT s/t <strong>CD</strong>-R<br />
analogundehrlich.de | COLT aus Bochum schießen aus der Hüfte.<br />
Breitbeinig stehen sie da, und eins ist klar: <strong>Die</strong> dürfen das, denn<br />
088 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />
macht diese <strong>CD</strong>, einfach Spaß. Im direkten Vergleich mit<br />
CUT’N’RUN sind TACKLEBERRY wesentlich eigenständiger<br />
und drücken noch mal das Gaspedal durch, eine Band voller<br />
Spielfreude und jugendlicher Wildheit, ungestüm, wie<br />
oft nur die ersten Aufnahmen einer Band sind. Einzig der<br />
Sound ist ein kleiner Minuspunkt der <strong>CD</strong>, da er die unglaubliche<br />
Live-Power <strong>von</strong> TACKLEBERRY nicht wiedergibt, wobei<br />
er aber mit Sicherheit auch nicht schlecht ist ... Da das<br />
Teil auf dem Moskauer Label Karma Mira Records (diy.spb.<br />
ru) rausgekommen ist, würde ich erstmal den direkten Weg<br />
über TACKLEBERRY versuchen. Mehr da<strong>von</strong>! (33:12) (9)<br />
Dr. Oliver Fröhlich<br />
TEN VOLT SHOCK<br />
6 Null 3 LP/<strong>CD</strong><br />
x-mist.de/Broken Silence | Rund zwei Jahre nach dem titellosen<br />
Debüt ist jetzt das neue Album des Freiburger Trios<br />
erschienen, das schon damals den Liebhaber <strong>von</strong> AmRepund<br />
Touch & Go-Releases der frühen Neunziger erfreute.<br />
Du sagst Post-Punk, ich sag’ Noiserock, wir meinen dasselbe.<br />
Heiserer Gesang wird übersteuert und mehr verzweifelt<br />
als wütend herausgebellt, man hat sich auf einen fiebrigen,<br />
mahlenden Stakkato-Rhythmus geeinigt, und Bass und Gitarre<br />
wühlen sich mit einem sehr dichten, intensiven Sound<br />
voran, der allerdings, und das soll mein einziger Kritikpunkt<br />
sein, für meinen Geschmack etwas druckvoller sein dürfte.<br />
Positiv fällt einmal mehr auf, dass 10VS es auf begeisternde<br />
Weise schaffen, den einst <strong>von</strong> BIG BLACK, SONIC YOUTH<br />
und JESUS LIZARD geschaffenen und beispielsweise <strong>von</strong><br />
GIRLS VS. BOYS weiterentwickelten Sound am Leben zu erhalten,<br />
ohne ihn unnötigerweise um modernen Schnickschnack<br />
(gar Screamo-Vocals!) zu erweitern. Ein Genuss,<br />
dieses Album. (8) Joachim Hiller<br />
TWIGGS<br />
S/t <strong>CD</strong><br />
wildkingdom.se/Rough Trade | Ein rosafarbendes Cover<br />
mit Seifenblasen? Alles klar, es ist mal wieder soweit: Pop-<br />
Rock aus Schweden, unspektakulär und exakt gespielt. <strong>Die</strong><br />
TWIGGS handeln auf ihrem ersten Album routiniert zehn<br />
Bubblegum-Songs ab. Dabei zitieren sie geschickt viele Entwicklungsstufen<br />
moderner Rock- und Popmusik, greifen<br />
auf THE YUM YUMS und die RAMONES zurück. <strong>Die</strong> laut<br />
Info aus Allstars der schwedischen Musikszene zusammengesetzte<br />
Band kombiniert Nerven schonende Gitarren mit<br />
Melodien, die die Seele streicheln. <strong>Die</strong> sparsam eingesetzte<br />
Orgel sorgt für den Northern-Soul-Touch. <strong>Die</strong>se <strong>CD</strong> darf<br />
auch dann im Auto laufen, wenn man die Schwiegermutter<br />
zum Bahnhof bringt. Hoffentlich macht so viel Süßkram<br />
keine Bauchschmerzen. (30:06) (6) Arne Koepke<br />
TRASHCAN DARLINGS<br />
Getting Away With Murder <strong>CD</strong><br />
eastsiderecords.de | <strong>Die</strong> Norweger haben sich mit ihrem<br />
neuen Longplayer, dem Nachfolger <strong>von</strong> „Episode 1: The Lipstick<br />
Menace“, ja ganz schön Zeit gelassen, waren dafür aber<br />
fleißig auf Tour, speziell hierzulande, wo sich der gerne mit<br />
non-permanenter Gesichtsbemalung auftretenden Fünfer<br />
einige Fans erspielen konnte. War man in der Vergangenheit<br />
versucht, die auch lustiger Bühnenverkleidung gegenüber<br />
aufgeschlossenen Schätzchen eher in die Glam-Rock-Tonne<br />
zu packen, machen die musikalisch wie <strong>von</strong> der Attitüde<br />
her diesmal klar, wer und was sie sind: „Me punk, you fuck“.<br />
„Getting Away With Murder“ ist ein schnelles, kickendes<br />
Punkrock-Album geworden, die Band auch ohne MISFITS-<br />
Verehrung nebst entsprechender Frisur bestens dafür geeignet,<br />
sich im boomenden Horrorpunk-Genre wohlzufühlen.<br />
Hier etwas RAMONES, da eine Ladung NEW YORK DOLLS,<br />
das alles im Up-Tempo und schön scharf vorangepeitscht<br />
und mit dem ein oder anderen Hardrock-Riff versehen –<br />
nein, da beklage ich mich nicht. Genauso wenig wie über<br />
das Artwork sowie die Booklet-Fotos, die mit männlichen<br />
diese Band spielt Rock mit Ausrufungszeichen. Alte Schule mit<br />
modernem Sound. COLT haben einen Sänger, der die Klischees<br />
bedienen darf, weil er wirklich singen kann. <strong>Die</strong> Rhythmusfraktion<br />
ist toll eingespielt, der Sound der Band ist gut aufgenommen<br />
und – für ein Demo – <strong>von</strong> überdurchschnittlicher Qualität. Alternative<br />
Rock <strong>von</strong> heute habe ich mir weniger sexy vorgestellt.<br />
(14:03) (8)<br />
Arne Koepke<br />
DON KANAKOS s/t <strong>CD</strong><br />
donkanakos.de | Oft ist es ja so eine Sache, wenn sich Bands mit<br />
Dingen schmücken, die sie <strong>von</strong> anderen Bands ihres Genres unterscheiden.<br />
Meist bekommen diese Bands ihre Aufmerksamkeit<br />
nur durch diesen Unterschied, selten durch ihr Können. Hier einmal<br />
eine Ausnahme, denn: 1. DON KANAKOS machen türkischen<br />
Punkrock. 2. Das machen sie richtig gut. Seit 1998 fabriziert die<br />
Band aus der Nähe <strong>von</strong> Mannheim arschtretenden Punkrock-<br />
Mix, zwar nicht so originell, wie ich erwartet hätte, aber durchaus<br />
hörbar und pogogeeignet. (16:33) (5) Katrin Schneider<br />
DOTS s/t <strong>CD</strong><br />
the-dots.de | Ich wusste schon immer, dass in Dresden was geht.<br />
Muss eine tolle Stadt sein, gutes Wetter, sehenswerte Architektur,<br />
viele junge Menschen, eine positive Einstellung. Das pulsierende<br />
Leben quasi. THE DOTS aus ebenjener Elbestadt pulsieren auch.<br />
Zumindest im Beat. Sixties-Rock’n’Roll, der kräftig scheppert<br />
und knarzt. <strong>Die</strong> dünne Produktion dürfte gar nicht viel dicker<br />
sein, denn die orgeldominierten Dancefloorfiller <strong>von</strong> THE DOTS<br />
klingen sehr authentisch und sind vor allem: charmant. (11:35)<br />
(7) Arne Koepke<br />
HOWTWOBEATRAY ... And With A Sexy Smile <strong>CD</strong><br />
h2br.de | Ah, der Sänger ist ein Freund <strong>von</strong> LIFE OF AGONY –<br />
das erklärt natürlich Einiges. Bei ihrer Debüt-EP hatte ich mich<br />
noch über seinen (die Band wird es mögen) knödelndem Gesang<br />
gewundert, aber das Rätsel ist jetzt also geklärt. <strong>Die</strong> neue<br />
<strong>CD</strong> geht nun noch mehr in die Richtung lupenreinen Alternative<br />
Rocks, der mehr denn je vom ausladenden Gestus des Sängers<br />
geprägt und <strong>von</strong> daher für mich also weniger interessant ist, der<br />
aber Freunde <strong>von</strong> SOUNDGARDEN und ähnlichen Bands nicht<br />
enttäuschen wird, zumal Produktion und Songwriting weit über<br />
Demo-Niveau liegen. Auf der Homepage bestellbar für 8 Euro.<br />
(39:28) (5) Christian Maiwald<br />
KORTEX Parasit <strong>CD</strong><br />
orga@kortex-music.de | „Na super, da steht was <strong>von</strong> Band aus<br />
Wilhelmshaven, die schicken wir mal an Olli“, den alten Fischkopp.<br />
So, oder so ähnlich wird der Spruch gelautet haben beim<br />
Verteilen des Review-Materials. Ist ja auch logisch, da ich ja auch<br />
auf „maritimen Noisepunk mit leicht bluesigem Einschlag“ besonders<br />
stehe. Das jedenfalls waren meine Gedanken, als ich das<br />
Teil in der Hand hatte. Nach dem ersten Hören muss ich meinen<br />
ersten Eindruck leicht revidieren, denn „maritimer Noisepunk<br />
mit leicht bluesigem Einschlag“ gefällt mir auf einmal sehr gut,<br />
zumindest, wenn er mit so herrlich kranken Texten wie hier daherkommt.<br />
Besonders hervorzuheben sei hier „Das bisschen Folter<br />
(geht <strong>von</strong> ganz allein – sagt George Bush)“ nach der Melodie<br />
<strong>von</strong> Johanna <strong>von</strong> Koczians „Das bisschen Haushalt“, welches ganz<br />
großer Sport ist. Auch die Coverversion <strong>von</strong> Heinz Erhardts „Immer<br />
wenn ich traurig bin“ in einer Rumpelpunk-Version macht<br />
sehr viel Freude. Freunde schräger Musik mit gewöhnungsbedürftigen<br />
Texten, die ein Herz für Menschen haben, die einen an der<br />
Luke haben, sollten sich das hier in jedem Falle mal zu Gemüte<br />
führen. Oliver Willms<br />
KARTOONS Undelivered <strong>CD</strong>-R<br />
<strong>Die</strong>se <strong>CD</strong> gehört auf jeden Fall in die Demo-Sektion. Denn man<br />
kann wirklich nicht sagen, dass „Undelivered“ ein ausgereiftes<br />
Werk ist. <strong>Die</strong> italienische 60s-Mod-Combo schreibt zwar ziemlich<br />
feine Popsike-Songs, die Gitarren jingeln fröhlich vor sich<br />
hin, und ein mehrstimmiger Chorgesang verziert die meisten der<br />
Songs. Doch es klingt alles noch nicht wirklich fertig, die Arrangements<br />
sind wackelig und die Performance der Band ist alles andere<br />
als schwungvoll. Dass der Sänger nun wirklich kein Heldentenor<br />
ist, sei ihm nachgesehen. Aber es ist nicht unverschämt, wenn<br />
man behauptet, dass die KARTOONS vor der Studiosession besser<br />
noch ein paar Monate im Proberaum verbracht hätten. Das Songwriting<br />
allerdings ist schon ziemlich gut. Wenn die Songs entspre-<br />
Unterwerfungsphantasien spielen. <strong>Die</strong> letztendliche Frage<br />
ist dabei aber ja immer, wer bei den Herren Rockern zuhause<br />
das Sagen hat ... (39:36) (8) Joachim Hiller<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
TEN YEARS A DAY<br />
Länger schlafen <strong>CD</strong><br />
tenyearsaday.de | Das neue Album der Kasseler erscheint in<br />
Eigenregie. Außer dieser administrativen Änderung hat sich<br />
bei TEN YEARS A DAY aber wenig verändert. Und das ist gut<br />
so, weil die elf neuen TYAD-Songs erneut beweisen, dass die<br />
vier feine, gefühlvolle Punkrock-Songs schreiben. „Länger<br />
schlafen“ trägt eine HOT WATER MUSIC-beeinflusste Melancholie<br />
in sich, die in die teils schroff-punkigen Songs wie<br />
den Opener „Geisterstadt“ einfließt. Gleichzeitig durchzieht<br />
diese Nachdenklichkeit auch die ruhigen Passagen des Albums,<br />
