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Die Ox-CD 69 ¡ ReReleas - Webseite von Thomas Neumann

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DIE ABKÜRZUNGEN:<br />

LP = LP, 7” = Single, <strong>CD</strong> = <strong>CD</strong>, M<strong>CD</strong> = <strong>CD</strong>-Maxisingle,<br />

2LP = Doppel-LP, 2<strong>CD</strong> = Doppel-<strong>CD</strong><br />

DIE BEWERTUNGSSKALA:<br />

10 Unfassbar gut – eine „Platte des Jahres“<br />

9 Außergewöhnlich gut<br />

8 Rundum gut<br />

7 Gut mit kleinen Schwächen<br />

6 Okay. Ohne Höhen und Tiefen<br />

5 Einfach durchschnittlich<br />

4 Kann man gerade noch durchgehen lassen<br />

3 Rumdum schwach<br />

2 Wirklich schlecht<br />

1 Schrott der allerübelsten Sorte<br />

¡ Alben 60<br />

¡ Playlists 61<br />

¡ Leser- & Verkaufscharts 61<br />

¡ Top Of The <strong>Ox</strong> 63<br />

¡ Singles 64<br />

¡ <strong>Die</strong> <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> <strong>69</strong><br />

¡ <strong>ReReleas</strong>es 70<br />

¡ Sampler & Compilations 78<br />

¡ DVDs 82<br />

¡ Demos 88<br />

2ND DISTRICT<br />

Emotional Suicide <strong>CD</strong><br />

People Like You/SPV | Seit gefühlten 30 Jahren Bochums<br />

Vorzeigepunkrockband und nach dem Weggang <strong>von</strong> Haupt-<br />

Songschreiber Pascal Briggs letztendlich doch <strong>von</strong> DISTRICT<br />

in 2ND DISTRICT umbenannt, krallt sich das bis auf Sänger<br />

Marc Ader neu formierte Quartett noch immer an die Planken<br />

des „großen“ Namens, verändert ihn zaghaft, um auf die<br />

neue Belegschaft hinzuweisen und den Rezensenten den<br />

vorgefertigten Verriss des Albums leicht zu machen. Denn,<br />

unter uns, wer glaubt unter diesen Voraussetzungen noch an<br />

ein gutes Album? Aber, wie so oft, müssen auch in diesem<br />

Fall voreilige Schlüsse neu überdacht, <strong>von</strong> allen Seiten betrachtet<br />

und dann doch revidiert werden. Denn nach dem<br />

hervorragenden „Don’t Mess With The Hard Punx“-Langspieldebüt,<br />

beweisen Marc (als letztes verbliebenes Gründungsmitglied),<br />

Flo und Tobbe <strong>von</strong> den REVOLVERS(!) und<br />

Nique <strong>von</strong> den RULES, dass sie es sicherlich auch können,<br />

wenngleich „Emotional Suicide“ noch nicht an die Qualität<br />

des Vorgängers heranreichen mag. Auch könnte die Tatsache,<br />

mehr als einen Coversong mit aufs Album genommen<br />

zu haben, für noch mangelnden Ideenreichtum sprechen,<br />

und vielleicht hätte man sich noch etwas Zeit lassen sollen,<br />

aber vielleicht liege ich auch falsch. Denn „Emotional Suicide“<br />

ist ein verdammt gutes Streetpop-Punk-Album, besser<br />

als ein Großteil des ewig gleichförmigen, zumeist gegrölten<br />

Rest der Straße, und hat allein durch Aders wirklich einzigartige<br />

Stimme schon seinen Wiedererkennungwert. Und<br />

überhaupt – lass die Vier erstmal machen. Da geht noch einiges.<br />

Ich freu mich! (35:36) (7) tom van laak<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

5 BUGS<br />

Tomorrow I’ll Play God <strong>CD</strong><br />

rockhit.de/Alive | Dass Melodycore alles andere als tot ist,<br />

beweisen die Berliner 5 BUGS mit ihrem zweiten Album.<br />

<strong>Die</strong> Band hat sich mit „Tomorrow I’ll Play God“ zwei Jahre<br />

Zeit gelassen und alle Register gezogen – die elf Stücke beinhalten<br />

vieles <strong>von</strong> dem, was man sich <strong>von</strong> so manch anderer<br />

Melodycore-Band wünscht. Zwei eingesetzte Gitarren<br />

entwickeln ein Wechselspiel aus druckvoll-treibenden<br />

Passagen und guten Melodiebögen, die kraftvollen Schlagzeugparts<br />

werden wiederholt <strong>von</strong> Fill-Ins und derlei Spielereien<br />

unterbrochen und die Melodieführung der Stimme<br />

trägt zudem dazu bei, dass sich viele der Songs zu kleinen<br />

Ohrwürmern entwickeln. Bei schnellen, fröhlicheren Songs<br />

wie dem Opener „Appetite at first sight“ oder „Living the limits“,<br />

die mich beide sehr an NEW FOUND GLORY erinnern,<br />

macht die Band eine gute Figur und zeigt, dass sie ein<br />

Händchen für Catchyness besitzt. Ebenso gelungen klingen<br />

die 5 BUGS bei nachdenklicheren, angenehm an die späten<br />

STRUNG OUT erinnernden Passagen, etwa „No one’s<br />

there“. Alles in allem ein Album, das neben einer hervorragenden<br />

Produktion <strong>von</strong> vielen guten Melodien lebt. (35:23)<br />

(7) Lauri Wessel<br />

925S / DESTRUCTORS 666<br />

Sturm Unt Drang <strong>CD</strong><br />

Rowdy Farrago | <strong>Die</strong> ersten drei Songs auf dieser Split rauschen<br />

irgendwie an mir vorbei. <strong>Die</strong> DESTRUCTORS 666 gehen<br />

stark in Richtung Streetpunk/Streetcore, aber können<br />

mit keinem ihrer Songs einen bleibenden Eindruck<br />

bei mir hinterlassen, machen ihre Sache aber im Prinzip<br />

nicht schlecht. <strong>Die</strong> 925S nerven hingegen sogar aktiv. Das<br />

ist einfach nicht mein Stil. Mit ihrer komischen Hype-Musik<br />

könnten sie prima donnerstags in der Alternative-Disse<br />

in meiner Stadt laufen, wo die jungen Menschen für geringes<br />

Geld Kölsch-Cola trinken und zu FRANZ FERDIN-<br />

AND und den ARCTIC MONKEYS tanzen. Oder auch zu WE<br />

ARE SCIENTISTS, mit denen THE 925S schon ausverkaufte<br />

Shows gespielt haben. Oh, ich kann kaum fassen, wie egal<br />

mir das ist. Plötzlich drängt sich mir die Frage auf, wie diese<br />

zwei komplett unterschiedlichen Bands um Himmels willen<br />

auf einen Tonträger kommen, aber scheinbar stammen<br />

wohl beide aus dem gleichen Ort in England, nämlich Peterborough.<br />

Aber ob das als Entschuldigung reicht? (18:19)<br />

(4) Claudia Luck<br />

AWOKEN<br />

Death Or Glory <strong>CD</strong><br />

letitburnrecords.com | Rauher Hardcore <strong>von</strong><br />

der Insel ohne große Überraschungen. So einfach<br />

und treffend kann man es in diesem Fall Zusammenfassen.<br />

Keine Ausflüge in den Metalbe-<br />

A<br />

reich, keine Gang-Vocals, sondern nur straight<br />

nach vorne kickender, düsterer Hardcore. Einer-<br />

seits mal wieder eine schöne Abwechslung, wenn man sonst<br />

fast überall Metalcore um die Ohren geblasen bekommt,<br />

aber auch ein leichter Wermutstropfen, wenn man bedenkt,<br />

dass der klassische New York-Style <strong>von</strong> MADBALL und den<br />

mighty SICK OF IT ALL mit jedem Jahr mehr auf der Strecke<br />

bleibt und keine Nachfolger in Sicht sind. Aber dafür kann<br />

060 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />

Unsere Review-Politik:<br />

Wir besprechen jeden Tonträger, der im weitesten<br />

Sinne in unser Heft passt. Einen Anspruch auf<br />

Rezension gibt es aber nicht, und wir behalten es<br />

uns vor, Tonträger unrezensiert in unsere „Kiste des<br />

Grauens“ auszusortieren.<br />

Grundsätzlich bestehen wir auf der Zusendung<br />

kompletter Releases, das heißt „nackte“ gebrannte<br />

<strong>CD</strong>s ohne Cover etc. werden nicht berücksichtigt<br />

bzw. nur dann, wenn wir sicher gehen können, dass<br />

wir auch die fertige <strong>CD</strong> geschickt bekommen. Auf<br />

keinen Fall besprechen wir <strong>CD</strong>s mit ausgeblendeten<br />

Stücken sowie wie mit Watermark versehene <strong>CD</strong>s.<br />

Letztere werden <strong>von</strong> uns ohne Kommentar als unfreie,<br />

versicherte Pakete an das Label zurückgeschickt.<br />

Wir akzeptieren überdies keine Eigentumsvorbehalte,<br />

wie sie oft auf Promo-<strong>CD</strong>s aufgedruckt sind. Mit der<br />

Zusendung an das <strong>Ox</strong> gehen diese <strong>CD</strong>s wie auch alle<br />

anderen Tonträger in unser Eigentum über.<br />

Mit der Zusendung erklärt sich der Zusender<br />

ausdrücklich mit diesen Bedingungen einverstanden.<br />

Noch mehr Reviews gefällig als hier?<br />

Unter www.ox-fanzine.de gibt’s rund 18.000 Reviews<br />

aus den letzten 46 Ausgaben, alphabetisch und nach<br />

Ausgabe geordnet, und teilweise sogar noch mehr<br />

Reviews als sich im Heft finden, denn oft können<br />

wir einfach nicht alles unterbringen. Das Ganze mit<br />

komfortabler Suchfunktion nach Bandname, Plattentitel<br />

und Label.<br />

man natürlich AWOKEN nicht verantwortlich machen. <strong>Die</strong><br />

Jungs sind auf jeden Fall solide, der Sound ist gut und an Attitüde<br />

mangelt es den Engländern auch nicht. Also, <strong>CD</strong> einlegen<br />

und knapp 30 Minuten die Sau rauslassen. „Death Or<br />

Glory“ halt. (27:19) (7) Tobias Ernst<br />

A LOVE ENDS SUICIDE<br />

In The Disaster <strong>CD</strong><br />

Metal Blade | Wenn das keine Familienbande ist. Gleich<br />

vier der fünf Mitglieder <strong>von</strong> ALES sind Brüder. Mit tatkräftiger<br />

Unterstützung <strong>von</strong> Tim Lambesis (AS I LAY DYING)<br />

wollen es die Kalifornier nun also auch wissen und sind<br />

jetzt ein weiterer der unzähligen Metalcore-Acts, die diesen<br />

Planeten bevölkern. Leider haben die Jungs mit der Wucht<br />

und Eigenständigkeit <strong>von</strong> AS I LAY DYING nicht allzu viel<br />

gemein und bleiben so eher im Mittelmaß stecken. Klar, die<br />

Shouts sind ordentlich und die immer wieder eingestreuten<br />

cleanen Vocals geben dem Ganzen seine Melodie, aber<br />

das machen eben alle anderen auch ganz genauso. Und so<br />

brauche ich an dieser Stelle auch gar nicht mehr viele Worte<br />

zu verlieren. Wer auf die 36 CRAZY FISTS steht, der wird<br />

an dieser Platte seine Freude haben und für alle, die eh alles<br />

haben müssen, kommt diese Platte auch gut. Wer aber verwöhnte<br />

Ohren hat, geprägt <strong>von</strong> den wirklich großen Größen<br />

des Genres, so zum Beispiel UNEARTH, der braucht<br />

dieses Album nicht mehr. (39:11) (6) Tobias Ernst<br />

ANSWER<br />

Rise <strong>CD</strong><br />

albertmusic.co.uk/PIAS | Eine Classic-Rock-Scheibe im<br />

<strong>Ox</strong>-Soundcheck? Dass ich das noch erleben darf. Nun gut,<br />

die Redaktion wird halt auch nicht jünger und der ein oder<br />

andere fällt altersmäßig<br />

vielleicht schon in die statistische<br />

Zielgruppe dieser<br />

Art Musik. Umso verwunderlicher,<br />

dass die<br />

Jungs <strong>von</strong> THE ANS-<br />

WER erst Anfang bis Mitte<br />

zwanzig sind. Da wurde<br />

Daddys Plattensammlung<br />

wohl zuviel Aufmerksamkeit<br />

geschenkt, <strong>von</strong><br />

LED ZEPPELIN über DEEP<br />

PURPLE bis WHITESNA-<br />

KE dürfte alles vertreten<br />

gewesen sein. Aber wenigstens kupfern die Iren mit Hingabe<br />

ab, haben wesentlich mehr Feuer im Arsch als ihre mittlerweile<br />

doch recht abgetakelten Vorbilder und spielen tighter<br />

als die Spandex <strong>von</strong> THE DARKNESS-Sänger Justin Hawkins<br />

jemals sitzen könnte. Und so konsequent tremolieren wie<br />

am Anfang des Stückes „Never too late“ muss man auch erst<br />

einmal. Das erfordert in der heutigen Zeit echt Mut. Und<br />

das ganze in den Soundcheck eines Punk-Fanzines zu hieven<br />

erst recht. So etwas muss belohnt werden. Und das <strong>Ox</strong><br />

bestraft: (48:04) (10) Ingo Rothkehl<br />

ANOTHER SIX CENT<br />

The Pardey’s Over M<strong>CD</strong><br />

anothersixcent.com | <strong>Die</strong>se vier Stücke sind eine Mischung<br />

aus Rock, melodischem Punkrock und zaghaften, nur an<br />

wenigen Stellen gespielten härteren Momenten. Dabei sollte<br />

die Band sich trauen, gerade diese stärker in ihren Sound<br />

einfließen zu lassen. Denn der Song, in dem die Band härter<br />

wird, „Never enough“, hat den Charme des ersten THRICE-<br />

Albums. Da<strong>von</strong> abgesehen findet man hier Referenzen zu<br />

verschiedenen kalifornischen Bands, aber auch Rock-Einflüsse<br />

à la BEATSTEAKS. Keine Frage, die Melodien sind gut<br />

und die Breaks passen. Insgesamt wirkt „The Pardey’s Over“<br />

aber zu uneigenständig, um gut zu sein. Eine stärkere Betonung<br />

der härteren Elemente würde bestens zum Sound der<br />

Band passen. (10:27) (5) Lauri Wessel<br />

ALCOHOLIC<br />

BREAKDANCE MASSACRE<br />

s/t LP<br />

abm-punkrock.de | Kann eine Band mit so einem Namen<br />

eigentlich schlecht sein? Natürlich nicht! Und ist er denn<br />

wenigstens zutreffend? Jedes Wort! ABM aus dem Havelland<br />

spielen Deutschpunk mit kehligem Gesang, wobei die A-<br />

Seite besser klingt, auf der BM-Seite drängt sich die sägende<br />

Gitarre zu sehr auf. Der Deutschpunkgestus, ewige Wahrheiten<br />

zu verkünden, macht bei ABM einer gegenständlicheren<br />

Sicht Platz, wobei das gelegentliche Abgleiten in einen<br />

Ska-Beat das einzige Skinhead-Versatzstück bleibt. <strong>Die</strong> Texte<br />

handeln <strong>von</strong> Gesellschaftsabscheu, Normierung, Isolation<br />

und Langeweile, haben aber laut Plastic Bomb einen „drollig-prolligen“<br />

Charakter (über das Lied „Fleisch“), was im<br />

Jargon des Plastic Bomb nichts anderes heißen soll, als dass<br />

die Meta-Ebene der Spaßtexte tiefere Interpretationsmöglichkeiten<br />

bietet. (7) Walmaul<br />

ADMIRAL JAMES T.<br />

The Dark Side Of The Moonboots <strong>CD</strong><br />

leechredda.com | Auch der beste Admiral ist nur so gut wie<br />

die Truppe, die er kommandiert. Das genau ist das Grundproblem<br />

bei diesem Projekt. Ganze achtzehn Eigenkompositionen<br />

zwischen 50s R’n’R, 60s Garage und 70s Powerpop<br />

bringt der Admiral auf seinem mittlerweile siebten Album<br />

zu Gehör. Prima Songs, genau genommen. Aber, und das<br />

ist der Schwachpunkt, James T. hat auch diese Platte wieder<br />

komplett im Alleingang aufgenommen. Natürlich ist<br />

es alles hochqualifiziert eingespielt und produziert. Doch<br />

der Schwung und den Charme, den die Stücke, wären sie<br />

<strong>von</strong> einer „echten“ Band aufgenommen, entfalten könnten,<br />

kann man nur erahnen. Es klingt für mich alles etwas artifiziell<br />

und steril, beinahe leblos. (6) Gereon Helmer<br />

AMERICAN LEAD GUITAR<br />

Ultra Infra <strong>CD</strong><br />

blunoise.de | Seit ein paar Jahren schon sind die vier bis<br />

fünf Herren aus Essen und Dortmund in musikalischer<br />

Mission unterwegs, waren mit Bands wie VAMPYRE STATE<br />

BUILDING, NOVOTNY TV und LES JACKS nicht ausgelastet<br />

und fanden in den seltsam benannten AMERICAN LEAD<br />

GUITAR eine neue Heimat. Ich erinnere mich dunkel an<br />

ein gelungenes Demo, das schon vor einer ganzen Weile erschien,<br />

und mit viel Anlauf ist jetzt das Album raus, das Guido<br />

Lucas nicht nur im bluNoise-Studio produziert hat, sondern<br />

auch so interessant fand, dass er es für sein Label blunoise<br />

würdig hielt, auf dem er mit schöner (Un-)Regelmäßigkeit<br />

Vertreter des – im weitesten Sinne – Gitarrenrocks<br />

veröffentlicht. ALG jedenfalls entziehen sich fieserweise den<br />

ersten Annäherungsversuchen des Rezensenten durch Eigenwilligkeit,<br />

lassen sich grob als druckvoll-noisiger Post-<br />

Punk beschreiben, der hier mal in zappaeske Sphären abdriftet<br />

(„Los amorous“), dann wieder, gerade gesanglich,<br />

an NOMEANSNO erinnert, um dann wieder auf SONIC<br />

YOUTH-Kumpel zu machen. Mit jedem weiteren Durchlauf<br />

wächst die Platte dann, doch muss die Band damit leben,<br />

zu gut für diese Welt zu sein, denn in irgendeine derzeit<br />

auch nur im geringsten angesagte Schublade passt so was<br />

Sperrig-Diffiziles nicht, auch wenn ALG im Grunde ihres<br />

Herzens auch nur schöne Popsongs spielen wollen („Sheena<br />

is a junksucker“). Ach ja, eine schöne, aber auch völlig sinnlose<br />

Website gibt’s unter americanleadguitar.de – beim dritten<br />

Durchlauf hab ich aufgegeben, irgendwo hinzuklicken ...<br />

(36:24) (7) Joachim Hiller<br />

AVATARS<br />

Never A Good Time <strong>CD</strong><br />

nofunrecords.com | Ein Avatar ist die irdische Inkarnation<br />

eines Gottes. Der Begriff kommt aus dem Sanskrit. J., ein<br />

Wasserläufer, der angeblich vor 2.000 Jahren gelebt hat, soll<br />

auch einer gewesen sein, und im Falle dieser 2003 in Ann<br />

Arbor, Michigan gegründeten Band haben wir gleich fünf<br />

Avatare vor uns, da<strong>von</strong> drei weiblichen Geschlechts. Ob die<br />

mit ihrem Bandnamen klarmachen wollen, dass sie absolut<br />

göttliche Musik machen, das kann ich nur vermuten, aber<br />

zumindest sind sie bislang nicht vom Blitz getroffen worden,<br />

was ein starker Beweis für die Existenz Gottes wäre,<br />

aber mit Sicherheit keine Geschmacksurteil. Denn der Fünfer,<br />

der rein optisch auch sehr gut auf Dirtnap passen würde<br />

und in eine Package-Tour mit BRIEFS, BOBBYTEENS<br />

und SUZY Y LOS QUATTRO, spielt sehr wuchtig produzierten,<br />

soulig groovenden Punkrock mit Pop-Appeal. Produziert<br />

hat Meister Him Diamond, und wer den brachialen<br />

Sound der DIRTBOMBS schätzt, das rauchige Organ <strong>von</strong><br />

Rachel <strong>von</strong> den DETROIT COBRAS, der sollte sich vom Titel<br />

nicht abschrecken lassen, denn natürlich hat man beim Hören<br />

dieser Platte viel Spaß. In manchen Momenten machen<br />

die AVATARS sogar den Eindruck, so was wie die verschärfte<br />

Punkrock-Version <strong>von</strong> Holly Golightly zu sein, und alles<br />

in allem ist dem Fünfer hier gerade auch wegen Ausnahme-Frontfrau<br />

Mariah Cherem ein wirklich rundum schönes<br />

Debütalbum gelungen. (28:29) (8) Joachim Hiller<br />

AMPLIFIER<br />

Insider <strong>CD</strong><br />

SPV/Steamhammer | <strong>Die</strong>sen britischen Dreier habe ich<br />

wegen des Vorgängeralbums aus dem Jahr 2003 irgendwie<br />

als Alternative Metal-Band abgehakt und wieder vergessen.<br />

Nun halte ich das zweite Album in Händen und ich muss<br />

gestehen, dass ich da einen großen Fehler gemacht habe. Der<br />

Begriff „Metal“ ist hier ziemlich fehl am Platze, auch wenn<br />

die Gitarren oft danach klingen – besonders anschaulich<br />

im Solo-Teil <strong>von</strong> „Strange Seas Of Thought“ – und das Album<br />

das Logo eines Labels ziert, das vor allem für seine Metal-Veröffentlichungen<br />

bekannt ist. Was der Band aber völlig<br />

abgeht, ist das Metal-Gebaren, also die dicken Eier. AM-<br />

PLIFIER kennzeichnet vielmehr der getragene Bombast, soll<br />

heißen die sprichwörtliche Wall of Sound, die Kombination<br />

<strong>von</strong> unglaublicher Lautstärke mit herzerweichend harmonischen<br />

Gitarrenlinien. Auch hier wieder beispielhaft<br />

anzutreffen in eben genanntem Song. Das Schlagzeug ist<br />

nicht unbedingt untätig, unterstützt aber durch sein Spiel<br />

die Mischung aus Zähigkeit und Rock. Wie ich herausgefunden<br />

habe, bezeichnen AMPLIFIER die Band OCEANSIZE<br />

als „brothers in amps“, wer also seinen Musikgeschmack in<br />

solchen Sphären verortet, der soll hier ruhig einmal reinhören,<br />

auch wenn „Insider“ eher in der Intensität gleichzusetzen<br />

ist, weniger in der Komplexität und der Dynamik. So<br />

bin ich also selbst überrascht über meine Begeisterung, aber<br />

ich mag halt diesen dichten, klebrigen Sound. Also stimmt<br />

es: Der Ton macht die Musik. (58:57) (8) Christian Meiners<br />

AGAINST ME!<br />

Americans Abroad!!!<br />

Against Me!!! Live in London!!! <strong>CD</strong><br />

Fat Wreck | Wie wir bereits aus dem letzten Heft wissen,<br />

ist dieses AGAINST ME!-Album das vorerst letzte für ein<br />

Indielabel. Und wie bei Abschieden <strong>von</strong> Fat üblich, dürfen<br />

auch AM! sich noch mal dort beweisen, wo sie sich am<br />

wohlsten fühlen: Auf der Bühne. Über Sinn und Unsinn eines<br />

Livealbums kann man sicher streiten. Ich persönlich bin<br />

eigentlich kein Fan <strong>von</strong> da<strong>von</strong> und empfehle jedem, lieber<br />

selbst zu einer AM!-Show zu gehen. Trotz guter Tonqualität<br />

verliert ein Livemitschnitt nämlich jegliche Art <strong>von</strong> Intensität,<br />

die so typisch ist für die Band aus Gainsville, Florida<br />

und man kann anhand der vielen schönen Live-Bilder im<br />

Booklet nur erahnen, welche Kraft und Energie bei diesem<br />

Londoner Konzert freigesetzt wurden. Von allen ihren drei<br />

Alben spielt die Band ein Potpourri an Songs. Was ich vermisse,<br />

sind allein die großartigen Akustikstücke, die Sänger<br />

Tom Gabel sonst gerne mal zum Besten gibt. Aber man kann<br />

nicht alles haben. Der brandneue Titelsong, mit dem schönen<br />

Refrain „Americans abraod / I hope I’m not like them“<br />

sollte als Vorgeschmack für das im nächsten Jahr bevorstehende<br />

Majordebüt genügen. Bodo Unbroken<br />

ANTIFAMILY<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

difficultfun.org/Broken Silence | ANTIFAMILY ist ein bis<br />

zu 20-köpfiges Künstlerkollektiv, doch während ich da<strong>von</strong><br />

eigentlich völlig unausgegorenes Geschrammel erwarte, ist<br />

deren Sound gar nicht sonderlich diffus, sondern fast schon<br />

zu glatt. Am Werk sind Multiinstrumentalisten, die statt in<br />

hemmungslose, konfuse Improvisation zu verfallen, simple,<br />

reduzierte, sehr stark an den kühlen 80ern orientierte<br />

Klanggerüste aufbauen und dabei auch immer mit den<br />

besten Versatzstücken aus Krautrock, Dub und New Wave<br />

spielen. Improvisation, die auf eine Sozialisation im Free-<br />

Jazz schließen lässt, findet fast nur im Hintergrund statt,<br />

und Brian Eno und NEU! sind unschwer als große Vorbilder<br />

auszumachen. Obwohl viele Elemente auftauchen, die<br />

man kennt, wird die Musik zu keinem Moment langweilig,<br />

gerade durch die gelungene Kombinationen altbewähr-<br />

ter Muster entsteht etwas völlig Eigenes, und trotz scheinbarer<br />

Monotonie gibt es immer großartige Details zu entdecken.<br />

Der vielseitige weibliche Gesang ist mal in Englisch,<br />

mal in Französisch, und liegt dabei immer souverän über<br />

der Musik. <strong>Die</strong> einzige Band, die mir in den Sinn kommt, die<br />

auf ähnlich hypnotisierende Weise jazzigen, beinahe schon<br />

musicalhaften Gesang und FAD-GADGET-Pop zu verbinden<br />

wussten, sind GRY oder vielleicht noch – wenn man sich so<br />

einen hanebüchenen Vergleich überhaupt vorstellen will –<br />

PHANTOM/GHOST mit Frauengesang. (45:49) (8)<br />

Chris Wilpert<br />

AMEN 81<br />

The Hitpit LP<br />

amen81.de | In einem der letzten Plastic Bomb-Hefte war<br />

ein Interview mit den alten Nürnbergern <strong>von</strong> AMEN 81, und<br />

seitdem haben die extrem viele Sympathiepunkte bei mir.<br />

Ich besitze tatsächlich (komischerweise) nur die Debütsingle<br />

<strong>von</strong> 1995 und war gespannt, wie die sich jetzt wohl anhören.<br />

14 mal wird gut gebolzt, HC/Punk mit einem bisschen<br />

Kruste, immer nach vorne, ganz schön alte Schule und<br />

Circle Pits dürfen zu dem ein, oder anderen Song gestartet<br />

werden. Wirklich festnageln lässt man sich nicht. Klingt<br />

eher so, als wird spontan aus der Hüfte geschossen. Straight,<br />

direkt, aber niemals stumpf oder öde. Gute Texte, die nicht<br />

predigen, trotzdem gut rumrotzen und clever rüberkommen.<br />

<strong>Die</strong> Aufmachung der LP (Vinyl only!) ist im C64/Giana<br />

Sisters-Style ein sagenhafter Hingucker, hat ein ultradickes<br />

Beiheft dabei und gehört zum Geilsten, was ich in letzter<br />

Zeit gesehen habe. Coole Platte! (8) Renke Ehmcke<br />

AUXITT<br />

Rebuilding The Architekt M<strong>CD</strong><br />

auxitt.de | AUXITT aus Nürnberg sind mit der zweiten Veröffentlichung<br />

am Start: „Rebuilding The Architect“. Schon<br />

das vorangegangene Album, „Emotion Faked Location Skip“<br />

(2005), wusste mit gekonnt gerockten Emo-Songs zu beeindrucken.<br />

Heuer hat das junge Trio (Durchschnittsalter<br />

22) seinen Sound modernisiert, den Erwartungen der MySpace-Gemeinde<br />

angepasst. Inzwischen wird nicht mehr geheult,<br />

jetzt wird gesungen und gebrüllt, Entschuldigung,<br />

„gescreamt“. <strong>Die</strong>se Band weiß ganz genau, was sie will.<br />

Druckvolle Songs schreiben und unschuldig in die Kamera<br />

blicken. Jetzt fehlt nur noch professionelle Werbung, und<br />

dann kriegen auch die Mädchen außerhalb Bayerns nach<br />

TOKIO HOTEL wieder eine richtige Band zum Anschmachten.<br />

<strong>Die</strong> Jungs verprügeln sich derweil im Moshpit. (19:00)<br />

(8) Arne Koepke<br />

AMANDINE<br />

Waiting For The Light To Find Us M<strong>CD</strong><br />

Fat Cat/Rough Trade | Was schon für das Album galt, kann<br />

man auch für die jetzt folgende EP der Schweden gelten lassen:<br />

Weiterhin spielen sie ihren gefälligen Songwriter-Folk,<br />

der widerstandslos ins Ohr gleitet und den Hörer mit seiner<br />

schönen Instrumentierung (mit Bläsern und Streichern<br />

macht man in diesem Gebiet selten etwas falsch) ganz weich<br />

einwickelt. Allerdings ist die Halbwertzeit der Songs kaum<br />

länger als ihre Dauer, man findet an ihnen nicht das gwisse<br />

Etwas, das sie besonders macht. Nett. Nicht mehr und auch<br />

nicht weniger. (21:06) (5) Christian Maiwald<br />

ANNEX 5<br />

Sex Rags <strong>CD</strong><br />

Sunny Bastards | Im beiliegenden Infotext zum zweiten Album<br />

<strong>von</strong> ANNEX 5 mit dem Titel „Sex Rags“ ist die Rede<br />

<strong>von</strong> „Ohrwurmcharakter“. Bedauerlicherweise kann ich einen<br />

solchen Ohrwurm auch nach mehreren Hördurchgängen<br />

nicht als Folgesymptom bei mir feststellen. Dennoch<br />

kann man dem Sound der Band aus Hannover einen eigenständigen<br />

Charakter nicht absprechen, doch liegt hier nun<br />

eben auch der Hund begraben. Eine Mischung aus altbackenem<br />

Rock – wohlwollend könnte man auch <strong>von</strong> klassischen<br />

Rock sprechen – und dezenten Horrorpunk-Einflüssen.<br />

Musik, die in ihrer Gesamtheit ein wenig unaufdringlich<br />

und kraftlos wirkt. So auch der Gesang <strong>von</strong> Sängerin<br />

Kirsten, welcher die meiste Zeit doch recht phlegmatisch<br />

und schwunglos erscheint. Doch könnte man eben jene Attribute<br />

nun auch positiv auslegen, insofern, dass sie konsequent<br />

und nicht unbeabsichtigt zum Einsatz kommen. Und<br />

so gelingt es ANNEX 5 zweifelsohne, eine eigene Atmosphäre<br />

aufzubauen – nämlich trostlos und ein bisschen düster.<br />

Sicherlich keine Musik, die ich mir anhören wollte, wenn<br />

ich gerade frisch verliebt wäre, dafür aber vielleicht spätestens,<br />

nachdem man mich verlassen hätte. Alex Gräbeldinger<br />

A GREAT CIRCLE<br />

With Love <strong>CD</strong>+DVD<br />

goldstandardlabs.com | A GREAT CIRCLE sind ein Quartett<br />

aus Italien, das mit diesem Album eine Art Konzept- und<br />

(inklusive DVD und inszenierter Fotos auch ein) Gesamtkunstwerk<br />

vorlegt, das in symphonischer Manier in Titel<br />

wie „Prelude“, „First Scream“, „Cable Theme I, II, III“ oder<br />

„Second Scream“ unterteilt ist. Dass die Band in klassischer<br />

Besetzung mit Schlagzeug, Bass und Gitarre agiert und mit<br />

ihren obskuren Kostümen auch an SOME GIRLS oder THE<br />

LOCUST erinnert, hört man ihrer Musik nicht an. <strong>Die</strong> ist<br />

eher experimenteller Natur, gleicht den frühen, noch vom<br />

Hardcore geprägten Werken <strong>von</strong> BLACK DICE, ist aber im<br />

Falle <strong>von</strong> A GREAT CIRCLE ungleich langsamer und bedrohlicher,<br />

zugleich auch überraschender arrangiert. Auf ruhige,<br />

düstere Passagen folgen unkonventionelle Lärmausbrüche,<br />

die Songs haben fast schon beschwörenden Charakter<br />

wie auf den ersten beiden LIARS-Alben. Doch „gewohnte“<br />

Songformate werden nur sekundenlang ausgehalten, um im<br />

nächsten Moment völlig abgedreht und psychedelisch destruiert<br />

zu werden. Dass das, was A GREAT CIRCLE machen,<br />

Kunst ist, beweist die beiliegende DVD ihres Sängers Nico<br />

Vascellari, die 2003 während drei Performances der Band in<br />

Museen und Galerien (sic!) gefilmt wurde. Ganz im Gegensatz<br />

zu dem missglückten Machwerk der LIARS-DVD à la<br />

„Wir filmen jetzt einfach mal Schnecken und so“, wird die<br />

visuelle Umsetzung den Klangbildern hier erst richtig gerecht,<br />

entlarvt die Musik als krachigen, und in seiner Zähheit<br />

auch bösartigen Horrorsoundtrack. (30:19) (9)<br />

Chris Wilpert<br />

ANOTHER BREATH<br />

Mill City <strong>CD</strong>/LP<br />

rivalryrecords.com | „... Evil days that come to young guys<br />

in their middle twenties.“ Ein Jack Kerouac-Zitat pflastert<br />

den Weg der neuen ANOTHER BREATH-Platte. Auf der<br />

Sinnsuche, irgendwo zwischen Aufbruchs-, Abbruchs- und<br />

Untergangsstimmung. Der alte Beatnik Kerouac arbeitete<br />

problemorientiert mit Sex, Drogen und Reisen, um der<br />

Prüderie der 50er Jahre zu entkommen. Ein weiterer bewährter<br />

Weg ist die Gründung einer Band. Schließt das andere<br />

auch nicht unbedingt aus. Anyway: Skatepunks, trendbewusste<br />

Hardcore-Kids und positvely positive Dronen<br />

dürfen zugreifen und wer schon vorher die „Not Now, Not<br />

Ever“-EP gut fand, sollte ebenfalls freudig zum Plattendealer<br />

rennen und die Finger <strong>von</strong> den Drogen lassen. Textlich und<br />

musikalisch finde ich es äußerst ansprechend, während das<br />

Layout billige Photoshop-Produktion ist. Trotzdem: Bands,<br />

die ihre Songs mit Plato-Zitaten anfangen, haben Wackersteine<br />

in meinen Brett – mehr Literatur und Hardcore = Intellektuell<br />

geht gar nicht! (35:13) (8) Katrin Hacheney<br />

JON AUER<br />

Songs From The Year Of Our Demise <strong>CD</strong><br />

DevilDuck/Indigo | Nach dem „Reunion“-Album „Every<br />

Kind Of Light“ der POSIES und einem neuen BIG STAR-Album<br />

unter POSIES-Beteiligung (beides eher mittelprächtige<br />

Erzeugnisse) legt auch deren Gründungsmitglied Jon<br />

Auer sein erstes Soloalbum vor. Wer wie im Fall des aktu-<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 60 22.09.2006 20:50:24 Uhr


ellen POSIES-Albums enttäuscht war, dass sich der knackige<br />

Powerpop früherer Zeiten stark in Grenzen hielt, wird auch<br />

bei Auer mit einem eher schlaffen Songwriting konfrontiert.<br />

Das allerdings setzt Auer bei den insgesamt 15 Songs<br />

(plus drei Bonustracks) konsequent um und präsentiert einem<br />

nicht so ein unhomogenes Allerlei wie bei BIG STAR<br />

oder dem POSIES-Album. „Songs From The Year Of Our Demise“<br />

ist zwar ein überaus filigranes, dezent instrumentiertes<br />

Popalbum, getragen <strong>von</strong> Auers süßlichem Gesang und<br />

halbakustischen Klängen, aber eben insgesamt sehr gut auf<br />

den Punkt gebracht – Auers Melodien setzen sich sofort fest.<br />

Man merkt der Platte sofort den emotionalen und überaus<br />

persönlichen Input Auers an, der einen mit diesem tollen<br />

Album über die enttäuschenden Werke <strong>von</strong> BIG STAR und<br />

den POSIES gut hinwegtröstet. (9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

ANTENA TRES<br />

Onda Di Crimine <strong>CD</strong><br />

JasonR | Von den französischen Surfmusik-Stränden<br />

kommt eine schnelle und deftige Portion Surfgitarren und<br />

Surfelektronik. <strong>Die</strong> vier Musiker <strong>von</strong> AT3 waren schon auf<br />

dem – hier besprochenen – französischen Surf-Sampler<br />

„More To Enjoy Vol. II“ vertreten und legen jetzt ihr erstes<br />

Album vor. <strong>Die</strong> aus Gironde kommenden Wellenmusik-Spieler<br />

bauen eine eigenartige Mischung aus Surf, Crime<br />

Jazz, Punkstyles, ein wenig Bossa Nova und beatendem<br />

Twist zusammen. Manche Tracks hören sich sehr elektronisch<br />

an, bei manchen Tracks ist es ein wenig chaotisch –<br />

da ist ein abwechslungsreiches Album entstanden, das an<br />

einigen Stellen den Surfsound Surf sein lässt und zur entspannt-schnellen<br />

Tanzmusik wechselt. Das hört sich seltsam<br />

an? Nein, nur abwechslungsreich, und das ist für Surfmusik<br />

ja nicht immer selbstverständlich! Also einfach mal reinhören<br />

in ein gelungenes Surfdebüt aus Frankreich. (46:00) (7)<br />

<strong>Thomas</strong> <strong>Neumann</strong><br />

ACHILLES / SEVEN BOWLS OF WRATH<br />

Split LP<br />

Bloom Explode | Für Songtitel wie „Every hour wounds,<br />

the last one kills“ sollte man ACHILLES eigentlich im Osloer<br />

Rathaus den Nobelpreis verleihen, leider gibt es für Sarkasmus<br />

und Ähnliches noch keinen. Jedenfalls liegen die<br />

acht Lieder des Vierers schwer wie Stein in der Magengrube<br />

und erinnern mich positiv an die göttlichen BOTCH,<br />

ebenso vertrackt, gegenläufig und enorm groovig sind die<br />

Titel <strong>von</strong> ACHILLES aus den Staaten. Dann hört man noch<br />

zusätzliche Gitarrenarbeit <strong>von</strong> Evan Patterson, ehemals bei<br />

BLACK CROSS und BREATHER RESIST. Steve Sindoni, der<br />

bei BREATHER RESIST für den Gesang sorgte, gibt sich auch<br />

die Ehre. <strong>Die</strong> Saarländer SEVEN BOWLS OF WRATH nehmen<br />

dann etwas Tempo raus, geben sich martialischer und<br />

nicht ganz so chaotisch, bilden aber keineswegs einen ruhenden<br />

Pol, sondern widmen sich fünf Songs lang der Zerstörung.<br />

Anfangs noch in Zeitlupe, nur um dann später Tempo<br />

und schleppende Momente zu kontrastieren. Ein absoluter<br />

Hassbrocken, der euch die Zeit bis zum Jüngsten Gericht<br />

angenehm verkürzen wird. Noch Fragen? (39:40) (8/6)<br />

<strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

AFIRE<br />

In The Sky <strong>CD</strong><br />

United Power Fields | Musikalisch fiel mir zuerst die recht<br />

dürftige Eigenproduktion auf, und das will ich der Band<br />

jetzt nicht ankreiden, aber vielleicht wäre es ratsam, nächstes<br />

Mal das Booklet nicht opulenter als die Aufnahmen zu<br />

gestalten. Zudem tragen die Südhessen im Promosheet recht<br />

dick auf, und wer sich mit Political Correctness und dem<br />

Vegetarismus aller Bandmitgleider schmückt, sollte keinen<br />

latenten Chauvinismus an den Tag legen, denn den braucht<br />

kein Mensch. <strong>Die</strong> Lieder orientieren sich an NEW DAY RI-<br />

SING, werden <strong>von</strong> melodischen Leads geprägt und <strong>von</strong> heiserem<br />

Gekeife gerahmt. Gut gemeint, auch nicht schlecht<br />

gemacht, aber etwas zerfahren und für mich als Hörer klingt<br />

alles recht uninspiriert und etwas obsolet. (5) (25:09)<br />

<strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

AMERICAN BLACKLUNG<br />

... And They Rode Their Weapons Into War <strong>CD</strong><br />

Burning House | Das relativ unspektakuläre Cover hat mich<br />

ganz schön in die Irre geführt, denn die Band aus Tucson,<br />

Arizona hat den Rock’n’Roll nun echt <strong>von</strong> Alpha bis Omega<br />

in den Hüften. Skandinavische Riffs, 70s Vibe, Haare wie<br />

Löwen, Bärte wie Ziegen, die Prioritäten sind klar gesetzt.<br />

Den vergangen Jahrzehnten widmet man deutlich mehr<br />

Aufmerksamkeit als dem momentanen, und das ist eine<br />

gute Entscheidung. Einen Spot bei der Warped Tour haben<br />

die Herren auch schon, aber um Konsens zu werden, sind<br />

sie doch zu sehr dem Stoner-Rock und Jimmy Page-Riffs<br />

verhaftet. Vereinzelte Hardcore-Elemente hört man ebenso,<br />

aber die Schwerpunkte liegen sicherlich nicht dort. Wenn<br />

FIGHT PARIS auf Trustkill euren Geschmack treffen und<br />

Hardcore auch mal aus dem Rahmen fallen darf, dann müsst<br />

ihr euch unbedingt das AMERICAN BLACKLUNG-Album<br />

holen. (31:46) (8) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

ALPHA BOY SCHOOL<br />

One In A Million <strong>CD</strong><br />

moonstomp.de | Um einen groben Eindruck <strong>von</strong> ALPHA<br />

BOY SCHOOL zu vermitteln, reicht es vielleicht zu sagen,<br />

dass sie es fertig bringen, Songs mit einer Grundstimmung à<br />

la „Boys don’t cry“ oder (wie hier) Billy Braggs „New England“<br />

in Ska-Versionen zu spielen, die sich nicht völlig panne<br />

anhören. Man wandelt gekonnt auf dem schmalen Grat<br />

zwischen Melancholie und Feierstimmung und der führt<br />

direkt nach England, zu den SPECIALS oder MADNESS. Allein<br />

„More than your boyfriend knows“ ist eine Pop-Hymne,<br />

die Letzteren zu ihren Glanzzeiten hätte einfallen können.<br />

Sobald sich die Songs in langsameren Gefilden bewegen,<br />

klingt das fast schon verdächtig nach Putschversuchen<br />

gegen die aktuellen Genre-Könige <strong>von</strong> den SLACKERS. Alles<br />

an dieser Platte zeigt deutlich, dass man es hier mit Musikern<br />

zu tun hat, die zwar alle Register ziehen könnten, sich<br />

stattdessen aber einfach nur mit den jeweils richtigen begnügen.<br />

Ich war bisher kein großer Fan der Band, habe bei<br />

diesem Album aber tatsächlich Schwierigkeiten, auch nur<br />

einen einzigen Kritikpunkt zu finden. Na, dann eben doch,<br />

dass es <strong>von</strong> „New England“ nicht unbedingt eine Ska-Version<br />

gebraucht hätte. (49:54) (9) Ferdinand Praxl<br />

APRON<br />

The Broken Child EP M<strong>CD</strong><br />

Fragmento | Im Platteninfo wird <strong>Thomas</strong> Bambusch mit<br />

den Worten „APRON, das ist für mich Lebensfreude. <strong>Die</strong><br />

Freiheit so sein zu können wie man will. Es gibt keine Einschränkung“<br />

zitiert und er soll sich damit richtig eingeschätzt<br />

haben. Auf „Broken Child EP“, dem ersten Lebenszeichen<br />

der Band wird so berechenbar zwischen den Musikstilen<br />

gesprungen, wie ein Flummi seine Flugbahn erahnen<br />

lässt. Hier ein bisschen Bossa Nova, da ein bisschen<br />

Blues, Alternative, aber leider auch immer wieder strunzlangweiliger<br />

New Metal. Und ich dachte wirklich, dass diese<br />

Art <strong>von</strong> Musik mal langsam ausgestorben ist. Ach ja, wer<br />

dann doch einen Vergleich braucht, um sich unter der Musik<br />

<strong>von</strong> APRON etwas vorstellen zu können, kann ihn haben:<br />

MUDVAYNE. Kommt bestimmt in anderen Magazinen besser<br />

weg ... (5) Sebastian Wahle<br />

ASPEN IT IS<br />

Release Me From This Weight Of Gravity <strong>CD</strong><br />

piermontrecords.com | Nun ja, sie erfinden das Rad nicht<br />

neu, versuchen aber Emo auf ihre unaufdringliche Weise zu<br />

interpretieren und zu präsentieren: ASPEN IT IS aus New<br />

Jersey. Ihre Plattenfirma bezeichnet sie als Pioniere und hat<br />

dabei nicht ganz Unrecht. Zwar ähnelt die Herangehensweise<br />

an diese Art <strong>von</strong> Musik schon ein wenig der der GET<br />

¡<br />

Lesercharts<br />

¡ THE BRIEFS- Steal Yer Heart ¡ SLAYER - Christ Illusion ¡ Greg Graffin - Cold As The Clay<br />

¡ RISE AGAINST - The Suffer And The Witness ¡ BILLY TALENT - 2<br />

So funktioniert´s:<br />

• Wir wollen <strong>von</strong> euch wissen, welche 5(!) Platten, <strong>CD</strong>s, EPs, Singles, Compilations oder was auch immer momentan am häufigsten gehört werden. Aber bitte beschränkt euch auf die<br />

Nennung relativ aktueller Platten. Wir stellen aus allen genannten Platten monatlich die <strong>Ox</strong>-Lesercharts zusammen und präsentieren diese auf www.ox-fanzine.de und dann alle<br />

zwei Monate auch an dieser Stelle.<br />

• Unter allen Mitmachenden verlosen wir jeden Monat diverse <strong>CD</strong>s, Platten, T-Shirts, Poster, etc.<br />

• Mitmachen unter www.ox-fanzine.de und da unter „Charts” oder via eMail an charts@ox-fanzine.de<br />

Verkaufscharts<br />

¡ SOUNDFLAT<br />

1. MONTESAS - Girl, Du Machst Mich So An 7“ | 2. V.A.<br />

- The Knights Of Fuzz DVD | 3. MISTY LANE - Issue # 20<br />

mag + <strong>CD</strong> | 4. WAISTCOATS - Ich moechte dir nur helfen<br />

7“ | 5. LOS PEYOTES - Cavernicola! <strong>CD</strong> | 6. CANARY<br />

SECT - Shake It, But Dont Break It LP | 7. MONSTERS - Its<br />

Rocknroll 7“ | 8. FE FI FO FUMS - In The Summertime 7“<br />

| 9. BLACK HOLLIES - Crimson Reflections LP/<strong>CD</strong><br />

10. DOLLSQUAD - Fast Girl 7“ | 11. V.A. - Voodoo Rhythm,<br />

The Gospel Of Primitive Rocknroll DVD | 12. NOMADS -<br />

Nomadic Dementia The Best Of The First 25 Years <strong>CD</strong> | 13.<br />

REATARDS - I Lie Too 7“ | 14. BABY WOODROSE - Love<br />

Comes Down LP/<strong>CD</strong> | 15. CLOROX GIRLS - Eva Braun 7“<br />

¡ FLIGHT 13<br />

1. NOMEANSNO - All Roads Lead To Ausfahrt <strong>CD</strong> | 2.<br />

THERMALS - Body, Blood, ... LP/<strong>CD</strong> | 3. RADIO BIRD-<br />

MAN - Zeno Beach LP/<strong>CD</strong> | 4. SONIC DOLLS - I´m A Flower<br />

Too LP/<strong>CD</strong> | 5. MARS VOLTA - Amputechture 2LP/<br />

<strong>CD</strong> | 6. GRAILS / RED SPARROWS - Split LP | 7. SHE-<br />

MALE TROUBLE - Off The Hook LP/<strong>CD</strong> 8. LONELY KINGS<br />

- End Of Forever <strong>CD</strong> | 9. BLACK KEYS - Magic Potion LP/<br />

<strong>CD</strong> | 10. BONNIE PRINCE BILLY - Letting Go LP/<strong>CD</strong> | 11.<br />

MOTÖRHEAD - Kiss Of Death LP/<strong>CD</strong> | 12. SUPERSYS-<br />

Playlists<br />

Joachim Hiller<br />

In der Anlage: TIGER BY THE TAIL s/t | SAMIAM<br />

Whatever’s Got You Down | MOJOMATICS Songs For Faraway<br />

Lovers Mein liebster Punksong über ein Tier:<br />

STOOGES I wanna be your dog Freut sich auf: SAMIAM<br />

& THE DRAFT zusammen auf Tour Geheimtip: SABER-<br />

TOOTH TIGER Extinction Is Inevitable Enttäuschung:<br />

RAPTURE Pieces Of The People We Love <strong>CD</strong><br />

André Bohnensack<br />

In der Anlage: DIE ÄRZTE - Bäst Of | DEATH BREATH -<br />

Stinking Up The Night | HARVEY MILK - Courtesy And<br />

Good Will Toward Men Mein liebster Punksong über<br />

ein Tier: DIE ÄRZTE - Käfer Freut sich auf: eine neue<br />

PASCOW-Platte Geheimtip: JUCIFER - If Thine Enemy<br />

Hunger Enttäuschung: Der rote Volksgerichtshof<br />

<strong>Thomas</strong> Renz<br />

In der Anlage: CONVERGE – No Heroes | SAMIAM –<br />

Whatever’s Got You Down | TRAGEDY – Nerve Damage<br />

Mein liebster Punksong über ein Tier: GORILLA BIS-<br />

CUITS – Cats and dogs Freut sich auf: ISIS – In The Absence<br />

Of Truth<br />

Abel Gebhardt<br />

In der Anlage: KANTE <strong>Die</strong> Tiere sind unruhig <strong>CD</strong> | FLA-<br />

MING STARS Singles, Rarities and Bar Rooms Do-<strong>CD</strong> |<br />

Boris Vian J‘Suis Snob <strong>CD</strong> Mein liebster Punksong über<br />

ein Tier: DIE ÄRZTE Claudia hat nen Schäferhund Freut<br />

sich auf: DIE AERONAUTEN Hier: die Aeronauten <strong>CD</strong> Geheimtip:<br />

BANKRUPT Smaller Than Danny DeVito <strong>CD</strong><br />

Enttäuschung: Der Sommer ist bald vorbei<br />

Arndt Aldenhoven<br />

In der Anlage: PANTERA - The Great Southern Trendkill<br />

| POWERMAN 5000 - Destroy What You Enjoy | MI-<br />

NISTRY- Rio Grande Blood Mein liebster Punksong<br />

über ein Tier: NOFX - Clams Have Feelings too ... Actually<br />

They Don´t Freut sich auf: MELVINS - A Senile Animal<br />

Geheimtip: BONESAW ROMANCE - s/t Enttäuschung:<br />

Metalcore ist immer noch nicht out<br />

Arne Koepke<br />

In der Anlage: BILLY TALENT – II | MOREME – Promo<br />

EP | PROFESSION REPORTER – The Lipstick Durability<br />

Test | Mein liebster Punksong über ein Tier: Stefan<br />

Raab - Börti Vogts Freut sich auf: SAMIAM Geheimtip:<br />

PROFESSION REPORTER – The Lipstick Durability Test<br />

Enttäuschung: Claus Grabke – Dead Hippies, Sad Robot<br />

Bernd Fischer<br />

In der Anlage: DEATH BREATH - Stinking Up The Night<br />

| MIND CONTROLS - s/t | THE RETURNABLES - s/t<br />

Mein liebster Punksong über ein Tier: RAMONES - Pet<br />

Sematary Freut sich auf: ... endlich wieder Lebkuchen!<br />

Geheimtipp: Konsequente Entscheidungen treffen! Enttäuschung:<br />

Das Tapedeck in meinem Auto (tut nicht).<br />

Chris Virgo<br />

In der Anlage: THE THERMALS - The Body, The Blood,<br />

The Machine | BEATPLANET - Wer beatet mehr? | THE<br />

PIPETTES - We Are The Pipettes Mein liebster Punksong<br />

über ein Tier: THE CRAMPS - Can your pussy do the dog<br />

Freut sich auf: La Haine-DVD Geheimtip: Elvis Presley -<br />

The Memphis Record Enttäuschung: Ich habe den Blues,<br />

denn ich denke gerade an das drohende Grunge-Revival<br />

Chris Wilpert:<br />

In der Anlage: JAPANTHER - Master Of Pigeons | PY-<br />

ROLATOR - Inland | A GREAT CIRCLE - With Love Mein<br />

liebster Punksong über ein Tier: THE SHAGGS - My Pal<br />

Foot Foot Freut sich auf: dass ich PENDIKEL endlich live<br />

sehen werde Geheimtip: GOOD GOOD - Furrows Enttäuschung:<br />

CURSIVE sind live gar nicht so toll ...<br />

Christian Maiwald<br />

In der Anlage: MONO & WORLD´S END GIRLFRIEND -<br />

Palmless Prayer/Mass Murder Refrain | MANYFINGERS<br />

- Our Worn Shadow | PETER BJÖRN & JOHN -Writer´s<br />

Block Mein liebster Punksong über ein Tier: DIE ÄRZ-<br />

TE - Mein Teddy Freut sich auf: SUNN O))) & BORIS<br />

- ALTAR Split Geheimtip: ICKE & ER – „Richtig Geil“<br />

(Track) Enttäuschung: Auge<br />

Christoph Schulz<br />

In der Anlage: SUPER 700 s/t | RADIO 4 Enemies Like<br />

This | Q AND NOT U Power Mein liebster Punksong<br />

über ein Tier: TURBOSTAAT Haubentaucherwelpen<br />

Freut sich auf: Post-Core in Poitiers, dem Washington<br />

D.C. Frankreichs Geheimtip: THERMALS The Body, The<br />

Blood, The Machine Enttäuschung: so viel Streit zwischen<br />

Leuten, die im Endeffekt gleiche Ziele haben<br />

Claus Wittwer<br />

In der Anlage: JOLLY JUMPERS - Mobile Babylon | JU-<br />

LIETTE & THE LICKS - Four On The Floor | CIRCULUS<br />

- Clocks Are Like People Mein liebster Punksong über<br />

TEM - Million Microphones LP/<strong>CD</strong> | 13. CURSIVE - Happy<br />

Hollow LP/<strong>CD</strong> | 14. TRASHMONKEYS - Favourite<br />

Enemy LP/<strong>CD</strong> | 15. F.Y.P. - Five Year Plan LP/<strong>CD</strong><br />

¡ CORE TEX<br />

1. HATEBREED - Supremacy LP/ <strong>CD</strong> | 2. WALLS OF JERI-<br />

CHO - With Devils Amongst Us <strong>CD</strong> | 3. ROGER MIRET &<br />

THE DISASTERS - My Riot Lp/ Cd | 4. TERROR - Always<br />

The Hard Way Lp/ <strong>CD</strong> | 5. HEAVEN SHALL BURN - Deaf<br />

To Our Prayers Lp/ <strong>CD</strong> | 6. IGNITE - Our Darkest Days LP/<br />

<strong>CD</strong> | 7. MOTÖRHEAD - Kiss Of Death LP/ <strong>CD</strong> | 08. ALEXI-<br />

SONFIRE - Crisis LP/ <strong>CD</strong> | 9. TERROR - The Living Proof<br />

DVD | 10. ANTICOPS - In The Eye Of A Dying Man LP/ <strong>CD</strong><br />

| 11. ALITHIA - Coming From Silence <strong>CD</strong> | 12. VERSE -<br />

From Anger & Rage LP/ <strong>CD</strong> | 13. HAVE HEART - Things We<br />

Carry <strong>CD</strong> | 14. SLAYER - Christ Illusion <strong>CD</strong> | 15. FIRST<br />

BLOOD - Killafornia LP/<strong>CD</strong><br />

¡ ELDORADO<br />

1. FLOGGING MOLLY - Whiskey On Sunday <strong>CD</strong>+DVD | 2.<br />

JOHNNY CASH - American V A Hundred Highways LP |<br />

3. AGAINST ME - Americans Abroad!Against Me!Live <strong>CD</strong><br />

| 4. CURSIVE - Happy Hollow LP | 5. TV ON THE RADIO<br />

- Return To Cookie Mountain LP | 6. STRIKE ANYWHE-<br />

ein Tier: Wum - Ich bin ein kleiner Hund Freut sich auf:<br />

ULTRAFAIR - ? Geheimtip: REEBOSOUND - s/t Enttäuschung:<br />

COWBOYS ON DOPE-Interview zum zweiten<br />

Mal gekürzt<br />

Ferdinand Praxl<br />

In der Anlage: WORLD/INFERNO FRIENDSHIP SOCIE-<br />

TY – Red Eyed Soul | AGGROLITES – s/t | RIFLES – No<br />

Love Lost Mein liebster Punksong über ein Tier: OXY-<br />

MORON – Black Cats Freut sich auf: Tim Armstrong – A<br />

Poet’s Life Geheimtip: ALPHA BOY SCHOOL – One In<br />

A Million<br />

Frank Nice<br />

In der Anlage: VOLT - Rörhät | DEAD - V.I.P. |IONA - s/<br />

t Mein liebster Punksong über ein Tier: IGGY AND THE<br />

STOOGES - I don‘t wanna be your dog Freut sich auf:<br />

RED SPAROWES - Every Red Heart Shines Toward The Red<br />

Sun Geheimtip: VOLT - Rörhät<br />

Gereon Helmer<br />

In der Anlage: RIFLES No Love Lost | Johnny Cash - die<br />

neue LP | MONTESAS Girl du machst mich an 7“ | Mein<br />

liebster Punksong über ein Tier: JAZZ BUTCHER Love<br />

kittens Geheimtip: SPEARMINT Paris In A Bottle Enttäuschung:<br />

Syd Barrett und Arthur Lee tot<br />

Guntram Pintgen<br />

In der Anlage: Juliana Hatfield - Made In China | IG-<br />

NITE - Our Darkest Days <strong>CD</strong> | SLAYER - Christ Illusion<br />

Mein liebster Punksong über ein Tier: DAYGLO AB-<br />

ORTIONS - Two Dogs Fucking Freut sich auf: LEATHER-<br />

FACE-Tour mit Dickie Hammonds an der Gitarre Geheimtip:<br />

BRIEGEL - Electric Boogie Enttäuschung: JIN-<br />

GO DE LUNCH spielen nur in Berlin<br />

Carsten Hanke<br />

In der Anlage: SLAYER - Christ Illusion | THE HAUN-<br />

TED - Revolver | FULL BLOWN CHAOS - Within The<br />

Grasp Of Titans Mein liebster Punksong über ein Tier:<br />

<strong>Die</strong> KASSIERER - Sex mit dem Sozialarbeiter Freut sich<br />

auf: TOOL-Konzert im Dezember Geheimtip: BURNING<br />

SKIES - Desolation Enttäuschung: hätte <strong>von</strong> der neuen<br />

BIG-SANDY mehr erwartet<br />

Jens Kofoed-Pihl<br />

In der Anlage: CHEATING HEARTS - s/t |<br />

NULL$KATTE$NYLTERNE: Instinkt | SCOTT H. BIRAM<br />

: Graveyard Shift Mein liebster Punksong über ein<br />

Tier: BUCK OWENS : I‘ve Got A Tiger By The Tail Freut<br />

sich auf: Debut 7“ from KNICKY NICKERS Geheimtip:<br />

LOS CHICOS : Fat Spark! Enttäuschung: It couldn‘t be<br />

at ROTTERDAM RUMBLE (with SUPERCHARGER) each<br />

weekend<br />

Jörkk Mechenbier<br />

In der Anlage: THE OXFORD COLLAPSE - Remember<br />

The Night Parties | TELEMARK - Viva Suicid | SCA-<br />

RED OF CHAKA - Tired Of You Mein liebster Punksong<br />

über ein Tier: THE JESUS LIZARD - Fly on the wall Freut<br />

sich auf: SOMEONE STILL LOVES YOU BORIS YELTSIN -<br />

Broom Geheimtip: I AM BONES - Wrong Numbers Are<br />

Never Busy Enttäuschung: NEW YORK DOLLS - One Day<br />

It Will Please Us To Remember Even This<br />

Julia Gudzent<br />

In der Anlage: Amy Millan - Honey From The Tombs Justine<br />

Electra - Soft Rock RILO KILEY - The Execution Of<br />

All Things Mein liebster Punksong über ein Tier: JETS<br />

TO BRAZIL - Chinatown (geht das als Punk durch?) Freut<br />

sich auf: Justin Timberlake - Futuresex/Lovesounds Geheimtip:<br />

NOW IT‘S OVERHEAD - Dark Light Daybreak<br />

Enttäuschung: SUPERSYSTEM - A Million Microphones<br />

Katrin Schneider<br />

In der Anlage: BACKYARD BABIES - Stockholm Syndrome<br />

| AGAINST ME - Live In London | JOY DIVISI-<br />

ON Unknown Pleasures Mein liebster Punksong über<br />

ein Tier: WIZO - <strong>Die</strong> letzte Sau Freut sich auf: VOO-<br />

DOO RHYTHM - The Gospel Of Primitive Rock‘n‘Roll-<br />

DVD Geheimtip: FRAU MANSMANN - Zu Besuch in der<br />

Boppstraße<br />

Kay Wedel<br />

In der Anlage: SIERRA LEONE’S REFUGEE ALL STARS<br />

- Living Like A Refugee | Jackie Edwards I Feel So Bad<br />

| WANDERERS - Only Lovers Left Alive Mein liebster<br />

Punksong über ein Tier: NO TREND: Mindless little<br />

insects Freut sich auf: BAGIO - III Geheimtip: V.A. – Got<br />

The Feeling: Work Your Soul 2 Enttäuschung: Indietechnopop<br />

beim Betriebsfest<br />

Lauri Wessel<br />

In der Anlage: STRIKE ANYWHERE - Dead FM | Johnny<br />

Cash - American V: A Hundred Highways | SLAYER -<br />

Christ Illusion <strong>CD</strong> Mein liebster Punksong über ein<br />

Tier: PROPAGANDHI - Apparently I‘m a p.c. fascist Freut<br />

RE - Dead FM <strong>CD</strong> | 7. THERMALS - The Body The Blood<br />

LP | 8. TRAGEDY - Nerve Damage LP | 9. RISE AGAINST<br />

- Sufferer And The Witness LP | 10. LONELY KINGS - End<br />

Of Forever <strong>CD</strong> | 11. WORLD INFERNO FRIENDSHIP SOCI-<br />

ETY - Red Eye Soul <strong>CD</strong> | 12. BRONX - Bronx ´06 LP | 13.<br />

NOMEANSNO - All Roads Lead To Ausfahrt <strong>CD</strong> | 14. ALE-<br />

XISONFIRE - Crisis <strong>CD</strong> | 15. PEEPING TOM - Feat. Mike<br />

Patton <strong>CD</strong><br />

¡ GREEN HELL<br />

1. SAMIAM - Whatever‘s Got You Down LP/<strong>CD</strong> | 2. RADIO<br />

BIRDMAN - Zeno Beach LP/<strong>CD</strong> | 3. BETRAYED - Substance<br />

LP/<strong>CD</strong> | 4. ALEXISONFIRE - Crisis LP/<strong>CD</strong> | 5. SU-<br />

PERSUCKERS / EDDIE SPAGHETTI - Split 7“ | 6. DRAFT -<br />

In A Million Pieces lp+7“/<strong>CD</strong> | 7. THERMALS - The Body,<br />

The Blood, The Machine LP/<strong>CD</strong> | 8. WALLS OF JERICHO<br />

- With Devil Amongst Us All <strong>CD</strong> | 9. MONSTERS - It‘s<br />

Rock‘n‘Roll 7“ | 10. BONNIE PRINCE BILLY - The Letting<br />

Go LP/<strong>CD</strong>/2<strong>CD</strong> | 11. HOPE CONSPIRACY - Death Knows<br />

Your Name <strong>CD</strong> | 12. BELLRAYS - Have A Little Faith LP/<strong>CD</strong><br />

| 13. MASTODON - Blood Mountain <strong>CD</strong> | 14. MOTÖR-<br />

HEAD - Kiss Of Death LP/piclp/<strong>CD</strong>/lim.<strong>CD</strong> | 15. PALE -<br />

Brothers. Sisters. Bores! LP/2<strong>CD</strong><br />

sich auf: CONVERGE - No Heroes Geheimtip: WALLS OF<br />

JERICHO - With Devils Amongst Us All Enttäuschung:<br />

TOTAL CHAOS - 17 Years Of ... Chaos <strong>CD</strong><br />

Mario Turiaux<br />

In der Anlage: THE JAM - In The City | BOUNCING<br />

SOULS - The Gold Record | JOHNNY CASH - American<br />

V (A Hundred Highways) Mein liebster Punksong über<br />

ein Tier: TOYS THAT KILL - Birds In Catsuits Freut sich<br />

auf: THE UNDERGROUND RAILROAD TO CANDYLAND<br />

Geheimtip: BONES BRIGADE - Endless Bummer Enttäuschung:<br />

Das Wetter<br />

Myron Tsakas<br />

In der Anlage: Leonard Cohen – The Future | PENNY-<br />

WISE – Straight Ahead | Mey/Wader/Wecker – Das Konzert<br />

| Mein liebster Punksong über ein Tier: BITUME<br />

– Katze Freut sich auf: Olli Schulz und der Hund Marie<br />

Geheimtip: INDIGO JONES – 40 Miles<br />

Ollie Fröhlich<br />

In der Anlage: TRAGEDY Nerve Damage | GRAUGÄN-<br />

SE - Compilation | CASH - Hurt (Video) Mein liebster<br />

Punksong über ein Tier: OFFENDERS - I Hate Myself<br />

Freut sich auf: NAPALM DEATH live Geheimtip: WOLF-<br />

MOTHER live Enttäuschung: „Freunde“<br />

Robert Buchmann<br />

In der Anlage: LIFETIME - Somewhere in the Swamps<br />

of Jersey | Johnny Cash - American V | HÜSKER DÜ -<br />

New Day Rising Mein liebster Punksong über ein Tier:<br />

STRAY CATS – Stray Cat Strut Freut sich auf: SOCIAL<br />

DISTORTION – neue Platte Geheimtip: INSURGENT<br />

KID live Enttäuschung: LOST COMPADRES live<br />

Ross Feratu<br />

In der Anlage: KAADA Music For Moviebikers| TOM<br />

PETTY - Highway Companion | SHELLAC Terraform<br />

Mein liebster Punksong über ein Tier: RAMONES -<br />

Animal Boy Freut sich auf: BATTLE OF MICE - A Day<br />

Of Nights Geheimtip: MADE OUT OF BABIES - Coward<br />

Enttäuschung: Der überraschende Tod <strong>von</strong> JESSE PIN-<br />

TADO - R.I.P.<br />

Sebastian Wahle<br />

In der Anlage: RECEIVING END OF SIRENS - Between<br />

The Heart And The Synapse | RAZORLIGHT - s/t | SA-<br />

OSIN - Translating The Name Mein liebster Punksong<br />

über ein Tier: ÄRZTE - Claudia hat nen Schäferhund<br />

Freut sich auf: A STATIC LULLABY - s/t Geheimtip:<br />

KURHAUS Enttäuschung: THE NEW STORY<br />

Simon Brunner<br />

In der Anlage: LEMONHEADS - alles! Mein liebster<br />

Punksong über ein Tier: OUT OF ORDER - Chia Pet<br />

Freut sich auf: VARSITY DRAG - Vinyl Geheimtip: THE<br />

SAVANTS - Demo Enttäuschung: Nina Hagen in Pop<br />

Stars<br />

Simon Loidl<br />

In der Anlage: THE CHUCK NORRIS EXPERIMENT - Volume!<br />

Voltage! | SILVER – World Against World | WICKIE<br />

UND DIE STARKEN MÄNNER - Der Wettlauf Mein liebster<br />

Punksong über ein Tier: GG ALLIN - Girlie Sex Malibu<br />

Style Freut sich auf: AC/DC - nächstes Album Geheimtip:<br />

BRAIN DEAD – The Brighter Side Of Life Enttäuschung:<br />

DIE GOLDENEN ZITRONEN – Lenin<br />

Timbo Tilgner<br />

In der Anlage: PROFESSION REPORTER - The Lipstick<br />

Durability Test | EGOEXPRESS - Hotwire My Heart/We<br />

do wie du | HAMMERHEAD - Sterbt alle bald! (DVD )<br />

Mein liebster Song über ein Tier: Helge Schneider &<br />

Rocko Schamoni - Katzegeil Freut sich auf: NEIN NEIN<br />

NEIN/KAPUT KRAUTS - Bombing Your Kleinstadt Geheimtip:<br />

KURHAUS/ESCAPADO - Split-7“ Enttäuschung:<br />

ULTRAFAIRs „Alles Rogers, Onkel Heinz!?“ ist<br />

immer noch nicht draußen!<br />

Tobias Ernst<br />

In der Anlage: SLAYER - Christ Illusion | WALLS OF JE-<br />

RICHO - With Devils Amongst Us All | DRY KILL LO-<br />

GIC - Of Vengeance And Violence Mein liebster Punksong<br />

über ein Tier: AGNOSTIC FRONT - Pauly The Dog<br />

Geheimtip: Bonesaw Romance - s/t Enttäuschung: <strong>Die</strong><br />

Absage <strong>von</strong> Jamey Jasta bezüglich des Interviews, das ich<br />

sehr gerne geführt hätte.<br />

Zahni Müller<br />

In der Anlage: SLAYER-Christ Illusion | RISE AGAINST-<br />

The Sufferer & The Witness | TRAGEDY-Nerve Damage<br />

Mein liebster Punksong über ein Tier: TOY DOLLS-<br />

Nelly The Elephant Freut sich auf: NAPALM DEATH-<br />

Smear Campaign Geheimtip: I DEFY-On The Outside<br />

Enttäuschung: Saisonstart <strong>von</strong> GWD Minden<br />

<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 061<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 61 22.09.2006 20:50:29 Uhr


UP KIDS, dennoch klingen ASPEN IT IS nie nur wie eine<br />

der unzähligen Kopien. Schön ist auch, dass sich die Band<br />

genug Zeit für ihre Sachen nimmt. So kommt es, dass witzigere<br />

und ganz bestimmt auch authentische Texte auf die<br />

ein oder andere Pianomelodie treffen, wie zum Beispiel bei<br />

„Pipe dreams“: „We grew up on Nintendo, fraggle rock and<br />

G.I. Joe. Now I’ve got the key to the castle.“ Warum sollten<br />

ASPEN IT IS nicht einfach in die gleiche Schublade wie<br />

schon tausende Kopisten kommen? Weil sie besser, interessanter<br />

und nicht so aufdringlich sind wie all die anderen.<br />

Da gibt es nur eine Sache, eine klitzekleine Sache, die ich an<br />

ASPEN IT IS auszusetzen hätte: Manchmal kommt es mir so<br />

vor, als könnte Sänger Jessy Lee nicht so recht gerade singen<br />

und die Töne treffen. Mag an meinem ungeschulten Ohr<br />

liegen ... (50:27) (7) Sebastian Wahle<br />

AUTUMNS REGRET<br />

Manhatten Is Not Big Enough For Both Of Us M<strong>CD</strong><br />

bombback.de | Verdammt, verdammt, verdammt: <strong>Die</strong> sind<br />

gut, die sind richtig gut! „Manhatten Is Not Big Enough For<br />

Both Of Us“ ist das erste Lebenszeichen der Band aus dem<br />

Ruhrgebiet und verdeutlicht, dass AUTUMNS REGRET jetzt<br />

schon eine Band ist, die es mit den wirklich großen des Genres<br />

auf sich nehmen kann. Wenn ich die „wirklich Großen“<br />

schreibe, dann mein ich auch die richtig Großen: SOASIN,<br />

THE BLED und CHIODOS. <strong>Die</strong> sechs Tracks, jetzt mal das Intro<br />

und Outro ausgenommen, sind eine Ansammlung <strong>von</strong><br />

Hits, interessanten Songstrukuturen und tollen Gesangslinien<br />

(ey, das sind Hymnen). Besonders gut gefällt mir „Goodbye<br />

citylights“, ein Track mit riesigem Hitpotenzial. „So sad,<br />

we’ve been running after hours. We’ve been running into<br />

the industry, infected by the chemistry. To feel, these chains<br />

around your neck. Can’t detect what’s going on. In my head“<br />

(aus „Goodbye citylights“) <strong>Die</strong>se Songzeilen sollte man sich<br />

merken, kann nämlich sein, dass man sie bald überall singen<br />

wird, unter der Dusche, beim Autofahren oder auf einem<br />

der anstehenden Konzerte <strong>von</strong> THE AUTUMNS RE-<br />

GRET. Super Debüt <strong>von</strong> einer Band, deren Musiker zwar erst<br />

um die 16 Jahre alt sind, aber schon weit mehr drauf haben<br />

als 90 Prozent der Bands, die vermeintlich Screamo/Emo/<br />

Was-auch-immer machen. (9) Sebastian Wahle<br />

APOCALYPSE BABIES<br />

7“ Plus! <strong>CD</strong><br />

Alcoholocaust <strong>CD</strong><br />

The More You Drink ... <strong>CD</strong><br />

Vinyl Vera | Bei den Briten handelt es sich um weitere Band<br />

der ungezählten Epigonen der RAMONES, angereichert mit<br />

einem leichten Britpunkeinschlag. One, two, three und drei<br />

Akkorde für ein Halleluja, auf die die Welt nicht gerade gewartet<br />

hat. Damit wäre eigentlich schon alles gesagt, wenn<br />

ich in den Tiefen des Netzes nicht noch ein Statement der<br />

Band gefunden hätte, welches mich schwer erheiterte: „Record<br />

Labels are notorious liars, promising the world and<br />

then letting you down, usually after the recording has been<br />

completed (at the bands expense) after spending a small<br />

fortune recording the ‚Local Heroes‘ e.p in 1997 the band<br />

received a letter from the German label Radio Blast Records<br />

informing them they would not now be releasing the record!<br />

It was ‚a financial thing‘ apparently! Daz still aggrieved<br />

by the penalty shoot out in Euro ’96 threatened to ‚Kick the<br />

fuckin’ Kraut bastards heads in‘! But as he couldn’t afford<br />

the petrol to Dusseldorf, he decided to get pissed instead.<br />

The band lent him a pound for four cans of ‚Viborg‘“. Ja, ja,<br />

der Herr van Laak, ein notorischer Lügner, wer hätte das gedacht.<br />

Oliver Willms<br />

AVATAR<br />

Thoughs Of No Tomorrow <strong>CD</strong><br />

Gain/Cargo | Fünf Schweden haben Chuck Schuldiner zu<br />

dessen Lebzeiten wohl recht gut auf die Finger gesehen, ansonsten<br />

würde sich das Riffing nicht so DEATH-lastig anhören,<br />

aber kritisieren werde ich sie dafür beileibe nicht. <strong>Die</strong><br />

Melodiebögen steigen und fallen beständig, man kann die<br />

Fingerknöchel beinahe knacken hören. Auch ansonsten erkennt<br />

man das schwedische Original eben inmitten der Kopisten.<br />

AVATAR biedern sich nicht an, pfeifen auf aktuelle<br />

Strömungen und machen einfach melodischen Death Metal,<br />

egal wie beliebt er gerade ist. Auch wenn ihr DEATH und<br />

DARK TRANQUILLITY im Regal habt, gibt es für AVATAR<br />

durchaus eine Daseinsberechtigung, also ruhig mal reinhören.<br />

(6) (40:24) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

BONECRUSHER/OXYMORON<br />

Noize Overdose 2<strong>CD</strong><br />

Knock Out | Aus dem Hause Knock Out kommt<br />

dieses Split-Doppelalbum mit brandneuen Songs<br />

der kalifornischen BONECRUSHER und bisher<br />

unveröffentlichten Sachen und Live-Material<br />

B<br />

<strong>von</strong> OXYMORON. Von beiden Bands gibt es hier<br />

keine Überraschungen. BONECRUSHER bieten<br />

weiterhin kompromisslosen Streetpunk, der mal schneller<br />

und Hardcore-lastiger ausfällt, und sich dann mal wieder<br />

eher im Bereich Midtempo-Oi! bewegt. Nach wie vor machen<br />

sie ihre Sache einfach sehr gut, so dass ich <strong>von</strong> den acht<br />

Songs der Amis wie immer begeistert bin. Und OXYMO-<br />

RON? Na da kann man eigentlich nichts falsch machen bei<br />

mir. Da es sich hier gezwungenermaßen um alte Aufnahmen<br />

handelt, sind die Songs nicht weit entfernt vom letzten<br />

Album der Band „Feed The Breed“, was ich seinerzeit rauf<br />

und runtergedudelt hab, bis meine Nachbarn dem Wahnsinn<br />

nahe waren. Will sagen: Auch die <strong>Ox</strong>ys-Seite ist mein<br />

Freund. Geiles AC/DC-Cover auch. (47:33) (7/8)<br />

Claudia Luck<br />

HARLAN T BOBO<br />

Too Much Love <strong>CD</strong><br />

transsolarrecords.de | Der Anfang erinnert an Hawaii-<br />

Gitarren, deren Klänge ich jetzt nicht versuchen werde,<br />

schriftlich zu imitieren. <strong>Die</strong> ersten beiden Lieder kann<br />

man sich somit getrost schenken, richtig interessant wird es<br />

beim dritten Stück, „Stop“: Eine sehr gelungene Kombination<br />

aus gesprochenem Text, der in Gesang übergeht und wieder<br />

zurück, begleitet <strong>von</strong> der E-Gitarre und einem dezenten<br />

Schlagzeug. Ab hier kommt Harlan mehr in Fahrt, was<br />

jedoch bei „Too much love“ und „Zippers and jeans“ zuviel<br />

des Guten ist. Wo, wie bei den letzten vier Liedern, das<br />

Mittelmaß zwischen zu hohem Tempo und zögerlicher Zurückhaltung<br />

gefunden wird, kann sich das Album jedoch<br />

sehen lassen. (31:16) Myron Tsakas<br />

BALZAC<br />

Hits From Darkism <strong>CD</strong><br />

shocker-europe.com | <strong>Die</strong> japanischen MISFITS haben<br />

hier für ihre Fans ein ganz besonderes Schmankerl bereitgestellt.<br />

Sehr rar und limitiert, wird die „Hits From Darkism“<br />

sicher bald sehr heiß gehandelt. <strong>Die</strong> <strong>CD</strong> gab es bislang nur<br />

in Japan bei einer Handvoll Konzerte der Tour für Konzertbesucher<br />

und war auf eine pro Besucher limitiert. Ein paar<br />

wurden über den amerikanischen Fanclub verkauft und einige<br />

gehen jetzt über Shocker-EU raus. Zu hören gibt es auf<br />

der <strong>CD</strong> dreizehn zumeist etwas ältere Stücke <strong>von</strong> BALZAC,<br />

die aber allesamt neu eingespielt wurden, wie zum Beispiel<br />

„Psycho in 308“, „13 ghosts“, „Black sunday“ oder „Space<br />

vampire in silence noise“. Und BALZAC machen genau<br />

das, wofür sie auch bis nach Europa hin bekannt geworden<br />

sind. Sie spielen astreinen Horror-Punk. Das reicht manchmal<br />

an Thrash Metal heran, kommt dann aber im nächsten<br />

Augenblick plötzlich hymnisch-melodiös daher. Ähnlich<br />

also wie man es <strong>von</strong> ihren großen Vorbildern, den MIS-<br />

FITS, her kennt. Summa summarum eine <strong>CD</strong>, die sich der<br />

Fan dank des bisher unveröffentlichten Materials schnellstens<br />

besorgen muss, der BALZAC-Einsteiger bekommt einen<br />

guten ersten Eindruck vom Schaffenswerk der vier Japaner.<br />

(43:05) (7) Abel Gebhardt<br />

062 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />

BIGBANG<br />

Poetic Terrorism <strong>CD</strong><br />

Grandsport/Glitterhouse | Okay, Typen mit langen Haaren<br />

und Vollbart, deren schlaksige Körper in Schlaghosen stecken<br />

verbindet man auf Anhieb mit Retrorock, aber ich behaupte<br />

an dieser Stelle, der Begriff passt nicht. Ich erkenne<br />

doch Popmusik, wenn ich welche höre. Mich erschüttert allerdings<br />

die Tatsache, dass mir die Band bisher völlig unbekannt<br />

war, dabei ist dieses hier schon das sechste Album des<br />

Trios aus Norwegen – vorausgesetzt, ich habe richtig mitgezählt.<br />

Wie konnten die nur so an mir vorbeirauschen?<br />

Ich muss zugeben, ein paar Dinge rechtfertigen das „Retro“<br />

schon, zum Beispiel die Art, wie eine Gitarre gespielt wird,<br />

wie sie klingt, obwohl diese hier recht clean bleibt, und es<br />

ist auch ein gewisses Timbre beim Gesang, das man nur in<br />

ganz bestimmte Jahrzehnte einordnet. Aber ich bleibe dabei:<br />

<strong>Die</strong> elf Songs bedienen eben die niedrigsten Instinkte,<br />

die Musik bedienen kann. Sie sind hemmungslos melodiös<br />

und verbreiten gute Laune, weil sie so leichtfüßig daherkommen,<br />

und damit sind sie für mich schlicht Popmusik.<br />

Aber eigentlich ist es auch egal, wie man das Kind nennt,<br />

Hauptsache, es ist da. (39:02) (7) Christian Meiners<br />

BEAUTIFUL GIRLS<br />

We’re Already Gone <strong>CD</strong><br />

cornerstoneras.com/Cargo | Ursprünglich wollte sich Mat<br />

McHugh, der heutige Sänger und Songschreiber der BEAU-<br />

TIFUL GIRLS, damals nur ein paar Begleitmusiker suchen,<br />

und vielleicht ist es seinem starken Einzeleinfluss zu verdanken,<br />

dass diese Platte derart homogen wirkt. Reggae,<br />

Indierock und Singer|Songwriter sind die Grundbausteine<br />

für ein, trotz häufiger Off-Beats, kühl und gleichermaßen<br />

entspannt, wie konzentriert wirkendes Album. Oft dominiert<br />

die Akustikgitarre die Songs und Ben Harper mag<br />

einem in den Sinn kommen, Jack Johnson, DISPATCH oder<br />

auch Bradley Nowell <strong>von</strong> SUBLIME. Etwas deplatziert wirkt<br />

der – allerdings sehr schöne – Song „Girl, lately things have<br />

been changing“, ein groovendes Rockmonster, wie es MO-<br />

THER TONGUE nicht besser hinbekommen hätten. In ihrer<br />

Heimat Australien sind sie recht erfolgreich und wem es so<br />

schön gelingt, nachdenkliche Texte in ruhige und beruhigende<br />

Songs zu betten, sei dies gegönnt. (51:26) (8)<br />

Ferdinand Praxl<br />

BLACK MARIA<br />

A Shared History Of Tragedy <strong>CD</strong><br />

victoryrecords.com | So langsam kommt die Zeit, in der<br />

die bei der letztjährigen Victory-Metal-Emo-Offensive<br />

zahlreich gesignten Bands ihre Zweitwerke vorlegen und<br />

beweisen müssen, dass sie den Trend weiterführen können.<br />

THE FORECAST sind schon durch. SPITALFIELD kommen<br />

noch. <strong>Die</strong> smarten Boys <strong>von</strong> THE BLACK MARIA liegen heute<br />

zur Beurteilung vor. Im Vergleich zum Vorgänger „Lead Us<br />

To Reason“ (Victory, 2005) scheint „A Shared History Of<br />

Tragedy“ trotz Besetzungswechsel keine neuen Seiten ihrer<br />

Musik zu offenbaren. Vielleicht klingen THE BLACK MARIA<br />

etwas melodischer als vor einem Jahr. Immerhin können sie<br />

das Niveau halten. Nach wie vor liefert die Band den perfekten<br />

Soundtrack zum Emily-Strange-Outfit. Breitwandgitarren<br />

und Breitbandanschluss – die Party ist noch lange<br />

nicht vorbei. Solange wir noch keinen Chef haben, lassen<br />

wir uns tätowieren. Solange wir noch Haare haben, färben<br />

wir sie schwarz. Also lasst uns weiterfeiern! Solange wird<br />

aber für die Alben <strong>von</strong> THE BLACK MARIA gelten: Kennst du<br />

eins, kennst du alle. (42:19) (7) Arne Koepke<br />

BONES BRIGADE<br />

Endless Bummer <strong>CD</strong><br />

coalition-records.com | Yes! BONES BRIGADE können <strong>von</strong><br />

mir aus jeden Tag ein neues Album rausscheißen! Auch diesmal<br />

mag ungeschulten Ohren ein Lied wie das andere vorkommen,<br />

und auch diesmal<br />

gilt dasselbe für geschulte<br />

Ohren. Aber Junge,<br />

Junge, wenn nur jede<br />

fünfzigste Band so vor Energie<br />

strotzen würde, so<br />

ehrliche, auf den Punkt<br />

gebrachte und witzige<br />

Mittelfingertexte schreiben,<br />

oder einfach nur so<br />

souverän, cool und auf<br />

dem Boden geblieben<br />

daher kommen würde,<br />

könnte man sich die Diskussion<br />

sparen, ob Punkrock denn nun tot sei oder nicht. 1A<br />

Oldschool Hardcore-Punk mit Fuck-You-Attitüde, nicht<br />

unähnlich alten Größen wie RKL, DRI oder DS-13! Nach<br />

sechs Songs und neun Minuten mag man einen Schreck<br />

bekommen, dass der Spaß schon sein Ende gefunden hat.<br />

Umso schöner, dass dies – auch auf <strong>CD</strong> – nur das Ende der<br />

ersten Seite ist. Übrigens, wenn alles gut geht, sind sie bald<br />

mit DEAN DIRG auf Tour (Haha, aber in den Staaten!). Skate<br />

and annoy! (22:42) (10) Mario Turiaux<br />

BRIGGS<br />

Back To Higher Ground <strong>CD</strong><br />

Sideonedummy/Cargo | Kürzlich erst hatte ich das Vergnügen,<br />

die BRIGGS live zu erleben, und zwar zusammen<br />

mit den REAL McKENZIES im Schlachthof in Wiesbaden.<br />

Im Gegensatz zu letzteren kann ich bei den BRIGGS auch<br />

tatsächlich <strong>von</strong> einem Vergnügen sprechen. Dementsprechend<br />

freue ich mich über das neue Album, das wie der Vorgänger<br />

„Leaving The Ways“ <strong>von</strong> Joe Gittleman (ex-MIGHTY<br />

MIGHTY BOSSTONES, ex-AVOID ONE THING) produziert<br />

wurde. Und nach wie vor klingen die BRIGGS denn auch<br />

mehr nach Boston als nach L.A., was ich als großer Freund<br />

der Bostoner Szene nur begrüßen kann. Gerade das ausgefeiltere<br />

Songwriting und die streckenweise melancholischeren<br />

Songs erinnern mich stark an die DUCKY BOYS.<br />

Aber damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht, wir reden<br />

hier schon <strong>von</strong> astreinem Streetpunk mit massig Melodie<br />

und Gang-Vocals. Gleich der Opener „Back to higher<br />

ground“ lässt daran keinen Zweifel aufkommen. Aber was<br />

red’ ich: Muss man gehört haben. (36:22) (8) Claudia Luck<br />

BEYOND ALL REASON<br />

Words Of Betrayal <strong>CD</strong><br />

Ad Altriora | FUNERAL FOR A FRIEND! Oh ja! Und ich<br />

komm auch nicht da<strong>von</strong> weg. Nun ja, vielleicht ein bisschen:<br />

Wenn Sänger Venno zeigt, was er kann: Nämlich wie Bruce<br />

Dickinsen jaulen. Obwohl Jaulen ungerecht ist. Mir fehlen<br />

einfach nur die Worte: Ich bin total begeistert. Gesanglich<br />

auf jeden Fall schon interessanter als der Großteil der Emocore/Metalcore-Einheitsbrei-Bands,<br />

und musikalisch auf<br />

jeden Fall metallischer. Mann, bin ich aus dem Häuschen:<br />

<strong>Die</strong> sind echt gut. Und der Gesang – einfach herrlich. Dabei<br />

wollte ich BEYOND ALL REASON wegen ihres Namens und<br />

der Aufmachung <strong>von</strong> „Words Of Betrayal“ schon abfrühstücken.<br />

Oh, wie ich mir in den Hintern hätte beißen müssen.<br />

Jetzt mal alle hergehört die auf FUNERAL FOR A FRIEND<br />

stehen: Besorgt euch „Words Of Betrayal“. Sofort! (8)<br />

Sebastian Wahle<br />

BAD CO. PROJECT<br />

Sucker Stories <strong>CD</strong><br />

Knock Out | Interessant. Wenn man „Sucker Stories“ googelt,<br />

landet man automatisch auf diversen Pornoseiten, die<br />

ihren thematischen Schwerpunkt auf Oralverkehr zu haben<br />

scheinen. Wer hätt’s gedacht. Sucker ist jedoch, soweit mir<br />

bekannt ist, kein Pornostar, sondern der ehemalige Frontmann<br />

der grandiosen Streetpunk-Helden OXYMORON<br />

und veröffentlicht auf Knock Out unter dem Namen BAD<br />

CO. PROJECT neues Material, das er teilweise noch für seine<br />

alte Band geschrieben hat. Dementsprechend knüpft „Su-<br />

cker Stories“ beinahe nahtlos da an, wo OXYMORON mit<br />

„Feed The Breed“ aufhörten und dürfte daher für Fans eben<br />

jener Band genau das sein, wonach sie seit Jahren sehnsüchtigst<br />

gewartet haben. Obwohl wir es hier mehr oder weniger<br />

mit einem Ein-Mann-Projekt zu tun haben, hat sich Herr<br />

Sucker selbstredend Unterstützung <strong>von</strong> befreundeten Musikern<br />

geholt. Am Schlagzeug ist so zum Beispiel Andy <strong>von</strong><br />

MAD SIN zu hören (da Vom Ritchie <strong>von</strong> den TOTEN HOSEN<br />

keine Zeit hatte). Auch Olaf <strong>von</strong> den STAGE BOTTLES, Marti<br />

und Stephan <strong>von</strong> FRONTKICK und Quicker <strong>von</strong> THE VOICE<br />

mischen auf „Sucker Stories“ mit. (54:22) (7) Claudia Luck<br />

BLADE OF THE RIPPER<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

devildollrecords.com | BOTR katapultieren Heavy Metal<br />

ins neue Jahrtausend. Dabei merkt man, dass sie in den<br />

70ern aufwuchsen, in den 80ern musikalisch sozialisiert<br />

wurden und in den 90ern in Bands wie NASHVILLE PUSSY<br />

und den HOOKERS spielten. Dabei möchte ich vorweg nehmen,<br />

dass mit dieser Tatsache selbstverständlich geworben<br />

wird. Doch handelt es sich keineswegs um Masterminds wie<br />

meinetwegen Blaine Cartwright, nein, in genannten Bands<br />

hat nur eine Person gespielt. Und dieser Kerl ist hauptsächlich<br />

Kopf der weltbekannten Metal-Legende, ähem, BROT-<br />

HERS OF CONQUEST. Namedropping der harten Gangart<br />

also. Wie auch immer, BOTR spielen eine moderne und hart<br />

rockende Mischung aus Thrash und Power Metal, und mischen<br />

einen guten Schuss Rock’n’Roll bei. Um beim Namedropping<br />

zu bleiben: Interessierte dürfen sich die Schnittmenge<br />

<strong>von</strong> METALLICA, MISFITS und SMOKEBLOW vorstellen.<br />

Allerdings wird diese nach ein paar Songs recht eintönig.<br />

Trotzdem, die Jungs meinen es ernst! (33:26) (7)<br />

Mario Turiaux<br />

BLOTCH<br />

Chewed To Bits By Flying Rodents <strong>CD</strong><br />

Normal Rec & Finest Noise/Radar | Im Info fragt die Band<br />

„Dance Musik mit Rock-Instrumenten? Und ohne Loops<br />

und Samples? Geht das denn überhaupt?“ – und ich antworte,<br />

ja, es gibt sie noch, die gute alte Instrumentalmusik<br />

mit Schlagzeug, Bass und zwei Gitarren. <strong>Die</strong> zwölf Titel<br />

auf „Chewed To Bits By Flying Rodents“ wirken aber ganz<br />

und gar nicht zerkaut. <strong>Die</strong> vier Nager aus Köln/Bonn haben<br />

ein Händchen für ruhige und sphärische Klänge, da möchte<br />

man meinen, es handelt sich hier um den Soundtrack einer<br />

Grönland-Dokumentation. Zum Glück gehen BLOTCH<br />

nicht so ruhig wie SIGUR RÓS zur Sache und manchmal,<br />

für mich leider etwas zu selten, lärmt es auch aus der Industrial-Ecke,<br />

aber nicht so wild wie bei FOETUS. Das<br />

wohlstrukturierte Album ist nicht schlecht, aber so richtig<br />

springt der Funke nicht über, dafür dümpeln mir einfach zu<br />

viele Songs im House-Sumpf herum. (42:45) (6) Kay Wedel<br />

BONESAW ROMANCE<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

bosstuneage.com/Cargo | Mal wieder ein Fall für die Frage<br />

„Was macht eigentlich ...“? In diesem Fall ersetzten wir die<br />

drei Punkte durch den Namen Scott Reynolds, einst Sänger<br />

<strong>von</strong> ALL, dann unter dem Namen GOODBYE HARRY tätig<br />

und in jüngerer Zeit mit den PAVERS unterwegs. Der hat<br />

mit BONESAW ROMANCE mittlerweile eine neue Band am<br />

Start und lässt da in Sachen basalen Rocks die Hosen runter:<br />

Mittendrin wird AC/DCs „Whole lotta Rosie“ gecovert,<br />

und wer das tut, ist mutig und stellt sich offensiv der Kritik.<br />

Doch ganz eindeutig, BONESAW ROMANCE und vor allem<br />

Reynolds’ rauhes Organ reißen es raus, keine Spur <strong>von</strong><br />

peinlichem Cover-Rock, sondern eine originalgetreue, wilde,<br />

extrem kickende Neueinspielung eines Überklassikers,<br />

an dem man sich als Band sehr schnell die Zähne ausbeißen<br />

kann. AC/DC sind ganz klar Programm hier, offensichtlich<br />

aber auch Jimi Hendrix, dessen „Fire“ ebenfalls gecovert<br />

wird, zu dem ich aber keine besondere Meinung habe. Etwas<br />

Punkrock dazu, und fertig ist ein nach „Spaß mit Bier“ klingendes<br />

10-Song-Album, das nicht gerade innovativ ist, aber<br />

dafür mit so grandiosen Songtiteln (und -texten) wie „Mucho<br />

mega douche fuck“ und „Gucci“. Reynolds-Fans sollten<br />

zugreifen. (35:07) (7) Joachim Hiller<br />

DEREK BAILEY<br />

To Play: The Blemish Sessions <strong>CD</strong><br />

SamadhiSound/Galileo MC | Im Dezember letzten Jahres<br />

verstarb der „Jazz“-Gitarrist Derek Bailey im Alter <strong>von</strong> 75<br />

Jahren. Seit den 60ern war Bailey bekannt für seinen ungewöhnlichen<br />

avantgardistischen Stil, den Leute mit schwachen<br />

Nerven wahrscheinlich mit dem Stimmen einer Gitarre<br />

gleichsetzen werden, denn sein Umgang mit diesem<br />

Instrument entspricht in gewisser Weise John Cages Umgang<br />

mit dem Klavier. Überwiegend disharmonische, improvisierte<br />

Texturen, die eher fordernd als unterhaltsam<br />

sind. Posthum veröffentlichte David Sylvian jetzt auf seinem<br />

Label SamadhiSound die komplette Session mit Bailey,<br />

<strong>von</strong> der er Teile bereits für sein „Blemish“-Album <strong>von</strong><br />

2003 verwendet hatte. Gab es da noch Sylvians Gesang dazu,<br />

bekommt man Bailey hier in der ursprünglichen, ungefilterten<br />

Fassung geliefert. Acht unbetitelte instrumentale Gitarrentracks,<br />

durch ihre radikale Klangästhetik gleichzeitig<br />

faszinierend, wie die Ohren strapazierend, denn es erfordert<br />

schon eine gewisse Geduld und Aufgeschlossenheit, innerhalb<br />

dieser Free-Style-Disharmonie auch Baileys Sinn für<br />

melodischere Momente zu entdecken. Ganz klar, das hier ist<br />

keine Platte für jedermann und auch für Sylvian-Fans ist das<br />

ein ganz harter Brocken, was aber nicht die grundsätzlichen<br />

Qualitäten dieses brillanten Gitarristen mindert, der seinem<br />

Instrument immer wieder wirklich erstaunliche Klänge abringt.<br />

(8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

BIRDS OF A FEATHER<br />

Our Aim <strong>CD</strong><br />

crucialresponse.com | Klassischer Youth Crew-Style-Hardcore<br />

mit dem alten MAINSTRIKE- und NO DENIAL-Sänger<br />

sowie einigen anderen älteren Holländern. Eigentlich<br />

könnte das Review hier auch schon vorbei sein, aber im Gegensatz<br />

zu so vielen anderen europäischen Bands, die diesen<br />

Stil in den letzten Jahren auf <strong>CD</strong>s und Vinyl gebannt haben,<br />

haben BIRDS OF A FEATHER wenigstens richtig Druck<br />

hinter den Songs, die größtenteils auch langsamere Passagen<br />

(keine Moshparts in diesem Fall) enthalten, und so zur<br />

Abwechslung beitragen. <strong>Die</strong> Platte gab es auch auf Vinyl, zusammen<br />

mit dem ganz netten Voice Of A Generation-Zine<br />

aus dem Hause Crucial Response. Und Liebhaber dieses Labels<br />

werden sich die Platte eh besorgen. Alle anderen sollten<br />

zumindest mal ein Ohr drauf werfen. (13:08) (7)<br />

Fabian Dünkelmann<br />

BLACK KEYS<br />

Magic Potion <strong>CD</strong><br />

V2/Rough Trade | Neues Label, neues Glück, nach Alive<br />

und Fat Possum – da erschien zuletzt noch ihre Junior Kimbrough<br />

Tribute-EP – heißt es jetzt in den Staaten Nonesuch,<br />

eher mal Hort gepflegten Rocks für Menschen im gesetzten<br />

Alter, und hierzulande eben V2. Große Überraschungen<br />

gibt keine zu vermelden beim Duo Dan Auerbach und Patrick<br />

Carney aus Akron, OH, die mit einer Gesang/Gitarre/Schlagzeug-Basis<br />

erneut einen höchst knackigen Bluesrock<br />

hinlegen, mehr 70er-Rock als Delta-Blues, aber das<br />

kennt man ja bereits <strong>von</strong> ihren älteren Platten. Auffallend<br />

ist höchstens, dass man das Krach-Level etwas zurückgefahren<br />

hat, das heißt, die BLACK KEYS werden diesmal auch<br />

für Menschen verdaulich, die die WHITE STRIPES für eine<br />

Bluesband halten. Und das ist manchmal schlichtweg etwas<br />

langweilig, auch wenn es vollkommen okay geht, dass Carney<br />

und Auerbach wegkommen wollen vom reinen Gitarrengewichse,<br />

hin zu ausgeklügelteren, abwechslungsreicheren<br />

Songs. Da muss man selbst entscheiden, welchen Grad<br />

an Sophistication so eine Musik verträgt, wobei mir persön-<br />

lich ein wenig das Aggressionspotenzial der ersten Platten<br />

fehlt. Es ist sowieso irritierend, wie plötzlich jeder auf diese<br />

Band abgeht, die hier aber bestimmt nicht ihre beste Platte<br />

aufgenommen hat. Schlecht ist „Magic Potion“ natürlich<br />

auch nicht, aber etwas zu sehr mit dem Makel <strong>von</strong> „adult<br />

orientated rock“ behaftet, und da höre ich mir doch ehrlich<br />

gesagt wesentlich lieber das letzte BELLRAYS-Album an, das<br />

deutlich mehr Soul besitzt. (7) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

BANKRUPT<br />

Shorter Than Danny DeVito M<strong>CD</strong><br />

Piarrecord | <strong>Die</strong> musikalische Globalisierung macht auch<br />

vor der ungarischen Hauptstadt nicht Halt. Und so finden<br />

wir in Budapest mit BANKRUPT eine Band, die einen solch<br />

amerikanischen Pop-<br />

Punk spielen, dass man<br />

nicht glauben mag, hier<br />

einer ehemaligen Ost-<br />

Block-Band zu lauschen.<br />

BANKRUPT stehen ganz<br />

in der Tradition <strong>von</strong> Bands<br />

wie SCREECHING WEA-<br />

SEL, BEATNIK TERMI-<br />

TES oder den PARASITES<br />

mit einem Schuss Orange<br />

County. Hört sich gut an,<br />

oder? Ist es auch. Elf Songs<br />

in weniger als 22 Minuten<br />

lassen jeden Freund <strong>von</strong> catchy Punkrock-Tunes vor Begeisterung<br />

frohlocken. Natürlich darf mit „Farewell to the creetins“<br />

auch eine Hommage an die RAMONES nicht fehlen.<br />

Und mit dem Albumtitel „Shorter Than Danny DeVito“ beweist<br />

die Band dann auch das nötige Gespür für Selbstironie<br />

und Witz. Das spiegelt sich dann auch in den nicht immer<br />

ganz so bierernsten Texten wie „Baby has got bird flu“ wieder.<br />

Ein kurzweiliges, sehr unterhaltsames Album. (20:48)<br />

(8) Abel Gebhardt<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

BLUETONES<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

Cooking Vinyl | Weit weg <strong>von</strong> all dem Britpop-Gemetzel<br />

toben sich die BLUETONES in ihrem kleinen Indiepop-<br />

Kosmos aus. Seit mehr als 10 Jahren gibt es <strong>von</strong> den beiden<br />

Brüdern Mark und Scott aus England die passende Musik<br />

für das tägliche Kännchen Tee. Hoch die Tassen, mit ganzer<br />

Wucht gegen die Wand, aufstehen und sich an diesem Indie-Gedöns<br />

erfreuen. Wir sprechen hier nicht <strong>von</strong> der Kategorie<br />

„New Wave Britpop“ oder wie auch immer, sondern<br />

<strong>von</strong> etwas was den frühen Sachen <strong>von</strong> BLUR, PULP und<br />

der Pfannekuchenfreude der MONKEES. Mit „Surrender“<br />

ein grandioser erfreulicher Anfang, gerade ist es auch draußen<br />

noch mal heiß geworden und das Piano und dieser locker<br />

leichte Fruchtaufstrich, ähem, diese angenehme Stimme,<br />

die einem zwar ein Gefühl <strong>von</strong> Freundschaft gibt, einem<br />

aber keinerlei Meinung aufzwingt. <strong>Die</strong> Band ist aufregend,<br />

Indiepop, keine Spur <strong>von</strong> Melancholie oder da<strong>von</strong>,<br />

einen Aufstand gegen die politischen Missstände anführen<br />

zu müssen. Es geht eher um Kanalschwimmer, Schätze des<br />

Alltags, die kleinen Wehwehchen. Seit ihrem Debüt „Expecting<br />

To Fly“ ist kein bisschen der Melodieverliebtheit verloren<br />

gegangen, das sind ganz klar die BLUETONES in ihrer<br />

eigenen kleinen Welt. (9) Martha Biadun<br />

BLAKHIV<br />

Any Way She Wants It M<strong>CD</strong><br />

lucidrecords.net | Der Name klingt ja eher nach Osteuropa,<br />

aber falscher könnte man damit bei dieser Band geografisch<br />

nicht liegen, kommt sie doch aus Island. Und wer<br />

bei Island maximal an esotherische Sounds à la SIGUR RÓS<br />

denkt, liegt ein weiteres Mal daneben, denn THE BLAKHIV<br />

sind extrem erdige Rocker, die sich selbst auf AC/DC und<br />

THE STOOGES beziehen, aber peinlicherweise im Bandinfo<br />

auch auf THE DARKNESS verweisen, und das geht ja nun<br />

mal gar nicht. Zudem ihr Hardrock-Ansatz ein recht trendiger<br />

ist, ihr Sound eher spitz als wuchtig, und ihr Frontmann<br />

(der mit 75 Prozent Wahrscheinlichkeit Björn heißt)<br />

kiekst eher dancepunkig als rockerig zu brüllen. Von daher<br />

klingt das hier eher nach Moderock für Typen mit Mode-Iro<br />

und teuren Puma-Sneakern an den Füßen, die am Wochenende<br />

mal die Sau rauslassen wollen. Andererseits spricht für<br />

die Band, dass hier (Ex-)Mitglieder <strong>von</strong> THESE ARMS ARE<br />

SNAKES und BRAID mitgewirkt haben ... (10:47) (7)<br />

Joachim Hiller<br />

BURNING SKIES<br />

Desolation <strong>CD</strong><br />

lifeforcerecords.com | Nach ihrem Debüt „Murder By<br />

Means Of Existence“ (2004) dreschen uns BURNING SKI-<br />

ES aus Englands Südwesten nun die zweite Platte um die<br />

Ohren. Dabei raus gekommen ist ein lärmender, zeitweise<br />

groovender Brocken aus Grindcore und Death Metal, der<br />

so schwer im Magen liegt wie ein Kilo rostiger Nägel. Dafür<br />

sorgen nicht nur wuchtiges Doublebass-Geballer und<br />

derbe schneller, sägender Gitarrensound, sondern insbesondere<br />

Frontmetzger Merv, der mal keift wie Knusperhexe<br />

und dann wieder grunzt und grawlt wie der erste Mensch<br />

– Respekt! Im Gegensatz zum Debüt klingt das hier alles<br />

eine Nummer brutaler und mehr nach Grind-als Metalcore,<br />

wobei reine Grindcore-Liebhaber nicht immer ganz zufrieden<br />

sein werden, dem „Verein Jugendfreunde CALIBAN<br />

e.V.“ die Scheibe eine Nummer zu hart sein könnte. Ein gelungener<br />

musikalischer Presslufthammer ist es aber allemal.<br />

(30:44) (8) Carsten Hanke<br />

BITE THE BULLET<br />

The Return Of The Unrich & Ugly <strong>CD</strong><br />

coretexrecords.com/Rough Trade | Man ist fast versucht<br />

zu sagen, dies wäre eine Band <strong>von</strong> Waffennarren, denn Bassist<br />

Frank war seinerzeit bei SCATTERGUN, während Sänger<br />

Nick <strong>von</strong> den KNATTERTONES (sic!) früher bei UNDER<br />

THE GUN aus England spielte, und gebucht werden BITE<br />

THE BULLET auch immer nur zusammen mit Bands wie<br />

PISTOL GRIP oder EAT THE GUN! Wobei dreißig Jahre nach<br />

der Stunde Null gegen einen Kugelhagel aus mittelschnellen<br />

77er-Hymnen im Geiste der 80er mit den Mitteln der 90er<br />

nichts zu sagen bleibt, sofern man schon die Melodien behalten<br />

und mit nach Hause nehmen darf. Außer vielleicht,<br />

dass die moderne Produktion zu Gunsten der dominierenden<br />

Melodik absurderweise ausgerechnet Schlagzeugerin<br />

Marinas Hintergrundgesang als harmonischen Kontrapunkt<br />

zu Nicks rauchigem Timbre zu verschlucken scheint.<br />

Das Fehlen des Demo-Tracks „Chainsaw girl“ schmerzt da<br />

besonders. <strong>Die</strong> Texte der 13 Lieder atmen ein Lebensgefühl<br />

zwischen Gesellschaftsekel und Aufbegehren, vergessen<br />

nach Verziehen des Pulverdampfes aber auch den Spaß zwischendurch<br />

nicht. Stilreiner Punk mit SPIZZ ENERGY-Cover<br />

<strong>von</strong> starkem Kaliber. (29:18) (9) Walmaul<br />

ERIC BACHMANN<br />

To The Races <strong>CD</strong><br />

Saddle Creek | Eine der unangenehmen Nachwirkungen<br />

der 68er-Generation sind Alt-Hippies, die noch immer in<br />

ihren Vans leben und am besten zu allem Übel auch noch<br />

barfuß laufen. Eric Bachmann scheint einer <strong>von</strong> dieser Sorte<br />

zu sein, wird doch als eines der Hauptmerkmale seiner<br />

Musik angegeben, dass er alle Songs auf „To The Races“ im<br />

Sommer 2005 in dem Van geschrieben hat, in dem er damals<br />

lebte – einfach so, weil er wohl gerade Bock drauf hatte.<br />

Eine unverständliche Entscheidung, sind doch die Vorteile<br />

einer Wohnung, im Besonderen zum Beispiel eines Kühlschranks,<br />

im Sommer kaum zu übersehen. Wahrscheinlich<br />

vermitteln deswegen seine Songs auch ein hippiesques Gefühl<br />

der Abneigung. (3) Julia Gudzent<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 62 22.09.2006 20:50:32 Uhr


DRONES<br />

Gala Mill <strong>CD</strong><br />

ATP/R | Eines der imposantesten Alben des letzten Jahres<br />

war mit Sicherheit „Wait Long Enough By The River<br />

And The Bodies Of Your Enemies Will Float By“. Nach<br />

der im Frühjahr erschienen Outtake/Rarities-Kompilation<br />

„Miller’s Daughter“ (auf Bang!) liegt nun der reguläre<br />

Nachfolger „Gala Mill“ vor. <strong>Die</strong> Erwartungen waren groß,<br />

und sie werden vollauf erfüllt. Weggesperrt auf einer Farm<br />

im menschenleeren Tasmanien, spielte der australische Vierer<br />

um Sänger und Gitarrist Gareth Liddiard „Gala Mill“ ein.<br />

<strong>Die</strong> sieben Eigenkompositionen plus zwei Cover („I looked<br />

down the line and I wondered“, „Are you leaving for the<br />

country“) – zwischen vier und neuneinhalb Minuten lang –<br />

knüpfen konsequent an die Stärken des Vorgängers an. Musikalische<br />

und lyrische Epen, die in kleinen Clubs, aber auch<br />

in Stadien vorstellbar sind. Liddiard ist ein Erzähler, der mit<br />

unverwechselbar gepeinigter Stimme Geschichten <strong>von</strong> Verderbnis<br />

und aussichtslosem, falsch verstandenem Heldentum<br />

erzählt, vom sinnlosen Niedermetzeln <strong>von</strong> Millionen<br />

im Maschinengewehrfeuer des Ersten Weltkrieges bis zu öffentlichen<br />

Hinrichtungen, die im 21. Jahrhundert per Videokamera<br />

festgehalten werden („Jezebel“). Mal unendlich<br />

langsam und spartanisch instrumentiert („From the executioner<br />

to Alexander Pearce“, Work for me“), mal dreckig<br />

nach vorne rockend („I don’t ever want to change“). Wer<br />

jetzt an den frühen Nick Cave denkt, liegt nicht falsch. Aber<br />

Liddiard und THE DRONES gehen eine Stufe tiefer, dorthin,<br />

wo es noch dunkler ist. <strong>Die</strong> Größe der DRONE’schen<br />

Alben liegt in Details, die sich erst nach mehrmaligem Hören<br />

erschließen. <strong>Die</strong> Weiterentwicklung <strong>von</strong> „Wait Long ...“<br />

zu „Gala Mill“ beschreibt Liddiard selbst: „From perfect to<br />

divine“ (aus „I‘m here now“). Höhepunkte auf „Gala Mill“<br />

gibt es viele. Anspieltipps keine. Dazu sind THE DRONES zu<br />

facettenreich und das Album als Ganzes zu spannend. Unfassbar<br />

gut! (54 56) (10) Andreas Hüther<br />

DEATH BREATH<br />

Stinking Up The Night <strong>CD</strong><br />

blacklodge.se/Rough Trade | Scheiß was auf 1977, Post-<br />

Punk, 83er Hardcore oder Indierock, in meiner Jugend<br />

hieß meine ganz persönliche Revolution, meine musikalische<br />

Sozialisation in erster Linie Death Metal. Okay, da gab es<br />

durchaus noch andere Sachen, die mich begeisterten, aber<br />

was Platten wie „Left Hand Path“, „Scream Bloody Gore“<br />

„Cause Of Death“, „Harmony Corruption“, „Warmaster“<br />

oder „Symphonies Of Sickness“ bei mir ausgelöst haben,<br />

das war verdammt noch mal prägend für meine junge, unschuldige<br />

Seele. Und auch wenn sich mein Geschmack in<br />

späteren Jahren immer weiter weg vom Metal bewegt hatte,<br />

ganz vergessen habe ich meine Lieblinge nie und in letzter<br />

Zeit erwische ich mich immer häufiger dabei, statt Punkrock<br />

vor allem wieder die Klassiker des Death Metals aus<br />

dem Schrank zu ziehen. Ich weiß nicht ob es HELLACOP-<br />

TERS-Boss Nicke Andersson ähnlich ging, als er zusammen<br />

mit Robert Pehrsson und Mange Hedquist DEATH BREATH<br />

gründete, ob ihm nach all den Jahren Rockgefurzes das gute,<br />

alte Geknüppel gefehlt hat, das er einst mit NIHILIST und<br />

ENTOMBED genreprägend mitentwickelte: Fakt ist, dass die<br />

drei mit „Stinking Up The Night“ und Unterstützung <strong>von</strong><br />

Jörgen Sandström (ex-GRAVE) und Scott Carlson (ex-RE-<br />

PULSION) eine lupenreine Death Metal-Platte aufgenommen<br />

haben, die selige Erinnerungen an frühe DEATH, MAS-<br />

SACRE, REPULSION, AUTOPSY (deren „Severed Survival“<br />

muss ich auch mal wieder rauskramen) und – natürlich –<br />

NIHILIST und ENTOMBED sowie zig andere Vertreter des<br />

ganz frühen Death Metals wecken. Ob es an ihren über die<br />

Jahre gesteigerten musikalischen Fähigkeiten liegt, oder daran,<br />

dass sie einfach wissen, wie Death Metal zu klingen hat,<br />

„Stinking Up The Night“ wäre, wenn 1990 oder so erschienen,<br />

heute eventuell seinerseits ein Klassiker und ist mal<br />

eben das Beste, was seit langer Zeit in diesem Genre entstanden<br />

ist. Und dass die Jungs das Ganze mit einem starken Augenzwinkern<br />

und viel Humor – da reicht ja schon ein Blick<br />

auf den Bandnamen in Verbindung mit dem Albumtitel –<br />

angegangen sind, macht es nur noch besser. <strong>Die</strong> Krönung<br />

dieser Zeitreise ist, dass nach dem Willen der Band – so wie<br />

früher – nur Tapes als Promos verschickt wurden und mein<br />

olles Tapedeck das Ding natürlich – auch ganz so wie früher<br />

– beim dritten Durchlauf gefressen hat. Bandsalat! Wie lange<br />

ist es her, dass ich mich mit so was rumschlagen musste? Irgendwie<br />

habe ich es vermisst. (10) André Bohnensack<br />

ENVY<br />

Insomniac Doze <strong>CD</strong><br />

rockaction.co.uk/PIAS | Angesichts eines erst wenige<br />

Tage zurückliegenden MOGWAI-Konzertes bin ich in Sachen<br />

ENVY nun zum Vertreter der Konvergenz-Theorie geworden:<br />

Auf dem Nachfolger des vor zwei Jahren auf Rock<br />

Action erschienenen „A Dead Sinking Story“-Albums haben<br />

sich die Japaner noch stärker ihren Mentoren angenähert,<br />

über weite Strecken noch mehr vom Hardcore entfernt<br />

und sich epischer Klangmalerei zugewandt – ohne jedoch<br />

die dramatischen, sich immer weiter steigernden, dramatischen<br />

Passagen zu vernachlässigen. Frontmann Tetsuya<br />

hat sein heiseres Organ, mit der er so trefflichst waidwund<br />

brüllen kann, nicht eingebüßt, in seiner Stimme ist<br />

so viel Schmerz, Verzweiflung und Enttäuschung, dass da<strong>von</strong><br />

eine ganze Hundertschaft lahmer Emo-Bands zehren könnte<br />

– und im nächsten Moment ist dann schon wieder Ruhe,<br />

machen ENVY, etwa bei „Night in winter“, moody Stimmungsmusik,<br />

die man stellenweise auch als Untermalung<br />

zu Natur-Dokus verwenden könnte. Da sind sie wieder nah<br />

dran am Soundtrack, doch bevor es gar New Age-kitschig<br />

oder schwülstig werden könnte, brechen Schlagzeug, Gitarre,<br />

Bass und eben Tetsuya wie blutrünstige Bestien aus dem<br />

Unterholz hervor ... Zusammen mit denn aber doch wieder<br />

etwas anders gelagerten, weicheren AMUSEMENT PARKS<br />

ON FIRE sind ENVY, die sich bei zwei Songs bis jenseits der<br />

10- beziehungsweise 15-Minuten-Grenze vorwagen, derzeit<br />

definitiv eine der mitreißendsten Bands dieses bislang<br />

noch namenlosen Genres. (57:51) (9) Joachim Hiller<br />

LEMONHEADS<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

vagrant.com | Evan Dando ist zurück. Wer, wie, was, warum<br />

kann man im Interview nachlesen. Nachdem Evan wegen<br />

seiner Drogenexzesse schon fast abgeschrieben wurde,<br />

die beiden Soloalben in der Zwischenzeit mehr Appetizer<br />

als eine ganze Mahlzeit waren, ist er jetzt mit einem kraftvollen,<br />

typischen LEMONHEADS-Album zurück, zehn Jahre<br />

nach „Car, Button Cloth“. <strong>Die</strong> LEMONHEADS der Achtziger<br />

sind auch im Jahr 2006 Geschichte. Das Produktinfo<br />

spricht <strong>von</strong> einer Fortsetzung der „Best-Of Atlantic Years“.<br />

Mit dieser Behauptung bewegen wir uns auf dünnem<br />

Eis, aber je öfter ich „The Lemonheads“ höre, umso mehr<br />

stimme ich dieser These zu. Das selbst betitelte Werk ist für<br />

mich eine Art Fusion der besten Momente der Alben „Lick“,<br />

„Lovey“, „Come On, Feel The Lemonheads“ und „Car, Button<br />

Cloth“. Rock, Country und ein Hauch Psyche überwiegen.<br />

Der lässige Punkpop <strong>von</strong> „It’s A Shame About Ray“ fehlt.<br />

„The Lemonheads“ musste bei mir erst reifen, da die Songs<br />

komplexer arrangiert sind. Wie liebe ich doch diese einzigartigen,<br />

wundervollen Melodien, diese sanfte, sonore Stimme,<br />

das unverkennbare Gitarrenspiel, das mit J. Mascis (DI-<br />

NOSAUR JR.), der übrigens auch ein Gastspiel auf diesem<br />

Album gibt, Alternative, Independent oder Punkpop geprägt<br />

hat. Evan Dando komponiert, kreiert und produziert zeitlose<br />

Musik, egal ob 1986, 1996 oder im Jahr 2006. Das ist für<br />

mich das Wesentliche an den LEMONHEADS, die mir all die<br />

Jahre, in welcher Besetzung auch immer, so sehr ans Herz<br />

gewachsen sind. Ein großartiges Comeback eines einzigartigen<br />

Songwriters, der für mich nur im Namen der LEMON-<br />

HEADS Großes vollbringt. (34:45) (10) Simon Brunner<br />

PENDIKEL<br />

Don’t Cry, Mondgesicht <strong>CD</strong><br />

blunoise.de/Alive | „Stell dir vor: im Plattenladen vorm<br />

Buchstaben ‚P‘ großes Gedränge“, singt PENDIKELs Carsten<br />

Sandkämper im „La Chanson Parfeite“. Und das kann ich<br />

mir bildhaft vorstellen, denn ich würde ohne große Umschweife<br />

behaupten, unter „P“ stehen die beiden besten<br />

deutschen Bands (die andere ist natürlich PECHSAFTHA)!<br />

Doch wie das so ist mit Lieblingsbands, man liebt sie, weil sie<br />

sich nicht verändern, und wenn sie es doch tun, muss man<br />

sie trotzdem lieben. Zumindest geht es mir so mit PENDI-<br />

KEL. Kraut-, Noise- und Postrock haben sie schon immer<br />

miteinander kombiniert, ohne dass es alt oder bekannt geklungen<br />

hätte oder vor allem zu sehr rockistisch. Auf den<br />

ersten beiden Alben wütete noch der Noiserock, auf der „3“<br />

plötzlich Stille, wichtig waren die Zwischentöne, und gefehlt<br />

haben die beiden, die zu WATERDOWN und GOTO<br />

OKAY gegangen waren. Immer noch zu zweit sind Carsten<br />

und Oliver zum vierten Mal zu Guido Lucas gegangen, ein<br />

Jahr lang immer wieder. Post ist geblieben, Noise ist zurückgekehrt,<br />

wenn auch nicht so rabiat wie früher, dafür schlägt<br />

mehr als früher der Hang zum epischen 70er Jahre Progrock,<br />

ja gar zur Rockoper durch. Wo Hamburger Schule früher<br />

immer aus der Ferne grüßte, ist das neue Album ein gestreckter<br />

Mittelfinger an Hamburg und Berlin, an Quoten-<br />

und Frohsinns-, Betroffenheits- und Revisionismuspop,<br />

eine Absage an Aussaglosigkeit, ein wütendes Pamphlet gegen<br />

Beliebigkeit, ein Manifest voller Dringlichkeit, und vor<br />

allem eine wahre Zitathölle – musikalisch und textlich –<br />

<strong>von</strong> BLUMFELD bis BRÜLLEN, <strong>von</strong> PINK FLOYD bis KING<br />

CRIMSON, explizit natürlich in dem Song „Zitatmaschine“.<br />

In „Falsche Freunde“ dagegen heißt es: „Dafür schenkten sie<br />

dir schon mal eine gebrauchte Mütze / Auf der steht ‚NY<br />

Hardcore‘. Damit kommst du dir stark vor / Dabei geht es<br />

nur um Musik“ PENDIKEL ging es nie nur um die Musik,<br />

PENDIKEL geht es um alles, und das haben sie auch verdient<br />

mit diesem Opus Magnum! (53:21) (10) Chris Wilpert<br />

PROFESSION REPORTER<br />

The Lipstick Durability Test <strong>CD</strong><br />

unterschafen.de/Alive | Eine Band macht den Test. Wie<br />

lange halten Lippenstifte? Glaubt man dem Cover, auf dem<br />

jedes Bandmitglied drei Kussmünder hinterlassen hat, verliert<br />

dieses Schminkutensil rasch an Farbstärke. Vielleicht<br />

haben die Koblenzer PROFESSION REPORTER einfach nur<br />

ausprobieren wollen, was ihnen nach der Veröffentlichung<br />

ihres Debüts noch bevorsteht. Denn für „The Lipstick Durability<br />

Test“ wird ihnen Liebe widerfahren. Auf dieses Stück<br />

Indie- und Popkultur werden sich viele Menschen einigen<br />

können, minderjährige, stark geschminkte Mädchen<br />

ebenso wie studierte BLACKMAIL-Fans, die es schon zu einer<br />

umfangreichen Plattensammlung gebracht haben. 13<br />

Songs, alle <strong>von</strong> vorne bis hinten professionell durchdacht<br />

und nicht nur für eine Lebenssituation geschrieben, entfalten<br />

beim Frühstück mit der Freundin genauso wie abends<br />

im Indieclub ihre volle Größe. Und die ist beachtlich. Das<br />

Spannungsfeld dieses Albums reicht <strong>von</strong> der ruhigen Ballade<br />

(„Beautiful“) bis hin zum Rockhit („Revival“, „Unavoidable<br />

circumstances“). <strong>Die</strong> Songs bestechen durch zwanglose<br />

Komposition, ihre Reihenfolge dabei ist zwingend logisch.<br />

Ich fühle mich mitgerissen. Dass eine deutsche Band<br />

in der Lage ist, mit ihrem Debüt sogar die Qualität <strong>von</strong><br />

Gruppen wie THE STROKES hinter sich zu lassen, finde ich<br />

überraschend. Dass ich mich noch einmal so für Indierock<br />

begeistern kann, auch. (43:02) (10) Arne Koepke<br />

STRIKE ANYWHERE<br />

Dead FM <strong>CD</strong><br />

fatwreck.com | Ein markerschüttender Schrei, kurzes<br />

Vorzählen mit der Gitarre und schon ist es wieder da, das<br />

schlechte Gewissen Amerikas. Drei für eine Hardcoreband,<br />

verdammt lange Jahre haben sich STRIKE ANYWHE-<br />

RE für den Nachfolger zu „Exit English“ gelassen. Da kann<br />

sich bei alledem, was sich in der Welt seitdem ereignet hat,<br />

eine Menge Wut ansammeln. Umso erstaunlicher ist es, dass<br />

„Dead FM“ das bis dato glatteste, eingängigste und positivste<br />

Werk der Band geworden ist. <strong>Die</strong>s allerdings allein dem<br />

Wechsel <strong>von</strong> Jade Tree zu Fat Wreck in die Schuhe zu schieben,<br />

wäre arg billig, schließlich hatten STRIKE ANYWHE-<br />

RE schon bei einigen Songs auf der Zusammenstellung „To<br />

Live In Discontent“ eindrucksvoll bewiesen, dass sie auch<br />

ohne Hardcore-Knüppel wunderbar zurechtkommen.<br />

So verwundert es dann auch nicht, dass im Mittelteil <strong>von</strong><br />

„Dead FM“ des öfteren ein klassischer Punkrock-Song ertönt,<br />

<strong>von</strong> denen kein einziger auch nur ein bisschen <strong>von</strong> der<br />

alten Power und Aggressivität eingebüßt hat. Beim letzten<br />

Lied, „Ballad of bloody run“, einer Ode an die Heimat Richmond,<br />

kommt gar so etwas wie Bierseligkeit auf. Trotzdem<br />

gibt es auf „Dead FM“ immer noch haufenweise Singalongs,<br />

Breakdowns und diese sich ständig mehrfach überschlagen-<br />

de Stimme <strong>von</strong> <strong>Thomas</strong> Barnett. Es ist kaum zu glauben, wie<br />

dieser kleine und eigentlich eher sanftmütige Mann seine<br />

Wut herausbrüllt und sich über die Ungerechtigkeiten unserer<br />

Welt erbost, dabei niemals zynisch wird sondern immer<br />

nach vorne schaut. Erstmals werden auch persönliche<br />

Erfahrungen verarbeitet, etwa beim Opener „Sedition“,<br />

in dem <strong>Thomas</strong> die Geschichte seines Großvaters erzählt,<br />

der im Zweiten Weltkrieg am Manhattan Project mitgearbeitet<br />

hatte oder auch bei „House arrest“, wo die willkürliche<br />

Gefangennahme der Band in Japan für zwei Tage<br />

geschildert wird. In Polizeigewahrsam ohne Anklage – da<br />

scheint ein Brückenschlag zu Guantánamo nicht mehr fern.<br />

So etwas verleiht den politischen Statements der Band noch<br />

mehr Authentizität. Und auch wenn das ganz große Überraschungsmoment<br />

auf „Dead FM“ ausbleibt, so manifestiert<br />

es doch den konstant hohen Level, auf dem sich die Band<br />

seit ihrer ersten Veröffentlichung bewegt. Eventuelle Vorbilder<br />

und Mitstreiter wie GOOD RIDDANCE, RISE AGAINST<br />

oder ANTI-FLAG haben sie in Sachen Musikalischer Qualität,<br />

Credibilität und Glaubwürdigkeit eh schon längst eingeholt.<br />

(31:17) (9) Ingo Rothkehl<br />

SAMIAM<br />

Whatever’s Got You Down LP/<strong>CD</strong><br />

burningheart.com | Für jede andere Band wäre es kommerzieller<br />

Wahnsinn gewesen, sich sechs Jahre (kein Witz,<br />

„Astray“ erschien bereits 2000) mit ihrem neuen Album<br />

Zeit zu lassen, doch SAMIAM, die dürfen das, verfügen sie<br />

doch speziell hierzulande über ein devotes Publikum und<br />

ließen sie sich auch ohne neue Platte in den vergangenen<br />

Jahren immer wieder mal für ein paar Konzerte blicken.<br />

Doch es hat sich so manches verändert in SAMIAM-Land:<br />

Ur-Mitglied James Brogan stieg nach „Astray“ aus, womit<br />

nur noch Sänger Jason Beebout and Gitarrist Sergie Loobkoff<br />

<strong>von</strong> Anfang an dabei sind, und mit Sean Kennerly, wie<br />

Sergie „Guitarer“, haben zwei Dickköpfe das Songwriting<br />

und die musikalische Kontrolle übernommen, schrieb der<br />

eine fünf, der andere sieben der zwölf Songs. Und das Ergebnis<br />

ist ein grandioses, wobei ich zu diesem Urteil auch<br />

erst nach ungefähr 15 Hördurchläufen gelangte. Anfangs,<br />

nach zwei-, dreimaligem Anhören, war da Enttäuschung,<br />

war „Whatever’s Got You Down“ ein schickes, neues Paar<br />

Schuhe, die aber leider drücken. Enttäuschung also, und das<br />

Wissen, dass da nur gezielte Desensibilisierung hilft, also der<br />

Entschluss, das Album so oft zu hören, bis es passt. Und siehe<br />

da, nach einer Woche war ich soweit, grölte den hymnischen<br />

Opener „When we’re together“ mit, hatte ich mich<br />

auch an Jasons eigentümlich hohen Gesang beim ebenfalls<br />

eingängigen „Take care“ gewöhnt und Gefallen daran<br />

gefunden, „Anything“ als potenziellen Klassiker ausgemacht,<br />

„Are you alright“ ebenfalls, in „Lullaby“ einen schönen<br />

Schmuser entdeckt, begonnen „Believer“ mitzusingen<br />

– und „Bide my time“ zu lieben. Von daher: alles bestens<br />

in SAMIAM-Land, auch wenn man sich nach dem Hören<br />

der Platte vorstellen, dass die im Interview hier im Heft<br />

erwähnten Kämpfe zwischen Sean und Sergie über die Ausrichtung<br />

des Albums sicher auch recht hart geführt wurden.<br />

Zu Enttäuschung gibt es jedenfalls keinen Anlass. Wir sehen<br />

uns im Oktober bei den Konzerten mit THE DRAFT. (42:27)<br />

(9) Joachim Hiller<br />

THESE ARMS ARE SNAKES<br />

Easter <strong>CD</strong><br />

jadetree.com/Cargo | Zwei Jahre sind seit „<strong>Ox</strong>eneers ...“<br />

vergangen, dem ersten Album der aus Seattle, WA stammenden<br />

TAAS, und auch wenn deren EP wie das Debüt schon<br />

gut gefielen, so ist doch erst „Easter“ der erhoffte große Wurf<br />

geworden, ein monumentales, bei aller Komplexität doch<br />

sofort mitreißendes Album. Wo andere Band, die sich im<br />

Postrock-Kosmos bewegen, leider auch mal die Wichtigkeit<br />

eines treibenden Grooves übersehen, beim Mathrock-<br />

Frickeln vergessen, den wartenden Zuhörer mitzunehmen,<br />

sind Frontmann Steve Snere nebst Tasteninstrumentbediener/Bassist<br />

Brain Cook, Gitarrenmann Ryan Frederiksen<br />

und Drummer Chris Common klüger und kombinieren<br />

komplexe Songstrukturen mit forderndem Gesang, auf eigenwillige<br />

Weise eingängige Backing-Vocals und pumpendem<br />

Beat. Das sechsminütige „Subtle body“ wird so zur ausufernden<br />

ersten Hymne des Albums, während das folgende<br />

„Desert ghost“ wie auch „Perpetual bris“ für die andere Seite<br />

der Platte stehen, man hier eher bedächtig postrockt, bevor<br />

man dann bei „Hell’s bank notes“ das Gefühl hat, Snere<br />

wolle einen Biafra-sound-alike-Contest gewinnen – und<br />

man sich den ja einst ebenfalls in Seattle ansässigen MEL-<br />

VINS nähert. Mein Höhepunkt ist jedoch „Corporeal“ mit<br />

seinem dominanten Orgelsound, das mit seinen opulenten<br />

6:52 vergessen macht, dass die Akteure einst in BOTCH und<br />

KILL SADIE für Lieder mit einem Bruchteil dieser Spielzeit<br />

verantwortlich waren. Was immer uns der Albumtitel „Easter“<br />

sagen will (für die lustigen Jesusanhänger ist das der<br />

höchste Feiertag), mir fällt es schwer zu glauben, dass THESE<br />

ARMS ARE SNAKES mit diesem meisterlichen Albums bereits<br />

ihren Zenit erreicht haben. Well done!(46:18) (9)<br />

Joachim Hiller<br />

TRAGEDY<br />

Nerve Damage LP<br />

Tragedy | Wenn eine Band einen ganzen Musikstil wie den<br />

Portland-Sound geprägt und mit dem Vorgänger „Vengeance“<br />

ein Jahrhundertalbum abgeliefert hat, kann sie mit<br />

dem Nachfolger eigentlich nur verlieren. Aber weit gefehlt.<br />

TRAGEDY liefern auf ihrer dritten LP wieder ein Feuerwerk<br />

allerbesten Portland-Crusts ab, das allen Nachahmern den<br />

ausgestreckten Mittelfinger zeigt. Original bleibt eben Original.<br />

Wie soll man TRAGEDY beschreiben? Schnelle Crust-<br />

Riffs mit melancholischem Unterton treffen auf heiseren<br />

mehrstimmigen Gesang und exzellentes Tribal-Drumming,<br />

wobei TRAGEDY auf „Nerve Damage“ zugegebenermaßen<br />

noch eine ganze Schippe begnadetere Melodien in die Songs<br />

eingestreut haben und damit etwas eingängiger sind, ohne<br />

einen Millimeter ihrer schier unglaublichen Power einzubüßen.<br />

Bei „The hunger“ wird auch mal kurz zum Klavier<br />

gegriffen, welches dem Gefühl, das diese Platte transportiert,<br />

absolut gerecht wird. Das TRAGEDY auch textlich zum<br />

Besten gehören, was die Hardcore-Szene hervorbringt, bedarf<br />

eigentlich keiner Erwähnung. Song für Song läuft es mir<br />

kalt den Rücken herunter und meine Nackenhaare stellen<br />

sich auf. What a fucking Meisterwerk! (10)<br />

Dr. Oliver Fröhlich<br />

<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 063<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 63 22.09.2006 20:50:45 Uhr


DANIEL BENJAMIN<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

Haldern Pop | As Emo as Emo can get – Melt 2006: Freitag,<br />

17:00 Uhr, der Soundclash hat noch nicht eingesetzt. Da<br />

startet auf der Hauptbühne der erste Act: Es ist Daniel Benjamin,<br />

der seit kurzem neben seiner Screamo-Band JUM-<br />

BO JET auch noch ein eigenes Singer/Songwriter-Projekt<br />

hat. Gleichermaßen überrascht und begeistert bleibe ich<br />

stehen, und schaue mir den Herrn Benjamin (der eigentlich<br />

Schweiker heißt) an. Daniel Benjamin klingt überhaupt<br />

nicht deutsch, eher klingt er wie einer dieser bärtigen Singer/Songwriter<br />

aus dem Mittelteil Amerikas, der den ganzen<br />

Tag mit seinem Hund auf seiner Veranda sitzt und vor<br />

sich hinklimpert. Wunderschöne, atmosphärische Songs,<br />

vorgetragen mit einem Quäntchen sympathischer Zurückhaltung.<br />

Absoluter Hammerhit: „The iron glove“. (9)<br />

Julia Gudzent<br />

BLACK TIME<br />

Midnight World <strong>CD</strong><br />

intheredrecords.com | Ein neues Album der sich geheimnisvoll<br />

in der Anonymität verbergenden Londoner Formation,<br />

in deren Besetzungsliste im Vergleich zum letztjährigen<br />

„Black Out“-Album zwei neue Namen auftauchen: Zu<br />

Lemmy Caution und Red Exposure gesellen sich jetzt noch<br />

Janie Too Bad und Mr Stix. Der Titel „Midnight World“ fügt<br />

sich dabei bestens in die nihilistisch-düstere Tradition ein,<br />

macht dem Bandnamen alle Ehre – und auch dem konsequent<br />

schwarz-weißen Layout. In bester Childish- und früher<br />

CRAMPS-Manier wird dem Minimal-Rock’n’Roll gefrönt,<br />

übersteuert und mit Distortions galore, kompromisslos<br />

und simpel – und manchmal auch knapp über der<br />

Schmerzgrenze, was den übersteuerten und stellenweise<br />

kreischigen Gesang anbelangt. Ja, ich habe das Konzept verstanden,<br />

aber gegen eine gewisse Variation und Weiterentwicklung<br />

desselben habe ich auch nichts einzuwenden, gerade<br />

bei üppigen 16 Songs ... (34:38) (7) Joachim Hiller<br />

BIG SIR<br />

Und <strong>Die</strong> Scheiße Ändert Sich Immer LP/<strong>CD</strong><br />

goldstandardlabs.com | Der Infozettel will mich mit großen<br />

Namen beeindrucken, doch der Musik gelingt das auf<br />

Anhieb nicht: So sind hier also Juan Alderete de la Pena, seines<br />

Zeichens Bassist <strong>von</strong> THE MARS VOLTA, und Lisa Papineau,<br />

die wohl eher durch ihre Kollaborationen mit AIR als<br />

durch ihre Soloaufnahmen bekannt sein dürfte, beteiligt,<br />

nebst Gästen <strong>von</strong> den BEASTIE BOYS bis HELLA. Der Musik<br />

<strong>von</strong> AIR oder MOLOKO ist dieses Album allerdings wesentlich<br />

näher als allem, was man sonst so <strong>von</strong> GSL gewohnt ist.<br />

BIG SIR spielen ein Potpourri aus Bar- und Acid-Jazz, Funk<br />

und souligem Elektropop. Lisas heisere Stimme unterstützt<br />

den Sound dabei perfekt. <strong>Die</strong> – zum Glück sehr seltene –<br />

WahWah-Gitarre nervt, das viel zu seltene Saxophon dagegen<br />

ist klasse. Gute Clubmusik, die nicht stört, aber auch<br />

nicht richtig zündet, und so auch schon mal da gewesen ist.<br />

Fantastischer Titel! (53:07) (6) Chris Wilpert<br />

BLACK TAX / HEROIC DOSES<br />

Split <strong>CD</strong><br />

hollowsoulrecords.co.uk | Ein schwedischer Möbeldiscounter<br />

im Osten Londons: „Der kleine BLACK TAX möchte<br />

aus der Ballkiste abgeholt werden. Er muss wirklich dringend<br />

raus hier!“ – Sonst gibt es ein Blutbad. <strong>Die</strong> noch eben<br />

friedlich spielenden Kinder auf dem Coverartwork dieser<br />

Split-<strong>CD</strong> zeigen Raubtierzähne, die mal eben eine nette<br />

Sozialpädagogin niedermetzeln könnten. Auch die Musik<br />

<strong>von</strong> BLACK TAX und HEROIC DOSES hat ordentlich Biss.<br />

<strong>Die</strong> jungen Punkrock-Bands, beide erst 2004 gegründet, gehen<br />

ab, als wären sie seit 1981 dabei. Sauberkeit und Technik<br />

zählen nichts, Energie ist alles. Besonders BLACK TAX prügeln<br />

mit Gewalt durch ihre Songs, bis alle Schweine dieser<br />

Welt tot sind. Das Fleisch wird roh verzehrt, das ist klar.<br />

Dazu einen Schuss KID DYNAMITE und zwei Biafra-Melodien,<br />

und der Brocken flutscht gut runter. BLACK TAX verlieren<br />

keine Zeit, ihre Songs bewegen sich zwischen 50 Se-<br />

SINGLES<br />

¡ Mit gleich zwei sehr schön gestalteten Siebenzöllern gehen<br />

die Nordiren THE ANSWER an den Start: „Keep Believin’“<br />

in weißem Vinyl, „Into The Gutter“ in schwarzem.<br />

So ganz sicher bin ich mir allerdings noch nicht, was ich<br />

<strong>von</strong> den sich soulful gebenden Hardrockern so halten soll,<br />

im direkten Vergleich wirken die BELLRAYS doch um einiges<br />

erdiger und überzeugender. Erklärte Einflüsse sind LED<br />

ZEPPELIN, FREE und BLACK CROWES (bei letzteren zucke<br />

ich kurz zusammen), und man tourte in England zusammen<br />

mit WHITESNAKE, was man wohl als Zeichen dafür<br />

sehen kann, dass die Band eher im Hardrock- als im Alternative-Lager<br />

zu verorten ist. Bisweilen etwas zu konservativ<br />

für meinen Geschmack, aber noch im grünen Bereich. (Albert<br />

Productions) (7) Joachim Hiller<br />

¡ Auf einer wunderschön aufgemachten (lila Vinyl inklusive<br />

Poster) Splitsingle auf It’s Alive Records geben sich<br />

die Euro-Pop-Punk-Dinosaurier THE APERS und SO-<br />

NIC DOLLS ein Stelldichein. <strong>Die</strong> DOLLS bieten zwei coole<br />

Songs, die nicht auf der kommenden Platte sein werden,<br />

und die APERS legen auf der anderen Seite mit ebenso brillantem<br />

und melodischem Singalong-Pop-Punk nach. Einigen<br />

wir uns also auf ein angenehmes Unentschieden im<br />

Match Deutschland vs. Holland! (8) Bernd Fischer<br />

¡ Garage = schreiender Typ, druckvolles Schlagzeug, kreischende<br />

Orgel, tobender Bass und dreckige Gitarre. So mag<br />

ich ihn auf jeden Fall am liebsten und bewege mich dazu<br />

wie ein Epileptiker. Wichtig ist folgendes: Druck. <strong>Die</strong>ser<br />

fehlt der Band ACHTUNG SPITFIRE SCHNELL SCHNELL!!<br />

leider irgendwie total. Der Sänger hätte gerne Soul, aber der<br />

fehlt. <strong>Die</strong> Orgel klingt leider eher nach Mambo Kurt und die<br />

Gitarren sind nicht ordentlich. Ansatzweise echt nett, aber<br />

richtig überzeugen kann mich die Band nicht. Vielleicht ist<br />

das Problem, dass sich „What’s Up“ (decent-records.com)<br />

in meinem Regal mit einer Übermacht an Screaming Apple-Vinyl<br />

messen muss und bei deren Qualität einfach nur<br />

verlieren kann ... aber der Name ist super! Timbo Jones<br />

¡ Von den fleißig tourenden BUZZCOCKS gibt’s via damagedgoods.co.uk<br />

eine neue, limitierte Picture-7“ namens<br />

„Sell You Everything“ (<strong>CD</strong>-Version via Cooking Vinyl, was ja<br />

eine Lachnummer für sich ist: Das Label mit „Vinyl“ im Namen<br />

macht nur die <strong>CD</strong>-Version, war ja beim Album genauso.<br />

Tjajaja ...). Auf der Flipside zwei exklusive Non-Album-<br />

Tracks, „Sixteen again“ in einer Live-Version <strong>von</strong> 2000, und<br />

„Darker by the hour“ aus dem Soundtrack zu „Last Days Of<br />

The Postal Office“ <strong>von</strong> 1998. Fanfutter. (7) Joachim Hiller<br />

¡ BATHTUB SHITTER und MISERY INDEX haben bereits<br />

einige Male zusammen die Bühne geteilt. Da eh noch eine<br />

Split-LP geplant ist, gibt es schon mal vorweg eine Split-EP.<br />

Ungewöhnlich fett sticht das Schlagzeug der Japaner BATH-<br />

TUB SHITTER hervor. Wie eine Spinne, die nur darauf wartet,<br />

dass ihre Beute ins Netz fliegt, agiert der Rest der Band<br />

und knallt einem unerwartet den Todesbiss in den Kopf. Etwas<br />

eingängiger im Sound und in den Arrangements sind<br />

die mittlerweile bekannten Amis MISERY INDEX, die sich<br />

aber nur Covers <strong>von</strong> NETHERTON und NAPALM DEATH<br />

bedienen. Klasse Artwork im Gatefold-Sleeve. (emeticrecords.com)<br />

(7) Simon Brunner<br />

064 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />

kunden und anderthalb Minuten. HEROIC DOSES klingen<br />

im direkten Vergleich eingängiger. Auch sie schlachten in<br />

hohem Tempo und krakeelen dabei immer wieder fröhliche<br />

Oldschool-Melodien. Ihre schrägen Harmonien erinnern<br />

mich an die frühen NO USE FOR A NAME. Warum sie aber<br />

zum Nachtisch die Akustikgitarre auspacken müssen, bleibt<br />

vorerst ungeklärt. Sind das vielleicht rudimentäre Spuren<br />

<strong>von</strong> Musikunterricht? (19:54) (6) Arne Koepke<br />

BIG SANDY AND HIS FLY-RITE BOYS<br />

Turntable Matinee <strong>CD</strong><br />

yeproc.com | Zwei Jahre ist es nun her, dass sich eine der<br />

besten Kapellen des authentischen Rockabilly mit einem<br />

neuen Album zurück meldet. Mit ihrem letzten Release<br />

auf Yep Roc Records, „It’s<br />

Time“, hab ich ihren unverwechselbaren<br />

Style aus<br />

authentischem Rockabilly,<br />

Western-Swing, Country<br />

und Blues, kennen und<br />

lieben gelernt und mir<br />

nach und nach so ziemlich<br />

alles <strong>von</strong> ihnen besorgt.<br />

Seit Ende der 80er<br />

hat sich Frontmann Big<br />

Sandy dem zeitlosen 50er<br />

Jahre-Stil verschrieben<br />

und seitdem, in oft wechselnder<br />

Besetzung Alben veröffentlicht – mal solo, mal als<br />

FLY RITE TRIO und zuletzt beständig als FLY RITE BOYS. Inzwischen<br />

gilt der schwergewichtige Frontmann Robert „Big<br />

Sandy“ Williams mit der sanften Stimme als Rockabilly-<br />

Ikone neueren Datums, was er und seine Jungs auf „Turntable<br />

Matinee“ noch einmal unterstreichen. Der Sound<br />

kommt dabei, wie zuletzt auf seinen jüngeren Hightone-<br />

Releases so dermaßen puristisch rüber, dass man meint, Big<br />

Sandy hätte selbst noch beim guten alten Sam Perkins (Sun<br />

Records) aufgenommen. Der hätte die Jungs aufgrund ihrer<br />

Professionalität aber vielleicht schon als überqualifiziert<br />

eingestuft. Während „It’s Time“ mein Herz damals im Sturm<br />

erobert hat, braucht „Turntable Matinee“ einige Durchläufe,<br />

doch dann haben sich Songs wie „Power of the 45“, „Ruby<br />

Jane“ oder „Haunted heels“ unter anderem zu regelrechten<br />

Ohrwürmern entwickelt. Leider reicht es insgesamt für<br />

meinen Geschmack nicht an das Ausnahmewerk „It’s Time“<br />

ran, da das einfach mehr rockt, aber wer, im Gegensatz zu<br />

mir, einen Cadillac sein Eigen nennen kann, der ist eigentlich<br />

auch zu „Turntable Matinee“ gezwungen. (46:14) (9)<br />

Carsten Hanke<br />

BLOW<br />

Paper Television LP/<strong>CD</strong><br />

tomlab.com | Willkommen in der schwitzenden Tanzhölle<br />

der Elektro-Wave-Pop-Disco, links ist die Bar, angesagtester<br />

Drink ist Campari-Melisse, da auf dem Dancefloor<br />

sind die schönsten Menschen deiner Stadt, und das da ist die<br />

Band: THE BLOW. Und der Bandname verspricht bereits alles<br />

und nicht zuviel – wenn auch als Kalauer –, denn diese<br />

Mischung aus unterkühltem Pop und sexy Melodien wird<br />

dich wegblasen. Naja, vielleicht nicht ganz, denn die Neuerfindung<br />

des Rades ist das natürlich nicht, muss es aber auch<br />

gar nicht, und will es auch gar nicht sein, reicht doch, dass<br />

die Musik des Duos besser ist als das meiste, was in dieser<br />

Richtung gerade in den Indie-Discos dieser Welt angesagt<br />

ist. Namen gefällig: Wenn dir METRIC, TIMID TIGER, GRY<br />

oder RELAXED MUSCLE gefallen, dann ist THE BLOW genau<br />

das Richtige für dich. Unterirdisch groovy Beats und catchy<br />

Synthies mit einer zarten Stimme versprechen schwitzende<br />

Körper und küssende Münder. (30:22) (7) Chris Wilpert<br />

BOUT D’CHOU<br />

Ménage Et Discotheque <strong>CD</strong><br />

Lolila | Eine Band, hinter der ein Konzept steht. Der erste<br />

Punkt, nämlich eine reine Mädelsband zu sein, schlug fehl,<br />

denn ein Mensch männlichen Geschlechtes ist dabei. Was<br />

¡ <strong>Die</strong> aus Mülheim an der Ruhr stammenden BOMBEN-<br />

ALARM haben nach Single und LP jetzt zwei weitere Songs<br />

auf einer Split-7“ mit den genauso begeisternden DEAN<br />

DIRG veröffentlicht. Sehr schönes Stencil-Sprühdosen-Artwork<br />

(auch wenn gedruckt), wegen der Farben Rot, Grün<br />

und Weiß irgendwie Italienisch anmutend, und wer eine<br />

Insektenphobie hat, sollte da<strong>von</strong> sowieso die Finger lassen.<br />

Einen eindeutigen Gewinner kann man nicht feststellen,<br />

beide Bands gehören derzeit zu den besten ihres Genres<br />

hierzulanden, wobei DEAN DIRG mit „Real good stereos“,<br />

das durch seinen dezenten Keyboard-Einsatz herausragt,<br />

den besten der vier Songs abgeliefert haben. <strong>Die</strong> Musik?<br />

Punk – as fuck! Bestellen bei contaminationdistribution.com<br />

(8/8) Joachim Hiller<br />

¡ CSS wurde in Ausgabe 66 schon mal <strong>von</strong> mir besprochen<br />

– und zwar ziemlich gut. Gefällt mir, was die BrasilianerInnen<br />

auf Sub Pop da so treiben. Freche, elektronisch<br />

angehauchte Songs, die in die Richtung PEECHES oder THE<br />

KNIFE gehen. <strong>Die</strong>s ist nun ein UK-Import der ersten 7“ der<br />

Band, „Let’s Make Love And Listen To Death From Above“.<br />

Sie bietet zwei Songs, nämlich eben „Let’s make love ...“<br />

und „Acho um puoco bom“, was ich euch leider nicht auch<br />

übersetzen kann. Für Freunde der Band ein nettes Extra im<br />

Plattenregal. (8) Sarah Shokouhbeen<br />

¡ Aufgrund der großen Nachfrage wurde die erste Single<br />

<strong>von</strong> CHEVEU auf S_S wieder nachgepresst. Kommen zwar<br />

aus dem Umfeld <strong>von</strong> VOLT und FRUSTRATION, überzeugen<br />

mich auf der „Dog“-Single aber weniger als auf der zweiten<br />

Single „Clara Vénus“, die wesentlich fieser und kaputter<br />

klingt als das relativ relaxte Erstwerk. <strong>Die</strong> zwei Stück der<br />

„Clara ...“-Single sind abgedrehter Elektroschrammelnoisepunk<br />

mit wirklich nervigen Zwischengeräuschen, die dem<br />

Stückchen Vinyl das I-Tüpfelchen geben. Nicht weit <strong>von</strong><br />

dem entfernt, was Anfang der 80er <strong>von</strong> einigen Leuten in irgendwelchen<br />

Kinderzimmern auf Kassetten gebannt wurde,<br />

nur etwas moderner und dichter. Das besagte Umfeld plus<br />

etwas in den Raum geworfenes Spielzeug steckt den musikalischen<br />

Rahmen ganz gut ab. Ah ja, der Titelsong basiert<br />

auf einem Werk <strong>von</strong> Rimbaud, aber den werden sowieso die<br />

wenigsten <strong>von</strong> euch kennen, also. (6/8) kalle stille<br />

¡ Bei einer 7“ zweier Ausnahmebands wie CYNESS und<br />

SKITSYSTEM sollte eigentlich nichts schiefgehen können.<br />

Und zum Glück ist es bei dem neuesten Output <strong>von</strong><br />

unsociable.net auch so. CYNESS gehören für mich ganz<br />

klar zu den besten deutschen Grindbands der letzten Jahre.<br />

Hier hacken sie sich fulminant durch fünf Highspeed-<br />

Songs mit derbem Metal-Einschlag und deutschen Texten.<br />

Mal ein kurzes SLAYER-Riff eingestreut, mal etwas vom Gas,<br />

so macht man das. <strong>Die</strong> Schweden SKITSYSTEM sind ja bekannterweise<br />

Vertreter des derben Skandicrusts und hatten<br />

mit Tompa mal den AT THE GATES-Sänger in ihren Reihen,<br />

dessen Weggang aber nicht wirklich auffällt. Ersetzt wurde<br />

er durch den Gitarristen <strong>von</strong> MATYRDÖD, der einen vollwertigen<br />

Ersatz darstellt. Auf dieser 7“ prügeln sie sich in<br />

bekannter Manier durch zwei fett produzierte Songs, abwechslungsreiches<br />

Crust-Riffing und verzweifelt herausgeschrieenen<br />

Gesang, ach, ich liebe diese Band, die mich wie<br />

kaum eine zweite anspricht ... (9) Dr. Oliver Fröhlich<br />

¡ Nachschlag zu ihrem furiosen neuen Album gibt es <strong>von</strong><br />

den CREETINS aus dem hohen Norden. <strong>Die</strong> in Album-Artwork-Stile<br />

gestaltete 7“ mit Namen „The spirit is willing“<br />

(Roadrunner/Cargo) enthält neben eben jenem Titeltrack<br />

als B-Seite ein Leckerchen besonderer Art: FUGAZIs 2Waiting<br />

room“ in bestechender Interpretation der drei Tour-<br />

den Feminismus nicht ausschließt, den sie sich auf die Fahnen<br />

geschrieben haben. Positiver, nicht wütender Feminismus<br />

– Frauen (und Männer), die noch andere Sorgen als Figurprobleme<br />

haben. Musikalisch sehr anmutig, fast schon<br />

loungig. Stellenweise auch recht artifiziell, was durch den<br />

Gesang in drei Sprachen, nämlich Französisch, Englisch und<br />

Deutsch, unterstrichen wird. Man befindet sich in künstlerischen<br />

Sphären, mir persönlich fehlt der „Bezug zur Straße“<br />

– wo ist der Rotz, wo die Punk-Attitüde? Dennoch, obwohl<br />

scheinbar konzeptionell, eine unterstützenswerte Aussage<br />

hinter einer eigenen Band, die sich hoffentlich nicht<br />

nur hinter Kunststudenten versteckt. Wer Elektropop mag,<br />

sollte sich BOUT D’CHOU anhören. Ich sträube mich hingegen<br />

weiter ein wenig: zuviel Konzept und Kunst, zu wenig<br />

Musik. (39:38) (5) Sarah Shokouhbeen<br />

BELLMER DOLLS<br />

The Big Cats Will Throw Themselves Over M<strong>CD</strong><br />

hungryeyerecords.com | Als „Noise-Goth“ und „Art-<br />

Punk“ mussten sich die BELLMER DOLLS aus Brooklyn, NY<br />

schon bezeichnen lassen, und dabei ist ihre Musik doch so<br />

viel mehr als das, was diese vier Worte zu beschreiben scheinen.<br />

Bestehend aus Musikern, die zuvor bei LOVE LIFE (CE-<br />

LEBRATIOPN), UNIVERSAL ORDER OF ARMAGEDDON,<br />

THE VANITY SET und TAV FALCO’S PANTHER BURNS aktiv<br />

waren und vor gerade mal zwei Jahren gegründet, schloss<br />

man sich erstmal ein Jahr im Proberaum ein, bevor das erste<br />

Konzert gegeben wurde. Kollege Jon Spencer war begeistert,<br />

rekrutierte die BELLMER DOLLS als Opener, und dann<br />

machte man sich unter der Obhut <strong>von</strong> Jim Sclavunos, der<br />

auch schon mit Nick Cave, SONIC YOUTH und den CRAMPS<br />

gearbeitet hat, an die Aufnahme der sechs Songs dieser EP.<br />

Und die ist eine echt Schönheit geworden, abwechslungsreich<br />

und in sich schlüssig zugleich, eine wirklich seltene<br />

Mischung aus düsterem Punk, basalem Rock’n’Roll, noisigem<br />

Rock und schwermütigem Rhythmus. Wer zudem mit<br />

dem New Yorker Ausnahmelabel Hungry Eye vertraut ist,<br />

der sollte zugreifen. (22:57) (8) Joachim Hiller<br />

BY NIGHT<br />

A New Shape Of Desparation <strong>CD</strong><br />

lifeforcerecords.com/Soulfood | <strong>Die</strong> Schweden BY NIGHT<br />

sind auch auf ihrem zweiten Album ihrem Stil treu geblieben.<br />

Der sehr kalte und maschinelle Industrial-Metal ist<br />

hart und düster, wird teilweise aber auch durch Blasts und<br />

Modern Metal-Elemente aufgelockert. Man kann sehr gut<br />

Einflüsse <strong>von</strong> Bands der Marke STRAPPING YOUNG LAD,<br />

FEAR FACTORYs „Demanufacture“, THE HAUNTED und<br />

natürlich MESHUGGAH hören, wobei Letztere am meisten<br />

zum Vorschein kommen. So erinnert der Adrian Westin<br />

stark an den MESHUGGAH-Schreihals. <strong>Die</strong> Songs werden<br />

dominiert <strong>von</strong> präzisem Doublebassgehacke, was den maschinellen<br />

Tenor noch intensiviert. Glücklicherweise haben<br />

die Gitarristen ein Händchen für gute Arrangements, und so<br />

lockern sie die futuristische Atmosphäre durch melodisch,<br />

atmosphärische Leads und unverzerrte, gezupfte Gitarrenläufe<br />

auf. <strong>Die</strong> meisten der zehn Tracks sind sehr heavy, deswegen<br />

freut man sich über die hymnenhaften „Dead eyes<br />

see no future“ und „Time is running out“, die vom Gaspedal<br />

heruntergehen und mit düsteren Pianoklängen ausgeschmückt<br />

sind. Insgesamt ist die Platte gut und man kann<br />

sie Fans der oben erwähnten Kapellen definitiv empfehlen.<br />

Das Problem <strong>von</strong> BY NIGHT ist, dass sie noch nicht eigenständig<br />

genug klingen, was aber ausbaufähig ist. (36:42) (7)<br />

Arndt Aldenhoven<br />

BURN IN SILENCE<br />

Angel Maker <strong>CD</strong><br />

Prosthetic | Fast vierzig Minuten lang ist das Debütalbum<br />

<strong>von</strong> BIS, das <strong>von</strong> Ken Susi (UNEARTH) gemixt und <strong>von</strong> Tue<br />

Madsen produziert wurde. Große Namen sind das, mit denen<br />

hier um sich geworfen wird, aber was hinten rauskommt,<br />

das ist entscheidend. Und wenn ich Eingangs extra<br />

erwähnte, dass das Album fast 40 Minuten lang ist, dann<br />

deshalb, weil in so langer Zeit eigentlich zu erwarten wäre,<br />

monster aus Kiel. Wenn ihr euch jetzt den Zeigestock der<br />

Massenmedien aus dem Arsch gezogen habt, dürft ihr natürlich<br />

gerne ein Konzert der CREETINS besuchen und euch<br />

<strong>von</strong> der unbändigen Live-Energie elektrisieren lassen. Hymnen-gespickter<br />

Punkrock für Herz, Hirn, Faust schütteln<br />

und abgehen! Grandios. Ich war kürzlich erst wieder dabei.<br />

<strong>Die</strong> rocken wie die Bürstenbinder und kehren dabei Ohren<br />

aus... Man sehe zu, diese Band auf einem ihrer zahlreichen<br />

Konzerte (und noch einmal: Tourmonster!!!) heimsuchen<br />

kann und zwar koste es was es wolle! Ein Feuerwerk, was die<br />

zu dritt auf der Bühne abfackeln, ich sag es euch. Hingehen,<br />

zuhören, zustimmend mit dem Kopf nicken, freuen, danke,<br />

Zack! Liebstes nach Kiel, KK<br />

¡ Einen Moment, schon wieder klein und dreckig, nur<br />

diesmal mit Gesichtern. Letztes Mal waren es nur „Things“,<br />

doch so langsam nimmt es Gestalt an. DIRTY LITTLE FACES<br />

aus, na. ihr wisst schon, mit Musik wie – genau! Es ist ein<br />

Phänomen oder? Alles dasselbe, MAXIMO PARK, FRANZ<br />

FERDINAND, DIRTY PRETTY THINGS, hmm, so hört sich<br />

das auch an und trotzdem mag ich die Scheiße. Entweder<br />

man mag’s oder nicht. Etwas Außergewöhnliches an der<br />

Band gibt es nicht. Eine nette 7“ <strong>von</strong> Fierce Panda. Für euch<br />

zum Tanzen. (7) Martha Biadun<br />

¡ Zwei echte Kracher lassen die DAMNATION KIDS da<br />

durch die Boxen fegen. Grandios schmutzig produzierter<br />

Noise, der den dreckigen Melodien gerade noch die nötige<br />

Luft zum Atmen lässt, Wahnsinn! Dritte 7“ der Band, <strong>von</strong><br />

der ich keine einzige Scheibe vermissen möchte. Ohne viele<br />

Worte: Das, was ich bei den SPITS stets an Drive vermisst<br />

habe, ist alles hier, nur viel schmutziger, ohne Perwoll! Yeah,<br />

Hammersongs gehen so: Kabelknarzen, Rückkopplung, ab<br />

dafür! Schlagzeug nur auf der Stand-Tom, Bass in den Unterleib,<br />

Rückkopplung an jeder Ecke, extrem angepisster<br />

Sänger oben drauf und die fiese Farfisa immer dazwischen,<br />

und wo’s passt, schrammt auch noch die Gitarre im unteren<br />

Frequenzbereich. Ganz klar Lärm, aber geil. „I wanna<br />

do it“ ist einer dieser Single-Kracher, die dieses Format so<br />

verdammt wertvoll machen, und weil die Rückseite nicht<br />

minder schlecht ist, gibt es hier volle Punktzahl! Sehr weit<br />

oben und vor allem sehr, sehr geil! (10) kalle stille<br />

¡ „Indie“ ist ein Wort ohne Bedeutung geworden. Jede aktuelle<br />

Major-Rockband läuft musikalisch unter „Indie“,<br />

wenn sie 80er Wave-Einflüsse hat. Neuerdings soll es sogar<br />

den Begriff „Mandy“ geben, der genau für so einen Sound<br />

steht. Das Label LoLiLa (lolila.de) aus Düsseldorf ist wirklich<br />

ein Independentlabel. Es führt einen kleinen Singlesclub,<br />

in dem man limitierte 7“s bekommt. Ich bekam die DA-<br />

TIV BOYS und auf hellgrünem Vinyl singen sie Geschichten<br />

wie „Der Arzt <strong>von</strong> Stalingrad“ und „<strong>Die</strong> Räder, die keiner<br />

will“. Das ganze kann man deutschen Indierock nennen,<br />

ohne gleich rot werden zu müssen und der poppige Sound<br />

ist ach angenehm. Ich würde mich freuen, immer mit den<br />

Releases auf dem Laufenden gehalten zu werden und mir<br />

dann nette Popgeschichten anzuhören. Timbo Jones<br />

¡ Große Worte zu den Leuten hinter DEATH BREATH erspare<br />

ich mir an dieser Stelle und verweise auf das Interview<br />

in dieser Ausgabe. Kurz vor der Review-Deadline ist noch<br />

die limitierte Debütsingle (Black Lodge Records) bei mir<br />

eingetrudelt, die wahrscheinlich 90 Prozent aller HELLA-<br />

COPTERS-Fans hassen werden. Geboten werden drei wunderbare<br />

Uptempo-Schwedentod-Kracher, <strong>von</strong> denen die A-<br />

Seite auch auf dem Album sein wird, während sich auf Seite<br />

B unter .anderem Markus Karlsson <strong>von</strong> I QUIT als Gastgrunzer<br />

austoben darf. Oldschool-Death Metal, wie man ihn sich<br />

dass man zu seinem Sound findet. Ich meine, hier ist irgendwie<br />

alles zuviel und gleichzeitig nichts wirklich zu Ende gedacht<br />

worden. Hier blitzen Keyboards auf, dann plötzlich<br />

wieder eine Doublebass, dann cleaner Gesang und dann<br />

wieder Shoutparts. Das alles in einem wilden Mix, der sehr<br />

chaotisch daherkommt, das passt irgendwie nicht. Und mal<br />

Hand aufs Herz Jungs, hat da wer bei den cleanen Gesangsparts<br />

mit einem Vocoder gespielt? Ich bin mir da nicht ganz<br />

sicher, aber allein schon der Gedanke gibt Abzüge! Oh Mann,<br />

ich glaube, genauso zerfahren wie der Sound der Formation<br />

aus Massachusetts werden meine Zeilen hier. Aber das<br />

ist ja der beste Beweis für die Unausgereiftheit des Sextetts,<br />

die bringen sogar mich durcheinander. Ken Susi weiß<br />

schon, warum seine Band UNEARTH nicht so klingt wie das<br />

hier, denn dann wären UNEARTH nicht da, wo sie jetzt sind.<br />

(38:11) (5) Tobias Ernst<br />

BLUMENTOPFERDE<br />

Kassette Deluxe <strong>CD</strong><br />

nix-gut.de | BLUMENTOPFERDE sehen eigentlich genauso<br />

aus wie andere Pferde, nur ein bisschen anders. Weil sie sehr<br />

scheu sind und manchmal unerwartet komisch wiehern,<br />

braucht es Zeit, sich an sie zu gewöhnen. Auch gehören sie<br />

nicht zu den schnellen, eleganten Vollblütern – sie könnten<br />

bestimmt schneller, höher und weiter, rutschen aber<br />

manchmal in Zwiebelbeeten aus. Sowieso gehören BLU-<br />

MENTOPFERDE zu den eher kleineren Rassen – vergleichbar<br />

mit dem Meißener Reitpony – allerdings kriegt man sie<br />

mit viel Hopfen-Aufbaunahrung leistungsfähig und kindergeburtstagsreif.<br />

Einzig allein mit dem Pferdehusten muss<br />

man aufpassen; hat der erst einmal angefangen, hilft nur<br />

noch ein Gang zu den ÄRZTEN. Strengstens abgeraten wird<br />

auch <strong>von</strong> Ausritten auf politischem und staatlichem Gelände,<br />

außer man kennt die Wege und Hindernisse genau. Sonst<br />

passieren noch böse Dinge mit den Stromzäunen. Und ohne<br />

Huf kein Pferd. (63:58) (6) Katrin Schneider<br />

BEDOUIN SOUNDCLASH<br />

12:59 Lullaby M<strong>CD</strong><br />

Sideonedummy/Cargo | 2007 erscheint das zweite Album<br />

der Reggae-Stars aus Kanada. Als Appetizer gibt es den Reggae-Pop-Hit<br />

„12:59 Lullaby“. Ein sehr ruhiges Stück, mit<br />

Bass- und Keyboardteppich. Im Hintergrund ein Hauch<br />

<strong>von</strong> Off-Beat-Gitarre und die charismatische Stimme <strong>von</strong><br />

Jay Malinowski. Hymnen müssen nicht immer an Lautstärke<br />

mächtig sein. Auf der Vinylversion gibt es dazu eine Interpretation<br />

<strong>von</strong> THE MAYTONES’ „One way“. <strong>Die</strong> M<strong>CD</strong> beinhaltet<br />

noch eine weitere Coverversion der BAD BRAINS<br />

– „Jeb rand is sailin’ on“. Nette Accessoires, wenngleich der<br />

Titeltrack eine unglaubliche Eigendynamik besitzt. Im November<br />

auf Tour! (10:06) (9) Simon Brunner<br />

BOY OMEGA<br />

The Grey Rainbow M<strong>CD</strong><br />

Riptide/Cargo | Ein sehr zweischneidiges Schwert, diese<br />

EP des Schweden Martin Henrik Gustaffson, die seinem<br />

erst kürzlich erschienenen Album folgt: Einerseits mag man<br />

ihm nicht absprechen, eingängige Songs und abwechslungsreiche<br />

Arrangements zu präsentieren, die jede/n Songwriter-FreundIn<br />

interessieren könnten. Schweden, ASTRÖM,<br />

ihr wisst schon ... Andererseits probiert er es für meinen<br />

Geschmack zu sehr, was seinen Gesang angeht: Da schmalzt<br />

und leidet er mit derart viel Elan, dass es das schöne Gefüge<br />

untergräbt. Warum muss er nur so aufgesetzt schmachten,<br />

schlimmstenfalls mit hörbarem Vibrato, fragt man sich. Bei<br />

allen guten Ansätzen bleibt so das Gegenteil <strong>von</strong> gut eben<br />

nur gut gemeint. (24:55) (5) Christian Maiwald<br />

RORY BLOCK<br />

The Lady And Mr. Johnson <strong>CD</strong><br />

Ryko/Rough Trade | Das erste Mal so richtig mit Blues auseinandergesetzt<br />

habe ich mich wohl durch die Releases<br />

des Fat Possum-Labels. Da war der Blues, wie er sein sollte,<br />

rauh, ursprünglich und vorgetragen <strong>von</strong> alten schwarzen<br />

Männern. Schon dort war es irritierend, als dann, wie<br />

wünscht, mit dem obligatorisch knarzigen Stockholmer Gitarrensound<br />

(dessen „Erfinder“ Leif Cuzner im Juni Selbstmord<br />

begangen hat) und in bester Tradition <strong>von</strong> ganz frühen<br />

ENTOMBED oder DEATH. (8) Bernd Fischer<br />

¡ ENSAM besteht aus Leuten der legendären finnischen<br />

Bands RIISTETYT und KAAOS. Ende des Jahres soll noch<br />

eine Platte folgen. Auf diesem Vinyl sind vier Songs der<br />

Band. Dunkler melodischer Midtempo-Punkrock-Thrash<br />

mit auf Dauer nervig-keifender Frauenstimme. <strong>Die</strong> düsteren<br />

Arrangements mit passenden Lyrics gefallen, aber unterm<br />

Strich fehlt der Band irgendetwas, was sie <strong>von</strong> anderen<br />

dieses Genres abheben würde. <strong>Die</strong>se Nachpressung, an sich<br />

für den amerikanischen Markt bestimmt, kommt in farbigem<br />

Vinyl. (Bro-Core Records, P.O. Box 173 Granville, MA<br />

01034, USA). (6) Simon Brunner<br />

¡ Hinter dem Projekt FUTURE PILOT AKA verbirgt sich<br />

Sushil K. Dade, ex-SOUP DRAGONS, 18 WHEELER und<br />

BMX BANDITS. Dade arbeitet seit den 90er Jahren mit diversen<br />

Gästen, unter anderem haben bereits Alan Vega, Jowe<br />

Head oder Birx Smith den Gesang übernommen. Auf der<br />

neuen pinkfarbenen 7“ (Aufgeladen und Bereit/Indigo) geben<br />

sich BELLE & SEBASTIANs Stuart Murdoch und Sarah<br />

Martin beziehungsweise Karine Polwart und Rick Webster<br />

die Gesangsmikrofone in die Hand und setzten uns auf rosa<br />

Wolken. Vielleicht sind die drei charmanten Popsongs mit<br />

„Scottish flavour“ auch nur ein Vorgeschmack auf das neue<br />

Album „Secrets From The Clockhouse“, unter anderem mit<br />

Gästen <strong>von</strong> den FIRE ENGINES, SONIC YOUTH, GO-BET-<br />

WEENS und CAN, zu hoffen wäre es. (7) Kay Wedel<br />

¡ Eine Split-7“ namens „Lay Down & <strong>Die</strong>“ (Rat Town Records)<br />

erreicht uns aus Florida. Vertreten sind die Bands<br />

LEGBONE aus Dayton, Ohio und THE GOONS aus Arlington,<br />

Virginia. Erstere versuchen sich an melodischem Hardcore<br />

im NOFX-Style mit etwas rockigerer Note, was zwar<br />

irgendwie nett klingt, letztlich aber nicht vom Hocker reißt.<br />

THE GOONS spielen Punkrock mit einer etwas chaotischen,<br />

thrashigen Note. Fast könnte man sie als reine Thrash-Band<br />

durchgehen lassen, wofür sie aber doch zu lahmarschig sind.<br />

In guten Momenten scheinen ihre D.C.-Wurzeln durch,<br />

diese stärker zu betonen, würde ihnen sehr gut tun. Beide<br />

Bands geben je drei Songs zum Besten, welche leicht über<br />

dem Durchschnitt liegen, mehr aber auch nicht. (6) OlliW<br />

¡ <strong>Die</strong> wundervollen HUSH PUPPIES aus la très bien France<br />

mit ihrer zweiten Single. Ich hatte nichts Neues erwartet<br />

doch da trifft es mich wie ein Reptilienschenkel am Hinterkopf<br />

– noch gestern habe ich „It’s The Kinks“, mein Lieblingsalbum<br />

der KINKS gehört und ein Lied ist jetzt auch auf<br />

der Single drauf. Hm, schnell auf die <strong>CD</strong>, ich flipp aus, die<br />

haben tatsächlich „I’m not like everybody else“ gecovert.<br />

Gut, neeee – wat? Darf man das so eins zu eins? Ich weiß<br />

nicht genau, was ich machen soll, mich beschweren oder<br />

doch froh sein, dass ich die arme alte Platte nicht mehr so<br />

oft belasten muss. Immerhin zeugt das <strong>von</strong> einem guten Geschmack<br />

– vielleicht gefällt Ray Davies diese Indiepop-Geschichte<br />

ja auch, mir werden die Franzmänner <strong>von</strong> Mal zu<br />

Mal sympathischer. Auf der nächsten Single ist wahrscheinlich<br />

auch ein Bonus-Videoclip drauf, wo sie zusammen mit<br />

la prominence de la Sixties singen. (8) Martha Biadun<br />

¡ One-Man-Bands sind entweder der verzweifelte Versuch<br />

nicht teamfähiger Musiker, trotzdem Gehör zu finden,<br />

oder aber der einzige hörbare Ausweg aus besonders strukturschwachen<br />

Gegenden. Gibt ja mittlerweile schon eine<br />

ganze Handvoll solcher Solisten, allerdings keinen, der so<br />

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zum Beispiel im Fall der BLACK KEYS, irgendwelche Weißbrote<br />

auftauchten, die ebenfalls vorgaben, den Blues zu haben.<br />

Und auch wenn das jetzt arg chauvinistisch klingen<br />

mag, noch weniger behagt mir diese Vorstellung, wenn genau<br />

das eine weibliche Musikerin tut. Nun ist Rory Block<br />

nicht gerade ein Novum in der Bluesmusik, denn die Frau<br />

nimmt schon seit Ende der 70er Platten auf und konnte<br />

sich seitdem eine beachtliche Reputation erarbeiten. Und<br />

auch ihre neue Platte „The Lady And Mr. Johnson“ kann sich<br />

nicht gerade über schlechte Kritiken beklagen, denn Block<br />

bemüht sich um eine größtmögliche Authentizität, was ihr<br />

in technischer Hinsicht auch sicher gelingt, nur so richtig<br />

gefallen tut mir das trotzdem nicht. Denn irgendwie ist es<br />

schon ein Unterschied, ob ein Robert Johnson, Mississippi<br />

Fred McDowell oder R.L. Burnside den Blues mit Leben<br />

erfüllt oder eine weiße Frau, die halt leider eben auch immer<br />

so klingt. Sollte das irgendwie verdreht rassistisch klingen,<br />

kann man nichts machen, aber in der Bluesmusik gilt<br />

für mich: No whiteys, please! Ausnahmen bestätigen die Regel,<br />

zu denen ich Frau Block aber definitiv nicht zähle, auch<br />

wenn sie sich hier im Sinne Robert Johnsons um den Blues<br />

verdient macht. (5) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

CALIFONE<br />

Roots And Crowns <strong>CD</strong><br />

Thrill Jockey/Rough Trade | Schon ein erstaunlicher<br />

musikalischer Wandel, den Tim Rutili und<br />

Ben Massarella <strong>von</strong> ihrer ersten Band RED RED<br />

MEAT hin zu CALIFONE durchlaufen haben,<br />

C<br />

<strong>von</strong> Beefhart-beeinflusster Dekonstruktion <strong>von</strong><br />

Bluesrock hin zu einem esoterischen Prog-Folk,<br />

den man noch so gerade dem Alt-Country-Bereich zuordnen<br />

kann. Und „Roots And Crowns“ bildet da keine Ausnahme<br />

und treibt die Reduktion des CALIFONE-Sounds nach<br />

„Heron King Blues“ vor zwei Jahren noch weiter ins Extrem.<br />

Folk und Blues treffen hier auf Rock-Experimente und<br />

elektronische Sounds, wobei „Roots And Crowns“ ein insgesamt<br />

akustisch fließendes Feeling zugrunde liegt. Ebenso<br />

gibt es immer wieder einen Hang zu äußerst griffigen Melodien,<br />

die Rutili und Kollegen allerdings gut in Schichten<br />

aus seltsamen Geräuschen und einer nicht weit <strong>von</strong> Bands<br />

wie CALEXICO entfernten subtileren Form <strong>von</strong> traditionellem<br />

Folk und Country verpacken, was sich auf fast unheimliche<br />

Art zum irgendwie typischen CALIFONE-Sound verbindet.<br />

Dazu passt auch irgendwie ganz gut, dass man ausgerechnet<br />

„The orchids“ vom zweiten PSYCHIC TV-Album<br />

„Dreams less sweet“ covert, wo die Industrial-Pioniere ihren<br />

Sinn für schwelgerischen Pop entdeckten. Der eigentliche<br />

Hit der Platte kommt allerdings ganz zum Schluss mit<br />

„3legged animals“, einem umgearbeiteten Song aus dem<br />

Horrorfilm „The Lost“ (<strong>von</strong> dem man übrigens nur Gutes<br />

hört, wo bleibt das Ding?), für den Rutili die Musik geschrieben<br />

hat und sein Gespür für leicht abstrakte Popsongs<br />

zeigt. „Roots And Crowns“ ist eine Platte voller leiser, gut<br />

versteckter Höhepunkte und steigert nur meine Wertschätzung<br />

dieses brillanten Musikers, der schon mit den großartigen<br />

RED RED MEAT immer viel zu wenig Beachtung fand.<br />

(9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

CHUCK DUKOWSKI SEXTETT (<strong>CD</strong>6)<br />

Eat My Life <strong>CD</strong><br />

Nice and Friendly | Zu meiner Schande muss ich gestehen,<br />

dass ich die späten, angeblich wesentlich experimentelleren<br />

BLACK FLAG-Alben gar nicht kenne, aber da war<br />

Chuck Dukowski eh schon nicht mehr dabei, und auch um<br />

mein Wissen um die Solokarriere des Herrn ist es eher mager<br />

beschert. Nichtsdestotrotz hat dieses Werk mehr mit Experimenten<br />

zu tun, als mit einer neuen „alten“ Version <strong>von</strong><br />

Altherren-Hardcore, besonders mit Hardcore hat das hier<br />

kaum etwas zu tun. <strong>Die</strong> Musik bewegt sich im Bereich <strong>von</strong><br />

Progrock und Free-Jazz, wobei fast alles <strong>von</strong> Lora Nortons<br />

Gesang bestimmt wird, die sich einmal die Seele aus<br />

dem Leib schreit, einmal sehr nach heißerer Bar-Jazz-Manier<br />

haucht, Dukowski hält sich am Bass – auch im Vergleich<br />

zum abgedrehten Saxophon – sehr zurück. Gerade das ag-<br />

klingt wie Haunted George. Der Junge ist am ehesten mit<br />

DER FLUCH aus Leverkusen vergleichbar (nur besser), oder<br />

mit einem knochigen, gut abgehangenen Tom Bagley (Forbidden<br />

Dimension). Erstaunlich, wie interessant es klingen<br />

kann, wenn man die Tonleiter einfach nur rauf und runter<br />

spielt, dazu etwas Hall, spooky Gesang und fertig. „The devils<br />

canyon“ und „Graves in the desert“ sind auf jeden Fall<br />

kleine Hits, <strong>von</strong> denen sich so manche Horrorpunk-Band<br />

eine Schaufel Graberde abschöpfen kann. Prima Sound, um<br />

sich auf einem alten Friedhof gemütlich ein Grundstück<br />

auszusuchen. Bricht das Eis bei jeder Halloween-Party! (9)<br />

kalle stille<br />

¡ HELLPETROL (hellpetrol.de) aus Düsseldorf sind mir<br />

bis dato noch nicht unter die Ohren gekommen, dabei sind<br />

die mittlerweile zum Quartett angewachsenen Jungs schon<br />

ein paar Jahre dabei. Jeder Chucks-, Jeans-, Lederjackenträger<br />

wird an „Can Give You A Hard Time“ garantiert seinen<br />

Spaß haben! (7) Paul Tackenberg<br />

¡ Ganz coole Punkrock-Single <strong>von</strong> THE INSURGENCE aus<br />

den USA. Der erste Song, „Lost“, klingt wie eine dieser typisch<br />

swingenden RANDY-Nummern und läuft gut rein,<br />

bestes Stück auf der Platte. Das anschließende „Ghost town“<br />

hat eine Bassline, die RANCID alle Ehre machen würde,<br />

kickt aber nicht so wirklich. „Friday night“ schließlich ist<br />

eine straight gebolzte, kurze Punk-Attacke. Wie gesagt, nicht<br />

übel. Produziert <strong>von</strong> Jack Endino ist dieses die zweite Veröffentlichung<br />

der Band nach der EP „Statutory Of Liberty“.<br />

Zur Zeit ist die Band mit besagtem Endino im Studio,<br />

um die erste komplette LP aufzunehmen. Da bin ich mal gespannt.<br />

(06:12) (6) Zahni<br />

¡ Renkeeee, voll super, ey! <strong>Die</strong> Splitsingle der Norddeutschen-Bands<br />

KURHAUS (inzwischen bei Poisonfree Records<br />

untergekommen) und ESCAPADO (mit Oliver<br />

Pochers kleinem Bruder als Sänger) hat mich richtig überrascht.<br />

Zeitstrafe(.de) steht für eigensinnige Releases, aber<br />

damit hätte ich nicht gerechnet. KURHAUS verzichten auf<br />

Geschreie und wandeln dieses Mal eher auf Indierock-Pfaden,<br />

was sehr angenehm klingt, während es bei ESCAPADO<br />

nur Remixe gibt. <strong>Die</strong>se sind sehr ruhige elektronische Stücke,<br />

schon fast Ambient-mäßig. „Endlosschleifen“ wurde<br />

<strong>von</strong> LATTEKOHLERTOR geremixt, während „Magnolien“<br />

<strong>von</strong> ERAZE THE BORDERS verwandelt wurde. Klingt sehr<br />

atmosphärisch. Große Überraschung. Timbo Jones<br />

¡ Via screamingapple.de kommt die neue 7“ der MONS-<br />

TERS, jener legendärsten musikalischen Inkarnation <strong>von</strong><br />

Voodoo Rhythm-Boss Beat-Man. „It’s Rock’n’Roll“ lautet<br />

deren Titel, so heißt auch der Stomper auf der A-Seite, und<br />

nach dem Wenden darf man dann noch einer famosen, fuzzigen<br />

Version des Klassikers „Fever“ lauschen. Schön auch<br />

das sehr affige Cover <strong>von</strong> Grafik-Maestro Marcel Bontempi,<br />

und ich kenne nun echt überhaupt keinen Grund, diese<br />

Platte, die anlässlich des 20. Geburtstages der Schweizer veröffentlicht<br />

wurde, nicht zu kaufen. (9) Joachim Hiller<br />

¡ „Rock Bottom“ ist ein simpler Spaß. Drei simple Garagesongs<br />

bringen MURDER BY GUITAR auf ihrer neuen EP<br />

auf Alien Snatch zu Gehör, die nicht weit vom Powerpop<br />

der REAL KIDS entfernt sind, aber auch Roky Ericksson und<br />

FLAMING GROOVIES der „Teenage Head“-Ära beleihen.<br />

Das hasszerfressene „I’ll be gone“ auf der B-Seite ist mir eine<br />

Spur zu zickig, aber der Schlusstrack, „Wrong side of town“<br />

ist ja auch noch da, und der Song ist ein echtes Pfundsstück.<br />

A-Seiten-verdächtig. (7) Gereon Helmer<br />

gressive „Venus in furs“-Cover klingt großartig, und nicht<br />

nur bei diesem Song ist Lora näher an Kathleen Hanna als<br />

an Nico. Dass es <strong>CD</strong>6 nicht nur um schräge Musik geht, beweist<br />

der Innentext: Zwischen knallbunten, aber gruseligen<br />

psychedelischen Malereien finden sich zahlreiche Appelle<br />

gegen das Militär, für Frieden und Humanität und dafür,<br />

(politische) Verantwortung nicht anderen zu überlassen,<br />

dazu die simple Aussage „Punk rock is dead“. <strong>Die</strong>ses Album<br />

hat jedoch in seiner affirmativen politischen Haltung wesentlich<br />

mehr mit Punk zu tun als viele, die sich Punkrock<br />

auf die Fahne schreiben ... Das einzige, was ich nicht verstehe:<br />

Warum nennen sich vier Leute Sextett? Auch wenn man<br />

die Gastmusiker (darunter auch Flea) dazu nimmt, geht das<br />

nicht auf ... (35:22) (8) Chris Wilpert<br />

COUNTRY TEASERS<br />

The Empire Strikes Back <strong>CD</strong><br />

intheredrecords.com | Als die COUNTRY TEASERS einst auf<br />

Crypt veröffentlichten, hatte noch niemand eine Ahnung,<br />

zu was für Freaks sich die Engländer im Laufe der Jahre entwickeln<br />

sollten. Mit „The<br />

Empire Strikes Back“ ist<br />

ihr achtes Album erschienen,<br />

wie die Vorgänger auf<br />

In The Red, und ich habe<br />

bis heute nicht begriffen,<br />

was die Londoner Meister<br />

des Rockzitates eigentlich<br />

wollen. Ihre Musik<br />

ist im Grunde genommen<br />

gar nicht so „weird“,<br />

schöpft aus Country, Punk,<br />

Pop und Garage, ist auf einem<br />

ähnlichen Sonderlingslevel<br />

wie THE FALL und Herr Childish anzusiedeln<br />

– und wurde diesmal trotz der Abneigung gegen normale<br />

Tonstudios in einem solchen aufgenommen, allerdings in<br />

Portland, OR und nicht im heimischen England. Der Wahnsinn<br />

beginnt dann bereits beim Opener „Spiderman in the<br />

flesh“, in dem PINK FLOYD <strong>von</strong> „The Wall“ verwurstet werden,<br />