in denen die Band etwas indielastiger klingt und die<br />
rauheren Albumstrecken kontrastiert. Zu dieser Fusion aus<br />
Punk, ruhigen Momenten und vereinzelten Rockeinflüssen<br />
passen die persönlich-politischen Texte der Band sehr gut,<br />
sie geben dem Album eine Tiefe, die gerade als deutschsprachige<br />
Band schwer zu erreichen ist. Ein gutes Album, dessen<br />
kratziger Sound in das Gesamtbild passt und den Songs zusätzlichen<br />
Charme verleiht. Punkrock- und Indiefans dürfen<br />
auflauschen, denn TEN YEARS A DAY klingen intelligenter<br />
denn je, ohne dass das Aus-dem-Bauch-heraus-Gefühl<br />
verloren geht. (40:42) (7) Lauri Wessel<br />
TOKYO DRAGONS<br />
Come On Baby M<strong>CD</strong><br />
escapimusic.com | Wer seinen Rock schön abgehangen<br />
mag, der kann hier bedenkenlos zuschlagen, sollte das aber<br />
schon in Albumform getan haben. Ich könnte jetzt hier die<br />
üblichen Namen in den Raum werfen, denke aber das Infovergleiche<br />
wie TEMPTATIONS meets TURBONEGRO (zum<br />
Titeltrack „Come on baby“, je einmal in Studio-, Liveversion<br />
und Videoclip enthalten) vielleicht etwas hoch gegriffen<br />
sind. Trotz Extradosis AC/DC vom Plagiat genauso weit weg<br />
(oder nah dran, je nach Sichtweise) wie der Rest der Kandidaten.<br />
<strong>Die</strong> Livetracks vom 2006er Hultsfred-Festival gehen<br />
<strong>von</strong> der Qualität her in Ordnung, die Non-Album-Tracks<br />
wissen schon, warum sie es nicht aufs Album geschafft haben,<br />
und das Video kann man sich durchaus anschauen. Fazit:<br />
für Fans und Einsteiger gleichermaßen. Und gerade<br />
beim dritten Durchlauf muss ich doch noch einen Vergleich<br />
anbringen: Mich erinnert das an die fabulösen NEW AME-<br />
RICAN SHAME. (23:37) (7) Tom Küppers<br />
TIGER BY THE TAIL<br />
s/t 2 <strong>CD</strong><br />
myspace.com/tbtt | Keine gute Idee irgendwie: Schon das<br />
erste Album der aus Melbourne, Australien stammenden TI-<br />
GER BY THE TAIL trug keinen Namen, und nun, da die Europa-Version<br />
des Debüts just raus ist (in Australien erschien<br />
es bereits im Sommer 2005), haben Dave <strong>Thomas</strong> (yep, der<br />
<strong>von</strong> BORED!) und Co. auch schon den Nachfolger am Start,<br />
den ich der besseren Unterscheidung wegen einfach mal als<br />
„s/t 2“ bezeichne. Innerhalb dieses Jahres haben TBTT ihren<br />
dicht gewebten Gitarrenrock-Sound noch weiter verfeinert,<br />
und wo ich mich ob gelegentlicher ausschweifender<br />
Gitarrenmetzeleien damals noch an DINOSAUR JR. erinnert<br />
sah, ist hier die SONIC YOUTH-Affinität unverkennbar<br />
(„Summertime at the beach“). <strong>Die</strong> vier Australier haben<br />
zwar ganz klar erkennbare (Punk-)Rock-Wurzeln, doch ein<br />
Song wie „Heavy metal days“ ist mit seinen zarten Melodien<br />
auch beinahe schon Pop, auf jeden Fall aber unwiderstehlich,<br />
ebenso „Accidental genius“, wo sich TBTT mit strangen<br />
Gitarreneffekten und Orgeleinsatz in einem spacigen Power-Pop-Instrumental<br />
verewigen. Ein erstaunlich eingängiges<br />
Album, voller skurriler Ideen, das zudem diesen gewissen<br />
Aussie-Charme hat. Bitte entdecken! (39:53) (8)<br />
Joachim Hiller<br />
chend kompetent vorgetragen wären, gäbe es wenig zu meckern.<br />
(7) Gereon Helmer<br />
LETTERS FROM A BROKEN HEART –<br />
Warning: Broken Hearts Can Lead To Death <strong>CD</strong>-R<br />
Myspace.com/LFABH | Viele schöne Ideen, die LFABH da auf<br />
ihrem Demo verbraten. Aber einiges an Können liegt hier noch<br />
brach, wird aber bei dieser sehr jungen Band sicherlich zu einem<br />
späteren Zeitpunkt abgerufen werden. Den Namen zu ändern<br />
wäre ein Anfang, einfach weil es „zu emo“ klingt und das wird<br />
der Musik einfach nicht gerecht. Weniger lange Titel für Album<br />
und Songs wählen hift sicher auch („griffiger“) und wie ich finde,<br />
ganz wichtig: <strong>Die</strong> Schrei-Passagen bitte weglassen. Klingt arg heiser<br />
und überzeugt wirklich nicht. <strong>Die</strong> Musik, wie Bandname und<br />
Titel vermuten lassen könnten, ist kein sich anbiedernder Emo für<br />
Kids, sondern erinnert eher an PIXIES, TELEVISION PERSONALI-<br />
TIES und sogar auch an THE CURE. Eben an ideenreich schrammelnde<br />
Indie-Bands aus der „Hall of Fame“. Wenn sich nun noch<br />
ein wenig mehr Erfahrung und etwas mehr Gespür für weniger<br />
dürftige Texte einstellen, wird Darmstadt über kurz oder lang eine<br />
verflucht coole Band mehr haben, da bin ich mir sicher. KK<br />
LA MONTE Here Comes The Skinny Roller <strong>CD</strong>-R<br />
tehoteardo.com | Eigentlich widerstrebt es mir, dieses Album<br />
zum Demo zu degradieren, denn dafür ist es viel zu gut, ja sogar<br />
wesentlich besser als so manches reguläre Album. Und um die<br />
Band gleich mal zu kategorisieren: ein Song heißt „Post-Rock“,<br />
vermutlich eher aus Ironie, wenn schon, dann würde ich das eher<br />
als Post-Pop bezeichnen. TIMID TIGER versuchen sich an einer<br />
ähnlichen Mischung aus Indierock und fiesen Synthiefiguren wie<br />
die drei Italiener, scheitern im Gegensatz zu LA MONTE allerdings<br />
kläglich. Letztere schaffen es sogar „Sexbeat“ souverän zu covern.<br />
Und der Song „Post-Rock“ schreit förmlich die Geburt eines neuen<br />
Genres heraus, das es leider schon gibt. (7) Chris Wilpert<br />
LIMBUS Demo MMVI <strong>CD</strong>-R<br />
enterlimbus.com | Und es gibt sie doch: Bands, die verflixt gute<br />
Demos machen. <strong>CD</strong>-Rs, <strong>von</strong> denen man begeistert ist und deren<br />
Komponisten man wünscht, ein großes Label hinter sich zu haben.<br />
LIMBUS aus Uppsala, Schweden, machen zwar nichts Neues, ihr<br />
energischer, melodischer Punkrock klingt aber unverbraucht und<br />
derart spielfreudig, dass mich diese vier Songs begeistern. Einflüsse<br />
früher BAD RELIGION werden hier deutlich, gleichzeitig erinnern<br />
die Catchyness und vor allem die sehr gute Produktion der<br />
<strong>CD</strong>-R an die SATANIC SURFERS und RISE AGAINST. Wirklich<br />
toller (Skate-)Punkrock mit Melodiegefühl und Energie. Saubere<br />
Leistung, weiter so! (13:07) (8) Lauri Wessel<br />
MACHETE Antithese <strong>CD</strong>-Rom<br />
machete-inferno.de | Das zweite Demo der Essener Thrashcore<br />
Band MACHETE bietet fünf selbstproduzierte Songs, die mal progressiv,<br />
mal thrashig und mal im Crossover-Stil daher kommen.<br />
<strong>Die</strong> durchweg deutschen Texte handeln <strong>von</strong> der Gesellschaft und<br />
der daraus resultierenden Wut und Verzweiflung. Rein musikalisch<br />
spielt die Band auf einem recht hohen Level, textlich ist es<br />
nicht immer jedermanns Sache, doch sprechen die Jungs das aus,<br />
was sie denken und was sie ankotzt: Realität und Wahrheit und<br />
bloß kein Blatt vor dem Mund. Mein einzig negativer Aufhänger<br />
ist die Stimme, die mich zwischendurch immer wieder nervt und<br />
mir einfach zu schrill rüberkommen. Aber nichts desto trotz haben<br />
sich MACHETE im Vergleich zu ihrem ersten Demo sehr gut<br />
weiterentwickelt. Bleibt zu hoffen, dass sie schnell einen Ersatzmann<br />
am Bass finden, damit wieder viele Shows gespielt werden,<br />
um die Songs unters Volk zu bringen. (17:25) (6) Ross Feratu<br />
MEMPHIS CREEPS The Ultimate Outlaw-Scum-<br />
Rock-Experience <strong>CD</strong>-R<br />
myspace.com/memphiscreeps | <strong>Die</strong> Marschrichtung der MEM-<br />
PHIS CREEPS ist durch den Demo-Titel klar, aber Spriteule und<br />
Drummer Andres erlaubten mir, das Ganze auch als „Westerkappeln<br />
Saufpunk“ zu deklarieren. Platt sind die sechs Songs aber keineswegs,<br />
vielmehr macht mir der dreckige, ungeschminkte Mitgröl-Streetpunk<br />
durchaus Spaß, da er mit Wumms eingespielt ist.<br />
Stumpfheit wird durch eine immer mal durchblitzende Leadgitarre<br />
vorgebeugt und bei „Satan on my trail“ wird sogar mal in<br />
MOTÖRHEAD-artige Uptempo-Gefilde vorgestoßen. Nach den<br />
MISSING SHADOWS mal wieder eine coole Band aus Osnabrück,<br />
ruhig mal antesten! (20:42) Bernd Fischer<br />
TAKE<br />
Dolomite <strong>CD</strong>/LP<br />
Bombed Out/Art For Blind | Schon das Debüt „Propeller“,<br />
welches 2002 auf Household Name Records erschien, fand<br />
ich äußert bemerkenswert, allerdings sind vier Jahre ohne<br />
Album eine lange Zeit, die mir das neue Label auf dem Promosheet<br />
etwas verkürzen möchte, indem man meint, dass<br />
die Band „Propeller“ erst 2003 aufgenommen habe, was<br />
mir allerdings aufgrund des Erscheinungsdatums schwierig<br />
erscheint. Tatsächlich machte man sich Ende 2001 an die<br />
Aufnahmen zu „Propeller“, aber die lange Abwesenheit hat<br />
dem Quartett keineswegs geschadet, auch wenn man sie im<br />
schnelllebigen Musikzirkus etwas zu kaschieren versucht.<br />
Der Opener „Leather jacket“ entschädigt das lange Warten,<br />
denn der Postcore <strong>von</strong> THE TAKE wurde kräftiger, zwingender<br />
und durch sympathische MUDHONEY-Anklänge ergänzt.<br />
Bei dreizehn Liedern ist es jedoch beinahe unmöglich,<br />
alle Songs stimmig und auf höchstem Niveau zu halten.<br />
Wieso nicht mal eine Single mit den stilistischen Ausreißern<br />
machen? Ja, ich bin Perfektionist, aber THE TAKE<br />
kommen meinem Anspruch verdammt nahe, wirklich ein<br />
Glanzstück, dieses Album. (45:18) (8) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
TRIBUN<br />
The Essence Insane <strong>CD</strong><br />
bombackrecords.com | Immer wenn ich lesen muss, dass<br />
Bands vorher Oldschool-Hardcore gemacht haben und sich<br />
nun soundtechnisch dem Metal zuwenden, hab ich den Eindruck,<br />
als meinten diese dann dadurch erfolgreicher sein zu<br />
können. Anbetracht der Masse an Releases im Genre Metalcore<br />
sollte klar sein, dass das nicht funktioniert – mit der Art<br />
Musik ohnehin nicht. Doch da<strong>von</strong> abgesehen wünsche ich<br />
mir manchmal, dass besagte Bands lieber weiter Oldschool<br />
gemacht hätten. Denn das, was auch bei TRIBUN aus Essen<br />
passiert, ist wie so vieles durchschnittliches Geballer, wie es<br />
beispielsweise auf dem Pressure-Festival um die Mittagszeit<br />
abgehalten wird. Ansatzweise erinnern mich TRIBUN an<br />
FEAR MY THOUGHTS, doch richtig überzeugen kann das<br />