„The ship“ wartet mit einem komischen, schleppenden<br />

Walzerrhythmus auf, „Raglan top of lonsdale grey“ hat<br />

völlig strange Country-Anklänge, und den Text will man eigentlich<br />

gar nicht verstehen – jugendfrei ist das jedenfalls<br />

nicht. Ein verdammtes Meisterwerk, diese Platte, so viel ist<br />

mir klar, doch im Detail verstehen können muss man das<br />

nicht – und beschreiben schon gar nicht. Der Höhepunkt<br />

ist übrigens der letzte Song, mit dem brillanten Titel „Please<br />

ban music/Gegen alles“ ... (50:07) (9) Joachim Hiller<br />

CAIPYRANHAS<br />

s/t M<strong>CD</strong><br />

caipyranhas.de | Das Trio CAIPYRANHAS hat sich zwar einen<br />

zweifelhaft lustigen Namen gegeben, gefällt aber trotzdem.<br />

Schwungvoller Rockabilly mit Surf- und Psychobilly-Elementen.<br />

Der Song „Just keep up“ endet sogar in einer<br />

Art, die als Noiserock durchgehen würde. Somit interessant<br />

und keine seichte Schlagermusik, die auch schon mal<br />

gerne als Rockabilly bezeichnet wird. Mit schönen Backing-<br />

Vocals machen die vier Songs Lust auf mehr und durch das<br />

ausgiebige Tourprogramm wird es dazu live genug Gelegenheiten<br />

geben. Dann folgt hoffentlich auch schnell ein Longplayer,<br />

es gibt schließlich viele Bands in diesem Umfeld mit<br />

weit weniger Talent und Esprit. (6) (11:34) Robert Noy<br />

CRADLE OF FILTH<br />

Thornography <strong>CD</strong><br />

roadrunnerrecords.de | Lange ist es her, dass ich mir, anno<br />

dazumal, eine Platte der britischen „Black“-Metaller zu Gemüte<br />

geführt habe. Mittlerweile legt man das siebte Album<br />

vor und dürfte mal wieder für reichlich kontroversen Gesprächsstoff<br />

bei den Szenewächtern sorgen. Der obligatorische,<br />

epische Sound der Insulaner hat sich nämlich einer<br />

gehörigen Frischzellenkur unterzogen und klingt jetzt streckenweise<br />

wie eine Filth’sche Glamrock-Version <strong>von</strong> IRON<br />

¡ <strong>Die</strong> MÖNSTER / CHAINBREAKER-Split-7“ auf Vendetta-Records<br />

vereint zwei großartige Bands aus Berlin/Potsdam.<br />

Gehören MÖNSTER spätestens seit „Arm“ mit ihrer<br />

Mischung aus simplen D-Beat-Riffs und einer gehörigen<br />

Prise Portland-Sound Marke TRAGEDY zu einer der<br />

besten und eingängigsten Bands Deutschlands, müssen<br />

sich die mir bis dato unbekannten CHAINBREAKER auch<br />

nicht verstecken, bringen sie doch guten alten Oldschool-<br />

HC mit deutschen Texten und gebrüllten Vocals unters Volk.<br />

CHAINBREAKER haben aber leider nicht ganz so viel Power<br />

und Energie wie MÖNSTER, die aber sicher eine Ausnahmeband<br />

sind. Deshalb: Uneingeschränkte Empfehlung! (8)<br />

Dr. Oliver Fröhlich<br />

¡ Booooh, hier <strong>von</strong> einer Band und nicht <strong>von</strong> einer<br />

Splitsingle zu reden, fällt wirklich schwer. <strong>Die</strong> B-Seite ist ein<br />

echter Hardcore-Hhammer, wie ihn die WRANGLER BRU-<br />

TES aktuell zelebrieren, während die A-Seite eine quälend<br />

schleppende und fertige Nummer ist, die Heroen vom Kaliber<br />

DRUNKS WITH GUNS oder FLIPPER zur Ehre gereicht.<br />

So kaputt habe ich lange nichts mehr gehört. Aber es ist nur<br />

eine einzige Band, nämlich die PISSED JEANS, die auf dieser<br />

Sub Pop-Single im Grunde die Früh- und die Spätphase<br />

<strong>von</strong> BLACK FLAG vereinen, obwohl die nie so fertig geklungen<br />

haben. Erinnert einen nur daran, wie genial die bewaffneten<br />

Alkoholiker einmal waren. (8) kalle stille<br />

¡ So lecker, dass man sie lutschen möchte, sieht die rotweiß<br />

gefleckte „Snap Out Of It“-7“ der ROTTEN APPLES<br />

auf trash2001.de aus. Und im Vergleich zum Album, das ein<br />

paar Jahre her ist, haben die Amerikaner und -innen aus<br />

Seattle den mich zuvor an EPOXIES erinnernden Sound etwas<br />

abgelegt, haben jetzt einen ganz ordentlichen Rock-<br />

Einschlag, so dass zumindest der Titelsong mich an BELL-<br />

RAYS und GHETTO WAYS erinnert. „Anxiety“ hat dann<br />

wieder etwas Synthie an Bord, ebenfalls schön, und das<br />

BLONDIE-Cover „Picture this“ <strong>von</strong> der B-Seite kennt man<br />

ja vom Tribute-Sampler ihres Labels. (8) Joachim Hiller<br />

¡ So ungefähr jede rundum begeisternde Garageband der<br />

letzten Zeit kam aus Schweden, das ist beinahe schon beängstigend.<br />

Wer sich jedenfalls für orgellastige Shaker mit<br />

Hitqualitäten begeistern kann und CAESARS und MAHA-<br />

RAJAHS gleichermaßen goutiert, der sollte sich auch an den<br />

STOMPIN’ SOULS versuchen, deren „Put Me On“-7“ jedem<br />

Farfisa-Fan wohlige Schauer über den Rücken jagt –<br />

und die vier Nummern hier toppen meiner Meinung nach<br />

auch das schlappe neue Album <strong>von</strong> MANDO DIAO. (9)<br />

Joachim Hiller<br />

¡ Uneingeschränkt kann ich euch die beiden 7“s <strong>von</strong><br />

SEXO Y DROGA (sexoydroga.net) empfehlen. Sex Punk<br />

Trash Rock. Fuck, yeah. So muss das sein! Da bekommt der<br />

7“-Käufer seine Daseinsberechtigung: nämlich solche kleinen,<br />

aber äußerst feinen Perlen aufzutun. Das ist dreckig, das<br />

ist laut und das ist genial! Bitte gebt dieser Band eure Ohren.<br />

Betitelt sind diese beiden 7“s übrigens nicht. Nicht dass einer<br />

denkt, der Paul wäre blöd. (8) Paul Tackenberg<br />

¡ Mit den TURPENTINES haben die TURPENTINE BROT-<br />

HERS nichts zu tun, dazu klingt auch die Musik der 2-<br />

Song-7“ „Get Your Mind Off Me“ (aliensnatch.com) zu anders.<br />

Das Garage-Trio kommt aus Boston, mischt brachialen<br />

Proto-Punk smart mit Blues- und Soul-Parts und Fuzz-<br />

Orgel, wirkt dabei weder dick rockend, noch dünn und zu<br />

garagig, sondern baut eine düstere, wuchtige Soundwand<br />

auf, die unweigerlich mitreißt. Bin gespannt, was da nachkommt.<br />

(8) Joachim Hiller<br />

MAIDEN. Obendrein hat wohl auch Frontzwerg Dani Filth<br />

in der Zwischenzeit die eine oder andere Gesangsstunde genommen<br />

und so weicht das nervige, trommelfellzerrende<br />

Gekreische immer wieder cleanen, hymnenhaften Gesangspassagen.<br />

Anerkennend muss man eingestehen, dass CRAD-<br />

LE OF FILTH trotz aller Flirtereien mit dem Mainstream ihrer<br />

eigenen Interpretation des schwarzmalerischen Metals<br />

treu geblieben sind und dabei versuchen, sich neu zu erfinden,<br />

ohne großartig irgendwelche Risiken einzugehen. Unterm<br />

Strich bleibt ein gewohnt stimmig arrangiertes Metal-<br />

Album, welches sowohl eingefleischte Fans als auch antipathischen<br />

Szenepredigern auf die jeweilige Art und Weise befriedigen<br />

dürfte. Uwe Kubassa<br />

CAPSIZED<br />

Against Your Walls <strong>CD</strong><br />

Bad Land | Ob der gleichnamige SAMIAM-Song namensgebend<br />

war weiß ich jetzt nicht, wäre aber gut möglich, da<br />

CAPSIZED aus Pfarrkirchen in Bayern ebenfalls Emocore<br />

spielen und eine ähnliche Vorliebe für druckvolle Riffs haben.<br />

Nicht nur das, auch gesanglich bringt Raed Mansour<br />

einiges an Fähigkeiten mit und so hinkt der Vergleich keinesfalls.<br />

<strong>Die</strong> andere Seite <strong>von</strong> CAPSIZED erinnert mich angenehm<br />

an UNITY und frühe IGNITE, wobei der Song<br />

„Guilt“ beide genannten Einflüsse auf einen Nenner bringt.<br />

Selbstverständlich ist es nicht einfach, sich in einem Kontext<br />

zu etablieren, der <strong>von</strong> Legenden dominiert ist, aber da<strong>von</strong><br />

lässt sich das Quartett eben nicht abschrecken. <strong>Die</strong> Gruppe<br />

hat definitiv Charisma, Courage und auch einen gewissen<br />

Wiedererkennungswert. So kann „Against Your Walls“ problemlos<br />

überzeugen und ist mit Sicherheit ein gelungener<br />

Einstand. (33:46) (6) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

COOGANS BLUFF<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

Morgana | Aus Rostock kommen die vier Jungs, die sich<br />

der Rockmusik verschrieben haben und seit einigen Jahren<br />

fleißig durch die Lande touren – bis nach Italien reiste man<br />

gar schon. <strong>Die</strong> vorliegende EP ist auch schon die dritte, da<br />

wird’s wohl nicht mehr lange dauern, bis der erste Longplayer<br />

nachgeschoben wird. Man hört, dass im Tourbus gerne<br />

MOTÖRHEAD eingelegt wird, gerade Gitarren, eine bemüht<br />

raue Stimme, und eine Rhythmus-Abteilung, die ordentlich<br />

Gas gibt. Ein bisschen fehlt noch das gewisse Etwas,<br />

aber alles in allem darf man gespannt sein, was da noch<br />

folgt. (24:25) (6) Simon Loidl<br />

CIRCULUS<br />

Clocks Are Like People <strong>CD</strong><br />

Rise Above | Man trägt Kleider und Garderobe aus dem Barock,<br />

was zunächst verdächtig erscheint und sich musikalisch<br />

tatsächlich bestätigt. Man ist dem Barock auch auf dem<br />

Instrument zugetan, versteht es aber in ausgezeichneter Art,<br />

dem Einfluss eine gehörige Portion Moderne beizugeben.<br />

Herausgekommen ist stark hippiesk beeinflusster Psychedelic<br />

Flower-Pop mit Melodien, die auch den ärgsten Hippiefeind<br />

nicht kalt lassen können. So hat man das seit dem<br />

legendären Summer of Love bestimmt nicht mehr gehört.<br />

Ja, es gibt Querflöten zu hören, aber dazu auch einen deftigen<br />

treibenden Bass, elektronische Spielereien sowie flirrende<br />

Gitarrensounds. Wunderbar abwechselnder oder gemeinsamer<br />

„Mann und Frau“-Gesang rundet die Songs<br />

hervorragend ab. Musik, die auf alle Fälle alle Dämonen vertreibt,<br />

wenn es einem mal wieder beschissen geht. Vielleicht<br />

sollte ich mir doch wieder die Haare lang wachsen lassen<br />

und auch mal nackt im Park tanzen gehen ... (42:11) (9)<br />

Claus Wittwer<br />

CIRCLE OF DEATH<br />

Hard To Live M<strong>CD</strong><br />

myspace.com/circleofdeath | <strong>Die</strong> erste 5-Song-M<strong>CD</strong> der<br />

Duisburger inklusive Bonustracks (die aber nicht weiter interessieren<br />

...) bietet düsteren Moshcore der Marke SHAT-<br />

TERED REALM. Überwiegend im schleppenden Midtem-<br />

¡ Jetzt benennen die Japaner ihre Bands schon nach holländischen<br />

Kleinstädten. VOLENDAM DISEASE aus irgendwo<br />

in Japan haben neben dem Spaß an Städtenamen auch<br />

einen Hang zum europäischen Hardcore der Achtziger, den<br />

sie perfekt in ihren klassischen Japcore integrieren. <strong>Die</strong> fünf<br />

Songs ihrer in Kooperation <strong>von</strong> Kangaroo und Even Worse<br />

Records veröffentlichten Debütsingle werden natürlich<br />

in Höchstgeschwindigkeit runter geprügelt, aus der Masse<br />

ähnlicher Bands stechen sie aber durch eine sehr prägnante<br />

und melodische Leadgitarre und den sehr guten Sänger hervor,<br />

der auch ohne Brüllen und Schreien kraftvoll und energetisch<br />

die wütenden Texte ausspuckt. Guter Hardcore ist<br />

eben doch nichts anderes als die Verdichtung <strong>von</strong> Punkrock.<br />

(geocities.com/tysonkangaroo) (8) André Bohnensack<br />

¡ WHERE EAGLES DARE, ja da, da wächst kein Gras mehr,<br />

Freunde, und wenn doch, dann sprießen Arme, Beine, faulige<br />

Schädel mit grinsenden Fratzen und Sanges-Melodiechen<br />

<strong>von</strong> einem Connaisseur auf dieser untoten Wiese... Einer,<br />

der sein Sangeshandwerk fürwahr im Griff hat und dieses<br />

bei seiner Haus-Band namens WILDE 13, schon oft mit<br />

bravour unter Beweis gestellt hat. Aus den Mitgliedern der<br />

Rosenheimer Band, die wenigstens (!!!) TERRORGRUPPE-<br />

Fans bekannt sein sollten und die viel und auch stilistisch<br />

einwandfreien Punkrock und RnR in ihren Sound einfließen<br />

lassen, besteht auch die Horrorpunk-Granate WHERE<br />

EAGLES DARE. <strong>Die</strong> B-Seite beheimatet die MISFITS-Klassiker<br />

„Angelfuck“ und „Death comes rippin“, und der Hit der<br />

schicken, kleinen Scheibe ist die A-Seite mit dem Titeltrack<br />

„Evil Beth“, der aus eigener Feder der Männer um Frontmegaphon<br />

Markus 13 stammt. Getreue MISFITS-.Jünger kommen<br />

an diesem Spukspektakel der vier kompetenten Routiniers<br />

nicht vorbei. Sehr geiles Teil KK<br />

¡ Das Kölner Label Soundflat sollte für die Verdienste am<br />

deutschen Sprachgut einen Verdienstorden bekommen. Nahezu<br />

alle Soundflat-Artists sind mittlerweile genötigt worden,<br />

auch Songs auf Deutsch aufzunehmen. Das ist eine<br />

schöne Tradition, und auch die niederländischen WAIST-<br />

COATS fügen sich der Anordnung des mächtigen Labelbosses.<br />

Dabei zeigt sich deutlich der Helferkomplex des Chefsängers<br />

Jan Hermann Veldkamp, der mit „Ich möchte dir<br />

nur helfen“ eine Freakbeat-Hymne über Selbstlosigkeit herausschmettert,<br />

und danach beleidigt „Wir gehen!“ hinterher<br />

schiebt. Zwei weitere, allerdings englischsprachige<br />

Songs sind auch noch dabei, und alles in allem ist es eine<br />

nette kleine EP geworden. (8) Gereon Helmer<br />

¡ Mrs. Studdert, die Mutter <strong>von</strong> Will und Sam, hat einen<br />

Kühlschrank, aber keinen Plattenspieler, weswegen meinem<br />

Exemplar der auf It’s Alive (itsaliverecords.com) erschienenen<br />

ZATOPEKS-7“ „Smile Or Move“ der Kühlschrankmagnet<br />

und die an und für sich beiliegende <strong>CD</strong>-R fehlt. Sie ließ<br />

mir dafür Aufkleber, Aufnäher, Anstecknadel und das Poster<br />

einer Fotostrecke der Band aus dem Konzertsaal der Universität<br />

Birmingham. Auf dieser zweiten US-Veröffentlichung<br />

der Band mit dem Trommler, der auch ohne Stöcke<br />

weiterspielt (welche Körperteile – ich glaube, es war sein<br />

Penis – er stattdessen verwendet hat, ist bestimmt auf photo.marc-gaertner.de<br />

zu sehen), finden sich zwei Liebeslieder<br />

des Albums, sowie zwei Neuheiten. <strong>Die</strong> A-Seite mit „I<br />

dream I’m home“ und dem „Turn to gold blues“, der auch<br />

für die Vinylfarbe verantwortlich sein sollte, ist balladenhafter,<br />

während „Even Zatopeks cry“ und – mein Lied! – „Another<br />

night on the divide“, schön schnell sind. Hätte mit<br />

Kühlschrankmagnet <strong>von</strong> mir eine „Zehn“ bekommen. (9)<br />

Walmaul<br />

po-Bereich angesiedelt, donnern die Doublebass-Einlagen<br />

wie ein Gewitter aus den Boxen und die tiefen Growls <strong>von</strong><br />

Shouter Florian untermalen die düstere Grundstimmung<br />

des Albums. Insgesamt schon eine fette Keule, die wie ein<br />

Schlag in die Fresse daherkommt, aber mir persönlich doch<br />

auf die Dauer einfach zu langsam. Da man schon zusammen<br />

mit BORN FROM PAIN auf der Bühne stand, wäre es vielleicht<br />

ganz schön, sich <strong>von</strong> deren Tempo etwas beeinflussen<br />

zu lassen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden, denn die<br />

Jungs firmieren ja auch erst seit 2003 als COD. Da kann noch<br />

einiges gehen. Anspieltipps für alle Nike- und Trainingshosenträger<br />

da draußen: „Circle of death“ und „Teamkiller“.<br />

(31:57)(6) Tobias Ernst<br />

CAMPING GROUP<br />

So wie wir heute dastehn <strong>CD</strong><br />

pavlek-schallpatten.de/Hausmusik | „So wie wir heute dastehn,<br />

wird uns morgen keiner mehr ernst nehm’ und nicht<br />

verstehen.“ Leider sagt dieser Satz aus dem Song „Hymnen“<br />

viel Wahres über THE CAMPING GROUP aus. Johannes Finkes<br />

und Daniel Vujanics Kooperation klingt ein wenig wie<br />

eine missglückte Version <strong>von</strong> Finkes Soloalbum, das erst vor<br />

wenigen Monaten erschien. <strong>Die</strong> deutschen Texte sind okay,<br />

auf jeden Fall zeit- und gesellschaftskritisch gemeint, aber<br />

nicht zwangsläufig als solche rezipierbar. <strong>Die</strong> Musik ist leider<br />

zu unaufgeregt und nicht fordernd genug, mit ein wenig<br />

Punkgestus vorgetragener Wohnzimmer-Elektropop mit<br />

HipHop-, Akustik- und (laut Info) „Indyrock“-Schlenkern.<br />

Quasi Diskurspop, der aber auch im Scheitern seine wahre<br />

Größe nicht entfaltet. (45:32) (5) Chris Wilpert<br />

CYRIL LORDS<br />

Motherland <strong>CD</strong><br />

nofunrecords.com | Eine kleine Verwirrungsgeschichte<br />

vorab: <strong>Die</strong> aus Ohio stammenden und mittlerweile in Detroit<br />

ansässigen CYRIL LORDS nannten sich einst BLOO-<br />

DY HOLLYS, benannten sich aber 2002 dann um, denn die<br />

Verwechslungsgefahr mit den auf Alive veröffentlichenden<br />

BLOODY HOLLIES aus Buffaly, NY war wohl einfach zu<br />

groß. Ihrer Herkunft aus der „Rock City“ machen die CYRIL<br />

LORDS jedenfalls alle Ehre, die aus Japan stammende Drummerin<br />

Mayuko kickt stoisch den Rhythmus, und die beiden<br />

Männer in der Band, die sich natürlich in den Vordergrund<br />

drängen müssen, machen sowohl bei den straighten Rocknummern<br />

wie bei den poppigen Sixties-Nummern („You’d<br />

better take care of yourself“) eine ausgesprochen gute Figur.<br />

Exzellent auch die druckvolle Produktion, für die Al Sutton<br />

verantwortlich zeichnet. Eine sehr überzeugende Kombination<br />

aus Garage, Powerpop und Rock, eine unwiderstehliche<br />

Gute-Laune-Platte ohne Schnörkel, die mich phasenweise<br />

an die famosen MUFFS erinnert. (39:04) (7)<br />

Joachim Hiller<br />

CREATURES OF THE GOLDEN DAWN<br />

An Incident At Owl Creek Bridge <strong>CD</strong><br />

gethip.com | International Artists, der Hasch- und LSDpropagierende<br />

Mischkonzern, welcher Mitte der Sechziger<br />

im Redneck verseuchten Texas Bands wie 13th FLOOR<br />

ELEVATORS oder GOLDEN DAWN auf die unbedarfte Hippie-Meute<br />

losließ, wäre stolz auf diesen Release gewesen.<br />

Furztrockene Fuzz-Gitarren, eine knarzige Stimme wie die<br />

des jungen Roky Erickson und gelegentliches leicht folkiges<br />

Jinglejangle machen hier eine Mischung, die für mindestens<br />

dreizehn Köpfchen reicht, auf. Dabei klingt es allerdings<br />

auch nicht hundertprozentig retro, auch der Geist des<br />

Paisley Undergrounds der 80er Garage-Heroes wie UNC-<br />

LAIMED oder FOURGIVEN spukt hier herum und sorgt für<br />

lysergsaure Obertöne. Kein Wunder, dass der selbst ernannte<br />

Garagenpapst Little Steven begeisterte Loblieder auf das texanische<br />

Quintett singt, denen ich mich bedenkenlos anschließen<br />

kann. (8) Gereon Helmer<br />

CHUCK NORRIS EXPERIMENT<br />

Volume! Voltage! <strong>CD</strong><br />

offthehipp.com.au | Da lassen es ein paar Skandinavier<br />

wieder mal ordentlich krachen. Aus dem Nebenprojekt<br />

<strong>von</strong> Mitgliedern diverser recht unterschiedlicher Bands<br />

(RICKSHAW, THE AWESOME MACHINE, TIAMAT, TAU-<br />

RUS), die sich mit dem CHUCK NORRIS EXPERIMENT lediglich<br />

die Zeit vertreiben wollten, ist nun wohl endgültig<br />

was Selbstständiges gewachsen: Ganz feiner punkiger Rock<br />

aus Göteborg in Schweden. Wohltuend ist vor allem, dass das<br />

ganz ohne allzu viel Gepose – wie bei verwandten Bands ja<br />

mehr als üblich – abgeht. Als Einflüsse werden, wie könnte<br />

es anders sei, AC/DC, MOTÖRHEAD, SEX PISTOLS aufgezählt,<br />

erinnern tut das Ganze streckenweise an ELECTRIC<br />

FRANKENSTEIN und ein paar richtige Hymnen (Anspieltipp<br />

„Bullshit city“) sind auch mit dabei: was soll da noch<br />

schief gehen? Merkwürdiges Detail: Mindestens drei Songs<br />

beginnen mit der Textzeile „I got myself ...“ – ansonsten aber<br />

ein durchaus abwechslungsreiches Album, das sich sowohl<br />

zum Aufpeppen eingeschlafener Partys wie für längere Autofahrten<br />

eignen dürfte. (54:49) (8) Simon Loidl<br />

COMITY<br />

As Everything Is A Tragedy <strong>CD</strong><br />

candlelightrecords.co.uk | Wenn eine Band nicht so recht<br />

weiß, welche musikalische Richtung sie einschlagen soll,<br />

kann man da<strong>von</strong> ausgehen dass es sich um Chaoscore mit<br />

Emo-Einschlag handeln könnte. Überspitzt gesagt trifft das<br />

auch in diesem Falle zu. 1996 gegründet, brauchte man fünf<br />

Jahre, um sich überhaupt auf einen Stil zu einigen, und legt<br />

nun nach einer Dekade das erste nennenswerte Lebenszeichen<br />

vor. COMITY bemühen sich hörbar um Komplexität<br />

in ihren vertrackten Post-Hardcore-Songs, und es ist löblich,<br />

dass eine Band den Spagat zwischen Grindcore-Attacken,<br />

atmosphärischen Alternative Rock-Eskapaden, Post-<br />

Hardcore neuer Schule und furchtbar unerträglichen Emo-<br />

Rumgedudel wagt, ohne sich dabei irgendeiner Zielgruppe<br />

explizit anbiedern zu wollen. Wer sich einen Mix aus<br />

BOTCH und alten ISIS mit einem Death Metal-Sänger am<br />

Mikro vorstellen kann, dürfte bei COMITY richtig liegen.<br />

Ist auf jeden Fall weitaus interessanter als die meisten Veröffentlichungen<br />

heutzutage! Uwe Kubassa<br />

CURTAINS<br />

Calamity <strong>CD</strong><br />

Asthmatic Kitty | Einmal quer durch den Pop-Kosmos<br />

geht es mit DEERHOOFs Chris Cohens Ein-Mann-Projekt<br />

THE CURTAINS, bei dem er vor allem in den 1960ern wildert<br />

und frei Schnauze Bubblegum-Pop, Beat und Soul zitiert.<br />

Mit „Calamity“ ist sein Album nicht einmal unpassend<br />

benannt, denn die bestenfalls ungelenken Ergebnisse können<br />

auch mühelos als Misere durchgehen. Im Endeffekt eiert<br />

und dengelt er sich so unbeholfen durch die glücklicherweise<br />

kurzen Songs, dass man manchmal unweigerlich<br />

an die seligen SHAGGS erinnert wird. Er bricht mit so Vielem,<br />

das man für gute Popsongs voraussetzt – Melodie, Timing,<br />

Abstimmung der Elemente untereinander, einigermaßen<br />

gerader Gesang –, dass er bestenfalls als Novelty-Act<br />

ernst zu nehmen ist. Und unter dem Gesichtspunkt entwickelt<br />

das Album tatsächlich einen kruden Charme. (31:36)<br />

(7) Christian Maiwald<br />

CRUSTIES<br />

Rats Revenge <strong>CD</strong><br />

Beer City | Sollte Milwaukee bisher eine vitale Hardcore-<br />

Szene gehabt haben, so ist das wohl an mir unbemerkt vorübergegangen.<br />

THE CRUSTIES sollen jedenfalls dieser seit<br />

Ewigkeiten angehören. Und wenn sie auch noch prototypisch<br />

für den Milwaukee-Hardcore sind, dann kann man<br />

zumindest sagen, dass man in jedem Fall einen ähnlich abgrenzbaren<br />

Wiedererkennungswert besitzt, wie NYHC oder<br />

Hardcore Bostoner Spielart. Soviel zur Theorie – in der Praxis<br />

mag man ihnen durchaus ein gewisses Fundament in Sa-<br />

<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 065<br />

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chen Hardcore zugestehen, aber es wird zusätzlich großzügig<br />

in anderen Genres gewildert. So kommt ziemlich oft der<br />

Off-Beat zum Zuge, wird mit Bläsern gearbeitet, die mitunter<br />

ins Free-Jazzige abgleiten oder die Gitarre verirrt sich<br />

in den Funk. Einige wenige Songs, wie „Eat my fuck“, sind<br />

zwar reiner Hardcore-Punk, aber bei den meisten anderen<br />

habe ich das Gefühl, man versucht etwas künstlerisch Anspruchvolles<br />

herzustellen, was irgendwie nicht zusammenpasst.<br />

Vielleicht verstehe ich diese Platte aber auch einfach<br />

nicht. Oliver Willms<br />

CLICKCLICKDECKER<br />

Nichts für ungut LP/<strong>CD</strong><br />

audiolith.net/Broken Silence | <strong>Die</strong> neue CLICKCLICKDE-<br />

CKER ist da. Endlich. Gerade rechtzeitig, zum Überleben des<br />

ausklingenden Sommers. Gerade rechtzeitig zum Beschallen<br />

des einsetzenden Herbstes. Und letztendlich auch, um einen<br />

durch den nahenden Winter zu geleiten. Einmal mehr eine<br />

kugelrunde Sache, die Kevin Hamann aka CLICKCLICKDE-<br />

CKER hier abliefert. <strong>Die</strong>se Erkenntnis überkommt einen bereits<br />

in dem Moment, in dem man das knallig bunte, wunderschöne<br />

Cover bestaunt und seine Nase einmal kurz in die<br />

Texte steckt, die im schicken Digipak, Ehrensache, komplett<br />

abgedruckt sind. <strong>Die</strong> Texte, die einen großen Teil eines jeden<br />

C<strong>CD</strong>-Liedes ausmachen, sind auch beim vorliegenden<br />

Album wieder vortrefflich. Vom Leben leben und vom zusehends<br />

Zuhören statt vom schwatzhaft Schwadronieren<br />

geprägt, trifft fast ein jeder dieser Texte auf seine eigene Art<br />

und Weise ins Schwarze. <strong>Die</strong> Musik ist wie gehabt ein wohlig<br />

weiches Kissen im Gänsehautbezug, auf dem sich das müde<br />

gelebte Hirn fantastisch für einige versöhnliche Momente<br />

zur Ruhe legen kann. Folkiger Songwriter-Pop, der seine<br />

Untergrundsozialisation niemals vergessen hat, sanft mit allerhand<br />

Facetten des Indierock zu spielen weiß und bei diesem<br />

12 Lieder langen, zweiten Langspieler <strong>von</strong> C<strong>CD</strong> sicher<br />

ein wenig mehr als vorher mit dem Elektrobaukasten spielt.<br />

Was den Songs im Einzelnen allerdings keinen Abbruch<br />

tut, im Gegenteil. <strong>Die</strong>se Songs werden derzeit <strong>von</strong> keinem<br />

deutschsprachigem Künstler (oder besser Musiker?) überboten<br />

und existieren fernab <strong>von</strong> Mainstream-Belanglosigkeit<br />

und vor allem fernab <strong>von</strong> „nicht gänzlich fabelhaft“.<br />

Nein, das hier ist keine Schlaumeierscheiße für Bauspar-<br />

Studenten, das hier ist das Leben da draußen. Das hier hat<br />

Melodie. Das hier ist einfach ehrlich und gut. Das hier, ja, das<br />

hier kann eigentlich alles. Basta. KK<br />

COSMIC PSYCHOS<br />

Off Ya Cruet! <strong>CD</strong><br />

timberyardrecods.com | Am 1. Juli legte sich COSMIC PSY-<br />

CHOS-Gitarrist Robbie Rocket nach einem Konzert schlafen<br />

– und stand nicht wieder auf. <strong>Die</strong> australische Musikszene<br />

reagierte schockiert, scheint damit doch das Ende einer<br />

legendären Band besiegelt, die mit ihrem extrem simplen,<br />

aber dafür um so durchschlagkräftigeren Zwei-Akkord-<br />

Sound ein eigenes Genre prägte, das des „Yob Rock“. Darunter<br />

versteht der Australier Rockmusik, die das Männerdasein<br />

verherrlicht, was in diesem Fall das Biersaufen mit<br />

nacktem Oberkörper inklusive Fachsimpeleien über das zu<br />

diesem Zeitpunkt mit ziemlicher Sicherheit weit entfernte<br />

weibliche Geschlecht sowie das Ausstoßen <strong>von</strong> Verdauungsgasen<br />

auf oralem wie rektalem Wege umfasst. Das mag<br />

danach klingen, als seien die COSMIC PSYCHOS stumpfe<br />

Prolls gewesen, aber das war mitnichten der Fall. <strong>Die</strong> Anfang<br />

der Achtziger nahe Melbourne gegründete Band war eine<br />

andere Form <strong>von</strong> Punkrock, die RAMONES in einer noch<br />

reduzierteren Form, mit einem Bass, der bisweilen klang, als<br />

bestünde die eine Saite aus einem ausgeleierten Unterhosengummi,<br />

dazu stoisches Drumming, gröliger Gesang und<br />

eine beißende Gitarre, die keine Zeit hatte für Solo-Ausflüge.<br />

Damit soll es nun also vorbei sein? Original-Drummer<br />

Bill, der heute in Melbourne in der AC/DC-Lane die Cherry<br />

Bar betreibt, stieg ja schon vor Jahren im Streit aus, ein<br />

gewisser Dean Muller beerbte ihn, doch nach Robbies Tod<br />

ist <strong>von</strong> der Originalbesetzung jetzt eben nur noch Sänger<br />

und Bassist Ross „Knighter“ übrig. Band- und Label-Website<br />

wurden seit Monaten nicht geupdatet, da findet sich<br />

nicht mal ein Hinweis auf Robbies Tod, und der Schock sitzt<br />

wohl noch tief. Als Robbie starb, befand sich die Band gerade<br />

auf Tour, um ihr neues Album „Off Ya Cruet!“ zu bewerben,<br />

das im März erschienen ist, aber eigentlich kaum irgendwo<br />

zu bekommen ist. Schade, denn die zehn Songs zeigen die<br />

Band erneut in Höchstform, knüpfen direkt an „Oh What<br />

A Lovely Pie“ <strong>von</strong> 1997 an, das bis dato letzte Studioalbum:<br />

simple, im Vergleich zu früher kein Stück im Tempp zurückgenommene<br />

Punkrock-Songs, mit wütend vorantreibendem<br />

Drumming und eben Ross’ markant schnarrendem<br />

Bass sowie Robbies sägender Gitarre. Keine Ahnung, ob und<br />

wie es mit den COSMIC PSYCHOS weitergeht, ein würdiges<br />

Vermächtnis ist „Off Ya Cruet“ allemal. (38:25) (8)<br />

Joachim Hiller<br />

CHEEKS<br />

Raw Countryside <strong>CD</strong><br />

Beyond Your Mind | <strong>Die</strong> <strong>CD</strong> ist schwarz, in mattem Silber<br />

lese ich 13 Songs, sie ist rund und hat ein Loch in der Mitte.<br />

Schön, oder? Sobald ich das gute Stück in meine leicht angeschlagene<br />

Anlage stopfe, beginnt die Fassade sich zu verändern.<br />

Es gibt kein Schwarz mehr, sondern eine lebendige<br />

Landschaft voller kurioser Gestalten, die auf einer mit Bier<br />

getränkten Wiese rumhüpfen. Ein paar <strong>von</strong> ihnen, im Stile<br />

der 60er Jahre gekleidet, auf ihrer Stirn steht geschrieben:<br />

Dedicated to good music. Es ist gut, ein festes Ziel vor<br />

Augen zu haben, hat Mutti immer gesagt. Einer <strong>von</strong> ihnen<br />

schwingt mit einem Tambourin rum, singt <strong>von</strong> Liebe, verwirrten<br />

und verrotteten Charakterzügen und sein linkes<br />

Bein geht auf und ab, Hand in Hand mit dem Beat. <strong>Die</strong>ser<br />

Beat fängt erst an, sich an deinen Ohrläppchen hochzunagen,<br />

beißt sich in deinem Hirn fest und zieht dann ganz mies<br />

an deinen Mundwinkeln. <strong>Die</strong> YARDBIRDS, ein Ray Davies,<br />

066 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />

die HOLLIES mit ihren mehrstimmigen Gesängen machen<br />

sich hier breit, und die CHEEKS mit ihrem Powerpop geben<br />

dem Ganzen noch mehr Adrenalin mit ihren zeitlosen, teils<br />

ernsten, teils in Hoffnung gehüllten Texten. Der Gitarrist<br />

ist nicht <strong>von</strong> diesem Planeten, die ganze Erfahrung die die<br />

Jungs aus dem Ruhrgebiet während ihres langen Daseins als<br />

Quintett gesammelt, geschnüffelt und über die Grenze eingeschleust<br />

haben, wird nun präsentiert. In Spanien ist man<br />

schon längst der Band verfallen, da sorgt die Hammondorgel,<br />

die lässige Professionalität die die Jungs live and den Tag<br />

bringen, für viel Begeisterung, ob „Honeymoon hell“ oder<br />

„Vivienne Westwood“ – welcher Be Bop A Lula-Hit auch<br />

immer – ich mag diesen Sixties Rock’n’Roll auf dieser intellektuellen<br />

Basis. Gibt’s das auch als Literatur? (9)<br />

Martha Biadun<br />

COLOUR HAZE<br />

Tempel <strong>CD</strong><br />

elektrohasch.de | COLOUR HAZE haben ja bereits mit ihren<br />

früheren Releases für Laune gesorgt, steht es doch insgesamt<br />

im deutschsprachigen Raum nicht allzu super mit allem,<br />

was man so als Stoner bezeichnet. Obwohl mir beim<br />

Hören eigentlich ständig das Wort „Krautrock“ im Kopf herumschwirrt;<br />

klar, das eine oder andere fette Riff findet sich,<br />

manche Passage erinnert sogar etwas zu sehr an schon bei<br />

KYUSS Gehörtes. Aber da ist dann dieses minutenlange Gefiedel,<br />

diese langsam daherplätschernden Teile, die dann in<br />

drogenverseuchte über wabernde Hammondorgeln gelegte<br />

Gitarrensoli übergehen – das erinnert mich dann doch zu<br />

sehr an bekifftes POPOL VUH-Hören mit 17. Aber dass das<br />

schlechte Erinnerungen sind, dafür können die technisch<br />

einwandfreien und 1A-produzierten COLOUR HAZE nun<br />

wirklich nichts. 48:24 (7) Simon Loidl<br />

CRIME IN CHOIR<br />

Trumpery Metier <strong>CD</strong><br />

GSL | So was macht sich unter Sales-Points natürlich hervorragend,<br />

„founding members of AT THE DRIVE-IN“, genauer<br />

gesagt deren Gitartist Jarrett Wrenn und Keyboarder<br />

Kenny Hopper, die mit „Trumpery Metier“ ihr bereits drittes<br />

Album eingespielt haben. Auch bei CRIME IN CHOIR<br />

geht es progrockig zu, allerdings eher in die Richtung <strong>von</strong><br />

ZOMBI, die auf ähnliche Weise an GOBLIN und PINK FLO-<br />

YD erinnernden 70er Bombast- und Krautrock in die Neuzeit<br />

transportieren konnten. Also kein nerviges Gefrickel<br />

wie bei MARS VOLTA, sondern straighter, voluminöser und<br />

treibender Instrumental-Rock mit einem dichtem Sound<br />

aus überdrehten Keyboards und unendlichen Gitarrensoli.<br />

Alles sympathisch over the top, ohne allerdings dabei zur<br />

Selbstparodie zu werden. Und zwischen dem ganzen breakreichen<br />

Mathrock gibt es auch immer wieder herrliche Melodien,<br />

und das alles geschmackvoll abgeschmeckt. Produziert<br />

hat die Platte Tim Green, was schon mal nicht schlecht<br />

sein kann, aber auch dessen FUCKING CHAMPS-Kumpel<br />

Tim Soete ist hier dabei, ebenso wie THE MASS-Saxophonist<br />

Matt Waters. Schöne Platte, auch wenn ich in Sachen<br />

Unterhaltungswert ZOMBI den Vorzug gebe. (7)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

CHANNELS<br />

Waiting For The Next End Of The World <strong>CD</strong><br />

dischord.com | Vor zwei Jahren veröffentlichte Desoto Records<br />

„Open“, die Debüt-EP der CHANNELS, deren sechs<br />

Songs mich uneingeschränkt begeisterten. Mit „Waiting ...“<br />

ist nun das erste Album des Trios aus Washington, D.C. erschienen,<br />

dessen Besetzung seit der Gründung 2003 stabil<br />

gebelieben ist: J. Robbins, Ausnahmeproduzent und einst bei<br />

JAWBOX und dann bei den wundervollen BURNING AIR-<br />

LINES, spielt Gitarre und teilt sich den Gesangspart mit Bassistin<br />

Janet Morgan, und Darren Zentek, den man auch <strong>von</strong><br />

seiner Zeit bei KEROSENE 454 kennt, trommelt. Angeblich<br />

war einst eine gemeinsame Vorliebe für SIOUXSIE & THE<br />

BANSHEES, JESUS LIZARD und XTC der Grund, weshalb<br />

man meinte, es zusammen in einer Band aushalten zu können,<br />

doch an welchen Stellen da<strong>von</strong> bei diesem Album etwas<br />

hört, ist eine Sache spitzfindigen Musiker-Nerdismus’.<br />

Für mich ist angesichts <strong>von</strong> J. Robbins markanter Stimme<br />

und seinem eigenwilligen Gesangsstil, seiner unverkennbaren<br />

Produktionshandschrift der rote Faden <strong>von</strong> JAWBOX<br />

über BURNING AIRLINES hin zu CHANNELS viel klarer erkennbar,<br />

und so ist „Waiting ...“ unterm Strich ein wunderschönes,<br />

stilistisch aber nie überraschendes Album aus der<br />

altbekannten Dischord-Schule, und wer immer aus Überzeugung,<br />

Neugier oder schlichter Begeisterung noch jede<br />

Platte aus diesem Kontext erstanden hat, wird auch hier begeistert<br />

sein. (42:26) (8) Joachim Hiller<br />

CASUALITIES<br />

Under Attack LP/<strong>CD</strong><br />

sideonedummy.de/Cargo | Manischer Gesang, fette Chöre<br />

und eine Lkw-Ladung Hass frei Haus, das alles super dick<br />

produziert. Hierbei handelt es sich um das neue, sechste, Album<br />

der CASUALITIES: „Under Attack“. <strong>Die</strong> CASUALITIES<br />

liefern hier eine Hymne nach der anderen ab, absoluter Mitgrölfaktor.<br />

Ehrlich gesagt, sind mir die erfolgreichen CASU-<br />

ALITIES bisher ziemlich am Arsch vorbei gegangen, empfand<br />

ich doch die Attitüde zu plump oder die Fans zu eitel,<br />

vielleicht beides. <strong>Die</strong>ses Album macht bei der Auseinandersetzung<br />

mit dem selbigen auf jeden Fall Spaß. <strong>Die</strong> Chöre<br />

könnten auch aus einem DROPKICK MURPHYS-Song<br />

stammen, dazu der sich fast überschlagende Gesang vom<br />

Leadsänger Jorge und die Musik, die so auch <strong>von</strong> BLITZ gespielt<br />

worden sein könnte. Produziert wurde das Ganze <strong>von</strong><br />

BLACK FLAG- und DESCENDENTS-Mitglied Bill Stevenson<br />

und trotz der sehr sauberen Produktion kommen die CA-<br />

SUALITIES nicht glatt rüber. Ein Minuspunkt ist jedoch, dass<br />

mal wieder ein Textblatt fehlt, hätte mich doch sehr interessiert,<br />

was die Band so dermaßen ankotzt. (30:04) (7)<br />

Dennis Bruns<br />

CELEBRITY PILOTS<br />

Beneath The Pavement, A Beach! <strong>CD</strong><br />

Sunkentreasure.org | Hinter den CELEBRITY PILOTS verbirgt<br />

sich ein gewisser Chris Sheehan, der auch als Keyboarder<br />

mit Bob Pollard <strong>von</strong> GUIDED BY VOICES auf Tour war,<br />

wobei der ja inzwischen diesen Bandnamen zu den Akten<br />

gelegt hat. Sheehans Songs gehen durchaus in eine ähnliche<br />

Richtung, BEATLES’eske Popsongs mit verspielter Instrumentierung,<br />

allerdings weniger rockig als bei Pollard.<br />

Sheehan präsentiert sich dabei als durchaus kompetenter<br />

Songwriter, auch wenn er sich oft in allzu süßlichen harmonischen<br />

Sphären bewegt, die „Beneath the Pavement,<br />

A Beach!“ zu einem durchaus angenehmen, aber auch etwas<br />

glatten Hörvergnügen machen. Unter dem Strich bleibt<br />

nicht viel hängen, außer dem Gefühl, gerade ein paar hübschen,<br />

geschmackvoll instrumentierten Melodien gelauscht<br />

zu haben, <strong>von</strong> einem in jedem Fall talentierten Musiker. (5)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

CATFISH HAVEN<br />

Tell Me <strong>CD</strong><br />

secretlycanadian.com | Vor gar nicht langer Zeit hatte ich<br />

mein Review der EP „Please Come Back“ mit den Worten<br />

„da heißt es jetzt schon gespannt sein auf die nächste Veröffentlichung“<br />

abgeschlossen. Nun, das neue Album ist jetzt<br />

da, und ich muss sagen, dass man sich da vielleicht ein wenig<br />

mehr Zeit hätte lassen sollen. Das Album hat eine große<br />

Schwäche, und wenn diese einem erst einmal aufgefallen<br />

ist, dann kann man sie auch nicht mehr ignorieren: Alle<br />

Lieder sind musikalisch und gesanglich unglaublich repetitiv.<br />

Nichts Ungewöhnliches eigentlich, warum das ausgerechnet<br />

hier so störend wirkt, kann ich gar nicht erklären.<br />

(38:40) Myron Tsakas<br />

DUESENJAEGER<br />

Schimmern LP/<strong>CD</strong><br />

Go-Kart/Rough Trade | Wow, bereits der Opener<br />

überzeugt mich. Wollte ich doch mit Vorurteilen<br />

beladen noch vor dem Hören der neuen Platte<br />

des Osnabrücker Vierers, meiner Sache völlig si-<br />

D<br />

cher, behaupten, dass mich DUESENJAEGER nicht<br />

mehr so zu begeistern wissen, wie sie es noch mit<br />

ihren zwei ersten 7“-Platten zu tun vermochten. Verloren<br />

geglaubt hatte ich die ungestüme Art, mit der sie damals zu<br />

Werke gingen. Doch weit gefehlt ... Erneut und zielsicher<br />

wie eh und je textet Herr <strong>Neumann</strong> gerade kryptisch genug,<br />

um eigenen Interpretationen in seinen Texten Luft zu lassen<br />

und in der hohen Kunst der Wortmalerei ist er mir seit<br />

je her einer der Liebsten seiner Zunft. Reime, die Hooklines<br />

par excellence ermöglichen und die zweistimmigen Passagen<br />

erst so richtig in das Ohr des Zuhörers kriechen lassen,<br />

finden sich zu Hauf, ebenso wie resigniert und wütend klingende<br />

Sprechgesangeinlagen. Der überwiegend im Midtempo<br />

gereichte Punkrock kommt sehr pointiert daher und<br />

das perfekte Zusammenspiel der Instrumente füllt die Löcher,<br />

in denen Fragen nach fehlendem Ideenreichtum liegen<br />

könnten. Der MUFF POTTER-Vergleich hinkt meiner<br />

Ansicht nach ein wenig, auch wenn sich natürlich hier und<br />

da Parallelen, vor allem in der Gitarrenarbeit, ausmachen<br />

lassen. Was einen aber nicht weiter verwundern muss, bewegen<br />

(oder bewegten?) sich beide Bands doch im gleichen<br />

Genre: deutschsprachiger Punkrock mit Herz und Verstand<br />

und mit Knüppel aus dem rhetorischen Sack, statt in der<br />

mit Parolen verschmierten Tasche. Auch DUESENJAEGER,<br />

Hand in Hand mit PASCOW, TURBOSTAAT, DIE ROTE SU-<br />

ZUKI, BOXHAMSTERS, GRAF ZAHL, TREND und vielen anderen<br />

mehr, werden weiterhin dafür sorgen, dass deutscher<br />

Punk bei eingehenderer Betrachtung weitaus besser und<br />

vor allem anspruchsvoller ist als sein gemeinhin schlechter<br />

Ruf. Eine wundervolle, sehr homogene Platte, die den Anspruch<br />

hat, kein Geschwafel oder gar Besserwissereien aufzunötigen,<br />

sondern Veränderungen und Beobachtungen aus<br />

dem eigenen Leben und dem Leben derer, die einen umgeben,<br />

heraus zu schreien, festzustellen oder auch einfach<br />

mal in den Raum zu werfen. Immer in der Hoffnung, dass<br />

es jemanden gibt, der bereitwillig zuhört, sich in den Kontext<br />

der einzelnen Lieder hinein zu fühlen gewillt ist oder<br />

sie einfach nur mag und sich gerne anhört. Applaus hierfür.<br />

Mission erfüllt, DUESENJAEGER! KK<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

DIAMOND DOGS<br />

Up The Rock <strong>CD</strong><br />

smilodon.se/Soulfood | <strong>Die</strong> DIAMOND DOGS ohne ihren<br />

Chef? Im Line-up taucht Bobby Lee Fett, der ja nebenberuflich<br />

bei den HELLACOPTERS die Tasten bedient, jedenfalls<br />

nicht mehr auf.<br />

<strong>Die</strong> bandeigene Homepage<br />

vermeldet nur ein<br />

kurzes „on holiday“. Egal,<br />

es geht auch ohne ihn,<br />

was aber auch nicht weiter<br />

verwundert, schließlich<br />

spielen bei den Dogs<br />

altgediente Veteranen des<br />

schwedischen Punkrocks,<br />

die nun wirklich niemandem<br />

mehr was beweisen<br />

müssen. Und so<br />

hört sich „Up The Rock“<br />

dann auch an: entspannt-knarziger Kneipenrock der Marke<br />

SMALL FACES, mit reduzierten Gitarren und einem klapprigen<br />

Honky Tonk, das ein ums andere mal den Ton angibt.<br />

Das ganze noch mit Handclaps und souligen Backgrounds<br />

untermalt und <strong>von</strong> <strong>Thomas</strong> Skogsberg gekonnt in Szene gesetzt<br />

und fertig ist ein Album, das genauso gut reinläuft wie<br />

ein kühles Bier nach Feierabend. (39:42) (6) Ingo Rothkehl<br />

HEATHER DUBY<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

Sonic Boom/Cargo | Heather Dubys letztes Album hatte ich<br />

zwar erst vor vier Ausgaben besprochen, eigentlich stammte<br />

die Platte bereits <strong>von</strong> 2003, wurde aber hierzulande erst<br />

verspätet veröffentlicht. <strong>Die</strong>se unbetitelte Platte ist aber jetzt<br />

tatsächlich mal ein wirklich neues Werk, wo Duby erneut<br />

einige ganz traumhafte Elektropop-Nummern mit folkigem<br />

Charme eingespielt hat, die diesmal mit recht kräftigen<br />

Beats aufwarten. Eine schöne Mischung aus synthetischen<br />

Klängen und klassischem Pop, mit Cello und Keyboard<br />

instrumentiert, ätherischer Indie-Dreampop, der nie<br />

unterkühlt klingt und dem gerade durch Dubys ausdrucksstarkem<br />

Gesang in emotionaler Hinsicht eine individuelle<br />

Dramaturgie gelingt. Wie „Come Across The River“ wurde<br />

auch diese Platte wieder <strong>von</strong> Steve Fisk produziert, dem erneut<br />

ein faszinierend transparenter Sound gelang, wo trotz<br />

größtmöglicher Dichte jedem Instrument genügend Raum<br />

bleibt und man manchmal das Gefühl hat, ein kleines Kammerorchester<br />

wäre hier beteiligt gewesen, so dass man das<br />

mit der LoFi-Ästhetik diesmal getrost streichen kann. (7)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

DRUGSTORE COWBOYS<br />

Chapter 3006 <strong>CD</strong><br />

Lujo | Nicht zu verwechseln mit den Rock’n’Rollern gleichen<br />

Namens, spielt das Duo aus Washington astreinen Discopunk,<br />

der sich ohne Wave-Anleihen hauptsächlich bei<br />

Industrial und Digital Hardcore bedient. Das heißt: Viele<br />

Soundflächen, düstere Samples und scheppernde Drums,<br />

dazu hauptsächlich cleaner Gesang, hier mal ein LOCUSTmäßiger<br />

Ausbruch, da hochtanzbare Beats. Auch wenn das<br />

Soundgewusel manchmal kein homogenes Ganzes ergeben<br />

will und ich manche Sounds einfach nicht mag – ich<br />

sage nur Handclaps und E-Piano – bleiben die DRUGSTORE<br />

COWBOYS doch immer eigenständig und gehen manchmal<br />

sehr gut ins Ohr – und in die Beine. (37:47) (6)<br />

Christian Maiwald<br />

SPENCER DICKINSON<br />

The Man Who Lives For Love <strong>CD</strong><br />

Yep Roc/Cargo | <strong>Die</strong> BLUES EXPLOSION scheint wohl<br />

gerade auf Eis zu liegen und Mr. Spencer hatte sich ja bereits<br />

mit HEAVY TRASH ein neues Vehikel für seinen kreativen<br />

Output geschaffen,<br />

auch wenn das musikalisch<br />

in eine etwas andere<br />

Richtung ging. Und<br />

jetzt überrascht uns der<br />

Mann mit einer Platte,<br />

die die BLUES EXPLOSI-<br />

ON vielleicht nicht überflüssig<br />

macht, aber deren<br />

letzte Platten fast etwas<br />

blass aussehen lässt. Eingespielt<br />

zusammen mit Luther<br />

und Cody Dickinson<br />

<strong>von</strong> den NORTH MISSIS-<br />

SIPPI ALLSTARS, den Söhnen <strong>von</strong> Memphis-Musiker/Produzenten-Legende<br />

Jim Dickinson, der schon mit den FLA-<br />

MIN’ GROOVIES, BIG STAR, Screamin’ Jay Hawkins, RE-<br />

PLACEMENTS, ROLLING STONES und einigen anderen gearbeitet<br />

hat, und der diese Platte auch produzierte. Aufgenommen<br />

in Memphis in Dickinsons Zebra Ranch Studio,<br />

laut Spencer bei Arscheskälte, weshalb man eben ein Feuer<br />

anderer Art entfachen musste. Das war allerdings schon<br />

im Jahr 2001, nur erschien die Platte da auf einem kleinen<br />

Label in Japan, und wurde erst jetzt in den Staaten aufgelegt,<br />

wo die ursprünglichen 12 Songs durch sieben weitere<br />

ergänzt wurden. Angesichts dieser großartigen, dreckig<br />

rockenden und groovenden Blues-Songs vollkommen unverständlich,<br />

dass diese herrliche Platte bisher nur den Japanern<br />

vorbehalten blieb. Auch wenn die Bonustracks vielleicht<br />

etwas schwächer ausgefallen sind, darunter allerdings<br />

der sehr schöne Titeltrack, aber auch das mit knapp elf Minuten<br />

arg in die Länge gezogene Blues-Epos „I’m so alone“,<br />

ist „The Man Who Lives For Love“ ein mehr als erfreulicher<br />

Ersatz für eine neue BLUES EXPLOSION-Platte, auch wenn<br />

die Aufnahmen schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben.<br />

(9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

DRY KILL LOGIC<br />

Of Vengeance And Violence <strong>CD</strong><br />

Repossession | Wie soll man anfangen zu schreiben, wenn<br />

man sich einerseits total freut über das dritte Album einer<br />

ungewöhnlichen Band und sich aber auf der anderen Seite<br />

eingestehen muss, die Band seit ihrem 2004er Release „The<br />

Dead And Dreaming“ gar nicht mehr auf dem Schirm gehabt<br />

zu haben? Sogar die kürzlich erschienene EP „The Magellan<br />

Complex“ ist ungehört an mir vorbei gezogen. Umso schöner,<br />

dass mir nun die Vorabversion des kommenden Albums<br />

vorliegt und ich Versäumtes wieder gut machen kann. 13<br />

Songs stark gibt sich das neue Album und eines wird schon<br />

beim ersten Hördurchlauf klar. Hier hat sich einiges verändert.<br />

DKL haben den Härtegrad weiter nach oben gedreht,<br />

vergessen dabei aber nie den Hang zur Melodie und bauen<br />

eine ganz eigene, intensive Dynamik in jeden einzelnen<br />

Song auf eine andere Art und Weise ein. Hier entladen sich<br />

14 Jahre Bandgeschichte geballt auf einer <strong>CD</strong> und werfen<br />

den Hörer zwischen Begeisterung, Melodramatik und Härte<br />

hin und her. Egal ob nun das kraftvolle „My dying heart“,<br />

das eher schleppend und vom Schlagzeug getragene „Caught<br />

in a storm“ oder einer meiner Favoriten „Dead mans eyes“,<br />

bis hin zur Powerballade „Kingdom of the blind“. Das ist gekonntes<br />

Handwerk mit ganz eigenem Charakter, der vielen<br />

Bands heutzutage leider abgeht. Für alle Fans der Band sowieso<br />

ein Pflichtkauf, und für den Rest ergeht meine unbedingte<br />

Hörempfehlung. (52:50) (9) Tobias Ernst<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 66 22.09.2006 20:51:01 Uhr


DESINTEGRATED<br />

New Born Strength <strong>CD</strong><br />

desintegrated.de | Ursprünglich als Death Metal-Band gegründet,<br />

spielen die Berliner DESINTEGRATED inzwischen<br />

sehr Oldschool-lastigen Hardcore. Fünf reguläre Songs bietet<br />

„New Born Strength“ und obendrein noch mal fünf<br />

Live-Performances. <strong>Die</strong> regulären Songs gehen eigentlich in<br />

Ordnung, auch wenn man der Band den Proberaumstatus<br />

noch anhört. <strong>Die</strong> Richtung stimmt zumindest. Was die Livesongs<br />

angeht, kann ich nur hoffen, dass nur die Aufnahmequalität<br />

so schlecht ist, denn falls die Jungs wirklich so übel<br />

<strong>von</strong> der Bühne runterschallen, wie das hier aus den Boxen<br />

kommt, dann ist es mit der Karriere aber noch ein weiter,<br />

steiniger Weg. 5 Punkte für die regulären Sachen, die Live-<br />

Angelegenheit kehren wir hier punktetechnisch besser mal<br />

unter den Teppich. (26:53) (5) Tobias Ernst<br />

DIE PRINCESS DIE<br />

Lions Eat Lions <strong>CD</strong><br />

goldstandardlabs.com | Eine der derzeit größten Bedrohungen<br />

für die etablierte Musikindustrie geht <strong>von</strong> einem<br />

geheimen Untergrundlabor in Los Angeles aus, dessen irre<br />

Wissenschaftler konsequent<br />

verstörend-geniale<br />

Releases <strong>von</strong> einer Qualität<br />

freisetzen, die 99,9<br />

Prozent des Craps, den die<br />

Majors auf die Welt loslassen,<br />

bei einer direkten<br />

Berührung sofort vernichten<br />

würde. Aktuellste<br />

Kreation sind DIE PRIN-<br />

CESS DIE, denen Cheflaborant<br />

Alex Newport die<br />

äußere Erscheinung eines<br />

aus San <strong>Die</strong>go stammenden<br />

Quartetts gab. Das Rohmaterial wurde vom 2003<br />

in die Welt gesetzten titellosen Debüt übernommen, und jenes<br />

ist unter denkbar günstigsten Umweltbedingungen entstanden,<br />

unter Einfluss etwa <strong>von</strong> THE LOCUST, DRIVE LIKE<br />

JEHU, CLIKATAT IKATOWI oder THREE MILE PILOT. „Lions<br />

Eat Lions“ ist ein unglaublich direktes, dramatisches Album<br />

zwischen etabliertem Noiserock, Dancepunk und bombastischem<br />

Progrock. Hier treffen STATISTICS auf ATARI<br />

TEENAGE RIOT, SUPERSYSTEM auf THE RAPTURE, MARS<br />

VOLTA auf DRIVE LIKE JEHU – und live ist der Vierer wohl<br />

die absolute Macht, so zuschauerfreundlich wie eine entsichert<br />

herumrollende Handgranate. Killer-Album zwischen<br />

Tribal-Rhythmen und Techno-Beats, Hardcore-Blasts und<br />

Psychedelic-Noise. Angesichts des enttäuschend schwachen<br />

neuen RAPTURE-Albums habe ich jedenfalls schon eine<br />

vorzügliche Alternative zur Hand ... (28:37) (9)<br />

Joachim Hiller<br />

DRUGS OF FAITH<br />

s/t M<strong>CD</strong><br />

selfmadegod.com | Acht Lieder in 15 Minuten runterzuballern<br />

kann eigentlich nur für eine ganz bestimmte Musikrichtung<br />

sprechen. Doch erstaunlicherweise schafft es das<br />

Trio seinem grindigen Metal eine ordentliche Ladung rotzigen<br />

Punkrock draufzupacken und hebt sich somit positiv<br />

vom Einheitsbrei ab. Trotz der Hardcore-lastigen Shouts ist<br />

man zum Glück meilenweit da<strong>von</strong> entfernt, es einigen trendigen<br />

Metalcore-Kapellen gleichzutun, vielmehr transportiert<br />

man eine oldschoolige, angepisste Attitüde in den kurzen<br />

Nackenbrechern. Trendfreier, kurzweiliger Grindpunk<br />

für Zwischendurch, der Bock auf mehr macht. Uwe Kubassa<br />

DEAD FISH<br />

Zero E Um <strong>CD</strong><br />

deckdisc.com.br | DEAD FISH kommen aus Brasilien, singen<br />

auf Portugiesisch und bewegen sich musikalisch zwischen<br />

Hardcore und Punkrock, hymnischen Midtempo-<br />

Stücken und knackigen Brettern, richtig groovigen Teilen<br />

und ein bisschen Skatepunk, wobei die Lieder stets ziemlich<br />

melodisch gehalten sind. Der Gesang erinnert ein bisschen<br />

an MILLENCOLIN, klingt aber trotzdem eigenständig<br />

und passt sowohl zu den melodischen als auch zu den etwas<br />

härteren Stücken. Ich würde die Lieder verdammt gerne auf<br />

der nächsten Party mitgrölen, aber dazu muss ich wohl leider<br />

erst Portugiesisch lernen. Alles in allem hat mich die<br />

Platte vom ersten Ton an mitgerissen, ist abwechslungsreich<br />

und Bands aus „exotischen“ Ländern interessieren mich sowieso.<br />

Mein einziger, ganz persönlicher Minuspunkt ist, dass<br />

ich es in der Regel noch etwas dreckiger und rauher mag.<br />

(36:37) (8) Tobias Weber<br />

DAMAGE CASE<br />

Tyranny <strong>CD</strong><br />

punkcore.com | DAMAGE CASE aus Dallas, Texas liefern<br />

hier ihr Gesellenstück ab, ein Mischwesen aus Hardcore und<br />

Punk mit vereinzelten Metal-Einflüssen. <strong>Die</strong> Stimme beschäftigt<br />

mich jetzt schon eine ganze Weile, kommt mir total<br />

bekannt vor, relativ hoch und melodisch, trotzdem aggressiv,<br />

nach stundenlangem Grübeln kommen mir alte AFI<br />

in den Sinn und ich glaube, das passt. DAMAGE CASE haben<br />

nicht nur ihren Namen MOTÖRHEAD entliehen, sondern<br />

auch deren Chefgrafiker Joe Petagno für ihr Debüt „Tyranny“<br />

engagiert. Und so wie das Artwork ist auch der Rest des<br />

Albums absolut gelungen, ich hoffe da kommt noch mehr.<br />

(28:19) (7) Dennis Bruns<br />

DISILLUSION<br />

Gloria <strong>CD</strong><br />

metalblade.de | Ziemlich bombastisch, was da aus den Boxen<br />

kommt. Mit einer ordentlichen Ladung Pathos und<br />

Hang zu theatralischen Hymnen fegt einem das Trio eine<br />

orchestrale Dampfwalze nach der anderen um die Ohren<br />

und gibt sich dabei vorzugsweise unterkühlt – was keinesfalls<br />

negativ zu bewerten sein soll, sondern dem Ganzen<br />

noch einen verrucht-jazzigen Charme verleiht. Sehr progressiv<br />

gehen die Herren Musiker auf ihrem zweiten Longplayer<br />

zu Werke, wobei sie ein geübtes Gehör für recht abstrakte<br />

Harmonien an den Tag legen und dabei eine wahre<br />

Wall of Sound entfachen. Nicht unbedingt Material für<br />

den Durchschnittsmetaller, da die Kompositionen durchaus<br />

mehrere Durchläufe benötigen, um vollends in den Genuss<br />

dieser wirren Metal-Oper zu kommen. Für mich persönlich<br />

die Überraschung dieser Ausgabe! Uwe Kubassa<br />

DEEN<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

thedeen.net | Stoner-Rock nach dem Baukastenprinzip<br />

scheint sich immer noch einer recht großen Beliebtheit zu<br />

erfreuen. Auch THE DEEN versuchen zu beweisen, dass man<br />

Uninspiriertheit mit einem Wall of Sound wettmachen<br />

kann. Leider gelingt ihnen das während der sieben Stücken<br />

eher selten. Zugegeben, es könnte schlimmer kommen, und<br />

Stücke wie „For my wasted years“ oder „You never know“<br />

machen auch irgendwie Spaß, aber selbst das vermag nicht<br />

darüber hinweg täuschen, wie ausgelutscht sämtliche enthaltenen<br />

musikalischen Ideen im Endeffekt sind. Fairerweise<br />

sollte ich erwähnen, dass die Band mit ihrer Musik noch<br />

weit über dem Durchschnitt liegt. Nichtsdestotrotz, ich<br />

möchte in einem Info nie wieder Sätze wie „In den Wagen<br />

einsteigen, Gas geben und mit einem langen Staubschweif<br />

durch die Wüste brettern“, lesen müssen. (26:43) (5)<br />

Lars Koch<br />

DERITA SISTERS<br />

Real Punks Eat Meat <strong>CD</strong><br />

Trash2001.de | Yeah, die drei Typen aus Los Angelas sind so<br />

genial, da fehlen einem die Worte. Zieht euch einfach mal<br />

die Fakten rein: die Band gibt es seit 1992, bis jetzt hat man<br />

20 Alben rausgebracht, in Worten: zwanzig! Und an die-<br />

ser EP kann ich leider keinerlei Verschleiß feststellen. Nicht<br />

umsonst steht auf der Bandhomepage: „The band that refused<br />

to die“. Hier gibt es richtig guten 77-Punkrock mit<br />

Texten, die ans Eingemachte gehen. Songs wie „Fuck myspace“<br />

oder „Wheelchair race“ sind da Paradebeispiele. Auf<br />

der Rückseite wird das Maximum RNR zitiert: „I wish these<br />

guys would get killed in a van accident“. Total geile Scheibe,<br />

kann ich jedem wirklich nur ans Herz legen. Veganer und<br />

Vegetarier natürlich ausgeschlossen, denn nur „Real punks<br />

eat meat“. (8:13) (8) Paul Tackenberg<br />

DERANGED MAD ZOMBIES<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

shocker-europe.com | Das kommt einem aber doch irgendwie<br />

bekannt vor, oder? Und richtig, bei genauerem<br />

Studieren der ersten <strong>CD</strong> der DERANGED MAD ZOMBIES erkennt<br />

man nicht nur in der Label-Gleichheit Parallelen zu<br />

BALZAC. Irgendwoher hat der gemeine Horrorpunk-Fan<br />

das doch schon mal gehört. Natürlich bei BALZAC, denn die<br />

DERANGED MAD ZOMBIES sind eben diese BALZAC, die<br />

sich scheinbar gerne mal ein Spaß daraus machen, ihre Fans<br />

zu irritieren und hinters Licht zu führen. Also wurde diese<br />

<strong>CD</strong>, bei der acht altbekannte BALZAC-Stücke in neuem,<br />

wesentlich krachigerem und trashigerem Gewand eingespielt<br />

wurden, unter anderem Namen herausgebracht. Kein<br />

Schwein interessierte sich in Japan für die Veröffentlichung,<br />

bis das Geheimnis gelüftet wurde, wer sich hinter den DE-<br />

RANGED MAD ZOMBIES verbirgt, schon gingen die <strong>CD</strong> weg<br />

wie geschnitten Brot. Der Beweis für die Notwendigkeit <strong>von</strong><br />

Namedropping zum guten Verkauf eines Albums, war somit<br />

erbracht. Damit aber auch wir hier in der alten Welt in den<br />

Genuss dieser <strong>CD</strong> kommen, hat Shocker-Europe nun einige<br />

da<strong>von</strong> importiert. Ranhalten also, und sich später über eine<br />

tolle japanische Rarität freuen. (29:42) (6) Abel Gebhardt<br />

DÖDELSÄCKE<br />

Herren Gedeck <strong>CD</strong><br />

nix-gut.de | Schrammel, Schreien, Schottenröcke und<br />

Schdudelsäcke. Wer das Saxophonsolo Fred Madisons in<br />

„Lost Highway“ kennt, wird Parallelen zum Dödel-Dudelsackspiel<br />

entdecken. Ich wusste gar nicht, dass man mit diesem<br />

Instrument so viel falsch machen kann. Irgendwo im<br />

Hintergrund singt auch jemand über <strong>CD</strong>U und Junge Union,<br />

fette Deutsche und Telefonterror. Das Glück der Säcke:<br />

Live und betrunken geht auch jeder noch so schiefe Dudelsack<br />

mit der Tin Whistle. Und lange durchgehalten haben<br />

die mittlerweile sechs Mitglieder der DÖDELSÄCKE seit<br />

1988, dafür ein klein wenig Respekt meinerseits. „Herren<br />

Gedeck“ wird diesen jedoch nicht bekommen. (47:44) (3)<br />

Katrin Schneider<br />

DAUGHTERS<br />

Hell Songs M<strong>CD</strong><br />

hydrahead.com/Indigo | Ich hänge dem Glauben an, dass<br />

es für jede Tageszeit die passende Platte gibt, und für jede<br />

Platte die passende Tageszeit. Im Falle der DAUGHTERS, die<br />

auch schon mal mit THE LOCUST, BLOOD BROTHERS und<br />

DILLINGER ESCAPE PLAN verglichen wurden und vor zwei<br />

Jahren eine EP via Robotic Empire respektive Reflections<br />

veröffentlichten, ist diese Tageszeit der späte Abend, wenn<br />

man sich in vertrauter Runde mittels Genuss harter Alkoholika<br />

in einen schön aggressiven Zustand versetzt hat und so<br />

richtig schön auf Ärger, Gewalt und auch etwas Selbstqual<br />

aus ist. Warum also immer nur MELT BANANA oder CON-<br />

VERGE auflegen, wenn auch DAUGHTERS zur Hand sind?<br />

<strong>Die</strong> besorgen es einem mal wieder so richtig, sind, in 23:08<br />

sind die zehn Songs auch schon wieder durch (das sechsminütige<br />

„Cheers pricks“ versaut den Durchschnitt), und<br />

wer seinen eigenen Output schon mit dem Begriff „Hell<br />

Songs“ belegt, hat nicht unbedingt Jammer-Emo im Sinn.<br />

Mike Patton hätte hieran jedenfalls sicher auch seine helle<br />

Freude, Ipecac wäre eine mindestens genauso gut passende<br />

Homebase gewesen wie Hydra Head, und die Kombination<br />

aus nur sekundenschnell aufblitzenden Blastbeats, Maschinengewehrsalven<br />

gleichenden Gitarrenriffs, irrer NOME-<br />

ANSNO-Rhythmuswechsel und auch mal messerscharfen<br />

Bläsereinsätzen nebst verzweifeltem Hysteriegesang kann<br />

ganz schön fordernd rüberkommen. Kein Soundtrack für<br />

ein gemütliches Frühstück zu zweit ... (23:08) (7)<br />

Joachim Hiller<br />

DAMO SUZUKI’S NETWORK<br />

Suomi 2<strong>CD</strong><br />

Damo’s Network/Indigo | Nicht die erste <strong>CD</strong> der Serie <strong>von</strong><br />

Liveplatten des ehemaligen CAN-Sängers Kenji „Damo“ Suzuki,<br />

die ich hier bespreche, der 1970 in München quasi<br />

auf der Straße <strong>von</strong> Holger Czukay und Jaki Liebezeit entdeckt<br />

wurde – so sagt man jedenfalls –, um dann irgendwann<br />

CAN als überzeugter Zeuge Jehovas zu verlassen. Seit<br />

Mitte der 80er macht Suzuki wieder gezielt Musik, vor allem<br />

live, was er seit 1998 mit seinem Label Damo’s Network<br />

eben auch auf <strong>CD</strong> bannt. <strong>Die</strong>smal sind es zwei unterschiedliche,<br />

im Jahr 2002 in Finnland aufgenommene Konzerte.<br />

Während die in Turku aufgenommene Disc Suzuki eher <strong>von</strong><br />

seiner nervös rockigen Seite zeigt, ist gerade die in Helsinki<br />

aufgenommene zweite Disc die größere musikalische Überraschung,<br />

ein sich hypnotisch-monoton steigernder Acid<br />

Rock, der auch schon mal knapp 17 Minuten dauern kann,<br />

was zu dieser Art Musik aber einfach passt. Sowieso lässt sich<br />

Suzukis Musik schlecht <strong>von</strong> der seiner alten Band trennen,<br />

auch wenn diese vielleicht eher versucht hat, den Sprung<br />

in die Moderne zu schaffen, vor allem bei deren Solo-Aktivitäten.<br />

Suzuki steckt doch deutlich in den 70ern fest,<br />

hat diesen Improvisations-Rock-Sound aber so kultiviert,<br />

dass man eher über dessen Zeitlosigkeit staunt, als hier fiese<br />

Althippie-Tendenzen zu bemängeln. Ein weiteres schönes<br />

Puzzle in Suzukis offen gehaltenem künstlerischen Konzept,<br />

mit ständig wechselnden Musikern einen weit reichenden<br />

musikalischen Dialog zu suchen. (8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

DIE IS CAST<br />

Journey <strong>CD</strong><br />

millipederecords.com/planerecords.de | Schau an, schau<br />

an! Das Ruhrgebiet bringt ja richtig gute Bands hervor. Genauer<br />

gesagt, ist es in diesem Fall der Kreis Recklinghausen,<br />

der THE DIE IS CAST hervorgebracht hat. Der Name<br />

klingt schon irgendwie nach Emo-Institution aus Übersee,<br />

die Musik kann da sogar mithalten. Ich sage, hier lohnt es<br />

sich ein Ohr zu riskieren, anstatt angesichts des Three-Letter-Words<br />

„Emo“ die Flucht zu ergreifen. Denn das hier ist<br />

viel besser, weil es unprätentiös ist und nicht aufgesetzt; weil<br />

das Quintett ganz einfach vierzehn Songs ins Gefecht wirft,<br />

bei denen die Melodien sitzen und die Refrains so was <strong>von</strong><br />

schmissig sind; weil die Musik eher zeitlos gut ist, so dass<br />

man THE DIE IS CAST eher aus Versehen ins Emo-Genre<br />

sortiert, weil gerade nichts Besseres da ist. Auch der Gesang,<br />

bei vielen hiesigen Bands die Schwachstelle, die den<br />

Unterschied zwischen Coolness und gutem Ansatz markiert<br />

– auch der passt hier: souverän, charismatisch und eben kein<br />

Rumgeheule. „Journey“ ist das Debütalbum der Band, klingt<br />

aber schon so rund und gekonnt, vielleicht einen Hauch zu<br />

abgeklärt, dass man sich auf weitere Werke freut. Ist aber eigentlich<br />

auch kein Wunder, schließlich sind die Jungs keine<br />

Anfänger. Fragt zum Beispiel den Gitarristen Chris, der früher<br />

seine Saiten für ON WHEN READY geschrubbt hat. Also,<br />

um mal den Albumtitel aufzugreifen: Auf die Reise, Jungs!<br />

Das hier könnte was werden. (50:20) (8) Christian Meiners<br />

DAGDA<br />

An Endless Betrayal LP<br />

ruinnation.org | <strong>Die</strong> letzten Aufnahmen zwischen 2004<br />

und 2005 der irischen Vertreter des düsteren, melodischen<br />

Hardcore, irgendwo zwischen GORMOIL, REMAINS OF<br />

THE DAY oder WORMWOOD, mit leichten Tendenzen zu<br />

FROM ASHES RISE oder TRAGEDY. Während vor allem der<br />

jeweiligen Opener jeder Vinylseite „The great devide“ und<br />

„To stand in array“ treibende Melodiestürme in einem harten<br />

Gitarrenbrett durch das Labyrinth des Gehirns wüten,<br />

verschleppen die restlichen Songs den Zuhörer in ein Meer<br />

<strong>von</strong> Soundcollagen und brutalen Vocals. Es sind die sphärischen<br />

Übergänge. Melancholische, fast schon depressive<br />

Gitarren werden <strong>von</strong> Aggressionen und Wut abgelöst. Eine<br />

hervorragende Produktion, irgendwo zwischen Dead Beat,<br />

Doom, Hardcore und Thrash, ohne jedoch unterschwellig<br />

ein Melodienchaos zu vernachlässigen. Insgesamt sieben<br />

Meisterwerke, die teils etwas langatmig sind, in einem<br />

schmucken Gatefold-Coverartwork. (8) Simon Brunner<br />

DEATH OF A JAPANESE GIRL<br />

All Against Hearts <strong>CD</strong><br />

jodrecords.de | Machen wir es kurz: DEATH OF A JAPANE-<br />

SE GIRL haben einen guten Namen und einen nicht so guten<br />

Sänger. Auf dem frisch gebackenen Greifswalder Label<br />

Jod Records kommt jetzt die erste <strong>CD</strong> dieses Punkrock-Trios.<br />

Punkrock trifft es eigentlich ganz gut, denn hier rumpelt<br />

es stellenweise ordentlich im Zusammenspiel, der Gesang<br />

wagt sich oft in Gefilde vor, denen er zukünftig besser fern<br />

bleibt. Zu hoch die Tonlagen, zu flach die Songs. Stellenweise<br />

erscheint der Weg zum Deutschrock-Schlager nicht weit<br />

zu sein. Ein beherzter Tritt aufs Gaspedal könnte nicht schaden,<br />

schließlich ist die Band noch jung. Ihre Musik ist es<br />

auch. (37:43) (3) Arne Koepke<br />

DEVASTATIONS<br />

Coal <strong>CD</strong><br />

Beggars Banquet/Indigo | Sie haben sich viel Zeit gelassen,<br />

die mal in Berlin, mal in Melbourne wohnenden DEVASTA-<br />

TIONS. Schon vor zwei Jahren, als das erste Album der wiederum<br />

aus LUXEDO hervorgegangen<br />

Band gerade<br />

via Munster als Europapressung<br />

erschienen war,<br />

kündigten sie an, baldmöglichst<br />

mit den Aufnahmen<br />

zu einem neuen<br />

Album beginnen zu<br />

wollen. Bis zu dessen Veröffentlichung<br />

sind nun<br />

doch zwei Jahre vergangen,<br />

mit Beggars Banquet<br />

wurde ein neues europäisches<br />

Label gefunden,<br />

und „Coal“ ist ein zu Recht so betiteltes Werk geworden:<br />

So schwarz und funkelnd wie reiner Kohlenstoff breitet<br />

es sich vor dem Hörer aus, ist viel ruhiger, leiser und bedächtiger<br />

als das Debüt. Wo das lärmige Ausbrüche hatte, ist<br />

hier jetzt allenthalben eine plüschige, aber nicht kuschelige<br />

Stimmung dominant, ist „Coal“ ein stimmiges Album<br />

für den etwas anderen Kaminabend, und wenn auch hier<br />

wieder Vergleiche zu ihrem Landsmann Nick Cave auftauchen,<br />

den es einst ja auch nach Berlin verschlug, dann liegt<br />

das nicht nur an der Verbindung mit EINSTÜRZENDE NEU-<br />

BAUTEN (deren Alexander Hacke hat koproduziert), sondern<br />

lässt sich auch musikalisch gut begründen, man nehme<br />

nur das wundervolle Duett <strong>von</strong> Tom Carlyon mit der neuseeländischen<br />

Sängerin Bic Runga in „A man of fortune“.<br />

„Coal“ ist ein rundum gelungenes Album, das sowohl in den<br />

leisen Passagen wie den dramatischen überzeugt – mit der<br />

Einschränkung, dass mir das Debüt noch eine Idee besser<br />

gefällt. (44:58) (8) Joachim Hiller<br />

DEAD HEARTS<br />

Bitter Verses <strong>CD</strong><br />

Ferret | Endlich! Das längst überfällige Album <strong>von</strong> DEAD<br />

HEARTS ist der erwartete Knaller geworden. Und wie der<br />

Titel bereits verspricht, geht es thematisch nicht um den<br />

Austausch <strong>von</strong> Kochrezepten. „From dusk till dawn“ wäre<br />

ein passender Untertitel gewesen, denn in vierzehn Teilen,<br />

vom frühen Abend bis zum Morgengrauen, dokumentiert<br />

die Band ihren ganz persönlichen Alptraum der sich Leben<br />

nennt. Dabei geht die Band streckenweise ungewohnt<br />

schleppend und rockig zu Werke, was aber der Intensität des<br />

Vortrags keinen Abbruch tut. Ganz im Gegenteil. Mitreißender<br />

hat man diese Band auf <strong>CD</strong> nie erlebt. Wie ein Kreuzritter<br />

kämpft sie sich voller Verzweiflung durch die Ungerechtigkeiten<br />

und Enttäuschungen ihres Daseins, einer Welt an<br />

dessen Ende ein Erwachen steht: „This is the end. The sun<br />

is coming. And I think I’m falling. This is the end.“ Ob <strong>von</strong><br />

Traum oder Wirklichkeit, muss jeder selbst entscheiden.<br />

Bodo Unbroken<br />

DEADLINE<br />

Take A Good Look <strong>CD</strong><br />

People Like You | Unfassbar, aber DEADLINE schaffen es<br />

doch tatsächlich mit ihrem mittlerweile vierten Album<br />

„Take A Good Look“ ihren letzten Longplayer und gleichzeitiges<br />

People Like You-Debüt „Getting Serious“ zu toppen.<br />

Gleich der Opener „Blood on your hands“ macht klar,<br />

dass der Hardcore-Einfluss über weite Strecken des Albums<br />

wieder mehr in den Vordergrund getreten ist. Gerade in der<br />

Hinsicht ist der neue Gitarrist Ryan eine echte Bereicherung<br />

für die Band. Trotzdem gibt es auch wieder jede Menge<br />

melodiösere Songs wie das grandiose „Keep on running“<br />

oder „Hold on me“, bei denen Liz’ Stimme am besten zur<br />

Geltung kommt. „Take A Good Look“ ist eine perfekte Mischung<br />

<strong>von</strong> allen Einflüssen der Band, die der Band zufolge<br />

<strong>von</strong> BLOOD FOR BLOOD bis BLONDIE reichen. THE BO-<br />

NES würden mir da spontan auch noch als ein unüberhörbarer<br />

Einfluss einfallen, wo wir gerade bei Bands mit B sind.<br />

Am deutlichsten kommt der Rock’n’Roll-Einschlag bei<br />

„Hey you!“ raus. Schön zu sehen, dass der ein oder andere<br />

Besetzungswechsel in den letzten Jahren die Band nicht daran<br />

gehindert hat, Sound und Songwriting kontinuierlich<br />

zu verbessern. DEADLINE sind einfach die beste europäische<br />

Streetpunk-Band. Punkt. (38:29) (9) Claudia Luck<br />

DUSTSUCKER<br />

Jack Knife Rendezvous <strong>CD</strong><br />

Limb/SPV | Nach diversen Umbesetzungen also wieder<br />

die gewohnte Portion Arschtritt-Rock aus Ostwestfalen. Für<br />

eine deutsche Band klingen DUSTSUCKER unglaublich authentisch,<br />

druckvoll und abgeklärt. <strong>Die</strong> Geschwindigkeit ist<br />

konstant am Anschlag und sie rocken wirklich bis zur Ohnmacht.<br />

Das Songwriting klingt zwar hier und da etwas „altbacken“<br />

und einseitig, aber wenn die Hütte brennt und der<br />

Alkoholspiegel im Blut stimmt, ist das jedem wirklich so<br />

was <strong>von</strong> scheißegal! DUSTSUCKER sind jetzt einfach mehr<br />

als nur eine weitere Rockband, sondern spielen ab jetzt in<br />

der Oberliga mit. Nachmachen! (7) Carsten Vollmer<br />

DUEL<br />

Lets Finish What We Started <strong>CD</strong><br />

ffruk.com | Punkrock in alter Tradition aus England mit<br />

versierter Lady am Gesang. Während der 15 Songs auf „Lets<br />

Finish What We Started“ geht es überwiegend angenehm<br />

entspannt zur Sache – ohne dabei die nötige Energie einzubüßen.<br />

Seit THE CLASH weiß man eben, dass auch Midtempo-Songs<br />

mitreißend sein können, und diese Kenntnis haben<br />

sich THE DUEL zu Nutze gemacht. Obwohl ich in der<br />

Regel kein Freund <strong>von</strong> Reverb-Effekten bei Produktionen<br />

bin, verleiht der zeitweise gegenwärtige, leichte Hall in der<br />

Stimme <strong>von</strong> Sängerin Tara Rez, diesem Album jedoch noch<br />

zusätzliche Ausdrucksstärke. Darüber hinaus findet man neben<br />

Gitarre, Bass und Schlagzeug auch gelegentlich kleine<br />

elektronische Keyboard-Spielereien wieder, welche sich<br />

optimal ins Gesamtbild einfügen. In den Staaten waren THE<br />

DUEL kürzlich auf Tour, während der sie zu Recht positive<br />

Resonanz entgegengebracht bekommen zu haben scheinen.<br />

Ein wirklich schönes Album einer Band, wie man sie heute<br />

nicht täglich zu hören bekommt. (7) Alex Gräbeldinger<br />

DATSUNS<br />

Smoke And Mirrors <strong>CD</strong><br />

Hellsquad/V2 | „Let’s paint the town blood red ...“ ist nicht<br />

wortwörtlich zu nehmen, aber genau diese Aktion unterstreicht<br />

die Energie, die in der Platte steckt. Das erste Album<br />

der DATSUNS enthielt eine lange Zeit meine favorisierten<br />

Tanzlieder, die zweite Produktion war ganz nett, wurde aber<br />

relativ schnell in die Schublade gepackt, und nun so was.<br />

Sagt mal, seid ihr wahnsinnig? Wer oder was hat euch auf so<br />

einen Trip gebracht? Es ist diese Art <strong>von</strong> Musik die vielleicht<br />

dann entstanden ist, als man sich mit LED ZEPPELIN, DEEP<br />

PURPLE und Rowdys aus der Hardrock-Zeit in ein Zeltlager<br />

mit nur einem Zelt begibt. Man redet, lacht, säuft, und ich<br />

weiß nicht, was die sich genau erzählt haben, aber ich bin<br />

fest da<strong>von</strong> überzeugt, dass die Alten den Jungen den Rest ihres<br />

musikalischen Könnens in die Seele reingequetscht haben.<br />

Das was übriggeblieben ist, eine faltige Hülle mit langen<br />

zerzausten Haaren und lebt nun auf den Bahamas. Was<br />

die DATSUNS daraus gemacht haben, begeistert mich maßlos.<br />

Ich hatte mit einem Album gerechnet, das an die erste<br />

Platte herankommt, aber kein besseres. „Such a pretty curse“,<br />

„Emperor’s new clothes“, was für Titel, schon mal gehört?<br />

Wahrscheinlich, aber wenn ihr hören könntet, was<br />

sich dahinter verbirgt, dann würdet ihr wie ich vor Freudensprünge<br />

machen. <strong>Die</strong> DATSUNS haben sich viel Zeit gelassen<br />

und „Smoke And Mirrors“ zeigt nun, wie die Band eigentlich<br />

ist, wie sehr sich ihr selbstproduziertes Album <strong>von</strong><br />

den in Zeitdruck entstandenen Sachen unterscheidet. Ja,<br />

fuck, ich liebe diese Platte. Ich höre sie Tag und Nacht, ich<br />

stelle mir jedes mal vor, wie ich beim Konzert bin und abgehe<br />

wie die Sau, wenn sie „Maximum heartbreak“ spielen,<br />

und ich platze vor Neid, weil ich alles darum geben würde,<br />

selber dort oben zu stehen und mich an einer Gitarre verausgeben<br />

zu können. (10) Martha Biadun<br />

DR ZERO<br />

Dirty Way <strong>CD</strong><br />

drzero.si | Das hier ist mittelschneller Punkrock alter Schule<br />

aus Slowenien. Wer jetzt exotisch anmutenden Ostblock-<br />

Punk erwartet, wird allerdings enttäuscht. DR ZERO spielen<br />

ihre 10 Songs ziemlich tight, verschnörkeln ihre Songs nicht<br />

mit irgendwelchem überflüssigen Beiwerk und die Vocals<br />

lassen keine etwaigen Rückschlüsse auf die Herkunft der<br />

Band zu. Trotzdem, nur weil die Boys nicht viel falsch machen,<br />

heißt das noch nicht, dass sie alles richtig machen; will<br />

sagen, die Platte weiß letztlich nicht sonderlich zu überzeugen,<br />

wirkt streckenweise sehr austauschbar bis geradezu<br />

langweilig. Für Fans <strong>von</strong> DR ZERO ist „Dirty Way“ bestimmt<br />

eine klasse Platte, alle anderen hören sich was Spritzigeres<br />

an. Denn <strong>von</strong> dieser Art Band gibt es genügend überzeugendere<br />

Vertreter. (28:10) (5) Chris Virgo<br />

DOWNTOWN PSYCHEDELICS<br />

Semaphore Shake <strong>CD</strong><br />

dp-rock.de | Nach eigenen Angaben sind THE DOWN-<br />

TOWN PSYCHEDELICS, ein deutsch-amerikanisches Trio<br />

aus Leipzig, eine High Energy-Rock’n’Roll-Liveband, die<br />

„intuitive handgemachte Rockmusik“ macht, welche<br />

„mitreißt“. <strong>Die</strong> 11 Songs auf ihrer Debüt-<strong>CD</strong> „Semaphore<br />

Shake“ vermitteln da<strong>von</strong> in der Tat einen entsprechenden<br />

Eindruck. Druckvolle Produktion, ein recht ansprechender<br />

Sound und eine passende Stimme treffen auf ein<br />

Songwriting, das in allen erdenklichen Rock-Stilrichtungen<br />

wildert, dabei aber eigenständig rüberkommt und sich<br />

nicht in Rock-Klischees ergeht. Allerdings hätten sich die<br />

drei das SONICS-Cover „Strychnine“ schenken können; bei<br />

aller Liebe zu dem Song, aber bitte, die SONICS hatten auch<br />

noch andere klasse Songs! Nee wirklich, ich bin dafür, diesen<br />

Song mit einem lebenslangen Cover-Bann zu verhängen!<br />

Trotzdem, eine amtliche Rock-Platte und live sind THE<br />

DOWNTOWN PSYCHEDELICS sicherlich empfehlenswert.<br />

(48:53) (7) Chris Virgo<br />

DEAD MAN IN RENO<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

plastichead.com/Soulfood | Ja, der eingefleischte Metalcoreler<br />

hat es dieser Tage schwer – HATEBREED und HEA-<br />

VEN SHALL BURN haben neue Platten und da<strong>von</strong> abgesehen<br />

hauen einschlägige Labels wie Alveran oder Lifefforce<br />

eine neue Kapelle nach der anderen raus. Leider bedienen<br />

diese sehr häufig nur das gute Mittelmaß und sorgen so bei<br />

geneigtem Fan für Desorientierung oder Übersättigung.<br />

DEAD MAN IN RENO aus Tuscaloosa, Alabama sind mit ihrem<br />

gleichnamigen Debüt genau so ein Fall. Viel metallische<br />

Doublebass, geiler Brüllgesang, viele Tempowechsel, Hardcore-Breaks<br />

und Moshparts sowie gute Melodien, und als<br />

diesmal eigene Note, neben reiner Brüllwürfel-Attitüde,<br />

ein freundlicher Singsang zwischendurch. Eigentlich ist die<br />

Platte nicht verkehrt, aber ich fühle mich angesichts geilerer<br />

Releases und der Masse an durchschnittlichem Neuem<br />

eben – wie wahrscheinlich so mancher, der auf der Suche<br />

nach neuer guter Musik aus diesem Bereich ist – desorientiert<br />

und übersättigt. (43:30) (6) Carsten Hanke<br />

DISTRICT<br />

Great Exit Lines <strong>CD</strong><br />

plastichead.com | DISTRICT kommen aus England und<br />

irgendwie hört man das auch. Ihr Emo-Rock ist nicht typisch<br />

amerikanisch sondern ein bisschen verträumt oder<br />

popig. Irgendwo zwischen klassischen Rock Passagen und<br />

der Intensität <strong>von</strong> Bands wie BLACK MARIA, bewegen sich<br />

DISTRICT mal nicht auf allzu sehr ausgetretenen Pfaden.<br />

Schnell will ich der Band ein gewisses Saubermann-Image<br />

anheften, weil sie so untypisch zu klingen scheinen und einfach<br />

nett rüberkommen. Vielleicht sind die Songs auf „Great<br />

Exit Lines“ aber auch einfach nur schön. Interessant klingen<br />

die Fünf aus Brighton auf jeden Fall, wobei ich dennoch<br />

sagen würde, dass ihr Album dann doch zu wenig Ecken hat,<br />

um sich in die Liga der Alben zu spielen, die man wirklich<br />

gehört haben muss. (7) Sebastian Wahle<br />

ESTATE<br />

The Opposite Of Indifference <strong>CD</strong><br />

recordoftheyear.net | Zugegeben, bei der Besprechung<br />

der neuen ESTATE-Scheibe war ich nicht<br />

ganz unvoreingenommen, ja sie haben für mich<br />

eben einen gewissen Österreich-Bonus. Musika-<br />

E<br />

lisch ist das, was die sympathischen Jungs aus Linz<br />

machen, natürlich nicht gerade meine Tasse Tee.<br />

Das soll aber nichts heißen, schließlich bekommt der werte<br />

Hörer durchaus eingängige und einfach gestrickte Metalriffs<br />

mit extrem melodischen – ja ich muss das Unwort<br />

leider wieder mal gebrauchen – gewissermaßen „Emo“-<br />

Parts geboten, wie man sie in dieser Qualität nur <strong>von</strong> den<br />

US-Big-Playern der Emocore-Liga serviert bekommt. Dazu<br />

muss man auch noch sagen, dass die Jungs ihr Handwerk<br />

wirklich verstehen. Ihr Sound erinnert meines Erachtens<br />

ziemlich stark an ATREYU auf „The Curse“, eventuell zeitweise<br />

an AS I LAY DYING, EVERY TIME I DIE oder auch an<br />

BULLET FOR MY VALENTINE und Konsorten. Wer dieses<br />

Genre mag, dem kann ich „The Opposite Of Indifference“<br />

nur wärmstens empfehlen. (43:53) Robert Buchmann<br />

ECHOPHONIC<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

Pink Ink/Silberfisch | Wie es sich anfühlt, einen Majordeal<br />

abzulehnen? Fahrt nach Wien und fragt ECHOPHONIC.<br />

<strong>Die</strong>ses Indiepop-Trio hat dem großen Business die lange<br />

Nase gezeigt und ihr eigenes Label Silberfisch Records gegründet.<br />

Und sie fahren gut damit, denn mittlerweile liegt<br />

ihr drittes, selbstbetiteltes Album vor. Warme Sounds umschmeicheln<br />

das Ohr, Sängerin Tina setzt ihre Stimme<br />

oft wie ein Instrument ein, ergänzt den Klang, so dass ein<br />

schlüssiges Bild <strong>von</strong> ECHOPHONICs Musik ensteht. Manche<br />

Songs erinnern angenehm an Bands wie GARBAGE. Als<br />

<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 067<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 67 22.09.2006 20:51:09 Uhr


zusätzliches Schmankerl bediente sich die Gruppe für diese<br />

<strong>CD</strong> erstmals einer Hammondorgel. Sind die Indiesongs auf<br />

Albumlänge faszinierend oder langatmig? Das kommt ganz<br />

darauf an, was man möchte: Wenn man sich ganz und gar<br />

auf „Echophonic“ einlässt, besticht die Musik durch Intensität.<br />

Doch braucht man den ultimativen Kick, so sind die<br />

Österreicher sicher nicht die erste Wahl. (40:13) (6)<br />

Arne Koepke<br />

JOHN ALEXANDER ERICSON<br />

Black Clockwork <strong>CD</strong><br />

Kalinkaland/Broken Silence | <strong>Die</strong> ersten gesungenen Zeilen<br />

<strong>von</strong> „Sophia in another country“ geben mir den letzten<br />

Rest. <strong>Die</strong>se Art, mit halb geschlossenen Augen leicht klagend<br />

zu singen, findet hier in ihren Höhepunkt, wenn Ericson<br />

eine Ehrenrunde um einige Silben dreht. Der Rest des<br />

Albums hatte es mir schon nicht besonders leicht gemacht,<br />

aber jetzt nehme ich mir die Freiheit, in die letzten der neun<br />

Titel nur noch reinzuhören. Ah! Beim nächsten singt, nein<br />

memmt, er auch noch „I just wanted to be loved ...“. Seine<br />

Kombination aus Pianoakkorden, Keyboardflächen und diversen<br />

spärlichen Beigaben hinterlassen schon einen reichlich<br />

faden Nachgeschmack, aber Gesang und Texte geben<br />

dem Album endgültig den Rest. Da weiß man wieder, was<br />

man an wirklich guten SongwriterInnen hat. (36:26) (1)<br />

Christian Maiwald<br />

EPHEN RIAN<br />

Spread My Wings M<strong>CD</strong><br />

11pm-music.de | Ein Jahr nach ihrer Debüt-<strong>CD</strong> „The Special<br />

Refendum“ melden sich EPHEN RIAN aus Österreich<br />

nun mit dem Soundtrack zur Spirit-Tour 2006 zurück.<br />

„Viva la Moped“ ist die Hymne an das Zweirad, das die Welt<br />

bedeutet und wird <strong>von</strong> drei anderen Songs begleitet: „Framing<br />

the facts“, „Avenue view“ und „With the abscence<br />

of mind“. Alle Songs verdeutlichen warum ausgerechnet<br />

EPHEN RIAN die momentan wohl bekannteste Band aus<br />

Österreich ist. Im letzen Jahr haben sie laut Platteninfo die<br />

unglaubliche Strecke <strong>von</strong> 65.000 Kilometern zurückgelegt,<br />

um der Welt zu zeigen, dass Screamo auch im Alpenstaat angekommen<br />

ist und verarbeitet werden kann. Im Großen<br />

und Ganzen ist „Spread My Wings“ eine solide Bestandsaufnahme<br />

der noch wirklich jungen Band (das Durschnittsalter<br />

ist 21) und wird bestimmt seine Zuhörer finden. (7)<br />

Sebastian Wahle<br />

ESCAPE THE FATE<br />

Dying Is Your Latest Fashion <strong>CD</strong><br />

epitaph.com | Innerhalb eines Jahres bringen die TOKIO<br />

HOTEL <strong>von</strong> Epitaph nun nach ihrer überzeugenden Debüt-<br />

EP mit „Dying Is Your Latest Fashion“ ihren ersten Longplayer<br />

unter die (zum größten Teil bei myspace.com angemeldeten)<br />

Leute. Wie so oft, ist es auch hier bei ESAC-<br />

PE THE FATE die gleiche Prozedur: gesungene Strophe, geschrieener<br />

Refrain – oder auch mal anders herum. Und wie<br />

ich schon in der Review zur EP schrieb, ist hier die Qualität<br />

und nur leider auch der Wiedererkennungswert (man<br />

erkennt vieles wieder, was man bei anderen Bands schon<br />

068 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />

mal gehört hat) hoch. Ach ja,<br />

um noch mal auf TOKIO HO-<br />

TEL zurück zukommen: Es gibt<br />

da ein Foto der Band, das ungelogen<br />

auch der Promomappe<br />

<strong>von</strong> TH entnommen sein<br />

könnte: Milchbubigesichter<br />

und sehr viel Haarspray.<br />

Nichtsdestotrotz können auch<br />

ESCAPE THE FATE Hits schreiben.<br />

In ihrem Fall wäre das<br />

„Guillotine“, welches eigentlich<br />

alles vereint, was das Screamo/Emo-Herz<br />

braucht. Hört<br />

sich alles gut an, ist aber nicht<br />

mehr so unbedingt interessant.<br />

Oder anders gesagt: Wer SAO-<br />

SIN, SENSES FAIL und FUNE-<br />

RAL FOR A FRIEND liebt, wird<br />

hier nicht enttäuscht und hat<br />

vielleicht für eine paar Monate<br />

neue Lieblingssongs. (7)<br />

Sebastian Wahle<br />

EVIL BEAVER<br />

Models Of Virtue E.P. <strong>CD</strong><br />

evilbeaver.us | EVIL BEAVER<br />

sind Evie Evil und Gene Trautmann.<br />

Genau, der Gene Trautmann,<br />

der seine Sticks auch<br />

eine zeitlang bei den QUEENS<br />

OF THE STONEAGE schwang.<br />

Zu zweit machen die beiden<br />

Musik, die sich recht seltsam<br />

anhört, bei einer Instrumentierung<br />

die im Grunde nur<br />

aus (meistens stark moduliertem)<br />

Bass, Schlagzeug und Gesang<br />

besteht, scheint das allerdings<br />

Konzept zu sein. Es gibt<br />

schlimmeres als Musik, die<br />

versucht sich vom Standard<br />

abzuheben. Außerdem gelingt<br />

es den beiden, die vier enthaltenen<br />

Songs interessant zu gestalten<br />

und zeitgleich dafür zu<br />

sorgen, dass der Hörer nicht<br />

entnervt die <strong>CD</strong> wechselt. Problematischerweise<br />

lässt sich die<br />

Sache aber nur schwer in Worte<br />

fassen, und genau das sollte<br />

ich hier ja eigentlich machen. Nun ja, Evie hat eine wirklich<br />

sexy Stimme und ist außerdem eine sehr talentierte und abwechslungsreiche<br />

Bassistin. Gene ist ein Ausnahmetalent am<br />

Schlagzeug. Zusammen sind sie EVIL BEAVER und ... Ach,<br />

hört euch die Sache bitte selbst an, es lohnt sich. (17:53)<br />

(7) Lars Koch<br />

ENDRAH<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

Grapes Of Wrath | Zuerst war es der brutale Sound zwischen<br />

Death Metal und sattem Hardcore, der mich aufhorchen<br />

lies. Als ich dann das beiliegende Bandinfo las, wurde<br />

die Sache aber dann noch mal etwas spannender. Gegründet<br />

vom brasilianischen Ausnahme-Drummer Fernando<br />

Schaefer, brachten ENDRAH ihre Debüt-EP „DEMONstration“<br />

mit Hilfe <strong>von</strong> Billy Graziadei (ex-BIOHAZARD, SUI-<br />

CIDE CITY) heraus, der <strong>von</strong> den Demos so begeistert war,<br />

das er kurzerhand samt Familie nach Brasilien zog, bei den<br />

Jungs als Gitarrist einstieg und die EP produzierte und mixte.<br />

So etwas kann echt nicht jede Band <strong>von</strong> sich behaupten,<br />

aber der Erfolg wird ihnen Recht geben. Das nun vorliegende,<br />

selbst betitelte Album, wurde aber ohne Billy eingespielt,<br />

der inzwischen wieder seinen eigenen musikalischen Verpflichtungen<br />

mit SUICIDE CITY nachgeht. Aber auch mit<br />

nur einer Gitarre wird hier eine Symbiose zweier, eigentlich<br />

völlig verschiedener Lager gefeiert, die keine Wünsche offen<br />

lässt. Du stehst auf SLAYER, MESHUGGAH und die ebenfalls<br />

brutalen FULL BLOWN CHAOS? Kein Problem, mit END-<br />

RAH werden alle positiven Momente der einzelnen Bands<br />

vereint. Klar ist diese Platte irgendwann anstrengend, denn<br />

der Sound geht dir – bei entsprechender Lautstärke versteht<br />

sich – echt an die Eingeweide. Aber nur was abgeht,<br />

kann auch mitreißen. Und das hier geht ab, meine Freunde!<br />

(43:39) (8) Tobias Ernst<br />

EAT NO FISH<br />

Make It Home <strong>CD</strong><br />

artiststation.de/Soul Food | Den Namen <strong>von</strong> EAT NO FISH<br />

habe ich schon oft gehört. Damals, kurz vor der Jahrtausendwende,<br />

war diese Band viel unterwegs, spielte in ganz<br />

Europa Konzerte und hatte einen Vertrag bei einer großen<br />

Plattenfirmen in der Tasche. Alles glänzte, EAT NO FISH waren<br />

auf dem Weg zu echten Stars und ergänzten sich stilistisch<br />

mit den fleißigen DIE HAPPY und vielleicht auch mit<br />

GUANO APES. Es folgte der Absturz und die Neuordnung im<br />

Jahre 2001. Jetzt, fast fünf Jahre danach sind sie mit ihrem<br />

dritten Album „Make It Home“ zurück. Der Sound wurde<br />

der Zeit angepasst, ist Rock und Pop zugleich. <strong>Die</strong> Gitarren<br />

<strong>von</strong> EAT NO FISH sind schwer, die Melodien melodramatisch<br />

und leicht. Wah-Wahs sind immer noch erlaubt. „Erfüllung,<br />

Schweiß und Tränen, Zerreißen und Überzeugung“<br />

haben sich im EAT NO FISH-Sound niedergeschlagen, so<br />

heißt es. Dann fehlt ja eigentlich nur noch das Blut. Auch das<br />

pulsiert in den Songs, mit mittlerem Druck, so dass die Singleauskopplungen<br />

im Radio gespielt werden könnten. Ob<br />

die Band es noch einmal so weit schaffen wird wie damals,<br />

als ihre Plakate jeden Stromkasten zierten? Wir warten ab<br />

und wünschen viel Glück. (39:44) (6) Arne Koepke<br />

ESCAPOLOGISTS<br />

In Free Motion <strong>CD</strong><br />

DevilDuck/Indigo | In Zeiten dumm gehypter englischer<br />

Bands freut man sich über Inselkapellen, die sich auf einen<br />

klassischen Gitarrensound besinnen, so wie dieses Trio mit<br />

Neil Wells <strong>von</strong> SEACHANGE und SAVOY GRAND. <strong>Die</strong> ESCA-<br />

POLOGISTS bewegen sich dabei zwischen gutem alten Slo-<br />

Core und Neil Young-Referenzen, ähnlich wie bei den Jason<br />

Molina-Bands SONGS: OHIA und MAGNOLIA ELECTRIC<br />

CO. Sehr direkt rockende Passagen wechseln dabei ab mit<br />

eher stillen folkigen Momenten, wo dann auch mal ein Klavier<br />

die rudimentäre Instrumentierung etwas auflockert.<br />

Und beim völlig großartigen Song Nr. 5, „A machine for living“,<br />

erinnert man sich EDITORS-like auch an JOY DIVI-<br />

SION, versetzt mit leichten, Bowie’esken Glamrock-Anteilen<br />

im Refrain. „In Free Motion“ versinkt dabei nicht ausschließlich<br />

in einer melancholischen, lahmarschigen Stimmungssuppe,<br />

sondern ist trotz seiner verlangsamten melodischen<br />

Momente eine straight rockende Angelegenheit mit<br />

kleinen Ruhezonen, was die ESCAPOLOGISTS durchaus zu<br />

Geistesverwandten der EDITORS macht, allerdings ohne<br />

deren starke 80er-Bezüge. (7) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

ERASE ERRATA<br />

Night Life LP/<strong>CD</strong><br />

killrockstars.com/Cargo | Ey, ihr Krakeler und Hype-<br />

Herbeischreiber, ihr „Next big thing“-kotzerischen Plattenfirmen,<br />

wo seid ihr denn plötzlich alle? ERASE ERRA-<br />

TA, die vor drei Jahren<br />

noch als das nächste heiße<br />

Dance-Punk-Ding gehandelt<br />

wurden, wollten<br />

wohl nicht so recht nach<br />

eurer Pfeife tanzen, wie<br />

mir scheint, ließen sich<br />

erst mal eine ganze Weile<br />

Zeit mit ihrem dritten Album,<br />

hatten den Ausstieg<br />

<strong>von</strong> Gitarristin Sara Jaffe<br />

zu verkraften, justierten<br />

sich neu – und unterschrieben<br />

schließlich bei<br />

Kill Rock Stars, einem durch und durch krediblen Label abseits<br />

trendigen Getues. Vielleicht ist ja auch manche(r) enttäuscht,<br />

dass aus der Formation aus San Francisco nicht die<br />

nächsten YEAH YEAH YEAHS wurden, aber ich denke, die<br />

Zeit, die sich ERASE ERRATA (immer noch Jenny Hoyston,<br />

Ellie Erickson, Bianca Sparta) mit „Night Life“ gelassen haben,<br />

hat sich nur positiv ausgewirkt. Ihr dritter Longplayer<br />

ist ein absolut eigenständiges Album, das schon durch seine<br />

eigenwillige Rhythmik begeistert, irgendwie funky und<br />

tanzbar und doch spröde und aggressiv ist. Zusammen mit<br />

den leider aufgelösten SLEATER-KINNEY waren/sind sie<br />

für mich die Speerspitze des smarten All Female-Indiepops,<br />

der in einem konservativ gewordenen Amerika mit Songs<br />

wie „Another genius idea from our government“ oder dem<br />

Refrain „Murder with our tax dollar“ über ein grundsätzliches<br />

feministisches Anliegen hinaus klar Stellung bezieht.<br />

Eine wichtige Platte, die mit jedem Hören wächst. (30:10)<br />

(8) Joachim Hiller<br />

FAUVE<br />

s/t <strong>CD</strong> gentlemen.ch/Alive | Knarz, knarz, hier kommen<br />

FAUVE (sprich: „Fohw“). Das Info verspricht einen<br />

„schrägen Höhepunkt der Schweizer Musikszene“.<br />

Na, so schräg klingt das doch gar nicht, ganz<br />

F<br />

im Gegenteil! Das Ein-Mann-Projekt FAUVE from<br />

Lausanne, Switzerland klingt über weite Stre-<br />

cken dieses Albums sehr entspannt und ruhig. Musik für den<br />

Hintergrund einer gemütlichen Bar, wenn die meisten Biere<br />

getrunken sind und der Morgen graut. Wieder mal einer<br />

der Letzten. Gedankenversunken und eine vergessene Kippe<br />

in der Hand. Gleich fällt die Asche runter. Nein, an Schlaf<br />

ist nicht zu denken, eher ans Philosophieren. – Machst mir<br />

noch eins, ne? – Hör mal, FAUVE klingen wie <strong>von</strong> ganz früher<br />

und doch wie heute. Mal wie FAVEZ auf ihrem Akustikdebüt,<br />

mal trippig wie <strong>von</strong> Hippies gemacht und dann Salsa<br />

und trockene Bluesmelodien. Und das Piano macht mich<br />

so melancholisch, echt, jetzt brauch’ ich noch einen Drink.<br />

Herrlich, sag ich dir. Aber sag jetzt nichts, halt die Klappe,<br />

lass uns einfach zuhören, okay? (45:31) (9) Arne Koepke<br />

FRAU DOKTOR<br />

Wer mich leiden kann kommt mit <strong>CD</strong><br />

rookierecords.de | <strong>Die</strong> langjährigen Partner in Sachen<br />

Agentur und Label, Moskito Promotion und Elmo Records,<br />

sind nicht mehr mitgekommen ... hm?! Skanky-Wanky-<br />

Punk gibt es nun <strong>von</strong> Rookie und Ritchie Records. <strong>Die</strong> Diagnose<br />

bei FRAU DOKTOR ist seit Jahren die gleiche: die Instrumentals<br />

„Killer-Virus“, „Stand in Angst“: Top! <strong>Die</strong> Cover<br />

„Babylon’s burning“ und „Maggie May“: Flop! Das „normale“<br />

Programm: für mich belangloses Lalala. „Zweite Liga<br />

kann auch mal ganz schön sein ...“ – zitieren sich hierbei<br />

FRAU DOKTOR selbst? Was sind das für Ziele?! (45:27) (5)<br />

Simon Brunner<br />

FULL BLOWN CHAOS<br />

Within The Grasp Of Titans <strong>CD</strong><br />

Alveran | Ein reißerischer Name ist das, den sich die vier<br />

New Yorker Rude Boys da ausgesucht haben. Aber keine Sorge,<br />

im totalen Chaos versinkt der brutale Sound um Brüllwürfel<br />

Ray Mazzola dann doch nicht. Im Gegenteil, hier<br />

wird auf recht hohem, und vor allem rohem, aber auch vorhersehbarem<br />

Niveau gespielt. Laut Bandinfo spielt die Band<br />

rund 300 Shows im Jahr, eine Tatsache, die erklären würde,<br />

warum die Band trotz der Einfachheit und Brutalität in<br />

der Struktur ihrer Songs nicht langweilig wird und wie ein<br />

Mann aus den Boxen kommt. Ja, ganz recht, wer den Ope-<br />

ner „Trials of triumph“ mag, der kommt auch mit dem Rest<br />

der Platte wunderbar zu recht, wird „Rise & fight“ ordentlich<br />

feiern, bei „Vendetta“ ordentlich moshen und ganz bestimmt<br />

bei „Against the grain“ nicht an den BAD RELIGI-<br />

ON-Klassiker denken. Vielmehr ist die Band interessant für<br />

diejenigen, die auf HATEBREED stehen, denn Sound und<br />

Stimme ähneln sich in gewisser Weise. Ist aber auch kein<br />

Wunder, denn schon die Debüt-EP und das erste Album erschienen<br />

auf Stillborn Records, dem Label <strong>von</strong> Jamey Jasta,<br />

da erklärt sich der Einfluss ja fast <strong>von</strong> selbst. Insgesamt<br />

liegt hier eine in sich sehr stimmige Platte vor, ohne große<br />

Überraschungen und neue Ideen, die aber auf jeden Fall<br />

Spaß macht und ich denke, dass die Band live mit diesem<br />

Set im Rücken auf jeden Fall eine gute Show liefern wird.<br />

(39:52) (7) Tobias Ernst<br />

FUCKUISMYNAME<br />

Stay Gold, Falconass LP<br />

x-mist.de/Broken Silence | Bei all dem Gewese, das gerne<br />

um tanzbaren Post-Punk und No-Wave aus USA gemacht<br />

wird, vergisst man allzu leicht, was für großartige Acts es<br />

diesbezüglich hierzulande gibt. Vor allem weil Bands wie<br />

OLIVER TWIST KOOPERATION (die ihren Bassisten allerdings<br />

an FUCKUISMYNAME verloren haben), ROBOCOP<br />

KRAUS (früher) oder ENIAC immer auch ein bisschen roher<br />

und direkter klingen als die „Konkurrenz“ aus Übersee.<br />

Und in genau diese Kerbe schlägt auch der erste Longplayer<br />

des Trierer Vierers. Immer hektisch, immer vertrackt, immer<br />

mit sägender Gitarre und blubbernder Orgel, immer<br />

eingängige Melodien parat, dabei auch immer ordentlich<br />

rockig, ist der einzige Nachteil dieser Platte, dass sie nur eine<br />

(wenn auch sehr gelungene) Variation bekannter Versatzstücke<br />

ist. Aber es kommt ja schließlich nicht immer darauf<br />

an, was, sondern wie man etwas serviert. Und FUCKUIS-<br />

MYNAME servieren ihren Aufguss aus RADIO 4 & Co.-Dancepunk<br />

sehr frisch und geradeaus, so dass man die Platte ein<br />

ums andere Mal umdrehen muss. Und dass X-Mist sowieso<br />

nie schlechte Platten herausbringt, sollte bekannt sein. Also<br />

stürzt euch ins zuckende Licht der Tanzfläche vor der Bühne,<br />

ihr jungen Menschen, ich will zumindest Schweiß fließen<br />

sehen! (8) Chris Wilpert<br />

FUCK THE FACTS<br />

Stigmata High-Five <strong>CD</strong><br />

relapse.com | <strong>Die</strong> kanadische Grind-Institution dürfte sicherlich<br />

der einen oder dem anderen schon bekannt sein.<br />

Nach unzähligen EPs und sonstigen Veröffentlichungen ist<br />

man bei Relapse untergekommen und somit in bester Gesellschaft.<br />

Ziemlich eigenständig mischen die werten Herren<br />

um die weibliche Frontkehle Grindcore mit progressiven,<br />

punktgenauen Metal und spastischen Noise-Erruptionen,<br />

und das Ganze mit solch unglaublichen Tempowechseln,<br />

dass einem schon allein vom zuhören schwindlig werden<br />

kann. Ab und an gibt es kleinere Verschnaufpausen,<br />

doch nur um dann mit voller Wucht wieder zuzuschlagen<br />

– Kompliment an dieser Stelle an den wirklich druckvollen<br />

Sound, der dem ganzen das i-Tüpfelchen aufsetzt. Wer auf<br />

der Suche nach einem anspruchsvollen Grind-/Noise-Bastard<br />

ist wird mit dem aktuellen Output der Kanadier bestens<br />

bedient werden. Beide Daumen hoch! Uwe Kubassa<br />

FORTY WINKS<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

Wynona | Aufbauend auf einem mit ordentlichem Hitgespür<br />

gesegneten Pop-Punk/Powerpop Fundament à la TRA-<br />

VOLTAS (die sich ja leider kürzlich aufgelöst haben), bauen<br />

die FORTY WINKS gerne mal Versatzstücke und Strukturen<br />

<strong>von</strong> modernem Indie-Sound (spontan denke ich an<br />

die QUEENS OF THE STONE AGE oder FOO FIGHTERS) in<br />

ihre Songs ein. Auf nervige Emo-Jammer-Einlagen verzichten<br />

die Italiener dabei dankenswerterweise, so dass ein Album<br />

in modernem knackigem Sound herauskommt wie es<br />

nicht anders sein sollte. An einigen (wenigen) Stellen besitzt<br />

die Platte zwar noch ein paar Längen, aber ansonsten ist das<br />

Teil eine kurzweilige und unterhaltsame Angelegenheit, die<br />

meiner Meinung nach auch gerne mal größeres Airplay verdient<br />

hätte. Eine Coverversion <strong>von</strong> „Hangin’ on the telephone“<br />

gibt’s als Bonus noch obendrauf. (34:45) (7)<br />

Bernd Fischer<br />

FIFTH HOUR HERO<br />

Not Revenge ... Just A Vicious Crush <strong>CD</strong>/LP<br />

No Idea | Wow, was für eine tolle Stimme! Damit meine<br />

ich insbesondere die Stimme <strong>von</strong> Genevieve Tremblay, die,<br />

obwohl sie gesanglich und natürlich musikalisch <strong>von</strong> ihren<br />

Bandkollegen unterstützt wird, doch heraussticht. FIFTH<br />

HOUR HERO aus Kanada machen, für das Label No Idea<br />

nicht ungewöhnlich, guten Punkrock der catchigen Sorte.<br />

Über allem steht die Erinnerung an die großartigen DIS-<br />

COUNT, denen die Kanadier in nichts nachstehen. Und<br />

auch AGAINST ME!- oder HOW WATER MUSIC-LiebhaberInnen<br />

werden auf den Geschmack kommen. <strong>Die</strong> zwölf<br />

Songs sind mal tragisch, mal glücklich und immer einfach<br />

nur schön. „Not Revenge ... Just A Vicious Crush“ und FIFTH<br />

HOUR HERO machen durchweg Spaß! Unbedingt reinhören!<br />

(37:54) (8) Sarah Shokouhbeen<br />

FAT ASS FUCKERS<br />

Support Your Local Drunks <strong>CD</strong><br />

fatassfuckers.tk | Ich kann mich nicht mehr daran erinnern,<br />

ob ich die Band beim Review ihrer Split-7“ mit AGA-<br />

THOCLES wirklich gut fand. Wenn ich mir jetzt die <strong>CD</strong> ansehe<br />

und –höre, kann ich mir das überhaupt nicht vorstellen.<br />

<strong>Die</strong> Band hat „Support Your Local Drunks“ selber herausgebracht<br />

und es geht ihr auch nur darum, zu saufen, zu<br />

spielen und Spaß zu haben. Generell ein Standpunkt, den<br />

man temporär verstehen kann ... nämlich dann, wenn man<br />

gerade in derselben Laune ist. Wenn ich mich aber sonst mit<br />

dem Kram befasse, langweilt es doch sehr. Hier gibt es meist<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 68 22.09.2006 20:51:20 Uhr


sehr kurze Songs, die ziemlich dreckig produziert sind und<br />

eher schneller Punk als Thrash-Geknüppel sind. 13 Songs,<br />

inklusive In- und Outro plus „R.A.M.O.N.E.S.“-Coverversion,<br />

die mich nicht überzeugen können, alleine auch schon,<br />

weil alles auch noch so lieblos aufgemacht ist, und Saufen ist<br />

cooler, wenn man es selber macht, statt nur Lieder darüber<br />

zu hören. Timbo Jones<br />

ROMAN FISCHER<br />

Personare <strong>CD</strong><br />

blickpunkt pop | Des Fischers zweites Werk. Genauso ernst<br />

und melancholisch wie „Bigger Than Now“. Er ist, wie sagt<br />

man, „erwachsen geworden“ oder seine Musik, seine Haare<br />

sind gewachsen, seine Nase, keine Ahnung, habe nie verstanden<br />

was das heißen soll. Ist das Album deswegen erwachsener,<br />

weil es eine breitere Vielfalt an Themen <strong>von</strong> sich<br />

gibt oder weil Roman jetzt entdeckt hat, dass er unglaublich<br />

hoch singen kann? Oder hat es was damit zu tun, dass<br />

er seine persönlichen Erfahrungen nun auch mit uns teilen<br />

kann, ohne dass er rot wird? Ich möchte den Ausdruck nie<br />

mehr hören beziehungsweise in diesen beigefügten Presseinfos<br />

lesen. Entweder die Musik ist schlechter oder besser<br />

geworden. Fakt ist, hieran hat man mehr zu Knabbern<br />

als letztes Mal, vor allem bei „I can use U“, einem rasenden<br />

Pop-Song, der sich fast 3 Minuten lang mit ungewöhnlich<br />

schnellen Drums und einer klaren Aussage, nämlich<br />

dass Roman die Macht hat, über was auch immer, um einen<br />

legt. Gefällt mir, ein wenig verwirrend zwar dann der Übergang<br />

zu den Balladen, die passend etwa mit „But I will never<br />

die for you“ betitelt sind. Und Track sieben, „Proper order“<br />

– yep, das ist auch ein properer Song, genau so muss das<br />

sein. Hau mächtig drauf, Roman, auf alles, was neben dir<br />

steht, nimm kleinere Wunden und blaue Flecken in Kauf.<br />

Auch wenn du über l’amour singst, da kannst du auch wild<br />

zu herumspringen. Nicht dass die sanfte Seite auf „Personare“<br />

abschreckt, ein netter Charakterzug, aber es sind so viele<br />

gute, aufregendere Ansätze zu hören, dass die bestimmt<br />

auch in den Liebessongs ihren Platz finden würden. Trotzdem,<br />

very nice. (8) Martha Biadun<br />

FUCKED UP<br />

Hidden World <strong>CD</strong><br />

jadetree.com | Vor zwei Jahren erschien via Deranged Records<br />

das erste Album der 2001 gegründeten Kanadier aus<br />

Toronto, jetzt haben sie bei Jade Tree unterschrieben und<br />

mit „Hidden World“ die<br />

neue Scheibe raus. In Rezensionen<br />

der bisherigen<br />

Releases fällt auf, dass als<br />

Referenz immer wieder<br />

NEGATIVE APPROACH<br />

genannt werden, speziell<br />

was das rauhe Organ <strong>von</strong><br />

deren Frontmann John<br />

Brannon anbelangt. Nun<br />

hat Frontmann Pink Eyes<br />

in der Tat ein herrlich gröliges<br />

Organ, das die Band<br />

auch für No Idea qualifiziert<br />

hätte, doch erinnert mich sein stimmlicher Einsatz<br />

auch viel weniger an Brannons Hardcore-Tage als vielmehr<br />

an die unfassbar grandiosen Nachfolger LAUGHING<br />

HYENAS, die heute leider völlig in Vergessenheit geraten<br />

sind. Für eine Jade Tree-Band weisen FUCKED UP mit ihrem<br />

doch sehr subtilen Bandnamen zudem einen starken<br />

britischen Grölpunk-Einschlag auf, erinnern mich mit ihrem<br />

düsteren, bei aller Hardcore-Wuchtigkeit aber auch<br />

melodiösen Sound zudem an die beste Phase <strong>von</strong> POISON<br />

IDEA, an deren „Feel The Darkness“-Album. Klischees bedienen<br />

andere, FUCKED UP sind Wut und Verzweiflung in<br />

ihrer denkbar besten Musikwerdung. Ach ja, wer Hardcore<br />

mit kurzen Song-Granaten gleichsetzt, der sollte sich fernhalten,<br />

denn FUCKED UP sind Meister des epischen Songwritings,<br />

verteilen die 72 Minuten Spielzeit auf gerade mal<br />

13 Songs, <strong>von</strong> denen ein einziger unter drei Minuten bleibt<br />

... (72:31) (8) Joachim Hiller<br />

FALLOPIAN<br />

Dammit, Eat Your Pudding <strong>CD</strong><br />

Avebury | Vier Los Angeles-Ladys, die schon recht abgefahren<br />

aussehen und kleidungstechnisch irgendwo zwischen<br />

1975 und 1985 stehen geblieben sind, machen Musik. Und<br />

die ist laut, gitarrenlastig, ohne Struktur und natürlich abgefahren<br />

wie die Damen selber. Das Quartett präsentiert mit<br />

„Dammit, Eat Your Pudding“ 17 Songs in weniger als einer<br />

halben Stunde. Da wird geschrieen, auch gesungen und der<br />

Punk in euch darf sich auch freuen: musikalisch setzen sich<br />

die Mädels keine Grenzen beziehungsweise brechen selbige,<br />

viele rigoros, fast schon strategisch. Auch textlich ist das Album<br />

abgefahren, denn da geht es nicht nur darum, endlich<br />

den Pudding aufzuessen, sondern auch um Beischlaf mit einem<br />

Baum, um Pelikane und noch viel mehr. Geht in Richtung<br />

THE BOBBYTEENS oder GRAVY TRAIN! Für manche<br />

mag es zu over-the-top sein, ich finde: Das ist Spannung,<br />

Spiel und Musik! (27:03) (6) Sarah Shokouhbeen<br />

FOTOS<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

Labels/EMI | FOTOS. Nicht DIE FOTOS, nicht THE FO-<br />

TOS, einfach nur FOTOS. Gut so, hört sich die erste Variante<br />

doch eher bescheuert an, und die zweite sowieso. Und<br />

jetzt? Schwierig! Ist die Frage, ob es eher ungewohnt scheint,<br />

britischen Indiepop mit deutschen Texten zu hören, ob eine<br />

gewisse Voreingenommenheit vorurteilt oder was es auch<br />

immer sein mag, was mir den Zugang verwehrt ... noch! Dabei<br />

könnten Songs wie „So fremd“ oder „Es reisst uns auseinander“<br />

rein musikalisch gesehen zweifelsohne <strong>von</strong> der<br />

BLOC PARTY oder PANIC AT THE DISCO stammen. Ich<br />

glaube, es ist die Kombination aus ungewohnt und voreingenommen,<br />

die mich noch Abstand halten lässt, aber da ist<br />

das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. Und es würde<br />

mich keinesfalls wundern, wenn ich schon bald den Opener<br />

„Komm zurück“ oder das ungemein radiotaugliche „Giganten“<br />

im Club spielen werde, um es funktionieren zu sehen.<br />

Ja, vermutlich! Vielleicht ist das FOTOS-Debütalbum<br />

schon bald eine meiner Lieblingsplatten und es wird mich<br />

im Nachhinein ärgern, wenn ich ihr zum jetzigen Zeitpunkt<br />

nur sechs Punkte gebe. Oder sieben? Oder ... (38:24) (6)<br />

tom van laak<br />

FRAU MANSMANN<br />

Zu Besuch in der Boppstraße <strong>CD</strong><br />

bakraufarfita-records.de | Rotziger und anspruchsloser<br />

Punkrock, wie ich ihn liebe. Aggressiv und mit Scheißegal-weil-ich-bin-Gott-Attitüde,<br />

ein echter und ehrlicher<br />

Lichtblick zwischen dem ganzen restlichen Schrott.<br />

Claus Lüer aka KNOCHENFABRIK, CASANOVAS SCHWU-<br />

LE SEITE und CHEFDENKER hielt mal wieder als Inspirationsquelle<br />

hin – muss ich noch mehr sagen? Das einzige, was<br />

mich nervt: Was soll ich mit einer EP, wieso nur fünf läppische<br />

Lieder? Setzt euch gefälligst auf euren Arsch, ich will<br />

mehr!(15:17) (7) Katrin Schneider<br />

FEVERDREAM<br />

You Are Happen!ng <strong>CD</strong><br />

Coalition | Das Trio aus Rotterdam gehört nach drei bemerkenswerten<br />

Alben zu denjenigen Gruppen, die man als<br />

Kritiker genauer im Auge behält und so war ich besorgt, als<br />

Bassistin Saskia Anfang 2005 die Band verließ. Etwas später<br />

gründeten Sänger Rene und Drummer Arnold mit AT NO<br />

BIKINI BEACH eine neue Band, standen mit Damo Suzuki<br />

<strong>von</strong> CAN auf der Bühne und all dies stärkte nicht gerade<br />

meinen Glauben an ein Fortbestehen <strong>von</strong> FEVERDREAM.<br />

Nun nimmt es aber doch noch ein gutes Ende, denn mit<br />

„You Are Happen!ng“ meldet sich die Band zurück und hat<br />

sich zudem selbst übertroffen. Teils indem man einige clevere<br />

Schachzüge machte, teils durch die Fortführung bekannter<br />

Elemente. Eine brillante Idee war es sicherlich, die femininen<br />

Vocals beizubehalten, und wer könnte dafür besser<br />

geeignet sein als die holländische Queen of Trash Elle Bandita?<br />

Nun hört man Elles Stimme in vier Liedern. <strong>Die</strong> schrägen<br />

Akkorde sind temporeicher geworden, die Riffs etwas verträglicher,<br />

der Gesang euphorischer und insgesamt scheint<br />

man an den Herausforderungen gewachsen zu sein. Gesanglich<br />

gibt sich Rene Mühe, eine eigene Rhythmik zu schaffen,<br />

statt sich an die restlichen Instrumente anzupassen. <strong>Die</strong>s bereichert<br />

das Postcore-Album um eine weitere Facette und<br />

die Prise R&B ist sicherlich auch nicht alltäglich. Ganz hervorragend!<br />

(36:14) (8) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

FREQUENCY<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

Thrill Jockey/Rough Trade | Warum diese <strong>CD</strong> laut Thrill<br />

Jockey eigentlich nur an Jazz-Magazine verschickt werden<br />

sollte, verwundert wenig, denn dieses aus der facettenreichen<br />

Chicagoer Jazz-Szene stammende Quartett, bestehend<br />

aus Ed Wilkerson, Nicole Mitchell, Harrison Bankhead und<br />

Avreeayl Ra, macht bei den ersten beiden Tracks gut klar, wes<br />

Geistes Kind sie sind. Wilde Improvisations-Free-Jazz-Kakophonien,<br />

die aber gerade durch ihre straffe rhythmische<br />

Basis nie aus dem Ruder laufen und spannend bleiben. Danach<br />

wird es beim knapp 19-minütigen „Satya“ etwas ruhiger,<br />

aber auch deutlich experimenteller, was irgendwie<br />

an gewisse Sun Ra-Kompositionen erinnert und durchaus<br />

Soundtrack-Qualitäten besitzt. Dass diese äußerst vielschichtige<br />

Platte, die auch sehr schöne ruhige und melodische<br />

Momente besitzt, letztendlich bei einem Label wie<br />

Thrill Jockey erschien, hängt sicher damit zusammen, dass<br />

hier exzellente Musiker am Werk sind, die ihre Musik stilistisch<br />

offen halten können und deren Fähigkeiten man mit<br />

dem Etikett Jazz nur begrenzt gerecht wird. FREQUENCY<br />

schaffen hier extrem atmosphärische Kompositionen mit<br />

clever strukturierten Spannungsbögen und Wendungen, auf<br />

die man sich allerdings wirklich einlassen muss, um sie in<br />

vollem Umfang über 70 Minuten erfahren wie genießen zu<br />

können. Jazz ist eben nicht gleich Jazz. (9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

FORM OF ROCKET<br />

Men <strong>CD</strong><br />

sickroomrecords.com | Manchmal habe ich magische<br />

Kräfte. Hier etwa: Ich suche nach der Adresse des Labels, die<br />

weder auf der <strong>CD</strong> noch auf dem Infosheet steht, finde sie<br />

versteckt auf der Website und habe das Gefühl, immer gewusst<br />

zu haben, dass dieses in Chicago ansässig ist. Klar, wo<br />

bitte soll ein Label, das so eine frickelige, komplexe Band<br />

wie FORM OF ROCKET veröffentlicht, auch sonst herkommen?<br />

Sechs Jahre existieren die schon, „Men“ ist ihr drittes<br />

Album, und es hat mich sofort begeistert: Punk-Wut (irgendwas<br />

erinnert mich hier ganz seltsam an AGENT ORAN-<br />

GEs „Bloodstains“) trifft auf NOMEANSNO-like Strukturiertheit,<br />

jazziges Gefrickel auf psychotische JESUS LI-<br />

ZARD-Manie, THESE ARMS ARE SNAKES auf STEAKKNIFE<br />

(letzteres gerade gesanglich), und wer schon immer Probleme<br />

damit hatte, ruhig auf seinem Stuhl zu sitzen, sollte dieses<br />

dunkle, gefährliche Etwas besser nicht in seine Nähe lassen.<br />

Und wer schon immer Mal ein Gefühl dafür bekommen<br />

wollte, wie es sich anfühlt, den Verstand zu verlieren,<br />

der sollte sich parallel zum Anhören des Albums das Gekritzel<br />

im Booklet durchlesen ... Ich habe Angst vor dieser Band!<br />

(8) Joachim Hiller<br />

P PAUL FENECH<br />

The „F“ Word <strong>CD</strong><br />

People Like You | Eine Band ist mit Psychobilly so eng verbunden<br />

wie keine andere: THE METEORS und deren Mastermind<br />

P Paul Fenech stehen für den puren Psychobilly.<br />

<strong>Die</strong> Betonung liegt bei diesem Statement auf pur und nicht,<br />

wie häufig falsch verstanden darauf, die einzige Psychobilly-Band<br />

zu sein. Mit seinen Soloprojekten bewegt sich Fenech<br />

aus diesem selbst auferlegten Puristentum heraus und<br />

lässt musikalische Einflüsse wirken. <strong>Die</strong>se sind Folk, Country,<br />

zusätzliche Instrumentierung mit Klavier oder sogar<br />

Duette. Alles bewegt sich natürlich nicht allzu weit vom<br />

Sound der METEORS weg und ist somit eine willkommene<br />

Abwechslung. „The „F“ Word“ zeigt zudem, welch guter<br />

Musiker Fenech ist. Er beherrscht sein Handwerk und wird<br />

auch mit fortschreitendem Alter nicht schwächer. Wenn beklagt<br />

wird, dass THE METEORS sich nicht weiterentwickeln<br />

würden, dann kommt hier die Gegenthese. Sie könnten es,<br />

aber wollen nichts ändern. Dazu gibt es diese Soloprojekte.<br />

(42:55) (7) Robert Noy<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

FRENCH TOAST<br />

Ingleside Terrace LP/<strong>CD</strong><br />

dischord.com | Mit „Pattern“ war FRENCH TOAST letztes<br />

Jahr auf ihrem Debütalbum „In A Cave“ ein faszinierender,<br />

<strong>von</strong> einem betörenden Beat getriebener Hit mit Tanzflächentauglichkeit<br />

geglückt, ja, das ganze Album strahlte<br />

eine einlullende Coolness aus. Und nun also „Ingleside Terrace“,<br />

auf dem erstmals das neue Bandmitglied Ben Gilligan<br />

zu hören ist, mit dessen Hinzunahme Jerry Busher und James<br />

Canty ihr Duo zum Trio machten. Dessen zweites Album<br />

produzierte James’ Bruder Brendan, den man wiederum<br />

als Mitglied <strong>von</strong> FUGAZI kennt, und es fällt mir echt<br />

schwer, es einzugestehen, aber FRENCH TOAST sind heute<br />

eine unspannendere Band als noch mit „In A Cave“. Nur an<br />

manchen Stellen blitzt noch dieser faszinierende, federnde<br />

Beat auf, ist der elektronische Einfluss einem ganz normalen<br />

Indierock-Sound gewichen. Den beherrschen FRENCH<br />

TOAST freilich, fügen sich damit bestens in den paradoxerweise<br />

ja gar nicht wirklich existierenden Labelsound<br />

ein, aber das, was „In A Cave“ ausmachte, dessen sind die<br />

neuen FRENCH TOAST verlustig gegangen. Sehr schade, es<br />

macht die Band ein ganzes Stück normaler (auf keinen Fall<br />

schlechter), und bremst meine Euphorie merklich. (40:03)<br />

(7) Joachim Hiller<br />

FIREBIRD<br />

Hot Wings <strong>CD</strong><br />

Rise Above | Das vierte Album <strong>von</strong> Bill Steer, ehemals NA-<br />

PALM DEATH und CARCASS, lebt natürlich immer noch in<br />

den 60ern und 70ern der Rockmusik. „Hot Wings“ kommt<br />

mit seinen 10 Songs aber viel rockiger und stärker rüber, als<br />

der eher etwas gediegener ausgefallene Vorgänger „No. 3“.<br />

Was in meinen Ohren jedoch immer noch der offensichtliche<br />

Makel des Ganzen ist, bleibt die doch recht schwache<br />

Stimme <strong>von</strong> Bill Steer. Klar, man braucht für diese Art<br />

<strong>von</strong> Musik nicht unbedingt so ein Organ wie Spice oder JB<br />

<strong>von</strong> den SPIRITUAL BEGGARS, doch mehr Kehle und Röhre<br />

würde dem Ganzen doch ganz gut tun. Rein musikalisch<br />

kann man bei FIREBIRD nichts verkehrt machen, wenn<br />

man auf Jimi Hendrix, LED ZEPPELIN, bluesige ROLLING<br />

STONES oder auch AC/DC steht, doch wie schon erwähnt,<br />

fehlt mir der Kick in der Stimme, der das Feuer entfacht und<br />

die Songs zum Leben erweckt – etwas schade. (38:32) (6)<br />

Ross Feratu<br />

GOTT & DIE WELT<br />

Ihr werdet schon sehen! MC<br />

damenklorecords.de | Eine 7-Track-EP auf Kassette<br />

– das kann doch nur <strong>von</strong> Damenklo Records<br />

kommen, die vor einiger Zeit auch schon das Album<br />

„Dinge <strong>von</strong> Bestand“ <strong>von</strong> GOTT & DIE WELT<br />

G<br />

ausschließlich auf Vinyl veröffentlichten. Und<br />

auch mit dem Medium Tape haben sie Erfahrung,<br />

denn bei den den sympathischen Mittelfranken erschien<br />

ebenfalls ein solches <strong>von</strong> HELP ME, RHONDA. Im Gegensatz<br />

zu den beiden Veröffentlichungen stört mich an dieser<br />

Kassette allerdings, dass sie etwas lieblos gemacht ist. Klar,<br />

<strong>Die</strong> Bands der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong><br />

01_PANIC (Boston, L.A., NYC, USA): Nach der Auflösung<br />

<strong>von</strong> PANIC im Jahr 2002 fand man die Bandmitglieder<br />

bei Größen wie AMERICAN NIGHTMA-<br />

RE, GIVE UP THE GHOST und THE EXPLOSION wieder.<br />

Mit einem neuen Album namens „Circles“, das<br />

bei Reflections Records erscheint, schließt sich nun<br />

der Kreis.<br />

02_MOJOMATICS (Venice, Italy): Auf „Songs<br />

For Faraway Lovers“ (Alien Snatch Records) zeigt das<br />

venezianische Duo Dav und Matt, dass ihr knarziger<br />

(Po-)Delta-Blues-Garage-Punk auch eine ruhige Seite<br />

hat und überlassen die immer gleichen Garage-<br />

Rüpeleien lieber den anderen.<br />

03_P Paul Fenech (London, UK): Keine Band<br />

ist mit dem Begriff Psychobilly enger verbunden als<br />

die METEORS. Mit seinen Soloprojekten löst sich deren<br />

Mastermind P Paul Fenech aus diesem selbst<br />

auferlegten Purismus und verarbeitet Einflüsse wie<br />

Folk und Country – ohne sich allerdings zu weit vom<br />

Sound der METEORS zu entfernen.<br />

04_THE MANGES (La Spezia, Italy): <strong>Die</strong> MAN-<br />

GES spielen nach wie vor das, was sie am besten<br />

können: Pop-Punk in Perfektion, streng nach dem<br />

SCREECHING WEASEL/QUEERS-Gesetz. Mit ihren kritischen<br />

Texten gehen sie allerdings weit über den<br />

üblichen Girls&Party-Kosmos des Genres hinaus.<br />

05_BANKRUPT (Budapest, Hungary): Der<br />

Name des neuen BANKRUPT-Albums ist Programm:<br />

„Shorter Than Danny DeVito“ bietet elf Songs in weniger<br />

als 22 Minuten, die jeden Freund <strong>von</strong> catchy<br />

Punkrock-Tunes à la BEATNIK TERMITES oder PARA-<br />

SITES vor Begeisterung frohlocken lassen werden.<br />

06_McRACKINS (Vancouver, Canada): Das eierköpfige<br />

Trio aus Kanada ist zurück und hat mit<br />

„Bat Out Of Shell“ (Wynona Records) ein hervorragendes<br />

und hochmelodisches Pop-Punk-Album in<br />

bester QUEERS-Tradition im Gepäck, das die tollen<br />

Hooklines der BEACH BOYS mit der Energie der RA-<br />

MONES vermischt.<br />

07_THE TURBO AC’s (New York, NY, USA):<br />

Nach dem Ausstieg <strong>von</strong> Bassist Mike Dolan haben<br />

die TURBO AC’s nicht nur diesen ersetzt, sondern bei<br />

der Gelegenheit gleich noch einen neuen Gitarristen<br />

verpflichtet und sich mal eben neu erfunden.<br />

Der frische Wind, der auf „Live To Win“ weht, hat den<br />

Surfpunk-Rock’n’Rollern hörbar gut getan.<br />

08_SEWERGROOVES (Kiruna, Sweden):<br />

Mit ihrem fünften Longplayer haben sich die<br />

SEWERGROOVES längst vom Schwedenrock-Hype<br />

freigeschwommen, der vor Jahren wie eine Grippe<br />

grassierte. Genau das macht „Rock’n’Roll Receiver“<br />

zu einer zeitlosen und rundum gelungenen Angelegenheit.<br />

09_TRASHCAN DARLINGS (Oslo, Norway):<br />

War man in der Vergangenheit versucht, die lustiger<br />

Bühnenverkleidung gegenüber aufgeschlossenen<br />

Schätzchen eher in die Glam-Rock-Tonne zu packen,<br />

machen die Norweger diesmal musikalisch,<br />

wie <strong>von</strong> der Attitüde her klar, wer und was sie sind:<br />

„Me punk, you fuck“. Selber!<br />

10_THE SPOOKSHOW (Avesta, Sweden):<br />

Dass man ausgerechnet im Horrorpunk mit einer<br />

Frau am Mikrofon als Freak gilt, ist sicherlich eine<br />

der größten Kuriositäten der Popkultur. In diesem<br />

Genre ist man schließlich ganz andere Gestalten gewohnt<br />

als Miss Behave und ihre schöne Stimme.<br />

11_ROTTEN APPLES (Seattle, WA, USA): Schade,<br />

dass ihr die rot-weiß gefleckte Seven Inch gerade<br />

nicht sehen könnt, denn die ist so lecker, dass<br />

manch einer sie lutschen möchte. Doch auch musikalisch<br />

darf man zwischen BELLRAYS und GHETTO<br />

WAYS auf den Geschmack kommen.<br />

12_THE HEROINES (Stuttgart, Germany): Vier<br />

Jahre haben sich die HEROINES für ihr zweites Album<br />

Zeit gelassen und zwischenzeitlich die halbe<br />

Mannschaft ausgetauscht. Deshalb muss Fräulein<br />

Galactica auf „Hurts So Good“ nicht nur Gitarre spielen,<br />

sondern auch singen.<br />

13_2ND DISTRICT (Bochum, Germany)<br />

Bochums Vorzeigepunkrockband hat mit „Emotional<br />

Suicide“ ein verdammt gutes Streetpop-Punk-<br />

Album vorgelegt, das allein durch Marc Aders wirklich<br />

einzigartige Stimme schon seinen Wiedererkennungswert<br />

besitzt. Besser als ein Großteil des<br />

ewig gleichförmigen, zumeist gegrölten Rests der<br />

Straße.<br />

14_STREET DOGS (Boston, MA, USA): Es<br />

scheint ein Gesetz zu geben, dass es Bostoner Bands<br />

verbietet, schlechte Alben zu machen, denn auch<br />

die STREET DOGS um den ehemaligen Sänger und<br />

Mitbegründer der DROPKICK MURPHYS Mike Mc-<br />

Colgan treffen genau ins Schwarze.<br />

15_SIR WILLIAM HILLS (Basel, Switzerland):<br />

Benannt nach einem Buchmacher treffen bei SIR<br />

WILLIAM HILLS die prägnanten 77er Pop-Punk-<br />

Nummern der BUZZCOCKS auf die Songstrukturen<br />

der WHITE STRIPES. <strong>Die</strong>se Band hat mehr zu bieten<br />

als die ganzen Wave- und Indie-Klone, die derzeit<br />

die Insel unsicher machen.<br />

16_CREETINS (Kiel, Germany): Mit einem größeren<br />

Label im Rücken, das ordentlich Wind in die Segel<br />

des Kieler Punkrock-Dreiers bläst, steht der Frage<br />

„Wo bitte geht es zum Stadion?“ nichts mehr<br />

im Weg. Hymnischer als auf „The City Screams My<br />

Name“ geht es nun wirklich nicht mehr.<br />

17_COR (Bergen, Germany): COR (ohne E hinten)<br />

kommen aus Rügen, und da soll es zwar sehr schön<br />

sein, aber eine Punkrock-Hochburg ist die Insel hoch<br />

im Norden sicher nicht. Und doch hält die Band genau<br />

dort als einsamer Leuchtturm der Gegenkultur<br />

die Stellung.<br />

18_NARZISS (Jena, Germany): <strong>Die</strong> meisten<br />

Bands mit dem Prädikat „Metalcore“ verdienen keine<br />

weitere Beachtung, bei dem Quintett aus Thüringen<br />

ist das hingegen anders. Was nicht nur an<br />

den deutschen Lyrics liegt, sondern auch an den feinen<br />

Melodien, die man sonst eher bei schwedischen<br />

Death Metal-Bands erwartet hätte.<br />

19_LOWER FOURTY-EIGHT (San Francisco,<br />

CA, USA): Dynamischer, druckvoller Noisecore<br />

mit Groove und dem Hang zu komplexer Rhythmik,<br />

wütend und aggressiv, im Zweifelsfall eher kickend<br />

als verspielt und teils auch nah dran an strangen, alten<br />

SST-Bands. Beeindruckend an L48 ist vor allem<br />

die mathematische Präzision, mit der hier Druck erzeugt<br />

wird.<br />

20_KURHAUS (Hamburg, Germany): Stacheldraht-Musik<br />

mit durcheinander wirbelndem, mehrstimmigem<br />

Gesang, der <strong>von</strong> sehr melodiös in Sekundenbruchteilen<br />

zu harsch und aggressiv wechselt,<br />

eine Band zwischen den Stühlen, zwischen Indierock<br />

und Hardcore, zwischen ROBOCOP KRAUS<br />

und REFUSED, zwischen Dancepunk und Screamo,<br />

zwischen JR EWING und FUGAZI.<br />

21_Claus Grabke (Gütersloh, Germany): Während<br />

andere Musiker und Künstler, die ein unstetes<br />

Leben führen, mit fortschreitendem Alter gesetzter<br />

werden, das heißt „erwachsen“, will es Claus Grabke<br />

noch einmal wissen.<br />

22_POWERMAN 5000 (Boston, MA, USA): <strong>Die</strong><br />

Band um Sänger Spider, dem kleinen Bruder <strong>von</strong><br />

Rob Zombie, klingt auf „Destroy What You Enjoy“ ungewohnt<br />

punkrockig, vor allem für diejenigen, die<br />

POWERMAN 5000 bisher nur in ihrem familiären<br />

Kontext betrachtet haben. Denn die Elektro-Metal-<br />

Schiene wird mittlerweile nur noch selten gefahren.<br />

23_HELLSONICS (Antwerp, Belgium): <strong>Die</strong> Frage,<br />

ob das nun Blut ist, das der Dame auf dem Cover<br />

aus dem Mund läuft, oder ob sich in der morgendlichen<br />

Hektik lediglich der Lippenstift verirrt<br />

hat, erübrigt sich bereits nach dem ersten Zupfen<br />

am Slap-Bass.<br />

24_MILWAUKEE WILDMEN (Netherlands):<br />

Der fliegende Holländer dürfte den meisten ein<br />

Begriff sein. Auf „Strike Back“ wird nun sein wilder<br />

Landsmann vorstellig. Warum der allerdings vorgibt,<br />

aus Milwaukee zu stammen, bleibt ein Rätsel.<br />

Dafür ist aber die Schublade eindeutig: New School<br />

Psychobilly.<br />

25_DUESENJAEGER (Osnabrück, Germany):<br />

Der MUFF POTTER-Vergleich hinkt zwar, trotzdem<br />

lassen sich natürlich Parallelen ausmachen:<br />

deutschsprachiger Punkrock mit Herz und Verstand<br />

und mit Knüppel aus dem rhetorischen Sack, statt in<br />

der mit Parolen verschmierten Tasche.<br />

26_SEDLMEIR (Berlin, Deutschland): <strong>Die</strong>se Musik<br />

ist seltsam ungelenker, kantiger Rock mit Cheapo-Elektro-Effekten<br />

in reduzierter Version, der klingt<br />

wie aus dem Bausatz, aber wegen der Verschmitztheit,<br />

mit der er rübergebracht wird, dann doch zu<br />

gefallen weiß. Alleinunterhaltermucke für Langzeitstudenten-Absturzkneipen.<br />

27_MITOTE (München, Germany): Wer nicht alle<br />

seine Ideale über Bord geworfen hat und auf intelligenten,<br />

astrein komponierten, deutschen Punkrock<br />

steht, der nicht auf eine hohe Chartplatzierung<br />

schielt, ist bei MITOTE garantiert an der richtigen<br />

Adresse.<br />

28_OHL (Leverkusen, Germany): <strong>Die</strong> OBERSTE<br />

HEERESLEITUNG und ihr knallharter Deutschpunk<br />

haben klare Feindbilder: Religiöser Fanatismus, politischer<br />

Radikalismus, Terrorismus und Nationalismus.<br />

Bei „Feindkontakt“ darf es auch gerne mal etwas<br />

martialisch zur (guten) Sache gehen.<br />

29_CAPSIZED (Pfarrkirchen, Germany): Auch<br />

wenn sich CAPSIZED nicht nach dem gleichnamigen<br />

SAMIAM-Song benannt haben sollten, eine<br />

ähnliche Vorliebe für druckvolle Riffs kann man<br />

durchaus konstatieren. Und genügend Wiedererkennungswert,<br />

um sich in einem solchen Kontext zu<br />

etablieren, ist auch gegeben.<br />

30_FUNERAL MARCH (Dortmund, Germany):<br />

Hier wird ordentlich in die 70er Streetpunk-Kerbe<br />

gehauen. Rau und hart kombinieren die vier Dortmunder<br />

STITCHES-Sound mit soliden Hardcore-<br />

Elementen, die teilweise gar an RISE AGAINST oder<br />

GOOD RIDDANCE erinnern.<br />

31_SKANKING SCUM (Rosenheim, Germany):<br />

Verdammt schneller Hardcore-Punk und rootsiger<br />

60s Ska aus Niederbayern. „Bombed“ ist ein wirklich<br />

mächtiger Titeltrack – Bläsercore à la BLOW HARD,<br />

dunkel arrangiert und ideenreich.<br />

<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 0<strong>69</strong><br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd <strong>69</strong> 22.09.2006 20:51:36 Uhr


Fotocopy-Cover ist cool, aber die kleinen Gimmicks wie<br />

farbiges Tape und liebevolles Artwork, die fehlen. Musikalisch<br />

wird ebenfalls die totale LoFi-Schiene gefahren. <strong>Die</strong><br />

eigentlich sehr melodischen und poppigen Punk-Songs <strong>von</strong><br />

GOTT & DIE WELT schrammeln am Rande des qualitativ erträglichen<br />

durch die sehr kurze Spielzeit des Tapes (ich hab<br />

es ganze 2,5 Mal gehört, während ich diese Zeilen schrieb!).<br />

Doch Schwamm drüber, denn alleine das piepsige Keyboard<br />

in „Hüftgold“ war es wert, mein Tapedeck vom Regal zu holen,<br />

und die naiv-niedlich-nachdenklichen Texte allemal!<br />

Nächstes Mal aber bitte wieder mit etwas mehr Liebe basteln.<br />

Jan Eckhoff<br />

GREAT BERTHOLINIS<br />

Objects Travel In More Than One Direction <strong>CD</strong><br />

hazelwood.de | <strong>Die</strong> GREAT BERTHOLINIS sind heimisch in<br />

Bayern, oder halt, nein, in Ungarn – so behauptet es zumindest<br />

der Infotext. Ist ja auch egal. <strong>Die</strong> GREAT BERTHOLINIS<br />

stammen also aus einer<br />

befreundeten, östlich gelegenen<br />

Nation und spielen,<br />

um das gleich vorweg<br />

zu nehmen, ganz bezaubernd<br />

eigenwillige Musik.<br />

Vergleiche ziehen könnte<br />

man allenfalls zu einigen<br />

dieser, hierzulande<br />

wenig bekannten, amerikanischen<br />

Dark Cabaret-<br />

Bands, wie REVEREND<br />

GLASSEYE, DEVOTCHKA<br />

oder HUMANWINE. Als<br />

grobe Orientierungshilfe: Man kann solchen Bands leicht<br />

begegnen, wenn man bei der WORLD/INFERNO FRIEND-<br />

SHIP SOCIETY losläuft und sich dann immer Richtung Tom<br />

Waits hält. Das Werkzeug der GREAT BERTHOLINIS, mit<br />

dem sie ihre Songs zwischen Americana, Swing und osteuropäischem<br />

Folk kreieren, umfasst unter anderem Trompete,<br />

Posaune, Piano und Banjo. Unkonventionelles Songwriting<br />

und Details wie der Akzent des Sängers, Interludien,<br />

nettes Artwork oder eben jener erfundene Hintergrund<br />

um eine ungarische Zirkusfamilie, machen diese Platte zu<br />

einem einnehmenden und stimmungsvollen Gesamtkunstwerk.<br />

(47:35) (8) Ferdinand Praxl<br />

GORCH FOCK<br />

Thriller <strong>CD</strong><br />

australiancattlegod.com | Album Nr. 3 der Texaner aus der<br />

Hauptstadt Austin. Das neue Album werde Feuer zum Thema<br />

haben, sagte der Frontmann vor den Aufnahmen zu einem<br />

Journalisten, und damit hatte er leider recht: Während<br />

der Aufnahmen zu „Thriller“ (und ohne dass jemand verletzt<br />

wurde) brannte das legendäre Sweatbox-Studio zu<br />

Austin aus, doch als die Band sich an Polizeiabsperrungen<br />

vorbei in die Ruine schlich, fand sie in Mitten der Zerstörung<br />

ihre Masterbänder – unzerstört. So die Legende. Weshalb<br />

die Band, die unlängst bei zwei <strong>von</strong> drei Reunion-Konzerten<br />

ihrer großen Vorbilder SCRATCH ACID den Opener<br />

machen durfte, sich nach dem norddeutschen Heimatdichter<br />

Gorch Fock (1880-1916) benannt hat, ist mir zwar immer<br />

noch nicht klar, aber ganz sicher gehört die Band zu<br />

den Guten mit ihrem strangen, komplexen Noiserock, der<br />

sich irgendwo im Spannungsfeld zwischen MELVINS, NO-<br />

MEANSNO (deren „The river“ wird gecovert), BUTTHOLE<br />

SURFERS und eben SCRATCH ACID (Ehrerbietung mittels<br />

„Mary had a little drug problem“-Cover) bewegt. Besonders<br />

hervorgehoben werden muss auf jeden Fall die sehr räumliche,<br />

druckvolle Produktion, und wer immer die oben erwähnten<br />

Bands schätzt, sollte unbedingt reinhören, denn es<br />

gibt ja kaum noch welche dieser Güteklasse. Cooles Label<br />

übrigens, mit diversen anderen feinen Releases. (51:43) (8)<br />

Joachim Hiller<br />

rereleases<br />

ALLMAN BROTHERS BAND<br />

Gold 2<strong>CD</strong><br />

Universal | <strong>Die</strong> Band ist eines dieser traditionellen US-<br />

Rock-Phänomene <strong>von</strong> Ende der Sechziger und Anfang der<br />

Siebziger, gilt neben LYNYRD SKYNRD als klassischer Vertreter<br />

des Southern Rock – und ist für jemand, der mit Punk<br />

aufgewachsen ist, noch viel weniger zu verdauen als eben<br />

erwähnte, als CCR und ähnliche klassische US-Rockbands<br />

dieser Jahre. Bei „Blues-Rock“ zucke ich instinktiv zurück,<br />

aber man ist ja offener geworden über die Jahre, erkennt die<br />

Größe des klassischen Blues’, hat gegen erdigen Rock noch<br />

nie was einzuwenden gehabt, doch die ALLMAN BROT-<br />

HERS BAND verkörpert letztlich das typische, langatmige<br />

Hippie-Gedudel, das mich schon immer abgestoßen hat.<br />

In den USA freilich sind sie nach diversen Auflösungen und<br />

Reunions längst zu Helden geworden, doch eine Schnittstelle<br />

zu heutigen für uns relevanten Bands kann ich beim<br />

besten Willen nicht erkennen, auch wenn hier gerne mal<br />

der Begriff „Swamp Rock“ verwendet wird. Joachim Hiller<br />

ÄRZTE<br />

Bäst Of 2<strong>CD</strong><br />

Hot Action Records/Universal | Hui, das Ding sieht aber<br />

schick aus! Oder wie es das Label ausdrückt: sauaufwendig.<br />

In eben einer so gestalteten, ziemlich schweren Stahlbox<br />

mit ausgestanztem riesigen „ä“ (aber mit drei Pünktchen)<br />

stecken insgesamt 180 Minuten Best of DIE ÄRZTE auf<br />

zwei <strong>CD</strong>s und ein reich bebildertes und mit Linernotes sowie<br />

vielen wichtigen Informationen über die hier versammelte<br />

Musik versehenes Booklet (<strong>Die</strong> <strong>CD</strong>s als auch der Umschlag<br />

des Booklets sind wiederum mit je einem verschiedenfarbigen<br />

„ä“ bedruckt, so dass man jederzeit das Erscheinungsbild<br />

der Box seiner Tageslaune anpassen kann). Wobei<br />

„Bäst Of“ ein etwas irreführender Titel ist, denn eigentlich<br />

handelt es sich um eine Compilation aller seit der Reunion<br />

1993 erschienenen DIE ÄRZTE-Singles. Wobei sich gerade<br />

auf den B-Seiten der Singles oftmals mit die besten Songs<br />

der Berliner überhaupt fanden, insofern stimmt „Bäst Of“<br />

dann doch irgendwie. Fünfzig Songs sind es insgesamt auf<br />

„Bäst Of“, 25 A-Seiten auf <strong>CD</strong> 1, 25 B-Seiten auf <strong>CD</strong> 2. Wer<br />

angesichts der Tatsache, dass sich auf der B-Seite einer DIE<br />

ÄRZTE-Single oftmals mehr als nur ein Song befand, jetzt<br />

eine Unregelmäßigkeit wittert, dem sei zugestimmt: Ja, es<br />

sind nicht alle Songs aller B-Seiten dabei, sondern nur eine<br />

Auswahl, das Ding heißt also wirklich nicht umsonst „Bäst<br />

Of“. Womit den treuen Singlekäufern etwas Exklusivität<br />

in Form <strong>von</strong> nur dort vorhandenen Songs gelassen wurde.<br />

Über die Musik der besten deutschen Band der Welt (wie es<br />

einst Tom van Laak in Abänderung der Selbstbeschreibung<br />

der DIE ÄRZTE einst so treffend ausdrückte) muss ich mich<br />

nicht weiter auslassen, oder? Dafür gibt’s die volle Punktzahl,<br />

Ausfälle oder Stinker gibt es nämlich keine hier. Das<br />

Ding gibt’s übrigens auch als 5 LP-Stahlbox, wobei sich die<br />

A-Seiten der Singles auf den A-Seiten der LPs befinden, und<br />

die B-Seiten auf den B-Seiten. (10) André Bohnensack<br />

ALICE IN CHAINS<br />

The Essential ... 2<strong>CD</strong><br />

Columbia/Sony BMG | Grunge, da war doch mal was. Damit<br />

wir das ja nicht vergessen, gibt’s mal wieder, bereits zum<br />

vierten Mal, eine Compilation dieser doch reichlich klischeehaften<br />

Rockband der 90er, deren Sänger Layne Staley<br />

2002 einen höchst uncoolen Drogentod starb. Staleys aufdringliches<br />

Geheule war es auch, das ALICE IN CHAINS<br />

immer zu einer der nervtötendsten Bands dieser Gattung<br />

machte, auch wenn Gitarist Jerry Cantrell durchaus für<br />

070 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />

GROWING<br />

Color Wheel <strong>CD</strong><br />

rockactionrecords.com/PIAS | Eigentlich hätten GRO-<br />

WING (einst Olympia, WA, jetzt NYC) im September mit<br />

MOGWAI auf Tour gehen sollen, stattdessen musste man<br />

den uncharismatischen Laptop-Langweiler Kid 606 ertragen.<br />

Mit Album No. 4 ist das einst auf Kranky veröffentlichende<br />

Duo zu Rock Action gewechselt, hat sich passenderweise<br />

<strong>von</strong> Dave Bryant (GODSPEED! YOU BLACK EMPER-<br />

OR) produzieren lassen und widmet auch hier wieder dem<br />

epischen „Drone Metal“ oder wie immer man diesen instrumentalen<br />

Sound nun beschreiben mag. Lieder (besser:<br />

Stücke) für an Schlaflosigkeit leidende Menschen, Musik<br />

gewordene Unendlichkeit, Soundtrack für eine Neuauflage<br />

<strong>von</strong> „2001“, minutenlange Feedback-Orgien, Anti-New<br />

Age-Sounds – für Spezialisten. (50:29) (7) Joachim Hiller<br />

GOATWHORE<br />

A Haunting Curse <strong>CD</strong><br />

metalblade.de | Mal wieder eine Band, die ich schon beinahe<br />

wieder vergessen hatte. <strong>Die</strong> aus New Orleans stammende<br />

Kapelle setzt sich aus Leuten aus dem ACID BATH-, SOI-<br />

LENT GREEN- und CROWBAR-Umfeld zusammen und zelebriert<br />

schon seit knapp einer Dekade einen groovigen Mix<br />

aus Black und Death Metal. Das und nichts anderes erwartet<br />

einen auch beim Metal Blade-Debüt und setzt die eigene<br />

Messlatte einen ganzen Tacken höher an. Wesentlich abwechslungsreicher<br />

kommen die elf Tracks daher und man<br />

merkt der Band an, dass aus dem einstiegen Sideproject eine<br />

ambitionierte, eigenständige Band herangewachsen ist. Wer<br />

die beiden Vorgängeralben noch nicht sein eigen nennt, bekommt<br />

mit „A Haunting Curse“ einen perfekten Einstieg in<br />

den blasphemischen Death Metal der CELTIC FROST-VE-<br />

NOM-Sympathisanten. Bleibt jetzt nur zu hoffen, dass Ben<br />

Falgoust dabei nicht die Zeit für seine eigentliche Hauptband<br />

SOILENT GREEN verliert. Uwe Kubassa<br />

GOLDEN DOGS<br />

Everything In 3 Parts <strong>CD</strong><br />

True North/Alive | Hmm, lecker, goldene Hunde, die krieg<br />

ich immer geschenkt, wenn ich beim Chinamann länger<br />

warten muss. Das Gold pellt sich schnell ab und irgendwann<br />

werde ich vom einstigen Prachtstück nicht mehr wirklich<br />

angezogen. So ungefähr ist es mit der Platte. Beim ersten<br />

Hören kommt es einem noch wie eine anständige emotionsgeladene<br />

Platte vor, die mit viel Geschick produziert<br />

wurde, doch irgendwie nur eine <strong>von</strong> vielen, die so langsam<br />

aber sicher in der „Verschieben wir’s auf morgen“-Kiste<br />

landet. <strong>Die</strong> Kanadier sind zwar mit vielen sanften Chorgesängen<br />

um die Mädchenherzen bemüht und die eine oder<br />

andere Ballade lässt sich durchaus anhören, aber im Ganzen<br />

ist es einfach nur eine durchschnittliche Indie-Band,<br />

die man in jeder Stadt vorfindet. (5) Martha Biadun<br />

GOD DETHRONED<br />

The Toxic Touch <strong>CD</strong><br />

Metal Blade | Machen wir uns nichts vor. Ich kenne diese<br />

Band nicht. Kein Plan, ob das nun guter oder schlechter<br />

melodischer Death Metal ist, im Vergleich zu ihren früheren<br />

Alben und der damals noch anderen Besetzung. Ich<br />

kann nur soviel sagen: <strong>Die</strong> Holländer sind nicht unbedingt<br />

die größte Überraschung des Jahres und das, worauf man<br />

in diesem Bereich anno 2006 gewartet hat. Dafür sind die<br />

einzelnen Songs einfach zu gleich gestrickt, kommt zu wenig<br />

Spannung auf und man ertappt sich dabei, dass die Platte<br />

zwar keineswegs schlecht ist, sie aber irgendwie so mehr<br />

oder weniger an einem vorbeirauscht. Selbst nach mehreren<br />

Hördurchläufen bleibt nicht viel hängen, außer der Dominanz<br />

des Schlagzeugs. Das ist nicht ganz meine Baustelle,<br />

aber wer die Band besser kennt als ich, der wird hoffentlich<br />

selbst wissen, ob er dieses Album besitzen muss oder nicht.<br />

(39:19) (6) Tobias Ernst<br />

überzeugende musikalische Akzente sorgen konnte. Rückblickend<br />

betrachtet kommen einem ALICE IN CHAINS<br />

dann gar nicht mehr so schlimm vor, vor allem im Vergleich<br />

mit Kroppzeug wie NICKELBACK. Das merkt man besonders<br />

in den Passagen, wo sich AIC stärker <strong>von</strong> den Stereotypen<br />

der meisten Grunge-Bands lösen können und einfach<br />

nur kompetente Rocksongs produzieren, vor allem kommt<br />

das bei den ruhigeren Songs zum Tragen. Durch „The Essential<br />

ALICE IN CHAINS“ werde ich sicher nicht plötzlich<br />

zum bekennenden Fan dieser Band, aber durch die 28<br />

Songs, die alle vier Studioplatten abdecken plus Akustikversionen<br />

und Soundtrack-Beiträgen, bekommt man einen repräsentativen<br />

Karrierequerschnitt geliefert, der einen noch<br />

mal seine grundsätzliche ablehnende Meinung überdenken<br />

lässt, da AIC durchaus ihre starken Momente besaßen. Und<br />

besser als diese unsäglichen STONE TEMPLE PILOTS waren<br />

sie sowieso, aber wenn es mich nach Grunge dürstet, höre<br />

ich dann doch lieber „Badmotorfinger“ <strong>von</strong> SOUNDGAR-<br />

DEN oder MOTHER LOVE BONE. (7) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

AL KAPOTT<br />

s/t LP<br />

Dirty Punk | Schon seit geraumer Zeit keimt in mir der<br />

Verdacht, dass Bands aus Frankreich hierzulande vergleichsweise<br />

weniger Beachtung finden. Und wären AL KAPOTT<br />

eine alte England-Punkband, hätte man sicher schon auf<br />

der einen oder anderen Best-Of-Punk-Compilation etwas<br />

<strong>von</strong> ihnen gehört. Aber AK stammen aus der Bretagne, sie<br />

existierten <strong>von</strong> 1983 bis ’87 (oder ’88) und ihr Output beschränkt<br />

sich auf eine 7“, ein paar Sampler-Beiträge und<br />

eine Mini-LP und die sind natürlich längst nicht mehr zu<br />

bekommen – allenfalls zu Mondpreisen. Letztes Jahr reformierten<br />

sich Al KAPOTT noch einmal anlässlich des Erscheinens<br />

der Buchdokumentation „40 Jahre Rock in Brest“.<br />

Nun ist ihre gesamte Diskografie wieder auf Vinyl erhältlich:<br />

Das liebevoll gestaltete Album enthält 13 schnell gespielte,<br />

lupenreine Punkrocknummern mit französischen Texten,<br />

die auch nach guten zwei Jahrzehnten nichts <strong>von</strong> ihrer Frische<br />

verloren haben. <strong>Die</strong> <strong>CD</strong> ist bei Rural Muzik erhältlich,<br />

und wenige weitere Auftritte und eine DVD sollen folgen.<br />

(8) Ute*06<br />

BRIGHT EYES<br />

Noise Floor (Rarities: 1998-2005) LP/<strong>CD</strong><br />

saddle-creek.com/Indigo | Während Connor Oberst<br />

in New York an einer Künstlerkarriere arbeitet und sich<br />

BRIGHT EYES in einer Phase der Inaktivität befinden, veröffentlicht<br />

Saddle Creek diese Zusammenstellung <strong>von</strong> Single-<br />

und Compilation-Tracks aus den Jahren 1998 bis 2005.<br />

Da man für solche Zwecke ja nicht gerade Zweitklassiges<br />

hergibt, sind die 16 Tracks ein Feuerwerk <strong>von</strong> Indierock-<br />

Perlen, taugt „Noise Floor“ sowohl zum Bonus-Album für<br />

den alten Fan wie auch als Einsteiger-Album für all jene, die<br />

bislang noch nicht den Zugang zu den oft dramatischen, eigenwilligen<br />

Songs der Ausnahmeband gefunden haben. Wer<br />

das Vinyl kauft, bekommt fünf Bonus-Songs – und die Möglichkeit,<br />

sich alle Songs auch noch als mp3 <strong>von</strong> der Homepage<br />

herunterzuladen. Eine sehr smarte Idee. (61:00) (8)<br />

Joachim Hiller<br />

BEE & FLOWER<br />

What‘s Mine Is Yours <strong>CD</strong><br />

Neurot/Cargo | Eine Neuauflage des 2003er Albums dieses<br />

überraschend harmonischen, fast poppigen Albums auf<br />

Neurot, doch warum und wieso, darüber schweigt sich das<br />

Info aus. Jedenfalls scheint die Band, die mehr Kammerorchester<br />

als klassische Rockband ist, in diesem Jahr <strong>von</strong> New<br />

York nach Berlin umgezogen zu sein und will wohl momentan<br />

live wieder aktiv werden. „What’s Mine Is Yours“<br />

mit seinen zehn Stücke ist allerdings nach wie vor ihre einzige<br />

Studioplatte. Man denke sich eine minimalistische Mi-<br />

GWAR<br />

Beyond Hell <strong>CD</strong><br />

DRT | Und wieder GWAR. <strong>Die</strong>jenigen, die sowieso nie etwas<br />

für die Band übrig hatten und deren Sound ohnehin<br />

nur als Live-Show-Untermalung sahen, können diese Kritik<br />

getrost überspringen, alle anderen dagegen werden sich<br />

sicherlich auf ein neues Lebenszeichen der Monster-Truppe<br />

freuen. Gerade weil GWAR vor zwei Jahren mit „War<br />

Party“ bewiesen haben, dass sie endlich wieder Eier zwischen<br />

den Beinen haben und einige stattliche Hits auf jenem<br />

Longplayer unterbringen konnten. Doch leider scheinen<br />

die Außerirdischen <strong>von</strong> einer geheimnisvollen Krankheit<br />

befallen zu sein, die es ihnen unmöglich macht, ein Level<br />

auf Dauer zu halten. Anders sind die vielen Ausfälle im<br />

Katalog der Band kaum zu erklären. Jedenfalls reiht sich<br />

„Beyond Hell“ in den Reigen jener Alben ein, die man vernachlässigen<br />

kann, wenn man essentielle Teile wie „Scumdogs<br />

Of The Universe“, „America Must Be Destroyed“, „This<br />

Toilet Earth“ und „War Party“ sein eigen nennt. <strong>Die</strong> aktuelle<br />

<strong>CD</strong> überzeugt allenfalls durch das Können der Musiker, vom<br />

Songwriting kann dagegen fast keine Rede sein. Natürlich<br />

klingt auch Sänger Oderus Urungus weiterhin unverkennbar,<br />

trotzdem bleibt einfach kein Stück im Ohr hängen. Metal-Riffs,<br />

die wahllos aneinander gehängt wurden, machen<br />

eben noch keinen guten Song. Aggressiv ist das Ganze natürlich<br />

trotzdem, aber eben auch nicht mehr. Weiterhin hat<br />

Producer Devin Townsend (ja, genau der <strong>von</strong> STRAPPING<br />

YOUNG LAD) scheinbar vergessen, den Bass in den Mix einzufügen,<br />

so dass der Sound zwar differenziert, aber nicht<br />

übermäßig fett klingt. GWAR-Slaves werden „Beyond Hell“<br />

ohnehin kaufen und sicher finden sich ein paar Freaks, die<br />

das Album lieben werden, weil es so schön technisch und<br />

hart ist. Ich bleibe jedoch dabei: Verglichen mit alten Klassikern<br />

der Band, muss man „Beyond Hell“ schon fast einen<br />

Ausfall nennen. (5) Thorsten Wilms<br />

GITOGITO HUSTLER<br />

Love & Roll <strong>CD</strong><br />

Gearhead | Ein spaßiges All Girl-Quartett aus Japan. Musikalisch<br />

zwischen Pop-Punk, Garage-Rock’n’Roll und Kuriositäten,<br />

wie man sie aus Japan schon beinahe gewohnt ist.<br />

Mehr Punk, aber weniger Rock’n’Roll, als zum Beispiel bei<br />

den 5,6,7,8’s, dafür weniger Punk, aber mehr Rock’n’Roll,<br />

als zum Beispiel bei LOLITA NO. 18. Kurzweilig und amüsant,<br />

sofern man sich durch die typisch quietschigen, schrillen<br />

Stimmen <strong>von</strong> Japanerinnen nicht <strong>von</strong> vorneherein genervt<br />

fühlt – was zugegeben in der Regel tolerante Hörgewohnheiten<br />

vorausgesetzt. Jedenfalls scheint bei soviel<br />

spürbarer Unbekümmertheit und Frohsinn die Welt der<br />

vier Damen noch in Ordnung zu sein. Und die gute Laune<br />

möchte ich ihnen auch gar nicht erst verderben. Aus diesem<br />

Grund enthalte ich mich auch jeglicher weiteren Negativ-<br />

Kritik. (6) Alex Gräbeldinger<br />

CLAUS GRABKE<br />

Dead Hippies / Sad Robot 2<strong>CD</strong><br />

noisolution.de/Indigo | Während andere Musiker und<br />

Künstler, die ein unstetes Leben führen, mit fortschreitendem<br />

Alter gesetzter werden, das heißt „erwachsen“, will es<br />

Claus Grabke noch einmal wissen. Nach einer Maßstäbe setzenden<br />

Skateboard-Karriere, EIGHT DAYZ und der populären<br />

Band THUMB folgten die ALTERNATIVE ALLSTARS,<br />

eine Gruppe, die bei einigen Fans die Trauer über das Ende<br />

<strong>von</strong> THUMB noch einmal intensivierte: Harmloses Rumgerocke<br />

mit Südstaatenflagge und Zuckerguss, das war zu viel.<br />

Jetzt ist Claus Grabke zurück, und zwar mit CLAUS GRAB-<br />

KE. Ein Bandname, der es auf den Punkt bringt: „Reduce<br />

to the max!“ heißt das Rezept, „No overdubs!“ die Ausführung.<br />

Auf der ersten <strong>CD</strong> dieses Doppelalbums regiert der<br />

Rock. Da scheppert die Gitarre schonungslos wie bei jüngeren<br />

THERAPY?-Veröffentlichungen. Der Rhythmus ist<br />

so fesch wie bei den BEATSTEAKS. Oldschool in Lederja-<br />

schung aus Nick Cave, RACHEL’S und COWBOY JUNKIES<br />

mit einem Hang zu echten Popsongs und man kommt BEE<br />

& FLOWER durchaus nahe, die immer angenehm die Waage<br />

zwischen äußerst trübsinnigen und dezent euphorischen<br />

Klängen halten, so dass sich die Begräbnisstimmung<br />

in Grenzen hält, man allerdings auch des öfteren an die Filme<br />

eines gewissen Herrn Lynch erinnert wird. Sängerin<br />

Dana Schechter trägt diese Stimmung durchaus überzeugend,<br />

sexy und morbide zugleich. Okay, wir sind überzeugt,<br />

und wie sieht’s jetzt mal mit einer neuen Platte aus, <strong>von</strong> diesen<br />

zehn Stücken kann man schließlich nicht ewig zehren?<br />

(8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

BORED!<br />

Selftitled EP , Take It On You & More <strong>CD</strong><br />

Afterburn | Noch vor der grandiosen „Negative Waves“-<br />

LP, die ja vor zwei Jahren auf Bang! Records wiederveröffentlicht<br />

wurde, hatten die aus Geelong beziehungsweise<br />

Melbourne stammenden<br />

BORED! mit ihrem<br />

Frontmann Dave <strong>Thomas</strong><br />

1988 eine titellose<br />

EP sowie 1990 die Mini-<br />

LP „Take It Out On You“<br />

aufgenommen, die beide<br />

in Deutschland <strong>von</strong> Glitterhouse<br />

Records veröffentlicht<br />

wurden. Lindsay<br />

Gravina hat diese Aufnahmen<br />

nun neu gemastert,<br />

bevor sie zusammen mit<br />

diversen 7“- und Compilationtracks<br />

auf dieser <strong>CD</strong> neu aufgelegt wurden. Nun sind<br />

BORED! zwar eigentlich aufgelöst, Dave hat mit TIGER BY<br />

THE TAIL eine neue vorzügliche Band, doch gelegentlich<br />

stehen die Herren doch nochmal im „Tote“ oder einer anderen<br />

Rock’n’Roll-Spelunke in Melbourne auf der Bühne<br />

und lassen „Little Suzie“ auferstehen, den Opener ihrer<br />

EP, ihren besten Song ever, ein brandgefährliches Gemisch<br />

aus AC/DC, BLACK SABBATH und Punkrock, wie es nur im<br />

Australien der Achtziger entstehen konnte – man höre sich<br />

nur mal das völlig übersteuerte, sich auf allen Frequenzen<br />

im roten Bereich bewegende „Show me the way“ an. Das ist<br />

pure Rock-Energie, ein Meisterwerk des Wahwah- und Fuzzgitarrengemetzels,<br />

eine musikalische Offenbarung und nur<br />

noch mit den COSMIC PSYCHOS zu vergleichen, und selbst<br />

als BORED! sich dann auf „Take It Out ...“ etwas melodiöser<br />

und minimal gemäßigter zeigten, war das noch beängstigend<br />

energiereich, ein Sound wie ein alter auf Hochtouren<br />

blubbernder Holden-V8. Fragt doch einfach mal WOLF-<br />

MOTHER, wo sie sich ihre Inspiration geholt haben ... Grandios<br />

übrigens auch die diversen Coversongs hier, etwa „Final<br />

solution“ <strong>von</strong> ROCKET FROM THE TOMBS, „Satellite“ <strong>von</strong><br />

den SEX PISTOLS oder „Iron man“ <strong>von</strong> BLACK SABBATH.<br />

Erzähle mir keiner etwas über R.O.C.K., der keine BORED!-<br />

Platte im Schrank stehen hat, das hier ist the real shit, und<br />

im Booklet gibt’s auch noch Anekdoten <strong>von</strong> der Europatour<br />

1990. Muss man haben. (73:45) (10) Joachim Hiller<br />

BLURT<br />

Best of Blurt 2 -<br />

The Body That They Built To Fit The Car <strong>CD</strong><br />

Salamander/Indigo | Mein früheres Zusammentreffen mit<br />

Ted Milton und seinem gefürchteten Saxophon war eher<br />

traumatischer Natur, das änderte sich erst mit der Best Of-<br />

Platte „A Fish Needs A Bike“ vor zwei Jahren. „The Body That<br />

They Built To Fit The Car“ mit 16 Tracks ist der zweite Teil<br />

da<strong>von</strong> und inzwischen gefällt mir Miltons kakophonischer<br />

Saxophon-Sound wirklich ausgesprochen gut, der sich mit<br />

seinem avantgardistischen Rock-Anspruch mit vergleichbaren<br />

Bands wie PERE UBU in bester Gesellschaft befindet.<br />

cke eben. <strong>Die</strong> verschwitzten „Dead Hippies“ hauen auf die<br />

Kacke, als hätte es die ALLSTARS nie gegeben. Roh, wild<br />

und laut. Doch Grabkes Ideen sind noch nicht erschöpft,<br />

sie reichen noch für ein zweites Album namens „Sad Robot“.<br />

Hier werden die Keyboards ausgepackt und Soundteppiche<br />

gefühlvoll unter dicken Streicherformaten ausgebreitet.<br />

Grabkes haucht und flüstert, seine Stimme bricht beinahe.<br />

<strong>Die</strong> Band schafft Klangkollagen, die auch als Filmmusik<br />

tauglich wären. Studioexperimente und Soundfrickeleien<br />

sind in den allermeisten Fällen zum Abgewöhnen; anders<br />

jedoch „Sad Robot“: Er wird viele einsame Seelen und<br />

verliebte Pärchen über den grauen Winter tragen. Hach ja ...<br />

Claus Grabke 2006: Eine Platte zum Saufen, eine zum Kiffen.<br />

Nicht schlecht für einen, den viele schon abgeschrieben<br />

hatten. (97:00) (9) Arne Koepke<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

GONADS<br />

Old Boots, No Panties <strong>CD</strong><br />

Captain Oi! | Oh Mann, was muss man rauchen, um auf<br />

solche Texte zu kommen? Und wo kriegt Garry Bushell das<br />

Zeug nur immer her? Gleich der Opener über einen legendären,<br />

fiktiven Londoner Massenmörder macht klar, wohin<br />

die Reise geht: „Just don’t be too hasty. What’s that in the<br />

pastry? A finger? Hm, quite tasty ... They call me Sweeney<br />

Todd. Do I seem a little odd?“ Oh man, ich schmeiß mich<br />

weg. Klassisch. Aber habe auch, ehrlich gesagt, nichts anderes<br />

<strong>von</strong> dem Mann erwartet, der Oi! erfunden hat. Also irgendwie.<br />