trotzdem nicht. Überlegt euch das doch noch mal mit der<br />
„Oldschool-Karriere“. (27:38) (6) Carsten Hanke<br />
TRANSMISSION 0<br />
Memory Of A Dream <strong>CD</strong>/LP<br />
gokartrecords.com | Nachdem es recht still um die holländischen<br />
Nachbarn wurde in letzter Zeit kommt nun<br />
prompt der Nachfolger zum respektablen Debüt in die Läden.<br />
<strong>Die</strong> Band konnte sich erheblich steigern und liefert mit<br />
ihrem Zweitwerk ein Album der großen Emotionen ab. Das<br />
Coverartwork macht dabei der musikalischen Untermalung<br />
alle Ehre, denn genauso stürmisch wie die Wellen darauf<br />
sind auch die Kompositionen ausgefallen. Langsam bauen<br />
sich die einzelnen Songs auf und türmen sich zu einer<br />
druckvollen Soundwand auf, die einem keine andere Wahl<br />
lässt als da<strong>von</strong> mitgerissen zu werden und sich einfach treiben<br />
zu lassen. Der metallische Sound wirkt dabei unterstützend,<br />
um diese <strong>von</strong> leichten Keyboardpassagen getragene<br />
Atmosphäre zu unterstreichen. Hier wird nicht einfach den<br />
übergroßen Vorbildern nachgeefeiert, viel mehr zeigt man<br />
einigen überbewerteten Vertretern dieser Musiksparte, wie<br />
man imposante Landschaften mit epischen Songs erschaffen<br />
kann, ohne sich dabei in Selbstverliebtheit zu ertränken,<br />
geschweige denn in keiner einzigen Sekunde langweilig zu<br />
werden. Ganz großes Kopfkino! Uwe Kubassa<br />
TRÄSH TORTEN COMBO<br />
Abgelehnt <strong>CD</strong><br />
attackrecords.de | Bei Deutschpunk bin ich raus, schneller<br />
als jemand „Ey, haste mal’n Euro?“ sagen kann, und entsprechend<br />
misstrauisch betrachtete ich dann auch die <strong>CD</strong> der<br />
TRÄSH TORTEN COMBO, deren Artwork erst auf den zweiten<br />
Blick nicht mehr so übel aussieht. Ungehört weitergeben<br />
oder doch einen Versuch wagen ...? Okay, ab in den <strong>CD</strong>-<br />
METHANOL Demo MC<br />
No More Music, Alex Rippel, An der Allee 110, 55122 Mainz |<br />
Schlichter, ruppiger Deutschpunk aus Limburg, der klingt, als sei<br />
1981 die Uhr stehen geblieben. Das heißt in diesem Fall: schlichte<br />
Songtexte, schraddelnder Sound, räudiger Gesang – auf jeden Fall<br />
authentisch genug für die echten Fans der Richtung. Alle anderen<br />
sollten die Finger <strong>von</strong> der Kassette lassen; sie ist unterm Strich zu<br />
stumpf und eintönig. Bitte noch mal üben! (3) Klaus N. Frick<br />
MEAT BEAT <strong>69</strong> The Demo <strong>CD</strong>-R<br />
Kontakt: 0174-9233466 | Über MEAT BEAT <strong>69</strong> lässt sich nur wenig<br />
sagen. Ein Internetauftritt fehlt, ebenso ein Infoblatt. <strong>Die</strong> drei<br />
Songs dieses Demos sind aber auch kaum der Rede wert. Proberaummuffelige<br />
Soundqualität, viel Gebrüll, wenig Technik. Das<br />
holprige Songwriting ist eine ziellose Aneinanderreihung <strong>von</strong><br />
schnellen Riffs. Immerhin: <strong>Die</strong> Geschwindigkeit stimmt. MEAT<br />
BEAT <strong>69</strong> scheinen echte Punkrocker zu sein. Da<strong>von</strong> gibt es heutzutage<br />
ja nicht mehr so viele. (11:23) (2) Arne Koepke<br />
MONSIGNIORE BOOGALOU<br />
One Brain Four Souls <strong>CD</strong>-R<br />
myspace.com/monsignioreboogalou | Der Monsigniore ist eigentlich<br />
schon ein alter Hase im Business. <strong>Die</strong> späten Achtziger<br />
verbrachte er mit seiner ersten Band BLUMEN OHNE DUFT, wo<br />
er die Trommelstöcke schwang. Es lief ganz gut, ein paar Platten<br />
und eine Menge Auftritte, dann ein Break, eine neue Band (BU-<br />
DANGO 5), kein Deal, aber auch viele Shows. Auch das ging aber<br />
jäh in die Brüche, und der Monsigniore probierte es fortan als<br />
Einzelkämpfer. Und deshalb hat er alle Instrumente selbst gespielt<br />
und die Aufnahmen zum vorliegenden Demo in Eigenregie<br />
mit primitivsten Mitteln durchgezogen. Gar nicht schlecht. Wenn<br />
man keine allzu hohen Ansprüche an Soundqualität hat, wenn es<br />
nicht stört, dass es stellenweise arg rumpelt. Standout-Track ist<br />
auf jeden Fall „Dig it“, das mit dem verschleppten Handclap-Beat<br />
an Iggys „19<strong>69</strong>“ erinnert. Ansonsten klingt hier viel nach „Back<br />
From The Grave“-Teenage-Demenz-Songs, sehr simples Songwriting,<br />
und die Texte sind teilweise direkt <strong>von</strong> den SONICS gestohlen.<br />
Ein Lob für die ansprechende grafische Gestaltung des Demos!<br />
(7) Gereon Helmer<br />
ORAL FLIPPERS<br />
Tag und Nacht und Alles <strong>CD</strong>-R<br />
oralflippers.de | Erschien „Grüße aus dem Jammertal“, das Debütalbum<br />
der Gießener, noch bei Café Vinyl/Flight13, sind die ORAL<br />
FLIPPERS nun, wie es das Info so schön sagt, „aufgrund allgemeiner<br />
Knappheit an Ressourcen“ wieder auf Labelsuche. Und zu<br />
wünschen wäre ihnen da ein Fund, denn die fünf Songs auf „Tag<br />
und Nacht und Alles“ klingen sehr schön und ausgereift. Es gibt<br />
also melancholischen deutschsprachigen Punkrock mit einer gehörigen<br />
Portion Wut im Bauch und ziemlich persönlichen Texten.<br />
Fein schnell und doch immer mit eingängigen Melodien, brauchen<br />
Vergleiche zu Bands wie TURBOSTAAT, DACKELBLUT oder<br />
MUFF POTTER kaum gescheut werden. Ich drück die Daumen,<br />
dass es bald wieder ein richtiges Album gibt, denn die ORAL FLIP-<br />
PERS sind garantiert eine der besseren deutschen Punkrockbands.<br />
Übrigens: Warum hat das Wort „Emo“ eigentlich so einen unangenehmen<br />
Beigeschmack? Hier würde es super und völlig positiv<br />
gemeint passen! (14:51) Jan Eckhoff<br />
SAVANTS Demo <strong>CD</strong>-R<br />
kontakt@the-savants.de | Tübingen? COURT JESTERS CREW –<br />
aber die sind Geschichte und im Vergleich zu THE SAVANTS stinklangweilig.<br />
Das hier sind vier schmuddelige Kerle, die dreckigen<br />
Punkrock mit einem gehörigen Schuss Off-Beat und Hardcore<br />
präsentieren. Zudem Weltmeister im Kammblasen, machen sie<br />
der finnischen Humppa-Ikone ELÄKELÄISET Konkurrenz. Dunkle<br />
folkige Anleihen, melodischer Hardcore, mehrstimmiger Gesang<br />
und rasende Punkrock-Arrangements erinnern an Bands<br />
wie CONQUETTISH, MONSTER oder DISABILITY. Das alles dann<br />
auch noch vernünftig aufgenommen, was wäre das für ein Knaller.<br />
(23:47) (8) Simon Brunner<br />
SONGS FOR CARRY-ANN s/t <strong>CD</strong><br />
songsforcarryann.de | Wie schnell eine Band heutzutage an Aufnahmen<br />
der eigenen Musik kommt, ist ja bisweilen erschreckend.<br />
Tage nach der Bandgründung jagt ein Schnellschuss den anderen.<br />
SONGS FOR CARRY-ANN aus Wilhelmshaven ist auch eine junge<br />
Band, die es fix ins Studio trieb. Allerdings ist hierbei hörens-<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 88 22.09.2006 20:53:48 Uhr
Player, und dann die Überraschung: Kein Deutschpunk-Gerumpel,<br />
trotz Punk und deutscher Texte, sondern eine bei<br />
der Gründung 1996 zu 100 und heute immerhin noch 75<br />
Prozent weibliche Band aus Berlin, die ich als einzig legitime<br />
Nachfolger der legendären HANS-A-PLAST bezeichnen<br />
möchte. Unglaublich, wie man sich hier mal eben ins Jahr<br />
1980 zurückversetzt fühlt, musikalisch, textlich, die Grafik<br />
betreffend – und natürlich in erster Linie, was den Gesang<br />
<strong>von</strong> Frontfrau Anne anbelangt. Dabei hat man hier nicht das<br />
Gefühl, dass da eine Band plump und bewusst auf die Retro-<br />
Karte setzt, sondern dass man/frau eben einfach so klingt.<br />
Immerhin, auf ihrer MySpace-Seite nennen die BerlinerInnen,<br />
deren erstes Album das hier nach diversen Kleinformaten<br />
und Sampler-Tracks ist, erwähnte HANS-A-PLAST als<br />
klare Vorbilder, aber auch ARTLESS, NOTDURFT und BÄR-<br />
CHEN & DIE MILCHBUBIS sowie generell Sixties und Surfpunk<br />
nordamerikanischer Herkunft – ähnlich begeisternd<br />
waren/sind da nur die SHOCKS. Wirklich gut ist hier auch<br />
die Produktion, da rumpelt nix, trotz der eher simpel wirkenden<br />
Musik, und so bin ich <strong>von</strong> „Abgelehnt“ vollkommen<br />
begeistert, habe ich schon lange keine deutsche Punkband<br />
mehr in den Fingern gehabt, die so überzeugend an<br />
die Wurzeln des Genres hierzulande anknüpft. Schlimm nur,<br />
dass so all die miesen Bands noch schwerer zu ertragen sind,<br />
denn jetzt weiß man ja, dass andere es viel, viel besser können<br />
... (29:33) (9) Joachim Hiller<br />
TURN ME ON DEAD MAN<br />
Technicolour Mother <strong>CD</strong><br />
alternativetentacles.com/Cargo | Album Nr. 3 der Psyche-Rocker<br />
aus San Francisco ist wie der Vorgänger auf dem<br />
Label des Mannes erschienen, der einst mit LARD forderte<br />
„Seventies Rock must die“. Und jaja, Her Biafra, wir wissen,<br />
wie sich da argumentativ rauswieseln, <strong>von</strong> wegen, die hier<br />
meinten das ja irgendwie mit einer ironischen Distanz und<br />
würden nur zitieren und so. Ja, geschenkt, so genau nehmen<br />
wir das ja auch nicht, wir wollten es nur noch mal erwähnt<br />
haben, und außerdem sind TURN ME ON DEAD MAN, die<br />
mich hier auch immer wieder an die MELVINS zu „Houdini“-Zeiten<br />
erinnern, eben immer klar als Zweitverwerter<br />
erkennbar, spielen sie virtuos mit der Rockmusik zwischen<br />
„Bowie and Bolan“. Vorzüglichst produziert hat „Technicolour<br />
Mother“ der notorische Tim Green zusammen mit Eli<br />
Crews, das Album-Artwork ruft Bilder <strong>von</strong> jungen Männern<br />
mit Schnauzbärten und wallenden Langhaarfrisuren<br />
in bunten Schlaghosen-Overalls hervor, doch siegt hier<br />
letztendlich die Faszination über den Ekel, die Begeisterung<br />
angesichts perfekt ausgeführter Musik über eine natürliche<br />
Abneigung. Wem sich angesichts <strong>von</strong> MARS VOLTA und deren<br />
Prog-Gerocke bereits die Nackenhaare aufstellen, sollte<br />
hier direkt die Flucht ergreifen, wer aber die eigene Schamgrenze<br />
überwinden kann, der hat hieran eine Menge Spaß.<br />
Och, ist das alles schön bunt hier! Huuiiii! (49:48) (7)<br />
Joachim Hiller<br />
TEAMKILLER<br />
Bad Signs <strong>CD</strong><br />
Dead Serious | <strong>Die</strong> Stuttgarter haben sage und schreibe<br />
17 Songs plus Intro für ihr Debütalbum ausgetüftelt, und<br />
wer Scott Vogel <strong>von</strong> TERROR als Gastsänger für sein Frühwerk<br />
gewinnen kann, der hat gehörig was in der Hinterhand.<br />
TEAMKILLER haben in ihrer relativ kurzen Zeit als<br />
Band Dates in England und mehrere große internationale<br />
Festivals gespielt, etliche Clubs hierzulande beehrt und auch<br />
den Weggang <strong>von</strong> Gitarrist Chris Holt verkraftet, um nun als<br />
Quartett fokussierter zu arbeiten. Trotz des Pessimismus, den<br />
das Material ausstrahlt, spürt man eine enorme Spielfreude<br />
und diese durchdringt alle Lieder, die denen der neuen TER-<br />
ROR nicht unähnlich sind. Rasante Tempowechsel, mörderische<br />
Riffs, intelligente Texte, ein aufwendiges Booklet und<br />
bedachte Crew-Shouts machen „Bad Signs“ zu einem Paradealbum,<br />
wenn es um metallischen Oldschool-Hardco-<br />
werter Emocore aufgenommen worden, der mit kreativem Songwriting<br />
überzeugt. Ausgestattet mit griffigen Melodien und derbe<br />
heiserem Gesang, kommen die vier Songs dieser EP schnell auf<br />
den Punkt. Der Schlagzeuger muss wahnsinnig sein. Hört es euch<br />
an! (14:23) (8) Arne Koepke<br />
SICARIO Death Is Certain, Life Is Not! <strong>CD</strong>-R<br />
sicario.de | Oh weh, oh weh! SICARIO bestehen also aus Ex-<br />
Members <strong>von</strong> AOPRH (im Ernst, genauso steht das hier) und haben<br />
mit MADBALL- (<strong>von</strong> der „Hold It Down“, so was macht man<br />
einfach nicht!) und RYKER’S-Covern angefangen, wow! Und die<br />
Bühne geteilt mit Bands wie BIONYX, DENIED, HERBERTS ÄCH-<br />
TE und anderen, <strong>von</strong> denen ich noch nie gehört habe. <strong>Die</strong> Songs<br />
haben Namen wie „Hardcore unity“, „Face the truth“ und „Our<br />
fight“, und die Promo-Agentur kommt aus Finsterwalde! Wahnsinn,<br />
nach den Infos wollte ich die <strong>CD</strong> erst gar nicht anhören, hätte<br />
ich auch besser seinlassen, aber irgendwer muss sich ja opfern,<br />
und ich bin mal wieder der Dumme. Geboten wird, na? Wer<br />
kommt drauf? Grottigster Euro-Core beziehungsweise das Ganze<br />
soll wohl nach NYHC klingen. Selten was Unoriginelleres und<br />
lächerlicher Aufgezogenes gehört, aber ihr könnt ja mal auf sicario.de<br />
gucken. Sorry Jungs, aber ihr solltet 1. mal eure Promoschreiben<br />
überdenken, 2. mal um einiges origineller werden und<br />
3. vielleicht auch den Sänger wechseln. (18:54) (2)<br />
Fabian Dünkelmann<br />
TWO MINUTES APPEAR<br />
Defined Chaos Demo <strong>CD</strong>-R<br />
myspace.com/twominutesappear | Auf ihrer bereits dritten Veröffentlichung<br />
bietet die Hardcore - Combo aus Thüringen eine<br />
ziemlich abwechslungsreiche Mischung aus New School, Uptempo<br />
und durchaus kurzweiligen Moshparts. Irgendwie habe ich<br />
aber den Eindruck, dass TWO MINUTES APPEAR ihren Stil noch<br />
nicht vollkommen gefunden haben. Da ist mit Sicherheit noch<br />
eine Steigerung möglich. (12:48) (6) Robert Buchmann<br />
V.A. There Is No Way Out Vol. II MC<br />
thereisnowayout.de | Zweiter Teil des „There Is No Way Out“-<br />
Samplers, und den ersten fand ich echt ganz gut. <strong>Die</strong>se Nummer<br />
überzeugt mich nur bedingt. Nun ja, wenn so viele Bands auf einem<br />
Tape verbraten werden, ist da zwangsläufig nicht nur Licht<br />
dabei. Der Spaß kostet allerdings nur 1,00 EUR plus Porto und<br />
dafür kann man gerne reinschnuppern. Stilistisch ist die ganze<br />
Bandbreite dabei. Von straightem Punk geht es über metallischen<br />
Hardcore zu Thrash und so weiter und so fort. Mit dabei<br />
sind DESTROYER, THE DISTURBERS, WHAT NEVER DIES, PIAZ-<br />
ZA DROPOUT, GO! (ja, die GO! <strong>von</strong> früher ...), YACOPSAE, THE<br />
ITALLIAN STALLION, THE MISSING SHADOWS und viele mehr.<br />
Kommt mit A5-Beiheft. (6) Renke Ehmcke<br />
WE WILL FLY s/t <strong>CD</strong>-R<br />
wewillfly.de | <strong>Die</strong> fünf Songs <strong>von</strong> WE WILL FLY machen mir<br />
Spaß, weil sie rauh und ungeschliffen klingen und <strong>von</strong> frühen<br />
AFI- und RISE AGAINST-Alben beeinflusst sind. Dementsprechend<br />
sind die WWF-Texte sehr persönlich, was zu den gradlinigen<br />
Stücken passt, die teils <strong>von</strong> passenden Breaks unterbrochen<br />
werden. Außerdem erkennt man hier Ansätze <strong>von</strong> WWF, eigene<br />
Soundelemente zu entwickeln. <strong>Die</strong>se geschrieenen Gesangspassagen<br />
oder vereinzelten, düsteren Momente harmonieren gut mit<br />
dem punkigen Strecken und machen das Demo zu einem angenehmen<br />
Hörerlebnis. An ihren Melodien sollten WWF noch feilen<br />
und auch ihre Songstrukturen verfeinern, da<strong>von</strong> abgesehen, habe<br />
ich wenig zu meckern. (17:41) (6) Lauri Wessel<br />
YELLOW CAKE Fasten Your Seatbelt <strong>CD</strong><br />
www.yellowcake.eu | Wer macht heutzutage noch solche Musik?<br />
Grundsätzlich ist es mal wieder das gleiche Spiel: <strong>Die</strong> Musik ist<br />
scheinbar professionell gemacht, der Sänger kann singen, nur ist<br />
die Musik für mich total belanglos. Irgendwie Punkrock, irgendwie<br />
Pogo? Ich habe gerade das Bild vor Augen, wie sich eine Gruppe<br />
Dorfpunks im Kreis hin- und herschubst. Ob ich der Band damit<br />
Unrecht tue? (5) Sebastian Wahle<br />
re geht. Etwas außergewöhnlich ist der lange Anlauf, den<br />
sich die Band gönnt, aber ab dem fünften Song „Touched by<br />
the cursed“ gibt es kein Halten mehr. Ich freue mich defintiv<br />
auf die anstehenden Shows mit KILLING TIME und vielleicht<br />
sieht man sich dort. (34:18) (8) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
TURBO AC’S<br />
Live To Win <strong>CD</strong><br />
bitzcore.de | Es schien alles so gut eingerichtet in Turboland:<br />
Alle ein, zwei Jahre machen Kevin, Mike und Kevin<br />
ein neues Album und kommen zweimal im Jahr nach Europa<br />
auf Tour. So lief das<br />
seit einer halben Ewigkeit,<br />
Band und Fans waren zufrieden<br />
– nur Bassist Mike<br />
Dolan nicht, und so vollzog<br />
der Anfang des Jahres<br />
seinen Ausstieg. Doch so<br />
sehr sich die TURBO AC’S<br />
in den letzten Jahren dem<br />
Rock’n’Roll verschrieben,<br />
so wenig werden sie an<br />
ein Ende der Band gedacht<br />
haben. Nicht nur einen<br />
neuen Bassisten holten sie<br />
sich, sondern auch einen zweiten Gitarristen, und erfanden<br />
die Band so mal eben neu. Nicht dass die New Yorker mit<br />
ihrem fünften Longplayer „Avenue X“ langweilig geworden<br />
wären, sich eine Runderneuerung aufgedrängt hätte, aber<br />
jetzt, im Angesicht <strong>von</strong> „Live To Win“ (ein grandioser Titel,<br />
wie er perfekter nicht passen könnte) muss man schon feststellen,<br />
dass der frische Wind, den die beiden neuen (Tim<br />
Lozada, Bass; Jer Duckworth, Gitarre) den New Yorker Surfpunk-Rock’n’Rollern<br />
gut getan hat. Von der Stimmung<br />
her ist alles geblieben wie bisher, dominiert die markante<br />
Surfgitarre <strong>von</strong> Frontmann Kevin Cole nebst dessen rauher<br />
Stimme den Sound, doch ist der durch die zweite Gitarre<br />
etwas runder und voller geworden. Das sechste Album der<br />
TURBO AC’S begeistert so selbst einen alten Fan wie mich<br />
noch einmal ganz neu, ist eine Neujustierung, wirkt wie der<br />
Kick beim Einsetzen des Turboladers. Eine Band auf der Gewinnerstraße.<br />
(36:46) (8) Joachim Hiller<br />
Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />
TRASHMONKEYS<br />
Favourite Enemy LP<br />
soundflat-records.de | Mit etwas Verzögerung zum <strong>CD</strong>-<br />
Release auf Lado erschien jüngst die Klappcover-Vinylversion<br />
des neuen TRASHMONKEYS-Albums, und so zitieren<br />
wir uns einfach selbst: Aus dem Untiefen der verschwitzten<br />
Sixties-Clubs und Mod-Weekender haben sich die Bremer<br />
TRASHMONKEYS schon seit ihrem in England hoch geschätzten<br />
Acid Jazz-Album (gemeint ist das Label, nicht die<br />
Musikrichtung) freigeschwommen. Und mit dem neuen<br />
Werk kann der Marsch Richtung Erfolg weiter gehen. Denn<br />
beim Songwriting hat sich eine Menge getan. Erstaunlich<br />
vielseitig geben sie sich auf dem 2006er Album vom glatten,<br />
Richtung Charts schielenden Opener „Attitudes In stereo“<br />
über Ray Davies-Zitate und beatleskes Material zu zeitgemäßen<br />
bollernden 80s-Dance-Punkern im rotschwarzgestreiften<br />
„Kaiser-Ferdinand“-Gewand spannt sich diesmal<br />
der Bogen. Orgelmann Offer Stock hat dabei leider deutlich<br />
weniger Einsätze auf der Hammond, es klingt alles etwas<br />
elektronischer. Alles in allem Musik, die wie gemacht ist für<br />
die Campus-Sommerfestivals dieser Welt. Kein schlechtes<br />
Album, aber ich gestehe, es gibt wenig zu hören, was wirklich<br />
originell wäre. Es wäre mir viel lieber, wenn Herr Wolfinger<br />
seine Energie mehr für sein erfolgloseres, aber viel<br />
charmanteres Projekt COOL JERKS einsetzen könnte. (6)<br />
Gereon Helmer<br />
UNLEASHED<br />
Midvinterblot <strong>CD</strong><br />
spv.de | UNLEASHED sind mir bisher immer<br />
nur als Autoaufkleber in unserem Parkhaus begegnet,<br />
legen aber mit „Midvinterblot“ bereits<br />
ihr achtes Studioalbum in 15 Jahren vor.<br />
U<br />
Aus dem Death Metal-Urgestein NIHILIST gingen<br />
ENTOMBED und eben UNLEASHED hervor,<br />
wobei letztere auf ihrem neuesten Longplayer weiter die<br />
Oldschool-Death Metal-Fahne hochhalten. Und das Ganze<br />
nicht einmal schlecht. Angenehm unaufdringliche, groovende<br />
Songs mit fetter Produktion und aggressivem Gesang,<br />
der kehlig, aber ohne nervigen Pathos daherkommt. Inhaltlich<br />
hält man sich überwiegend an die gute alte Wikingermythologie,<br />
die ich persönlich ungefähr mit 15 hinter mir<br />
gelassen habe, um mich dem Dschungel der Straße zuzuwenden.<br />
Mir fällt auf Anhieb keine Kombo ein, die wirklich<br />
ähnlich klingt und das ist ein gutes Zeichen ...Wer mal über<br />
den Tellerrand Richtung Death Metal schauen will, sollte<br />
UNLEASHED unbedingt antesten. Yo, das schockt. (46:29)<br />
(8) Dr. Oliver Fröhlich<br />
ÜBERFLÜSSIG<br />
Wir kommen noch früh genug zu spät! <strong>CD</strong><br />
Bellaphon | Schon lange habe ich mich nicht mehr so amüsiert!<br />
Weinen kann ich bei dieser Band nicht mehr, ÜBER-<br />
FLÜSSIG ist so unfassbar schlecht. Wie kann dieses Duo<br />
fast zehn Jahre bestehen, und dabei so gut wie keinen Ton<br />