Mit den GONADS hatte der Mann einst den Hit<br />

„I lost my love to a U.K. Sub“. Seit den späten Neunzigern<br />

gab es dann eine Reunion der Band und auch erstmals reguläre<br />

Studioalben. Aber die Band war und ist ohnehin nur<br />

ein kleiner Aspekt des Gesamtphänomens Gary Bushell. Wer<br />

nicht weiß, <strong>von</strong> wem ich hier rede, dem sei das Interview<br />

in #65 empfohlen. Was den Sound der GONADS betrifft, so<br />

sollte man in Richtung TOY DOLLS denken. „Your wife is fat<br />

and you’re a twat. You’re two bob and I want change from<br />

that.“ (39:02) (7) Claudia Luck<br />

GIDDY MOTORS<br />

Do Easy <strong>CD</strong><br />

Fatcat/Pias | Schöner hätte es das beigelegte Info nicht ausrücken<br />

können. „This album grabs you by the throat and<br />

doesn’t stop shaking until it’s good and ready.“ Mir bluten<br />

jetzt schon die Ohren und ich bin erst beim dritten Stück<br />

angelangt. GIDDY MOTORS sind krank, das ist mal amtlich<br />

und anstatt sich auf eine Couch zu legen und dem armen<br />

Mann dort das Leben schwer zu machen, haben sie sich entschieden,<br />

uns alle mit dieser Platte an ihrem Wahnsinn teilhaben<br />

zu lassen. Dafür bin ich ihnen zumindest dankbar,<br />

schon lange nichts mehr so Hartes gehört. (33:00)(7)<br />

Claus Wittwer<br />

GIGLINGER<br />

Distortion+ M<strong>CD</strong><br />

kingpenguinrec.com | <strong>Die</strong> vierköpfige Band GIGLINGER<br />

stammt aus Helsinki, Finnland und präsentiert auf ihrem<br />

<strong>CD</strong>-Debüt eine Mischung aus brachialem Trash mit angezogener<br />

Handbremse und KILLING JOKE aus einer Zeit, als<br />

Jaz Coleman noch nicht in die Welt der Feen abgetaucht war.<br />

Aufgenommen in Jürgen Hendlmeiers Kick Out The Jams!-<br />

Studio schleppt die Band weiterhin tapfer ihre selbst auferlegte<br />

Bürde: no gigs, no full-lenght albums, no bullshit.<br />

<strong>Die</strong> Stücke haben Drive, einige Momente erinnern sogar an<br />

längst vergessene Größen wie DISCHARGE, es gibt ansprechende<br />

Titel, „The power of the powerless, und dennoch genug<br />

Raum für etwas Gefrickel. (11:04) (7) Kay Wedel<br />

GREAT DEPRESSION<br />

Preaching To The Fire <strong>CD</strong><br />

Fire | Bei allen klaren Zutaten und bei allem, was man über<br />

eine Platte schreiben kann, manchmal fällt es schwer, ge-<br />

Das Ganze ist vielleicht nicht einfach anzuhören, wird viele<br />

Leute wahrscheinlich einfach nur nerven, aber Miltons unangepasste<br />

No Wave-Kompositionen besitzen viel Energie,<br />

schon alleine durch ihren betont rhythmischen Charakter<br />

und sind dementsprechend nicht weit <strong>von</strong> Bands wie POP<br />

GROUP oder A CERTAIN RATIO entfernt. Und vor allem<br />

ist Milton in dieser Hinsicht mehr Punk als das, was man<br />

mittlerweile darunter versteht, der aber wohl nicht dem<br />

oberflächlichen Unterhaltungsanspruch der meisten Leute<br />

gerecht werden wird, denn BLURT haben über die Jahre<br />

nichts <strong>von</strong> ihrer Radikalität und Aggressivität verloren, ohne<br />

dass das Ganze unhörbar würde. (8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

BORN/DEAD<br />

Endless War ... Repetition <strong>CD</strong><br />

prankrecords.com | BORN/DEAD aus Oakland sind eine<br />

der wenigen Ausnahmen <strong>von</strong> der Regel, die besagt, dass<br />

Crustpunk und ich nicht wirklich zusammenpassen. Aber<br />

während eben die meisten Vertreter des Genres leider den<br />

immer wieder gleichen DISCHARGE-Aufguss durchkauen,<br />

sind BORN/DEAD einfach weniger limitiert, dem Integrieren<br />

klassischen US-Hardcores in ihre Musik nicht abgeneigt,<br />

scheuen sie sich nicht, hier und da mal eine Melodie<br />

einzubauen und sie covern die NECROS. Zur völligen<br />

Begeisterung fehlt nur die Durchschlagskraft, die eine<br />

Band wie BEHIND ENEMY LINES besitzt. Viel veröffentlicht<br />

haben die seit 2000 aktiven Kalifornier bisher nicht,<br />

neben einer EP und dem Debütalbum „Our Darkest Fears<br />

Now Haunt Us“ <strong>von</strong> 2001 (ebenfalls auf Prank) waren da<br />

nur 2003 die Split-LP mit CONSUME und eine 12“, die sie<br />

selbst 2005 auf Tour verkauft haben – und die in abgespeckter<br />

Form nochmals als 7“ bei Prank erschien. Auf „Endless<br />

War ... Repetition“ finden sich nun eben die BORN/DEAD-<br />

Songs der Split-LP als auch die komplette Tour-12“ und es<br />

fällt beim direkten Vergleich auf, dass BORN/DEAD etwas<br />

an Eingängigkeit gewonnen und sogar teils einen gewissen<br />

POISON IDEA-Touch entwickelt haben. In diese Richtung<br />

sollten sie weitergehen. (8) André Bohnensack<br />

BRUTAL TRUTH<br />

Sounds Of The Animal Kingdom/Kill Trend Suicide<br />

<strong>CD</strong><br />

relapse.com | BRUTAL TRUTH waren immer eine irgendwie<br />

zwiespältige Sache. Mal begeisterten die <strong>von</strong> 1990 bis<br />

2000 aktiven New Yorker um Bassist Dan Lilker (Ex-ANTH-<br />

RAX, Ex-NUCLEAR ASSUALT, S.O.D.) mit absolut grandiosem,<br />

manchmal richtig punkigem, Grindcore, mal strapazierten<br />

sie die Nerven mit im Dopewahn entstandenen Experimenten,<br />

teilweise gleichzeitig in nur einem Song. Nach<br />

zwei Alben für Earache respektive Combat wechselten sie<br />

1996 zu Relapse, wo dann „Kill Trend Suicide“ und 1997<br />

„Sounds Of The Animal Kingdom“ erschienen, die jetzt für<br />

diesen Rerelease zusammengefasst wurden (allerdings fehlen<br />

laut Abgleich der Trackliste mit der Diskografie auf der<br />

Bandwebsite zwei Songs). „Sounds ...“ war dann auch BRU-<br />

TAL TRUTHs letztes richtiges Album, es folgten nur noch<br />

ein paar Compilations, Live-Sachen und Split-Geschichten.<br />

Und hier waren sie wohl auch auf ihrem Höhepunkt<br />

angekommen, hatten das erreicht, was ihnen vorschwebte,<br />

hatten die Kombination aus derbem Grindcore und allerlei<br />

Soundexperimenten – mal elektronisch, mal bloß purer<br />

Krach – perfektioniert. Eine oft nachgesagte Nähe zu John<br />

Zorns NAKED CITY oder PAIN KILLER kann ich hier aber<br />

nicht wirklich erkennen, auch wenn Sänger Kevin Sharp<br />

mal mit John Zorn arbeitete. So weit wie Zorn gingen BRU-<br />

TAL TRUTH dann doch nicht, auch wenn sie oftmals eine<br />

ziemlich anstrengende Angelegenheit waren, wo<strong>von</strong> man<br />

sich anhand dieser <strong>CD</strong> hier einen guten Eindruck verschaffen<br />

kann. Trotzdem eine überdurchschnittliche und für die<br />

Geschichte extremer Musik nicht unwichtige Platte. (8)<br />

André Bohnensack<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 70 22.09.2006 20:51:44 Uhr


nau zu sagen, was das Quäntchen ist, das aus einer Platte einen<br />

Kracher macht oder es in Bedeutungslosigkeit umkippen<br />

lässt. Auf genau dieser Schneide steht auch das neue Album<br />

der beiden Amerikaner, das manchmal an spätere Releases<br />

<strong>von</strong> THE JESUS & MARY CHAIN erinnert, bei denen<br />

sich auch Kompaktheit und Weitläufigkeit zu einer Art abgehangener<br />

Wüstenmusik verband, die mit Country aber<br />

nichts am Hut hatte. Rockmusik, ruhig, ohne Eile. „Preaching<br />

To The Fire“ fehlt es aber an markanten, pointierenden<br />

Momenten, denn in seiner Abgeklärtheit bleibt es bei<br />

allen guten Instrumentierungen und Arrangements etwas<br />

fad. Das geht an mir aber spurlos vorbei. (39:04) (4)<br />

Christian Maiwald<br />

GOOD GOOD<br />

Furrows <strong>CD</strong><br />

menloparkrecordings.com | Wem ANIMAL COLLECTIVE<br />

zu folkig/psychedelisch und HIDDEN CAMERAS zu poppig<br />

sind, für den bietet das Trio THE GOOD GOOD genau die<br />

richtige Mischung. Zwischen allen Stilen und Stimmungen<br />

hüpfen die New Yorker Labelmates <strong>von</strong> JAPANTHER (die sie<br />

auf der Tour im Oktober auch begleiten) so schnell hin und<br />

her, dass man gar nicht mehr weiß, wo einem die Ohren<br />

stehen, und trotzdem ist das fertige Produkt so in sich geschlossen,<br />

so weich, kindlich und schön, dass ich mich in<br />

diese Band verliebt habe. Der Geist <strong>von</strong> Syd Barrett hat bei<br />

THE GOOD GOOD nicht nur überlebt, sondern mit ihnen<br />

auch würdige Erben gefunden. Ihr Sound ist immer leicht<br />

abgedreht, mal folkig, mal post-punkig, mal kinderliedhaft<br />

(inklusive kompletten Kinderchors, versteht sich). Zarte<br />

Glöckchenspielereien gesellen sich zu den als Melodieinstrumenten<br />

benutzten Handyklingeltönen (okay, tatsächlich<br />

handelt es sich vermutlich nur um schlichte Casio-Orgeln).<br />

Jeder Song besteht aus kleinen Fragmenten, die völlig unerwartet<br />

enden und beginnen, sich aber gleichzeitig zu einem<br />

epischem Ganzen zusammenfügen, wobei die Band nie<br />

den Faden und vor allem nicht die tollen Melodien aus dem<br />

Sinn verliert. Manche Songs sind wiederum so durchstrukturiert<br />

und mit exotischen Instrumenten ausgebaut, dass sie<br />

auch THE ARCADE FIRE, nur ohne Pathos, gut zu Gesicht<br />

stehen würden. Bis auf wenige Ausnahmen singt eine Frau,<br />

und nicht nur deshalb erinnern THE GOOD GOOD mit ihrem<br />

(scheinbar) unbedarften Fröhlichkeitspop auch an THE<br />

RAINCOATS. <strong>Die</strong>se Band ist nicht einfach gut, sie ist doppelt<br />

gut. (28:18) (9) Chris Wilpert<br />

GREY<br />

Asleep At The Wheel LP<br />

adagio830.de | In <strong>Ox</strong> #67 besprachen wir die auf Lovitt erschienene<br />

<strong>CD</strong>-Version dieses Albums, jetzt ist auch die Vinylversion<br />

raus, auf Adagio 830 Records aus Leipzig, weshalb<br />

wir uns einfach selbst zitieren: THE GREY aus Ottawa haben<br />

ihre Band im Jahr 2003 gegründet und heuer ihr Debütalbum<br />

veröffentlicht. <strong>Die</strong> vier jungen Herren klingen deutlich<br />

älter als sie sind. Das liegt daran, dass die wahrnehmbaren<br />

Einflüsse aus den Neunzigern stammen und dass diese<br />

zu dieser Zeit selbst schon ... sagen wir routiniert geklungen<br />

haben. THE GREY sind vorrangig eine Rockband, die<br />

jedoch einen rauhen Emo-Charme verströmt, wie es zum<br />

Beispiel ERRORTYPE: 11 auch tun, nur dass sie etwas flotter<br />

zu Werke gehen. <strong>Die</strong> Instrumente machen schön schmutzigen<br />

Lärm, am Ende fügt sich das Ganze aber doch in wunderbare<br />

Harmonie. In guten Momenten erinnert die Gitarrenarbeit<br />

sogar an die der alten Helden <strong>von</strong> DRIVE LIKE<br />

JEHU. Dazu kommt, dass Sänger Matt Deline wie ein alter<br />

Sack klingt. Seine Stimme lässt auf viel Whiskey- und Zigarettenkonsum<br />

schließen, aber genau das macht eben den<br />

oben genannten Charme aus. Ein bisschen stört, dass „Asleep<br />

At The Wheel“ zwar cool ist, aber ohne große Höhen und<br />

Tiefen vor sich hin rockt. Da können THE GREY dann doch<br />

nicht mit ihren Vorbildern mithalten. (7) Christian Meiners<br />

PHILLIP BOA & THE VOODOOCLUB<br />

Copperfield <strong>CD</strong><br />

Hair <strong>CD</strong><br />

Hispanola <strong>CD</strong><br />

Polydor/Universal | So wirklich verschwunden war er nie,<br />

der aus Dortmund stammende Phillip Boa, seit 1985 hat er<br />

quasi jedes Jahr ein neues Album veröffentlicht, doch nachdem<br />

der Meister des eigenwilligen Indiepops zu Beginn der<br />

Neunziger mit VOODOOCULT eine Metal-Karriere einzuschlagen<br />

versucht hatte, hatte ich anschließend das Interesse<br />

endgültig verloren. Seine frühen Werke freilich, „Philister“<br />

<strong>von</strong> 1985, „Aristocracie“ <strong>von</strong> 1986, „Copperfield“ <strong>von</strong><br />

1987, „Hair“ <strong>von</strong> 1988“ und „Hispanola“ <strong>von</strong> 1990, sind<br />

Klassiker, sind eigenwillige, deutlich <strong>von</strong> britischem Post-<br />

Wave-Pop beeinflusste Meisterwerke <strong>von</strong> einer der wenigen<br />

hiesigen Bands, die seinerzeit auch außerhalb Deutschlands<br />

Erfolg hatten. Erschienen sind die drei remasterten und um<br />

Bonustracks ergänzten Alben damals wie heute auf Polydor,<br />

nachdem die beiden ersten Scheiben noch Independent-<br />

Releases waren, unter anderem auf Constrictor. Prägnantestes<br />

Merkmal der damaligen VOODOOCLUB-Platten war<br />

der Wechselgesang <strong>von</strong> Boa und Pia Lund mit ihrer zarten,<br />

hohen Stimme. Bis heute sind Hits wie „Kill your ideals“,<br />

das umwerfende „Container love“ und natürlich die hier als<br />

Bonus enthaltene 12“ „Annie flies the lovebomber“ unvergessen,<br />

war/ist Boa ein eigenwilliger, unbequemer Meister<br />

des gerne auch mal zum Bombast neigenden, üppig produzierten<br />

Indiepops. Lohnt durchaus die (Wieder-)Entdeckung.<br />

(7) Joachim Hiller<br />

BILLY CHILDISH<br />

My First Billy Childish Album <strong>CD</strong><br />

damagedgoods.co.uk/Cargo | Was bei Holly Golightly<br />

schon charmant war, gibt’s jetzt auch in der Billy Childish-<br />

Version: Ein praktisches Einsteiger-Album, das den großen<br />

Vorteil hat, den Neuling weder einzuschüchtern, noch zu<br />

überfordern – denn das kann schnell passieren, wenn man<br />

sich entschieden hat, sich mit einem Musiker, Dichter, Maler<br />

und Lebenskünstler zu beschäftigen, der seit der Gründung<br />

der POP RIVETS 1977 über 100(!) Alben veröffentlicht<br />

hat und unzählige Musiker und Bands mit seinem Minimal-Punkrock<br />

beeinflusst hat. Und so finden sich hier<br />

schön übersichtlich Lieder <strong>von</strong> BUFF MEDWAYS, POP RI-<br />

VETS, THEE HEADCOATS, THE DELMONAS, THE MIGHTY<br />

CAESARS, und THE CHATHAM SINGERS sowie auch welche<br />

der <strong>von</strong> ihm produzierten Girl-Band THEE HEADCOA-<br />

TEES (mit Holly Golightly) und THE BUFFETS – und zum<br />

Abschluss auch noch ein <strong>von</strong> Childish geschriebenes und<br />

gesprochenes Gedicht. Nein, komplett und umfassend ist<br />

diese <strong>CD</strong> auf keinen Fall, aber eine Art <strong>von</strong> „Best Of“ und<br />

repräsentativer Einstieg in die musikalische Welt des überzeugten<br />

Schnauzbart-Trägers und Individualisten, der zudem<br />

auch noch ein sehr netter, sympathischer Zeitgenosse<br />

ist. (46:39) (8) Joachim Hiller<br />

CONFLICT<br />

Turning Rebellion Into Money <strong>CD</strong><br />

mortarhate.com | Ich habe mich bereits im letzten <strong>Ox</strong> über<br />

die Relevanz <strong>von</strong> CONFLICT für die Punkszene der Achtziger<br />

ausgelassen. Hier jetzt der vierte Teil der Wiederveröffentlichungen,<br />

die das Geld für eine Operation des Drummers<br />

Paco aufbringen sollen. „Turning Rebellion Into Money“<br />

ist ein Livemitschnitt des legendären CONFLICT-Gigs<br />

vom 18. April 1987, der als „The Gathering Of 5000“ in<br />

die Geschichte eingegangen ist. <strong>Die</strong> remasterte <strong>CD</strong> kommt<br />

mit sehr ausführlichen Linernotes zu diesem Konzert, welches<br />

dazu gedacht war, die Punkszene um CONFLICT und<br />

CRASS, die sich drei Jahre zuvor aufgelöst hatten, zu vereinen.<br />

Steve Ignorant <strong>von</strong> CRASS war dann auch als Sänger bei<br />

CONFLICT dabei und man spielte Songs beider Bands, wobei<br />

der Gig aber in – wegen Schlägereien auf der Bühne –<br />

GEISHA GIRLS<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

number3records.com | Der böse Kapitalismus: Nicht immer<br />

ist in einem Produkt drin, was außen drauf steht. So<br />

auch bei den GEISHA GIRLS: die sind keine putzige Japan-<br />

Girl-Band, sondern bestehen aus drei jungen Kaliforniern,<br />

die ganz offensichtlich auf die frühen THE CURE stehen<br />

und sich einen Scheiß drum kümmern, dass man das ihrer<br />

Band auch anhört. Und so nölt Frontmann Shawn Robert<br />

(der heißt echt so!) in bester Robert Smith-Manier seine<br />

Texte raus, während Gitarrist John Roller und Drummer<br />

Mike Shelbourn dazu einen ähnlichen reduziert-minimalistischen<br />

Punk-Sound spielen wie die Engländer vor<br />

26, 27 Jahren. Doch eine lahme Coverband sind die GEI-<br />

SHA GIRLS auf keinen Fall, dazu ist ihre Musik zu eigenwillig<br />

und spröde, hätten sie durchaus auch auf Dirtnap landen<br />

können und sind sicher kein Fall für den Dance-Punk-<br />

Zirkus, dessen Zuschauerränge sich freilich schon erheblich<br />

geleert haben. Alles in allem ein rundum gelungenes Debüt,<br />

wenn auch ohne wirklichen Höhepunkt. (27:51) (7)<br />

Joachim Hiller<br />

HORMONAUTS<br />

Hormonized <strong>CD</strong><br />

v2music.com | Aus dem sonnigen Italien spielen<br />

uns die HORMONAUTS ganz locker die volle Ladung<br />

Breitwand-Rock’n’Roll über den Brenner.<br />

<strong>Die</strong> drei Herren bedienen sich dabei an so ziem-<br />

H<br />

lich allen Stilelementen des Genres – <strong>von</strong> Rockabilly<br />

bis Surf, <strong>von</strong> Beat bis Swing, <strong>von</strong> Punk bis<br />

Ska. Und so wähnt sich der Hörer auf einer gelungenen<br />

Cocktailparty inmitten solch illustrer Gäste wie Dick Dale,<br />

den CRAMPS, Buddy Holly, den CLASH, LIVING END oder<br />

Elvis Costello. Da wird mit viel Gefühl geschwoft und mit so<br />

manchem Zitat („My Sharona“) um sich geworfen. Das inzwischen<br />

vierte Album der HORMONAUTS ist ganz klar ihr<br />

ausgefeiltetes und abwechslungsreichstes, so dass die Band<br />

endgültig in der europäischen Rock’n’Roll-Liga angekommen<br />

ist. Im Herbst kommen die HORMONAUTS im Rahmen<br />

ihrer Europatournee auch nach Deutschland. Dort<br />

wird man sehen können, ob sie live halten können, was<br />

„Hormonized“ verspricht. (39:05) (7) Abel Gebhardt<br />

HARMS WAY<br />

<strong>Ox</strong>ytocin <strong>CD</strong><br />

blacklodge.se | Black Lodge ist ein veritables Metal-Label<br />

mit Bands wie AMORPHIS oder CANDLEMASS. Fredrik<br />

Lindgren hat schon in Bands wie UNLEASHED und TERRA<br />

FIRMA gespielt, und mit letzteren hat er ein Album namens<br />

„Harms Way“ veröffentlicht. Hier schließt sich der Kreis.<br />

„<strong>Ox</strong>ytocin“ ist die zweite Veröffentlichung der Schweden,<br />

aber ganz so heftig, wie es die eben genannten Bands vermuten<br />

lassen, geht es dann doch nicht zu. TERRA FIRMA<br />

trifft als Vergleich am meisten zu. Das hier ist solider Stoner-<br />

Rock, der sich natürlich einige Ausflüge ins Psychedelische<br />

nicht verkneifen kann. Viele Überraschungen gibt es dementsprechend<br />

nicht, aber gut gemacht ist es schon, und zum<br />

Glück hat es nur geringen Poserwert. Für leichtes Schmunzeln<br />

sorgen die heftigen Metalattacken, die das Album zu einer<br />

interdisziplinären Angelegenheit machen und doch für<br />

einen gewissen Wiedererkennungswert sorgen. Mittlerweile<br />

aber nur noch etwas für Liebhaber. (45:45) (6)<br />

Christian Meiners<br />

HELMET<br />

Monochrome <strong>CD</strong><br />

Warcon/Soulfood | Eigentlich müsste einem ja folgende<br />

Episode peinlich sein, aber irgendwie ist sie auch symptomatisch<br />

für den Niedergang dieser einst großartigen Band:<br />

Man sitzt also im Büro, konzentriert sich auf hochkomplexe<br />

Aufgaben, während im Hintergrund irgendeine frisch eingelegte<br />

Platte dudelt. Nach relativ kurzer Zeit bittet man<br />

abrupt endenden Zugaben, Straßenkämpfen und übelstem<br />

Rip-Off seitens der Brixton Academy gipfelte. Hervorzuheben<br />

ist die durchaus differenzierte Betrachtung der damaligen<br />

Vorgänge und Ereignisse durch Sänger Colin, der kein<br />

stumpfes Schwarz-Weiß-Schema aufbaut, sondern sachlich<br />

die Planungen und Abläufe des Gigs schildert, in dessen<br />

Verlauf letztendlich unzählige Punks <strong>von</strong> der Riot Squad<br />

verprügelt und 55 <strong>von</strong> ihnen verhaftet, aber auch neun Polizisten<br />

verletzt wurden, vier <strong>von</strong> ihnen schwer. Der Auftritt<br />

führte dann letztendlich zu einem Auftrittsverbot <strong>von</strong><br />

CONFLICT in Großbritannien, die danach nur unter Pseudonymen<br />

live spielen konnten. Betrachtet man rückwirkend<br />

die Ereignisse <strong>von</strong> damals, fällt doch wieder krass der politische<br />

Anspruch einer Szene und auch die Angst der Herrschenden<br />

vor eben dieser Szene auf, die einfach nur andere<br />

Ideale hat und selbstbestimmt leben möchte, ein Anspruch,<br />

den zumindest ich bei vielen heutigen Punk-Kids vermisse.<br />

(77:17) (10) Dr. Oliver Fröhlich<br />

CURE<br />

The Top 2<strong>CD</strong><br />

The Head On The Door 2<strong>CD</strong><br />

Kiss Me Kiss Me Kiss Me 2<strong>CD</strong><br />

GLOVE<br />

Blue Sunshine 2<strong>CD</strong><br />

Universal | Mit diesem Viererpack ist Teil drei des CURE-<br />

Rerelease-Projektes abgeschlossen, liegen nun alle klassischen<br />

Alben der Band um Robert Smith in aufwendiger Deluxe-Edition<br />

vor, jeweils<br />

als Doppel-<strong>CD</strong> (zum einen<br />

das originale Album,<br />

zum anderen Demo- und<br />

Live-Aufnahmen aus der<br />

gleichen Phase) im aufwendigen<br />

Klapp-Digipak<br />

nebst Booklet mit allen<br />

relevanten Hintergrundinfos.<br />

Hier bleiben absolut<br />

keine Wünsche offen, in<br />

dieser Art und Weise will<br />

man Rereleases grundsätzlich<br />

sehen. Mit „Pornography“<br />

<strong>von</strong> 1982 hatten THE CURE für mich ihre letzte<br />

klassische Platte aufgenommen, war die Phase, als die Band<br />

den düsteren Soundtrack für die Lebenskrisen bleichgesichtiger<br />

Post-Punk-Nerds lieferte, abgeschlossen. Schon das<br />

grellbunte, indisch anmutende Coverartwork vom 1984er-<br />

Album „The Top“ unterstrich diesen Eindruck, und die Musik<br />

war sonniger, fröhlicher, poppiger als wir das damals<br />

wahrhaben wollten, und mit „Caterpillar“ hatten Smith &<br />

Co. einen richtigen Hit, der neben dem Opener „Shake dog<br />

shake“ den Höhepunkt des Albums darstellt. Entstanden war<br />

das Album in einem Kraftakt Smiths ohnegleichen, arbeitete<br />

er doch parallel auch am neuen Album <strong>von</strong> SIOUXSIE &<br />

THE BANSHEES mit, spielte teilweise alle Instrumente außer<br />

Schlagzeug im Alleingang ein.<br />

Nur ein Jahr später, 1985, hatte Smith bereits ein neues Album<br />

am Start, und war auf „The Top“ Laurence Tolhurst der<br />

einzig verbliebene Originalmitstreiter gewesen, war jetzt<br />

auch wieder Bassist Simon Gallup am Start. Mit „The Head<br />

On The Door“ setzten THE CURE den Weg weg <strong>von</strong> düsterer<br />

Wave-Band hin zu smarter Pop-Band fort, und bereits der<br />

Opener „Inbetween days“ war ein Hit, ein fröhlicher, unbeschwerter<br />

Song, aber doch unverkennbar THE CURE. Und<br />

mit dem genauso eingängigen „Close to me“ war sogar ein<br />

weiterer Hit am Start, während mein bevorzugter Albumtrack<br />

immer das dramatische „A night like this“ war. Und<br />

hatten THE CURE ihre englische Heimat <strong>von</strong> jeher chartsmäßig<br />

im Griff, schafften sie es mit „The Head On The Door“<br />

auch in den USA in den Mainstream vorzudringen.<br />

deutlich genervt nachhaltig darum, doch diesen miserablen<br />

HELMET-Klon aus dem <strong>CD</strong>-Player zu entfernen. Woraufhin<br />

einem zwei dümmlich grinsende Typen zu verstehen<br />

geben, dass es sich um das neue „Meisterwerk“ genau dieser<br />

Band handelt. Nach einem kurzen Moment peinlicher<br />

Stille kommt man dann allerdings zu der Einschätzung, dass<br />

das doch eher HELMET beziehungsweise Mr Page Hamilton<br />

peinlich sein müsste, dass er wie eine schlechte Kopie<br />

<strong>von</strong> sich selbst erscheint. Okay, HELMET klingen hier wieder<br />

mehr nach den HELMET <strong>von</strong> „Meantime“, was aber noch<br />

lange nicht bedeutet, dass „Monochrome“ auch gut wäre,<br />

denn was früher kraftvoll, präzise und mitreißend war,<br />

klingt jetzt wie das Produkt irgendwelcher Stümper. Und<br />

dazu krächzt sich Hamilton einen ab, dass es einem gleichzeitig<br />

Lach- und Sorgenfalten ins Gesicht treibt. Sorry, diese<br />

Platte ist absolut lächerlich, vor allem im direkten Vergleich<br />

zu „Meantime“. Der einzige brauchbare Track ist der<br />

Titeltrack und selbst der klingt wie eine schwache Kopie, in<br />

diesem Fall der QUEENS OF THE STONE AGE. Traurig, ganz<br />

traurig! (2) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

HEAD LIKE A KITE<br />

Random Portraits Of The Human Movie <strong>CD</strong><br />

Pattern 25/Alive | Wenn die Songs nicht stimmen, dann<br />

können sie auch nicht <strong>von</strong> Samples und Elektroschnipseln<br />

gerettet werden. <strong>Die</strong> guten Ansätze und hörbaren Vorbilder<br />

<strong>von</strong> NOTWIST oder SONIC YOUTH und auch mal JOY DI-<br />

VISION kann man natürlich noch erwähnen, am Ergebnis<br />

ändern sie genauso wenig wie die Beteiligung <strong>von</strong> Musikern<br />

der POSIES und KINSKI. (33:39) (2) Christian Maiwald<br />

HIDRIA SPACEFOLK<br />

HDRSF-1 <strong>CD</strong><br />

nordic-notes.de | Ihr kennt sie ja bereits, jene Band, die ihren<br />

Musikstil schon im Bandnamen trägt und damit eigentlich<br />

jeden Kommentar vorwegnimmt. Allerdings ist die mir<br />

nun vorliegende Wiederveröffentlichung ihres privaten Demos<br />

nicht annähernd so druckvoll und konsequent wie ihre<br />

neueren Veröffentlichungen. Eigentlich schade, denn dass<br />

HIDRIA SPACEFOLK Potenzial haben, hörte man schon<br />

hier deutlich durch. Mir sind die Sounds und ihre Präsentation<br />

aber hier noch ein wenig zu behäbig, unstrukturiert<br />

und langatmig. Sie verlieren sich, wie viele Space-/Progrock-Bands<br />

am Anfang, noch zu oft in ihrem eigenen Universum<br />

und vergessen dabei ganz, den Hörer mitzunehmen.<br />

Da hilft nur eins: <strong>Die</strong> Energien bitte weiter ausschließlich<br />

für die Geschwindigkeit nutzen! (6) Carsten Vollmer<br />

HEROINES<br />

Hurts So Good <strong>CD</strong><br />

Wolverine/Soulfood | Das zweite Album der HEROINES<br />

kommt nach gut vier Jahren endlich raus, und wie man sehen<br />

und hören kann: es hat sich einiges getan, vor allem in<br />

Sachen Besetzung. Fräulein Galactica singt nun selbst und<br />

spielt weiterhin Gitarre. Es gibt einen neuen Drummer und<br />

einen neuen Bassisten, sprich: die halbe Mannschaft wurde<br />

ausgetauscht und eine „neue“ Stimme steht vor dem Mikro.<br />

Wenn ich mich dann aber durch die neun Songs höre, entdecke<br />

ich leider zwei ältere Nummern: „I fell“ und „Zero“.<br />

Hat man in den vier Jahren also doch nur sieben neue Songs<br />

schreiben können?! Scheint wirklich so zu sein und das ist<br />

schon etwas schwach. Schwach bis mittelmäßig sind leider<br />

auch die einzelnen Songs – kaum ein Chorus bleibt hängen<br />

– und der Sound <strong>von</strong> „Hurts So Good“ lässt ebenfalls zu<br />

wünschen übrig. <strong>Die</strong> Gitarren sind viel zu weit im Hintergrund<br />

und der Gesang setzt sich auch nicht wirklich durch.<br />

Da waren Yvy Pop und Electra meiner Meinung nach die<br />

besseren Sängerinnen. Alles in allem habe ich weitaus mehr<br />

erwartet. <strong>Die</strong> Band hatte ihre beste Phase wohl mit ihrer<br />

ersten <strong>CD</strong> und der noch besseren <strong>CD</strong>-EP. Wirklich schade.<br />

(47:36) Ross Feratu<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

Mit „Kiss Me Kiss Me Kiss Me“ <strong>von</strong> 1987 veröffentlichten<br />

THE CURE dann in unveränderter Besetzung gleich ein<br />

Doppelalbum. Jawohl, in der Prä-<strong>CD</strong>-Ära waren Alben, die<br />

wie dieses bei 18 Songs auf rund 75 Minuten Spielzeit kommen,<br />

eine teure und entsprechend besondere Angelegenheit,<br />

waren doch zwei schwarze 12“-Scheiben nötig, um alles<br />

unterzubringen, wohingegen im <strong>CD</strong>- und mp3-Zeitalter<br />

kaum noch eine Band darauf achtet, ob ein Album nun<br />

die Vinyl-Grenze <strong>von</strong> rund 45 Minuten einhält. Soundmäßig<br />

setzte „Kiss Me ...“ den mit „The Top“ eingeschlagenen<br />

Weg weiter fort, und mit dem smoothen „Catch“, dem<br />

grandiosen, euphorischen „Why can’t I be you“, dem schmusigen<br />

„Just like heaven“ (auch grandios <strong>von</strong> DINOSAUR<br />

JR gecovert) und dem verblüffend funkigen „Hot hot hot!!!“<br />

waren gleich vier internationale Hits enthalten, waren die<br />

Briten nun auch in den USA als Popgröße etabliert, hatten<br />

sie aber auch den düsteren Sound der frühen Achtziger mit<br />

Nummern wie „A thousand hours“ oder „Shiver and shake“<br />

nicht aufgegeben. THE CURE, das war das typische Beispiel<br />

dafür, dass es eine der „unseren“ Bands auch irgendwie in<br />

die Charts schaffen konnte, war die Vorwegnahme des Indierock-Siegeszuges<br />

der kommenden Jahre – und zugleich<br />

verlor ich persönlich nach „Kiss me“ bis auf weiteres das Interesse<br />

am immer noch seine Lippen dick rot schminkenden<br />

Smith.<br />

Was nun THE GLOVE anbelangt, so wurde dieses 1983 erschienene<br />

Album schon Mitte der Achtziger als rar gehandelt<br />

(war aber doch beim legendären Malibu-Versand zum<br />

Ausverkaufspreis zu bekommen ...), und für mich schwarzhaarigen<br />

Gruftiefrisur-Träger war es ob der Beteiligung <strong>von</strong><br />

Robert Smith einerseits und Steve Severin <strong>von</strong> SIOUXSIE<br />

& THE BANSHEES andererseits natürlich ein „Must-have“.<br />

Durch den Gesang <strong>von</strong> Jeanette Landray, die doch stark an<br />

Siouxsie erinnert, klang und klingt das Album nur noch<br />

mehr nach einem Zwitter aus beiden Bands, und angeblich<br />

war Smith nur deshalb nicht als Sänger zu hören, weil<br />

dem vertragliche Verpflichtungen entgegenstanden. Auf der<br />

zweiten <strong>CD</strong> hier sind jedenfalls die Demo-Versionen mit<br />

Smiths Vocals enthalten, ihren Reiz entfaltet die Platte jedoch<br />

mehr mit Landrays Vocals. Mit dem Opener „Like an<br />

animal“ ist auch ein kleiner Hit unter den zehn originalen<br />

Songs enthalten, und wer immer als Siouxsie- und CURE-<br />

Fan dieses Album bislang vermisste, sollte es sich zulegen.<br />

Für den Rest ist es eher komplementär ... Joachim Hiller<br />

JOHNNY CASH<br />

The Children’s Album <strong>CD</strong><br />

Columbia/Sony BMG | Cash früheres Label, die ihn Mitte<br />

der Achtziger fallen ließen, hat sich seit dem Erfolg der<br />

American Recordings eines besseren besonnen und bringt<br />

<strong>von</strong> Zeit zu Zeit alte, mittlerweile schwer zu erhaltene Alben<br />

als Rerelease raus. Lässt man die Texte außen vor, dürfte<br />

kaum auffallen, dass Cash die Songs für seine und andere<br />

Kinder geschrieben beziehungsweise gesungen hat. Sein<br />

klassischer Stil ist musikalisch beibehalten worden. Anders<br />

auf dem Original, wo direkt beim ersten Stück „Nasty Dan“<br />

klar wird, wer die Zielgruppe ist. Dort singt Cash ein Duett<br />

mit Oscar The Grouch, der Bestandteil der Sesamstraße<br />

war, bevor sie mit dem widerlichen Samson eingedeutscht<br />

wurde. Oscar hat man bei dieser Abmischung komplett herausgestrichen,<br />

was ein großer Verlust ist und mit Sicherheit<br />

nur daran liegen kann, dass man die typischen Kommentare,<br />

die das Original so sympathisch, aber weniger kommerziell<br />

machten, aus eben letzteren Gründen weggelassen<br />

hat. Dafür aber das tolle Duett mit June Carter, „I got a boy<br />

and his name is John“. June macht hier eigentlich nichts anderes<br />

als Oscar, nämlich im Liedtext zu unterbrechen und<br />

zu berichtigen. Aufgepeppt ist das Album mit vier tatsächlich<br />

unveröffentlichten Songs, darunter eine Version <strong>von</strong><br />

„Grandfather’s clock“. Besonders lohneswert ist vor allem<br />

„Ah bos cee dah“ und „Why is a fire engine red?“. Ein Kin-<br />

HORNY PANCAKES<br />

The Pursuit Of Happiness <strong>CD</strong><br />

horny-pancakes.de | Geht gar nicht. Ich hab es wirklich<br />

versucht und bin bemüht, immer positiv an Besprechungen<br />

ranzugehen, aber dem angepunkten Rockgewichse mit nerviger<br />

Grunge-Stimme der HORNY PANCAKES (der Name<br />

= nicht witzig) kann ich einfach null abgewinnen. Außer<br />

die Erkenntnis, dass es für einige Bands vielleicht das Beste<br />

ist, einfach nur so für sich „Mucke zu machen“ und keine<br />

Tonträger zu veröffentlichen. Abgenudelte, millionenfach<br />

gehörte Schwanzrockriffs à la NICKELBACK treffen in<br />

15 Songs auf vorhersehbare Melodien, die vielleicht der besoffen-schwofigen<br />

Jugend des lokalen Nachwuchswettbewerbs<br />

Feuer im Arsch machen können, aber mir nicht. Riskiert<br />

doch mal was, Jungs! <strong>Die</strong> Texte sagen mehr oder weniger<br />

nichts aus und wenn sich die im Info erwähnte „Punk-<br />

Attitüde“ einzig und allein in einer kritischen Beobachtung<br />

der USA äußert, verstehen die was anderes unter Punk<br />

als ich. Das Artwork will da nicht nachstehen und fügt sich<br />

durch seine Hässlichkeit bestens in den Gesamtkontext ein.<br />

Aber ich will ja nicht unfair sein. Gibt bestimmt Menschen,<br />

denen das hier gefällt. Checkt die Homepage der Band. (2)<br />

(44:27) Renke Ehmcke<br />

HAUNTED<br />

The Dead Eye <strong>CD</strong><br />

Century Media| THE HAUNTED beginnen ihre neue Scheibe<br />

„The Dead Eye“ mit dem treibenden Midtempo-Rocker<br />

„The flood“, dessen Gitarrenwände an METALLICA in ihren<br />

guten Zeiten erinnern. Ganz groß ist <strong>von</strong> Anfang an Sänger<br />

Peter Dolving, der eine unfassbare Intensität an den Tag<br />

legt. Dann folgt „The medication“, eine absolute Granate,<br />

die mich vollkommen wegfegt. Das sind die Songs, die ich<br />

bei THE HAUNTED am meisten liebe und die bei mir definitiv<br />

Gänsehaut verursachen. „The drowning“ und „The reflection“<br />

fallen leider ein wenig ab und plätschern so dahin.<br />

„The prosecution“ bewegt sich ebenfalls im unteren Drehzahlbereich,<br />

ist aber wieder härter, hat coole Beats und eine<br />

Menge Abwechslung zu bieten. „The fallout“ ist eher ruhig<br />

und schiebt immer wieder „echten“ Gesang ein, um mit<br />

„The medusa“ eine langsame Rocknummer folgen zu lassen.<br />

„The shifter“ ist dann (endlich) wieder ein Kracher mit<br />

mächtigem, gedrosseltem Chorus. „The cynic“ lässt mich<br />

eher ein wenig ratlos zurück, geht nicht wirklich rein, der<br />

Song. Mit „The failure“ folgt der längste Song. Feister Rock<br />

mit kurzen Akustikeinschüben. Auch hier lassen METALLI-<br />

CA grüßen. „The stain“ ist ein hartes Kaliber, sehr schnelle<br />

Parts wechseln mit brutalen, gedroschenen Strophen und<br />

sich öffnendem Chorus. „The guilt trip“ als Schlusspunkt<br />

ist ein schleppendes Monster mit grandiosen Gitarren. Unterm<br />

Strich fehlt mir ein wenig die Wucht und die Unbekümmertheit<br />

der Vorgänger, die auslaugende Intensität <strong>von</strong><br />

„rEVOLVEr“ wird nicht erreicht. Wahrscheinlich ist das die<br />

„Weiterentwicklung“, welche die meisten Bands auf dem<br />

Niveau <strong>von</strong> THE HAUNTED früher oder später durchmachen.<br />

Sei’s drum, gute Platte, die ich mir noch des Öfteren<br />

zu Gemüte führen werde. (55:04) (7) Zahni<br />

HIGHSCHOOL LOCKERS<br />

Never Ending Party <strong>CD</strong><br />

Nicotine | Wow, wenn ich bei dieser Platte „Hit an Hit“ sage,<br />

ist das wohl nicht untertrieben und auch die „Never Ending<br />

Party“-Ansage des Albumtitels ist Programm. <strong>Die</strong> italienischen<br />

HIGHSCHOOL LOCKERS bezeichnen sich selbst gerne<br />

als Powerpop-Band, haben im selben Moment aber den<br />

unglaublich coolen Rock’n’Roll-Drive der HEARTBREA-<br />

KERS und schießen dementsprechend 12 absolute Burner<br />

aus den Rohren. Alle Songs hören sich gleich an? Der Sound<br />

ist total out und anachronistisch? Scheiß drauf, sag ich, denn<br />

„Never Ending Party“ is the word und HIGHSCHOOL LO-<br />

CKERS are go! Technisch, songwriterisch und vom Sound<br />

her nahezu perfekt, ähnlich gut haben das in jüngerer Ver-<br />

deralbum <strong>von</strong> 1975 für alle Altersgruppen, das so gar nichts<br />

mit sonstigem Kinderliederkram zu tun hat und selbstredend<br />

ein Muss für alle Fans. (36:40)(9) Claus Wittwer<br />

CRAPSCRAPERS<br />

!Abschreckung! LP<br />

mr.crap@freenet.de | Wenn selbst der Herausgeber den<br />

Wert einer Wiederveröffentlichung sämtlicher CRAPSCRA-<br />

PERS-Aufnahmen über zwanzig Jahre nach ihrer Auflösung<br />

in Frage stellt, wird dieser selbst für Bekannte der Band<br />

dürftig sein, obwohl die CRAPSCRAPERS bei drei Besetzungen<br />

und drei überregionalen Auftritten die immerhin vierte<br />

Spandauer Band mit eigener Plattenveröffentlichung waren.<br />

Hier sind nun 28 Tracks mit sechs Doubletten versammelt,<br />

die sich durch politische Texte (2,5 Mio. Arbeitslose waren<br />

mal erschreckend) in deutscher, englischer und mit „Paska<br />

kieli“ sogar in „finnischer“ Sprache auszeichnen. Verschluckte<br />

Textfetzen, Überschallgeschwindigkeit und heruntergestimmter<br />

Bass: Richtig, das sind Stilmittel des Finnen-Punks.<br />

Haupteinfluss dürften damit die Kumpels <strong>von</strong><br />

den MALINHEADS mit ihrer Single „Probegepogt aus Spandau“<br />

ebenso wie TERVEET KÄDET gewesen sein. <strong>Die</strong> Platte<br />

ist wegen des umfangreichen Beiheftes wenigstens für<br />

Punk-Historiker interessant, da die Mitglieder später in<br />

Bands wie FUNKUCHEN, SUBKULTUR, VKJ (Revival), der<br />

FUCK YOU CREW, COALESCENCE und den RATTLESNAKE<br />

MEN landeten. (6) Walmaul<br />

JOHN DOE<br />

For The Best Of Us <strong>CD</strong><br />

Yep Roc/Cargo | Zu X-Mitglied John Doe muss man wohl<br />

nicht mehr großartig etwas sagen, zumal der Mann auch<br />

schon zu X-Lebzeiten Solo-Platten aufgenommen hatte,<br />

ähnlich wie Kollegin Exene Cervenka mit deutlichem<br />

Country-Einschlag. Ursprünglich erschien „For The Best Of<br />

Us“ als 5-Song-EP auf Kill Rock Stars, eingespielt mit der<br />

Backing-Band <strong>von</strong> Beck und mit einem Song, an dem Dave<br />

Grohl beteiligt war. Hinzugekommen sind jetzt fünf weitere<br />

Songs aus derselben Session, womit man jetzt ein komplettes<br />

Album vor sich hat. Doe tendiert hier zu einem ruppigen,<br />

unterschwellig Country-lastigen Rock, der auch irgendwie<br />

recht punkig rüberkommt, in einem SOCIAL DIS-<br />

TORTION-Sinn, also insgesamt nicht weit <strong>von</strong> X entfernt.<br />

Keine musikalische Revolution also, aber eine Platte, die<br />

deutlich Does Stempel trägt und dementsprechend charakteristisch<br />

rüberkommt. Wie seine anderen Solo-Platten<br />

und auch die <strong>von</strong> X ein recht zeitlose Angelegenheit, die den<br />

Soul und das Feuer besitzt, das so vielen Bands, die meinen<br />

heutzutage Platten aufnehmen zu müssen, völlig fehlt und<br />

wo der Funke direkt auf den Hörer überspringt. (8)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

FABIENNE DELSOL & THE BRISTOLS<br />

Best Of <strong>CD</strong><br />

Damaged Goods/Cargo | Wie sich die Zeiten doch ändern,<br />

inzwischen scheint die ehemalige Frontfrau dieser „legendären“<br />

Sixties-Frenchbeat-Offenbarung mit recht überschaubarem<br />

Output so stark in den Vordergrund getreten<br />

zu sein, dass es sich im Titel eben nicht mehr alleine nur<br />

um eine „Best Of“-Platte der BRISTOLS handelt, obwohl es<br />

sich eben genau darum handelt. Zwei Jahre nach der Solo-<br />

Platte <strong>von</strong> Fabienne Delsol gibt es hier eine schöne Zusammenstellung<br />

mit 14 Stücken aus den zwei Alben der Londoner<br />

Band um Toe Rag-Guru Liam Watson, plus einige Single-Tracks,<br />

was man soundtechnisch auf den neuesten Stand<br />

gebracht hat. Delsols Solo-Platte hatte ich als partytauglichere<br />

Version <strong>von</strong> Holly Golightly bezeichnet und das trifft<br />

in noch viel stärkerem Maße auf die BRISTOLS zu, die sich<br />

überwiegend auf die Interpretation <strong>von</strong> Sixties-Songs verstanden<br />

und weniger eigene Stücke im Repertoire hatten.<br />

Macht aber nichts, denn Delsols Englisch mit süßem fran-<br />

<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 071<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 71 22.09.2006 20:51:50 Uhr


ereleases<br />

zösischen Akzent und der lässig swingende Sound der restlichen<br />

BRISTOLS sorgen für genug Eigenständigkeit im Wust<br />

unzähliger anderer Garagebands, ebenso wie für einen hohen<br />

Unterhaltungswert. Und wenn sie all diese wundervollen<br />

Pop-Perlen auch noch selber geschrieben hätten, hätte<br />

man es hier mit wirklichem Klassikermaterial zu tun. Aber<br />

bei den DETROIT COBRAS stört das ja auch niemanden ...<br />

(8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

D.R.I.<br />

Dirty Rotten LP (On <strong>CD</strong>) <strong>CD</strong><br />

beercityrecords.com | Es ist wohl kaum adäquat mit wenigen<br />

Worte zu beschreiben, was D.R.I. mit ihrem Debüt „Dirty<br />

Rotten LP“ einst losgetreten haben und wie viel ihnen die<br />

Hardcore- als auch die Metal-Szene zu verdanken haben. Als<br />

die Band um die aus Austin, Texas stammenden Spike Cassidy<br />

und Kurt Brecht Ende 1982 auf ihrem eigenen Label ihre<br />

„Dirty Rotten EP“ veröffentlichten – und 1983 gleich nochmals<br />

als 12“ und eben mit dem Titel „Dirty Rotten LP“ –<br />

konnten sie selbst nicht absehen, dass sie mit 23 ultrakurzen<br />

Wutausbrüchen in 18 Minuten Musikgeschichte schreiben<br />

würden und mal eben eine Blaupause für zig nachfolgende<br />

Hardcore-Bands vorlegten. Auch einen nicht geringen Einfluss<br />

auf die Entstehung des Thrashcores und den kurz danach<br />

geborenen Grindcore muss man ihnen wohl anrechnen.<br />

Ein Klassiker, ganz klar, im Original seit Jahren ausverkauft<br />

und nur in einer remixten Version mit anderer Songreihenfolge<br />

erhältlich. Zusammen mit D.R.I. haben Beer<br />

City die Platte jetzt so veröffentlicht, wie sie 1983 erschien,<br />

zwar auf <strong>CD</strong>, aber mit dem originalen Front- und Backcover<br />

(letzteres natürlich leicht angepasst) und die Musik wurde<br />

direkt unbearbeitet <strong>von</strong> den Originalmasterbändern gezogen.<br />

So wurde natürlich auch der ursprüngliche Rumpelsound<br />

in die Jetztzeit transportiert, aber, verdammt, so hat<br />

das Ding nun mal geklungen und das hat eben auch zum<br />

brutalen Charme der Platte beigetragen. Wer damals nicht<br />

zugeschlagen hat oder, wie ich, einfach zu jung war – mit<br />

acht Jahren hat wohl nur Harley Flanagan schon Hardcore<br />

gehört – der sollte jetzt seine Sammlung mit diesem grandiosen<br />

Stück Musik komplettieren. (10) André Bohnensack<br />

DICKS<br />

Ten Inches 10“<br />

Hog Hog Hog 7“<br />

deltapop.com | Wunderschöne, zehnzöllige Scheibe in<br />

Gelb-Rosa, wobei das Gelb bei den guten Exemplaren einen<br />

Ring zwischen den zwei rosa Rändern bildet. Sehr, sehr frühe<br />

Liveaufnahmen der Texas-Punks um Gary Floyd, die ähnlich<br />

wie die frühen GERMS-Aufnahmen zwar schön anzuhören<br />

sind, aber nie den Eindruck dessen vermitteln können, was<br />

die Bands damals für eine Schockwirkung auf die Leute gehabt<br />

haben müssen. Sechs Songs, darunter solche Klassiker<br />

wie „Bookstore“, „Kill from the heart“ oder „Wheelchair<br />

epidemic“, die anders als auf der Split-LP mit den BIG BOYS<br />

klingen, aber nicht unbedingt besser. Alles noch sehr roh<br />

und ungestüm, aber absolut inspirierend. Wenn jetzt noch<br />

jemand so nett wäre, die erste LP („Kill From The Heart“)<br />

neu aufzulegen, dann wäre ihm mein Dank gewiss. Schön,<br />

auch wenn ich wegen des Datums etwas irritiert bin, denn<br />

laut der „Dicks 1980-1986“-<strong>CD</strong> war die erste Probe im Mai<br />

1980, das Konzert hier ist aber vom April desselben Jahres.<br />

Hmmm, da hat sich wohl jemand vertan, würde ich sagen,<br />

und auf die Scheibe hier ein Jahr draufhauen. Essentiell ist<br />

dafür die blau-gelbe „Hog Hog Hog“-Single mit dem bisher<br />

unveröffentlichten „Pigs run wild“ und einer alternativen<br />

Version des Überklassikers „Hate the police“, in einer we-<br />

072 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />

gangenheit nur die mittlerweile aufgelösten BACKWOOD<br />

CREATURES hingekriegt. Wer also auf diesen Sound steht<br />

sollte hier unbedingt zuschlagen. Der perfekte Wochenend-<br />

Soundtrack! (37:11) (9) Bernd Fischer<br />

HOSTAGE LIFE<br />

Sing For The Enemy M<strong>CD</strong><br />

householdnamerecords.co.uk | Wirklich gut beginnt diese<br />

9-Song-Debüt-EP <strong>von</strong> HOSTAGE LIFE aus Toronto. <strong>Die</strong> ersten<br />

beiden Songs der EP, „Happy 2000 and anything“ und<br />

„Money parade“, sind schöne Punkrock-Stücke, die rauh<br />

und schnörkellos auf den Punkt gespielt sind. Hier erinnert<br />

die Band an eine rauhe Version der LOVED ONES oder der<br />

LAWRENCE ARMS. <strong>Die</strong> Energie und die Frische der Songs<br />

lassen im Laufe der EP jedoch nach. Und auch wenn die<br />

restlichen Songs keinesfalls schlecht sind, begeistern sie<br />

mich nicht so wie die beiden Opener. Schade eigentlich, das<br />

hätte eine richtige gute EP werden können. Auf das erste Album<br />

der Band bin ich dennoch gespannt. (18:48) (6)<br />

Lauri Wessel<br />

HEART ATTACKS<br />

Hellbound And Heartless <strong>CD</strong><br />

Hellcat | Bei Hellcat Records erschienen, <strong>von</strong> Lars Frederiksen<br />

produziert: „Hellbound And Heartless“, das Debütalbum<br />

der HEART ATTACKS aus Atlanta, welche nicht mit den<br />

gleichnamigen Garage-Punks aus Schweden zu verwechseln<br />

sind. Chase, Lead-Sänger der HEART ATTACKS behauptet:<br />

„We’re a gang of pirate gypsy crackhead smart-mouthed<br />

snot-nosed rock & roll misfits.“ Huiuiui! Zu ihrem forschen<br />

Auftreten und den geschmacklosen 70er-Jahre-Glamrock-<br />

Frisuren liefern die Jungs auch den dazu gehörigen Soundtrack<br />

– sprich: Seventies Rock mit Punk-Einflüssen. Das<br />

Ganze recht wild vorgetragen, mit einer knatschigen, teils<br />

kreischenden, sich überschlagenden Stimme, die zwischendurch<br />

dann auch mal lässig auf cool macht – Rock’n’Roll<br />

eben. Große Gesten, schön aufgesetzt. Dadurch zwar nicht<br />

unsympathisch, vielleicht aber etwas nervig. Als weibliche<br />

Unterstützung trifft man bei einem Duett in dem Song „Tearstained<br />

letters“ sogar tatsächlich auf Joan Jett – einer der<br />

wenigen Höhepunkte dieses Album. (5) Alex Gräbeldinger<br />

HOT SNAKES<br />

Thunder Down Under LP/<strong>CD</strong><br />

swamirecords.com/Alive | Herzlichen Dank ... nie gesehen<br />

und schon wieder aufgelöst! Grm, die aufgepimpte Version<br />

<strong>von</strong> DRIVE LIKE JEHU wirft das Handtuch (haben sie schon<br />

letztes Jahr gemacht, hat nur kaum jemand mitbekommen)<br />

und wir warten darauf, dass John Reis neue Leute finden<br />

wird, mit denen er wieder was auf die Beine stellt. Nach der<br />

Peel Session-7“ gibt es nun eine komplette Live-Radiosession,<br />

die angeblich in Australien aufgenommen wurde. Hört<br />

man zwar nicht unbedingt, dass das live ist, aber es klingt alles<br />

sehr genial, frisch und locker aus dem Ärmel geschüttelt,<br />

vielleicht sogar ein wenig peppiger als auf den regulären<br />

LPs. Naja, es gibt ein paar wenige kurze Ansagen, da<br />

erahnt man ein Publikum, aber was soll’s? Guter Abschied<br />

mit allen bekannten Hits auf lila Vinyl. Mehr Punkte hätte<br />

es gegeben, wenn die Herren nicht nur Songs gespielt hätten,<br />

die man schon mindestens ein Mal im Schrank hat. (8)<br />

Kalle Stille<br />

HARRY J. ALLSTARS<br />

Liquidator 10“<br />

Trojan/Sanctuary | Der hervorragende Klassiker „Liquidator“<br />

<strong>von</strong> HARRY J. ALLSTARS aus dem Jahr 19<strong>69</strong> erlebt<br />

durch den modernen Mix des englischen TROJAN SOUND<br />

SYSTEM nun eine Art Renaissance. Neben dem Original<br />

und dem Debüt vom TROJAN SOUND SYSTEM, erhält man<br />

auf diesem schmucken 10“-Vinyl einen weiteren Mix <strong>von</strong><br />

Wrongtom, sowie die „Chairman of the board“-Version<br />

<strong>von</strong> Bongo Herman, Les & Bunny aus dem Jahr 1972. Bit-<br />

sentlich langsameren Version, die auf eine ganz andere Art<br />

angepisst wirkt als die ursprünglich veröffentlichte. Sehr<br />

genial und wie die 10“ natürlich limitiert. (8/9) Kalle Stille<br />

EPOXIES<br />

s/t M<strong>CD</strong><br />

dirtnaprecs.com | Wer zu spät kommt, den bestraft die <strong>CD</strong>,<br />

oder so. <strong>Die</strong> selbstbetitelte Debüt-7“ der EPOXIES <strong>von</strong> 2001<br />

als auch die „Synthesized“-7“ <strong>von</strong> 2002 sind längst ausverkauft<br />

und spätestens seit dem Signing der Band durch Fat<br />

Wreck nur noch zu Schweinepreisen zu bekommen, also<br />

wurden für alle Nichtbesitzer des Vinyls eben beide auf einer<br />

<strong>CD</strong> zusammengefasst. Erst 2002 <strong>von</strong> der Band selbst, die<br />

das Ding auf Konzerten verkaufte, jetzt nochmals <strong>von</strong> ihrem<br />

alten Label Dirtnap, wo die Singles ja auch ursprünglich erschienen<br />

und sich damit der Kreis schließt. Insgesamt nur<br />

fünf Songs, die aber mit zum Besten des EPOXIES-Repertoires<br />

gehören und „Beat my guest“ und „Clones“ sind hier<br />

exklusiv, heißt, nicht auf den Alben zu finden. (9)<br />

André Bohnensack<br />

FACE TO FACE<br />

Shoot The Moon <strong>CD</strong><br />

Antagonist/Golf/plastichead.com | Im September 2004<br />

lösten sich die aus Kalifornien stammenden FACE TO FACE<br />

nach zwölf Jahren, sechs Alben, diversen Besetzungs- und<br />

Labelwechseln sowie endloser Probleme mit Managern und<br />

Labels frustriert auf. Sie hinterließen eine beeindruckende<br />

Menge mitreißender Punkrock-Songs, machten eine<br />

Entwicklung weg und wieder zurück zum klassischen So-<br />

Cal-Melodic-Punk durch, und nahmen 2002 mit „How To<br />

Ruin Everything“ ihr bestes wie auch letztes Album auf, das<br />

durch unglaublich mitreißende, rauhe Punk-Hymnen begeisterte<br />

– und heute beinahe schon wieder vergessen ist.<br />

Um gegen das Vergessen etwas zu tun, hat Sänger und Gitarrist<br />

Trever Keith auf seinem Label Antagonist Records diese<br />

21 Songs umfassende Best-Of-Compilation veröffentlicht,<br />

die <strong>von</strong> „Don’t Turn Away“ <strong>von</strong> 1992/93 bis zum Abschiedsalbum<br />

reicht, zwei unveröffentlichte Livesongs enthält und<br />

auch noch exquisit ausgestattet ist: schwarzes Artwork mit<br />

kaschiertem Druck, Pappschuber und ein fettes Booklet mit<br />

ausführlicher Band-History, Kommentaren zu allen Platten<br />

und reichlich Fotos. Perfekt – spätestens jetzt sollte jeder<br />

Fan klassischen kalifornischen Punkrocks etwas <strong>von</strong> F2F im<br />

Schrank stehen haben. (64:26) (9) Joachim Hiller<br />

FLESHGORE<br />

Killing Absorption <strong>CD</strong><br />

thisdarkreign.com | FLESHGORE, die Zweite. Oder besser:<br />

die Erste. Bei „ Killing Absorption“ handelt es sich nämlich<br />

um das Rerelease des Erstlings <strong>von</strong> 2003. Habe ich den<br />

Nachfolger „May God Strike Me Dead“ noch in der letzten<br />

Ausgabe über den grünen Klee gelobt, muss ich bei „Killing<br />

Absorption“ doch einige Abstriche machen. Klar spielte<br />

man auch da schon diesen fiesen Brutalo-Death Metal Marke<br />

DYING FETUS – also technisch ohne durch ewiges Gefidel<br />

zu nerven –, aber gerade vom Sound her kann diese<br />

Scheibe nichts reißen, zu dünn, schlechter, zu lauter Drumsound,<br />

nee, da schon lieber den amtlichen Baustellensound<br />

des Nachfolgers. Live in Wacken waren sie aber doch sehr<br />

unterhaltsam und könnten mit etwas Routine sicher zu den<br />

ganz Großen gehören. (31:20) (5) Dr. Oliver Fröhlich<br />

FIX<br />

The Speed Of Twisted Thought LP/<strong>CD</strong><br />

touchandgorecords.com | Touch & Go Records aus Chicago<br />

feiert derzeit seinen 25. Geburtstag, und zu diesem Anlass<br />

kümmert man sich auch um die Pflege des ganz frühen<br />

Katalogs, als neben MEATMEN und NECROS eben auch<br />

THE FIX auf dem frisch gegründeten Label einen Siebenzöller<br />

veröffentlichten (für den unlängst angeblich ein Ir-<br />

te ähnliches mit „Police & thieves“ oder „Pressure drop“ mit<br />

THE CLASH-Versionen. Da fällt mir ein, der Sampler mit all<br />

den Reggae-Songs, die THE CLASH mal neu arrangierten, ist<br />

immer noch nicht erhältlich ... Bis dahin muss eben das „Liquidator“-Vinyl<br />

herhalten. (8) Simon Brunner<br />

DIE HUNNS<br />

You Rot Me <strong>CD</strong><br />

peoplelikeyourecords.com | Duane Peters, Skateboard-Veteran,<br />

Modezar und Punk’n’Roll-Institution in einer Person,<br />

ist so unglaublich fleißig. Nicht nur die U.S. BOMBS hauen<br />

in regelmäßigen Abständen<br />

neue Alben raus, auch<br />

das Nebenprojekt DIE<br />

HUNNS ist wirklich nicht<br />

zurückhaltend mit neuen<br />

Veröffentlichungen. Das<br />

neue Werk ist, verglichen<br />

mit den eher simpel gestrickten<br />

U.S. BOMBS-<br />

Platten der letzten Jahre,<br />

ein wahres Feuerwerk an<br />

originellen Kompositionen,<br />

<strong>Die</strong> kommen zwar<br />

alle nicht ganz geruchlos<br />

daher (manchmal stinkt es schlimmer als eine Wagenladung<br />

Gammelfleisch), doch alles in allem ist „You Rot Me“ ein<br />

erfreulich frisches Album, das zwar hemmungslos in den<br />

Siebzigern zwischen STOOGES, Bowie oder anderen Glampunkern<br />

wildert, das aber immer wieder neu überraschen<br />

kann und die Kurve kriegt vom simplen Punkgeboller hin<br />

zu raffinierten Gitarrenarrangements. (8) Gereon Helmer<br />

HUMAN ABSTRACT<br />

Nocturne <strong>CD</strong><br />

Hopeless | Das opulente Metal-Lead nach dem Akustik-Intro<br />

ist so was <strong>von</strong> berechenbar, da wäre ja selbst meine Oma<br />

draufgekommen, aber immerhin distanzieren sich die Amerikaner<br />

vom stereotypen Metalcore dieser Tage und nennen<br />

ihren Stil „Prog-Metal“. Meist handelt es sich dabei ja um<br />

reine Marketingideen, aber HUMAN ABSTRACT sind tatsächlich<br />

Prog, sie machen Tabbing, übertreffen sich gegenseitig<br />

in ihrem handwerklichen Können und lassen die Soli<br />

so richtig heulen. Gesanglich wird vom Gebrüll bis hin zum<br />

glasklaren Operettenton jede Nuance strapaziert. Ich meine<br />

das ist witzig, aber die meinen das glaube ich ernst. Hmmm<br />

... (46:44) (5) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

IN NOMINE CHRISTI<br />

Quo Vadis? LP<br />

civilisation-records.com | IN NOMINE CHRISTI<br />

sind aus den Schwaben DEKADENT hervorgegangen<br />

und haben gerade mit „Quo Vadis?“ ihren ersten<br />

Longplayer veröffentlicht. Sie machen es mir mit ih-<br />

I<br />

rer Mischung aus depressiven, auf deutsch gesungenen<br />

Songs, Drum-Maschine, schleppenden Sounds<br />

und gelegentlichen Industrialanleihen nicht leicht. Der<br />

12-minütige Opener „Mein Kind“ erinnert mich schwer<br />

an EISREGEN zu „Leichenlager“-Zeiten, wobei IN NOMI-<br />

NE CHRISTI textlich immer politisch und links bleiben.<br />

Mal was anderes ist dann „Ich sehe Bilder“, das mit ausufernden<br />

Drumcomputer-Passagen eher an Bands wie GOD-<br />

FLESH erinnert, ohne annähernd deren Kühle und Sterilität<br />

zu erreichen, was aber sicher auch nicht Ziel war. „Es ist<br />

vollbracht“ dann schon fast melodiös und heiter gestimmt,<br />

wenn man bei „Quo Vadis?“ da<strong>von</strong> sprechen kann. Insgesamt<br />

krankt die Platte für meinen Geschmack nicht an den<br />

Songs, die mir aber persönlich zu depressiv sind, was durchaus<br />

meiner Stimmung entsprechen würde, sondern am<br />

durchgehend kraftlosen und monotonen Gesang. <strong>Die</strong> Band<br />

mit einem guten Sänger und lebendigerem Sound wäre sicher<br />

ein Brecher. (6) Dr. Oliver Fröhlich<br />

rer bei eBay 1.600 Dollar gezahlt hat ...). THE FIX kamen<br />

aus Lansing, Michigan, gründeten sich 1980, spielten zwei<br />

Singles ein („Vengeance/In This Town“, TG02; „Jan’s Room“,<br />

TG05) und lösten sich nach dem Konzert am 31.12.1981 in<br />

San Francisco wieder auf, wissend, dass man besser geht, bevor<br />

man den Spaß an der Sache verliert, denn nicht wenige<br />

waren seinerzeit der Meinung, mit dem Hardcore sei es eigentlich<br />

schon wieder vorbei ... Auf Grund der räumlichen<br />

Abgeschiedenheit <strong>von</strong> Lansing, MI hatten THE FIX unbeeinflusst<br />

<strong>von</strong> all den anderen Hardcore-Bands jener Tage ihren<br />

eigenen, schnarrenden, scharfen, ultraschnellen Sound entwickelt,<br />

der im Booklet dieser 24 Songs umfassenden Zusammenstellung<br />

(neben den Singletracks finden sich noch<br />

Demo-Sessions sowie Livesongs) <strong>von</strong> Henry Rollins, Thurston<br />

Moore, Tim Tonooka und Tesco Vee gewürdigt wird.<br />

Auch Frontmann Steve Miller meldet sich hier zu Wort, erinnert<br />

sich an die Zeit Anfang der Achtziger. Aus THE FIX<br />

gingen seinerzeit übrigens BLIGHT hervor, bei denen neben<br />

Steve Miller und Bassist Mike Achtenberg auch Tesco Vee<br />

spielte. Ein wichtiges Hardcore-Dokument, das in keiner<br />

Sammlung fehlen sollte. (36:52) (9) Joachim Hiller<br />

FLOGGING MOLLY<br />

Alive Behind The Green Door <strong>CD</strong><br />

sideonedummy.de | Manchmal kommt es vor, dass ein Label<br />

seine neueste Veröffentlichung selbst sehr treffend einschätzt.<br />

Der glückliche Rezensent muss dann nur noch das<br />

euphemistische Label-Kauderwelsch in verständliches<br />

Deutsch übersetzen, da ansonsten der eine oder andere Leser,<br />

die im Werbetext enthaltenen Informationen, vielleicht<br />

etwas zu naiv interpretiert. Probieren wir es anhand dieser<br />

Live-Scheibe der derzeit, zu Recht, erfolgreichsten Folk-<br />

Punker. O-Ton des Labels: „‚Alive Behind The Green Door‘<br />

ist FLOGGING MOLLY’s allererste Live-Aufnahme.“ (Also:<br />

Klar, niemand kann erwarten, dass sie zu diesem Zeitpunkt<br />

– 1997, dem Jahr ihrer Gründung – ansatzweise so gut spielten,<br />

wie sie es mittlerweile tun, aber, hey, immerhin ist es<br />

irgendwie historisch, oder?) „Ein kleines, rauhes ...“ (Folglich:<br />

Na ja, nur zehn Songs, aber mehr waren damals eben<br />

nicht vorzeigbar und, ähem, also die Soundqualität …) „<br />

... Sammler-‚Must Have‘ für die Legionen an FLOGGING<br />

MOLLY-Fans da draußen.“ (Sprich: Na, aber glücklicherweise<br />

ist die Band momentan so unglaublich angesagt, dass<br />

wir uns an der Platte trotzdem dumm und dämlich verdienen<br />

werden, haha.) Wie gesagt: Ich kann mich nur anschließen.<br />

(46:23) (4) Ferdinand Praxl<br />

FLAMING LIPS<br />

20 Years Of Weird 1986-2006 <strong>CD</strong><br />

Warner/Alive | Ein Fan-Artikel: Wer mit den Studioalben<br />

der FLAMING LIPS nicht ausgelastet ist, der bekommt hier<br />

elf Live-Tracks aus den vergangenen 20 Jahren geboten, in<br />

verschiedenster Aufnahmequalität zwischen Bootleg und<br />

gut. „Free radicals“ vom aktuellen Longplayer ist dabei, aber<br />

auch das schöne „Shine on sweet Jesus“, das LED ZEP-Cover<br />

„Whole lotta love“ und „Space age love song“ <strong>von</strong> A FLOCK<br />

OF SEAGULLS (denen die Band hier das vorangestellte „A“<br />

geklaut hat, tststs). Das „Booklet“ ist eine spartanische Angelegenheit,<br />

enthält kurze Kommentare <strong>von</strong> Wayne, der<br />

auch im Intro was zu dieser bereits in ähnlicher Form zuvor<br />

mal aufgelegten <strong>CD</strong> erzählt. Essentiell – aber nur für absolute<br />

„Alleskäufer“ dieser Band ... (67:18) (6) Joachim Hiller<br />

GRAFZAHL<br />

Kolepke zahlt <strong>CD</strong><br />

tumbleweedrecords.de/Broken Silence | „Kolepke zahlt“?!<br />

– Da stelle ich mir die grinsenden Gesichter der Redaktion<br />

vor, als Joachim Hiller diese GRAFZAHL-<strong>CD</strong> in mein Fach<br />

wirft. Haha. Nun denn, vielleicht hätte ich diese Sammlung<br />

aus „Singles und anderen Kleinigkeiten“ auch anders betitelt<br />

bekommen. GRAFZAHL werden es in diesem Leben<br />

IRON MAIDEN<br />

A Matter Of Life And Death <strong>CD</strong><br />

emi.de | Okay, vergessen wir mal mein Geschwätz <strong>von</strong> gestern,<br />

<strong>von</strong> wegen, IRON MAIDEN würden seit Jahren nur<br />

noch nette, aber belanglose und damit überflüssige Platten<br />

veröffentlichen. Ja, auch ich kann mich mal irren, verdammt.<br />

Denn auch wenn es mir schwer fällt, es zuzugeben,<br />

das vierzehnte IRON MAIDEN-Album „A Matter Of Life<br />

And Death“ ist eine sehr schöne, streckenweise richtig begeisternde<br />

Platte geworden. Zwar hatte ich anfangs durchaus<br />

Schwierigkeiten mit diesem 72-Minuten-Brocken, wollten<br />

die zehn Songs nicht so richtig zünden. Aber irgendwann<br />

hat es mich doch erwischt und ich wage jetzt zu behaupten,<br />

dass das hier die stärkste Platte der Engländer seit „Seventh<br />

Son Of A Seventh Son“ ist und die erschien immerhin 1988.<br />

Ich kann und will gar nicht genau erläutern, woran das liegen<br />

mag, die einzelnen Songs als auch das Album als Ganzes<br />

wissen einfach zu überzeugen, was in der jüngeren Vergangenheit<br />

eben nicht mehr der Fall war. Klar hatten IRON<br />

MAIDEN immer wieder mal ein paar gute bis sehr gute<br />

Songs geschrieben, aufwerten konnten diese das Gesamtbild<br />

der eher schwachen Alben aber nicht. „A Matter Of Life<br />

And Death“ dagegen funktioniert <strong>von</strong> Anfang bis Ende, hat<br />

wundervolle Momente als auch richtige Hits (die soll aber<br />

bitte jeder für sich selbst entdecken), eine brillante Gitarrenarbeit<br />

und Bruce Dickinsons Gesangsleistung ist genauso<br />

grandios wie auf seinem letzten Soloalbum. Willkommen<br />

zurück in meinem Leben, IRON MAIDEN! Und wo ich gerade<br />

so generös bin: vielleicht sollte ich „Brave New World“<br />

und „Dance Of Death“ doch noch mal eine Chance geben.<br />

Eventuell ist ja auch „No Prayer For The Dying“ gar nicht so<br />

beschissen, wie ich es in Erinnerung habe. (8)<br />

André Bohnensack<br />

I AM BONES<br />

Wrong Numbers Are Never Busy <strong>CD</strong><br />

morningsiderecords.dk/Playground | Das hier ist Kunst.<br />

Der dänische Künstler hinter I AM BONES heißt Johannes<br />

Gammelby, und glaubt man dem Infoschreiben, steht er auf<br />

Heavy Metal, Schädel und Blut. Sein Motto: „Eat, Fuck, Sleep,<br />

Repeat“. Ganz schön abgedreht, was? Verrückt scheint aber<br />

nicht nur Gammelby selbst zu sein, sondern auch seine Musik.<br />

Gammelby und seine Band haben nicht nur mit dem<br />

Albumtitel „Wrong Numbers Are Never Busy“ Recht. Auf<br />

diesem Debüt liegen Genie und Wahnsinn dicht beieinander,<br />

scheinen sich in dem Dutzend Songs sogar zu bedingen.<br />

Ein Mosaik aus Rock und Pop, Indie und Metal, Crossover,<br />

Breakbeat, Funk und Spoken Word. I AM BONES bedienen<br />

sich vieler Stile, ohne die Songs zu überfrachten. Beinahe<br />

jeder Song begründet sein eigenes Genre. Trotz aller<br />

Vielfalt klingen I AM BONES nie konzeptlos. Obwohl sich<br />

die Songs fundamental unterscheiden, bleibt ein roter Faden<br />

erkennbar, die Reihenfolge ist schlüssig. Darüber hinaus<br />

und im Gegensatz zu den Produkten <strong>von</strong> anderen progressiven<br />

Künstlern wie MARS VOLTA oder Mike Patton besitzen<br />

I AM BONES eine vergnügte Leichtigkeit, die es möglich<br />

macht, ihr Album am Stück zu genießen und sich hinterher<br />

auch noch gut zu fühlen. „The beat is Satan“. Monströs!<br />

(32:25) (10) Arne Koepke<br />

INDIGO JONES<br />

40 Miles <strong>CD</strong><br />

skinnydogrecords.co.uk/Gordeon | <strong>Die</strong> Kategorisierung<br />

<strong>von</strong> „40 Miles“, INDIGO JONES dritte Veröffentlichung in<br />

vier Jahren, fällt mir schwer. Fast ausschließlich mit akustischen<br />

Instrumenten gespielt, schlägt die Band eher ruhige<br />

Töne an. Und das hört sich sehr gut an. Ich muss zugeben,<br />

dass ich beim ersten Hören ganz und gar nicht angetan, eher<br />

gelangweilt war – ich muss wohl einen schlechten Tag gehabt<br />

haben, denn das kann ich mittlerweile gar nicht mehr<br />

finden. Hervorheben möchte ich das bedächtige „Come<br />

round“ und „Slipping away“; bei letzterem klingt die Gi-<br />

nicht mehr in meine persönliche Top-Ten schaffen. Dafür<br />

ist mir ihre Popmusik zu kopflastig und weich. Doch GRAF-<br />

ZAHL werden darauf vermutlich nicht viel geben, sie werden<br />

<strong>von</strong> Intro und Spex gefeiert und sind schon seit 13 Jahren<br />

dabei. <strong>Die</strong>ses „Jubiläum“ ist der Grund dafür, einen<br />

Querschnitt aus dem Schaffen <strong>von</strong> 1993 bis heute auf einem<br />

Album zu veröffentlichen. 22 Songs und ein Video dokumentieren<br />

die beachtliche GRAFZAHL-Vergangenheit<br />

und werden vor allem die Fangemeinde der Band verzücken.<br />

Schließlich richten sich viele Insider-Scherze und der<br />

familiäre Ton der Linernotes an Menschen, für die GRAF-<br />

ZAHL nicht bloß der Irre aus der Sesamstraße ist. Für Neueinsteiger<br />

gibt es trotzdem etwas zu entdecken, unter anderem<br />

eine Frühphase, in der die Intelligenz-Popper hemmungslos<br />

dem Punkrock frönten. GRAFZAHL sind die, die<br />

auch in Zukunft ihr eigenes Ding machen werden, das mit<br />

Hochglanzproduktionen und Anpassung nichts gemein hat.<br />

Dafür Respekt, aber mein Portemonnaie zücke ich weiterhin<br />

für andere Bands. (61:27) (6) Arne Koepke<br />

GUN CLUB<br />

Wildweed <strong>CD</strong><br />

Lucky Jim <strong>CD</strong><br />

Mother Juno <strong>CD</strong><br />

Danse Kalinda Boom <strong>CD</strong><br />

flowrecords.nl/Rough Trade | Nach seinem Tod im Jahre<br />

1996 war das musikalische Vermächtnis <strong>von</strong> Jeffrey Lee<br />

Pierce lange Jahre nur noch schwer erhältlich, doch in den<br />

letzten Jahren änderte sich<br />

das und via Sympathy For<br />

The Record Industry erschienen<br />

Neuauflagen der<br />

GUN CLUB-Alben „Death<br />

Party“, „Las Vegas Story“<br />

und „Miami“ sowie <strong>von</strong><br />

„Mother Juno“ und dem<br />

Solo-Werk „Wildweed“.<br />

Mit der Serie 9Lives (die<br />

Pierce nicht hatte ...) wurde<br />

jetzt durch das niederländische<br />

Label Flow Records<br />

eine Rerelease-Serie<br />

ins Leben gerufen, die nach und nach neun Alben <strong>von</strong><br />

Pierce beziehungsweise GUN CLUB nebst zusätzlicher Bonus-<strong>CD</strong><br />

erneut verfügbar macht. Alle Rereleases wurden betreut<br />

<strong>von</strong> Pierce-Biograph Gene Temesy, die drei oben zuerst<br />

erwähnten Über-Klassiker freilich fehlen bislang, aber vielleicht<br />

werden ja auch „12 Lives“ aus der Serie ...<br />

Jeffreys grandioses Soloalbum „Wildweed“ <strong>von</strong> 1985 war<br />

zuletzt 1993 in Deutschland via WSFA in <strong>CD</strong>-Version aufgelegt<br />

worden und die letzten Jahre über wohl nicht mehr<br />

zu bekommen, was eine Schande war. Denn Mr. Pierce, die<br />

Stimme und die Gitarre <strong>von</strong> GUN CLUB, zeigte sich mit<br />

diesem Album sowie der 12“ „Flamingo“ aus dem gleichen<br />

Jahr („Get away“ und der 12“-Remix <strong>von</strong> „Love & desperation“<br />

finden sich auf der <strong>CD</strong> als Bonustracks, während „No<br />

more fire“ und „Flamingo parts 1 + 2“ weiter auf eine Neuauflage<br />

warten müssen) in Höchstform. Gleich drei Hits<br />

und Höhepunkte hat die in London aufgenommene Scheibe<br />

zu bieten: das tanzbare „Love and desperation“ mit dem<br />

markanten Gitarrenakkord, das sehr gunclubbige Sex killer“<br />

und das mitreißende, punkige „Wildweed“. Leider ist das<br />

Coverartwork nicht original, sondern nur ein Ausschnitt, in<br />

zudem recht mieser Qualität. Und dabei ist das ein Foto, das<br />

für mich immer DAS typische JLP-Bild war: Der Herr in einem<br />

Wintermantel und mit Hut irgendwo in der Prärie stehend<br />

(okay, es war in England ...), ein Gewehr lässig auf der<br />

Schulter. Irgendwie fand ich immer, dass Jeffrey hier so aussieht,<br />

wie seine Musik klingt: Einsame, verzweifelte Countrysongs<br />

der anderen Art, wobei JLP damals wohl Dylan und<br />

V.U. als starke Einflüsse empfand. Eingespielt wurde die Plat-<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 72 22.09.2006 20:51:59 Uhr


tarre ähnlich dramatisch wie bei „Phantom der Oper“, und<br />

der Einsatz der E-Gitarre, wohl dosiert, hat Seltenheitswert<br />

auf diesem Album. Allerdings finde ich es seltsam, dass in<br />

dem Booklet nur die Hälfte der Lieder mit ihren Texten abgedruckt<br />

sind – eine Maßnahme, der leider beide oben genannten<br />

Lieder zum Opfer gefallen sind. Auch das eher gelangweilt<br />

vorgetragene Stück „Let it ride“ ändert nichts daran,<br />

dass unterm Strich ein wirklich guter Gesamteindruck<br />

bleibt. (33:09) Myron Tsakas<br />

I DEFY<br />

On The Outside <strong>CD</strong><br />

Thorp | Wenn es eine Band in Deutschland gibt, die die<br />

Hardcore-Fahne hoch hält, dann sind dies I DEFY aus Hannover.<br />

Sie geben <strong>von</strong> der ersten Sekunde an Vollgas auf die<br />

Ohren. „Ignition“ geht steil nach vorn, mit A’s und O’s zuhauf,<br />

„Dear sound“ hat noch mehr Feuer und erinnert in<br />

Sequenzen an alte DAG NASTY. „Lost generation“ beginnt<br />

als treibende Midtempo-Nummer, um am Ende noch mal<br />

durchzustarten. So geht es munter weiter im Text, auf insgesamt<br />

14 Tracks, mit den besten Songs „Everything“ und<br />

„Scandal“ am Schluss der Scheibe. Ich persönlich stehe ja<br />

auf etwas mehr Abwechslung, aber das ist wahrscheinlich<br />

nicht im Sinne <strong>von</strong> I DEFY. Und es ist auch gut so, weil es<br />

authentisch ist. Man merkt, dass die Band nicht erst seit gestern<br />

am Start ist und ihren Weg gefunden hat. Da passt über<br />

den Gesang bis zu den Gitarren alles zusammen und „nebenbei“<br />

sei erwähnt, dass mit Flo einer der besten Hardcore-Drummer<br />

an der Schießbude sitzt, der die Songs auf<br />

ein ziemliches hohes Niveau hebt. Freunde <strong>von</strong> traditionellem<br />

Oldschool-Hardcore werden hier vorzüglich bedient.<br />

(35:06) (8) Zahni<br />

IMMEDIATES<br />

Tailor Made Cut <strong>CD</strong><br />

greencookie.gr | „Clean recording under difficult circumstances“<br />

lautet das abgewandelte Mod-Credo der vier Nordfranzosen.<br />

Was kann man sich darunter vorstellen? Natürlich<br />

gibt es hier orgeldominierten<br />

Freakbeat im<br />

allerbesten pill-popping<br />

Sound, angesiedelt zwischen<br />

REMAINS, ZOM-<br />

BIES und SMALL FACES.<br />

Neuzugang Captain Y<br />

<strong>von</strong> den Surfern STAR<br />

AND KEY OF THE INDI-<br />

AN OCEAN an den Drums<br />

verleiht den Songs dabei<br />

den nötigen Schmackes,<br />

damit die Desert Boots<br />

keine Sekunde zur Ruhe<br />

kommen, und die Zuhörer wie vom Go-Go-Strahl elektrisiert<br />

nächtelang den Shake tanzen, auch wenn die Band einen<br />

Boogaloo spielt. Ein furioses Neo-Mod Album, nicht zu<br />

verwechseln mit Mod-Revivalismus (à la 1979), denn das<br />

war ja meistens nichts anderes als schnöder Powerpop. Hier<br />

klingt alles nach 1966, und das ist auch gut so. Gar nicht gut<br />

allerdings ist das ZOMBIES-Cover „She’s not there“, auch<br />

wenn es ein Granatensong ist, braucht wirklich niemand<br />

NOCH eine Version, die nicht besser oder schlechter als alle<br />

davor klingt. (8) Gereon Helmer<br />

|<br />

IONA<br />

A Noise <strong>CD</strong><br />

Warm Milk/Rille Ralle Kosmos | <strong>Die</strong> Verweise sind nun<br />

sehr offensichtlich: Das schöne Pappcover mag den Hörer<br />

schon an deren Veröffentlichungen erinnern, mit Harris<br />

Newman ließen die fünf Leipziger nicht ohne Hintergedanken<br />

in Montreal den Hausmasterer des Constellation-Labels<br />

letzte Hand an ihre Aufnahmen legen. So hört sich das Ergebnis<br />

auch an, als hätte es problemlos auf dem Label ih-<br />

te seinerzeit kurz nach dem Split <strong>von</strong> GUN CLUB, mit dem<br />

damaligen CURE-Drummer Andy Anderson und John Mackenzie.<br />

Ein wirklich essentielles Album, das auch nach 20<br />

Jahren noch völlig zeitlos wirkt.<br />

Für „Mother Juno“ rauften sich Pierce und Kid Congo Powers<br />

als zentrale GUN CLUB-Mitglieder 1986 wieder zusammen<br />

und nahmen mit Romi Mori als Bassistin und Nick<br />

Sanderson (Ex-CLOCK DVA) als Drummer (sowie Blixa Bargeld<br />

bei „Yellow eyes“ als Gastgitarrist) in Berlin ein neues<br />

Album auf. Produziert wurde es <strong>von</strong> Robin Guthrie <strong>von</strong><br />

den COCTEAU TWINS, eine Band, <strong>von</strong> der JLP wohl immer<br />

ein großer Fan war. GUN CLUB zeigen sich auf diesem<br />

Album härter als noch auf „Las Vegas Story“, doch unterm<br />

Strich ist „Mother Juno“, das seinerzeit für das bald wieder<br />

verschwundene Red Rhino-Label aufgenommen wurde,<br />

dann eben doch wieder ein typisches GC-Album, das geprägt<br />

wird <strong>von</strong> JLPs Gesang, der auch hier wieder sehr prägnat<br />

und teils recht hallig auf der Musik thront. GUN CLUB<br />

waren, das macht auch diese Neuauflage klar, wahre Meister<br />

des Americana-Sounds, nur dass das damals keiner so nannte.<br />

Nein, ihr Platz war einst zwischen NICK CAVE & THE<br />

BAD SEEDS, DINOSAUR JR, HÜSKER DÜ, SONIC YOUTH,<br />

ihre Platten gehörten in jede gute Sammlung. Auf der Bonus-<strong>CD</strong><br />

finden sich die „Berlin Tapes“, andere Versionen der<br />

Album-Songs aus den gleichen Aufnahmesessions.<br />

Noch vor „Mother Juno“ war 1985 das Livealbum „Danse<br />

Kalinda Boom“ erschienen, das ein Jahr zuvor in Rotterdam<br />

mitgeschnitten worden war und auf dessen Bonus-<strong>CD</strong><br />

sich ein weiteres Konzert findet, das 1983 in Australien mitgeschnitten<br />

wurde und dessen Tracklist sich nicht mit den<br />

„Danse ...“-Songs überschneidet. Beide Aufnahmen zeigen,<br />

was für ein brillanter Perfomer Jeffrey war, ganz egal wie<br />

chaotisch sich die Situation durch plötzlich ausgestiegene<br />

oder frisch rekrutierte Bandmitglieder auch gestaltete.<br />

1993 erschien mit „Lucky Jim“ das dann leider letzte GUN<br />

CLUB-Album, und wie Gene Temesy in seinen Linernotes<br />

schreibt, wusste in den frühen Neunzigern keiner so recht,<br />

ob die Band noch existiert, und wenn ja, wer dabei ist. In<br />

einer Dreier-Besetzung mit Romi Mori und Nick Sanderson<br />

entstanden schließlich in einem Studio in den Niederlanden<br />

die zehn Songs <strong>von</strong> „Lucky Jim“ (zum Titel wurde<br />

Pierce inspiriert durch seine Reisen durch Fernost, speziell<br />

Vietnam), und die Neuauflage wurde ergänzt durch den<br />

Bonus-Track „Blue monsoons“. Auf der zweiten <strong>CD</strong> finden<br />

sich 13 weitere Tracks, alle unveröffentlicht und aus der<br />

gleichen Zeit. JLP war damals gesundheitlich schon schwer<br />

angeschlagen, Leberzirrhose und Hepatitis C machten ihm<br />

das Leben schwer, doch seine Musik war so einzigartig und<br />

brillant wie eh und je, mit dem Titelsong „Lucky Jim“ gelang<br />

ihm zudem noch ein später Klassiker. Joachim Hiller<br />

GOLDBLADE<br />

Strictly Hardcore – The Best Of <strong>CD</strong><br />

captainoi.com/Cargo | John Robb, der den ehrwürdigen<br />

Job eines Musikjournalisten ausübt und einst bei den MEM-<br />

BRANES spielte, gründete Mitte der Neunziger in Manchester<br />

GOLDBLADE (die oft auch GOLD BLADE geschrieben<br />

werden). Als „punk rock hooligan blues“ wird ihre Musik<br />

gerne mal bezeichnet, auf nur einen Sound lassen sie<br />

sich keinesfalls reduzieren, haben aber immer wieder einen<br />

schweren CLASH-Einschlag und in John einen schön rotzig<br />

rüberkommenden Frontmann mit einer Vorliebe für hymnische<br />

Melodien. Umso mehr erstaunt es da, dass GOLD-<br />

BLADE bis heute, zumindest in Deutschland, ein Geheimtipp<br />

geblieben sind, denn auch wenn sie mit schöner Regelmäßigkeit<br />

neue Platten veröffentlichen, so kennt sie doch<br />

kaum jemand. Ob diese Zusammenstellung <strong>von</strong> sechzehn<br />

Single- und Album-Songs aus den letzten zehn Jahren daran<br />

etwas ändert, wage ich zu bezweifeln, doch gebe ich<br />

die Hoffnung nicht auf, dass zumindest ein paar Leute nach<br />

dem Hören Blut geleckt haben. (49:11) (8) Joachim Hiller<br />

rer Vorbilder erscheinen können. Instrumentaler Postrock,<br />

große Spannungsbögen, sich aufbauende, <strong>von</strong> Gitarrenhall<br />

durchtränkte Soundwände – die bekannten Zutaten variieren<br />

IONA nur sehr begrenzt, dabei machen sie aber auch<br />

nichts falsch. So ist „A Noise“ ein hörenswertes Debüt geworden,<br />

das für sein Genre erstaunlich kompakt geraten<br />

ist. Auf die Tour mit SCRAPS OF TAPE demnächst kann man<br />

sich freuen. (52:52) (7) Christian Maiwald<br />

INTERNATIONAL PLAYBOYS<br />

Cobra Blood Hangover <strong>CD</strong><br />

australiancattlegod.com | Album Nr. 3 der aus dem hinterwäldlerischen<br />

Missoula, Montana stammenden und aus diesem<br />

Grunde bestens benannten INTERNATIONAL PLAY-<br />

BOYS. Waren die ersten beiden Longplayer noch auf dem eigenen<br />

Label veröffentlich worden, hat man jetzt mit Australian<br />

Cattle God im fernen Austin, TX (wo man das letzte<br />

Album aufgenommen hatte; diesmal fand die Prozedur<br />

in Bellingham, WA statt) ein passendes Label gefunden, das<br />

mit dem strangen Humor des Vierers klarkommt, der ein<br />

Faible für das Verbraten gut abgehangener Rock-Klischees<br />

hat. Auf der einen Seite der Einfluss-Skala stehen hier RI-<br />

VERBOAT GAMBLERS, auf der anderen NOMEANSNO, aber<br />

auch Klischeerocker wie die legendären HOOKERS, doch<br />

wie schon beim Vorgänger „Sexiful“ spielt man mit den Klischees<br />

mehr, als dass man sie sich zu eigen macht, und das ist<br />

gut so. Zudem sind die Riffs hier zwar roh und rauh, doch<br />

für Langeweile-Rock ist der Rhythmus zu wild und pumpend.<br />

Live sicher eine Macht, aus der Konserve funktioniert<br />

das nur bei erhöhter Lautstärke. Lohnt die Entdeckung, versprochen.<br />

(56:56) (7) Joachim Hiller<br />

I AM GHOST<br />

Lover’s Requiem <strong>CD</strong><br />

Epitaph | Brett Gurewitz ist ja bekanntlich nicht auf den<br />

Kopf gefallen, und so lässt er das kalifornische Sextett kurze<br />

Zeit nach der Veröffentlichung der Debüt-EP „We Are Always<br />

Searching“ zügig ein Album nachschieben. Im Studio<br />

dürften die Regler auf Anschlag gestanden haben und etliche<br />

Spuren wurden für Streicher, Synthies, Flüstern und<br />

Overdubs wohl auch benötigt. Das Resultat ist eine eindeutige<br />

Überproduktion. Stilistisch ist das Material eine Synthese<br />

aus AVENGED SEVENFOLD-Riffs, Screamo und bombastischem<br />

Pop. Neben einem schwülstigen Intro befinden<br />

sich noch zwei Songs des Debüts auf diesem Album. Macht<br />

effektiv neun neue Tracks, die durchaus austauschbar sind.<br />

(44:56) (6) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

JANUARY FLAKE<br />

Collapse Patterns M<strong>CD</strong><br />

thejanuaryflakes.de | THE JANUARY FLAKE spielen<br />

Alternative-Post-Hardcore. Sie benutzen ordentlich<br />

Verzerrung. Und wenn es sein muss, auch<br />

mal drei Gitarren. Sie haben auch ruhige Parts. Sie<br />

J<br />

wurden <strong>von</strong> Kurt Ebelhäuser aufgenommen. Sie<br />

haben schon im Vorprogramm <strong>von</strong> BLACKMAIL<br />

gespielt. Sie sind jung. Sie sind ambitioniert. Ja, es stimmt:<br />

Das klingt alles reichlich unspektakulär. Ist es aber nicht:<br />

Denn THE JANUARY FLAKES haben mindestens einen Hit.<br />

(17:32) (7) Arne Koepke<br />

JOLLY JUMPERS<br />

Mobile Babylon <strong>CD</strong><br />

Tug/Indigo | Nach „Hometown Hi-Fi“, welches mich 2005<br />

in große Begeisterung hat ausbrechen lassen, haben die Finnen<br />

einen neuen Longplayer aufgenommen, der, was mich<br />

stark verwundert, wenig mit dem zu tun hat, was die Band<br />

bisher auf Platte veröffentlichte. Hier mag der Einfluss <strong>von</strong><br />

Arimatti Jutila, der vorher bei den FLAMING SIDEBURNS<br />

die Gitarre schwang, klaren Einfluss ausgeübt haben. „Mobile<br />

Babylon“ ist deswegen um keinen Deut schlechter geworden,<br />

ganz im Gegenteil. <strong>Die</strong> Platte durchzieht ein Flair<br />

HERESY<br />

Face Up To It! <strong>CD</strong><br />

bosstuneage.com/Rookie/Cargo | „Face Up To It!“ ist der<br />

zweite Teil der HERESY-Trilogie, die Boss Tuneage im Rahmen<br />

seiner „Retro Series“ veröffentlicht hat, die Besprechung<br />

des ersten Teils bitte<br />

ich in <strong>Ox</strong> #64 nachzulesen.<br />

Ende 1987 hatte<br />

sich mit dem Einstieg<br />

des gleichzeitig noch bei<br />

RIPCORD spielenden Gitarristen<br />

Steve „Baz“ Ballam<br />

das endgültige HE-<br />

RESY-Line-up gefunden,<br />

mit dem man im Januar<br />

1981 in vier Tagen<br />

das einzige HERESY-Album<br />

überhaupt einspielte.<br />

Leider ließen sich HE-<br />

RESY im Birminghamer Ritch Bitch-Studio zur Benutzung<br />

<strong>von</strong> allerlei moderner Technik überreden, mit dem Ergebnis,<br />

dass „Face Up To It!“ scheiße klang. Und auch wenn die<br />

Band selbst nicht mit dem Sound zufrieden war, fehlte HE-<br />

RESY für Neuaufnahmen das Geld, so dass sie die Platte dennoch<br />

veröffentlichten; in England auf ihrem eigenen Label,<br />

auf dem Festland via Konkurrel. Erst 2003 konnten Bassist<br />

Kalv und Baz zusammen mit dem Produzenten Martin Nicholls<br />

„Face Up To It!“ der Platte einen Sound verpassen, der<br />

dem, was ihnen damals vorschwebte, wohl noch am nächsten<br />

kommt. <strong>Die</strong>se neu gemasterten und erstaunlich gut<br />

klingenden 17 original „Face Up To It!“-Songs wurden für<br />

den Rerelease um zwölf bisher unveröffentlichte „rehearsal<br />

tracks“ <strong>von</strong> Dezember 1987 und Januar 1988 ergänzt. Und<br />

auch wenn diese etwas rauher klingen als das Album selbst,<br />

zeigen auch sie, dass HERESY damals einen großen musikalischen<br />

Fortschritt gemacht hatten. Zwar wurde immer<br />

noch überwiegend in Höchstgeschwindigkeit geknüppelt,<br />

aber im Gegensatz zu früheren Aufnahmen gab es auf „Face<br />

Up To It!“ schon beinahe eingängige melodische Momente<br />

sowie langsamere, groovige Parts, wie sie zu der Zeit eher<br />

im Crossover zu finden waren, wobei HERESY starke Metal-Einflüsse<br />

vermieden. „Face Up To It!“ kommt wie auch<br />

der erste Teil „1985 - ’87“ als schön gestaltetes Digipak, mit<br />

Songtexten, vielen Fotos und ausführlichen Linernotes <strong>von</strong><br />

Bassist Kalv. <strong>Die</strong> letzten Jahre HERESYs werden dann im<br />

dritten und letzten Teil aufgearbeitet. (9) André Bohnensack<br />

HARVEY MILK<br />

Courtesy And Good Will Toward Men 2<strong>CD</strong><br />

relapse.com | Nachdem die 1998 aufgelösten und 2005 reformierten<br />

HARVEY MILK just via Troubleman Unlimited<br />

ein neues Album veröffentlicht haben, kommt <strong>von</strong> Relapse<br />

jetzt die Wiederveröffentlichung ihres zweiten Albums „<br />

Courtesy And Good Will Toward Men“ <strong>von</strong> 1997. Benannt<br />

nach dem Politiker Harvey Milk – der als der erste sich offen<br />

als homosexuell bekennende Politiker San Franciscos<br />

gilt und der deshalb mitsamt dem damaligen Bürgermeister<br />

<strong>von</strong> seinem Kollegen Dan White ermordet wurde, wofür<br />

dieser nur sieben Jahre Haft bekam, was die sogenannten<br />

White Night Riots auslöste – existierte die Band aus Athens,<br />

Georgia <strong>von</strong> 1993 bis 1998 und brachte in der Zeit neben<br />

einigen Singles drei Alben raus, <strong>von</strong> denen „Courtesy And<br />

Good Will Toward Men“ als ihr Meisterstück gilt. Und das<br />

zu Recht, denn das Wechselspiel <strong>von</strong> Brachialität und Fragilität,<br />

die Kombination lauter, brutaler Gitarrenwände<br />

und ruhiger, <strong>von</strong> Akustikgitarren geprägter Momente ist<br />

hier nahezu perfekt und die Bedeutung des Wortes Dynamik<br />

in dem gerne genutzten Begriff Laut/Leise-Dynamik<br />

noch etwas wert. „Courtesy ...“ ist ein vertonter Alptraum,<br />

eine nicht enden wollende Folge hörbar gemachter seelischer<br />

Abgründe, die durch kurze hübsche Unterbrechun-<br />

<strong>von</strong> Sixties-Pop und Melodien, wie sie kaum schöner sein<br />

könnten. <strong>Die</strong>s ganz besonders bei „Shooting star“ oder<br />

„Snowy downtown“. Aber auch die vom Vorgänger bekannten,<br />

dreckig verzerrten Gitarren finden ihren Platz bei „Palomino“<br />

oder „Boom boom“. <strong>Die</strong> starken Anleihen an Wüstenrock,<br />

sind nun weniger staubtrocken, sondern durchzogen<br />

<strong>von</strong> finnischer Melancholie „Slow town rules“ und<br />

„Black Betty“. Allen elf Songs ist gemein, eine unglaubliche<br />

Ausdruckskraft zu haben, so durchgängig, wie es sonst<br />

nur selten bei Bands zu hören ist, die sich nicht den immer<br />

gleichen Songs verschrieben haben. Abwechslung wird<br />

hier nicht experimentell verstanden, sondern kommt als<br />

Selbstverständlichkeit rüber. Schwer wird es die Band haben,<br />

wenn sie dereinst ein Best-Of-Album herausbringen<br />

sollte. Da müsste das gesamte Album drauf, <strong>von</strong> den großartigen<br />

Stücken des Vorgängeralbums gar nicht erst anzufangen.<br />

(40:05)(10) Claus Wittwer<br />

JUCIFER<br />

If Thine Enemy Hunger <strong>CD</strong><br />

relapse.com | Ich hasse es, wenn ich feststellen muss, zu<br />

spät zu kommen oder irgendwas nicht mitzukriegen. Und<br />

in meiner Tätigkeit als<br />

Schreiberling hasse ich<br />

das noch viel mehr! Noch<br />

schwerer machen es mir<br />

da Bands, die nicht nur<br />

ohne mein Wissen schon<br />

seit Jahren existieren<br />

und musizieren, sondern<br />

zu allem Überfluss auch<br />

noch absolut unkategorisierbar<br />

sind. Jüngstes Beispiel<br />

sind JUCIFER, ein<br />

Duo aus Athens, Georgia.<br />

<strong>Die</strong> haben nicht nur seit<br />

1993 unzählige Singles und Alben aufgenommen, die ich<br />

nicht kenne, (unter anderem für Capricorn und Velocette)<br />

nein, sie sträuben sich auch gegen jegliche Einordnung in<br />

gängige Schubladen. Da klingen die ersten beiden Songs auf<br />

„If Thine Enemy Hunger“ nach fiesem Doom an der Grenze<br />

zum Drone, dann klingt es auf einmal nach vertracktem,<br />

noisigem Rock, dann erinnert mich ein Song – ich werde<br />

mir nie verzeihen, das jetzt zu <strong>von</strong> mir zu geben – an die <strong>von</strong><br />

mir überaus verachteten WHITE STRIPES, die nächsten wecken<br />

Erinnerungen an längst vergangene Riot Grrl-Zeiten<br />

oder gar an PORTISHEAD. Dennoch wirkt hier nichts zerfahren,<br />

sondern wie aus einem Guss und allen Songs gemein<br />

ist ein wunderbar effektiver Minimalismus, eine einlullende<br />

Monotonie innerhalb jedes Songs und der grandiose Gesang<br />

<strong>von</strong> Sängerin und Gitarristin Amber Valentine, die dir<br />

verführerisch ins Ohr säuselt, dich aber auch zu einem winselnden<br />

Häufchen Elend zusammenschreien kann. Letzteres<br />

zum Glück ohne jegliche Hysterie und mit einer unglaublichen<br />

Energie. Auch wunderschönen Melodien wird hier<br />

viel Platz eingeräumt, mal verpackt in brachiale Gitarrenwände,<br />

und mal ganz fragil, schüchtern und nur mit Akustikgitarre<br />

vorgetragen. Wie JUCIFER – neben Amber ist da<br />

noch Ehemann und Schlagzeuger Edgar Livengood – zu Relapse<br />

gelangt sind, mag eigenartig erscheinen, aber erstens<br />

öffnen sich Relapse musikalisch in letzter Zeit immer mehr<br />

und zweitens ist das auch völlig scheißegal. „If Thine Enemy<br />

Hunger“ ist eine unglaublich großartige Hammerplatte! Da<br />

verzeihe ich JUCIFER auch, dass sie erst so spät in mein Bewusstsein<br />

getreten sind. (9) André Bohnensack<br />

JANKA<br />

In die Arme <strong>von</strong> <strong>CD</strong><br />

decoder-records.com | Deutsprachige Musik ist groß momentan:<br />

SPORTFREUNDE STILLER füllen Stadien, TOCO-<br />

TRONIC könnten dies, wenn sie es denn wollten, MADSEN<br />

und ANJO stürmen die Charts. Stadien werden JANKA wohl<br />

gen nur noch furchtbarer zu werden scheinen. Auch der Gesang<br />

<strong>von</strong> Sänger, Gitarrist und Bandkopf Creston Spiers folgt<br />

diesem Prinzip, ob der Mann herzzereißend zu einer simplen,<br />

aber wunderschönen Gitarrenmelodie croont oder gegen<br />

die selbst erschafften Soundwände anbrüllt, sein Leid<br />

kommt absolut authentisch und zu keiner Sekunde aufgesetzt<br />

rüber. Sei es beim Singer/Songwriter-Stück „One of us<br />

cannot be wrong“ (das gar nicht mal so weit weg vom späten<br />

Johnny Cash ist) oder dem zehnminütigen Noiserock-<br />

Drone-Monster „Pinnochio’s example“, HARVEY MILK waren<br />

immer unglaublich heavy und intensiv. Zusätzlich zum<br />

Originalalbum gibt es auf diesem Rerelease eine zweite <strong>CD</strong><br />

mit vier Songs, die zwar nur knapp zwanzig Minuten lang<br />

ist, aber angeblich ein komplettes Liveset der Band umfasst.<br />

Auf Linernotes wurde verzichtet. (10) André Bohnensack<br />

BUDDY HOLLY<br />

Gold 2<strong>CD</strong><br />

Universal | Ich frage mich, ob Buddy Holly ohne seine<br />

markante schwarze Brille überhaupt <strong>von</strong> jemandem erkannt<br />

worden wäre – auf dem Foto im Booklet ohne Brille<br />

jedenfalls hat er ein Allerweltsgesicht. Mit Songs wie „Peggy<br />

Sue“ oder „That’ll be the day“ und seinem charakteristischen<br />

„Hiccup“-Gesang wurde Holly mit 19, nachdem<br />

er Elvis Presley live gesehen hatte, vom Bluegrass spielenden<br />

Jüngling zum Rock’n’Roller, dessen Auftritt in England<br />

1958 die Herren McCartney und Lennon ähnlich beeindruckte<br />

wie Elvis wenige Jahre zuvor. Buddy. Hollys Karriere<br />

endete jedoch schon wieder, kaum dass sie begonnen hatte,<br />

im Februar 1959 bei einem Flugzeugabsturz – mit an Bord<br />

auch Ritchie Valens. Geblieben sind wunderschöne Lieder –<br />

50 da<strong>von</strong> finde sich auf dieser <strong>CD</strong> in vorbildlicher Ausstattung,<br />

die jeder Billig-Zusammenstellung vorzuziehen ist.<br />

Joachim Hiller<br />

HEFNER<br />

Catfight 2<strong>CD</strong><br />

Cargo | Nach einer Best Of und einem gelungenen Solo-<br />

Album <strong>von</strong> HEFNER-Kopf Darren Hayman gibt es in Form<br />

<strong>von</strong> „Catfight“ 43 unveröffentlichte Songs dieser großartigen<br />

britischen Band. Gerade Disc 1 kommt einem wie ein<br />

weiteres bisher unveröffentlichtes HEFNER-Album vor, mit<br />

jeder Menge unwiderstehlicher Popsongs dieser eigenwilliger<br />

Band, darunter auch eine tolle Version <strong>von</strong> HUMAN<br />

LEAGUEs „Lousie“, einem der letzten guten Songs der Elektropopper.<br />

Bei Disc 2 überwiegt dann teilweise eine Demo-<br />

Akustik-Atmosphäre, die mal mehr, mal weniger gelungene<br />

Songs zum Vorschein bringt, aber auch mit „Lank“ einen<br />

ungewohnt noisigen Track. Für Fans der Band in jedem Fall<br />

ein echtes Fest, denn das Hayman’sche Songwriting ist selbst<br />

in einem reduzierten Song-Frühstadium immer noch ein<br />

verdammt charmantes und originelles Hörvergnügen. Sowieso<br />

verblüffend, wo dieser Mann immer diese kleinen<br />

Geniestreiche hergezaubert hat. Und man kann gar nicht<br />

oft genug betonen, wie unglaublich gut diese Band zu Lebzeiten<br />

war, die sich dann auch noch ausgerechnet nach ihrer<br />

besten Platte verabschiedet hatten, aufhören, wenn es am<br />

schönsten ist sozusagen. (9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

HEIMATLOS<br />

La Seconde Nécessaire 1983-1988 2<strong>CD</strong><br />

http://ratbone.free.fr | Absolute Aussagen, wie die im dieser<br />

<strong>CD</strong> beiliegenden Info, sind mit so einer großen zeitlichen<br />

Distanz immer schwer zu verifizieren: HEIMATLOS<br />

(oder auch HEIMAT-LOS) waren laut Luc <strong>von</strong> Ratbone Records<br />

aus Bordeaux einst die erste und seiner Meinung nach<br />

auch beste französische Hardcore-Band. Nun fällt mir selbst<br />

bei angestrengtem Nachdenken außer KROMOZOM 4 (beide<br />

Bands sah ich einst in Ludwigshafen zusammen mit UP-<br />

RIGHT CITIZENS, EA 80 und RAZZIA) keine weitere französische<br />

HC-Band jener Zeit ein, <strong>von</strong> daher lasse ich Lucs<br />

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keine füllen, für die Charts fehlen die Hits. Das ist gut so,<br />

JANKA passen nicht ins Stadion, „In die Arme <strong>von</strong>“ braucht<br />

keine Hits, es hat Gefühle, hat Tiefgang. Pop heißt die Musik,<br />

Hamburger Schule <strong>von</strong> mir aus die Szene. Man war im<br />

angesagten Studio, hatte die angesagten Produzenten, kennt<br />

diverse der angesagten Bands persönlich, hat mit ihnen getourt,<br />

hat auch selbst schon lange zuvor in Bands gespielt<br />

(BLOBKANAL, JUNGES GLÜCK, GARY). Doch Namedropping<br />

haben JANKA eigentlich nicht nötig, denn diese zwölf<br />

Songs hier verschweigen zwar nicht ihre Einflüsse, entfalten<br />

aber dennoch ihre eigenen Stärken, haben ihr eigenes<br />

Rezept: Akustikgitarre begleitet den Gesang, der prägnant,<br />

aber ruhig den Song einläutet, die Gitarren werden lauter,<br />

aber nicht wesentlich schneller, der Gesang eindringlicher,<br />

man erreicht den Höhepunkt, drosselt die Lautstärke, findet<br />

wieder zur Ruhe. Hie und da ein Piano im Hindergrund,<br />

bei „Punkt“ auch mal Bläser, die JANKA gut zu Gesicht stehen.<br />

Zwischendurch wird auch <strong>von</strong> Anfang an nach vorne<br />

gerockt, nicht aber ohne sich diese wohltuende das ganze<br />

Album durchziehende Wärme, diese, trotz so mancher verzerrter<br />

Gitarre, erhaltene Ruhe zu bewahren. JANKA liefern<br />

mit „In die Arme <strong>von</strong>“ ein Album für Menschen die auf<br />

handwerklich gut gemachte Populärmusik deutscher Sprache<br />

mit einem Hauch <strong>von</strong> Melancholie und viel Gefühl stehen<br />

und sich auch nicht vor vereinzelten Griffen in den<br />

Schmalztopf fürchten. (42:47) (8) H.C. Roth<br />

JULIETTE & THE LICKS<br />

Four On The Floor <strong>CD</strong><br />

Hassle/Pias | Es geht mir am Arsch vorbei, dass Mrs. Lewis<br />

bei Scientology ist, solange sie das weder auf ihren Konzerten,<br />

noch auf ihren Platten breittritt. Vor allem dann nicht,<br />

wenn sie wie auf ihrem<br />

neuen Album ordentlich<br />

Vollgas gibt und weiterhin<br />

ihrem Vorbild Iggy Pop in<br />

allen Hinsichten gerecht<br />

wird. <strong>Die</strong>se Frau strotzt<br />

vor Energie und lässt sie<br />

mit voller Wucht raus. Der<br />

Sound ist durchgehend<br />

rockiger und treibender<br />

als Teile <strong>von</strong> „You’re<br />

Speaking My Language“,<br />

was eventuell am neuen<br />

Schlagzeuger liegen mag.<br />

Im Studio hat man niemand Geringeren als Mr. Dave Grohl<br />

gewinnen können. Mrs. Lewis meinte dazu, man habe bereits<br />

vor 15 Jahren gemeinsame Auftritte gehabt, allerdings<br />

in zwei verschiedenen Bands. Zu der Zusammenarbeit jetzt<br />

kam es, als man gemeinsam mit den FOO FIGHTERS auf<br />

einem Festival spielte und Grohl anschließend für ein 5-<br />

Track-Demo den ausgestiegenen Drummer ersetzte. Das Ergebnis<br />

war so energetisch, dass es ein Leichtes war, ihn für<br />

das Album zu gewinnen. Ob aus „I still have the fantasy he’ll<br />

play live with us“ was wird, scheint mir bei der Mini-Clubtour<br />

diesen Herbst eher fraglich. Live-Performances, besonders<br />

<strong>von</strong> „Sticky honey“ und dem heimlichen Hit, „Purgatory<br />

blues“, kann ich kaum noch erwarten. Wie sangen dereinst<br />

in den Sechzigern THE LITTER? „I’m gonna find me<br />

an action woman.“ Juliette Lewis wäre da meine erste Wahl,<br />

aber die steht leider nur auf Kollegen ihres Zweitjobs. Aber<br />

geil wäre es schon! (33:45)(9) Claus Wittwer<br />

DAMIEN JURADO<br />

And Now That I’m In Your Shadow <strong>CD</strong><br />

Secretly Canadian | In zehn Jahren seiner Karriere hat Damien<br />

Jurado eine riesige Anzahl an Veröffentlichungen vorzuweisen,<br />

darunter in seiner Anfangszeit auch auf Sub Pop.<br />

Im Gegensatz zu den meisten anderen Veröffentlichungen<br />

dieses Labels, schimmert hier aber nicht der Wahnsinn<br />

durch die Anmut, Jurado und seine Mitstreiter beschränken<br />

rereleases<br />

Aussage einfach mal so stehen. <strong>Die</strong> im Oktober 1983 in einem<br />

Pariser Vorort gegründete Band war damals beeinflusst<br />

<strong>von</strong> DEAD KENNEDYS, BAD BRAINS, DISCHARGE und MI-<br />

NOR THREAT, aber auch SLIME, RAZZIA und NEUROTIC<br />

ARSEHOLES, später dann kamen SIEGE, F.O.D., MDC, OFF-<br />

ENDERS, INFERNO, NEGAZIONE und so weiter dazu, und<br />

das war dann auch der Zirkel, in dem man sich bewegte, die<br />

Bands, mit denen man in Frankreich, aber auch in Belgien<br />

und Deutschland zusammen Konzerte spielte. In bester<br />

HC-Tradition waren die Songs <strong>von</strong> HEIMAT-LOS maximal<br />

ein bis zwei Minuten dauernde Attacken, schnarrend<br />

und scharf, aber musikalisch abwechslungsreich (siehe die<br />

oben aufgeführten Bands) und nicht das übliche Uffta-Uffta<br />

so vieler Zeitgenossen – sogar mit lagerfeuertauglichen<br />

Songs („Last train to Tucson“) konnten die Franzosen dienen.<br />

Dazu kamen mal französische, mal englische Texte mit<br />

einer klaren politischen Ausrichtung: gegen Umweltzerstörung,<br />

Staatsgewalt, Unterdrückung, für ein selbstbestimmtes<br />

Leben. <strong>Die</strong>se Doppel-<strong>CD</strong> mit 90(!) Songs ist ein beeindruckendes,<br />

umfassendes Dokument einer Ausnahmeband, und<br />

das Booklet platzt beinahe vor Zusatzinfos, ist voll mit Texten,<br />

einer mehrsprachigen History, Fotos, Flyern und so weiter.<br />

Ein lohnenswerte und lobenswerte Veröffentlichung, die<br />

klar macht, warum Hardcore mehr als nur Musik ist (war?).<br />

Mehr Infos unter heimatlos.com. (8) Joachim Hiller<br />

IKE YARD<br />

1980-82 Collected <strong>CD</strong><br />

acuterecords.com/Cargo | Man sollte sich nie der Illusion<br />

hingeben, über ein auch nur halbwegs umfassendes Musikwissen<br />

zu verfügen. Mir etwa waren IKE YARD bislang völlig<br />

unbekannt, und das, obwohl die New Yorker ihr einziges<br />

Album 1982 auf Factory veröffentlichten. Für mich und andere<br />

Spätmerker gibt es aber jetzt diese vorzügliche Zusammenstellung<br />

<strong>von</strong> Factory-Album und Les Disques du Crépuscule-EP<br />

(plus diverse unveröffentlichte Tracks), in deren<br />

Booklet sich ausführliche Linernotes <strong>von</strong> zwei einstigen<br />

Bandmitgliedern finden. Gegründet wurden IKE YARD<br />

(deren Name wie der <strong>von</strong> HEAVEN 17 auf eine Plattenladenszene<br />

in „A Clockwork Orange“ zurückgeht) 1980 <strong>von</strong><br />

vier Leuten mit sowohl Punk- wie Kunst-Hintergrund, die<br />

aber teilweise auch die New Yorker No Wave-Szene mitbekommen<br />

hatten, sich für JOY DIVISON, SUICIDE, KRAFT-<br />

WERK, DER PLAN, MALARIA!, Krautrock und Stockhausen<br />

gleichermaßen interessierten und mit ihrer Musik vor allem<br />

neue Wege gehen wollten. Das bedeutete damals konsequent<br />

den Einsatz elektronischer Gerätschaft, neben Bass,<br />

Gitarre und Schlagzeug. Und mit einer Vorliebe für repetitive<br />

Beats und soundscapehafte Klänge entstanden so weitgehend<br />

instrumentale Stücke <strong>von</strong> oft hypnotischer Monotonie<br />

mit zeitweisen Dub-Anklängen. Noch bevor IKE YARD<br />

die Chance hatten, mit ihrem ersten Album eine an innovativen<br />

Klängen interessierte Öffentlichkeit zu erreichen, lösten<br />

sie sich Anfang 1983 auf. Dank Acute Records wurden<br />

18 ihrer Stücke jetzt vor dem Vergessen bewahrt und erweist<br />

sich diese <strong>CD</strong> als spannendes Dokument einer innovativen,<br />

ambitionierten Band. (78:37) (8) Joachim Hiller<br />

JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE<br />

Früher war auch nicht alles gut <strong>CD</strong><br />

bastardizedrecordings.de | Hier liegt nun eine Art Best-<br />

Of der alten D.I.Y.-Aufnahmen der selbsternannten Grindpunks<br />

aus Krefeld aus den Jahren 1998 bis einschließlich<br />

2002 vor. Damals als kleines Internetprojekt gestartet, um<br />

die kurzen, knackigen Grindcore-Songs mit den eigensinnigen,<br />

deutschen Texten via World Wide Web jedem zugäng-<br />

074 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />

sich auf das Eingängige. Extrem leise Musik mit Akustikgitarre<br />

gibt es zu hören, manchmal für meinen Geschmack<br />

etwas arg zu spartanisch gehalten, und leider viel zu häufig<br />

allzu träge. <strong>Die</strong> perfekte Musik für das letzte besoffene<br />

Häuflein ums erlöschende Lagerfeuer, und manchmal<br />

bläst einer trostlos in die Mundharmonika dazu. Ganz nett,<br />

aber auf Dauer bin ich für soviel Trübsal nicht in Stimmung.<br />

(48:19) (5) Christian Meiners<br />

JAPANTHER<br />

Yer Living Grave <strong>CD</strong><br />

menloparkrecordings.com | Um total kaputten, fiesen<br />

LoFi-Noiserock mit wunderbar schrägem Pop, tanzbarem<br />

No Wave, melodischem Gesang und aberwitzigen Hip-<br />

Hop-Samples auf so einzigartige und unvergleichliche Weise<br />

zu kombinieren wie JAPANTHER, dafür muss man seine<br />

Seele vermutlich dem Teufel verkaufen. Zwar enthält auch<br />

„Yer Living Grave“, deren sieben Songs während der Tour zu<br />

„Wolfenswan“ größtenteils live aufgenommen wurde, wieder<br />

Stücke, die auf ihren anderen Veröffentlichungen in anderen<br />

Versionen bereits enthalten waren, aber das macht<br />

gar nichts, schließlich sind die Lieder so gut, dass man sie<br />

eh wieder und wieder hören möchte. Und während andere<br />

Bands jahrelang sprichwörtlich denselben Song neu einspielen,<br />

damit aber einfach nur langweilen (Ausnahmen<br />

wie die RAMONES natürlich ausgeschlossen), liefern JA-<br />

PANTHER also wörtlich immer wieder den gleichen Song<br />

ab und so führt auch kein Weg daran vorbei, sich diesen<br />

Herbst alle Stücke noch einmal, wenn sie auf Tour sind, in<br />

Live-Versionen anzuhören. Und das lohnt sich bestimmt,<br />

denn bereits die auf <strong>CD</strong> gebannten Aufnahmen versprechen,<br />

dass Schweiß, Blut und Tränen in Strömen fließen werden.<br />

Schweiß: klar, vor Anstrengung, Blut: vielleicht, zur Unterhaltung,<br />

und Tränen: vor Begeisterung! Und wer das nicht<br />

glaubt, der surfe zu YouTube und sehe sich die Live-Darbietungen<br />

<strong>von</strong> JAPANTHER mit SynchronschwimmerInnen<br />

an und schweige, bis es auf den Konzerten vor Freude zu<br />

schreien gilt! Trash-Punk, der größer ist als Gott, oder besser:<br />

der Teufel! (15:30) (10) Chris Wilpert<br />

JOYSTIX<br />

Playin’ With Fire <strong>CD</strong><br />

Shotgun Generation | Jeder hat ihn mal erlebt: jenen Schultag,<br />

als irgendwer im Englischunterricht das Wort „joystick“<br />

wörtlich übersetzt hat. Kicher. Spätestens nach der großen<br />

Pause hat es dann aber auch schon keiner mehr lustig gefunden.<br />

Ganz im Gegensatz zu den aus den SONI<strong>CD</strong>OLLZ<br />

hervorgegangenen ungarischen Punk-Rock’n’Rollern <strong>von</strong><br />

THE JOYSTIX – die finden das so lustig, dass sie für die ganz<br />

Dummen sogar einen Übersetzungshinweis in ihr Bandlogo<br />

eingearbeitet haben: „Just stick it in – and the fun begin.“<br />

Worum sich die Texte <strong>von</strong> „Playin’ With Fire“ so drehen, ist<br />

klar: Schlüpfrigkeiten und Männerphantasien – und das alles<br />

in einem bemühten riffigen Rock’n’Roll-Gewand. Man<br />

hat das alles schon origineller gehört. (38:15) (4)<br />

Simon Loidl<br />

JUNKPILE JIMMY<br />

Alberhill 2LP<br />

cartel-ilustre.com | „Alberhill“ wurde zwar <strong>von</strong> Jim weitgehend<br />

alleine eingespielt, es gibt hier aber nicht unbedingt<br />

klassischen One-Man-Band-Sound zu hören. Vielmehr<br />

werden hier Einflüsse wie DOO RAG oder John Schooley<br />

(und laut Beiblatt noch einige mehr. Ein Wermutstropfen<br />

hier: <strong>Die</strong> Nennung solch zwielichtiger Metalbands wie EM-<br />

PEROR, aber das hat bei SCUM ja auch keinen gestört ...) mit<br />

Radiorauschen, Waschmaschinenlärm, Tierlauten und noch<br />

einigem Krach mehr zu teilweise abenteuerlichen Stücken<br />

gemischt, aufgenommen natürlich stilecht auf vier Spuren.<br />

Einige „klassischere“, bluesige Stücke gibt’s auch, generell<br />

regiert hier aber Krach, Hass und die verzerrte Slideguitar.<br />

Dazu kommen solch freundliche Themen wie Alk und<br />

lich zu machen, nahm man paar Jahre nach dem „kommerziellen“<br />

Durchbruch alle Songs <strong>von</strong> der Archiv-Seite, um sie<br />

nun in gepresster Form zum käuflichen Erwerb anzubieten.<br />

Glücklicherweise kam man nicht auf die Idee, die alten Kassettenaufnahmen<br />

digital zu überarbeiten, insofern kommt<br />

man in den ungefilterten Genuss der alten Songs. Leider<br />

verzichtete man auf eine komplette Diskografie aus dieser<br />

Zeitspanne, aber wahrscheinlich hebt man sich die restlichen<br />

Tracks und Coverversionen für spätere Verwendungszwecke<br />

in der wirklichen Welt auf. Ich für meinem Teil bin<br />

froh, mir damals die Sachen komplett auf <strong>CD</strong> gebrannt zu<br />

haben, so wie es früher zumindest die Intention der werten<br />

Herrschaften gewesen ist. Wie dem auch sei, für eingefleischte<br />

Fans wie Neulinge, die damals die Chance nicht ergreifen<br />

konnten, sich die kompletten alten Aufnahmen auf<br />

den Rechner zu ziehen, alle Mal eine lohnende Investition,<br />

auch wenn das „Bastellayout“ sehr zu wünschen übrig lässt<br />

und man auf umfangreiche Linernotes verzichten muss.<br />

Kube<br />

JENNY PICCOLO<br />

Discography <strong>CD</strong><br />

threeoneg.com | Ooops, nach dem Tippen der Überschrift<br />

sind schon mal eben 6 der insgesamt 52 Songs der JENNY<br />

PICCOLO-Diskografie vorbei ... JENNY PICCOLO waren als<br />

Powerviolence-Trio Ende der Neunziger unterwegs und haben<br />

mehrere Scheiben bei Three.One.G veröffentlicht, die<br />

hier alle zusammen mit anderen äußerst raren Veröffentlichungen<br />

wieder abseits des eBay-Preiswahnsinns das Licht<br />

der Welt erblicken. Wie es bei solchen Zusammenstellungen<br />

nun mal ist, mit durchaus wechselnder Soundqualität,<br />

die aber eigentlich immer annehmbar ist. JENNY PIC-<br />

COLO spielen diese überspitze Hardcore-Variante, die gerne<br />

mal unter Spazzcore firmiert, also irgendwo in der Grauzone<br />

zwischen Grindcore, Hardcore und Chaos. Das machen<br />

sie gar nicht mal so schlecht, aber an Urväter dieser Szene<br />

wie HERESY oder alte NAPALM DEATH kommen sie beim<br />

besten Willen nicht ran. (36:54) (6) Dr. Oliver Fröhlich<br />

JOAN OF ARC<br />

The Intelligent Design Of <strong>CD</strong><br />

Polyvinyl | <strong>Die</strong> ohnehin schon leicht obskuren JOAN OF<br />

ARC halten Rückschau und haben ihre 7“s, Samplerbeiträge,<br />

Coverversionen und japanischen Bonustracks auf diesem<br />

Album versammelt. <strong>Die</strong> Reise in die Vergangenheit beginnt<br />

1996 und so sind die ersten zehn Lieder nicht gerade Easy<br />

Listening. <strong>Die</strong> zweite Hälfe ist hingegen angenehmer und<br />

ohne Frage schön. Meine Begeisterung hält sich allerdings in<br />

Grenzen. Ich will Polyvinyl keine Backkatalog-Ausschlachtung<br />

unterstellen, aber es ist schon schwer genug, dem regulären<br />

Output <strong>von</strong> Tim Kinsella zu folgen, und da JOAN<br />

OF ARC eine sehr konzeptionelle Band sind und diese Zusammenstellung<br />

nur der Chronologie folgt, ist sie eben sehr<br />

unstimmig. Insgesamt würde ich beinahe sagen unnötig,<br />

da im Herbst schon wieder ein Album <strong>von</strong> Kinsellas neuer<br />

Band MAKE BELIEVE ansteht. Wer will da alte Songs hören?<br />

(76:25) (6) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

KICK JONESES<br />

Streets Full Of Idiots <strong>CD</strong><br />

Flight 13/Cargo | Vor rund zehn Jahren erschien mit<br />

„Streets Full Of Idiots“ das ersten Album der Pfälzer Band<br />

KICK JONESES, und tröstete zahlreiche Fans über das Loch<br />

hinweg, welches die Trennung der WALTER ELF damals hinterlassen<br />

hatte. Denn aus diesen entstanden seinerzeit KICK<br />

JONESES, die sich fortan dem englischsprachigen Punkrock<br />

verschrieben hatten. Und dass sie dabei stets viel Wert<br />

auf ausgefeiltes Songwriting legten, kann man noch einmal<br />

auf dieser Neuveröffentlichung gut hören. <strong>Die</strong> Vorliebe für<br />

Bands wie DESCENDENTS, ADOLESCENTS, GODFATHERS,<br />

ALL oder ANGRY SAMOANS versucht man dabei erst gar<br />

Drogen, Knarren, Prügeleien, Tod und andere White-Trash-<br />

Phantasien und der Herr Musiker sieht auf dem beiliegenden<br />

Poster, aufgenommen vor einer Bruchbude mit Gewehr,<br />

Bierflasche und Schaukelstuhl im Hintergrund, auch nicht<br />

gerade wie der favorisierte Schwiegersohn des Peace-Punks<br />

<strong>von</strong> nebenan aus. Was soll ich sagen, mir gefällt es, wie so oft<br />

ist die Platte mit 28 Songs bloß mal wieder etwas zu lang<br />

geraten, aber es werden ja schließlich die Jahre 1998-2003<br />

abgedeckt. Eine Weltsicht wie in „Death total death“ ist jedenfalls<br />

eine realistische, wenn auch nicht sonderlich gesunde:<br />

„New suburban homes / But I see graves in row after<br />

row / Population grows / But all I see is piles of bones.“ (7)<br />

Alex Strucken<br />

JERSEY LINE<br />

Misery Club <strong>CD</strong><br />

Wynona | Sehr steiles Layout, ein Typ mit lila Lederjacke<br />

sitzt auf einer pinken Ledercouch, da hätte ich jetzt eher<br />

Disco erwartet, aber stattdessen gibt es Emocore aus Italien.<br />

Dort scheint die Emo-Welle noch nicht ganz abgeflaut<br />

zu sein und im Falle <strong>von</strong> THE JERSEY LINE tolerieren wir<br />

das mal, obwohl Sänger Gianni recht dick aufträgt und etwas<br />

weniger Pathos nicht schlecht gewesen wäre. Insgesamt<br />

gut, aber die Römer sind mir dann doch zu lieblich und etwas<br />

zu kantenlos. Das klingt alles eine Spur zu kommerziell<br />

und gewollt transatlantisch, dabei hat Italien doch so eigenständige<br />

Bands. (35:31) (6) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

KRASTY<br />

Voice As A Weapon <strong>CD</strong><br />

suspect-records.com | Das österreichische<br />

Sextett KRASTY spielt geradlinigen, Hardcore-beeinflussten<br />

Punkrock, der an die Rauheit<br />

K<br />

des ersten STRIKE ANYWHERE-Albums und<br />

ein wenig auch an deren Gefühle für melan-<br />

cholische Stimmungen erinnert. Das Erfreuliche und letztlich<br />

Besondere an KRASTY ist, dass sie eine Trompete in ihren<br />

Sound integrieren, die nicht nervig trötet, sondern vielmehr<br />

so eingesetzt wird, dass sie Songmomenten eine ganz<br />

eigene, teils melancholische Stimmung gibt. <strong>Die</strong> Kombination<br />

aus Blasinstrument und gut gespieltem Punkrock steht<br />

den Österreichern gut. Ihre politisch-persönlichen Texte<br />

sprechen außerdem für sie. Insgesamt eine sehr gelungene<br />

Mischung aus straightem Punkrock, nachdenklichen Strecken<br />

und eigenen Songideen. Wenn die Österreicher noch<br />

an ihrer Melodieführung und an einer für mich noch etwas<br />

zu zaghaften Stimme arbeiten, wird diese Band richtig gut.<br />

Trotzdem sollte „Voice As A Weapon“ Freunden der LOVED<br />

ONES und der LAWRENCE ARMS zusagen. (7) (32:43)<br />

Lauri Wessel<br />

KEINE AHNUNG<br />

Noch nicht allein <strong>CD</strong><br />

rheinrebell-records.de | Musikalisch sind KEINE AH-<br />

NUNG abwechslungsreich und die Inhalte ihrer Texte decken<br />

sich gut mit der Stimmung, die sie mit ihren Instrumenten<br />

erzeugen. Aber der Gesang ist bei den ersten Stücken<br />

sehr holprig und erinnert mich an Gedichte, die man<br />

zu Grundschulzeiten auswendig vor der Klasse vortragen<br />

musste. Bei „Brüder zur Sonne“ werden die gesanglichen<br />

Defizite offensichtlich, ein schwaches Cover <strong>von</strong> „BGS/<br />

GSG“ der BUTTOCKS und streckenweise abgedroschene<br />

Sprüche über den Weltpolizisten USA und den Schwarzen<br />

Block machen die Platte aber wieder zu einer <strong>von</strong> Millionen<br />

anderen – zu denen mir auch einfach nichts mehr einfällt.<br />

(36:05) (3) Katrin Schneider<br />

KONFUZ<br />

Nicht dabei <strong>CD</strong><br />

nix-gut.de | KONFUZ kommen aus Hameln und beehren<br />

seit 2002 die Welt mit einer Mischung aus Punkrock,<br />

Ska und Reggae. „Nicht dabei“ ist ihre erste Platte und dafür<br />

nicht zu verheimlichen. Aufgestockt werden die vierzehn<br />

Albumtracks diese <strong>CD</strong> mit noch um neun rare oder unveröffentlichte<br />

Bonustracks. So bekommt man eine ordentliche<br />

Ladung KICK JONESES aus ihren Anfangstagen. Und das<br />

sprüht nur so vor Spielfreude und –witz. Schöner Rerelease.<br />

(71:24) (8) Abel Gebhardt<br />

KIDNAPPERS<br />

Ransom Notes And Telephone Calls <strong>CD</strong><br />

aliensnatch.com | Vor ein paar Monaten erschien das neue<br />

Album der KIDNAPPERS auf Rip-Off, doch leider muss ich<br />

sagen, dass die Band da wie neulich live vor den BELLRAYS,<br />

für mich nicht wieder die Perfektion erreicht hat, die sie<br />

mit ihrem Debüt „Ransom Notes ...“ <strong>von</strong> 2003 auf Vinyl<br />

gebannt hatte. Um so besser, dass dieses exzellente Album<br />

jetzt in einer remasterten <strong>CD</strong>-Version vorliegt, ergänzt um<br />

die drei Songs der „Zaxxon“-Bonus-7“. Und das schrieb ich<br />

damals: Hervorgegangen aus den HIGHSCHOOL ROCKERS,<br />

sind die KIDNAPPERS doch glatt noch mal ein gutes Stück<br />

besser – alleine für die unglaubliche Killernummer „Close<br />

to you“, eine vor Schmalz nur so triefende Nummer, ist<br />

die Platte ihr Geld schon wert. Und auch sonst ziehen die<br />

KIDNAPPERS ihr Ding, eigentlich poppige Punksongs in<br />

einer krachigen und dabei doch sweeten Weise runterzurotzen,<br />

unglaublich souverän durch. Mich erinnert das in<br />

den besten Momenten an HÜSKER DÜs verzweifelten Kracher<br />

„Diane“, wobei die KIDNAPPERS jedoch keinen Zweifel<br />

daran lassen, dass ihre Helden viel eher die RAMONES<br />

sind. Und natürlich TEENGENERATE und nicht nur die RIP-<br />

OFFS, sondern auch LOLI & THE CHONES, sonst würden sie<br />

deren „Everybody hates me“ ja nicht covern. Musik, so cool<br />

und basal wie Lederjacke, Jeans und Chucks – das passt immer.<br />

(8) Joachim Hiller<br />

LUZIFERS MOB<br />

Complete 50 Song Discography <strong>CD</strong><br />

Repoman | Zum zehnjährigen Bandbegräbnis gibt es nun<br />

endlich die vollständige Werkschau der Lärmkönige aus<br />

Karlsruhe. Hier wurde alles zusammengetragen, was in den<br />

vier Jahren des Bandbestehens regulär, in welcher Vinylform<br />

auch immer, veröffentlicht wurde, obendrauf gibt es das<br />

erste Demo, das nur die Beinharten in ihrem Schrank stehen<br />

hatten. Tutto kompletto mit allen Texten, Linernotes, jeder<br />

Menge Fotos und an den Stellen, wo es möglich war, auch<br />

Sound-Upgrade. Erstaunlich, wie dieses Hammer-Hardcorebrett<br />

auch heute noch seine volle Wirkung entfaltet.<br />

Ohne viel Rumgewichse, Zielen und großes Rumgeschnatter<br />

wird gleich aus der Hüfte geballert, das volle Magazin<br />

leer gepumpt und dann nachgeschaut, ob man was getroffen<br />

hat. <strong>Die</strong> fünfzig Songs gibt es in nicht mal 45 Minuten,<br />

was eigentlich schon mehr als genug über ausgedehnte Vorspiele<br />

sagt. Auf einer Höhe mit Bands wie DROPDEAD oder<br />

ASSÜCK, nur fand ich den Mob stets wesentlich interessanter,<br />

weil er einfach live spielte und sowohl auf Platte als<br />

auch auf der Bühne richtig bolzte, ohne jemals in dieses Hasenfickerschlagzeuggerammel<br />

zu verfallen. Außerdem hatten<br />

und haben die Jungs hier einfach mehr Humor. Noisecrusttrashgeballer-Geschichtsunterricht,<br />

der einfach in jeden<br />

Tinnitus-Haushalt gehört. Allerdings bezweifle ich, dass<br />

die reguläre 666er+100-<strong>Die</strong>-Hard-Fan-Auflage dafür ausreichen<br />

wird. Lärm kann tatsächlich so verdammt geil sein!<br />

(9) kalle stille<br />

LES SAVY FAV<br />

3/5 <strong>CD</strong><br />

frenchkissrecords.com/Alive | So als kleines Trösterchen<br />

und zur Überbrückung der Wartezeit auf das neue Album,<br />

das Anfang 2007 erscheinen soll, haben die New Yorker LES<br />

SAVY FAV ihr einst 1997 auf The Self Starter Foundation erschienenes<br />

Debütalbum „3/5“ auf French Kiss, dem Label<br />

<strong>von</strong> Bassist Syd Butler, neu aufgelegt. Der <strong>von</strong> James Mur-<br />

wirklich nett anzuhören. Manche Stücke lassen mich sogar<br />

wirklich aufhorchen, so zum Beispiel „Endspurt“. Auch<br />

schmeißt das Trio nicht nur stur verschiedene Stilelemente<br />

zusammen, sondern Musik und Texte scheinen gut überlegt<br />

und durchdacht. Eine solche Band hätte ich nicht auf<br />

Nix Gut erwartet, war ich doch gerade wieder kurz davor,<br />

das Label in einer Schulblade abzulegen. Aber je länger ich<br />

mir „Nichts dabei“ anhöre, desto mehr ist für mich dabei.<br />

(52:57) (6) Katrin Schneider<br />

BEN KWELLER<br />

Ben Kweller <strong>CD</strong><br />

Red Ink | Eigentlich war ich gar nicht heiser, aber als ich<br />

den Umschlag mit all meiner Kraft zerriss, weil ich so eine<br />

Vorahnung hatte, da verlor ich meine Stimme. „AAaahhh,<br />

ich hab’s , ich hab’s ich ich ich!“ Für diese wenigen Sekunden<br />

umarmte ich Ben Kwellers neue Platte innig und fühlte<br />

mich wie die einzige Person, die sie hören darf. Nein, ich<br />

habe mich nicht dabei gedreht, sondern bin total schwerelos<br />

zum <strong>CD</strong>-Spieler gehüpft, hab Play gedrückt und mich<br />

gleich fünf Mal <strong>von</strong> Titel eins bis elf zudröhnen lassen. Ebenso<br />

wie auf „My way“ klammert er sich wieder an die Dinge,<br />

die unser Leben tagein, tagaus beglücken, oder zieht zwischen<br />

den Zeilen über Verhaltensweisen und gesellschaftliche<br />

Systeme her. Weiterentwickelt hat man sich insofern, als<br />

dass nun alle Instrumente da sind, die auch auf einer polnischen<br />

Hochzeit nicht fehlen dürfen: Glockenspiele, Xylophone,<br />

Klavier und ein wenig Umppa Dumppa auf dem<br />

Bass. Und ja – genau alles wurde selber eingespielt, wofür<br />

ich ihn sehr beneide bei meinem Mangel an motorischen<br />

Fähigkeiten. <strong>Die</strong>se Mischung aus Gitarrenpop, Anti-Folk,<br />

den er sich aufgeschnappt hat, als er <strong>von</strong> Texas nach NY zog,<br />

und noch das letzte Stück, Punk-Einfluss <strong>von</strong> seiner ehemaligen<br />

Band RADISH – alles zusammen herzlich zusammengestellt<br />

wie eine Wundertüte. Ich bin so hibbelig und will<br />

mitten im Lied aufs nächste Lied schalten und stehe in einem<br />

unglaublichen Konflikt, nein, erst zu Ende hören, dann<br />

zu „I gotta move“, „This is war“ oder „Sundress“ umschalten.<br />

Meine Finger machen schon die absurdesten Bewegungen<br />

– ich greif lieber nach einer Flasche. „Blink and you’ll<br />

miss it“, sag ich da nur. Wow. Erinnert mich an die Soloplatte<br />

<strong>von</strong> Evan Dando, der alte Hase auf seiner Ranch, beide Platten<br />

– comforting, exciting and fucking thrilling. (9)<br />

Martha Biadun<br />

KING BLUES<br />

Under The Fog <strong>CD</strong><br />

householdnamerecords.co.uk | <strong>Die</strong> Band KING BLUES<br />

entstammt der Londoner Squatter-Szene und setzt sich aus<br />

zwei Akustikgitarren, Akustikbass und Ukulele zusammen.<br />

Der Sänger Johnny Fox aka Itch war bisher zwar in der Hip-<br />

Hop-Szene aktiv, KING BLUES setzten aber voll und ganz<br />

auf akustischen Rocksteady und Punk. Daneben gibt es auch<br />

Doo-Wop und Ska sowie die eine oder andere Pop-Perle zu<br />

hören. Ihr Debüt, der Demotrack „Mr music man“ lief bereits<br />

auf BBC 1. Auch die restlichen 10 Songs auf „Under The<br />

Fog“ begeistern und überzeugen mich sofort. Erstklassiger<br />

Ska, Rocksteady, Punk und Pop, alles auf akustischen Instrumenten<br />

gespielt – man kann es übrigens auch Folk nennen.<br />

Dazu kommen politisch korrekte Texte wie: „we have<br />

the right to choose between labour and tory, like we have<br />

to the right to choose between coke and pepsi, no matter<br />

who you vote for, the government always win, time to empor<br />

yourself when this sinks in“. Das sind zwar keine neuen<br />

Feststellungen, aber verpackt in eine wunderschön zu pfeifende<br />

Melodie, wirkt es erfrischend ehrlich und wie heißt es<br />

so schön in „The sound of revolt“: „in my back pocket theres<br />

a catapult to smash windows with the sound of revolt,<br />

I may not be Guy Fawkes, but I’ll alway be a thorn in your<br />

paws.“ Hierzu eine kleine Anmerkung, Guido Fawkes wurde<br />

am 31.01. 1606, nach einem versuchten Attentat (gunpowder<br />

plot) auf den englischen König Jakob I, hingerich-<br />

phy produzierte Longplayer wurde dafür neu gemastert sowie<br />

mit neuem Artwork versehen – kommt aber dafür ohne<br />

die der Originalversiom beiliegende Duschhaube ... Seinen<br />

komplexen, eigenwilligen noisy Post-Hardcore-Sound hatte<br />

der Vierer damals schon gefunden, auch wenn er noch<br />

nicht so ausgereift und auf den Punkt gebracht war wie<br />

beim Nachfolger „The Cat And The Cobra“. Richtig schön<br />

„arty-farty“ kommt auf jeden Fall das zum französelnden<br />

Bandnamen passende Intro, und jetzt sind wir mal gespannt,<br />

ob auch die im Entstehen begriffene neue Scheibe wieder<br />

so intensive Songs wie das exzellente „Je t’aime“ enthält.<br />

(32:27) (8) Joachim Hiller<br />

LYNYRD SKYNRD<br />

Gold 2<strong>CD</strong><br />

Universal | Sooo schlecht ist der Song ja gar nicht, aber man<br />

hat doch das Gefühl, ganz schnell weiterskippen zu müssen,<br />

wenn „Sweet home Alabama“ ertönt, denn was auf JEDER<br />

schlechten Party gedudelt wird, ist beim circa 555. Mal einfach<br />

unerträglich – und dürfte den Rechteinhabern bis heute<br />

dicke jährliche Tantiemenschecks einbringen. Dabei hat<br />

Hauptsongwriter Ronnie Van Zant selbst sicher nichts mehr<br />

da<strong>von</strong>, starb er doch mit anderen Mitgliedern der siebenköpfigen<br />

Band 1977 bei einem Flugzeugabsturz. <strong>Die</strong> Wurzeln<br />

der Band gehen bis aufs Jahr 1964 zurück, als man sich<br />

in Jacksonville, Florida (<strong>von</strong> wegen Alabama ...) gründete<br />

und irgendwann vom Namen des Sportlehrers zur eigenen<br />

Namensgebung inspirieren ließ: Leonard Skinner hieß<br />

der Mann. Ab 1970 entwickelten sich LYNYRD SKYNRD<br />

dann zu den unangefochtenen Helden des Southern Rocks,<br />

speziell nachdem 1974 die Hitsingle „Sweet home Alabama“<br />

erschienen war und man die Band seitdem unweigerlich<br />

mit Pick-up fahrenden, in Flanellhemden gekleideten,<br />

vollbärtigen, nie ohne Waffe aus dem Haus gehenden<br />

Rednecks in Verbindung bringt. Dabei sah die Band selbst<br />

kein Stück so aus, hatte eher was <strong>von</strong> einem langhaarigen,<br />

bunte Hosen und Hemden tragenden Hippie-Kollektiv, was<br />

vielmehr dem natürlichen Feind des Rednecks entspricht.<br />

Wie auch immer, die Südstaaten-Combo war seinerzeit extrem<br />

erfolgreich, hatte mit „Free bird“ einen weiteren Riesenhit<br />

(ich sage nur 9:10 ...) und prägte ein ganzes Genre<br />

(man nehme allein den Titel <strong>von</strong> „Swamp music“), gehört<br />

deshalb in jede ordentliche Rock-Plattensammlung. Über<br />

die Neuauflage der Band ab 1987 breiten wir freilich besser<br />

den Mantel des Schweigens. Auf der Doppel-<strong>CD</strong> finden sich<br />

die beiden erwähnten Songs nebst 23 anderen, und das dicke<br />

Booklet ist mit seiner History und reichlich Fotos vorbildlich.<br />

(7) Joachim Hiller<br />

MARK OF CAIN<br />

Battlesick <strong>CD</strong><br />

The Unclaimed Prize <strong>CD</strong><br />

feelpresents.com | <strong>Die</strong> aus dem australischen Adelaide<br />

stammenden THE MARK OF CAIN haben auch nach über<br />

20 Jahren noch den Status eines Geheimtips, aber das ist bei<br />

Oz-Bands ja nichts Ungewöhnliches. Dabei bot Deutschland<br />

immerhin eine der ersten Chancen, einem etwas größeren<br />

Publikum bekannt zu werden, veröffentlichte doch<br />

einst das legendäre Bonner Normal-Label die beiden jetzt<br />

<strong>von</strong> Feel Presents neu aufgelegten Alben aus dem Jahr 1989<br />

beziehungsweise 1991. Später dann gab es auch noch eine<br />

Wiederveröffentlichung des Debüts „Battlesick“ auf Henry<br />

Rollins’ 2.13.61-Label, was einfach daher kam, dass Rollins<br />

ein großer TMOC-Fan ist. Und wenn man sich die frühen<br />

ROLLINS BAND-Sachen mal anhört, ist da auch eine<br />

gewisse musikalische Verwandtschaft erkennbar. Was die<br />

Einflüsse anbelangt, sind hier ganz klar JOY DIVISION und<br />

BIG BLACK zu nennen (was die Band selbst auch mittels der<br />

Links auf ihrer Website tmoc.com.au bestätigt), oder auch<br />

die grandiosen HEAD OF DAVID und wegen mir auch RED<br />

LORRY YELLOW LORRY. TMOC verbanden auf diesen bei-<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 74 22.09.2006 20:52:13 Uhr


tet. Es müssen aber nicht immer große Ereignisse sein, auch<br />

die kleinen alltäglichen Beobachtungen kommen hier nicht<br />

zu kurz. Nach etwa drei Minuten Stille wird diese gelungene<br />

Debüt mit dem versteckten Bonustrack „My girl lollipop“,<br />

natürlich als Akustikversion, abgerundet. (36:22) (9)<br />

Kay Wedel<br />

KULTUR SHOCK<br />

We Came To Take Your Jobs Away <strong>CD</strong><br />

koolarrow.com | Warum sprießen zurzeit eigentlich die<br />

Folk-Punk-Bands wie Pilze aus dem Boden? „Momentan<br />

reimt sich Folk-Punk eben nicht schlecht auf Erfolgs-Punk<br />

oder gar Volksbank“, möchte man spötteln, aber dann fallen<br />

einem Bands wie KULTUR SHOCK ein, die schon seit<br />

10 Jahren auf höchstem Niveau Balkan-Punk spielen und<br />

trotzdem vergleichsweise wenig Gehör finden. Ihr bosnischer<br />

Frontmann Gino Srdjan Yevdjevich steht Eugene Hütz<br />

<strong>von</strong> GOGOL BORDELLO in Sachen interessante Biografie<br />

und – vielleicht daraus resultierendem – Charisma in nichts<br />

nach. Auch musikalisch geht es in eine ähnliche Richtung<br />

und eigentlich wäre es gerechter, würde ich an dieser Stelle<br />

erklären müssen, wer eigentlich diese GOGOL BORDEL-<br />

LO sind. KULTUR SHOCK sind härter, abwechslungsreicher,<br />

und wenn es hier um Politik geht, dann mit einer (trotzdem<br />

humorvollen) Abgeklärtheit, die vielleicht nur Leuten<br />

zu eigen ist, die so hautnah unter einem Krieg leiden<br />

mussten, wie es bei gleich mehreren Mitglieder <strong>von</strong> KUL-<br />

TUR SHOCK der Fall war. Vielleicht gelingt ihnen mit dieser<br />

Platte ja endgültig der verdiente Durchbruch. (42:13) (7)<br />

Ferdinand Praxl<br />

KRAUTBOMBER<br />

s/t LP<br />

elfenart.de | ANOTHER PROBLEM waren eine Hardcore-<br />

Band aus Mönchengladbach, die sich nach ständigem Sängerwechsel<br />

auflöste, um sich dann mit neuem Sänger/Gitarristen<br />

zuerst in CROWDBOMBER (deren Texte anfangs<br />

noch auf Englisch waren) und letztendlich KRAUTBOM-<br />

BER umzubenennen. Musikalisch geht es in die Hardcore-<br />

Punk-Ecke und nachdem die Demo schon überall positiv<br />

auffiel, kommt man hier zum Höhepunkt. <strong>Die</strong> selbstbetitelte<br />

LP kam direkt über mehrere kleine Punklabel (Elfenart,<br />

Friends like these, aldi-punk, Katze Platten, Search for<br />

fame) heraus und da die Hüllen eigenhändig besprüht sind,<br />

kann man fast da<strong>von</strong> sprechen, dass jede Platte ein Unikat<br />

ist. Wer auf Bands wie AMEN 81 und LOST WORLD steht,<br />

ist hier richtig. <strong>Die</strong> Texte wirken sehr durchdacht, und wem<br />

die Stimme bekannt vorkommt, dem sei gesagt, dass es sich<br />

hier um NEIN NEIN NEIN-Sänger Michael Straschek handelt.<br />

Gerade seine Stimme und Texte machen die Band aus,<br />

aber Vergleiche zu seiner Hauptband sollte man nicht ziehen,<br />

da es hier wesentlich aggressiver zur Sache geht. Eine<br />

der Bands, die dafür Sorgen, dass deutscher Punk doch nicht<br />

ganz langweilig wird. Timbo Jones<br />

KURHAUS<br />

A Future Pornography LP/<strong>CD</strong><br />

LP: Zeitstrafe/<strong>CD</strong>: Poisonfree | Album Nr. 3 der aus dem<br />

hohen Norden stammenden Band, das mir in der Vinylversion<br />

vorliegt, mit Klappcover (innen drin ein Comic) und<br />

großem Booklet. In diesem findet sich das smarte „The Kurhaus<br />

Manifesto“, das wie alle Texte auf Englisch verfasst ist,<br />

man sollte sich da als Neuling nicht vom Bandnamen verwirren<br />

lassen: „Don’t believe in anything you hear in a song!<br />

Don’t believe anything you read in the booklet of a record!<br />

Don’t believe in anything a band says on stage! A band is not<br />

a political organization! Musicians are no political leaders!<br />

Never believe in what we say! Never trust us! Always think<br />

for yourselves!“ Das kann ich so nur unterschreiben, würde<br />

nur noch ergänzen, frei nach den NEWTOWN NEUROTICS:<br />

„Don’t believe anything you read in the press“, sowie aus aktuellem<br />

Anlass: „Never believe what anonymous idiots blog<br />

den Platten düstere Früh-Achtziger-Sounds mit brachialem,<br />

basslastigem Noiserock, und da wundert es auch nicht,<br />

dass ein gewisser Steve Albini für den Mix des mit Drumcomputer<br />

aufgenommenen zweiten Albums verantwortlich<br />

war. TMOC, bestehend vor allem aus den Brüdern John<br />

und Kim Scott, sind bis heute aktiv, haben die Neunziger<br />

über weitere Alben veröffentlicht, die freilich kaum den<br />

Weg nach Europa gefunden haben. Zwei absolut empfehlenswerte<br />

Neuauflagen, wobei „Battlesick“ im Vergleich das<br />

noch eine Idee bessere Album ist. (9) Joachim Hiller<br />

METEORS<br />

Monkey’s Breath <strong>CD</strong><br />

Anagram | In der Rückbetrachtung hätte jede LP als Nachfolger<br />

zu „Wrecking Crew“ einen schweren Stand gehabt.<br />

Denn, wenn man eine Rangfolge der allesamt hervorragenden<br />

Outputs der METEORS erstellen müsste, würde diese<br />

Platte <strong>von</strong> vielen sicher am unteren Ende angesiedelt.<br />

Im Gesamtwerk vielleicht richtig, für sich betrachtet ist<br />

„Monkey’s Breath“ aber eine lupenreine Psychobilly-Platte,<br />

deren Niveau <strong>von</strong> vielen anderen Bands nie erreicht wurde.<br />

Neben Klassikern wie „Hogs & cuties“ und „Rhythm of<br />

the bell“ sind noch drei Bonustracks zur Orginal-LP hinzugefügt.<br />

„Bad moon rising“ und die Maxiversionen der beiden<br />

bereits erwähnten Klassiker. <strong>Die</strong>se <strong>CD</strong> gehört in jede<br />

Psychobilly-Sammlung und wird bei den Fans auch bereits<br />

vorhanden sein. In dieser Version als Digipak aber natürlich<br />

trotzdem eine Empfehlung. (8) (49:46) Robert Noy<br />

NEW SALEM WITCH HUNTERS<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

gethip.com | Zwanzig Jahre nach dem ersten Erscheinen<br />

hat Get Hip das Debütalbum der aus Cleveland, OH stammenden<br />

„Hexenjäger“ neu aufgelegt, das seinerzeit auf Herb<br />

Jackson Records erschien. <strong>Die</strong> Motivation, diesen wunderschönen<br />

Longplayer mit einem Rerelease vor dem Vergessen<br />

zu bewahren, begründet man im Hause Get Hip (bekanntlich<br />

geführt <strong>von</strong> CYNICS-Boss Gregg Kostelich) mit der Seelenverwandtschaft<br />

<strong>von</strong> CYNICS und NSWH, stammen beide<br />

doch aus der gleichen Zeit, waren sie Teil des Sixties-Garagepunk-Revivals<br />

<strong>von</strong> Mitte der Achtziger, doch während<br />

die CYNICS eher Vertreter der Fuzzgitarren-Schule waren,<br />

waren die „Hunters“ auf den Spuren der frühen SEEDS eher<br />

melodiös unterwegs. Erstaunlich ist für mich die Feststellung,<br />

wie zeitlos die Platte ist, wie ähnlich sich die verschiedenen<br />

skandinavischen Revivalisten und die Band sind, die<br />

diesen Sound schon vor 20 Jahren zu neuem Leben erweckt<br />

hatte. Der Orgelsound <strong>von</strong> James Wilson erinnert mich dabei<br />

auch immer wieder (etwa bei „Goodbye ...“) an die leider<br />

längst vergessenen VIETNAM VETERANS mit ihrem sehr<br />

psychedelischen Garagesound. Vom Fehlen jeglicher Linernotes<br />

mal abgesehen ein sehr schöner und empfehlenswerter<br />

Rerelease. (35:33) (8) Joachim Hiller<br />

PVC<br />

s/t 2LP<br />

rottentotten@freenet.de | <strong>Die</strong> Kompilation <strong>von</strong> Berlin-<br />

Punkrock 1977-1989 „Wenn kaputt, dann wir Spass“ hat in<br />

Ausstattung und Geschichtsschreibung Maßstäbe gesetzt, an<br />

der sich jede Wiederveröffentlichung antiken Punks messen<br />

lassen muss. Das wissen zum Glück auch Rotten Totten<br />

Records und Gerrit Meijer, der auch heute wieder mit PVC<br />

auftritt. Das selbstbetitelte Doppelalbum mit dem Alternativtitel<br />

„1977-79“ ist aufklappbar mit „PopUp“-Diorama<br />

und erscheint mit zwei umfangreichen Beiheften, den Texten<br />

und einer Auswahl zeitgenössischer Zeitungsartikel. Im<br />

Jubiläumsjahr der 30-jährigen Punk-Geschichte sind PVC<br />

wieder in aller Munde, und das wird ihrer Bedeutung ganz<br />

und gar gerecht. <strong>Die</strong> 35 Lieder mit zwei Überschneidungen<br />

mögen für moderne Ohren oll klingen – zur Einschätzung:<br />

auf der zweiten Platte werden zum Beispiel die STOOGES,<br />

in the internet!“. Doch zu „A Future Pornography“: Stacheldraht-Musik<br />

mit durcheinanderwirbelndem, mehrstimmigem<br />

Gesang, der <strong>von</strong> sehr melodiös in Sekundenbruchteilen<br />

zu harsch und aggressiv wechselt, eine Band zwischen den<br />

Stühlen, zwischen Indierock und Hardcore, zwischen RO-<br />

BOCOP KRAUS und REFUSED, zwischen Dancepunk und<br />

Screamo, zwischen JR EWING und FUGAZI, die wirklich<br />

schwer fassbar ist ihrem Versuchen, der vorschnellen Kategorisierung<br />

zu entgehen und die, da bin ich mir angesichts<br />

des Manifestes sicher, nichts so sehr hasst wie Klischees und<br />

Schubladendenken – und deshalb mit dem elektronischen<br />

„From Gainesville to Hamburg“ auch zeigt, dass sie ganz andere<br />

Wege gehen kann (wird?). Smartpunk könnte man das<br />

nennen – sehr sympathisch, das alles hier. Als Kritik sei nur<br />

angebracht, dass die Produktion zwar insgesamt okay ist,<br />

aber letztlich nicht ganz so transparent und wuchtig, wie<br />

man sich das wünschen würde. (8) Joachim Hiller<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

KAMIKATZE<br />

s/t 12“<br />

Drachenwerkstatt | Es ist bereits einige Ausgaben her, als<br />

ich die Demo-<strong>CD</strong> <strong>von</strong> KAMIKATZE besprochen hatte. Damals<br />

schrieb ich: „Drei wild gewordene Furien aus Schweden<br />

rotzen einem brachialen Punkrock entgegen, wie man<br />

ihn <strong>von</strong> Frauen nur äußerst selten zu hören bekommt. Roh,<br />

straight und vor allem angepisst! Eine klitzekleine Prise latenten<br />

Humor möchte ich den Damen dabei nicht absprechen.<br />

<strong>Die</strong> Sängerin kreischt sich jedenfalls mit einer enorm<br />

druckvollen Stimme den angestauten Frust aus dem Leib.<br />

Keinesfalls süß oder charmant, aber durchaus dominant<br />

und sexy.“ Selbige Aufnahmen finden sich nun auf Vinyl in<br />

Form dieser 12“ wieder. <strong>Die</strong>se nehme ich dankend an, auch<br />

wenn sich mir der Sinn <strong>von</strong> einseitig bespielten Schallplatten<br />

bis heute nicht erschlossen hat. Wie auch immer. Zusätzlich<br />

gibt es hier drauf zumindest noch eine amüsante<br />

Elektro-Trash-Disco-Remix-Version des Songs „I hate<br />

kids“. (7) Alex Gräbeldinger<br />

KEVINS CAMPFIRE<br />

Disaster <strong>CD</strong><br />

choirboy-records.de/Cargo | Vor rund zwei Jahren wussten<br />

KEVINS CAMPFIRE mit einer kleinen, aber feinen Eigenproduktion<br />

auf sich aufmerksam zu machen. Mittlerweile<br />

hat es mit dem prophezeiten Plattenvertrag geklappt<br />

und auch sonst lassen sich einige Neuerungen vermelden.<br />

<strong>Die</strong> Bassistin hat letztes Jahr das warme Plätzchen am Lagerfeuer<br />

an einen stattlichen jungen Mann abgegeben und<br />

songwriterisch hat man sich seit „Change Of Tune“ „weiterentwickelt“.<br />

Ja, die Anführungszeichen stehen nicht ohne<br />

Grund da, denn leider bringt nicht jede Veränderung Verbesserungen<br />

mit sich. So wirkt die Screamo-Attacke im Opener<br />

„Sourcream“ doch arg aufgesetzt und auch sonst scheinen<br />

einige Zugeständnisse an den musikalischen Zeitgeist<br />

gemacht worden zu sein, die etwas unangenehm aufstoßen.<br />

Über die volle Distanz eines Albums ist dann auch nicht<br />

wirklich jeder Song spannend. An sich beweist das Ingolstädter<br />

Trio aber nach wie vor ein gutes Gespür für eingängige<br />

Melodien, ist mit Herz und Seele bei der Sache und geht<br />

auch gerne mal etwas härter zu Werke, so dass „Disaster“ alles<br />

andere als ein solches geworden ist. Ganz im Gegenteil.<br />

Aber um an etwaige Referenzen wie SLUT und BLACKMAIL<br />

heranzukommen, fehlt noch ein Stückchen. (44:14) (6)<br />

Ingo Rothkehl<br />

KOLLEKTIVER BRECHREIZ<br />

Der Sinn des Lebens <strong>CD</strong>/LP<br />

hoehni-records.de | <strong>Die</strong> Band stammt aus Sömmerda und<br />

steht zu ihrer Herkunft: „Herr Klose <strong>von</strong> der Stasi“ wird<br />

thematisiert, der Alptraum ist der Wiederaufbau der Mauer<br />

und dass „der Erich wieder da“ ist. Das passt auf jeden Fall<br />

zum zwar krachigen, aber dennoch meist melodisch-flotten<br />

Chris Montez, Eddie Cochran, Liverpool-Rock und die VIB-<br />

RATORS gecovert – auf die Bildung eines harten Kerns und<br />

die Abkehr <strong>von</strong> der Vermarktung durch das Business hatten<br />

PVC als erste Berliner Punkband in den Pionierjahren erheblichen<br />

Einfluss. <strong>Die</strong> erste Platte enthält 4- und 8-Spur-<br />

Aufnahmen, die zweite (nicht vorliegende) einen Gig im<br />

Kant-Kino (das SO36 galt bereits damals als „kommerziell“),<br />

sowie Coverversionen. <strong>Die</strong> vom mittlerweile verstorbenen<br />

Knut Schaller gesungenen Lieder sind häufig am intensivsten<br />

und haben möglicherweise am wenigsten an Aktualität<br />

eingebüßt. Man muss, um zu verstehen, wer man ist,<br />

seine Wurzeln kennen. (7) Walmaul<br />

R.E.M.<br />

And I Feel Fine ... The Best Of The I.R.S. Years 1982-<br />

1987 2<strong>CD</strong><br />

EMI | Eines der interessantesten Labels der Achtziger war<br />

das Quasi-Indielabel I.R.S., das <strong>von</strong> Miles Copeland aufgebaut<br />

worden war, dem Bruder des POLICE-Drummers Stewart<br />

Copeland. Auf I.R.S.<br />

erschienen seinerzeit<br />

Platten <strong>von</strong> solch grandiosen<br />

Bands wie WALL<br />

OF VOODOO, FLESHTO-<br />

NES, LORDS OF THE NEW<br />

CHURCH, GO-GOS und<br />

zig anderen – und eben<br />

R.E.M., die dort in fünf<br />

Jahren fünf Alben veröffentlichten<br />

und 1987 zwar<br />

bei weitem noch nicht die<br />

Superstars waren, zu denen<br />

sie in den Neunzigern<br />

wurden. Nun sind R.E.M. wie DIE ÄRZTE eine jener Bands,<br />

die trotz Superstardom nicht Scheiße geworden sind, aber<br />

ehrlich gesagt, nehmen ich ihre neuen Platten eher über Radio-Airplay<br />

wahr, lege sie mir zwar nur ausnahmsweise zu,<br />

bin aber immer wieder überrascht, wie schön ihre dem immer<br />

gleichen knarzigen 80er-Indierock-Schema folgenden<br />

Songs noch sind. Meine Liebe gilt aber ganz klar den<br />

frühen R.E.M., die hier dokumentiert wurden und die mit<br />

„The one I love“ einen meiner absoluten Lieblingssongs geschrieben<br />

haben. 21 Songs finden sich auf der regulären <strong>CD</strong><br />

(eine Extraversion kommt mit Bonus-<strong>CD</strong>, auf der sich neben<br />

Livesongs andere Mixe bekannter Songs, Demo-Tracks<br />

etc. finden; darüber hinaus gibt’s auch noch eine eigenständige<br />

DVD-Version), und mit „Fall on me“, „It’s the end of<br />

the world as we know it“, „Finest worksong“, „So. Central<br />

rain (I’m sorry)“, „Pretty persuasion“ und natürlich auch<br />

„Radio Free Europe“ <strong>von</strong> der ersten Single sind alle wichtigen<br />

Songs enthalten. Klar, der Fan besitzt die sowieso bereits<br />

alle, ist höchstens scharf auf die Bonus-<strong>CD</strong>, doch wer bislang<br />

an R.E.M. warum auch immer vorbeigegangen ist, sollte<br />

sich spätestens hiermit <strong>von</strong> Michael Stipe und Co. verzaubern<br />

lassen. Traumhaft schöne Lieder, die immer wieder<br />

die Wurzeln der Band in Punk, Garagerock und Folk erkennen<br />

lassen – und die vor allem immer nur nach R.E.M. klingen.<br />

Und hätten HÜSKER DÜ nicht 1987 das Handtuch geschmissen,<br />

wer weiß, wo die heute stehen würden ... Eine<br />

essentielle Zusammenstellung. (78:06) (10) Joachim Hiller<br />

RIOT SQUAD<br />

No Potential Threat <strong>CD</strong><br />

Captain Oi! | <strong>Die</strong> englische Band RIOT SQUAD aus Manchester<br />

gab es leider nur <strong>von</strong> 1981 bis 1984. In dieser Zeit<br />

veröffentlichte man diverse Singles, die dem typischen UK-<br />

Streetpunk-Sound um das Jahr ’82 entsprachen. Man denke<br />

in etwa an THE EXPLOITED, BLITZ, oder ONE WAY SYS-<br />

TEM. In der kurzen Zeit, in der es die Band gab, haben es<br />

RIOT SQUAD, wieder leider, nie zu einem Studioalbum gebracht.<br />

Erst posthum wurden ihre Singles kompiliert und<br />

Deutschpunk. Insgesamt ist die Band, die sich lieber als KBR<br />

abkürzt, eher durchschnittlich, liefert auch mal einen Horror-Text<br />

oder ein Liebeslied. Im Meer des doofen Deutschpunks<br />

macht KBR trotzdem einen korrekten Eindruck. (5)<br />

Klaus N. Frick<br />

KONFLIKT<br />

Sapere aude <strong>CD</strong><br />

nix-gut.de/konflikt.sk | Eine feste Größe im internationalen<br />

Punkrock-Zirkus sind seit über 16 Jahren KONF-<br />

LIKT aus der Slowakei. Durch ausgiebiges Touren, ständige<br />

Live-Präsenz haben sie sich eine treue Fangemeinde erspielt<br />

und somit ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass nun<br />

das neue, leider erst vierte Album auf einem deutschen Label<br />

erscheint. Gemessen an der sonstigen Veröffentlichungswut<br />

lassen sich KONFLIKT Zeit mit ihren Songs und heben<br />

sich somit auch wohltuend vom ganzen mittelmäßigen<br />

Einheitsbrei ab. Der Grundkonsens ist politischer und wütender<br />

Punkrock, aber auch folkloristische und metallische<br />

Motive tauchen wie selbstverständlich auf und verschmelzen<br />

zu einem treibenden Gesamtsound. Leider gibt es keine<br />

Übersetzungen, was ich persönlich sehr schade finde, denn<br />

das Digipak ist ansonsten vorbildlich und aufwendig gestaltet.<br />

(7) Carsten Vollmer<br />

KAADA<br />

Music For Moviebikers <strong>CD</strong><br />

Ipecac | Das zweite Album <strong>von</strong> KAADA hört auf den Namen<br />

„Music For Moviebikers“ und besticht mal wieder<br />

durch ungewohnte, jedoch angenehme Sounds und Kompositionen.<br />

John Kaada hat ein 22-köpfiges Orchester um<br />

sich gescharrt, um die dreizehn Songs einzuspielen. Teilweise<br />

erinnern die Stücke schon an „Romances“, jenes Album,<br />

welches er mit Mike Patton komponiert und aufgenommen<br />

hat, doch muss ich sagen, dass mir „Music For Moviebikers“<br />

teilweise noch besser gefällt und einfach universeller<br />

„einzusetzen“ ist: sowohl in ruhigen, bedächtigen Momenten<br />

als auch während Autofahrten oder beim Arbeiten am<br />

Computer. Man höre nur „Mainstreaming“, „Julia Pastrana“<br />

oder „Celibate“ – genialer geht’s nimmer! KAADA muss<br />

man einfach erlebt haben und dann wird man die Musik<br />

lieben, sofern man sich mit Filmmusik oder klassisch angehauchten<br />

Stücken anfreunden kann. Graziös und über jegliche<br />

Klischees erhaben! (59:55) (9) Ross Feratu<br />

NEIL LEYTON<br />

The Betrayal Of The Self <strong>CD</strong><br />

Feedback Boogie | Wie gewöhnlich mit großen<br />

Ambitionen in Sachen guter abwechslungsreicher<br />

Musik zeigt sich Neil Leyton auf seinem<br />

neuen Werk „The Betrayal Of The Self“. Wenn ich<br />

l<br />

an „Midnight Sun“ oder „Blacklight Skies“ zurück<br />

denke, erscheint mir dieses Album fast wie<br />

ein „Best Of“. Natürlich mit neuen Stücken, aber es bringt<br />

die unermüdliche, leidenschaftliche Atmosphäre der vorigen<br />

Alben und vereinigt sich hier zu einem leckeren, saftigen<br />

Sandwich. Wir haben die punkmotivierten Nummern<br />

wie „The system is the system is the problem“ oder „Automatically“.<br />

Dann wieder diese Glamrock-Sachen, gekoppelt<br />

mit einer AT THE DRIVE IN-Attitüde. Dann hab ich ein<br />

Bild im Kopf wo er zusammen mit seiner derzeitigen Besetzung<br />

(Leute <strong>von</strong> AMEN, BLACK HOLES, Mike Monroe und<br />

SINISTERS) in glitzernden Kostümen mit den Gitarren diese<br />

Auf-und-ab-Bewegungen macht wie man es <strong>von</strong> SWEET<br />

oder STATUS QUO kennt. Alle 13 Lieder verfolgen das Ziel,<br />

sich gegenseitig zu schlagen, ein Wettkampf zwischen seinen<br />

nachdenklichen Balladen, den Pop/Rock-Nummern<br />

und den runtergeschrammelten Punk/Metal-Songs – wenn<br />

die anfangen, aufeinander los zu gehen, dann entsteht zum<br />

Beispiel „Alone/together“. Bei dem Stück meint man, einem<br />

knickt der Kopf nach hinten oder vorne weg, die Übergänge<br />

sind so spitze, es entstehen ungefähr 12 verschiedene<br />

auf „No Potential Threat“ veröffentlicht. Das war kurz nach<br />

Auflösung der Band. Zeit also für Captain Oi!, eben jene Singles-Collection<br />

erneut herauszubringen. Eine sehr löbliches<br />

Unterfangen wenn man bedenkt, dass die originalen Singles<br />

nur schwer, wenn überhaupt, zu bekommen sein dürften<br />

und die Band vielen Leuten, die klassischen englischen Oi!<br />

generell mögen, dennoch nichts sagt. (56:14) (7)<br />

Claudia Luck<br />

RAWSIDE<br />

Staatsgewalt <strong>CD</strong>+DVD<br />

Impact | Bei der <strong>CD</strong> handelt es sich um ein Reissue des Albums<br />

<strong>von</strong> 1997, welches komplett remastert wurde. RAW-<br />

SIDE dürften den meisten wohl als eine feste Größe der<br />

deutschen Hardcore-Szene bekannt sein, zumal sie ja seit<br />

ein paar Jahren wieder aktiv sind. <strong>Die</strong> Songs haben nichts<br />

<strong>von</strong> ihrer Kraft verloren und nichts an Relevanz. Obwohl ich<br />

sie seit langem nicht mehr gehört habe, gebe ich bei den<br />

teilweise englisch und deutsch gesungenen Texten letzteren<br />

immer noch den Vorzug. Allein schon, weil es im deutschsprachigen<br />

Hardcore in der jüngeren Geschichte des Genres<br />

kaum Besseres gab. Dazu gibt es noch mal 16 Songs, live aufgenommen<br />

in der aktuellen Besetzung 2005 beim „Good<br />

Night White Pride“-Festival in Schweinfurt. Und als Bonus<br />

eine Live-DVD mit 18 Tracks vom eben genannten Festival.<br />

Für Jüngere oder Zuspätgekommene unter euch ist dieses<br />

Package zum schmalen Preis meiner Meinung nach ein echtes<br />

Schnäppchen. Oliver Willms<br />

RIVER CITY TANLINES<br />

All 7 Inches Plus 2 More <strong>CD</strong><br />

dirtnaprecs.com | Alicja Trout ist ein irres Arbeitstier und<br />

hat in den letzten Jahren mehr Bands gehabt als so mancher<br />

grau gewordene Rock’n’Roller in seinem ganzen Leben:<br />

LOST SOUNDS, BLACK SUNDAY, DESTRUCTION UNIT,<br />

FITTS, MOUSEROCKET und wie sie alle hießen. Und eben<br />

RIVER CITY TANLINES, mit denen sie im September auch<br />

auf Europatour war. Unter diesem Namen hat sie zusammen<br />

mit Bassist Terrence (unter anderem RL Burnside, MR.<br />

AIRPLANE MAN) und Bubba John (der auch für RL Burnside<br />

trommelte) drei Singles aufgenommen, die wegen geringer<br />

Auflage <strong>von</strong> 300 bis 700 Stück natürlich längst ausverkauft<br />

sind, aber nun <strong>von</strong> Dirtnap auf <strong>CD</strong> wiederveröffentlicht<br />

wurden, ergänzt um drei neue, unveröffentlichte<br />

Tracks. Wer mit Alicja Trout kantige, ultranoisige Elektro-Punk-Nummern<br />

à la LOST SOUNDS verbindet, dürfte<br />

<strong>von</strong> RCT überrascht sein, denn – angesichts der Mitmusiker<br />

überrascht das allerdings nicht wirklich – hier gibt’s<br />

ganz basalen, knarzigen, angebluesten Rock’n’Roll mit teils<br />

recht sweeten Melodien: Alicja kann auch nett singem wenn<br />

sie will, siehe etwa das grandios betitelte „Bummer in the<br />

summer“. Alicja-Fans wissen, was sie bekommen, denke ich<br />

– die Dame ist wirklich eine Ausnahmeerscheinung in der<br />

Männerdomäne LoFi-Punkrock. (33:03) (8) Joachim Hiller<br />

RANTANPLAN<br />

Two Worlds At Once <strong>CD</strong><br />

Anagram | So langsam scheint das Material für Neuauflagen<br />

alter Psychobilly-LPs zu Neige zu gehen. Trotzdem<br />

richtig, alle LPs nach und nach erneut auf <strong>CD</strong> herauszubringen.<br />

RANTANPLAN aus Bremen (nicht zu verwechseln<br />

mit den Hamburger Ska-Punks) haben sich Anfang der 90er<br />

nur kurz in der Psychobilly-Szene aufgehalten und auch<br />

nur eine Platte veröffentlicht. <strong>Die</strong>se gibt es jetzt auch als <strong>CD</strong><br />

und das ist auch das einzig Erwähnenswerte. Musikalisch<br />

ist die Band nicht außergewöhnlich aufgefallen, ihr Sound<br />

war maximal durchschnittlich. <strong>Die</strong> Stimme des Sängers ist<br />

zum Teil sehr dünn, auch wenn nach Abwechselung gesucht<br />

wird. Hits sind nicht enthalten. (34:03) (4) Robert Noy<br />

Songs in einem. Neil Leyton ist bestimmt ein Künstler, der<br />

später als Einfluss für irgendwelche Bands gelten wird. Genauso<br />

muss eine Platte sein, du weißt sofort dass der Interpret<br />

mit ganzem Leib völlig dahinter steht, da gibt es nichts<br />

dran zu rütteln, genauso wollte er es haben. Martha Biadun<br />

LAMBCHOP<br />

Damaged <strong>CD</strong><br />

City Slang/Rough Trade | Es ist für mich schon zu einer Art<br />

Tradition geworden, seit dem 1994er Debüt „I Hope You’re<br />

Sitting Down“ jede neue LAMBCHOP-Platte zu besprechen<br />

und durchaus auch noch<br />

begeistert da<strong>von</strong> zu sein.<br />

Nach der Opulenz der<br />

letzten Platten hat Kurt<br />

Wagner seinen eigenwilligen<br />

Nashville-Country-<br />

Sound sehr zurück gefahren,<br />

was sich eher in Tempo<br />

und Lautstärke niederschlägt,<br />

denn die Instrumentierung<br />

scheint nicht<br />

weniger veredelt zu sein,<br />

was sich besonders an den<br />

eleganten Streicherarrangements<br />

zeigt. Doch hinter den warmen, emotional aufgeladenen<br />

Kompositionen Wagners stecken diesmal erstaunlich<br />

angespannte Geschichten, die hier allerdings eingebettet<br />

sind in ganz wundervolle Musik, selbst für LAMBCHOP-<br />

Verhältnisse. „Damaged“ ist dementsprechend eine Platte<br />

der leisen Höhepunkte, nachdenklich wie bedacht umgesetzt<br />

und auf den sympathischen Größenwahn vorheriger<br />

LAMBCHOP-Werke verzichtend. Was anfangs etwas unspektakulär<br />

wirkt, wobei der Opener „Paperback bible“ einen<br />

durchaus gekonnt mit der Gesamtatmosphäre der Platte<br />

vertraut macht, wächst mit jedem weiteren Hören aufgrund<br />

der generell sehr subtilen Umsetzung <strong>von</strong> Wagners<br />

Songwriting, der seine zahlreichen Mitmusiker sparsam<br />

aber pointiert einsetzt. Mit seinem neunten Album ist Wagner<br />

noch mal ein ganz großer Wurf gelungen, und das will<br />

was heißen, denn so richtig schlecht war bisher noch keine<br />

LAMBCHOP-Platte, wobei die tatsächliche Steigerung hier<br />

diesmal im Weglassen besteht. (9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

LAST CAUSE<br />

Life Vs. Tragedy <strong>CD</strong><br />

strivingfortogetherness.com | So schnell kann es manchmal<br />

gehen. Im Interview der letzten Ausgabe berichteten die<br />

vier sympathischen Jungs aus dem Drei-Länder-Eck noch<br />

<strong>von</strong> nie enden wollenden Aufnahmesessions zu ihrem Debütwerk<br />

... Okay, Spaß beiseite. Was lange währt, wird endlich<br />

gut. <strong>Die</strong> seit dem Jahre 2002 bestehende Band befand<br />

sich im Frühjahr 2005 in einer Art Vakuum, denn der langjährige<br />

Drummer hatte den <strong>Die</strong>nst quittiert und die Suche<br />

nach einem geeigneten Nachfolger sollte sich als weitaus<br />

schwieriger herausstellen als anfangs erhofft. So und nun<br />

zum Wesentlichen. Erschienen auf Strivingfortogetherness<br />

Records und mit ganzen 40:28 Min, verteilt auf 21 knackige<br />

Songs, bietet „Life Vs. Tragedy“, so der unmissverständliche<br />

Titel des Albums, die volle Breitseite Oldschool-Hardcore.<br />

Richtig gelesen, Oldschool und zwar nicht als platte Attitüde,<br />

um sich der „guten alten Zeit“ anzubiedern, sondern<br />

als ernsthafte Auseinandersetzung mit den musikalischen<br />

und textlichen Wurzeln dieses in der heutigen Zeit so oft<br />

falsch interpretierten Genres. Also denkt euch einfach ein<br />

bisschen guten alten Hardcore à la NA, BAD BRAINS, dazu<br />

die Geschwindigkeitsexzesse <strong>von</strong> PUSHEADs „Septic Death“<br />

und dann das Ganze mit Punkrock-Mentalität versehen und<br />

ihr wisst ungefähr, wo ihr den Sound der Band einordnen<br />

könnt. Ab und zu lassen sich auch mal ein paar Reminiszenzen<br />

an längst vergangene METALLICA-Zeiten erkennen. Ich<br />

meine auch, dass die „bösen Buben“ des New York Hardco-<br />

SHAI HULUD<br />

A Profound Hatred Of Man: Shrapnel Inc. <strong>CD</strong><br />

Hearts Once Nourished With<br />

Hope And Compassion <strong>CD</strong><br />

revelationrecords.com | „<strong>Die</strong> Liebe ist ein seltsames Spiel“,<br />

sang Connie Francis im Jahr 1960, und an der Richtigkeit<br />

dieser Aussage hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert.<br />

Deswegen ist es auch keineswegs<br />

inkonsequent,<br />

eine Band zu lieben, die<br />

wie SHAI HULUD „Love<br />

is the fall of every man“<br />

proklamiert. Besagter<br />

Song stammt <strong>von</strong> der ersten<br />

EP der Band aus dem<br />

Süden Floridas, und vor<br />

allem deren Titel („A Profound<br />

Hatred Of Man“)<br />

ist Ursprung einer immer<br />

wieder gerne geäußerten<br />

Fehlinterpretation. Denn<br />

Matt Fox, der Kopf der Band, ist keineswegs der Misanthrop,<br />

den viele in ihm sehen wollen – auch wenn er sich das<br />

auf seine Shirts drucken lässt. Das stellt allerdings nur fest,<br />

wer sich die Mühe macht, auch die düstersten Ecken seiner<br />

verschachtelten Songs nach ihrer wahren und lebensbejahenden<br />

Bedeutung auszuleuchten. Von wegen also „Solely<br />

concentrating on the negative aspects of life“, wie uns<br />

der Opener des ersten SHAI HULUD-Albums „Hearts Once<br />

Nourished With Hope And Compassion“ weismachen will,<br />

das nun neu abgemischt und gemastert sowie mit neuem<br />

Artwork wiederveröffentlicht wurde. Und wen das immer<br />

noch nicht vom Gutem in Matt Fox überzeugt, dem hat<br />

dieser in das dicke Booklet des zweiten Rereleases (mit allen<br />

EPs und Samplerbeiträgen, welche die Band je aufgenommen<br />

hat) ein schönes Zitat <strong>von</strong> Martin Luther King geschrieben:<br />