treffen? „Hey ho let’s go“ hat bisher noch niemand so leidenschaftslos<br />
<strong>von</strong> sich gegeben. Und Auftritte mit SILBER-<br />
MOND, ex-NO ANGEL „Sandy“ und VANILLA NINJA zeugen<br />
<strong>von</strong> wahrer Größe. „Warum so negativ“ ist das einzige<br />
Stück der Platte, das nicht <strong>von</strong> Anfang bis Ende peinlich<br />
ist. Trotzdem hänge ich mir diese Platte an die Wand, damit<br />
ich jeden Morgen beim Aufstehen etwas zu lachen habe.<br />
(41:36) (2) Katrin Schneider<br />
UNEARTH<br />
III: In The Eyes Of Fire <strong>CD</strong><br />
Metal Blade | Es gibt wieder auf die Ohren <strong>von</strong> einem der<br />
besten Schlachtschiffe der Metalcore-Bewegung. Völlig zu<br />
recht bauen UNEARTH ihre Vormachtstellung, die sie sich<br />
2004 mit dem Meilenstein „The Oncoming Storm“ selbst<br />
schufe,n auf dem aktuellen Album aus und zeigen der Konkurrenz,<br />
wie man es richtig macht. Straighter denn je im<br />
Sound, bleibt <strong>von</strong> der ersten bis zur letzten Spielsekunde<br />
mal wieder keine Zeit durchzuatmen. Gewohnt bombastisch<br />
ist die Produktion, für die sich dieses Mal aber nicht<br />
der KILLSWITCH ENGAGE-Weirdo Adam Dutkiewicz verantwortlich<br />
zeichnet, sondern das Zepter an Terry Date (unter<br />
anderem PANTERA) weitergegeben hat, der das Beste<br />
aus den Jungs rausgeholt hat und nicht eine Unebenheit<br />
im dichten Soundteppich erkennen lässt. Keine Frage, diese<br />
Band weiß, wo sie hin will und was sie erreichen kann.<br />
Ich bin mir sicher, dass UNEARTH als eine der Wenigen den<br />
jetzigen Boom der Szene überleben werden und auch nach<br />
der Flut noch breitbeinig auf der Bühne stehen. Warum ich<br />
mir da so sicher bin? Wer die aktuelle <strong>CD</strong> ein paar Mal gehört<br />
hat, der weiß, was ich meine. Keine albernen Spiele-<br />
reien, keine Effekthascherei, sondern immer auf den Punkt,<br />
immer der richtige Zeitpunkt und nie langweilig. Das ist das<br />
Fundament, die Eckpfeiler, auf denen „III: In The Eyes Of<br />
Fire“ aufbaut und unumstößlich steht. Selbst ruhigere Songs<br />
im Stil <strong>von</strong> „Aries“ vom zweiten Album fehlen hier. Dafür<br />
punkten die Jungs mit dem instrumental Stück „Big bear<br />
and the hour of chaos“ und natürlich im Gesamteindruck.<br />
(44:01) (9) Tobias Ernst<br />
UNHOLY<br />
Awaken The Sleep M<strong>CD</strong><br />
silentstagnationrecords.com | „She’s alive ... yet dead! She’s<br />
dead ... yet alive!“ lautet eine Tagline des Horrorfilms „I Walked<br />
With A Zombie“ aus dem Jahr 1943, auf den UNHOLY<br />
aus Syracus, New York im Digipak ihrer EP verweisen. Und<br />
wenn man wie die ehemaligen und gegenwärtigen Mitglieder<br />
<strong>von</strong> Bands wie THE PROMISE, PATH OF RESISTANCE<br />
oder WHEN TIGERS FIGHT eine Mischung aus Hardcore<br />
und Metal spielt, macht es natürlich durchaus Sinn, aus einem<br />
Zombiefilm zu zitieren, schließlich weiß man ja auch<br />
beim Metalcore nie, ob er gerade als tot oder lebendig gilt.<br />
Da sich UNHOLY allerdings eher an traditionsbewussten<br />
Vertretern des Genres wie MOST PRECIOUS BLOOD orientieren,<br />
erweist sich dieses Debüt als quicklebendig und<br />
kerngesund und möchte spazieren gehen. <strong>Thomas</strong> Renz<br />
UZEDA<br />
Stella <strong>CD</strong><br />
Touch And Go | <strong>Die</strong> Zeiten, wo mich der Name Steve Albini<br />
in Verzückung versetzt hätte, sind schon etwas länger vorbei,<br />
dafür hat der Mann als Produzent an zu vielen mäßigen<br />
Platten mitgearbeitet. Und auch bei Touch And Go kann<br />
man sicherlich nicht mehr blind jede Platte kaufen, auch<br />
wenn hier auf jeden Fall schon mal das Artwork in ästhetischer<br />
Hinsicht für eine grundsätzliche Qualität bürgt. Allerdings<br />
habe ich unglaubliche Vorurteile, wenn europäische<br />
Bands, vor allem Italiener, so eine Form <strong>von</strong> Math-Rock<br />
produzieren, der natürlich, wie sollte es anders sein, deutlich<br />
an SHELLAC erinnert. Und auch wenn UZEDA schon<br />
etwas länger dabei sind – „Stella“ ist allerdings auch erst die<br />
dritte Platte –, fällt es schwer, sie als mehr als einen Klon<br />
des typischen Albini-Sounds wahrzunehmen. Dazu kommt<br />
leider auch noch erschwerend, dass die Sängerin Giovanna<br />
Cacciola wahnsinnig nervt, in ihrem Bemühen, wie P.J. Harvey<br />
und Björk gleichzeitig zu klingen. Grauenhaft! Als Instrumentalband<br />
würde ich mir den wuchtigen Sound <strong>von</strong><br />
UZEDA durchaus gefallen lassen, aber so gehen sie mir, etwas<br />
leger ausgedrückt, einfach nur auf den Sack. (4)<br />
<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
UNTAMED<br />
... In This Together <strong>CD</strong><br />
Village Kids | UNTAMED, das heißt auf Deutsch soviel wie<br />
„ungezähmt“. Und der Name ist irgendwie auch passend gewählt.<br />
12 Jahre besteht die Band (nicht zu verwechseln mit<br />
den Rock’n’Rollern auf Heptown) nun schon und legt mit<br />
„... In This Together“ nach diversen EPs nun endlich ihr gelungenes<br />
Debütalbum vor. <strong>Die</strong> Band selbst bezeichnet ihren<br />
Stil als „Thrashcore“. Ich persönlich sehe da aber auch noch<br />
ein paar Anleihen an die Crossover-Zeit, beziehungsweise<br />
die guten alten BIOHAZARD. Selbst vor kleinen DJ-Einlagen<br />
– „Commitment to us“, um nur einen Song zu nennen<br />
– schreckt die Band nicht zurück, was dem Sound insgesamt<br />
aber sehr gut zu Gesicht steht und man sich so <strong>von</strong><br />
vielen eingefahrenen Gegebenheiten einfach frei macht.<br />
Auch inhaltlich gibt man sich genauso breit gefächert wie<br />
musikalisch und spricht offen Themen wie „Korruption“,<br />
„Hass“ und „Krieg“ an und in diesem Zusammenhang ist<br />
auf jeden Fall „Stalker“ zu nennen, ganz klar einer der besten<br />
Songs des Albums. Und „ungezähmt“ wie sie sind, gibt es<br />
neben den überwiegend englischsprachigen Songs mit „Illusionen“<br />
auch einen Beitrag in der deutschen Muttersprache,<br />
der mich mit einem Schmunzeln an SUCH A SURGE<br />
denken lässt. Natürlich ist auch das keine schlechte Referenz<br />
und so machen UNTAMED im Gesamteindruck echt Spaß<br />
und wer auf DISBELIEF steht, der sollte das hier zumindest<br />
mal gehört haben, denn stimmlich sind sich deren Sänger<br />
Carsten und UNTAMED-Shouter Chrischi auch relativ ähnlich.<br />
(44:42) (8) Tobias Ernst<br />
UNITED<br />
Slick <strong>CD</strong><br />
Noisedeluxe/Broken Silence | Schon im Frühjahr 2005<br />
wurde diese <strong>CD</strong> im eigenen Heimatland veröffentlicht,<br />
Dank Noisedeluxe kommt nun auch Deutschland in den<br />
Genuss, die Musik der fünf Schweden kennen und schätzen<br />
zu lernen. Hier werden Erinnerungen an die so genannten<br />
Post-Punk-Bands wach, genannt werden explizit JOY DIVI-<br />
SION, ECHO & THE BUNNYMEN und THE CURE. Anleihen<br />
an diese Phase sind klar vorhanden, jedoch ohne die melodramatische<br />
Todessehnsucht Ersterer und weniger Gejammer<br />
als bei Letzteren. Im Gegenteil scheint hier viel mehr<br />
positive Energie aus den Songs. Ich würde zu einer Einordnung<br />
bei NEW ORDER tendieren, zur Zeit ihres bestem Albums<br />
„Get Ready“, wenn schon unbedingt nötig. Auf alle<br />
Fälle ein Album mit dem Zeug zum ganz großen Wurf, was<br />
die Arrangements der Melodien angeht, verbunden mit der<br />
charismatischen Stimme des Sängers. Als Bonus enthält die<br />
<strong>CD</strong> noch einen im PC abspielbaren Videoclip der Band. Kämen<br />
UNITED aus Großbritannien, hätte sich die gesamte<br />
Musikpresse schon längst überschlagen vor Lobeshymnen.<br />
Schön, dass ich einer der Ersten sein durfte. (44:10) (8)<br />
Claus Wittwer<br />
UNDER BYEN<br />
Samme Stof Som Stof <strong>CD</strong><br />
Morningside/PIAS | UNDER BYEN entfalten in ihren zarten,<br />
sehr reduzierten, fast nur <strong>von</strong> Percussion getragenen<br />
Songs verträumte Kleinode, wie SIGUR RÓS es ähnlich machen<br />
oder Björk es immer wieder misslingt. Dabei bedienen<br />
sich die acht Dänen sehr dezent zahlreicher Schlagwerke,<br />
besonders gerne Xylophonen, und sehr selten sogar<br />
Streichern. Der einlullende Frauengesang erinnert dabei<br />
zwar stark an die oben genannten, ohne jedoch derartig<br />
dominierend wie Björk zu sein, stattdessen fügt er sich harmonisch<br />
in die langsam arrangierten, streckenweise pathetischen<br />
(aber nicht aufdringlichen) Stücke ein. Um nicht in<br />
die üblichen Klischees, die solche Musik immer evoziert, zu<br />
verfallen: <strong>Die</strong> verwendete „Phantasiesprache“ ist vermutlich<br />
Dänisch, und auch die Illusion weiter Landschaften, unberührter<br />
Natur mit Seen und Feen wollte sich bei mir nicht<br />
einstellen – vielleicht aufgrund meines zu geringen Drogenkonsums<br />
–, keinesfalls jedoch der Musik geschuldet, Begeisterung<br />
und ein Gefühl <strong>von</strong> Aufgehobenheit hat sie jedoch<br />
auf jeden Fall ausgelöst. <strong>Die</strong> ideale Platte, um mich an<br />
lauen Sommerabenden auf einen freundlichen Herbst vorzubereiten,<br />
oder ihn mir zumindest vorzustellen, während<br />
die Wettergeister draußen wüten und die Feen vertreiben.<br />
(53:30) (7) Chris Wilpert<br />
V<br />
VENUE KIDS<br />
A Piece Of Perfect Happiness <strong>CD</strong><br />
gain.se/Cargo | <strong>Die</strong> schwedischen VENUE KIDS<br />
hadern mit einem Problem, an dem gut 95 Prozent<br />
aller Debütalbum-Komponisten zu kauen<br />
haben: Man findet den eigenen Sound nicht.<br />
Zwar kann man die Band grob als melodische Rockband<br />
charakterisieren, die <strong>von</strong> den FOO FIGHTERS beeinflusst<br />
ist und an frühe GET UP KIDS erinnert. Eine eigene Note<br />
und damit das Händchen für wirklich gute Songs haben die<br />
VENUE KIDS aber noch nicht heraus gebildet. Unbeholfen,<br />
weil sehr stark kopiert, wirken die energischen Momente<br />
des Albums. Noch zu unsicher klingen die poppig-ruhigen<br />
Strecken. Ich habe das Gefühl, die Band scheut die Entscheidung,<br />
in eine klare musikalische Richtung zu gehen. Man<br />
darf auf Besserung beim zweiten Album hoffen. (37:12) (5)<br />
Lauri Wessel<br />
PHIL VETTER<br />
Say Goodbye To The Moment <strong>CD</strong><br />
Substanz Records/PIAS/Rough Trade | Phil Vetter hat<br />
schon viel versucht. Punkrock hat er gespielt, er war in einer<br />
Pop-Band, hat den Soundtrack zu einer BMX-Weltmeisterschaft<br />
geschrieben, hat viele „Projekte“ am Laufen gehabt.<br />
Nun endlich hat er die Nase voll, schließt sich ein mit seiner<br />
Akustikgitarre, schreibt ein Dutzend Songs und nimmt sie<br />
schließlich auf. Herausgekommen ist sein Solodebüt „Say<br />
Goodbye To The Moment“. Vetters Musik und seine Stimme<br />
klingen reif, älter wohl als der Thirtysomething, der er ist.<br />
Eine Hommage an Leonard Cohen, Nick Drake, Neil Young,<br />
Bob Dylan und ach, all die anderen Guten. Vetter spielt eben<br />
Musik für Erwachsene. <strong>Die</strong> jugendlichen Punker kann man<br />
damit jagen, die Alten dagegen kommen gelaufen, denn sie<br />
haben das Verständnis und den Bantam-Tabak, den sie drehen,<br />
während sie zuhören. Wissend grinsen sie über Songs<br />
wie „Pimp my ride“, schließlich ist man noch so jung, dass<br />
man weiß, was MTV ist. Frischer Saft aus den trockenen<br />
Wurzeln des Rock’n’Rolls: Minimale Instrumentierung,<br />
maximale Wirkung.. (37:53) (9) Arne Koepke<br />
VERSE<br />
From Anger And Rage <strong>CD</strong><br />
rivalryredords.com | Möglicherweise liegt es daran, dass<br />
ich den nicht umzubringenden Metalcore-Hype so abgrundtief<br />
hasse, dass bei mir Bands, die sich eher an der<br />
alten Schule orientieren, <strong>von</strong> vornherein gewonnen haben.<br />
Und an der alten Schule orientieren sich VERSE, mit<br />
ihrem bereits zweiten Album, auf jeden Fall. VERSE haben<br />
sich schon die Bühne mit so wohl klingenden Namen wie<br />
CHAMPION, HAVE HEART, THE FIRST STEP und ja sogar<br />
mit den <strong>von</strong> mir überaus geschätzten INSTED geteilt. Wer<br />
jetzt noch eine Prise TEN YARD FIGHT dazugibt, der weiß<br />
im Übrigen ziemlich genau in welcher Schnittmenge sich<br />
VERSE bewegen. Track für Track durchaus melodischer sXe-<br />
Oldschool, ohne besondere Schnörkel, also so wie Man(n)/<br />
Frau das eigentlich hören will. Gegen Ende des Albums<br />
kommt mit „Lost“ dann aber doch eine eher nervige Midtempo-Nummer,<br />
die das eine oder andere Gähnen aufkommen<br />
lässt. Überhaupt, ein bisschen weniger Pathos da und<br />
dort, wäre vielleicht mehr gewesen. <strong>Die</strong> musikalisch durchaus<br />
vergleichbaren THE FIRST STEP machen das auf ihrem<br />
letzten Album „What We Know“ vielleicht noch eine Spur<br />
besser. Trotzdem, „From Anger And Rage“ ist eine wirklich<br />
solide Platte, da gibt es wirklich nichts zu meckern. (25:01)<br />
(7) Robert Buchmann<br />
VOICE<br />
Album Plus <strong>CD</strong><br />
DSS /Cargo | Nachdem kürzlich auf DSS erst eine Art Retrospektive<br />
der Band mit dem Titel „Complete 1983-1989“<br />
erschien, gibt es nun erstmals wieder neues Material der<br />
Berliner THE VOICE. Logische Veränderung gegenüber den<br />
alten Sachen ist natürlich die Tatsache, dass die Jungs mittlerweile<br />
natürlich einfach besser spielen können und die<br />
Produktion auch um Längen professioneller klingt. Stilistisch<br />
reden wir hier <strong>von</strong> melodischem 80s-Streetpunk im<br />
englischen Stil. Ich werfe jetzt einfach mal den Namen THE<br />
CRACK in den Raum, das war so eine unmittelbare Assoziation.<br />
Neben den neuen Songs, <strong>von</strong> denen bei mir am<br />
meisten „Three chords“ und „Renee Renee“ hängen geblieben<br />
sind, gibt es auch die ein oder andere Coverversion.<br />
„Yesterday’s heroes“ liegt ja noch nahe. Aber wie kommt<br />
man bitte auf die Idee „Let me entertain you“ <strong>von</strong> Robbie<br />
Williams zu covern? Okay, für die ausgefallene Idee gibt es<br />
auf jeden Fall 10 Gummi-Punkte, aber ich glaube, ich mag<br />
das Lied einfach nicht. (27:49) (7) Claudia Luck<br />
VOLT<br />
Rörhät <strong>CD</strong><br />
Exile On Mainstream/Southern | Es ist vollbracht: VOLT<br />
haben ihren ersten Longplayer am Start und dieser ist eine<br />
Standortbestimmung in Sachen Noiserock. Einerseits Oldschool<br />
as hell, andererseits zeitlos frisch präsentiert sich<br />
das Chemnitzer Trio auf dem neun Stücke fassenden Werk<br />
„Rörhät“ – der Titel deutet auf ihre frühere, acht Jahre währende<br />
Schaffensperiode hin, die sie unter dem Namen RO-<br />
ERHEDDS bestritten. Berührungspunkte zu dieser sind nach<br />
wie vor gegeben: Seinerzeit veröffentlichte man bereits eine<br />
komplette Scheibe auf bluNoise, und auch „Rörhät“ entstand<br />
wieder im Studio <strong>von</strong> Guido Lucas, den man getrost<br />
als deutsches Pendant zu Steve Albini betrachten kann. Und<br />
weil dieser sein Handwerk versteht und die Band schon<br />
seit Anbeginn kennt, musste zwangsläufig eine präzise und<br />
klanggewaltige Aufnahme folgen. Und VOLT setzen da an,<br />
wo die ROERHEDDS seinerzeit aufhörten, und wo die MEL-<br />
VINS vor mehr als zehn Jahren zusammen mit Bands wie<br />
UNSANE oder JESUS LIZZARD brachial den Weg bahnten.<br />
Ihr Sound klingt so erfrischend, als ob das legendäre Amphetamine<br />
Reptile-Label nie seine Pforten geschlossen hätte.<br />
Verschachtelter Rhythmus, wütender Gesang und präzise<br />
Bassläufe liefern sich ein Stelldichein und zeugen <strong>von</strong> einer<br />
hierzulande einzigartigen Musikalität, die diese Herren<br />
an den Tag legen. Und nachdem dies vor allem live bleibende<br />
Eindrücke hinterließ, hat man nun auch die Chance, sich<br />
den brachialen VOLT-Brecher zu Hause zu gönnen. (36:36)<br />
(10) Frank Nice<br />
VCR<br />
Power Destiny <strong>CD</strong><br />
Side One Dummy | <strong>Die</strong> Einstands-EP des für Richmond<br />
recht untypischen Quintetts mit drei Keyboards und Rhythmussektion<br />
fand reichlich Beachtung, da VCR eben ein Unikum<br />
sind. Das Full-Length-Debüt „Power Destiny“ bietet<br />
nun bedrohliches Nintendo-Gepiepse und Synthies bis<br />
zum Abwinken und liegt damit irgendwo zwischen innovativ<br />
und leicht nervtötend. Handwerklich zwar über jegliche<br />
Kritik erhaben, stilistisch allerdings eine Geschmackssache.<br />
Vielleicht hätten es zwei Keyboards auch getan, denn<br />
bei dreien werden meine Umrisse zusehends eckiger und<br />
ich fühle mich wie Super Mario auf der Suche nach Luigi.<br />
Wer absolut in Synthies vernarrt ist, wird das Album lieben,<br />
vielen wird es aber wohl zu freakig sein. (38:23) (6)<br />
<strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
NICKY WIRE<br />
I Killed The Zeitgeist <strong>CD</strong>/LP<br />
Red Ink/Rough Trade | Bei Soloalben stellt<br />
sich oft die Frage nach der Bedeutsamkeit<br />
und dem Warum. Bei Tim Barry <strong>von</strong> AVAIL<br />
überraschten mich auf „Laurel St. Demo<br />
W<br />
2005“ noch die klassischen Folk-, Country-<br />
und Rockelemente. Bei Nicky Wire,<br />
dem Bassisten der MANIC STREET PREACHERS, war ich<br />
gespannt, schließlich klingt der Albumtitel „I Killed The<br />
Zeitgeist“ sehr anspruchsvoll. Während einer zweijährigen<br />
<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 089<br />
060-091<strong>Ox</strong>68.indd 89 22.09.2006 20:53:53 Uhr
MSP-Auszeit entstanden, spielt Nicky Wire auf „I Killed The<br />
Zeitgeist“ (wie auf einem Soloalbum eigentlich auch üblich)<br />
jedes Instrument selbst, bis auf das Schlagzeug, welches<br />
<strong>von</strong> Koproduzent Greg Haver übernommen wurde.<br />
Um Missverständnissen vorzubeugen, das ist alles klasse gespielte<br />
Musik, erstklassig arrangiert und produziert, aber es<br />
fehlt mir das Aha-Erlebnis. Songs wie „You will always be<br />
my home“ haben zwar Ohrwurmqualitäten aber die meisten<br />
der 13 Titel plätschern dennoch irgendwo zwischen<br />
Songwriter-Melancholie, Pop und MSP-Punk vor sich hin,<br />
ohne dass ein Stück, ein Riff oder ein Refrain hängen bleibt.<br />
Sorry, aber mit „I Killed The Zeitgeist“ werde ich nicht richtig<br />
warm. (41:53) (6) Kay Wedel<br />
CHUCK E. WEISS<br />
23rd & Stout <strong>CD</strong><br />
Cooking Vinyl | Wer zur Hölle ist Chuck E. Weiss? Ich habe<br />
keine Ahnung, aber eines weiß ich, der Typ ist verdammt<br />
cool. Als erstes drängt sich der Vergleich mit Tom Waits auf,<br />
wenngleich mehr Blues die entscheidende Rolle spielt, als<br />
bei jenem, wo der Jazz seine Spuren nie zu leugnen versuchte.<br />
Songs wie „Novade Nada“ gehen mir wie eine Gänsehaut<br />
über den Rücken und lassen mich ernsthaft darüber nachdenken,<br />
ob es neben Whisky und Rum auch mal nach Jahren<br />
wieder ein Tequila sein sollte, den ich mir schmecken<br />
lasse? Neben schmutzigem Swamp Blues darf man sich auch<br />
an Bee Bop, Boogie Woogie und hin und wieder Swing erfreuen.<br />
„Another drunken sailor song“ sagt genau das aus,<br />
was den Song ausmacht, den hätte auch Sinatra nicht besser<br />
bringen können. Der ist doch gar kein Seemann? Na und,<br />
ist ja auch kein Seemannslied. Ein Album ,um den Tag zu beginnen,<br />
und definitiv ebenso, um ihn ausklingen zu lassen.<br />
(42:17) (9) Claus Wittwer<br />
WILLIAM ELLIOT WHITMORE<br />
& JENNY HOYSTON<br />
Hallways Of Always <strong>CD</strong><br />
Southern/Soulfood | W. E. Whitmore mit weiblicher Unterstützung<br />
und entsprechend gibt es ausschließlich Duette.<br />
Der Blues tritt hier mehr in den Hintergrund, zugunsten<br />
<strong>von</strong> Südstaaten-Songwriting und Alt-Country. Wer dabei<br />
auf die Idee gekommen ist, im Info Vergleiche zu Cash<br />
& Carter oder Rogers & Parton zusammenzubasteln, dem sei<br />
wie so oft bescheinigt, Stuss zu verzapfen. <strong>Die</strong> beiden Stimmen<br />
harmonieren gut miteinander, wenngleich Whitmore<br />
wesentlich mehr Ausdruckskraft rüberbringt. Herausgekommen<br />
sind ein sehr starker Song wie „You’ve ALREA-<br />
DY GONE“, zwei weiterere guterStücke, aber leider auch<br />
zwei Schwachstellen, wie „Feast of a thousand beasts“ oder<br />
„We MISS YOU“. Mit dem Titelsong als letzter Nummer beschließt<br />
man das Album mit einem sehr meditativen Instrumentalstück.<br />
(27:00) (6) Claus Wittwer<br />
WALLS OF JERICHO<br />
With Devils Amongst Us All <strong>CD</strong><br />
Roadrunner | Schon wieder sind zwei Jahre ins Land gezogen,<br />
seit die Ausnahme Hardcore-Band WOJ mit „All Hail<br />