„Hatred paralyzes life; love releases it / Hatred<br />

confuses life; love harmonizes it / Hatred darkens life; love<br />

illuminates it“. Manchmal kann das mit der Liebe eben auch<br />

ganz einfach sein. <strong>Thomas</strong> Renz<br />

SEX PISTOLS<br />

Spunk <strong>CD</strong><br />

Castle/Sanctuary/Rough Trade | <strong>Die</strong> Geschichte der SEX<br />

PISTOLS ist ausführlichst dokumentiert und popkulturell<br />

komplett verwurstet worden, doch die Anzahl der Wahrheiten<br />

über die zwar nicht erste, aber doch bekannteste Punkband<br />

der Welt ist bis heute erstaunlich. Interessant ist rückblickend<br />

auf jeden Fall die Tatsache, dass die Band ihr erstes<br />

und einziges Album „Never Mind The Bollocks“ erst im Oktober<br />

1977 veröffentlichte, als nach Meinung vieler die erste<br />

Punkwelle <strong>von</strong> 1976 schon wieder abebbte. Zur Verzögerung<br />

hatte auf jeden Fall beigetragen, dass sich nach dem<br />

Rückzug <strong>von</strong> EMI und A&M erst Virgin als drittes Label bereit<br />

fand, das Album auch wirklich zu veröffentlichen. Und<br />

so besaßen die Hardcore-Fans zum Zeitpunkt der Veröffentlichung<br />

<strong>von</strong> „Never Mind The Bollocks“ nicht nur die<br />

Singles, sondern auch das „No Fun“- wie das „Spunk“-Album,<br />

beides Bootlegs, <strong>von</strong> denen ersteres <strong>von</strong> eher schlechter<br />

Qualität war, aber letzteres, im September 1977 unterm<br />

Ladentisch erhältlich, war da eine andere Liga. Hier<br />

fanden sich Studioaufnahmen <strong>von</strong> Juli und Oktober 1976<br />

sowie <strong>von</strong> Januar 1977, die noch mit dem Original-Bassisten<br />

Glen Matlock unter der Obhut <strong>von</strong> Dave Goodman entstanden<br />

waren. <strong>Die</strong>ses Bootleg erfährt nun eine Wiederveröffentlichung,<br />

und im Gegensatz zu unzähligen überflüssigen<br />

Live-<strong>CD</strong>s ist „Spunk“ ein begeisterndes Dokument der<br />

frühen, rauhen SEX PISTOLS vor dem Einstieg <strong>von</strong> Sid Vicious.<br />

<strong>Die</strong> Soundqualität der remasterten (und um drei Bonustracks<br />

aus den gleichen Sessions ergänzten) Aufnahmen<br />

ist ebenfalls erstaunlich gut, und so machen die frühen Ver-<br />

<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 075<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 75 22.09.2006 20:52:20 Uhr


Flight 13 Records<br />

gibt Gartentipps<br />

SONIC DOLLS<br />

- I´m a fl ower too - LP/<strong>CD</strong><br />

„Great Punkrock between<br />

Queers & Screeching Weasel!“<br />

unterwegs: 20.10. - muenster, fi eber-tanzparty<br />

(cubanova) 12.10. - como, milonga, italy / 11.10.<br />

- genova, alter ego, italy / 08.10. - livorno, marquee,<br />

italy / 07.10. - la spezia, scaletta, italy / 06.10.<br />

- milano, indian saloon, italy (tbc) / 05.10. - innsbruck,<br />

PMK, austria (w/ mugwumps)<br />

im Vertrieb <strong>von</strong> .biz<br />

rereleases<br />

sionen <strong>von</strong> Klassikern wie „No feelings“ (hier: „Feelings“),<br />

„Submission“, „Anarchy in the U.K.“ (hier: „Nooky“), „God<br />

save the Queen“ (hier: „No future“) „Pretty vacant“ (hier:<br />

„Lots of fun“) oder „Liar“ echt Spaß. Ein wichtiges Dokument,<br />

dessen Artwork das des Originals aufgreift und in dessen<br />

Booklet die Geschichte <strong>von</strong> „Spunk“ erläutert wird.<br />

(56:27) (8) Joachim Hiller<br />

SUBLIME<br />

Gold 2<strong>CD</strong><br />

Universal | Sie hätten riesig werden können, zu unangefochtenen<br />

Headlinern der großen Sommerfestivals, doch<br />

im Mai 1996, zwei Monate vor Erscheinen des dritten und<br />

titellosen Albums der 1988 gegründeten Formation aus<br />

Long Beach, starb Frontmann Bradley Nowell an einer Heroin-Überdosis<br />

– und die Band, die wie kaum eine andere<br />

vor ihnen rotzige Punk-Attitüde mit Reggae-Grooves, Ska-<br />

Rhythmen und Dub-Relaxtheit verbunden hatte, war Vergangenheit,<br />

ging in den LONG BEACH DUB ALLSTARS auf,<br />

die selbst 2001 aufgelöst und <strong>von</strong> LONG BEACH SHORT-<br />

BUS beerbt wurden. Wer bislang nichts <strong>von</strong> den Kiff-Punks<br />

SUBLIME besitzt, an wem selbst der Klassiker „40 OZ To<br />

Freedom“ bislang vorbeigegangen ist, der bekommt mit<br />

„Gold“ eine zwei <strong>CD</strong>s umfassende Zusammenstellung mit<br />

massiven 44 Songs, auf denen wirklich alles an Hits enthalten<br />

ist (unter anderem „Date rape“, „40 oz to freedom“,<br />

„Santeria“, „What I got“, „Wrong way“), digital remastert<br />

und zwar mit einem hässlichen Wühlkistencover („Gold“<br />

ist eine neue Rerelease-Serie <strong>von</strong> Universal), aber einem<br />

okaynen, informativen Booklet. Von daher. Ein okayner Deal<br />

für Neueinsteiger, für alte Fans aber überflüssig. (9)<br />

Joachim Hiller<br />

SOMELOVES<br />

Don’t Talk About Us – The Real Pop Recordings Of<br />

The Someloves 1985-89 2<strong>CD</strong><br />

Half A Cow | Wie oft hatte ich während meines ersten Winters<br />

hier in groovy old Melbourne town die „Something or<br />

other“-LP der SOMELOVES laufen lassen! Half A Cow Records<br />

haben jetzt noch mal die kompletten Aufnahmen dieses,<br />

nach einem REAL KIDS-Stück benannten Dom Mariani<br />

& Darryl Mather-Projektes als Doppel-<strong>CD</strong> herausgebracht.<br />

Disc One enthält die „Something or other“-LP in Originalgeschwindigkeit.<br />

Wie man in den Linernotes erfährt, hatten<br />

Mushroom Records sie bei Erscheinen 1989 leicht „upspeed“<br />

veröffentlicht. Disc Two ist eine Collection aller weiterer<br />

Tracks der vier Singles plus zwei Remixe. Zusätzlich<br />

dazu gibt es ein 36-seitiges Booklet, in dem nicht nur die<br />

kurze Existenz dieser Band via neuerer Interviews mit Mariani<br />

und Mather äußerst detailliert skizziert wird, sondern<br />

dass auch mit Fotos reich bebildert ist. Laut Linernotes wird<br />

„Something Or Other“ <strong>von</strong> einigen nicht weiter genannten<br />

Leuten heutzutage als eines der 10 besten Powerpop-<br />

Alben aller Zeiten angesehen. Darüber lässt sich vielleicht<br />

streiten, zumal die Hälfte der Songs nicht wirklich Powerpop<br />

ist, sondern eher Melodic Guitarpop. Nichtsdestotrotz,<br />

die meisten der Songs, sowohl die Stücke mit schnellerem<br />

Beat, wie zum Beispiel „Melt“, „Little town crier“, „Another<br />

happy ending“ oder „I didn’t mean that“ mit seinen Knockyou-out-Melodien<br />

und seinen herrlich schönen Refrains,<br />

als auch die ruhigeren, melancholischen Jangle-Pop-Nummern<br />

wie „How she loves“, „Forever a dream“ oder „I’m falling<br />

down“ haben den Pop Music-Fan sofort auf den Knien.<br />

Das sind einfach Melodien, die man für Wochen, Monate,<br />

Jahre im Ohr behält! Und Dom Marianis Stimme passt<br />

perfekt zum Sound. 1985 – während er noch Frontman bei<br />

076 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />

LONELY KINGS<br />

- end of forever - <strong>CD</strong><br />

“Killer Punkrock from Santa<br />

Cruz - their fourth Album”<br />

on tour: 03.10. - Aachen, AZ / 04.10. - Saarbrücken,<br />

Garage / 05.10. - Darmstadt, Oetinger Villa /<br />

06.10. - München, Feierwerk e.V. / 07.10.<br />

Schweinfurt / 08.10. Würzburg / 09.10. - Saarbrücken,<br />

Garage / 10.10. - Regensburg, Alte Mälzerei<br />

/ 11.10.- Zwiesel, Jugendcafe / 12.10. - Leipzig,<br />

Conne Island / 13.10. - Berlin, Wild At Heart / 15.10. - Bonn, KULT 41 /<br />

16.10. - Hannover, Bei Chez Heinz / 17.10. - Bremen, Schlachthof / 18.10.- Bingen,<br />

JuZ im Vertrieb <strong>von</strong> cargo-records.de<br />

Flight 13 Records | Nordstr. 2 | D-79104 Freiburg<br />

Fon ++49 (0)761 208 99 0 | www.fl ight13.com<br />

den 60s Garageheads THE STEMS war – startete er zusammen<br />

mit Darryl Mather (ex-LIME SPIDERS, später ORAN-<br />

GE HUMBLE BAND) und einigen Gastmusikern, unter anderem<br />

Christian Houllemare (HAPPY HATE ME NOTS),<br />

Gary Chambers (THE STEMS), Bill Gibson (THE EASTERN<br />

DARK) und dem Amerikaner Mitch Easter (LET’S ACTIVE),<br />

der neben Gitarren-Overdubs auch für die Produktion zuständig<br />

war, diese, als reines Studioprojekt gedachte Guitarpop-Band.<br />

Da Darryl Mather nicht bereit war, die in Australien<br />

erfolgreiche Platte durch eine Tour weiter zu promoten,<br />

kam es zu keinem weiteren Deal mehr mit dem Major<br />

Mushroom Records und die Band war kurze Zeit später<br />

Geschichte. Dom gründete darauf DM3. Auf der zweiten<br />

<strong>CD</strong> befindet sich neben allen hervorragenden Single-B-<br />

Seiten der Titeltrack „Don’t talk about us“, ein klassisches,<br />

24-Karat-Powerpop-Juwel, das auch auf der hervorragenden<br />

„Do The Pop!“-Compilation auf Shock Records zu finden<br />

ist. „The Real Pop Recordings Of The Someloves 1985-<br />

89“ ist durchgängig zeitlos schöner, melodischer Guitar-/<br />

Powerpop. (83:04) (10) Matt Henrichmann<br />

SEEIN’ RED<br />

Workspiel <strong>CD</strong><br />

coalition-records.com | Warum die nicht ganz frische SEE-<br />

IN’ RED, „Workspiel“, gerade jetzt in meinem Postkasten<br />

landet, ist mir nicht ganz klar, aber egal: SEEIN’ RED sind<br />

die Nachfolgeband <strong>von</strong> LÄRM, die sich Ende der Achtziger<br />

auflösten. Waren LÄRM für ihren kompromisslosen Stop-<br />

And-Go-Thrash bekannt (siehe auch: TH’ INBREAD: Too<br />

Much Hardcore For Breakfast: „7:30 in the morning, stereo<br />

rocks, LÄRM blows off my socks ...“), wandten sich SEEIN<br />

RED zunächst mehr in die Washington, D.C./Dischord-Ecke<br />

und sind, im Vergleich zu heute, auf „Workspiel“ verdammt<br />

melodiös und langsam. Okay, natürlich nur, wenn du EU-<br />

ROPE nicht für harte Musik hältst. Musikalisch gibt es dann<br />

hier auch diese D.C.-typischen sperrigen Songs, wie sie auch<br />

MINOR THREATgespielt haben, die wohl am ehesten zum<br />

Vergleich taugen. Was SEEIN’ RED aber <strong>von</strong> oben genannter<br />

Szene unterscheidet, ist der offensichtliche politische<br />

Anspruch, sind doch SEEIN’ RED zumindest bei der Erstveröffentlichung<br />

<strong>von</strong> „Workspiel“ 1993 bekennende Kommunisten<br />

gewesen, haben sich aber heute <strong>von</strong> Parteipolitik<br />

wieder verabschiedet. Enthält noch die „Seein’ Red“- und<br />

die „It Takes Three To Fuck Up Shit“-7“s. Gehört in jede<br />

Plattensammlung. (54:29) (8) Dr. Oliver Fröhlich<br />

DONA DUMITRU SIMINIC<br />

Sounds From A Bygone Age Vol. 3 <strong>CD</strong><br />

Asphalt Tango/Indigo | In der <strong>CD</strong>-Reihe „Sounds From A<br />

Bygone Age“ veröffentlicht das Berliner Asphalt Tango Label<br />

in Abständen selten Aufnahme mit Musik aus Osteuropa.<br />

Bei Dona Dumitru Siminic handelt es sich um einen Sänger<br />

aus Rumänien, der mit einer unnachahmlichen Falsettstimme<br />

in Gartenlokalen und Restaurants auftrat. In den 50er<br />

Jahren begann Siminic mit den ersten Aufnahmen für das<br />

Radio. Siminic wurde im Studio nicht nur <strong>von</strong> berühmten<br />

Lautarimusikern wie den Bebe-Brüdern begleitet, es passierte<br />

auch, dass zum Beispiel ein fehlender Bassist einfach<br />

aus der nächsten Kneipe geholt wurde. <strong>Die</strong> 13 Titel auf diesem<br />

Album stammen allesamt aus den frühen 60er Jahren.<br />

Begleitet <strong>von</strong> Cymbalon (ein Hammerklavier), Akkordeon<br />

und Bass singt Siminic den Blues aus den Vororten, um den<br />

Einsamen Trost zu spenden, die Wunden der Liebeskranken<br />

zu kühlen und die frisch Verliebten schon auf das Ende der<br />

Liebe einzustimmen. Durch seine eindringliche Stimme erhält<br />

die ohnehin schon virtuose Roma-Musik eine ganz besondere<br />

Note. Wenn man sich einmal auf diese androgyne<br />

Stimme eingelassen hat, dann lässt sie einen nicht mehr los,<br />

und ich beginne zu verstehen, warum dieser Mann im Maßanzug<br />

und sorgsam gestutzten Oberlippenbart mit seinem<br />

Gesang so viele weibliche Fans betörte. <strong>Die</strong> Gäste in den Bu-<br />

re ihre Spuren im Soundgewand der Band hinterlassen haben.<br />

Und das vor allem textlich keine Gefangenen gemacht<br />

werden, sollte dieses kleine Beispiel verdeutlichen: „Think!<br />

Be yourself / Don’t do what the others do / And break out<br />

of all those self imposed chains and clichés that bind us /<br />

I don’t want to live like you / Crawl like cattle stupid and<br />

screwed / Light the Match and fire it up ( Burn the bridges<br />

you have passed“ („Fight song no. 1“). Also keine Anbiederung<br />

an irgendwelche künstlich erzeugten Trends, emotionale<br />

Wichtigtuereien oder eventuelle politische Ideale.<br />

Ganz einfach Straight-to-your-face-Hardcore. Rein optisch<br />

präsentiert sich die <strong>CD</strong> im schicken Design, für das der Mastermind<br />

der Band, Don Schmighty, höchst persönlich verantwortlich<br />

zeichnet. Auch die hin und wieder mal vor und<br />

nach den einzelnen Songs platzierten „Spoken Words“ aus<br />

diversen Filmen und Soundsequenzen runden die ganze Sache<br />

angenehm ab. Ganz im Sinne des Oldschool Spirit misst<br />

der längste Song gerade mal 2:22 Min. Als Anspieltipps seien<br />

an dieser Stelle „OJ a.k.a Shithead“, „The force“ und „Whole<br />

lotta pennies“ genannt. Also wer auf kompromisslosen Oldschool-Hardcore<br />

mit leichter Metalkante und Punkroots<br />

steht, der sollte sich vertrauensvoll an das Label der Band<br />

wenden. Oder ihr surft mal zur Heimatseite der Jungs unter<br />

thatsyourlastcause.de. Ihr wisst, was zu tun ist! (40:28) (7)<br />

Lars Weigelt<br />

LEFT ALONE<br />

Dead American Radio <strong>CD</strong><br />

hell-cat.com/SPV | Das 2005 erschienene LEFT ALONE-<br />

Album „Loney Starts And Broken Hearts“ war nicht mehr<br />

als durchschnittlich. Zu ideenlos wirkte der Streetpunk<br />

der Band, zu sehr nach RANCID-Kopie klangen Sänger Elvis<br />

Cortez und seine Wegbegleiter. Nun, es hat sich einiges<br />

getan im Hause Cortez und der LEFT ALONE-Hauptsongwriter<br />

hat mit „Dead American Radio“ ein Album geschrieben,<br />

das ich in dieser Form nicht erwartet habe. Sicher, man<br />

hört auch hier sehr viele Streetpunk-Einflüsse, bei Songs<br />

wie dem Opener „The sinner“ und „Done wrong“ erinnert<br />

man erneut an RANCID. Eine eingesetzte Hammondorgel in<br />

„Every night“, die Ska-Einflüsse in „4 weeks“, das auf Spanisch<br />

gesungene „La pregunta“ und die Country-Strecken<br />

in „Waiting for you“ sowie „Every night“ sorgen aber für<br />

wohltuende Abwechslung auf dem Album. LEFT ALONE ist<br />

es gelungen, Einflüsse aus Ska, Rock und Country in ihren<br />

schnodderig-schönen Punkrock zu integrieren. <strong>Die</strong>ses Album<br />

zeigt, dass LEFT ALONE nicht mehr nur RANCID nacheifern,<br />

sondern eigene, hohe Songwriter-Qualitäten besitzen.<br />

Für Fans vieler Stile interessant und für mich eine DER<br />

Überraschungen im Jahr 2006. Bravo! (43:58) (8)<br />

Lauri Wessel<br />

LENINGRAD<br />

Helb <strong>CD</strong><br />

eastblokmusic.com | LENINGRAD kommen aus St. Petersburg<br />

und das liegt bekanntlich im ehemaligen Russland.<br />

Und um dort aufzufallen, beziehungsweise immer<br />

noch anzuecken, gehört schon Einiges dazu. Sänger Shur<br />

bedient sich dabei einer Sprache, die sich „Mat“ nennt und<br />

fast ausschließlich aus ständig neu gebildeten und erfundenen<br />

Schimpfwörtern zusammensetzt. Zahlreiche Auftrittsverbote<br />

und Repressionen seitens der Behörden waren und<br />

sind die Folge. Erfolg haben sie trotzdem, denn sie sprechen<br />

aus, was manche Menschen dort nur im stillen Kämmerchen<br />

zu denken wagen. Ihre Musik speist sich aus den verschiedensten<br />

Quellen, ist traditionell und gleichzeitig sehr<br />

modern. Ein wirklich atemberaubendes Gebräu aus traditionellen,<br />

folkloristischen Elementen, Ska, Punkrock und sogar<br />

Rap. Stürmische Spielfreude ist dabei immer garantiert,<br />

denn mit zur Zeit 15(!) Musikern auf der Bühne kommt nie<br />

wirklich Langeweile auf, und dass russische Partys immer<br />

irgendwie anders sind und es dabei auch ausschweifender<br />

zugeht, dürfte allen bekannt sein. Wenn Partymusik mit un-<br />

karester Gartenlokalen und Restaurants hingen an seinen<br />

Lippen, die Tische füllten sich, die Gläser mit Wein oder Tuica<br />

leerten sich und die Kassen der Besitzer klingelten. Leider<br />

wurde sein Tod Anfang der 80er Jahre nirgends registriert,<br />

sein Leben nahm ein unrühmliches Ende. Mit dieser Veröffentlichung<br />

ist dem Label jedenfalls wieder ein ganz großer<br />

Wurf gelungen. (54:23) (8) Kay Wedel<br />

SUNNY DOMESTOZS<br />

The Complete <strong>CD</strong><br />

Built For Speed | Im Zuge der kleinen Psychobilly-Wiederbelebung<br />

sind auch SUNNY DOMESTOZS in diesem<br />

Jahr wieder auf den Bühnen der Republik aufgetaucht. Sie<br />

waren eine der ersten Psychobilly-Bands in Deutschland<br />

und durch die Zusammenarbeit mit Götz Alsmann sind sie<br />

auch nach ihrem Split vielen in Erinnerung geblieben. Auf<br />

dieser Zusammenstellung sind alle Tracks aus den 80ern<br />

enthalten, plus zwei Live-Aufnahmen vom ersten Konzert<br />

1985. Sehr schön die Ansage zu „Blitzkrieg bop“. Der Song<br />

wird auf dem Konzert zum zweiten Mal gespielt. So ist das<br />

halt, wenn man noch nicht so viele Tracks im Repertoire<br />

hat. <strong>Die</strong>se beiden Tracks sind dann auch neben der Aufmachung<br />

als Digipak die einzigen Unterschiede zur bereits früher<br />

erschienenen Version dieser Zusammenfassung. Ich bin<br />

nur gespannt, ob es bald auch Neues <strong>von</strong> der Band zu hören<br />

gibt. <strong>Die</strong> Rückkehr auf die Bühne wird ja wohl nicht alles<br />

gewesen sein. (6) (60:00) Robert Noy<br />

SUNNYBOYS<br />

This Is Real – Singles/Live/Rare 2<strong>CD</strong><br />

feelpresents.com | Dank Tim Pittman, Feel Presents-Betreiber<br />

und großer Fan der SUNNYBOYS, ist jetzt diese Zusammenstellung<br />

<strong>von</strong> Single-Tracks der in Europa unbekannt<br />

gebliebenen, in Australien aber Anfang der Achtziger<br />

aber sehr erfolgreichen Band erschienen. Drei Alben („s/t“,<br />

1981; „Individuals“, 1982; „Get Some Fun“, 1984) nahm<br />

die Band um die Brüder Jeremy und Peter <strong>Ox</strong>ley zwischen<br />

1980 und 1984 auf, und ein interessantes biografisches Detail<br />

ist, dass in der Frühphase ein gewisser Rob Younger mal<br />

an der Gitarre aushalf, auch wenn der damals gerade neunzehnjährige<br />

Frontmann Jeremy ihm zuvor gestanden hatte,<br />

RADIO BIRDMAN nicht zu kennen. Vom australischen<br />

Rockmagazin Blunt wurde ihr Debüt unlängst zu einer der<br />

zehn besten einheimischen Platten aller Zeiten gekürt, steht<br />

da also wahrscheinlich zusammen mit AC/DC, EASYBEATS,<br />

SAINTS, THE CHURCH, RADIO BIRDMAN und ähnlichen<br />

Verdächtigen, und ihr Sound, wie ihn diese Doppel-<br />

<strong>CD</strong> dokumentiert, ist wirklich zeitlos, wunderschöner Gitarrenpop<br />

mit einer gewissen SAINTS-Note, irgendwie typisch<br />

australisch, stellenweise an THE CHURCH und HAP-<br />

PY HATE ME NOTS erinnernd, alles andere als offensichtlich<br />

„kommerziell“ und vor allem frei <strong>von</strong> jeglichen New<br />

Wave-Spielereien, was ja angesichts der damaligen Mode<br />

nicht selbstverständlich ist. Während sich auf der ersten Disc<br />

hier Singletracks sowie rare und unveröffentlichte Nummern<br />

finden, gibt’s auf der zweiten Liveaufnahmen aus den<br />

Jahren 1981/82. Ein guter Einstieg in die Welt der SUN-<br />

NYBOYS, die zuletzt 1998 ein kurzes Konzert spielten: Eine<br />

große Leistung für Sänger und Songwriter Jeremy, der schon<br />

vor dem Ende der Band 1984 an Schizophrenie erkrankt<br />

war und der heute ein zurückgezogenes Leben führt. (7)<br />

Joachim Hiller<br />

TEXAS TERRI & THE STIFF ONES<br />

Eat Shit + 4 LP/<strong>CD</strong><br />

peoplelikeyou.de | Liebe Texas Terri, wie wäre es eigentlich<br />

mal wieder mit einen neuen Album, statt das Debüt <strong>von</strong><br />

1998 zum mittlerweile fünften Mal zu recyclen? Im Ernst,<br />

mittlerweile ist die Scheibe (diesmal um drei Extra-Tracks<br />

sowie ein Video ergänzt) auf dem fünften Label erschienen,<br />

war aber auch länger nicht mehr erhältlich. Und die Schei-<br />

verkrampften und sozialkritischen Texten, dann diese hier!<br />

Als Bonus gibt es noch ein sehr lustiges Animationsvideo<br />

mit frischen und gebratenen Hähnchen. (7) Carsten Vollmer<br />

LAIBACH<br />

Volk <strong>CD</strong><br />

mute.com | Oh ja, LAIBACH sind begnadete Zitierer und<br />

Verwurster, versiert wie keine andere Band im Interpretieren<br />

und Modifzieren, und weil sie sich noch nie <strong>von</strong> irgendwem<br />

in ihrer Kreativität<br />

haben einschränken<br />

lassen, mussten sie es<br />

sich gefallen lassen, sowohl<br />

als extreme Linke<br />

wie als Faschisten bezeichnet<br />

zu werden. Besonders<br />

gut gefallen hat<br />

mir übrigens ein Zitat <strong>von</strong><br />

Sänger Milan Fras zu dieser<br />

Anschuldigung: „Wir<br />

sind so viel Faschisten<br />

wie Hitler ein Maler war.“<br />

Nun, mit diesem Album,<br />

auf Deutsch „Volk“ betitelt, liefern sie all jenen da draußen,<br />

deren Beißreflexe besonders simpel strukturiert sind, neues<br />

Futter – und das sicher mit grimmiger Freude. Für „Volk“<br />

haben LAIBACH sich 14 Nationalhymnen vorgenommen<br />

und sie als Meister der verfremdenden Coverversion in ihrem<br />

ureigenen, düsteren Stil neu eingespielt, teils mit englischen<br />

Übersetzungen des Textes, und das Ergebnis ist immer<br />

wieder verstörend, gerade was „Germania“ anbelangt,<br />

denn direkt zum Einstand wird das „Lied der Deutschen“<br />

inklusive der Zeile „über alles in der Welt“ angestimmt –<br />

da schluckt man schon mal kurz. „Anglia“ basiert dann auf<br />

der englischen Hymne „God save the Queen“, „Francia“ auf<br />

der Marseillaise, „America“ auf der US-Hymne, „Rosiya“<br />

auf der Internationalen, „Yisra’el“ auf der des Staates Israel<br />

und so weiter. Auch die Hymnen der Türkei, Japans, Sloweniens<br />

– und des bandeigenen Staates NSK sind vertreten.<br />

LAIBACH setzen hier einmal mehr ihre Faszination für nationalistischen<br />

Pathos in ihre Kunst um, was sich im offiziellen<br />

Statement zur Albumveröffentlichung so liest: „On<br />

this album, Laibach have uncovered a common ground linking<br />

the nations, a shared patriotic sentiment based around<br />

the bloody and violent foundations of nation which here,<br />

can be heard in the lyrics and pomp of the largely hymnal<br />

tracks. By reinterpreting the music and translating the lyrics<br />

of each anthem, the band have not only shown us this<br />

common ground, they have also offered up a very pertinent<br />

comment on today’s political situation and a warning<br />

for future generations.“ <strong>Die</strong> Förderung <strong>von</strong> Nationalismus<br />

ist also mitnichten Ziel dieser musikalisch höchst reizvollen<br />

Neueinspielungen (für die womöglich besonders kranke<br />

Patridioten der Band Sanktionen androhen, man kennt<br />

solches Pack ja), sondern die Beschäftigung mit seinen Wurzeln.<br />

<strong>Die</strong> finale Version des Albums (mir liegt nur eine Vorab-Promoversion<br />

vor) wird in einer limitierten Version als<br />

Hardcover-Buch erscheinen, mit ausgiebigen Linernotes<br />

(hier finden sich nur Auszüge, die weltweite Dominanz des<br />

Englischen betreffend). Ein verstörendes wie faszinierendes<br />

Album. Auf dem Cover sind übrigens Schafe zu sehen ...<br />

(58:28) (9) Joachim Hiller<br />

LOS NATAS<br />

El Hombre De Montana <strong>CD</strong>/LP<br />

Small Stone | Nach dem experimenteller angelegten „München<br />

Sessions“-Album <strong>von</strong> LOS NATAS (das 2004 an einem<br />

Tag eingespielte Doppelalbum mit grade mal 8 Tracks) legen<br />

die argentinischen Psychedelic-Stoner-Rocker wieder ein<br />

„normales“ Album vor: elf Songs, denen man auch anhört,<br />

dass mehr Arbeit als nur ein Tag Jam-Session dahintersteckt.<br />

Einige Riffs rocken ordentlich dahin, dazwischen verlieren<br />

be ist auf jeden Fall ein Klassiker, einen Tick bissiger als der<br />

vor zwei Jahren erschienene Nachfolger „Your Lips ... My<br />

Ass!“, ein rotzig-aggressives L.A.-Punk-Album auf den Spuren<br />

<strong>von</strong> LEGAL WEAPON, mit einer außergewöhnlichen<br />

Frontfrau, deren rauhes Organ zum offensiven Auftreten<br />

bestens passt. Wer die Platte bislang noch nicht besitzt, sollte<br />

unbedingt zugreifen. (53:05) (8) Joachim Hiller<br />

TODAY IS THE DAY<br />

Temple Of The Morning Star <strong>CD</strong><br />

relapse.com | Mit ihrem vierten Album „Temple Of The<br />

Morning Star“ waren die aus Nashville, TN stammenden<br />

TODAY IS THE DAY um Obersicko Steve Austin 1997 zu Relapse<br />

gewechselt, nachdem ihre Platten bis dahin auf dem<br />

legendären Amphetamine Reptile-Label erschienen waren,<br />

für dessen Sound sie DIE prägende Band waren. Mit Relapse<br />

freilich hatten sie eine neue Heimat gefunden, die genauso<br />

gut zu ihnen passt, auch wenn hier oft eher metallische<br />

Sounds im Vordergrund stehen und nicht der eher aus<br />

dem Punkrock stammende Psycho-Noise, den AmRep seinerzeit<br />

propagierte. Das Album mit dem grandiosen Coverartwork<br />

(Spermien schwimmen auf ein Pentagramm<br />

zu) steht für mich in eindeutiger BUTTHOLE SURFERS-<br />

Nachfolge, in der Tradition <strong>von</strong> SCRATCH ACID/JESUS LI-<br />

ZARD, aber auch SONIC YOUTH und NEUROSIS, und wenn<br />

der Infozettel hier den Hinweis „For Fans of: CONVERGE,<br />

STRAPPING YOUNG LAD, DILLINGER ESCAPE PLAN“ enthält,<br />

ist das eine gewisse Verdrehung der Tatsachen: All diese<br />

Bands haben sich im Zweifelsfall <strong>von</strong> TITD beeinflussen<br />

lassen, nicht andersherum. Ein massives Album, das zwischen<br />

atmosphärischen Parts und extrem noisigen, lauten<br />

Passagen pendelt, das dominiert wird <strong>von</strong> Austins oft verzerrtem,<br />

übersteuertem Gesang und das mit konventionellen<br />

Rockmusik-Strukturen (oder gar Metal-Klischees) rein<br />

gar nichts zu tun hat. Ein wichtiges Album einer herausragenden,<br />

zum Glück immer noch aktiven Band. (57:10) (8)<br />

Joachim Hiller<br />

WALTARI<br />

Early Years 2<strong>CD</strong><br />

nordic-notes.de/Broken Silence | Ich muss zugeben, dass<br />

ich Anfang der Neunziger eine Schwäche für WALTARI und<br />

ihren komischen Mischmasch aus Punkrock, Metal, Alternativerock,<br />

HipHop, Elektronik und wer weiß was noch alles<br />

und vor allem für ihr 94er Album „So Fine!“ hatte. Danach<br />

schwand mein Interesse für die Musik der Finnen und<br />

ab 1997 habe ich sie komplett aus den Augen verloren. Ihr<br />

Konzept, unterschiedlichste Musikstile gleichberechtigt<br />

miteinander zu vermischen, hatte sich spätestens da auch<br />

überholt, neue Impulse konnten sie nicht mehr setzen. Als<br />

WALTARI 1986 anfingen, sah das anders aus, war ihr eigenwilliger<br />

Ansatz, sich an Musikstilverschmelzung zu versuchen,<br />

noch neu und aufregend. Schön, dass „Early Years“<br />

jetzt die Möglichkeit bietet, das nochmals nachzuvollziehen,<br />

denn die Doppel-<strong>CD</strong> umfasst das Debütalbum „Monk<br />

Punk“ <strong>von</strong> 1991, die schon mal 1993 erschienene, diverse<br />

Single- und EP-Tracks sowie bis dato unveröffentlichte<br />

Songs zusammenfassende Compilation „Pala Leipää – Ein<br />

Stückchen Brot“ sowie zehn Songs aus der frühsten Phase<br />

der Band. <strong>Die</strong> wurden zwar Anfang 2006 aufgenommen,<br />

allerdings in der Originalbesetzung, als WALTARI noch ein<br />

Trio waren und – es mag an der Freude an der Reise in die<br />

eigene Vergangenheit liegen – die zwanzig Jahre Differenz<br />

sind nicht wirklich zu hören. WALTARI waren damals zwar<br />

noch um einiges rauher, simpler und auch punkrockiger als<br />

zu ihrer Hochzeit Mitte der Neunziger, ihr unverwechselbarer<br />

Stil und ihr Hang zur musikalischen Nichtlimitierung<br />

aber schon deutlich. Doch, „Early Years“ macht viel Spaß, ist<br />

es eventuell ja auch eine Reise in die eigenen frühen Jahre.<br />

(8) André Bohnensack<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 76 22.09.2006 20:52:28 Uhr


sich die drei Musiker aber auch auf „El Hombre De Montana“<br />

in langen Soli, die immer wieder <strong>von</strong> diesem seltsam<br />

hypnotisierenden Gesang unterbrochen werden. Und nach<br />

dem Ende des Songs greift dann das nächste Riff an, um in<br />

den darauf folgenden Minuten wieder irgendwo verloren<br />

zu gehen, bis die Sache ohne überwältigende Höhepunkte<br />

durchgespielt ist. Wie schon das 2002er Album „Corsario<br />

Negro“ hat diesmal auch wieder Billy Anderson produziert,<br />

der schon bei CATHEDRAL, ALABAMA THUNDERPUSSY,<br />

den MELVINS, diversen Mike-Patton-Projekten oder dem<br />

zweiten NEUROSIS-Album mitgemischt hat. Eine runde<br />

Sache für gemütliche Herbstabende. (58:15) (6)<br />

Simon Loidl<br />

LUCKY PUNCH<br />

Join Our Cruise <strong>CD</strong><br />

Punchin Productions | Eine fleißige Truppe sind sie auf alle<br />

Fälle, die vier Münchner <strong>von</strong> THE LUCKY PUNCH: nicht nur<br />

dass mit „Join Our Cruise“ nicht mal zwei Jahre nach ihrem<br />

Debütalbum „Kick Up A Hullabaloo“ bereits der zweite<br />

Longplayer herausgekommen ist, haben sie im Dezember<br />

letzten Jahres eine mehrwöchige China-Tournee absolviert.<br />

Dass THE LUCKY PUNCH tatsächlich – wie sie selbst behaupten<br />

– die „erste deutsche Band“ sind, die China gerockt<br />

hat, bezweifle ich zwar, aber lassen wir ihnen ihren Stolz.<br />

Musikalisch liefert das Quartett entspannten, gutgelaunten<br />

Rock, gemütliche Riffs, launige Soli – und hin und wieder<br />

eine einschmeichelnde Hammondorgel oder Mundharmonika.<br />

Sehr 70er Jahre, sehr schön. Supports für MOTÖR-<br />

HEAD, HELLACOPTERS und andere Rockgrößen runden<br />

den Lebenslauf ab. <strong>Die</strong> <strong>CD</strong> gibt’s übrigens als „China Edition“<br />

mit entsprechenden Schriftzeichen neben den englischen<br />

Songtiteln sowie einem „China Edition Bonus Track“ – ob es<br />

auch eine andere Variante als die „China Edition“ gibt, darüber<br />

schweigen sich die vermarktungstechnisch nicht unschlauen<br />

LUCKY PUNCH freilich aus. (47:52) (7)<br />

Simon Loidl<br />

JOE LALLY<br />

There To Here <strong>CD</strong><br />

Dischord/Alive | Der Name Joe Lally erzeugt durchaus eine<br />

gewisse Erwartungshaltung, schließlich spielt der Mann seit<br />

1987 Bass bei FUGAZI, die sich ja gerade offenbar eine Auszeit<br />

genommen haben. Ähnlich wie bei Ian MacKayes Nebenprojekt<br />

THE EVENS darf man hier allerdings nicht allzu<br />

viel FUGAZI-ähnliches erwarten. Lally singt und spielt<br />

Bass, und zu dieser minimalistischen Basis gesellen sich ein<br />

paar mal mehr, mal weniger ausgeprägte rhythmischere Aspekte,<br />

was an Mike Watts Doppel-Bass-Projekt DOS zusammen<br />

mit Ex-Frau Kira Roessler erinnert. Bei allzu oberflächlicher<br />

Betrachtung gehen die Feinheiten der Platte allerdings<br />

etwas unter, denn ihre hypnotischen Qualitäten<br />

entfalten sich erst bei intensiverem Hören, ansonsten wird<br />

man „There To Here“ eher als langweilig und monoton erfahren,<br />

was die Platte aber nun mal nicht ist. Zumal Lally<br />

hier scheinbar auch noch ohne Ende Musiker-Prominenz<br />

aus dem Dischord-Umfeld ins Studio geladen hat, wie Ian<br />

MacKaye, Amy Farina, Jerry Busher, Guy Picciotto oder Eddie<br />

Janney. Eine stille, aber keinesfalls schlechte Platte (mit<br />

einem wirklich wunderschönen Covermotiv), auch wenn<br />

FUGAZI-Fans hier vielleicht etwas enttäuscht sein könnten.<br />

(7) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

LATTERMAN<br />

... We Are Still Alive <strong>CD</strong><br />

deepelm.com | Auch mit ihrem dritten Album in vier Jahren<br />

sind LATTERMAN aus Long Island, NY sich selbst treu<br />

geblieben, kombinieren sie treibenden, lauten Punkrock<br />

mit dem für sie typischen, sich oft in den oberen Stimmlagen<br />

bewegenden mehrstimmigen Gesang. Da wird jeder<br />

zweite Song zur Hymne, sieht man die ersten fünf Reihen<br />

eines Konzertes in einem kleinen D.I.Y.-Club vor sich, die<br />

WARPIG<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

relapse.com | Relapse scheinen durch den Rerelease uralter<br />

PENTRAGRAM-Klamotten angefixt worden zu sein, mehr<br />

altes Zeug obskurer Hardrock-Bands aus den Siebzigern zu<br />

veröffentlichen. Das Debütalbum der Kanadier WARPIG erschien<br />

ursprünglich 19<strong>69</strong> auf Fronthill Records und wurde<br />

dann nochmals 1970 außerhalb Kanadas auf London Records<br />

veröffentlicht. Im direkten, gar nicht mal so unpassenden,<br />

Vergleich mit PENTAGRAM lassen sich bei WAR-<br />

PIG aber mehr Einflüsse des Psychedelic Rocks heraushören<br />

(das Zeitalter der Hippies war ja auch noch nicht vorbei)<br />

und man hatte eine Menge gemeinsam mit den beinahe<br />

gleichzeitig startenden, aber um einiges erfolgreicheren<br />

DEEP PURPLE. <strong>Die</strong> Verwendung <strong>von</strong> einer stark im Vordergrund<br />

stehenden Orgel in beiden Bands mag dafür verantwortlich<br />

sein, WARPIG griffen darüber hinaus aber auch zu<br />

einem Cembalo, was in Verbindung mit den furztrockenen<br />

Gitarren verdammt cool klingt. Überhaupt waren WARPIG<br />

ziemlich lässig und groovig, verloren sich nie in endlosen<br />

Dudelparts und behielten trotz einer gewissen Verspieltheit<br />

immer den Song an sich im Auge. Unvergänglich gute Musik<br />

eben, aus einer Zeit, in der Hardrock noch spannend und<br />

aufregend war und nicht stellvertretend für Lahmarschigkeit<br />

und Klischee stand. Wer bei der Nennung <strong>von</strong> Bands<br />

wie LED ZEPPELIN, BLUE ÖYSTER CULT und eben DEEP<br />

PURPLE nicht sofort die Beine in die Hand nimmt, sollte<br />

WARPIG mal eine Chance geben. Nach anfänglichen Zweifeln<br />

bin ich mittlerweile ziemlich begeistert <strong>von</strong> WARPIG,<br />

die angeblich gerade daran arbeiten, das damals nie beendete<br />

zweite Album nach über dreißig(!) Jahren fertig zu stellen.<br />

(8) André Bohnensack<br />

X-RAY SPEX<br />

Let’s Submerge – The Anthology 2<strong>CD</strong><br />

Castle/Sanctuary/Rough Trade | Einer der großen Klassiker<br />

des britischen 77-Punkrocks ist das „Germ Free Adolescents“-Album<br />

<strong>von</strong> X-RAY SPEX mit seinem prägnanten<br />

Cover, in dem die fünf Bandmitglieder in knallbunter<br />

Kleidung in überdimensionalen Reagenzgläsern steckend<br />

zu sehen sind. Poly Styrene, ihre Frontfrau, war neben VICE<br />

SQUADs Beki Bondage, Ari <strong>von</strong> den SLITS und Siouxsie eine<br />

der wenigen weiblichen Punk-Ikonen und prägte mit ihrer<br />

heiseren, markanten Stimme das Genre des „female fronted“<br />

Punkrocks. Dabei dauerte die „Karriere“ <strong>von</strong> X-RAY<br />

SPEX gerade mal <strong>von</strong> 1976 bis 1979, danach trennten sich<br />

die Wege des Fünfers, der mit Saxophonistin Lora Logic eine<br />

weitere Frau in seinen Reihen hatte, und es gab nur Mitte<br />

der Neunziger eine kurze Reunion, die auch ein weiteres<br />

Album hervorbrachte. Mit „Let’s Submerge“ ist nun eine<br />

44 Songs umfassende Anthologie des Schaffens <strong>von</strong> X-RAY<br />

SPEX („Röntgenbrille“, cooler Bandname eigentlich ...) erschienen,<br />

die nicht nur die A- und B-Seiten der fünf Singles<br />

„Oh Bondage, Up Yours“, „Identity“, „The Day The World<br />

Turned Day-Glo“, „Germ Free Adolescents“ und „Highly<br />

Inflammable“ enthält, sondern auch das komplette „Germ<br />

Free Adolescents“-Album sowie die Songs aus zwei Peel-<br />

Sessions und bislang unveröffentlichte Tracks aus den Album-Sessions.<br />

Auf der zweiten <strong>CD</strong> gibt es dann eine ganze<br />

Reihe <strong>von</strong> weiteren Bonus-Songs, etwa „Live at the Roxy“,<br />

Solo-Aufnahmen <strong>von</strong> Poly alias Mari Elliott sowie Demo-<br />

Tracks. In Kombination mit einem großen Faltbooklet mit<br />

ausführlicher History und reichlich Fotos ergibt das eine<br />

beispielhafte, erstklassige Wiederveröffentlichung einer<br />

wichtigen Band, die schon früh für Punk wichtige Themen<br />

besetzte – „I’m a cliché“ wurde so zu einer bis heute Gültigkeit<br />

besitzenden Hymne. (10) Joachim Hiller<br />

lauthals die Refrains mitgrölen und dabei die rechte Faust in<br />

der Luft haben. LATTERMAN, das sind Punkrocker im Herzen,<br />

mit großen Gefühlen und Sinn für überschwängliche<br />

Melodien jenseits der Pop-Punk-Klischees, die gekonnt mit<br />

dem Gegensatz zwischen richtig lauten und dann auch mal<br />

ganz leisen Passagen arbeiten. Wo andere Sänger jedoch gerne<br />

mal in Selbstmitleid versinken, waren und sind LATTER-<br />

MAN eine explizit politische Band, die sich immer wieder<br />

in ihren Texten dem Zustand der Szene widmet, Unschönes<br />

wie Homophobie offen anspricht und insgesamt erfreulich<br />

konkret ist, nicht in selbstverliebtem, kaum deutbarem<br />

pseudopoetischem Geschwurmel versinkt. Eine rundum<br />

angenehme Band, die alles richtig macht und für mich<br />

die derzeit stärkste Band auf Deep Elm ist. (30:20) (8)<br />

Joachim Hiller<br />

LIGHT THIS CITY<br />

Facing The Thousand <strong>CD</strong><br />

prostheticrecords.com | Beachtlich, was so manche Bands<br />

schon in jungen Jahren musikalisch zu Wege bringen. Gerade<br />

im Bereich Metal, Metalcore sinkt das Durchschnittsalter<br />

immer mehr und nicht selten ist die Qualität mehr<br />

als beachtlich. LIGHT THIS CITY <strong>von</strong> der amerikanischen<br />

Westküste sind genau so ein Fall. Alle Mitglieder, einschließlich<br />

Frontfrau Laura Nichols, sind um die 20, gehen teilweise<br />

noch zur Schule, haben mit „The Hero Cycle“ 2002 ihr<br />

Debüt rausgebracht, und legen jetzt mit ihrem dritten Album<br />

„Facing The Thousand“ eine gelungen bolzende Mixtur<br />

aus melodischem Thrash und Death Metal vor, die ich<br />

ihnen nicht zugetraut hätte. <strong>Die</strong> Scheibe ist nicht nur richtig<br />

fett produziert, sondern spielerisch legen die Damen und<br />

Herren hier eine wirklich beeindruckende Professionalität<br />

an den Tag, die so manche Mitstreiter vor Neid erblassen<br />

lässt. Wenn das auch live so viel Spaß macht, dann darf auch<br />

manch alteingesessener Bay-Area-Trasher à la DEATH AN-<br />

GEL zumindest einmal seinen Hut vor Frau Nichols und Co.<br />

ziehen. (40:05) (8) Carsten Hanke<br />

LULLABYE ARKESTRA<br />

Ampgrave <strong>CD</strong><br />

Constellation | In einem anderen Leben werde ich <strong>von</strong> Beruf<br />

„Musikgenre-Erfinder“ und löse die Person ab, die im<br />

Hause Southern derzeit diese Position innehat. Und dann<br />

darf ich mir ausdenken, was in so einem Bandinfo unter<br />

„File under:“ steht. Hier ist es „Distorto Soul Rock“, und den<br />

Terminus finde ich äußerst charmant. Drei Alben hat das<br />

LULLABYE ARKESTRA aus Toronto, Kanada bereits veröffentlicht,<br />

„Ampgrave“ ist das vierte, alle kamen über Constellation,<br />

und es gibt auf jeden Fall schlimmere Wiegenliedchen<br />

als diese hier, die mich stellenweise an eine wütende<br />

Distortion-Version <strong>von</strong> BLACK HEART PROCESSION<br />

erinnern. Kern des „Arkestras“, das mit dieser Schreibweise<br />

bewusst an Sun Ra anknüpft, sind Drummer Jason Small<br />

<strong>von</strong> DO MAKE SAY THINK und Bassistin und Sängern Katia,<br />

die über ein mal einlullendes, dann aber auch furienhaft<br />

abgehendes Organ verfügt. Unterstützt <strong>von</strong> zehn Freunden,<br />

die diverse Blas- und Saiteninstrumente sowie eine Orgel<br />

bedienen, bewegen sich das „Duo“ dann auf einem weiten<br />

Terrain zwischen Garagerock, Punk, Noise, Marching Band,<br />

BIRTHDAY PARTY, BUTTHOLE SURFERS und Mathcore.<br />

Klingt nach einem unglaublichen Crossover? Ist genau das!<br />

Hier spaziert mal wieder jemand auf dem schmalen Grat<br />

zwischen Genie und Wahnsinn, und so was gefällt mir. Tip!<br />

(34:36) (8) Joachim Hiller<br />

LUDICRA<br />

Fex Urbis Lex Orbis <strong>CD</strong><br />

alternativetentacles.com/Cargo | Ich wiederhole mich<br />

gerne: In der Form wie LUDICRA aus San Francisco Black<br />

Metal verstehen und spielen, kann auch ich mich als ausgewiesener<br />

Ignorant des Genres damit anfreunden. Wobei es<br />

zu kurz greifen würde, LUDICRA als puristische Black Metal-Band<br />

aufzufassen. Denn auch wenn der Gesang – dass<br />

hier eine Frau singt, hört man nicht wirklich – die Gitarrenarbeit<br />

und das Zusammenspiel <strong>von</strong> hoher Geschwindigkeit<br />

und hymnischen Melodien sicherlich ihre Wurzeln<br />

im Black Metal haben, finden sich bei LUDICRA genug Einflüsse<br />

aus anderen Metal-Spielarten als auch Berührungen<br />

mit eher experimenteller Rockmusik, um sie nicht so einfach<br />

in eine Schublade zu packen. Auf ihrem dritten Album<br />

„Fex Urbis Lex Orbis“, dem zweiten für Alternative Tentacles,<br />

schaffen es LUDICRA noch besser als zuvor, eine brutale<br />

Heavyness zu erzeugen, die aber nicht im Kontrast mit der<br />

melancholischen Atmosphäre steht, die ihre Songs entstehen<br />

lassen. Was zwar Erinnerungen an NEUROSIS zu „Souls<br />

At Zero“-Zeiten wecken mag, die musikalischen Gemeinsamkeiten<br />

beider Bands sind aber eher marginal, LUDIC-<br />

RA mehr im Metal verwurzelt, als es NEUROSIS je waren.<br />

Knapp vierzig Minuten läuft „Fex Urbis Lex Orbis“, bei nur<br />

fünf Songs heißt das, dass diese in aller Ruhe ihre bedrohliche<br />

Stimmung entfalten können, was im brillanten, über elf<br />

Minuten langen „Collapse“ gipfelt. (8) André Bohnensack<br />

LUCKY JIM<br />

All The King’s Horses <strong>CD</strong><br />

Red Ink | Der glückliche Jim, das sind Gordon Graham und<br />

Ben Townsend. Ich finde ja, dass die Namen alleine schon<br />

unglaublich viel versprechend sind. Gewiss Männer in den<br />

Dreißigern, mit einer Vorliebe für richtig gute Musik. Man<br />

könnte sich die Band ohne weiteres als Support <strong>von</strong> Bob<br />

Dylan oder Johnny Cash oder als Headliner eines Folk/<br />

Sing-a-Song/New-Country-Festivals vorstellen. Wieder<br />

ein Ausdruck, den ich so mag: New Country. Williams würde<br />

sich im Grab umdrehen. Whatever, LUCKY JIM haben es<br />

total drauf. Es ist modern und klassisch, es sind nicht die<br />

einfältigen Gitarren, die einem sonst heutzutage begegnen,<br />

sondern richtige bombastische Konzertstimmungsgitarren.<br />

Als würden die das schon 50 Jahre machen, und dabei auch<br />

noch einen klaren, offenen Kopf behalten, um über zeitlose<br />

Sachen zu singen und sich auch gegenwärtigen Themen zu<br />

widmen. Ich hoffe, es stellt sich nicht heraus, dass die beiden<br />

Mitte zwanzig sind. In ihrer Heimat England werden<br />

sie eine der Bands sein, die garantiert nicht in den Schrottmagazinen<br />

erscheinen werden. Vielleicht eine kurze Kritik,<br />

aber sonst doch ein Fall für seriöse Blätter, die sich gerne auf<br />

Dylan, Petty etc. beziehen. Es gibt nichts an der Platte, das irgendwie<br />

stört, und fehlen tut schon mal gar nichts. Zwei Gitarren,<br />

Glöckchen, warme, angenehme ungestresste Stimmen<br />

und Zeilen wie „I think I really had a change of heart“.<br />

Da krampft sich alles zusammen, Krämpfe und Gänsepocken<br />

für alle. (9) Martha Biadun<br />

LIGHTS<br />

Diamonds And Dirt <strong>CD</strong><br />

wantageusa.com | Ich weiß ja nie, ob ich diese Situation<br />

lieben oder hassen soll: Man beginnt sich für eine Sache zu<br />

interessieren, mit der man sich vorher nicht beschäftigt hat,<br />

und plötzlich erscheint sie einem omnipräsent. So geschehen<br />

bei mir mit der Band MINUTEMEN (ich entschuldige<br />

meine bisherige Unkenntnis einfach mal mit der Gunst<br />

der späten Geburt), die einfach als Vergleich herhalten muss<br />

für THE LIGHTS. Ebenso wie MISSION OF BURMA. Doch<br />

Vergleiche werden einer Sache nie ganz gerecht, und THE<br />

LIGHTS haben natürlich mehr vorzuweisen als schmeichelnderweise<br />

mit Ikonen der 80er verglichen zu werden<br />

oder die Schule des 90er Jahre Indierocks und Hardcore<br />

um MODEST MOUSE oder Dischord durchlaufen zu haben.<br />

Ähnlich wie bei MCLUSKY (deren Erbe sie ja vielleicht<br />

antreten, die Qualitäten hätten sie) dominiert der Bass den<br />

düsteren, bratzigen Wall of Sound und die teils simplen, teils<br />

vertrackten Melodiebögen des Trios aus Seattle. Dazu liefert<br />

ein nervöses, leicht arhythmisches Gitarrenspiel den nötigen<br />

Druck und der mit sonorer Stimme, aber nie gelangweilt<br />

vorgetragene Gesang vermittelt die nötige bissige Haltung.<br />

(42:00) (7) Chris Wilpert<br />

LOUSY<br />

One Good Round Deserves Another <strong>CD</strong><br />

Bandworm | <strong>Die</strong> Chemnitzer LOUSY beehren uns nach<br />

„Best Wishes“ und „Babylon District“ mit ihrem nunmehr<br />

dritten Album. Der Sound erinnert mich an amerikanische<br />

Streetcore-Sachen wie BONECRUSHER oder deutsche Kollegen<br />

wie TOXPACK. Und während ich dies schreibe, schreit<br />

es in meinem Hinterkopf irgendwie die ganze Zeit US<br />

ROUGHNECKS. Das hab ich übrigens öfter. Hinzu kommt<br />

noch jede Menge Schweine-Rock’n’Roll, wie er auch gerne<br />

<strong>von</strong> Leuten mit ekeligen langen Haaren oder dicken Warzen<br />

mitten im Gesicht gemacht beziehungsweise gehört wird.<br />

Soviel zur Theorie. Auch an der Umsetzung habe ich nichts<br />

auszusetzen. Der Sound ist ausgereifter als bei vielen anderen<br />

Bands, die sich in diesem Genre versuchen und Experimente<br />

mit Instrumenten wie Zither (sic!) und Mundharmonika<br />

tragen weiter dazu bei, dass ich LOUSY erfreulich<br />

<strong>von</strong> der Masse abheben. Schön. Gefällt mir. (37:17) (7)<br />

Claudia Luck<br />

LOST AGAIN<br />

It’s Up To You <strong>CD</strong><br />

Red Lounge | LOST AGAIN kommen aus Freiburg und existieren<br />

seit 2002. Nach einer ersten Demo-<strong>CD</strong> erschien im<br />

Jahr 2005 die Debüt-EP „It’s Up To You“ in Eigenproduktion.<br />

Für ein Nachfolgewerk wurden zu Beginn dieses Jahres<br />

nun schließlich zwölf neue Songs im Sonic Temple Studio<br />

auf Mallorca aufgenommen. Positiv anzumerken ist dabei<br />

der inzwischen vollständige Austausch des damaligen<br />

zweiten Sängers der ersten EP. Auch eine musikalische Weiterentwicklung<br />

darüber hinaus ist erkennbar. Dennoch ist<br />

man seinem ursprünglichen Sound treu geblieben, nämlich<br />

kraftvollem, melodischen, durch Hardcore beeinflussten<br />

Punkrock, der beispielsweise an Bands, wie GOOD RID-<br />

DANCE erinnert. Zwar stehen LOST AGAIN den amerikanischen<br />

Vertretern dieses Genres noch in einigen Punkten<br />

nach, was zum Beispiel das Songwriting sowie die Liebe<br />

zum Detail anbelangt, aber Übung und Spaß an der Musik<br />

machen ja bekanntlich irgendwann den Meister.<br />

Alex Gräbeldinger<br />

LE SINGE BLANC<br />

Strak! <strong>CD</strong><br />

Magdalena/Keben | Wenn sich eine Band nur auf Rhythmusinstrumente<br />

wie Bass, Schlagzeug und spärlich eingesetzten<br />

Gesang, Gurgeln oder Schreie beschränkt, kann das<br />

eine anstrengend eintönige Geschichte werden. Muss es<br />

aber nicht zwangsläufig, wie man es an LSB ohne Mühe feststellen<br />

kann. Was die einen als Jazzcore bezeichnen, klassifizieren<br />

die anderen als Noiserock oder Avantgarde-Punk.<br />

Improvisiert wirkende Stücke, deren verschiedene Rhythmen<br />

sich manchmal fast aufzufressen scheinen. Gerade<br />

durch die eingängigen Bass-Arrangements entpuppen<br />

sich die Franzosen beim näheren Hinhören als beeindruckende<br />

Klangkonstrukteure. Weniger kann auch viel mehr<br />

sein. Unbestritten ist, dass sich LSB genauso wie Bands wie<br />

LIGHTNING BOLT, TESTADEPORCU, SQUARTET, oder ZU<br />

als wahre Akustikartisten verstehen können. Sie schaffen<br />

es, Grenzen aufzubrechen und werfen eingefahrene Hörgewohnheiten<br />

gründlich über den Haufen. (8) JeNnY Kracht<br />

LOW LOWS<br />

Fire On The Bright Sky <strong>CD</strong><br />

monotremerecords.com/Cargo | Das englische Ausnahmelabel<br />

Monotreme hatte ich bislang durchweg mit lauten,<br />

noisigen Bands in Verbindung gebracht, da überraschen<br />

die LOW LOWS schon etwas.<br />

Deren Lily Wolfe war<br />

bis vor einem Jahr Teil<br />

des New Yorker „Dream<br />

Pop“-Quartetts PARKER<br />

& LILY, machte sich dann<br />

aber auf Richtung Georgia<br />

und gründete dieses<br />

Trio, dessen Debüt<br />

Ende Oktober erscheint.<br />

Ich war schon nach dem<br />

ersten Hören begeistert,<br />

denn „Fire On The Bright<br />

Sky“ ist ein zugleich kühl<br />

und distanziert wie auch warm und einlullend. Jeremy<br />

Wheatleys Schlagzeugspiel wirkt dabei oft wie ein kontinuierliches<br />

Donnergrollen, Daniel Rickards Farfisa-Orgel<br />

wird auch mal böse verzerrt, und die Gitarre kann zwischen<br />

countryesk und noisy so ziemlich alles. VELVET UNDER-<br />

GROUND und THE JESUS & MARY CHAIN lassen hier gleichermaßen<br />

grüßen, aber auch die alten YO LA TENGO und<br />

ELEVENTH DREAM DAY, Americana und Alternative Country.<br />

Ein wunderschönes Herbst-Album, verträumt und völlig<br />

unkitschig, mit einem faszinierenden dramatischen Unterton.<br />

Mein Geheimtip! (48:33) (9) Joachim Hiller<br />

MITOTE<br />

Starter LP/<strong>CD</strong><br />

red-can.com | Sound like ... BUT ALIVE, aber<br />

so was <strong>von</strong>! <strong>Die</strong> Lieder klingen so schön melancholisch-melodisch,<br />

dass man eigentlich<br />

gar nicht merkt, mit was für einem Tempo<br />

M<br />

und einer erst beim zweiten Hören gespürten<br />

unterschwelligen Wut im Bauch hier gepunk-<br />

rockt wird. Dazu erzählen die Texte auf „Starter“ kleine Geschichten<br />

aus dem Alltag der Songwriter, die auch gerne mal<br />

politisch und nie wirklich weinerlich sind – was sehr für<br />

die vier Herren aus München spricht. Plattitüden sucht man<br />

auf dem Album vergeblich, die Texte erscheinen ziemlich<br />

durchdacht, ohne dabei glücklicherweise zu verkopft oder<br />

gar arrogant zu wirken. Und dann haben red.can.records<br />

mit dieser Platte auch noch einen netten Weg gefunden, das<br />

Vinyl zu retten: Man kann daheim gemütlich dem Knistern<br />

der Schallplatte lauschen, aber fürs Auto oder den iPod wurde<br />

wohlweißlich noch eine <strong>CD</strong> beigelegt. Nett auch, dass es<br />

zur Platte ein Textblatt gibt – denn schließlich haben MITO-<br />

TE so einiges zu sagen, was es durchaus wert ist, rekapituliert<br />

zu werden. Nun, Schwamm drüber, denn wer auf intelligenten,<br />

astrein komponierten deutschen Punkrock steht,<br />

der nicht alle seine Ideale über Bord geworfen hat und es auf<br />

hohe Chartplatzierungen absieht, ist bei MITOTE garantiert<br />

an der richtigen Adresse. Zur weiteren Überzeugung findet<br />

ihr auch einen Track der Band auf der diesem Heft beiliegenden<br />

<strong>CD</strong>. (49:24) (8) Jan Eckhoff<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

MUSIKA 77<br />

Brave You Free May <strong>CD</strong><br />

miamanterecords.com/Cargo | Mittlerweile muss man<br />

aufpassen, was man sagt. Schließlich ist momentan beinahe<br />

jeder dritte Musiker als Singer/Songwriter unterwegs,<br />

da reagiert man beinahe reflexartig, wenn man auf ein Album<br />

stößt, das ein Mensch aus Skandinavien aufgenommen<br />

hat und das etwas ruhiger ist. Viele klingen einfach<br />

zu gleich oder zu belanglos, da mag man schon gar nicht<br />

mehr hinhören. <strong>Die</strong>s hier wäre mir fast durchgegangen,<br />

und das wäre nicht gut gewesen. Ich nehme mal an, Johann<br />

Krantz aus Norwegen steckt hier alleine hinter, auch wenn<br />

er live mit Band unterwegs ist, und deshalb stecke ich ihn<br />

ohne schlechtes Gewissen in oben genanntes Genre. Was ihn<br />

aber <strong>von</strong> vielen anderen unterscheidet, ist, dass er sich selbst<br />

nicht in den Mittelpunkt rückt und man nicht das Gefühl<br />

hat, hier lebe einer sein Geltungsbedürfnis aus oder lasse uns<br />

überflüssigerweise an seinem Selbstfindungstrip teilhaben.<br />

Sicher, pathetisch und etwas selbstmitleidig klingt das Ganze,<br />

hat zudem die typischen Zutaten, dennoch ist dort etwas,<br />

das mich MUSIKA 77 zu meinem persönlichen Favoriten<br />

in dieser Liga erheben lässt. Vielleicht ist es die weibliche<br />

Zweitstimme, die unkitschigen Streicher, das herrlich ein-<br />

<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 077<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 77 22.09.2006 20:52:35 Uhr


lullende, beinahe unverschämt zurückhaltende Tempo, oder<br />

vielleicht auch nur der Umstand, dass Herr Krantz auf allzu<br />

deutliche Country-Einflüsse verzichtet. So kann man sich<br />

bei Vergleichen getrost eher in Richtung DECIBULLY oder<br />

CZARS orientieren, es also als ein etwas extravagantes Indie-Album<br />

ansehen. Und deshalb ist mir ein Album wie<br />

„Brave You Free May“ auch viel lieber als so manch anderes.<br />

(38:32) (8) Christian Meiners<br />

MANDO DIAO<br />

Ode To Ochrasy <strong>CD</strong><br />

EMI | „Hurricane Bar“, MANDO DIAOs zweites Album<br />

und Vorgänger <strong>von</strong> „Ode To Ochrasy“, war ein Meisterwerk,<br />

an dem alles stimmte, und da war die Spannung, wie der<br />

Nachfolger ausfällt, natürlich groß, denn die jungen Schweden<br />

sind ja durchaus auf für schwankende Kondition bekannt:<br />

Ich erinnere mich da an ein Konzert in Köln letztes<br />

Jahr, das mehr langweiligen Schweinerock als coolen<br />

Rock’n’Roll bot. Und nun also die Ode an die eigene, surreale<br />

Rock’n’Roll-Welt einer ständig tourenden Band. Björn<br />

Olsson (UNION CARBIDE PRODUCTIONS, TSOOL) hätte<br />

produzieren sollen, fing auch mit der Arbeit an, beendete sie<br />

aber nicht, so dass die Band sich ihres Schicksals selbst annahm<br />

und ihren Wunschproduzenten mit dem Satz „This<br />

album could have been produced by Björn Olsson“ verewigte.<br />

Ist Olsson also der Verräter oder nur einer, der einfach<br />

die Lust an der Arbeit mit MANDO DIAO verloren hat?<br />

Nun, höfliche Menschen schweigen. Auf mich macht „Ode<br />

To Ochrasy“ einen zwiespältigen Eindruck: Mit Hits wie<br />

der Single „Long before rock’n’roll“, „Tony Zoulias (Lustful<br />

life)“ oder „Morning paper dirt“ können sie mich auch<br />

diesmal wieder richtig begeistern, stimmt ihre Aneignung<br />

<strong>von</strong> Sixties-Pop einmal mehr, doch da sind dann auch nervige<br />

Songs wie „You don’t understand me“, das vor Klischees<br />

nur so strotzende „Amsterdam“, das schmalzige „Josephine“<br />

und „New boy“, hat man das Gefühl, da wolle jemand auf zu<br />

vielen Hochzeiten tanzen. MANDO DIAO covern sich hier<br />

ständig selbst, sind mehr mit ihrer eigenen Coolness als ihrer<br />

Musik beschäftigt, ja sie erwecken bei mir den Eindruck<br />

einer Band, die ihr Pulver bereits verschossen hat, die nicht<br />

so genial ist, wie sie es gerne wäre. Eine respektable Platte,<br />

aber schwächer als der Vorgänger. (46:06) (7)<br />

Joachim Hiller<br />

MOUSE ON MARS<br />

Varcharz <strong>CD</strong><br />

Ipecac/Soulfood Music | Andi Toma und Jan St. Werner<br />

waren immer irgendwie die netten Schwiegersöhne der<br />

deutschen Elektro-Szene, zwei grundsympathische Typen,<br />

die seit ihrem Debüt „Vulvaland“ Mitte der 90er scheinbar<br />

alles richtig gemacht haben, im Geiste KRAFTWERKS und<br />

anderer Pioniere der Elektronikmusik. Ihr Kokettieren mit<br />

Techno spielte sich auch höchstens auf einem eher abstrakten<br />

Level ab, ebenso wie der Versuch, Popsongs zu schreiben.<br />

Jetzt haben sie sogar eine Platte auf Ipecac gemacht und das<br />

merkt man „Varcharz“ durchaus an, ohne dass man <strong>von</strong> einem<br />

völlig anderen Sound sprechen müsste. Ihr anstrengendstes<br />

Werk ist es dennoch geworden – quasi Ehrensache<br />

auf Pattons Label –, eine extrem aufgesplitterte Platte,<br />

die den Bogen <strong>von</strong> den früheren Ambient-lastigeren MOM-<br />

Tracks hin zum überdrehteren Breakbeat-Spielkonsolen-<br />

Sound der letzten Platten spannt. Elektronikmusik auf einem<br />

abstrahierten Level, zwischen mal melodischeren, mal<br />

rhythmischeren Aspekten, aber ein weiterer Beweis für das<br />

kreative Potenzial <strong>von</strong> Toma und Werner, die entweder brutales,<br />

chaotisches Patchwork-Elektrogeballer auf den Hörer<br />

loslassen, oder einschmeichelnde, sanft dahinfließende<br />

Strukturen erzeugen. Nicht für den alltäglichen Gebrauch<br />

geeignet, aber in jedem Fall ein kreativer Triumph zweier<br />

begnadeter progressiver Musiker. (8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

V.a.<br />

Sampler &<br />

Compilations<br />

V.A. 5 Yrs. Morningside Records <strong>CD</strong><br />

morningsiderecords.dk | Das mir bislang unbekannte dänische<br />

Label Morningside Records feiert sein fünfjähriges<br />

Bestehen mit einer kleinen Werkschau. 14 Bands, 14 Songs,<br />

unter anderem mit meiner Entdeckung der Ausgabe, I AM<br />

BONES. Wer leicht schräge Indiesounds mag, ist mit dieser<br />

Auswahl sehr gut bedient. Ich bin mir sicher, dass hier frischer<br />

Stoff für DJs schlummert, der entdeckt und auf die<br />

Plattenteller der Stadt gehört. Also, verzichtet mal auf eine<br />

Weblog-Session und surft schnell hin zu Morningside, denn:<br />

Dänemark klingt anders. (<strong>69</strong>:51) (9) Arne Koepke<br />

V.A. Anti-Capitalism<br />

(Anarcho-Punk Compilation Vol. 4) <strong>CD</strong><br />

overgroundrecords.co.uk | Tjaja, den Widerspruch aufzulösen,<br />

der zwischen dem Kampf gegen den bösen Kapitalismus<br />

und dem Verkauf <strong>von</strong> Schallplatten zu diesem Zweck<br />

liegt, ist bislang noch keinem gelungen. Nehmen wir John<br />

<strong>von</strong> Overground das also auch nicht übel, sondern sehen<br />

wir seine „Anarcho-Punk Compilation“-Reihe, die hier in<br />

die vierte Runde geht, als Dokumentation einer Szene an,<br />

die in den Achtzigern ihre größte Blüte erreicht hatte. Mit<br />

diesem vierten Teil soll die Reihe dann auch abgeschlossen<br />

sein, für die sich Sean McGhee <strong>von</strong> PSYCHO FACTION<br />

durch an die 4.000 Lieder gehört hat, um letztlich 90 auszuwählen.<br />

Von den 23 Songs hier sind 17 bislang unveröffentlicht<br />

gewesen oder liegen hier in einer exklusiven Version<br />

vor (Hey, mit solchen Tricks arbeitet der Kapitalismus, um<br />

Leute zum Konsum zu verführen!), und die Bandauswahl ist<br />

mit CONFLICT, CRASS, RUDIMENTARY PENI, ANTISECT,<br />

CULTURE SHOCK nebst diverser nicht so großer Namen<br />

wirklich exzellent, wobei die Soundqualität zwischen Studio<br />

und Demo pendelt – Polit-Punks in besetzten Häusern<br />

hatten damals eben nicht unbedingt Zugang zu teurer Studiotechnik.<br />

Im 24-seitigen Booklet gibt’s nach einem unbedingt<br />

lesenwerten Vorwort <strong>von</strong> Penny Rimbaud <strong>von</strong> CRASS<br />

(über den Gegensatz <strong>von</strong> „Kommerzpunk“ à la THE CLASH<br />

und SEX PISTOLS einerseits und der D.I.Y.-Szene im Gefolge<br />

<strong>von</strong> CRASS) auch detaillierte Infos zu jeder Band. Eine<br />

essentielle, wichtige Compilation-Reihe, die ich nur empfehlen<br />

kann, denn wie Penny Rimbaud zu Recht schreibt,<br />

wird heute nur zu gerne vergessen, wofür beziehungsweise<br />

wogegen Punk einst angetreten ist. Joachim Hiller<br />

V.A. Balkan Beats Vol. 2 <strong>CD</strong><br />

eastblokmusic.com | In der Bundeshauptsstadt scheint, initiiert<br />

<strong>von</strong> DJ Soko (der auch für diese Compilation verantwortlich<br />

ist), schon seit Mitte der 90er so was wie ein Balkanmusik-Trend<br />

abzugehen, wenn man dem Info glauben<br />

schenken kann. Und mittlerweile dehnt sich das Fieber<br />

auch auf Städte wie. New York und London aus, wo Menschen<br />

diese Klänge ebenfalls zu lieben scheinen. „Balkan<br />

Beats“ ist die dazugehörige Sampler-Reihe, die besagte Musik-<br />

und Partybewegung sozusagen dokumentiert. Zu finden<br />

ist hier ein bunter Stilmix aus Gipsy und Roma, orientalischen<br />

und sogar indischen Einflüssen, Klezmer, Brassmusik<br />

und teilweise Elektronika, so dass es mal eher traditionell,<br />

und melancholisch, mal clubbig-tanzbar oder etwas<br />

experimenteller zugeht. Crossover ist wohl des Öfteren das<br />

richtige Wort. <strong>Die</strong> Künstler sagen dem Außenstehenden natürlich<br />

überhaupt nichts, aber für jemanden, der mit dieser<br />

gewissen Stimmung und den Melodien östlicher Musik<br />

etwas anfangen kann, gibt es hier bestimmt etwas zu entdecken.<br />

Mir persönlich gefällt die traurige, melancholische<br />

078 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />

MATCHES<br />

Decomposer <strong>CD</strong><br />

epitaph.com | Als einer der vielen, die PANIC! AT THE DIS-<br />

CO richtig abfeiern, stürzte ich mich in heller Aufregung auf<br />

„Decomposer“ <strong>von</strong> THE MATCHES. Das Konzept sieht interessant<br />

aus, genauso wie die Aufmachung, sowohl der Band<br />

als auch des Albums: Durchgestylte Indie-Eleganz, ähnlich<br />

der oben genannten Band. Während des ersten Songs lese<br />

ich mir das Booklet durch und was sehe ich da: Neun verschiedene<br />

Produzenten haben auf dem Album mitgewirkt,<br />

unter ihnen Mark Hoppus (ehemals BLINK 182) oder auch<br />

Brett Gurewitz. Da in Amerika die Produzenten einen entscheidenden<br />

Einfluss auf die Songs oder auch den Gesamtsound<br />

einer Band haben, stellt sich mir nun die Frage: Wo<br />

wollen die denn hin? Hoch in die Charts, an die Wall Street<br />

oder doch einfach nur auf die Tanzfläche und in die Ohren<br />

des Zuhörers? Ich erwarte Hits! Gespannt mach ich mich<br />

nun auf die Suche nach den zuckersüßen Ohrwürmern, die<br />

meine Beine lockern. Und ich finde sie nicht. Nein, kann<br />

das sein? Zuviel erwartet? Der zweite Eindruck muss her<br />

und siehe da, THE MATCHES wissen doch zu begeistern.<br />

Zwar nicht so wie erwartet, aber auch keinesfalls uninteressant<br />

oder wenig. Nach ROBOCOP KRAUS wieder eine gute<br />

Tanzband auf Epitaph. (7) Sebastian Wahle<br />

MOVING SOUNDS<br />

Ground Shaker <strong>CD</strong><br />

copasetic.de | Es fällt schwer, den Überblick zu behalten:<br />

Wieviele 60s Bands mit „move“ im Namen soll es denn<br />

noch geben? MOVE, MOVEMENT, MOVEMENTS, LOST<br />

MOVEMENTS, MOVING SOUNDS, das ist schon verwirrend.<br />

Eines kann man sich allerdings merken: <strong>Die</strong> MOVING<br />

SOUNDS kommen aus SCHWEDEN, und sie legen eine verblüffend<br />

originalgetreue PRISONERS-Imitation hin. <strong>Die</strong><br />

Hammond ist hier wie da der zentrale Melodieträger und<br />

Groove-Faktor. Um sie sind herum sind karge, aber straffe<br />

Arrangements der Saiteninstrumente drapiert, dazu formt<br />

ein ultraharmonischer Leadgesang elf wunderbare Modbeat-Songs.<br />

Besonders schön ist dabei „About you“ geraten,<br />

ein extrem poppiges Stück mit umwerfend schöner Melodie.<br />

„You have me“ kennt man hierzulande eher in der Version<br />

des jungen Howard Carpendale, der den Song 1968<br />

unter dem Titel „Du hast misch“ (sic!) eindeutschte. Und<br />

der Höhepunkt: „Adventures of Gunnar Gnauck“, eine Ode<br />

an eine berüchtigte Exil-Hamburger Mod-Krawalltüte, leider<br />

ein Instrumental, denn die Abenteuer des Gunnar G.<br />

reichen ja bekanntlich für mehrere abendfüllende Spielfilme.<br />

(8) Gereon Helmer<br />

GERRY MITCHEL & LITTLE SPARTA<br />

Scalpel Slice M<strong>CD</strong><br />

firerecords.com | LITTLE SPARTA spielen Kammermusik<br />

und Gerry Mitchell spricht mit rauchiger Stimme dazu. Das<br />

Ganze hat einen Hauch <strong>von</strong> CALEXICO, doch nicht mehr,<br />

denn die Arrangements mit herzerweichend zähen Streichern<br />

plätschern belanglos vor sich hin. Wenn das ein Filmsoundtrack<br />

ist, will ich die langen Spaziergänge bei Sonnenuntergang<br />

im Herbst dazu gar nicht sehen. Zugegeben, dieses<br />

Urteil klingt ungerecht, diese Platte ist auch nicht richtig<br />

schlecht, aber leider auch nicht besonders originell. Auch<br />

Mitchells Erzählweise ist nur bedingt witzig, größtenteils<br />

eher anstrengend. Meine Freundin findet, das Cover sieht<br />

aus wie ein „christlicher Scherenschnitt“ – und das sagt eigentlich<br />

alles. (21:16) (4) Chris Wilpert<br />

METAL HEARTS<br />

Socialize LP/<strong>CD</strong><br />

LP: miamanterecords.com/<strong>CD</strong>: Suicide Squeeze/Cargo |<br />

Leisen, verhaltenen Indiepop, wie ihn uns dieses Duo aus<br />

Baltimore vorlegt, kann man ideal an verschlafenen Montagmorgen<br />

hören, wenn es sich eh nicht mehr lohnt, das<br />

Haus zu verlassen. Einfach umdrehen und im Halbschlaf<br />

Spielart <strong>von</strong> Gipsy/Roma, Klezmer ja am besten, aber das<br />

ist ja wie immer bloß Geschmackssache, die nichts über die<br />

Qualität dieses Samplers aussagt. (55:07) (7) Alex Strucken<br />

V.A. Blood On The Scratchplate ’65 <strong>CD</strong><br />

motorsoundsrecords.com | „Niemand spielt den Blues,<br />

damit es ihm besser geht. Du spielst den Blues, damit es anderen<br />

schlechter geht“, sprach der weise Deltablues-Mann<br />

Rattlin’ Orange Peel im RUTLES-Film „All You Need is<br />

Cash“. Das Prinzip lässt sich auch ganz gut auf diese kratzbürstige<br />

Compilation anwenden. CHILDISH THOUGHTS,<br />

URGES, MOTORSOUNDS, MUDLOW, KEEPERS, SUR-<br />

GENTS, SUPERSEXY BOY 1986 und noch ein paar weitere<br />

Kapellen stehen sich allesamt in Griesgrämigkeit in nichts<br />

nach. Sind die Stile auch relativ unterschiedlich (LoFi-<br />

Blues, Haudruff Hardrock, Primitive Garage, Rock’n’Roll),<br />

so sind sie doch in einem einig: die Angepisstheit <strong>von</strong> den<br />

Fiesheiten, die diese kaputte Welt so zu bieten hat. Und deshalb<br />

schön die Zähne auseinander und die Wut der Welt ins<br />

Gesicht gebellt! (7) Gereon Helmer<br />

V.A. Bored Teenagers Vol. 4 LP/<strong>CD</strong><br />

Bin Liner/detour-records.co.uk | Fünf Jahre sind seit dem<br />

Erscheinen <strong>von</strong> Teil 3 dieser Compilation-Reihe aus dem<br />

Hause Detour vergangen, und wer die bisherigen Volumes<br />

kennt, der weiß, dass es hier nicht die übliche Aneinanderreihung<br />

sattsam bekannter alter UK-Bands gibt, sondern<br />

dass hier Musik-Archäologie der Extraklasse betrieben<br />

wurde. Und so findet sich hier beispielsweise eine Formation<br />

namens THE CANE mit zwei Songs, bei denen ein gewisser<br />

Kirk Brandon sang. Yep, mit zarten 16 war der Mann, der<br />

danach mit THE PACK, THEATRE OF HATE und SPEAR OF<br />

DESTINY etwas bekannter wurde, hier als Co-Sänger und<br />

Bassist tätig (auf der <strong>CD</strong> gibt’s als Bonus noch einen weiteren<br />

CANES-Track), und wer es noch obskurer will, bitte: Hinter<br />

PUBLIC PISSTAKE steckten einst ein gewisser Jimmy Pursey<br />

sowie zwei Leute <strong>von</strong> den PRETENDERS, und „Our own creation“<br />

ist eine bewusste Verarsche (daher auch der Name)<br />

der SEX PISTOLS, wie man unschwer überhören kann. Der<br />

Song war bisher unveröffentlicht, existierte nur als Acetat-<br />

Unikat, währen die meisten anderen Tracks hier zumindest<br />

als reguläre Single in 500er bis 1.000er Auflagen erschienen<br />

sind. Etwa die ELEVATORS, die „Pop-Oi!“ spielenden IN-<br />

TROZE, die STEROID KIDDIES (was für ein cooler Bandname!),<br />

THE MACHINES, THE ORDINARYS oder THE RUN-<br />

NING SORES. Von jeder Band gibt’s zwei bis drei Songs in<br />

okayner Soundqualität, und, extrem lobenswert, im Booklet<br />

auch noch eine Doppelseite mit ausführlicher History nebst<br />

Fotomaterial. Ein Sampler, der mit Liebe zum Detail und abseits<br />

der großen Namen zusammengestellt wurde, Pflichtstoff<br />

für jeden Fan <strong>von</strong> britischem Punkrock aus den Jahren<br />

1977 bis 1981. (44:43) (7) Joachim Hiller<br />

V.A. Dip & Fall Back<br />

Classic Jamaican Mento 2<strong>CD</strong><br />

trojanrecords.com/sanctuary | Der Mento, eine Form des<br />

Calypso, besitzt auf Jamaika eine lange Tradition, denn die<br />

ersten Aufnahmen gab es bereits in den 20er Jahren. Ursprünglich<br />

mit Hand Drums, Banjo, Mini-Piano, Bambusflöte<br />

oder Saxophon gespielt, kamen in den 60er Jahren<br />

auch E-Gitarren und Kontrabass zu Einsatz. In den Songtexten<br />

wurden traditionelle Geschichten, Erlebnisse aus dem<br />

Alltag oder aktuelle Nachrichten wie zum Beispiel „Dr. Kinsey<br />

report“ oder „Hooliganism“ verarbeitet. Als dann in den<br />

50er Jahren der R&B aus Amerika Jamaika erreichte, entstand<br />

hier schließlich die Ska-Musik. Mento gilt somit als<br />

eine der Hauptwurzeln des Ska. <strong>Die</strong> 35 Songs auf dieser<br />

Compilation stammen aus den Jahren 1955 bis 1968. Neben<br />

Mento und Calypso sind hier auch Ska, Bebop-Jazz und<br />

R&B-Einflüsse zu hören. Der bekannteste und weltweit erste<br />

No. 1-Calypso-Titel, „Island in the sun“, ursprünglich ge-<br />

solche Musik genießen. Denn so ruhig und verträumt, wie<br />

dieses Album daherkommt, dabei manchmal wie eine akustische<br />

Version <strong>von</strong> MODEST MOUSE oder wie CAT POWER<br />

mit Drum-Maschine oder einfach wie LALI PUNA anmutet,<br />

wüsste ich nicht, wann man es sich besser anhören könnte.<br />

Es wird abwechselnd <strong>von</strong> einer Frau und einem Mann gesungen,<br />

der aber so androgyn klingt, dass es kaum einen Unterschied<br />

macht. Süße Popperlen, die einen zwischen Piano<br />

und Streichern auch wunderbare Feinheiten entdecken lassen,<br />

dabei aber leider manchmal auch recht unspektakulär<br />

sind. (6) Chris Wilpert<br />

MOTÖRHEAD<br />

Kiss Of Death <strong>CD</strong><br />

Steamhammer/SPV | Ich finde ja, dass Lemmy mittlerweile<br />

in einem Alter ist, in dem man mit Titeln wie „Kiss Of<br />

Death“ vorsichtig sein sollte. Andererseits stirbt der ja wahrscheinlich<br />

sowieso auf der<br />

Bühne, mit dem Bass in<br />

der Hand. Bis es soweit ist,<br />

wird Herr Kilmister aber<br />

sicher brav jedes Jahr ein<br />

neues Album abliefern,<br />

und solange er das qualitätsmäßig<br />

auf dem Level<br />

tut, auf dem sich auch<br />

„Kiss Of Death“ bewegt,<br />

bin ich damit einverstanden.<br />

„MOTÖRHEAD spielen<br />

MOTÖRHEAD“, Runde<br />

23. Phil Campbells Gitarrenspiel<br />

ist diesmal so bissig wie schon lange nicht mehr,<br />

Lemmy röhrt so bärig, dass es eine wahre Freude ist, und<br />

auch die übliche Ballade ist nicht peinlich, sondern gänsehauterregend:<br />

„God was never on your side“ singt der Pfarrerssohn<br />

da und will das Lied eindringlich als Message an<br />

„all die Idioten, die immer noch an ihn glauben“, verstanden<br />

wissen. Nein, die Idioten sind nicht die Lemmy-Fans,<br />

sondern die Anhänger des folkloristischen Jesus-Kults ... Alles<br />

in bester Ordnung also im Hause MOTÖRHEAD. Weitermachen.(44:49)<br />

(9) Joachim Hiller<br />

ERIC MATTHEWS<br />

Foundation Sounds <strong>CD</strong><br />

Empyrean/Cargo | Herr Matthews ist ein junger Mann mit<br />

reichlich Soloerfahrung. Einst war er Teil der Band CARDI-<br />

NAL, sein eigenes Debütalbum erschien im Jahr 1994, es<br />

folgten zwei weitere Alben auf Sub Pop, und heuer kommt<br />

schon das fünfte. Seine Alben hat er bis auf wenige Details,<br />

wie etwa Klarinettenpassagen, komplett selbst aufgenommen,<br />

dennoch ist es seine eigene Art des Singer/Songwriter-Sounds.<br />

Mich erinnert es vor allem an späte Sachen<br />

vom seligen Elliott Smith, vor allem weil es ähnlich pompös<br />

und schwülstig arrangiert ist, was seiner Musik den Titel<br />

„orchestraler Pop“ eingebracht hat, und beide ähnliche<br />

Gesangslinien in die Songs flechten. Der Sound dieses Mannes<br />

ist allerdings weniger trocken, und er hat die wesentlich<br />

markantere Stimme, an die man sich aber schnell gewöhnt.<br />

Insgesamt aber, gerade wegen der erhöhten Kitschgefahr<br />

auf „Foundation Sounds“, eher ein gewöhnungsbedürftiges<br />

Album, nicht ganz einfach, aber auf seine Art sehr<br />

reizvoll. (68:40) (6) Christian Meiners<br />

MODERN MACHINES<br />

Take It, Somebody <strong>CD</strong><br />

dirtnaprecs.com | Immer noch und immer wieder ist Dirtnap<br />

Records aus Portland ein verlässlicher Quell wunderschönen<br />

Punkrocks, und die MODERN MACHINES mit ihrem<br />

herrlich alt klingenden Namen, der bei mir die erwünschten<br />

Spät-Siebziger- und Früh-Achtziger-Assoziationen<br />

auslöst, sind da keine Ausnahme. <strong>Die</strong> Band kommt<br />

aus Milwaukee, Wisconsin und vereint all die positiven Ele-<br />

sungen <strong>von</strong> Harry Belafonte, darf natürlich nicht fehlen und<br />

wird hier <strong>von</strong> den HILTONAIRES gecovert. Auch „Under<br />

the mango tree“ aus dem James Bond-Film „Dr. No“ ist dabei.<br />

Andere Titel auf dieser Compilation hingegen, wie etwa.<br />

„Shame & scandal“, „Penny reel“ oder „Big Bamboo“, wurden<br />

später <strong>von</strong> vielen anderen Ska- und Reggae-Künstlern<br />

gecovert. Abgerundet wird diese gelungene Zusammenstellung<br />

durch ein sehr informatives Booklet. (53:57/59:20)<br />

(9) Kay Wedel<br />

V.A. DJ Andy Smith<br />

Presents Trojan Document <strong>CD</strong><br />

Trojan/Sanctuary | Das Coole an derartigen Zusammenstellungen<br />

ist, man hat immer das Gefühl, selbst irgendwo<br />

bei einem Niter mittendrin zu sein. Andy Smith hat ein gutes<br />

Händchen und bedient<br />

sich, wie der Titel bereits<br />

verrät, einiger Musikdokumente<br />

des Traditionslabels<br />

Trojan. Fast achtzig<br />

Minuten legt der DJ alte<br />

Scheiben auf, präsentiert<br />

diese ab und an kurz und<br />

feuert das imaginäre tanzfreudige<br />

Ska-Publikum<br />

an. Das Ein-Zimmer-Single-Appartementausgeräumt,<br />

die Nachbarn in<br />

deinem Block eingeladen,<br />

diese Platte aufgelegt und schon kann es losgehen. Erst einmal<br />

anheizen, dann einige Schmuser, das Tempo wieder etwas<br />

angezogen, Originale und Dub-Versions hinterher gemischt<br />

und schön ausklingen lassen. Recht hat Mr. Smith<br />

mit der These „... a 40 year old Ska track still works as well<br />

today as I imagined it must have done when it first came out<br />

– such is the longevity of this music.“ Was war das doch gestern<br />

wieder für eine Nacht ... (77:45) (9) Simon Brunner<br />

V.A. Dolemite OST <strong>CD</strong><br />

Relapse/SPV | D’Urville Martins „Dolemite“ aus dem Jahr<br />

1975 ist sicherlich nicht der großartigste Blaxploitation-<br />

Film aller Zeiten, allerdings besaß der Streifen bei aller Trashigkeit<br />

schon alleine durch Hauptdarsteller Rudy Ray Moore,<br />

ein schwarzer James Bond-Verschnitt im Luden-Dress,<br />

das Zeug zum Kultfilm, der sich da mit lahmen Karatekicks<br />

in die Herzen der Ladys boxte und gleichzeitig noch in den<br />

70ern den Grundstein für die Rapper <strong>von</strong> Morgen legte.<br />

„Dolemite“ mag für viele nur minderbemittelter Trash sein,<br />

der dazugehörige Soundtrack ist es sicher nicht, der sich<br />

durchaus auf gleicher Höhe mit der Musik zu Filmen wie<br />

„Shaft“, „Superfly“, „Across 110th Street“ oder „The Mack“<br />

bewegt, also leicht sleazige Soul/Funk-Mucke à la Bobby<br />

Womack oder Sly Stone inklusive schöner Soul-Balladen,<br />

die einen nur so dahinschmelzen lassen. Der ursprüngliche<br />

Soundtrack wurde um drei Songs aus Rudy Ray Moores<br />

(noch) wesentlich schlechterer „Dolemite“-Fortsetzung<br />

„The Human Tornado“ und drei Radio-Spots erweitert, wo<br />

Moores rappende Verbalakrobatik gut zur Geltung kommt.<br />

Wer Filme dieser Art mag, wird sich auch über den Soundtrack<br />

dazu freuen, wo allerdings eine Sache den Genuss erheblich<br />

stört, denn Relapse haben das Ganze <strong>von</strong> Schallplatte<br />

gemastert und man hört reichlich fiese Knackser und andere<br />

Unsauberkeiten. Halten wir ihnen mal zugute, dass das<br />

Ausgangsmaterial ziemlich schlecht gewesen sein muss, ansonsten<br />

kann man so was aber besser hinbekommen, weshalb<br />

„Dolemite“ doch eher Bootleg-Feeling versprüht. (7)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