The Dead“ auch die letzten Zweifel und die Frage nach der<br />
Berechtigung <strong>von</strong> Frauen im Hardcore endgültig und eindrucksvoll<br />
musikalisch und textlich hinweg fegte. Nicht<br />
dass ich persönlich daran gezweifelt hätte, aber wenn man<br />
sich auf Konzerten mal mit anderen unterhielt, war diese<br />
Band beziehungsweise Shouterin Candace immer ein<br />
Stein des Anstoßes. Wie schön, dass man im aktuellen Jahr<br />
mit „With Devils Amongst Us All“ den erreichten Respekt<br />
und das Niveau noch mal deutlich anheben kann. Durch das<br />
viele Touren ist die Band im Zusammenspiel und vor allem<br />
menschlich weiter gereift, und der neue Drummer Dustin<br />
Schoenhofer fügt sich nahtlos in das Bandkonzept ein. All<br />
das spiegelt sich in den nicht mehr ganz so düsteren Texten<br />
wieder, und je öfter man sich das Album zu Gemüte<br />
führt, desto mehr fühlt man sich selbst zugehörig und beginnt,<br />
die Entwicklung der letzten Jahre nachzuvollziehen.<br />
Der hohe Thrash-Anteil in den Songs ist markant und das<br />
Tempo wie immer recht hoch. Einen Gassenhauer wie „All<br />
hail the dead“ lässt der aktuelle Release zwar vermissen, dafür<br />
läuft die Platte in sich aber runder ab und das konstant<br />
hohe Niveau macht es schwer einen einzelnen Anspieltip<br />
zu geben. Auffällig ist der insgesamt deutlich höhere Singalong-Anteil<br />
der Songs und natürlich die erste Ballade der<br />
Bandgeschichte. Eindrucksvoll beweist Candace in „No saving<br />
me“, dass sie wirklich singen kann, und intoniert sehr<br />
persönliche Zeilen. Natürlich wird das auch wieder für Gesprächsstoff<br />
sorgen. Ich persönlich finde den Song großartig<br />
und denke, dass ich mit dieser Meinung nicht alleine dastehe.<br />
(35:03) (9) Tobias Ernst<br />
WOLFMEN<br />
Jackie Says 10“<br />
damagedgoods.co.uk/Cargo | Wem sagen die Namen Marco<br />
Pirroni und Chris Constantinou noch was? Na ...? Exakt,<br />
beide waren einst Weggefährten <strong>von</strong> Adam Ant in der<br />
zweiten Auflage der ANTS ab 1980, und Pirroni, der einst<br />
auch mit SIOUXSIE & THE BANSHEES und später mit Sinead<br />
O’Connor auf der Bühne stand, machte sich dann im<br />
Laufe des letzten Jahres mit den WOLFMEN wieder einen<br />
Namen, sie schafften es, ihre Musik in Werbeclips etwa <strong>von</strong><br />
Heineken unterzubringen – toll ... Mit dieser 4-Song-10“<br />
haben sie jetzt ein erstes Release raus, und es würde mich<br />
wundern, wenn man <strong>von</strong> denen nicht bald noch viel mehr<br />
hört. Ihr Sound, teils mit Handclaps und Mundharmonika<br />
abgewürzt, ist eine stimmige Mischung aus Garage, Glam<br />
und Pop, irgendwie deutlich in der Vergangenheit wurzelnd,<br />
aber auch nah dran an den ganzen jungen, hippen Bands –<br />
und ihr Cover des frühen Brian Eno-Songs „Needle in the<br />
camel’s eye“ ist ein unwiderstehlicher, groovender, mitreißender<br />
Hit. Verehrer britischen Pops sollten hier auf jeden<br />
Fall mal ein Ohr riskieren. (8) Joachim Hiller<br />
090 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />
WORLD/INFERNO<br />
FRIENDSHIP SOCIETY<br />
Red-Eyed Soul <strong>CD</strong><br />
tcwtga.org | Zusammen mit Don Fury, dem legendären<br />
Produzenten aller wichtiger NYHC-Platten der Achtziger,<br />
waren die aus Brooklyn stammenden Polit-Folk-<br />
Punks diesmal im Studio<br />
und haben mit „Red-<br />
Eyed Soul“ (Soll der Titel<br />
etwas als Selbstbeschreibung<br />
der als notorische<br />
Party-Tiere bekannten<br />
Big-Band zu verstehen<br />
sein ...?) ihr bis dato ausgereiftestes<br />
Album eingespielt.<br />
Grundsätzliche<br />
Änderungen sind nicht<br />
zu konstatieren, das Fundament<br />
der bunten Truppe,<br />
die auf korrektes Bühnenoutfit<br />
Wert legt, ist immer noch polkalastiger Punkrock<br />
mit Einflüssen, die vom Balkan über Irland bis zur Karibik<br />
reichen, opulent in Szene gesetzt mit diversen Blas- und<br />
Saiteninstrumenten. Mag der sympathisch-großmäulige<br />
Mr. Hütz <strong>von</strong> GOGOL BORDELLO sie auch als Fakes dissen,<br />
mir geht seine Meinung in dieser Hinsicht völlig am Arsch<br />
vorbei, denn TW/IFS sind nicht nur auf Platte, sondern gerade<br />
live immer wieder eine sichere Bank, ein mitreißender<br />
Haufen, eine unwiderstehliche Partymaschine, die weder<br />
brav noch jugendfrei ist, die vor keinem „Fuck!“ in den ansonsten<br />
durchaus lyrischen Texten zurückschreckt, die keine<br />
Zweifel an ihrer linken Einstellung lässt – und statt Gift<br />
und Galle lieber etwas Feuer spuckt. Irgendwer hat sie mal<br />
als die US-Antwort auf CHUMBAWAMBA bezeichnet, und<br />
das gilt heute eigentlich immer noch. Wer sie bisher liebte,<br />
wird auch „Red-Eyed Soul“ mögen, und wer sie noch nicht<br />
kennt, sollte sich direkt vom Opener und Hit „Brother of<br />
the Mayor of Bridgewater“ mitreißen lassen. (45:48) (8)<br />
Joachim Hiller<br />
WEDNESDAY 13<br />
Fang Bang <strong>CD</strong><br />
Ryko Disk/Rough Trade | Rechzeitig zu Halloween ist<br />
Schock-Rocker Wednesday 13 zurück, um seine Horror-Gemeinde<br />
mit neuem Gruselstoff zu versorgen. Der Ex-FRAN-<br />
KENSTEIN DRAG QUEENS- und MURDERDOLLS-Frontman<br />
konnte ja bereits mit seinem letzten Album „Transylvania<br />
90210“ die Fans überzeugen und seinen bisher besten<br />
Output vorlegen, doch was der Rastakopf auf „Fang Bang“<br />
vorlegt, ist qualitativ noch mal eine Nummer stärker. „Morgue<br />
than words“ entpuppt sich als Schnodder-Punk Kracher<br />
erster Kajüte, „American werewolves in London“ als<br />
ein echter Ohrwurm und „Haddonfield“ überrascht als die<br />
beste Hommage an Michael Myers, die je geschrieben wurde.<br />
Und diese drei Titel sind nur die Speespitze eines konstant<br />
starken Albums, welches Hit an Hit und Mitgröler an<br />
Mitgröler reiht. Dazu kommt die lustige Angewohnheit des<br />
Herrn Dreizehn, normale Worte oder Sätze so zu verändern,<br />
dass sie in seinen typischen Horror-Kontext passen,<br />
wie zum Beispiel „Happily ever cadaver“ oder „Till death do<br />
us party“ oder das bereits erwähnte „Morgue than words“.<br />
Ganz großes Kino! Einziger Wermutstropfen: Wie immer<br />
agiert der gute Mittwoch stimmlich recht eindimensional.<br />
Vergleiche mit Alice Cooper sind zwar nicht <strong>von</strong> der Hand<br />
zu weisen, aber der Altmeister setzt sein Organ vergleichsweise<br />
variabel ein. Da kann sich W13 noch eine Scheibe abschneiden.<br />
Ansonsten aber gehört „Fang Band“ definitiv zu<br />
den Highlights des Jahres 2006 und sollte sowohl Horror-<br />
Punks, als auch Sleaze-Metaller und Rock’n’Roller begeistern.<br />
(9) Thorsten Wilms<br />
WHIRLWIND HEAT<br />
Types Of Wood <strong>CD</strong><br />
brillerecords.com/EMI | WHIRLWIND HEAT gelingt aus<br />
einer unscheinbaren Kombination <strong>von</strong> Moog, Bass und<br />
Schlagzeug eine eigenständige Version <strong>von</strong> Indierock, die<br />
aber nicht eigenständig genug ist, um hängen zu bleiben,<br />
auch nach mehreren Hördurchläufen nicht. Dabei hätte ihr<br />
sehr basslastiger Sound, der unüberhörbar <strong>von</strong> den PIXIES<br />
geprägt ist, durchaus Hitpotenzial. Nicht umsonst wurden<br />
WHIRLWIND HEAT für ihre Vorgängeralben bereits <strong>von</strong><br />
Jack White gesignt und <strong>von</strong> Brendan Benson produziert –<br />
vielleicht waren diese Alben ja auch wesentlich besser als<br />
dieses etwas langweilige Werk, das trotz zwei, drei richtig<br />
guter Songs einfach immer noch zu viele mittelmäßige hat.<br />
Denn es läuft einfach durch ohne groß zu stören, und gerade<br />
so etwas stört mich eigentlich am meisten. (40:47) (4)<br />
Chris Wilpert<br />
WITHIN Y<br />
Portraying Dead Dreams <strong>CD</strong><br />
Gain/Cargo | Mal wieder neues Futter für alle Liebhaber<br />
schwedischen Death Metals. Zugegeben hängt mir diese<br />
Musikgattung langsam zu den Ohren raus, da mein Trommelfell<br />
über die Jahre zu sehr mit melodieorientiertem<br />
Nordlicht-Metal malträtiert wurde. Trotzdem muss man<br />
eingestehen, dass die werten Herrschaften ihre Instrumente<br />
beherrschen und das auch auf ihrem zweiten Longplayer<br />
unterstreichen können. Ähnlich wie IN FLAMES und Co.<br />
setzt man auf eine moderne Note im metallisch, sterilen<br />
Gesamtsound, was allerdings wie bei so vielen ähnlich gearteten<br />
Bands nicht ausreicht um sich vom Gros der Masse<br />
abzuheben. Für mehr als einen kleinen Achtungskopfnicker<br />
meinerseits reicht es leider nicht aus. Uwe Kubassa<br />
WESTBOUND TRAIN<br />
Transitions <strong>CD</strong><br />
hell-cat.com | Darüber muss ich nicht viele Worte verlieren:<br />
WESTBOUND TRAIN sind die musikalische Fusi-<br />
on <strong>von</strong> ADJUSTERS, AGGROLITES, HEPCAT, PIETASTERS<br />
und SLACKERS. Bei diesen Namen werden die meisten Augen<br />
der Ska- und Reggae-Posse leuchten. Fehlte bisher das<br />
passende Bindeglied zwischen „Dirty Reggae“, postmodernem<br />
Reggae, soulig-rockigem Off-Beat und jazzy-swingendem<br />
Ska, hat jetzt Hellcat mit WESTBOUND TRAIN diese<br />
musikalische Lücke gefüllt. Trotz der großartigen Musiker<br />
fehlt mir etwas das Eigenleben der Band. Bei WESTBOUND<br />
TRAIN sind mir oftmals die „Vorbilder“ zu sehr im Vordergrund<br />
in den Arrangements, so dass mir ein Stück weit der<br />
eigene Charakter der Band fehlt. Aber ansonsten ist „Transitions“<br />
definitiv ein Highlight in der derzeitigen authentischen<br />
Reggae- und Ska-Szene. (62:03) (8) Simon Brunner<br />
XIU XIU<br />
The Air Force LP/<strong>CD</strong><br />
5rc.com/Cargo | Im Interview hat James Stewart<br />
– der XIU XIU fast alleine ausmacht – das<br />
fröhlichste und homogenste XIU XIU-Album<br />
versprochen, doch grundsätzlich erscheinen die<br />
X<br />
Unterschiede zum Vorgänger „La Forêt“ marginal.<br />
<strong>Die</strong> Songs sind fragil und fragmentarisch wie<br />
schon auf den vier Alben davor. Produziert hat Greg Saunier<br />
<strong>von</strong> DEERHOOF, und er hat auch als drittes „Bandmitglied“<br />
zahlreiche Instrumente eingespielt. Wie immer werden die<br />
Songs <strong>von</strong> Stewarts exaltiertem, zerfahrenem Gesang getragen<br />
– mit Ausnahme der Stücke natürlich, bei denen Caralee<br />
McElroys ihre wunderbare Stimme beisteuert –, wie immer<br />
sind sie düster und wavig. Neben zahlreichen, perkussiven<br />
Elementen halten auch immer noch verqueres Gitarrenspiel,<br />
Synthie-Beats und -Fieps, Akkordeon, Flöte, Piano<br />
und immer noch genug störende Noisefacetten, wenn nicht<br />
gar -eskapaden Einzug zur Vervollständigung des Klangbildes.<br />
Immer noch handeln die Texte <strong>von</strong> Verlust und Verzweiflung,<br />
Tod und Schmerz. „When we see the hate in your<br />
eyes / It doesn’t make us better men (...) Should you be ashamed<br />
for more than that / Than that your daddy raped you<br />
silly“ heißt es beispielsweise in „Bishop, CA“. Den militärischen<br />
Bezug auf den Titel sucht man in den Songs vergebens,<br />
stattdessen wird in vielen Stücken auch ein deutlicher Bezug<br />
auf Religiosität sichtbar, ohne jedoch direkt die christliche<br />
Heuchelei anzuprangern. Stattdessen wird Gott wie in<br />
Gebeten angesprochen, freilich mit eigentümlichen Inhalten,<br />
und das Cover ziert eine unkommentierte christliche<br />
Ikone des leidenden Jesus – ob das mit dem Titel gemeint<br />
ist? (34:44) (9) Chris Wilpert<br />
XXX MANIAK<br />
Harvesting The Cunt Nectar <strong>CD</strong><br />
selfmadegod.com | Ihr zwei Kerle <strong>von</strong> XXX MANIAK,<br />
merkt euch folgendes: Abgeschlachtete Frauen auf dem<br />
Cover waren schon bei CANNIBAL CORPSE scheiße. Euer<br />
Bandname, der Platten- als auch Songtitel wie „If I dismember<br />
your cunt, are you still a virgin?“ oder „The moment<br />
you start to enjoy it, it’ll get worse“ sowie eure Mord-<br />
und Vergewaltigungsphantasien sind nicht cool, sondern<br />
scheiße. Und euer öder Drumcomputer-Grindcore kann<br />
sich nicht mal ansatzweise mit dem <strong>von</strong> AGORAPHOBIC<br />
NOSEBLEED messen. Ergo: Ihr seid weder witzig, noch provokant,<br />
sondern einfach nur scheiße! (1) André Bohnensack<br />
JAMES YORKSTON<br />
The Year Of The Leopard <strong>CD</strong><br />
Domino/Rough Trade | <strong>Die</strong> große Kunst der<br />
Zurückhaltung zelebriert der Schotte JAMES<br />
YORKSTON auch auf seinem dritten Album.<br />
Auch die flotten Stücke fügen sich nahtlos in<br />
y<br />
die ruhige Gesamtatmosphäre des Albums ein.<br />
<strong>Die</strong>se verdankt es nicht zuletzt auch Paul Webb<br />
(RUSTIN MAN) und Phill Brown, die bereits seit TALK<br />
TALK-Zeiten zusammenarbeiten und jetzt „The Year Of The<br />
Leopard“ in einen warmen Sound aus allen möglichen, vorwiegend<br />
akustischen, Instrumenten packen, wobei vor allem<br />
die Harmonium-Harmonien den Liedern eine manchmal<br />
hypnotische Ruhe verleihen. Es sind wahrscheinlich<br />
alle Einzelkomponenten – das Songwriting, die Einflüsse aus<br />
Pop, Country oder Folk, eben die Produktion und Yorkstons<br />
behutsamer Vortrag –, die aus dem Album so eine erwachsene,<br />
schimmernd schöne Platte machen. Gerade das Finale<br />
„Us late travellers“ sorgt für einen betörend schönen, finalen<br />
Glanzpunkt. Ein Album, so angenehm wie ein offener<br />
Kamin im Winter. (42:10) (9) Christian Maiwald<br />
YOU ME AND THE ATOM BOMB<br />
Shake Up <strong>CD</strong><br />
Household Name | Seit 2004 gibt es das Trio aus Portsmouth<br />
erst, und nach einem Demo und einer Split hat man<br />
schon einen Vertrag mit Household Name aus London, nicht<br />
schlecht. Als Außenstehender mag man denken, dass die<br />
Band mit dem richtigen Bein aufgestanden ist und wer sich<br />
eine Kombination <strong>von</strong> AVAIL zu „Dixie“-Zeiten mit britischer<br />
Ungeschliffenheit wünscht, der wird hier fündig, da<br />
YOU ME AND THE ATOM BOMB eben sehr krachig zu Werke<br />
gehen und sich auch nicht in Versuchung führen lassen,<br />
ihren Sound mit nervigem Singsang zu ruinieren. Sie stellen<br />
lieber die rauhe Stimme <strong>von</strong> Tim Greaves, der auch schon<br />
bei SHARKS VS. JETS spielte, in den Vordergrund und ergänzen<br />
diese mit temporeichem Drumming und markantem<br />
Bass. Definitiv schön kauzig und sehr mitreißend. (44:14)<br />
(7) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
YOU SAY PARTY! WE SAY DIE!<br />
Hit The Floor! <strong>CD</strong><br />
Sound Document /Cargo | Der Bandname kann schon mal<br />
alles. Und das Debüt <strong>von</strong> YOU SAY PARTY! WE SAY DIE!<br />
auch, denn „Hit The Floor“ strotzt vor Energie, rockt derbe,<br />
klingt vertraut und ist dabei doch anders und vor allem<br />
so gut. Aber eins nach dem anderen. Zwei Mädchen (eine<br />
da<strong>von</strong> singt) und drei Jungs (die hört man im Background<br />
grölen) sind YSP!WSD!. <strong>Die</strong>se noch recht junge Truppe<br />
kommt aus dem kanadischen Vancouver und dürfte einigen<br />
bereits ein Begriff sein. Zum einen ist „Hit The Floor!“<br />
schon vergangenes Jahr erschienen und es wird da draußen<br />
sicherlich ein paar glückliche Leute geben, die das Teil auf<br />
dem Importweg bekommen haben. Zum anderen spielten<br />
YSP!WSD! dieses Jahr immer mal wieder in unserer Republik<br />
Shows. Anfang September folgte dann sogar ein recht<br />
spontan angekündigtes Konzert in Berlin. Wer das verpasst<br />
hat, braucht sich jetzt nicht direkt in den Arsch zu beißen,<br />
denn ich würde Einiges darauf wetten, dass YSP!WSD! eine<br />
der Bands für 2007 sind – mit etwas Glück wird dann auch<br />
schon das nächste Album fertig sein. Ansonsten ist die Platte<br />
ein Pflichtkauf für alle, die das erste PRETTY GIRLS MAKE<br />
GRAVES-Werk schätzen oder die es interessiert, wie THE<br />
ARCADE FIRE als Punkband klingen könnten. Auch für diejenigen<br />
<strong>von</strong> Bedeutung, die vor kurzem erst die brasilianischen<br />
CSS kennen und lieben gelernt haben. YOU SAY PAR-<br />
TY! WE SAY DIE! – den Namen kann man sich auch ruhig<br />
mal tätowieren lassen. (44:58) (9) Manuel Möglich<br />
YAKUZI<br />
One To All! <strong>CD</strong><br />
rookie-records.com | Erschien das letzte Album „Blow<br />
Jobs“ der sechs Pforzheimer noch in Eigenregie, haben sie<br />
es jetzt verdientermaßen zu einem Plattendeal mit Rookie<br />
Records gebracht. Glückwunsch!<br />
Musikalisch hat<br />
sich nicht so wirklich viel<br />
getan, es gibt ordentlichen<br />
Punkrock mit Trompete,<br />
der eher dem Melodycore<br />
als dem Ska zuneigt. Es ist<br />
also eher Pogo als Schunkeln<br />
angesagt, und auch<br />
die bei deutschen Ska-<br />
Punkbands sonst so übliche<br />
Albernheit geht YAK-<br />
UZI glücklicherweise völlig<br />
ab. Will man mit Vergleichen<br />
kommen, fallen mir als allererstes, gerade ob der<br />
Stimmung in den Liedern, HOWARDS ALIAS ein, bei den<br />
ragtimigen Songs aber auch die MAD CADDIES. Und bei<br />
einigen der etwas schnelleren und härteren Stücke kommen<br />
unmittelbar Erinnerung an die Trompetenausflüge<br />
<strong>von</strong> NOFX hervor, auch noch unterstrichen durch die rotzige<br />
Stimme des Sängers. Eine schöne Platte, die es verdient,<br />
mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. (41:27) (7)<br />
Jan Eckhoff<br />
ZOX<br />
The Wait <strong>CD</strong><br />
Side One Dummy | Schon der Song auf der Warped-Tour-Compilation<br />
war viel versprechend,<br />
aber auf dem aktuellen Longplayer „The Wait“,<br />
schaffen ZOX es wirklich, eine gelungene Stilmi-<br />
Z<br />
schung aus SUBLIME, JACK JOHNSON und THE<br />
POLICE zu fabrizieren. „The Wait“ ist ein Album,<br />
welches fesselt und Reggae-Strukturen mit Violine verbindet,<br />
ohne dabei den gefürchteten Schiffbruch zu erleiden.<br />
Mit „Thirsty“ gelingt es dem Quartett in die Fußtapfen <strong>von</strong><br />
SUBLIME zu treten und diese ohne Probleme auszufüllen.<br />
Jedoch gibt man sich damit nicht zufrieden, man fordert<br />
mehr künstlerische Freiheit, möchte nicht mit Epigonentum<br />
Geschichte machen und teilt sich mit den Labelmates<br />
MAXEEN auch das Faible für die achtziger Jahre. <strong>Die</strong> Violine<br />
sorgt auch noch für keltische Akzente und macht „Fallen“<br />
zu einem Song in dEUS-Manier. <strong>Die</strong> Texte sind poetisch, die<br />
Lieder absolut phantastisch und es würde mich wundern,<br />
wenn ZOX nicht in kürzester Zeit in aller Munde wären. „A<br />
little more time“ ist <strong>von</strong> einem so ungewöhnlichen Gitarrenspiel<br />
geprägt, dass man nicht aufhören kann, der Melodie<br />
und dem Reggae-Rhythmus zu folgen. Kurz gesagt, der<br />
Kauf <strong>von</strong> „The Wait“ lohnt sich, um nicht zu sagen, er ist für<br />
Genrefreunde geradezu zwingend. Für mich definitiv das<br />
Album des Sommers in diesem Kontext, auch wenn es einige<br />
sehr seichte Momente hat. ZOX spielen aber mit Leib und<br />
Seele, haben fünf absolute Hits auf dem Album und noch<br />
Potenzial für viel mehr. (51:45) (8) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />
ZANN<br />
Three Years In The Desert <strong>CD</strong><br />
vendettarecords.de | An einem Tag wie heute, der geprägt<br />
ist <strong>von</strong> tiefster menschlicher Enttäuschung und Traurigkeit,<br />
kommen mir ZANN aus Leipzig gerade recht, obwohl keine<br />
Musik negativ genug sein kann, um meine Stimmung zu<br />
treffen ... Es gab eine kurze Zeit, in der Bands die irgendwo<br />
zwischen NEUROSIS und ISIS pendeln, Paincore genannt<br />
wurden und das würde auch ZANN absolut gerecht<br />
werden. ZANN haben mit „Three Years In The Desert“ ein<br />
sehr eigenständiges Album abgeliefert, welches nur entfernt<br />
nach obigen Bands klingt, aber vom transportierten Gefühl<br />
durchaus ähnlich ist. Noisige, ellenlange Songs mit schweren<br />
metallischen Riffs treffen auf Tribaldrumming, deutsche<br />
Texte und kurze Samples. Vergleichbar wären sicher auch<br />
noch URANUS oder COALESCE, wobei ZANN aber schon<br />
ihr eigenes Ding durchziehen. <strong>CD</strong> kommt in sehr schönem<br />
Digipak. Hut ab. (26:55) (8) Dr. Oliver Fröhlich<br />
Chefcassette<br />
Auch diesmal gibt's wieder mein persönliches<br />
Mix-Tape mit den subjektiv besten in dieser<br />
Ausgabe besprochenen Platten.<br />
Für 3,00 Euro in Briefmarken (am Besten drei à<br />
1,00 Euro) könnt ihr euch das Teil bestellen bei:<br />
<strong>Ox</strong>-Fanzine, „Chefcassette“,<br />
Postfach 102225, 42766 Haan. Joachim<br />
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