V.A. Eat The Rich Vol. 3 <strong>CD</strong><br />

nix-gut.de | Liebhaber der Nix-Gut-Sampler bekommen<br />

in diesen Tagen viel Nachschub <strong>von</strong> ihrem Stoff. Neben<br />

mente <strong>von</strong> MR T EXPERIENCE, REPLACEMENTS und TOS-<br />

SERS – und bei „You’re getting married“ dachte ich sogar, da<br />

sie eine HÜSKER DÜ-Coverband am Werk, so exakt schaffen<br />

es die MODERN MACHINES, deren knarzigen Sound zu reproduzieren.<br />

Ein wunderbar melodiöses Punkrock-Album<br />

ohne zuckerige Süße, mit viel Melancholie, aber auch Wut,<br />

abwechslungsreich und <strong>von</strong> energischen bis zu eher leisen<br />

Tönen die ganze Bandbreite abdeckend. Ein rundum gelungenes,<br />

absolut empfehlenswertes Album, aber das wissen die<br />

Leute, die bereits die „Taco Blessing“-EP auf Recess besitzen,<br />

ja ohnehin schon. (31:09) (8) Joachim Hiller<br />

MR. SYMARIP<br />

The Skinheads Dem A Come <strong>CD</strong><br />

liquidator.com | Roy Ellis aka Mr. Symarip, der 19<strong>69</strong> mit<br />

der Skinhead-Reggae-Band SYMARIP die beiden Traditionsalben<br />

„The Pyramids“ sowie „Skinhead Moonstomp“<br />

geschrieben hat, ist mit neuem Material zurück. Seine Gospel-Wurzeln<br />

pflegt Roy seit dem Kindesalter. Selbst dieses<br />

typisch traditionelle Skinhead-Reggae-Album ist mit Gospel-Einflüssen<br />

infiziert. Mal abgesehen <strong>von</strong> dieser Kleinigkeit,<br />

keine besonderen Vorkommnisse, liebes Reggae- und<br />

Ska-Publikum! Mr. Symarip liefert das, was ihr wahrscheinlich<br />

erwartet. Er bleibt seinen Wurzeln treu. Zur Freude <strong>von</strong><br />

vielen, vielen Fans der authentischen Linie. Mir hingegen ist<br />

das alles zu traditionell, ja fast schon volkstümlich, irgendwie<br />

sogar schlagerartig. Legende mit guter Backing-Band<br />

hin oder her, mal abgesehen <strong>von</strong> wenigen Ausnahmen, kann<br />

mich dieses Album nur bedingt begeistern. (51:57) (6)<br />

Simon Brunner<br />

MOJOMATICS<br />

Songs For Faraway Lovers LP/<strong>CD</strong><br />

aliensnatch.com | Im Interview dieses Frühjahr kündigten<br />

Dav und Matt es bereits an: Für das neue Album, ihr<br />

zweites und Nachfolger <strong>von</strong> „A Sweet Mama Gonna Hoodoo<br />

Me“ <strong>von</strong> 2004, würde man sich auf eine gewisse Neuausrichtung<br />

einstellen müssen, man werde sich stärker an<br />

klassischen US-Songwritern der Sechziger orientieren, allen<br />

voran Bob Dylan. Und so ist es auch gekommen, denn<br />

die zwölf Lieder für die weit entfernte Liebste sind ein gutes<br />

Stück gemäßigter als jene auf dem Debüt. Doch keine<br />

Sorge, wer sich damals für den knarzigen (Po-)Delta-Blues-<br />

Garage-Punk des venezianischen Duos begeistern konnte,<br />

muss sich hier zwar mit ihrer ruhigeren Seite beschäftigen,<br />

doch die zeigt ihre Qualitäten nur noch überzeugender.<br />

Mit „No place to go“, hier auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören und zu<br />

dem auch <strong>von</strong> M.A. Littler <strong>von</strong> Slowboat Films ein Video gedreht<br />

wurde, ist ihnen ein echter kleiner Hit geglückt, dem<br />

„A fall on the floor“ in nichts nachsteht, ja ich bin generell<br />

<strong>von</strong> der gut gelaunten Atmosphäre des Albums überrascht,<br />

denn man ist hier immer wieder dem perfekten Pop-Song<br />

auf der Spur, hat mitnichten so den Blues wie noch vor zwei<br />

Jahren. Sollen andere die immer gleichen und ja prinzipiell<br />

auch gern genommenen Garage-Rüpeleien zelebrieren, die<br />

MOJOMATICS haben die zwar auch drauf, aber auch noch<br />

viel mehr. (33:44) (9) Joachim Hiller<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

MONGREL<br />

Speak Resistance <strong>CD</strong><br />

longbeachrecords.de | Beim Gedanken an deutschen Melodycore<br />

stellen sich bei mir bei circa 80 Prozent aller Bands<br />

die Nackenhaare auf. Zu schlecht, zu langweilig, einfach<br />

peinlich! Nun gut, MONGREL zählen zu den besseren Bands.<br />

<strong>Die</strong> vier Jungs kommen aus München, haben eine ordentliche<br />

Geschwindigkeit drauf und klingen abwechslungsreich<br />

und vor allen Dingen geht das hier voll in die Fresse.<br />

Vor amerikanischer Konkurrenz brauchen sich MONG-<br />

REL sicherlich nicht fürchten. Endlich mal ein Sänger, der<br />

wirklich akzentfrei Englisch kann, und eine Band, die ihre<br />

Instrumente auch bei Überschallgeschwindigkeit noch<br />

„Wir lassen uns das Dagegensein nicht verbieten“ kommt<br />

„Eat The Rich“ Nummer 3. <strong>Die</strong> ersten Stücke rufen mal<br />

wieder Kopfschütteln hervor und mir vergeht die Lust, die<br />

Platte zu Ende zu hören. Aber wenn man nach der Hälfte der<br />

Beiträge immer noch nicht ausgeschaltet hat, auf den wartet<br />

gegen Ende der ein oder andere unterhaltsame Beitrag, z.B.<br />

<strong>von</strong> NEVERMIND. Der Abschluss <strong>von</strong> UNGUNST ist dafür<br />

noch mal umso schlechter. Wenn ich intolerant sein muss,<br />

um mich <strong>von</strong> schlechter Musik fernzuhalten, dann bin ich<br />

das ab heute aus ganzem Herzen. (56:53) Katrin Schneider<br />

V.A. Got The Feeling:<br />

Work Your Soul 2 <strong>CD</strong><br />

trojan-records.com/Sanctuary | Und noch mehr zum<br />

Thema Soul aus Jamaika: „Got The Feeling“, als Fortsetzung<br />

des erfolgreichen Samplers „Work Your Soul“ kann<br />

sich nicht nur hören und sehen lassen, sondern geht im Vergleich<br />

mit der ebenfalls <strong>von</strong> Trojan veröffentlichten <strong>CD</strong>-Box<br />

„Motor City Reggae Box Set“ eindeutig als Sieger hervor.<br />

Hier sind ausschließlich Ska- und Rocksteady-Interpreten<br />

am Start, <strong>von</strong> DESMOND DEKKER & THE ACES über Owen<br />

Gray bis hin zu den BLUES BUSTERS, die übrigens den alten<br />

Marvin Gaye-Hit „Can I get a witness“ in einer wirklich<br />

atemberaubenden Version darbieten. Bei dem Tempo dieser<br />

Compilation bleibt mir kaum Zeit zum Luftholen, höchstens<br />

bei BYRON LEE & THE DRAGONAIRES und ihrer Interpretation<br />

des BOOKER T & THE MG’S-Hits „Green onion“.<br />

Schwarzer Soul, der nicht dunkler klingen könnte. Einige<br />

Titel, wie „Sugar“ <strong>von</strong> Joyce Bond, wurden erst jetzt<br />

zum ersten Mal auf <strong>CD</strong> veröffentlicht. <strong>Die</strong> 25 Songs aus den<br />

Jahren 1962 bis 1971 sind wirklich großartig ausgewählt<br />

und auch das Booklet ist nett aufgemacht und mit vielen informativen<br />

Linernotes versehen. Cooles Teil. (66:17) (9)<br />

Kay Wedel<br />

V.A. Go Kart<br />

Vs. the Coprorate Giant <strong>CD</strong><br />

Go Kart Records | <strong>Die</strong> vierte Ausgabe der Labelschau <strong>von</strong><br />

Go-Kart Records hört sich genau so an, wie man es <strong>von</strong> einem<br />

Label, das Bands wie RIFU, TEN FOOT POLE und die<br />

COUGARS beherbergt: 22 Songs, 22 mal Punkrock. Doch<br />

nicht nur die Altbekannten finden ihren Platz auf „Go Kart<br />

Vs. the Coprorate Giant“. Wie bei low-price Labelsamplern<br />

üblich bekommen auch die neuen Bands auf Go-Kart die<br />

Möglichkeit für Aufsehen zu sorgen und auf sich aufmerksam<br />

zu machen. Für ehrliche Punkrocker eine lohnenswerte<br />

Sache. (7) Sebastian Wahle<br />

V.A. Hier kommt der leise Tod!<br />

Ein Tribut an Geisterfahrer <strong>CD</strong><br />

plasticfrogrecords.com/SXDistribution | GEISTERFAH-<br />

RER aus Hamburg waren eine der ganz frühen deutschen<br />

Independentgruppen und wurden stark <strong>von</strong> JOY DIVISON,<br />

MODERN ENGLISH, GANG OF FOUR und P.I.L. beeinflusst.<br />

Später haben sie auch gerockt, aber eine gewisse Düsternis<br />

ist immer geblieben. Nach einleitenden Worten <strong>von</strong> Klaus<br />

Friebe stellen insgesamt 18 Künstler ihre GF-Interpretationen<br />

vor. Und im Vergleich zu vielen anderen Tribut-Samplern<br />

wird hier tatsächlich interpretiert, das heißt hier gibt es<br />

keine billigen Eins-zu-eins-Kopien, welche dann als Tribut<br />

verkauft werden, sondern teilweise recht eigenwillige und<br />

sperrige Versionen, die es manchmal recht schwer machen,<br />

das Original zu erkennen. Ich finde alleine schon deshalb ist<br />

dieses Tributalbum mehr als gelungen. Alle Beiträge finden<br />

sich irgendwo zwischen Avantgarde und Minimal-Elektronik<br />

wieder und das funktioniert sehr gut, denn schließlich<br />

haben auch GF in ihre Musik Minimal- und Industrial-Elemente<br />

eingebaut. Beim genauen Hinsehen der beteiligten<br />

Künstler entdeckt man sogar den einen oder anderen bekannten<br />

Namen. So verbirgt sich hinter dem Bandprojekt<br />

DAS INSTITUT GF-Godfather Matthias Schuster und auch<br />

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eherrscht. Hört euch das mal an, es lohnt sich wirklich!<br />

<strong>CD</strong> kommt mit zusätzlichem Computer-Schnickschnack.<br />

(49:45) (8) Paul Tackenberg<br />

MYPROOF<br />

Reason For My Justice <strong>CD</strong><br />

godschild.com.hk | Dass in der japanischen Popkultur Gefühle<br />

zuweilen sehr explizit dargestellt werden, kennt man<br />

hierzulande vor allem aus Animes und Mangas. So symbolisiert<br />

beispielsweise ein schwarzes Kreuz auf der Stirn eines<br />

Charakters Wut oder Ärger, während eine über dem Kopf<br />

schwebende Regenwolke Traurigkeit versinnbildlicht. Doch<br />

selbst wenn man solche Codes entschlüsselt, so wirken sie<br />

in ihrer Ausdrücklichkeit für westliche Augen oft etwas befremdlich<br />

– wahrscheinlich auch deshalb, weil sie nicht in<br />

das zurückhaltende Bild passen wollen, das man sich <strong>von</strong><br />

Japan gemacht hat. Hierin dürfte dann auch der Grund zu<br />

suchen sein, warum man dem – manche würden sagen –<br />

Pop-Metal <strong>von</strong> MYPROOF zunächst etwas ratlos gegenüber<br />

steht. Während die Band in den Strophen den klassischen<br />

Bösewicht amerikanischer Superheldencomics gibt,<br />

der an ATREYU oder KILLSWITCH ENGAGE erinnert, hüpfen<br />

in den Refrains die Mädels <strong>von</strong> Sailor Moon umher und<br />

verdrücken übermütig kichernd Unmengen an bunter Zuckerwatte.<br />

Doch letztendlich werden die vielen kleinen<br />

Schweißtropfen auf dem Gesicht des Hörers, durch die im<br />

Manga Ratlosigkeit repräsentiert wird, relativ zügig <strong>von</strong> der<br />

Erkenntnis getrocknet, dass gerade diese kulturelle Dichotomie<br />

den Reiz <strong>von</strong> MYPROOF ausmacht. <strong>Thomas</strong> Renz<br />

MISERY SIGNALS<br />

Mirrors <strong>CD</strong><br />

ferretstyle.com/Soulfood | <strong>Die</strong>ser Platte geht es vor allem<br />

um Selbsterkenntnis. „A lot of the songs ask questions about<br />

self and how people perceive themselves and the images that<br />

they present to others“, erläutert Gitarrist Ryan Morgan den<br />

Titel des neuen Albums „Mirrors“. Schließlich ist es noch<br />

gar nicht so lange her, dass sich MISERY SIGNALS selbst vor<br />

einem Spiegel aufgestellt haben. Damals wurde die Band<br />

<strong>von</strong> ihrem Sänger verlassen, und es stellte sich die Frage, ob<br />

man mit dem Bild, das man bisher abgegeben hatte, zufrieden<br />

war oder doch eher eine neue Identität angenommen<br />

werden sollte. Und weil der griechische Philosoph Heraklit<br />

Recht hatte, als er sagte: „Allen Menschen ist es gegeben,<br />

sich selbst zu erkennen und klug zu sein“, stellte die Band<br />

fest, dass es nach dem wirklich sehr hübschen Debütalbum<br />

„Of Malice And The Magnum Heart“ allenfalls hier und da<br />

wenige kosmetische Änderungen anzugehen galt. So suchten<br />

sich MISERY SIGNALS einen Sänger, der dem alten verblüffend<br />

ähnelte und machten genau da weiter, wo sie aufgehört<br />

hatten. Deshalb klingt auch „Mirrors“ nach einer offensiveren<br />

und weniger vertrackten Variante <strong>von</strong> SHAI HU-<br />

LUD, was vor allem am melodiösen Kern liegt, der sich hinter<br />

der harten Schale verbirgt. Es lohnt also, bei dieser Platte<br />

genauer hinzuhören. Auch weil man sich – wie beispielsweise<br />

beim Titelsong – ein bisschen selbst darin widerspiegeln<br />

kann: „I see now there is a choice to make / We could<br />

be any one, I see now“. <strong>Thomas</strong> Renz<br />

MOCHINES<br />

Hire The Losers <strong>CD</strong><br />

Landspeed | Wüsste ich es nicht besser, würde ich nach<br />

dem Hören des Debütalbums der MOCHINES vermuten,<br />

Cape Town sei eine Stadt in Schweden. Dass auch weiter<br />

südlich auf dieser Welt zeitgemäßer Rock’n’Roll geschmiedet<br />

wird, hat man ja in letzter Zeit beinahe ein bisschen vergessen.<br />

<strong>Die</strong> vier Südafrikaner jedenfalls haben ein ganz feines<br />

punkiges Rockalbum vorgelegt, dass neugierig macht,<br />

was in dieser Hinsicht da unten sonst noch passiert, denn<br />

neben den Grindern <strong>von</strong> GROINCHURN hat man ja in den<br />

letzten Jahren nicht allzu viel vom südafrikanischen Musikgeschehen<br />

mitbekommen. <strong>Die</strong> MOCHINES sind ein guter<br />

Andy Giorbino ist nicht gänzlich unbekannt. Ach ja, der GF-<br />

NDW-Hit „Himmel auf Erden“, gespielt in einer DAF-mäßigen<br />

Version, ist auch mit dabei. (72:08) (9) Kay Wedel<br />

V.A. Hometown Pride <strong>CD</strong><br />

pekkaproductions.com | <strong>Die</strong>se Compilation beinhaltet 16<br />

Songs <strong>von</strong> Bands aus Lahti, einer Stadt in Südfinnland. Entsprechend<br />

dem Titel soll mit diesen der lebendigen Szene<br />

der Stadt Tribut gezollt werden, aus der unter anderem<br />

das Chambers Magazine kommt, das dienstälteste finnische<br />

Punkrock-Magazin. Zwar ist es schön, eines der wenigen<br />

szenebezogenen Releases aus Finnland in der Hand zu haben,<br />

über die mittelmäßigen Songs täuscht dies aber nicht<br />

hinweg. Einzig VICEROY bieten schönen Streetpunk und die<br />

FLIPPIN’ BEANS spielen netten Ska-Punk. Daneben gibt es<br />

hier fast nur polternden Hardcore, der, abgesehen <strong>von</strong> zwei<br />

Oldschool-HC-Songs <strong>von</strong> MORNING AFTER, höchstens<br />

durchschnittlich ist. (43:09) (5) Lauri Wessel<br />

V.A. In Prison: Afroamerican Prison<br />

Music From Blues To HipHop <strong>CD</strong><br />

Trikont/Indigo | Unter dem Titel „In Prison“ veröffentlicht<br />

das Label Trikont eine weitere Kompilation aus der<br />

„Black Radical Music“-Serie. Insgesamt 19 Bands und Musiker<br />

steuern einen Song<br />

zum Thema bei. Ob als<br />

Worksong der Chaingangs,<br />

Blues, Soul oder HipHop,<br />

alle Titel drehen sich um<br />

die Situation der afroamerikanischenGefängnisinsassen,<br />

denn diese<br />

stellen fast die Hälfte der<br />

insgesamt zwei Millionen<br />

inhaftierten Menschen in<br />

den USA – und das, obwohl<br />

sie nur 12 Prozent<br />

der Bevölkerung stellen.<br />

Mit anderen Worten: jeder achte afroamerikanische Mann<br />

zwischen 20 und 35 Jahren sitzt in einer Gefängniszelle. An<br />

der Gesundheitsvorsorge für Häftlinge wurde gespart, nach<br />

einem Wohlfahrtsreformgesetz haben wegen Drogendelikte<br />

verurteilte Ex-Häftlinge zeitlebens alle Ansprüche auf<br />

staatliche Hilfe oder Lebensmittelmarken verloren, in einigen<br />

Bundsstaaten haben verurteile Straftäter alle Bürgerechte<br />

einschließlich des Wahlrechts verloren. <strong>Die</strong> Gefängnisse<br />

werden zu Verwahranstalten der psychisch Kranken, es<br />

fällt das Schlagwort „warehousing of the poor“, faktisch also<br />

eine Einlagerung der Armen. Während Beratungs-, Hilfsund<br />

Wohlfahrtsangebote zusammengestrichen werden,<br />

entstehen immer mehr Gefängnisse, die durch eine immer<br />

schärfere werdende Rechtssprechung gefüllt werden. Hierzu<br />

ein Zitat <strong>von</strong> Alan Elsner: „Wenn eine Nation darüber definiert<br />

wird, was sie produziert, dann sind die Vereinigten<br />

Staaten eine Gefängnisnation geworden.“ Soweit aus dem,<br />

wie bei Trikont üblich, vorbildlichen Booklet. Bei so viel Lesestoff<br />

wird die Musik fast zur Nebensache, an dieser Stelle<br />

deshalb wenigstens ein paar Namen: 2-Pac, K-Solo, Xixa Simone,<br />

TEMPTATIONS sowie Billy Boy Arnold. (73:49) (9)<br />

Kay Wedel<br />

V.A. If The Kids Are Frustrated <strong>CD</strong><br />

contienda.de.vu | Sampler mit 26 Liedern <strong>von</strong> vier sächsischen<br />

Bands mit Auftrag und Sendungsbewusstsein. VOLKS-<br />

OPFER haben in drei Liedern Mut zur Langsamkeit, noch<br />

holperig zwar, doch die Arienhaftigkeit des Gesangs lässt<br />

vermuten, dass es in die SKEPTIKER/KOLPORTEURE-<br />

Richtung gehen wird. <strong>Die</strong> elf Texte der RATTENPISSE sind<br />

gut, aber außer „Frau Elbe“ ist ihr Knüppelcore mit Keksdosen-Schnarrfelltrommel<br />

höchst gewöhnungsbedürftig.<br />

Gegen die ist sogar Johnny Rotten ein Poser. DU UND ICH<br />

Anlass, mal wieder über Euro-US-zentrierte Musikrezeption<br />

nachzudenken und sich vielleicht mal ein bisschen umzuschauen.<br />

Beim Vergleich muss man freilich wieder nach<br />

Europa zurück und landet natürlich wieder in Skandinavien:<br />

Ein bisschen GLUECIFER ist da zu hören, ein, zwei Songs<br />

gehen in die BONES-Richtung, da passt alles zusammen.<br />

Empfehlung! (42:40) (8) Simon Loidl<br />

MEN WOMEN & CHILDREN<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

Inkubator / Soulfood | Männer, Frauen und Kinder zuerst!<br />

<strong>Die</strong>ser durchaus faire Ausruf hätte allenfalls auf dem familienfreundlichen<br />

„Love Boat“ seine Berechtigung gehabt, das<br />

1977 zum ersten Mal in seichte TV-Unterhaltungsgewässer<br />

stach. Und just zu der Zeit steuerte bekanntlich auch die<br />

Disco-Ära auf ihren Höhepunkt zu, die jetzt <strong>von</strong> MEN WO-<br />

MEN & CHILDREN in das neue Jahrtausend gerettet werden<br />

will. <strong>Die</strong> Band um den ehemaligen GLASSJAW-Gitarristen<br />

Todd Weinstock verbindet auf ihrem Debütalbum nämlich<br />

angesagte Post-Punk-Gitarren à la THE RAPTURE mit<br />

dem Falsettgesang der BEE GEES und einem alten Synthesizer<br />

<strong>von</strong> Frank Farian. „You don’t need a reason to get out<br />

on the dance floor / And we can get it on and on all night<br />

long“, lautet das übergeordnete Motto dieser musikalischen<br />

Kreuz- und Queerfahrt, die in manchen Momenten ob ihrer<br />

überambitionierten Produktion zur Irrfahrt zu werden<br />

droht. Denn während Kapitän Weinstock auf möglichst vielen<br />

Floors tanzen will, stehen seine Passagiere zuweilen etwas<br />

überfordert genau dazwischen. Untergehen sollte man<br />

mit MEN WOMEN & CHILDREN trotzdem nicht. Und falls<br />

doch, hat uns die Band schon die passenden und sehr selbstbewussten<br />

Abschiedszeilen geschrieben: „Even if you die tonight<br />

/ We saved your life“. <strong>Thomas</strong> Renz<br />

MORNING RIOT<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

themorningriot.com | Schöner Pop-Punk <strong>von</strong> vier Kerls<br />

aus Kalifornien, der für meinen Geschmack allerdings zu<br />

harmlos und zu sauber klingt. So ein Hauch <strong>von</strong> Emo und<br />

Rock macht sich hier breit, das ist irgendwie nicht mein<br />

Ding. Aber wer’s mag ... (41:04) (5) Paul Tackenberg<br />

MISFIT SOCIETY<br />

... No Discounts On Large Amounts... <strong>CD</strong><br />

misfitsociety.com | „No Discounts On Large Amounts“ ist<br />

der Erstling der Bochumer MISFIT SOCIETY, die erst seit<br />

2005 bestehen, aber dafür sehr eingespielt und fett aus den<br />

Boxen dröhnen. Gegeben wird klassischer Oldschool-Hardcore<br />

amerikanischer Prägung, der zwar die Musik nicht neu<br />

erfindet, aber immer wieder großartig ist. MISFIT SOCIETY<br />

klingen dabei aber nicht konkret nach irgendeinem Vorbild,<br />

sondern ihre Variante des durchaus melodiösen Hardcores,<br />

die auch mal in kurze Thrash Attacken abgleiten darf, ist abwechslungsreich<br />

und frisch. So wünsche ich alter Sack mir<br />

mehr Bands. <strong>Die</strong> Promoaufmachung in schicker schwarzweißer<br />

DVD-Hülle geht in Ordnung, ich vermisse aber die<br />

Texte, die hoffentlich in der regulären <strong>CD</strong> enthalten sind,<br />

grummel. It’s more than music ... Fans klassischen Hardcores<br />

sollten MISFIT SOCIETY unbedingt auschecken. Ansonsten,<br />

one, two, three, four, go! (8) Dr. Oliver Fröhlich<br />

MR. LAB<br />

And Now It’s Time To Go <strong>CD</strong><br />

Jay Jay/Alive | Zunächst war ich versucht, die <strong>CD</strong> unter<br />

„ferner liefen“ einzuordnen, Independent, der nicht aufdringlich<br />

ist und gerne im Hintergrund laufen darf, wenn<br />

man zum Beispiel kocht. Musik für Zwischendurch. Nach<br />

genauerem Hinhören fallen jedoch immer mehr Passagen<br />

auf, die weit mehr zu bieten haben, als zunächst angenommen.<br />

Das ist der eingesetzten elektronischen Effekte<br />

zu verdanken, wie auch den gelegentlichen Lärmattacken<br />

zum Beispiel bei „Never said“. Gerade wenn dieses Wech-<br />

sind tatsächlich ein Duo und dürften wohl auch die Initiatoren<br />

des Projektes sein. Ihre vier Lieder schwanken zwischen<br />

Crust und Folk und erinnern damit an STEP INTO<br />

NOWHERE, vielleicht klangen aber auch die zehn in eine<br />

Kirche gebrüllten Thesen eines Atheisten so. Agitprop ist hier<br />

Programm. Acht Lieder gibt es <strong>von</strong> CONTIENDA LIBERTAD<br />

aus Plauen. Wem das spanisch vorkommt, der ist ein Fuchs,<br />

es bedeutet: „Erkämpfe die Freiheit!“ In ihren schwächsten<br />

Momenten klingen sie wie griffiger Deutschpunk zum Mitsingen,<br />

in ihren stärksten gemahnen sie mit einer Intensität<br />

im Verein mit persönlichen Texten politischer Prägung an ...<br />

BUT ALIVE. (56:50) (7) Walmaul<br />

V.A. Look At All The Love We Found –<br />

Live: A Tribute To SUBLIME DVD/<strong>CD</strong><br />

CornerstoneRas.com | SUBLIME, beziehungsweise deren<br />

Mastermind Bradley Nowell scheint mit seinem Ableben<br />

eine große Lücke in den Herzen seiner Fans zu hinterlassen<br />

haben. Viele dieser Fans sind selbst Musiker, und einige<br />

<strong>von</strong> ihnen tummeln sich jetzt auf diversen Tribute<br />

Compilations. Mit „Look At All The Love We Found – Live“<br />

ist nun auch eine DVD zu einem dieser Sampler erschienen.<br />

Das Ganze enthält ein Konzert vom 24. Oktober 2005,<br />

auf dem UNWRITTEN LAW, LOS LOBOS, FISHBONE, THE<br />

ZIGGENS, OZOMATLI, AWOL ONE, BARGAIN MUSIC, AB-<br />

STRACT RUDE und BLACKALICIOUS ihre Versionen <strong>von</strong><br />

SUBLIME Stücken zum Besten geben. Zwischen den einzelnen<br />

Songs gibt es Interviewschnipsel, in denen die Künstler<br />

über SUBLIME beziehungsweise deren Einfluss reden. <strong>Die</strong><br />

Tatsache wie breit gefächert die Musik <strong>von</strong> Herrn Nowell<br />

war, wird durch die unterschiedlichen Künstler die hier zu<br />

Wort kommen, natürlich ein weiteres Mal unterstrichen.<br />

Aber ansonsten? Ich denke kaum jemand wird sich die Mitschnitte<br />

mehr als einmal angucken wollen. Das macht die<br />

DVD in meinen Augen so ziemlich überflüssig. <strong>Die</strong> beiliegende<br />

<strong>CD</strong> bereitet da irgendwie mehr Freude. Hier gibt es,<br />

neben drei auch auf der DVD enthaltenen Live Stücken, unter<br />

anderem noch „Had a dat“ <strong>von</strong> DR. ISRAEL und THE<br />

BANNED feat. CHUCK D mit “Ebin” zu hören. Lars Koch<br />

V.A. Nordic Notes Vol.1 <strong>CD</strong><br />

Nordic Notes/Broken Silence | 19 Bands/Künstler aus<br />

sechs Ländern und zwar aus Island, Dänemark, Schweden,<br />

Norwegen, Finnland und Estland machen diese Zusammenstellung<br />

fast zu einem Muss für Liebhaber der nordischen<br />

Musik. Songwriter Mikael H. trifft auf die Countrybegeisterten<br />

Norweger <strong>von</strong> HGH (eine Band um den ehemaligen<br />

Schlagzeuger <strong>von</strong> MOTORPSYCHO), die schweren<br />

Gitarren <strong>von</strong> KOMETA kreuzen die Pop-Pfade eines David<br />

Friedlund. Auch der merkwürdige Minimalpop <strong>von</strong> NA-<br />

POO ermöglicht keine echte Verschnaufpause, denn es lauert<br />

bereits der 60s Garagenpunk <strong>von</strong> den RICOCHETS und<br />

HELLDORADO. Obwohl es sich laut Cover um „some kind<br />

of rock/pop notes from the north“ handeln soll, dominierten<br />

hier doch die etwas härteren Klänge. Neben den bereits<br />

genannten gehören wohl Bands wie KIMONO, RÖÖVEL<br />

ÖÖBIK oder SCHTIMM noch zu den bekannteren, auf jeden<br />

Fall gibt es hier einiges zu entdecken. Leider sind die Informationen<br />

über die Bands etwas mager. Immerhin werden<br />

zwar Albumtitel und Label genannt aber die Angaben, wann<br />

die Alben jeweils veröffentlicht wurden, fehlen. Nichts desto<br />

trotz eine gute Zusammenstellung. Sehr interessant klingen<br />

für mich die CARDIACS-beeinflussten ULPA aus Island.<br />

(71:14) (8) Kay Wedel<br />

V.A. Original Riddims:<br />

24 Of Reggae’s Most Sampled Cuts <strong>CD</strong><br />

trojan-records.com/Sanctuary | Hinter einem Riddim<br />

verbirgt sich in der Reggaemusik ein Instrumentalstück,<br />

definiert mit einem kurzen Rhythmusmuster, meistens einer<br />

Bassline, welche aus einem Originalsong übernom-<br />

selspiel zwischen Sägegitarren und Schraubknöpfen zusammenkommt<br />

und in einander übergeht, kommen richtige<br />

Hits dabei heraus. Ein bisschen mehr Kraft könnte die Stimme<br />

des Sängers haben, der sich eher dem Schönsingen verschrieben<br />

hat, dafür aber in gutem Englisch, was bei Franzosen<br />

ja sonst eher zu den vollkommen unbekannten Fremdsprachen<br />

zählt. (60:10) (7) Claus Wittwer<br />

MADE OUT OF BABIES<br />

Coward <strong>CD</strong><br />

Neurot | Nachdem ihr Debüt „Trophy“ schon letztes Jahr<br />

in der Presse gut weggekommen ist und einige Lorbeeren<br />

einheimsen konnte, erscheint nun ein Jahr später das zweite<br />

Album <strong>von</strong> MADE OUT OF BABIES und hört auf den gar<br />

so passenden Namen „Coward“. Dass sich das New Yorker<br />

Quartett um Frontfrau Julie Christmas auf „Coward“ so direkt,<br />

so furchteinflößend, so fordernd, so rauh und energisch<br />

präsentiert, hätte ich nicht erwartet. Wenn man dann<br />

aber im Zusammenhang sieht, dass kein geringerer als Steve<br />

Albini hinter den Reglern saß, ist das Ergebnis natürlich<br />

klar und nicht anders zu erwarten. MOOB haben den Biss,<br />

der BLACK FLAG in ihrer Spätphase Mitte der Achtziger gefehlt<br />

hat: sie reißen an deinen Nervensträngen, schütteln<br />

dich und werfen dich benutzt und ausgepowert in die Ecke,<br />

weil DU der Feigling bist, der aufgibt, der nicht mehr kann.<br />

Ein Song wie „Out“ zum Beispiel: erst Julies zarte Stimme,<br />

erinnert an die CHEERLEADERS, dann setzt eine brachiale<br />

Gitarre ein, die zerrt und kreischt, und weil das noch nicht<br />

reicht, spielen Bass und Drums immer wieder zwischen ruhig<br />

und peitschend hin und her, bis der Song in einem klassischen<br />

SHELLAC-Drive endet und dich mit offenem Mund<br />

in der Ecke sitzen lässt – Ende. Im Anschluss kommt passenderweise<br />

ein „Lullaby“. Doch genug der Ruhe: „Mr. prison<br />

shanks“ zieht an deinen Haaren, zerstörende Gitarren fliegen<br />

durch die Luft und MOOB schaffen es, rauher als SHEL-<br />

LAC, HELMET und BORN AGAINST zusammen zu klingen.<br />

Atemlos. Ruhelos. Nichts für Feiglinge! (37:20) (9)<br />

Ross Feratu<br />

MIND CONTROLS<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

Dirtnap | Ich hoffe, es ist nicht erst seit der King Khan &<br />

BBQ Show klar, dass Mark Sultan aka BBQ einer der derzeit<br />

besten Punkrock/Rock’n’Roll-Songwriter/Sänger ist. <strong>Die</strong><br />

MIND CONTROLS sind eines seiner kurzlebigen Bandprojekte,<br />

bei dem Herr Sultan mit ein paar Montrealer Kumpels<br />

(unter anderem DEMON’S CLAWS- und CONFU-<br />

SERS-Leute) mal eben locker im gewohnt knarzigen Garagensound<br />

ein absolut geiles Album aus dem Ärmel schüttelt.<br />

Grob geht’s in die Richtung der frühen SPACESHITS-<br />

Sachen, aber ich fühle mich streckenweise auch angenehm<br />

an alte End 70er/Anfang 80er Heroen wie die ANGRY SA-<br />

MOANS erinnert. Auf der mir vorliegenden <strong>CD</strong> <strong>von</strong> Dirtnap<br />

ist komischerweise die Tracklist am Ende etwas durcheinander<br />

gewürfelt, daher will ich an dieser Stelle auch noch<br />

mal auf die wunderbar hypnotische Picture-LP auf P.Trash<br />

Records hinweisen (falls die nicht schon ausverkauft ist),<br />

die sich auch noch durch zwei Songs <strong>von</strong> der Dirtnap-<strong>CD</strong><br />

unterscheidet. (20:26) (8) Bernd Fischer<br />

MARS VOLTA<br />

Amputechture <strong>CD</strong><br />

GSL/Universal | Wer vom dritten Album der Herren Rodriguez-Lopez/Bixler-Zavala<br />

etwas anderes erwartet hatte<br />

als eine weitere harte Nuss, der muss naiv sein. Auch „Amputechture“<br />

mit seinem stark an Salvador Dalí erinnernden<br />

Artwork spaltet, lässt nur die Reaktion „love it or leave it“<br />

zu, enthält wiederum keine Musik, die dazu taugt, im Hintergrund<br />

gehört zu werden, sondern erfordert Konzentration<br />

und Zuwendung. Cedric hat endgültig an seinem Hochton-Gesang<br />

Gefallen gefunden, dem zuzuhören durchaus<br />

anstrengt, und wenn angesichts der Musik allenthalben auf<br />

men wird. Oft gehört auch noch eine charakteristische kurze,<br />

<strong>von</strong> Bläsern gespielte Melodie, dazu. Der so entstandene<br />

neue Song ist somit also eigentlich nur eine Version des Originals,<br />

allerdings wurde oder besser wird meistens darauf<br />

verzichtet, den Urheber zu nennen. <strong>Die</strong> CLASH-Songs „Armagideon<br />

Time“ beziehungsweise „Justice tonight/Kick it<br />

over“ basieren so zum Beispiel auf einem Riddim aus „Real<br />

rock“: die Basslinie besteht hier aus einem einzigen Takt, der<br />

durchgehend wiederholt wird, die Bläser spielen fünf Noten,<br />

die Orgel drei. <strong>Die</strong>ses Riddim, mit geschätzten 1.000<br />

Versionen das am meisten verwendete Riddim, fehlt leider<br />

auf dieser 24 Titel umfassenden Compilation, aber sonst gibt<br />

es nichts zu meckern, klassische Reggae-Riddims in Hülle<br />

und Fülle, <strong>von</strong> „Cuss cuss“ über „Stalag 17“ bis hin zu „Bam<br />

bam“. <strong>Die</strong> meisten Aufnahmen auf dieser <strong>CD</strong>, unter anderem<br />

<strong>von</strong> THE ETHIOPIANS, MAYTALS oder TECHNIQUES,<br />

John Holt, Byron Lee, Llyod Robinson oder Ansel Collins,<br />

stammen aus den 60er Jahren. Wer Lust hat, kann ja mal unter<br />

riddimbase.net nach Songs, Riddims oder Interpreten<br />

suchen. (74:06) (8) Kay Wedel<br />

V.A. Revolution Is Just<br />

A Heartbeat Away <strong>CD</strong><br />

twisted-chords.de | Zehn Jahre gibt es Twisted Chords nun.<br />

Anlass genug, sich selbst mit einem Sampler zu feiern. Und<br />

auf dem ist ein großer Querschnitt enthalten durch alles,<br />

was bei dem Label aus der Nähe <strong>von</strong> Karlsruhe in der vergangenen<br />

Dekade erschienen ist. Unter anderem sind GUE-<br />

RILLA, REJECTED YOUTH, INNER CONFLICT, RIFU, MDC,<br />

CHAOZE ONE, YA BASTA, DER TRICK IST ZU ATMEN oder<br />

VIRAGE DANGEREUX dabei. 20 Bands mit 27 Songs decken<br />

somit alles ab, <strong>von</strong> Hardcore über Punk und Ska bis<br />

zu Rap. Eigentlich eine ziemlich durchwachsene Mischung,<br />

da aber alle vertretenen Gruppen einen qualitativen Mindeststandard<br />

teilen, kann man die <strong>CD</strong> wirklich gut durchhören,<br />

ohne dass sie langweilig wird. Totalausfälle gibt es<br />

keine, und wenn mal ein Lied nicht so ganz den persönlichen<br />

Geschmack trifft, das nächste tut es bestimmt wieder.<br />

Also: Herzlichen Glückwunsch, Twisted Chords – auf weitere<br />

zehn Jahre! (77:39) Jan Eckhoff<br />

V.A. Rogue’s Gallery: Pirate Ballads,<br />

Sea Songs, & Chanteys 2<strong>CD</strong><br />

Anti/SPV | Im Zuge der pompösen Marketing-Kampagne<br />

für „Pirates of the Caribbean II“ kamen Regisseur Gore Verbinski,<br />

Hauptdarsteller Johnny Depp und Verbinski-Kumpel<br />

Brett Gurewitz auf die<br />

Idee zu dieser epischen<br />

Compilation, die allerdings<br />

für den größten Teil<br />

des Pirates-Mainstream-<br />

Publikums eher mal <strong>von</strong><br />

untergeordnetem Interesse<br />

sein dürfte. Denn<br />

die 43 Songs <strong>von</strong> 36 Musikern<br />

haben relativ wenig<br />

mit dem Film zu, bis<br />

auf den Umstand, dass es<br />

sich um Interpretationen<br />

alter Seemannslieder<br />

und verwandtem Material handelt. Vorgetragen <strong>von</strong> Richard<br />

Thompson, Darsteller John C. Reilly, Nick Cave, Bryan Ferry,<br />

David <strong>Thomas</strong>, Sting (Würg!), Bono (nochmal würg!), Stan<br />

Ridgway (ganz groß!), Van Dyke Parks, Jarvis Cocker, Lou<br />

Reed, Lucinda Williams und Gavin Friday, um nur einige<br />

zu nennen. Eine definitiv sehr ambitionierte und musikalisch<br />

höchst anspruchsvolle Angelegenheit und um einiges<br />

unkommerzieller als der Film, denn die ruhige folkloristische<br />

Stimmung der Platte erfordert schon einen erwachsenen,<br />

aufgeschlossenen Hörer, und eine vielleicht vermutete<br />

Party-Sauf-Stimmung à la THE POGUES wird man hier<br />

einen so unscharfen und allgemeinen Begriff wie Progressive<br />

Rock zurückgegriffen wird, dann offenbart das weniger<br />

genaue Analyse als eine gewisse Hilflosigkeit im Umgang<br />

mit THE MARS VOLTA – und genau an dieser Stelle beginne<br />

ich die Band, deren Platten auch mich gerne mal überfordern<br />

(um nicht zu sagen: nerven), zu schätzen. Rockmusik<br />

wird <strong>von</strong> Omar, Cedric und wechselnder Begleitung nicht<br />

neu erfunden, aber doch in einer extremen Weise interpretiert,<br />

die an „normalen“ Hörgewohnheiten, dem üblichen<br />

Geriffe und bekannter Melodieführung vorbeigeht. Darauf<br />

lässt man sich ein, fühlt sich herausgefordert und beginnt<br />

irgendwann zu verstehen und zu genießen – oder lässt<br />

es besser ganz bleiben, hält das Gründerduo weiterhin für<br />

Blender, Scharlatane, Hippies und Schlimmeres. „Amputechture“<br />

ist nicht besser oder schlechter als „De-loused ...“<br />

und „Frances ...“, sondern wieder anders – und doch ganz<br />

klar als MARS VOLTA-Werk erkennbar. Kunstmusik <strong>von</strong><br />

Freigeistern – einverstanden? (-) Joachim Hiller<br />

MOUNTAIN GOATS<br />

Get Lonely <strong>CD</strong><br />

4AD/Indigo | Man liebt die MOUNTAIN GOATS wahrscheinlich<br />

vorbehaltlos für immer und ewig oder eben gar<br />

nicht. Ich zähle mich zu erster Gruppe, zumal diese Liebe<br />

schon seit circa zehn Jahren anhält. Dabei hat Sänger/Gitarist<br />

John Darnielle auch diesmal nicht allzu viel Neues zu<br />

bieten, höchstens dass „Get Lonely“ wieder mehr an die reduzierteren<br />

Frühwerke erinnert, also überwiegend Darnielles<br />

ungewöhnlicher Gesang, akustische Gitarrenklänge,<br />

ein paar Klaviertupfer, Streicher, ebenso wie etwas Schlagzeug.<br />

Alles subtil und unaufdringlich arrangiert, aber eben<br />

so, dass Darnielles Songs ihre besondere Emotionalität und<br />

Intensität erreichen, wie man das halt <strong>von</strong> einer MOUN-<br />

TAIN GOATS-Platte erwartet. Sehr sympathisch, wenn ein<br />

Songwriter mit solch reduzierten Mitteln nach wie vor zu<br />

solch tollen Platten in der Lage ist, während man sich zum<br />

Beispiel an einer verwandten Band wie SMOG mittlerweile<br />

satt gehört hat. Zumal Darnielle seiner melancholischen<br />

Grundstimmung auch immer noch eine ansteckende Fröhlichkeit<br />

abringen kann, die ihn deutlich <strong>von</strong> den ganzen Lagerfeuer-Jammerlappen<br />

abhebt. Und irgendwie werden die<br />

MOUNTAIN GOATS-Platten auch immer besser und besser,<br />

ohne dass man wüsste, warum. (9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

MOREME<br />

Promo EP 2006 M<strong>CD</strong><br />

moreme.net | <strong>Die</strong> 007 des Punkrocks? MOREME aus<br />

Worms haben nach eigenen Angaben einen Auftrag zu erfüllen.<br />

Sie wollen die No-Future-No-Money-Subkultur<br />

in die Neuzeit tragen. „Aufruhr mit Stil und Aristokratie“<br />

– hui. MOREME sind überzeugt, dass sie es schaffen können.<br />

<strong>Die</strong> drei Songs ihrer Debüt-EP geben ihnen Recht. Dabei legen<br />

sie erst durchschnittlich mit Emo-Rock los, um dann<br />

die Hits auszupacken. „Words still hurt“ ist eine moderne<br />

Rockrakete, die Eindruck schindet. Der Song lebt <strong>von</strong> einem<br />

einzigen Killerriff, einer fetten Melodie, und der Produktion,<br />

die die entscheidende Schippe drauflegt. Sauber, fett und<br />

professionell. Bisher alles richtig gemacht. MOREME: Keep<br />

Punkrock clean! (11:35) (9) Arne Koepke<br />

MARY JANE<br />

Road Signs & Rock Shows <strong>CD</strong><br />

maryjane-online.de | Oha, wieder eine Band, die sich für<br />

die „deutsche Antwort auf JIMMY EAT WORLD“ hält. Das<br />

kann doch nicht gut gehen. Vor allem, wenn man dann häufiger<br />

bei BLINK 182 klaut. Sowieso klingen die Bubblegum-<br />

Punk-Melodien der Münchener MARY JANE amerikanischer,<br />

als Kaliforniens Küstenwache erlaubt. Hier ist nicht<br />

nur der Bandname langweilig. Sicher ist „Road Signs & Rock<br />

Shows“ gut gemachtes Handwerk. Aber bei Handwerkern ist<br />

es mir lieber, wenn sie selbstständig sind. (45:50) (5)<br />

Arne Koepke<br />

vergeblich suchen. Interessant auch, wie sich die einzelnen<br />

Musiker-Egos doch der Gesamtatmosphäre der Compilation<br />

unterordnen, wodurch selbst jemand wie Sting gut erträglich<br />

wird. Das Ganze steckt in einem schönen Dipack<br />

und kann nur als rundum gelungene Angelegenheit bezeichnet<br />

werden. (8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

V.A. Snakes On A Plane (OST) <strong>CD</strong><br />

New Line/Warner | Kürzlich habe ich mich noch über<br />

die Vorschau auf just diesen Film und die kultivierte Aerophobie<br />

bestimmter Nationen lustig gemacht und zur Strafe<br />

muss ich mir jetzt den Soundtrack anhören, der Gruppen<br />

wie PANIC! AT THE DISCO, THE SOUNDS, FALL OUT BOY,<br />

THE BRONX, ARMOR FOR SLEEP, THE HUSH SOUND und<br />

andere bietet. Klingt gut? Aber nur wenn keine dämlichen<br />

Stampfbeat-Remixes der Titel den Soundtrack füllen. <strong>Die</strong>s<br />

ist hier leider der Fall. Samuel L. Jackson hat mit Sicherheit<br />

sein Veto eingelegt, aber da konnte er einfach nichts mehr<br />

retten. Andererseits schön für das Fueled By Ramen-Unterlabel<br />

Decaydance, dass man hier so viele Bands „platzieren“<br />

konnte. (60:23) (5) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

V.A. Silver Monk Time Playloud! 2<strong>CD</strong><br />

playloud.org | Zum 40. Geburtstag der legendären MONKS<br />

machte sich das Berliner Label Play Loud! daran, eine kleine<br />

Geburtstagsgala in Form einer Tribute-<strong>CD</strong> zu organisieren<br />

– und das unter Teilnahme der Band. Das Ergebnis ist<br />

eine gute, aber auch erst auf den zweiten Blick ihre Qualitäten<br />

offenbarende Mischung, auf der bekanntere Namen<br />

wie THE GOSSIP, Gudrun Gut, FEHLFARBEN, GOLDE-<br />

NE ZITRONEN, MOUSE ON MARS, THE 5.6.7.8’s, FSK, THE<br />

FALL, Alec Empire, Jon Spencer, Alexander Hacke, Barbara<br />

Manning, S.Y.P.H., SILVER APPLES & Alan Vega, THE (IN-<br />

TERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY oder FAUST auf diverse<br />

(mir) unbekannte Interpreten treffen. Auch fällt der<br />

hohe deutsche Anteil bei der Auswahl der Gratulanten auf,<br />

was wiederum Sinn macht, war doch das Deutschland<br />

der Sechziger die Homebase der Amerikaner MONKS, die<br />

es via US Army nach Germany verschlagen hatte. Ich hätte<br />

mir also vielleicht eine etwas internationalere Gratulantenschar<br />

gewünscht, ja eine etwas rock’n’rolligere und weniger<br />

intellektuell-popkulturelle, doch unterm Strich bieten<br />

die 29 Tracks auf den beiden <strong>CD</strong>s ein höchst interessantes<br />

Bild, regen auf jeden Fall dazu an, sich nach dem Hören<br />

um so intensiver mit dem Original zu beschäftigen, das übrigens<br />

auch selbst vertreten ist: <strong>Die</strong> MONKS selbst spielten<br />

mit Charles Wilp zusammen den Song ein, den der damals<br />

als Afri Cola-Werbelied komponiert hatte und den eigentlich<br />

einst die sieben Mönchskuttenträger hätten einspielen<br />

sollen. (8) Joachim Hiller<br />

V.A. Studio One Scorcher Vol. 2 <strong>CD</strong><br />

Soul Jazz/Indigo | Der ersten Ausgabe folgen nun weitere<br />

sechzehn Intrumentals aus dem erfolgreichen Studio<br />

One-Backkatalog, produziert <strong>von</strong> Clement „Sir Coxsone“<br />

Dodd. Mit dabei sind Legenden wie THE SKATALITES, SOUL<br />

VENDORS, Cedric Brooks, Roland Alphonso, Jackie Mittoo,<br />

Tommy McCook oder DUB SPECIALIST. Irre relaxed, dieser<br />

Sampler. Wer den ersten Teil der Serie zu schätzen wusste,<br />

wird hier sicher neben einigen bekannten Hits den einen<br />

oder anderen ungeschliffenen Diamanten finden. (57:28)<br />

(7) Simon Brunner<br />

V.A. Triebwerk.<br />

10th Anniversary Triebwerk <strong>CD</strong><br />

triebwerk.co.at | Mit dieser bereits zweiten Compilation,<br />

feiert sich das österreichische Jugend- und Kulturhaus<br />

Triebwerk in Wiener Neustadt selbst. Und das zu Recht.<br />

Zehn Jahre hat man auf dem Buckel und kann wohl auf so<br />

manche unvergessliche Show zurückblicken. Hier ist alles<br />

versammelt, was in Österreich im Bereich Punk, Hardcore<br />

<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 079<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 79 22.09.2006 20:52:47 Uhr


MINION<br />

Exile Of Fear <strong>CD</strong><br />

minion-online.de | Es ist schon merkwürdig, dass manche<br />

Bands praktisch vom ersten Pieps weg auf irgendwelchen<br />

Majorlabels landen und andere wesentlich qualifiziertere<br />

Kapellen seit Jahrzehnten ein Undergrounddasein fristen<br />

müssen. So wie die Bremer Sportmetaller <strong>von</strong> MINI-<br />

ON, die scheinbar im Zuge des momentan kursierenden<br />

Metal-Trends <strong>von</strong> den einschlägigen Labels gänzlich unbeachtet<br />

bleiben. Längst überfällig liegt mir nun zum Glück<br />

der zweite Knaller vor, der die Band in Höchstform präsentiert.<br />

Geboten wird lupenreiner Power Metal mit thrashiger<br />

Note und jeder Menge lyrischem Pathos. Für Freunde klassischen<br />

Metals die keinen Bock mehr auf den ganzen mo-<br />

080 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />

dernen Firlefanz der Baggypant-Pseudo-Metal-Kiddies haben<br />

uneingeschränkt zu empfehlen. Leider wurde vom malaysischen<br />

Label nur eine kleine Stückzahl gedruckt, weshalb<br />

hier in Deutschland knapp 100 Exemplare via Bandhomepage<br />

verkauft werden können. Also schleunigst zu greifen,<br />

denn wer die Band seiner Zeit mal live erblicken durfte,<br />

weiß, was Metal ist! Uwe Kubassa<br />

MARBLE SHEEP<br />

Raise the Dead: 2006 March Europe <strong>CD</strong><br />

Fünfundvierzig/Indigo | MARBLE SHEEP sind in Japan seit<br />

Anfang der 90er eine Institution des Psychdedelic Rocks,<br />

wo<strong>von</strong> ich mich schon auf zwei Studioplatten überzeugen<br />

konnte, allerdings gibt es noch zehn weitere <strong>von</strong> ihnen. Anfang<br />

dieses Jahres konnte man sie live auch in Europa bewundern<br />

– unter anderem in Deutschland –, wo auch die<br />

acht Tracks dieses Albums mitgeschnitten wurden. Ähnlich<br />

überzeugend wie im Studio entfachen MARBLE SHEEP einen<br />

wilden Psychedelic-Sound zwischen MC5, STOOGES<br />

und progrockigeren Tendenzen, der häufiger mal in lange<br />

Improvisationsteile ausartet, was auf der Bühne noch etwas<br />

ungebremster umgesetzt wird als im Studio. Man muss<br />

nicht unbedingt Fan solchen Acid Rocks sein, um sich <strong>von</strong><br />

dem brachialen Wall of Sound der Japaner beeindruckt zu<br />

zeigen, die so manche vermeintliche Punkband wie weichgespülte<br />

Chartsheinis dastehen lassen. Da<strong>von</strong> vermittelt<br />

selbst diese Konserve einen guten Eindruck, die den rohen<br />

Live-Sound der Japaner in adäquater Form eingefangen hat,<br />

nicht zu perfekt, aber nicht zu bootlegig. Man bedauert eigentlich<br />

nur, dass man selbst nicht dabei gewesen ist. (8)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

MANGES<br />

Go Down <strong>CD</strong><br />

Wynona | Hm, überrascht hat es mich doch, dass die MAN-<br />

GES plötzlich Anarcho-Crustpunk machen. Na ja okay, das<br />

war jetzt ein Scherz meinerseits, ein ziemlich flacher noch<br />

dazu, sorry. Denn die MANGES spielen natürlich das, was sie<br />

immer spielen: Pop-Punk in Perfektion, streng nach dem<br />

SCREECHING WEASEL/QUEERS Gesetz. Was die MANGES<br />

für mich aber nach wie vor zu einer europäischen (und internationalen)<br />

Ausnahmeband in diesem Sektor macht, sind<br />

ihre zum Großteil echt kritischen Lyrics, die weit über den<br />

sonst üblichen Girls&Party-Kosmos hinausgehen, der meist<br />

im Pop-Punk vorherrscht. Gut, dass es die Jungs aus La Spezia,<br />

Italien gibt, denn neue Platten <strong>von</strong> denen mag ich immer<br />

gerne, so auch diese. (26:11) (7) Bernd Fischer<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

MANIFESTO JUKEBOX<br />

Strain LP<br />

Unsociable/Combat Rock Industry | Mit etwas Verzögerung<br />

ist jetzt auch die Vinylversion dieses Albums erschienen,<br />

auf Unsociable Records aus Bremen. Deshalb zitieren<br />

wir uns einfach selbst: Achtung, Achtung! Schweres Geschütz<br />

<strong>von</strong> oben! Im Booklet <strong>von</strong> „Strain“ stürzen Militärhubschrauber,<br />

Maschinenpistolen, Kampfjets und Messer<br />

vom Himmel. Vier Jahre nach „Remedy“ (BYO, 2002) sind<br />

die finnischen MANIFESTO JUKEBOX mit ihrem dritten<br />

Album zurück. Ihre Musik lässt sich im Gegensatz zum Cover<br />

allerdings nicht durchgängig als dickmanteliges Punkrock-Geschoss<br />

bezeichnen. Melodien haben MANIFESTO<br />

JUKEBOX noch nie verschmäht. HOT WATER MUSIC übernehmen<br />

eine weitere Patenschaft. Der rauhe Gesang passt<br />

gut auf die hektisch gespielten Gitarren, die Rockrhythmen<br />

regieren. Auffallend bei „Strain“ ist die reduzierte Produktion.<br />

Es kommt nicht darauf an, Wände aus Gitarren aufzustellen.<br />

Vielmehr möchte die Band, die sich auch in HÜS-<br />

KER DÜ-Shirts sehen lassen könnte, den echten, schmutzigen<br />

Punkrock-Sound aus den Verstärkern holen. Richtig<br />

Krach zu machen ist für die meisten Bands nicht einfach; bei<br />

den Finnen gehört er zum Repertoire. Dafür reichen zwei<br />

V.a.<br />

Sampler &<br />

Compilations<br />

und Ska Rang und Namen hat. Und das ist erstaunlich viel.<br />

Da hat man dann so klingende Namen wie SKEPTIC ELEP-<br />

TIC, EPHIAN RIAN, RED LIGHTS FLASH, JAN FEAT. UDSSR,<br />

BLOODSUCKING ZOMBIES FROM OUTER SPACE und<br />

BOUNZ THE BALL. Eine sehr feine Sache also. Trotzdem,<br />

die zwei Tracks, die mich am meisten umhauen, kommen<br />

dann doch aus dem Ausland: Das ist zum einen das fetzige<br />

„Real rain“ <strong>von</strong> den TURBO AC’S und zum anderen „Taking<br />

over primetime“ <strong>von</strong> den schwedischen Noisecorelern THE<br />

SMACKDOWN. (72:33) Robert Buchmann<br />

V.A.Trojan Selecta 3 <strong>CD</strong><br />

trojan-records.com | Mit der „Selecta“-Reihe greift Trojan<br />

auf einen sehr alten, eigenen Kniff zurück. Als man in<br />

den späten Sechziger Jahren erkannte, dass sich der (damals<br />

britische) Käufer schwer tat mit kompletten Alben einzelner<br />

Künstler, reagierte Trojan darauf mit der Sampler-Reihe<br />

„Tighten Up“. Getreu diesem offensichtlichen Vorbild,<br />

handelt es sich also auch hier um eine, aus jüngeren Veröffentlichungen<br />

des Labels zusammengestellte, Compilation<br />

zum kleinen Preis. Als Opener wählte man den besten<br />

Song des neuen Albums der Label-Nesthäkchen PAMA IN-<br />

TERNATIONAL. <strong>Die</strong> Geburtsjahre der übrigen Stücke bewegen<br />

sich innerhalb der Zeitspanne <strong>von</strong> 1968 bis 1988.<br />

Dementsprechend breit gestaltet sich die stilistische Zusammensetzung<br />

<strong>von</strong> Roots über Dub bis Dancehall und genauso<br />

unterschiedlich daher wohl auch die Meinungen, welche<br />

Songs besonders hervorzuheben wären. Ich entscheide<br />

mich für das, auf dem „Rock fort rock“-Riddim basierende,<br />

„Entering the dragon“ <strong>von</strong> B.Ragga und das wundervolle<br />

„Prisoner of love“ <strong>von</strong> Dave Barker. Von der – wohl zur<br />

Überraschung weniger – bald erscheinenden, neuen Single-Sammlung<br />

des kürzlich verstorbenen Desmond Dekkers,<br />

hat man sich mit „Intensified“ für einen Song entschieden,<br />

der trotz riesigem Hitpotenzial nicht täglich im Radio läuft.<br />

Runde Sache. (41:30) (6) Ferdinand Praxl<br />

V.A. Tales From The<br />

Asphalt Dancefloor <strong>CD</strong>/LP<br />

vokdatonicmedia.com | „ This is not Dance Punk!“ lautet<br />

der Hinweis des in Tempe, Arizona ansässigen Labels Vodka<br />

Tonic Media an die Musikjournalisten, die ständig auf der<br />

Suche nach der nächsten heißen Scheiße sind. Dabei ist „Tales<br />

From The Asphalt Dancefloor“ mit seiner Kombination<br />

aus Punkrock und Elektronik schon irgendwie tanzbar,<br />

es handelt sich hier aber eben um Punkrock und nicht um<br />

irgendeinen gehypten, seelenlosen Mist, der so gerne retro<br />

wäre; und die Elektronik ist hier nicht nur Beiwerk, sondern<br />

fundamentaler Bestandteil der Musik. Leider nur sechs<br />

Tracks beinhaltet der als <strong>CD</strong> und hübsche Picture-LP veröffentlichte<br />

Sampler, der aber vom Label auch nicht als solcher,<br />

sondern als eine Art überlange Single verstanden werden<br />

will, quasi mit sechs A-Seiten. Was angesichts der zum<br />

Teil personellen Überschneidungen zwischen den Bands<br />

auch Sinn ergibt. <strong>Die</strong> Songs <strong>von</strong> DESTRUCTION UNIT, SEX<br />

FOR CIGARETTES, BILLY DRUID’S ATOMIC GOSPEL und<br />

THE CUTTERS sind bisher unveröffentlicht, der Beitrag<br />

<strong>von</strong> BLANCHE DIVISION ist ein Remix und nur den DIGI-<br />

TAL LEATHER-Song gab es schon mal woanders. Und auch<br />

wenn alle Songs dem schwammigen Begriff Elektropunk<br />

zugeordnet werden können, sind sie jeder für sich doch völlig<br />

eigenständig, was ein weiterer Unterschied zu dem Discoscheiß<br />

ist, den die jeden aus England kommenden Furz<br />

für originell haltenden Massen so gerne fressen. Neben DE-<br />

STRUCTION UNITs „Come on feel it“ (die letzte gemeinsa-<br />

Gitarren aus. Das klingt nicht fett und nicht modern, macht<br />

aber den Reiz einer Platte aus, die nicht jedem gefallen wird.<br />

Mitreißende Songs in dichter Atmosphäre für die einen, belangloser<br />

Post-Hardcore für die anderen. Mit „Strain“ haben<br />

MANIFESTO JUKEBOX wieder kein Konsensalbum am<br />

Start. (7) Arne Koepke<br />

MASSIVE ASSAULT<br />

Conflict M<strong>CD</strong><br />

crashlandingrecords.com | Mannomann, die Holländer<br />

MASSIVE ASSAULT machen ihrem Bandnamen alle Ehre.<br />

Von der ersten Sekunde dieser 4-Track-<strong>CD</strong> an bläst einem<br />

ein absoluter Death Metal-Orkan entgegen, der in dieser<br />

Zeit seinesgleichen sucht. MASSIVE ASSAULT machen keine<br />

Gefangenen und versuchen gar nicht erst das Genre neu<br />

zu definieren. Ungeniert ballert ein Song nach dem anderen<br />

im bester ENTOMBED- und DISMEMBER-Manier entgegen,<br />

aber zu der Hochzeit dieser Bands, also Ende der<br />

Achtziger. Erwartet hier keine Innovation, jeder Song ist<br />

mit Sicherheit schon mal so <strong>von</strong> einer der beiden genannten<br />

Bands gespielt worden, aber egal, hier regiert die absolute<br />

Dampframme, Musik voller Power und Gewalt. Sehr, sehr<br />

geil. (13:08) (8) Dr. Oliver Fröhlich<br />

MCRACKINS<br />

Bat Out Of Shell <strong>CD</strong><br />

Wynona/Cargo | <strong>Die</strong> verrückten Eierköpfe sind zurück.<br />

Und haben wieder tief in die Trickkiste gegriffen. Vor einigen<br />

Jahren überschwemmte das kanadische Trio den Erdball<br />

praktisch mit seinen<br />

Veröffentlichungen, wo es<br />

bald unmöglich erschien,<br />

noch ein Label zu finden,<br />

bei dem die MCRA-<br />

CKINS nicht schon mal<br />

eine Veröffentlichung hatten.<br />

In den letzten Jahren<br />

wurde es dann etwas ruhiger<br />

um die umtriebigen<br />

Pop-Punker. Ich vermutete<br />

nach all den Releases<br />

ein kreatives Burnout-Syndrom.<br />

Das mag<br />

vielleicht auch der Fall gewesen sein, denn für „Bat Out Of<br />

Shell“, dem inzwischen zwölften Album der Band, ließen sie<br />

sich mal richtig Zeit und arbeiteten rund zwei Jahre an den<br />

zwölf Songs. Fleiß hat seinen Preis, und so ist ein hervorragendes,<br />

hochmelodisches Pop-Punk-Album herausgekommen,<br />

was in bester QUEERS-Tradition die tollen Hooklines<br />

der BEACH BOYS mit der Energie der RAMONES vermischt.<br />

Und ordentlich bekloppt sehen die drei ja auch noch wie eh<br />

und je aus. Was für ein Bild, an Bass und Gitarre stehen die<br />

zwei Eier Bil und Fil, dahinter am Schlagzeug sitzt der Hund<br />

Spot. Im nächsten Jahr werden es diese merkwürdigen Drei<br />

auch wieder auf europäischen Bühnen zu sehen sein. Das<br />

wird ein Spaß ... (36:20) (8) Abel Gebhardt<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

MAXIMUM KOUETTE<br />

Et Alors <strong>CD</strong><br />

Emma/Universal France | Mit ihrer schon seit vielen Jahren<br />

laufenden „Sprachreinhaltungskampagne“ hat die französische<br />

Regierung zwei Dinge erreicht: In Frankreich dominieren<br />

einheimische, frankophone Popkünstler, und außerhalb<br />

des Landes kennt kaum irgendwer französische<br />

Bands – einzelne Ausnahmen bestätigen da die Regel. Nun<br />

singen auch LE MAXIMUM KOUETTE auf Französisch, haben<br />

aber zumindest schon mal eine deutsche Booking-<br />

Agentur und machen sich mit ihrem vierten Album, nach<br />

drei Indie-Releases dort auf Universal erschienen, im Oktober<br />

auf Deutschlandtour. <strong>Die</strong> Wurzeln der siebenköpfigen<br />

Band (drei Männer, vier Frauen) liegen dabei im Punk und<br />

me Aufnahme <strong>von</strong> LOST SOUNDS-Ray und -Alicja, da merke<br />

ich wieder, wie es mich schmerzt, dass es diese brillante<br />

Band nicht mehr gibt) ist das unglaublich grandiose„Fuck<br />

pain“ <strong>von</strong> THE CUTTERS für mich hier der Höhepunkt; aus<br />

diesem Projekt <strong>von</strong> DIGITAL LEATHERs Shawn Foree und<br />

De<strong>von</strong> Morris (THE EX-LOVERS, BETWEEN THE LINES)<br />

soll bald eine richtige Band werden. Unbedingt merken!<br />

(9) André Bohnensack<br />

V.A. Tales From The Australian Underground<br />

– Singles 1976-1989 Vol. 1 <strong>CD</strong><br />

feelpresents.com | In <strong>Ox</strong> #67 rezensierte ich Vol. 2 dieser<br />

Compilation-Serie, die allerdings nicht wirklich aufeinander<br />

aufbaut, sondern Teil 1 eher ergänzt, wobei es bandmäßig<br />

einige Überschneidungen<br />

gibt. Besitzt man<br />

freilich beide Doppel-<br />

<strong>CD</strong>s, hat man einen exzellenten<br />

Überblick über<br />

australische Punk- und<br />

Undergroundszene bis<br />

1990 – und eine perfekte<br />

Ausgangsbasis, um<br />

sich nach und nach eine<br />

Sammlung der essentiellen<br />

Aussie-Rock-Platten<br />

zuzulegen. Allerdings sind<br />

trotz insgesamt rund 100<br />

Songs auf 4 <strong>CD</strong>s einige Lücken zu konstatieren, fragt man<br />

sich, warum BORED!, MEANIES, MASSAPPEAL, SPLAT-<br />

TERHEADS oder YOU AM I nicht enthalten sind – aber wer<br />

weiß, was Vol. 3 dereinst bieten mag. Und da man aus über<br />

1.000 Liedern eine Auswahl treffen musste, war der Job des<br />

Zusammenstellens ja sowieso kein leichter. RADIO BIRD-<br />

MAN als wichtigster Einfluss für die Musikfan-Karriere <strong>von</strong><br />

Feel Presents-Macher Tim Pittman eröffnen den Reigen mit<br />

„Burned my eye“, gefolgt <strong>von</strong> den SAINTS mit „This perfect<br />

day“, THE VICTIMS, THE SCIENTISTS („Frantic romantic“,<br />

was für ein Hit!), FUN THINGS, THE BIRTHDAY PAR-<br />

TY („Happy birthday“ singt Nick Cave hier), SUNNYBOYS,<br />

TRIFFIDS, X (nicht die Kalifornier), DIED PRETTY, THE<br />

EASTERN DARK, THE NEW CHRISTS, Ed Kuepper, Venom P.<br />

Stinger, GOD, THE MARK OF CAIN, CELIBATE RIFLES („Lost<br />

cause“), CELIBATE RIFLES und HARD-ONS. <strong>Die</strong> Reihenfolge,<br />

man erahnt es schon, ist chronologisch, und das beiliegende<br />

Booklet ist so dick und umfassend, dass man beinahe<br />

die gesamte <strong>CD</strong>-Spielzeit benötigt, um die detaillierten<br />

Hintergrund-Infos zu allen Bands zu lesen. Eine liebevolle<br />

Compilation, die ich nur jedem ans Herz legen kann. (10)<br />

Joachim Hiller<br />

V.A. Underground Tajikistan LP<br />

V.A. Underground Uzbekistan LP<br />

geocities.com/tam89rds | Lük Haas, der für das ICRC in<br />

Genf arbeitet und deshalb beruflich Ecken der Welt zu sehen<br />

bekommt, die für „normale“ Menschen unerreichbar<br />

sind, ist seit rund 20 Jahren da<strong>von</strong> besessen, die Punk- oder<br />

zumindest Underground-Musikszene <strong>von</strong> „exotischen“<br />

Ländern und Städten zu dokumentieren, vor dem Vergessen<br />

zu bewahren, ja den Musikern dort irgendwie Zugang<br />

zum weltweiten D.I.Y.-Netzwerk zu verschaffen. Seine beiden<br />

neuen Releases widmen sich den einstigen Sowjetrepubliken<br />

Usbekistan und Tadschikistan. „Underground Tajikistan“<br />

beschäftigt sich, deshalb auch der Untertitel „Dushanbe<br />

Punkers & Rocker“, mit der Musikszene der Hauptstadt<br />

Duschanbe, und wer wirklich mal außergewöhnliche,<br />

wenn auch teilweise anstrengende und nicht immer gerade<br />

perfekt produzierte Musik hören will, ist hier genau richtig.<br />

Das Namedropping erspare ich mir, doch ZAPADNY KVAR-<br />

TAL seien stellvertretend erwähnt, spielen sie doch wunderschönen<br />

Alternative Rock mit schönem Frauengesang.<br />

Reggae, seit Jahren sind/waren sie die Stars der Indie-Szene<br />

unserer Nachbarn, doch ohne dass sie sich ihren Schneid<br />

haben abkaufen lassen. Bei „Et Alors“kann nicht mehr <strong>von</strong><br />

typischem Punk oder Reggae die Rede sein, sind MAXI-<br />

MUM KOUETTE in erster Linie eine begeisternde Pop-Band<br />

mit einem mitreißenden Rhythmus, sind hier neben Punk-<br />

Wurzeln auch Einflüsse aus New Wave und Soul herauszuhören,<br />

liegt die Stärke des Septetts im samtigen, sweeten Gesang<br />

<strong>von</strong> Frontfrau Moon – französischer Pop hat einfach<br />

seinen ganz eigenen Reiz. Alles in allem erinnert mich dieser<br />

eigenwillige, gelungene Crossover ohne jeden Ethno-<br />

Kitsch an die grandiosen LES RITA MITSOUKO, die in den<br />

Achtzigern Erfolge feierten. Ein Geheimtip auf dieser Seite<br />

des Rheins – noch! (42:45) (8) Joachim Hiller<br />

M’S<br />

Future Women <strong>CD</strong><br />

Polyvinyl | Da warte ich auf teils schönen, teils drögen Indie,<br />

den typischen Polyvinyl-Sound eben, und THE M’S bieten<br />

mir einen Opener, der Brian Wilson und Paul McCartney<br />

alle Ehre machen würde. 60s Britpop, elektrisierende Gitarrenläufe<br />

und stetes Drumming ziehen sich wie ein roter Faden<br />

durch das gesamte Album. Im Verlauf desselben öffnet<br />

man sich auch den 70s, so klingt vieles bekannt, mal folkig<br />

nach Dylan oder Guthrie, dann eher nach THIN LIZZY, aber<br />

man spielt auf derart hohem Level, dass der Hörer immer<br />

mit Coverversionen rechnet, aber THE M’S covern nicht.<br />

Folglich wird ihr Album zum Pflichtkauf für Menschen mit<br />

einem historischen Musikinteresse und eigentlich ist jeder<br />

Song auf diesem Album eine Single. Da werden die Kritiker<br />

reihenweise umfallen, aber für den breiten Konsens sind<br />

THE M’S wohl zu nostalgisch. (8) (39:53)<br />

<strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

MONO & WORLD’S END GIRLFRIEND<br />

Palmless Prayer / Mass Murder Refrain <strong>CD</strong><br />

Temporary Residence | Noch vor den Aufnahmen zu ihrer<br />

letzten Platte begannen MONO die Zusammenarbeit<br />

mit Katsuhiko Maeda, der unter dem Pseudonym WORLD’S<br />

END GIRLFRIEND schon seit Längerem unter anderem epischen<br />

Streicher-Postrock aufnimmt. Und episch-breitwandig<br />

ist das Ergebnis auch geworden: Bis zum ersten unvermeidlichen<br />

Aufbäumen dauert es über eine halbe Stunde.<br />

Dass das dann aber geradezu zurückhaltend ausfällt, sagt viel<br />

über die Platte aus, denn hier geht es nicht um die Ausformulierung<br />

<strong>von</strong> Laut/Leise-Dynamiken, sondern das Fließen,<br />

um die Atmosphäre, um Stimmung. Wie auf den blauschwarzen<br />

Boden des Ozeans hinab gezogen fühlt man sich,<br />

lässt man sich auf die hypnotische Kraft der sechs langen<br />

Stücke ein. Das ist absolut keine kammermusikalische Hintergrundberieselung,<br />

sondern eine fordernde, eigenständige<br />

und auf ihre Art wunderschöne Platte, die dem Genre orchestralen<br />

Postrocks eine weitere Facette hinzufügt. (74:06)<br />

(8) Christian Maiwald<br />

NATIONAL RAZOR<br />

Naked Before God And Country <strong>CD</strong><br />

Mapleshade | NATIONAL RAZOR existieren<br />

seit 1998 und veröffentlichten ihr Debütalbum<br />

„Finally Death Is Coming“ im Jahr 1999. Im<br />

Jahr 2001 erschien eine Split-Scheibe mit den<br />

N<br />

U.K. SUBS, ein Jahr später des zweite Album „Do<br />

You Wanna Get High Tonight“. Das Album glänzt<br />

mit einigen echten Ohrwürmern und Highlights – lässiger,<br />

melodiöser und unaufgeregter Punk. <strong>Die</strong>se neue <strong>CD</strong> beinhaltet<br />

„Live-Tracks“, die mit einer analogen 2-Spur-Maschine<br />

während einer Session im Sommer 2004 aufgenommen<br />

wurden. Es sind sowohl Tracks der ersten beiden Alben<br />

als auch unveröffentlichte Songs darauf enthalten. <strong>Die</strong> Idee<br />

war, eine „urtümliche“ Scheibe, ohne den üblichen Studio-<br />

Schnick-Schnack zu veröffentlichen. Wie heißt es so schön<br />

im Info der <strong>CD</strong>: „... four guys playing their guts out, with<br />

Auf „Underground Uzbekistan“ sind dann diverse Bands aus<br />

Tashkent zu hören, etwa HARDCORE-OPA, BROGEN BO-<br />

GEN, TUPRATIKON’S oder SKISSERZ, und generell ist der<br />

Sound hier eher klassischer Punk/Hardcore, sind die Bands<br />

„entwickelter“. Weitere Infos finden sich unter http://uzrock.net,<br />

wobei man ohne Russischkenntnisse da freilich<br />

nicht viel Spaß dran hat. Bemängeln muss ich an beiden<br />

Compilations das Fehlen erläuternder Linernotes: Lük<br />

wird doch sicher über Hintergrundinfos zu den jeweiligen<br />

Bands und Szenen verfügen, und die hätte mich schon interessiert.<br />

So bleibt einem oft nur das erstaunte Zuhören, doch<br />

die Antwort auf die Frage, wie man in einem Land wie etwa<br />

Tadschikistan oder Usbekistan zum Hardcore kommt, hätte<br />

mich schon sehr interessiert. Wer also <strong>von</strong> den ewig gleichen<br />

Sounds und Bands hiesiger Herkunft gelangweilt ist,<br />

sollte hier unbedingt mal zugreifen. (8) Joachim Hiller<br />

V.A. Unterstützer-Sampler <strong>CD</strong><br />

nix-gut.de | Seit August letzen Jahres ist er nun schon im<br />

Gange, der Konflikt zwischen dem Leutenbacher Label Nix<br />

Gut und der Stuttgarter Staatsanwaltschaft wegen der Verwendung<br />

eines durchgestrichenen Hakenkreuzes. Zum allgemeinen<br />

Betroffenheitsausdruck jetzt der Unterstützer-<br />

Sampler für Nix Gut. Rechnet man die Investition in diesen<br />

Sampler mit dem auf, was man an Musik zurückbekommt,<br />

kann unter Umständen schon eine Kaufempfehlung abgeben.<br />

Besonders weil eine Band besonders heraussticht,<br />

nämlich KONFLIKT aus der Slowakei. Der Rest ist mal wieder<br />

gewöhnungsbedürftig, wenn man sich überhaupt an belanglose<br />

Texte mit Leidensattitüde à la NI JU SAN gewöhnen<br />

möchte. (56:03) Katrin Schneider<br />

V.A. Waggle-Daggle.<br />

Der Jubiläums Label Sampler M<strong>CD</strong><br />

waggle-daggle.com | Ein Label mit niedlichem Namen<br />

wird drei Jahre alt. Das ist zwar kein klassischer Zeitpunkt<br />

für eine Jubiläumsfeier, aber bei Waggle-Daggle Records<br />

Grund genug, eine kleine Werkschau zu veranstalten.<br />

Fünf der sieben verpflichteten Bands sind auf dem „Jubiläums<br />

Label Sampler“ mit je einem Songs vertreten: SKAGEN,<br />

SUSHIMOB, VERLEN, KANMANTU und CLOROFORM. Jeder<br />

einzelne Song hat Klasse. Vom Pop über Punkrock bis zu<br />

Indie – die Bands bewegen sich sicher durch heutzutage unsicheres<br />

Terrain. Ich möchte alle Alben dieser Bands haben!<br />

Vielleicht haben sie genau darauf abgezielt, im Hause Waggle-Daggle,<br />

wer weiß? Ich jedenfalls bin auf den Hund gekommen.<br />

(17:27) (10) Arne Koepke<br />

V.A. Waves Of Reverb, Sea Of Fuzz <strong>CD</strong><br />

nofunrecords.com | Ein interkontinentales Meeting zweier<br />

Wellenreiterbands bietet das Detroiter Garage-Label No<br />

Fun auf dem Split-Release „Waves Of Reverb ...“. Zum einen<br />

sind die argentinischen Cocktailsurfer LOS KAHUNAS, zum<br />

anderen die griechischen INVISIBLE SURFERS beteiligt. <strong>Die</strong><br />

Argentinier schneiden allerdings deutlich besser ab als die<br />

hellenischen INVISIBLE SURFERS. <strong>Die</strong>se bieten nämlich<br />

allenfalls durchschnittliche Kost an, ziemlich dröge Surfsongs,<br />

die relativ lieblos komponiert, arrangiert und gespielt<br />

scheinen, dazu gibt es noch einen großer Beutel voller stereotyper<br />

Klischees. Einfach uncharmant, deswegen für die<br />

Unsichtbaren nur eine knappe Ganz anders verhält es sich<br />

mit den KAHUNAS aus Buenos Aires. Dort scheint die Sonne<br />

im Jahresdurchschnitt zwar nicht weniger lange als in<br />

Athen, aber dennoch bieten die Latinos einen erfreulichen<br />

Mix aus sommerlichen Melodeien, die einfach nur Spaß bereiten.<br />

Das Melodiegerüst vieler Songs bedient sich bei den<br />

Klängen des Pampa-Hochlandes, doch auch der Atlantik ist<br />

natürlich auch nicht allzu fern. Insgesamt erinnern die KA-<br />

HUNAS daran, wie viel Spaß ein richtiger Sommer mit der<br />

richtigen Beschallung machen kann. (5/8) Gereon Helmer<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 80 22.09.2006 20:52:59 Uhr


their dicks swinging in the wind.“ Das Ergebnis ist soundmäßig<br />

relativ krass und selbst im Vollrausch definitv nicht<br />

komplett durchhörbar. Aber auch mal wieder ganz nett,<br />

wenn Band und Label auf Konventionen pfeifen, zumal NA-<br />

TIONAL RAZOR die einzige Punkband auf Mapleshade Records<br />

sind ... (39:26) (5) Zahni<br />

NAPALM DEATH<br />

Smear Campaign <strong>CD</strong><br />

centurymedia.com | Das letzte Album „The Code Is Red ...<br />

Long Live The Code“ ist gerade mal ein Jahr alt, da kommen<br />

NAPALM DEATH schon mit dem Nachfolger an. Und „Smear<br />

Campaign“ hält das<br />

hohe Niveau des Vorgängers<br />

weitestgehend problemlos,<br />

scheint sogar so<br />

eine Art experimentelles<br />

Pendant zu „The Code ...“<br />

zu sein. Denn obwohl den<br />

Songs abermals die punkige<br />

Attitüde zu Grunde<br />

liegt, die NAPALM DEATH<br />

in den letzten Jahren wieder<br />

entdeckt haben, und<br />

die Engländer auch dieses<br />

Mal wieder größtenteils<br />

Vollgas geben, ist „Smear Campaign“ etwas weniger<br />

offensiv, dafür verspielter und grooviger geworden als<br />

„The Code ...“. Was durchaus an „Diatribes“ <strong>von</strong> 1996 erinnert,<br />

als NAPALM DEATH auf einmal unverschämt mitreißend<br />

und beinahe tanzbar wurden. Als Gast haben NAPALM<br />

DEATH für „Smear Campaign“ Anneke van Giersbergen <strong>von</strong><br />

THE GATHERING ins Studio geladen um den Song „In deference“<br />

und das Quasi-Intro „Weltschmerz“ gesanglich zu<br />

begleiten; so prägend wie Jello Biafras Gastauftritt bei „The<br />

Code ...“ ist das aber leider nicht. Der mittlerweile übliche<br />

etwas aus dem Rahmen fallende Song – hier ist das der <strong>von</strong><br />

Sänger Barney mit normaler Stimme vorgetragene Titelsong<br />

– funktioniert dagegen wieder wunderbar. Leider mangelt<br />

es „Smear Campaign“ etwas an direkter Eingängigkeit, einen<br />

Hit wie den Titelsong des letzten Albums gibt es hier nicht,<br />

was „Smear Campaign“ insgesamt einen Deut schwächer<br />

macht als „The Code ...“. Dennoch wird erneut untermauert,<br />

dass NAPALM DEATH keine Kategorisierung in Grindcore,<br />

Death Metal oder sonstiges nötig haben, eben einfach<br />

nur NAPALM DEATH sind, und ganz einfach mit das Beste,<br />

was es momentan an extremer Musik gibt. (8)<br />

André Bohnensack<br />

NARZISS<br />

Solang das Herz schlägt <strong>CD</strong><br />

alveranrecords.com/SPV | Obwohl NARZISS schon eine<br />

Weile dabei sind und zwischenzeitlich sogar auf Per Koro<br />

veröffentlichten, sind sie bis jetzt doch spurlos an mir vorbeigerauscht.<br />

<strong>Die</strong> meisten Bands mit dem Prädikat „Metalcore“<br />

verdienen auch meistens keine weitere Beachtung,<br />

bei dem Quintett aus Thüringen ist das hingegen anders.<br />

<strong>Die</strong> deutschen Lyrics sind sicherlich in dieser Musiksparte<br />

schon eine kleine Besonderheit, doch auch musikalisch<br />

überrascht man mit einigen feinen Melodien, die man<br />

sonst eher bei schwedischen Death Metal-Bands erwartet<br />

hätte. Zwar bedienen sich NARZISS auch hin und wieder<br />

des Bauernfängerschemas „gebrüllte Strophe / gesungener<br />

Refrain“, doch Mainstream der Marke CALIBAN hört<br />

sich anders an, der duldet keine bis zum Anschlag durchgetretene<br />

Doublebass. Überschwänglichen Pathos allerdings<br />

schon, die Kitschgrenze überschreiten die Jenaer leider ein<br />

paar Mal, meistens kratzen sie aber, ähnlich wie die <strong>von</strong> mir<br />

hochgeschätzten ESCAPADO, die Kurve. So bleibt „Solang<br />

das Herz schlägt“ eine durchweg emotionale Angelegenheit,<br />

fernab <strong>von</strong> jeglichem Stakkato-Einheitsbrei der üblichen<br />

Metalcore-Kraftprotze. (32:47) Ingo Rothkehl<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

M.A. NUMMINEN<br />

Singt Heinrich Heine <strong>CD</strong><br />

Trikont/Indigo | Der Teufelskerl Mauri Antero Numminen,<br />

Multitalent und Kultfigur des finnischen Underground,<br />

schlägt erneut zu. Nach „Dägä, dägä“ und der Erfindung des<br />

neorustikalen Jazz beziehungsweise Tango gelingt ihm nun<br />

mit „Singt Heinrich Heine“ der nächste Streich. Ausgelöst<br />

durch eine Anfrage des Berliner Literaturhauses anlässlich<br />

des 150. Todestages <strong>von</strong> Heinrich Heine, entstand ein 12 Titel<br />

umfassender Songzyklus, dem sieben Heine-Gedichte zu<br />

Grunde liegen, fünf Mal wurde im Geiste <strong>von</strong> Heine interpretiert.<br />

Herausgekommen sind Texte wie „Gern der Zeiten<br />

gedenk’ ich, gern, gern! Da alle Glieder gelenkig, bis auf eins.<br />

Gern, gern! <strong>Die</strong> Zeiten sind vorüber. Wozu, wozu? Steif sind<br />

alle Glieder. Bis auf eins. Wie schwoll es an, war alles dran!<br />

Ständig wollt’s tun! Und nun doch will’s ruhn“, die natürlich<br />

mit der unverkennbaren Nummin’schen Kieksstimme<br />

vorgetragen werden. Dazu gesellen sich diesmal maschinelle<br />

Rhythmen und Tonfolgen, die mit akustischen Instrumenten<br />

wie Cello oder Vibrafon kombiniert werden. Beim ersten<br />

Hören klang es durchaus etwas befremdlich und düster,<br />

aber Numminen wäre nicht Numminen, wenn er nicht<br />

auch überraschen könnte. Vielleicht nennt er diese Musik ja<br />

einmal neorustikalen Ambient. Abgerundet mit zwei Dub-<br />

Versionen werden die insgesamt 14 Songs mit jedem weiteren<br />

Hören vertrauter und schließlich beginnt man auch<br />

dieses kratzbürstige Cello in sein Herz zu schließen. (48:42)<br />

(8) Kay Wedel<br />

NEW STORY<br />

Untold Stories <strong>CD</strong><br />

Rude | Langweilig mit drei A. Mehr fällt mir zu THE NEW<br />

STORY doch einfach mal nicht ein. <strong>Die</strong> Songs auf „Untold<br />

Stories“ gehen nicht mal auf der einen Seite des Kopfes<br />

rein und auf der anderen wieder heraus, sie streifen mei-<br />

nen Kopf einfach so, ohne dass überhaupt irgendwas hängen<br />

bliebt. Eigentlich schade, da THE NEW STORY aus Italien<br />

kommen und somit den viel versprechenden Exotenstatus<br />

zur Verfügung haben. Total verspielt haben sie den mit ihrer<br />

Mischung aus amerikanischem Durchschnitts-Emo mit<br />

Teenagertexten. Tut mir leid, das sagen zu müssen, aber THE<br />

NEW STORY braucht wirklich niemand. Es ist auch nicht so,<br />

dass das Album mehrere Durchgänge bräuchte, um zu zünden<br />

– da ist einfach nichts. Na ja, dass die Band auch noch<br />

eine oberpeinliche Powerchord-Version <strong>von</strong> Natalie Imbruglias<br />

„Torn“ aufgenommen hat, will ich jetzt mal verschweigen.<br />

Ups! (2) Sebastian Wahle<br />

JOANNA NEWSOM<br />

Ys <strong>CD</strong><br />

Drag City/Rough Trade | Zwei Jahre nach ihrem äußerst<br />

erfolgreichen ersten Album „The Milk-Eyed Mender“ kehrt<br />

die Frau mit der Harfe und dem ungewöhnlichen Gesang,<br />

eine quengelige Mischung aus Björk und Kate Bush, zurück,<br />

um alleine schon durch geschmackvolles Namedropping<br />

auf sich aufmerksam zu machen. Denn mit Jim O’Rourke,<br />

Steve Albini und Van Dyke Parks dürfte auf der technischen<br />

Seite schon mal nichts schief gehen, zumal sie diesmal die<br />

Platte in den heiligen Abbey Road Studios in London aufnahm<br />

und direkt ein komplettes Orchester im Nacken hatte.<br />

In 55 Minuten gibt es gerade Mal fünf Songs, opulent instrumentiert,<br />

ein bizarres Wechselspiel zwischen klassisch<br />

arrangierten Streichersätzen und Newsoms schrägen Gesangskünsten<br />

und ihrem eigenwilligen Harfespiel. Und tatsächlich<br />

hat man hier, ähnlich wie Ende der 70er bei Kate<br />

Bush, das Gefühl, einem seltsamen Zusammentreffen <strong>von</strong> E-<br />

und U-Musik beizuwohnen, denn den ganzen wundervollen<br />

Melodien steht in gleichem Maße ein höchst abstraktes,<br />

immer wieder Haken schlagendes Songwriting gegenüber,<br />

teilweise vergleichbar mit der späteren Aneignung der<br />

BEATLES durch XTC, auch wenn Newsoms Ansatz wesentlich<br />

sperriger ist. Man hat ja selten genug das Gefühl, in der<br />

Musikwelt etwas wirklich Neues zu hören, aber Newsom<br />

hat hier ein ungewöhnliches und eigenständiges märchenhaftes<br />

Kunstwerk geschaffen, das sich Kategorisierungen<br />

und Vergleichen gekonnt entzieht und einen immer wieder<br />

in Staunen versetzt. (9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

NICE BOYS<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

birdmanrecords.com/Rough Trade | Jungs, lasst euch besser<br />

nicht erwischen, okay? Ich meine, euer Intro zum Opener<br />

„Teenage nights“ ist eins zu eins <strong>von</strong> Gino Vannellis<br />

„Black cars“ geklaut, ich habe das eben noch verifiziert.<br />

Okay, ihr mögt jetzt fragen, was ich für ein Typ bin, so eine<br />

peinliche Achtziger-Plastik-Rocknummer überhaupt zu<br />

kennen, aber darum geht’s hier nicht. Bei den NICE BOYS<br />

handelt es sich um die neue Band <strong>von</strong> Terry Six <strong>von</strong> den EX-<br />

PLODING HEARTS, dem einzigen Überlebenden eines Autounfalls,<br />

der im Juli 2003 seine drei Bandkollegen das Leben<br />

kostete. Respekt dafür, dass er es geschafft hat, sich eine<br />

neue Band zu suchen nach so einem Horrorerlebnis. Seine<br />

neuen Mitmusiker fand er bei den RIFFS, jener ebenfalls aus<br />

Portland, Oregon stammenden Formation, die einst auf TKO<br />

veröffentlicht hat, doch wer denkt, die NICE BOYS seien irgendwo<br />

zwischen den beiden Vorgängerbands anzusiedeln,<br />

könnte falscher nicht liegen: Hier sehe ich Schnauzbärte,<br />

Vokuhila-Frisuren und junge Männer in bespoilerten Chevy<br />

Camaros, meine ich eine Band aus den Siebzigern vor mir zu<br />

haben, die sich nicht so recht zwischen CHEAP TRICK, SLA-<br />

DE und SWEET entscheiden kann – und die, jetzt in echt,<br />

wirklich schreckliche Frisuren hat. Power-Pop meets Glam<br />

meets Pub-Rock, so kann man die NICE BOYS beschreiben,<br />

die Songs sind perfekt und eine Spur zu soft produziert, und<br />

doch üben sie einen gewissen Reiz aus, sollten Fans der EX-<br />

PLODING HEARTS ihnen mal eine Chance geben. (32:46)<br />

(7) Joachim Hiller<br />

ON THE LAST DAY<br />

Meaning In The Static <strong>CD</strong><br />

victoryrecords.com | AIDEN hier, AIDEN da – Kajalemo<br />

lebt und scheint seinen Zenit zu erreichen. ON<br />

THE LAST DAY sind nicht nur musikalisch <strong>von</strong><br />

den scheintoten Megasellern auf ihrem Heimatlabel<br />

stark beeinflusst, sondern auch visuell. Man<br />

o<br />

schminkt sich die Augen düster schwarz und<br />

meidet das Sonnenlicht, wie es auch Vampire tun.<br />

Sicherlich haben ON THE LAST DAY viel Zeit im Proberaum<br />

verbracht – so wie es sich für eine aufstrebende Band gehört<br />

–, aber wahrscheinlich haben sich auch viel Zeit damit verbracht,<br />

sich ihre Songideen <strong>von</strong> Alben <strong>von</strong> eben AIDEN, aber<br />

auch RISE AGAINST abzuschauen. Wenn diese beiden Bands<br />

nun in der ersten Liga spielen würden, schaffen es ON THE<br />

ALST DAY leider nur einen hinteren Platz in der unbedeutenden<br />

zweiten Liga zu erspielen. Um aufzusteigen, fehlen<br />

einfach die frischen und selbstständigen Ideen, die die Band<br />

<strong>von</strong> den vielen anderen abheben sollten. Ich sag mal soviel:<br />

Braucht kein Mensch! (5) Sebastian Wahle<br />

OXO 86<br />

So beliebt und so bescheiden <strong>CD</strong><br />

Pukemusic/Broken Silence | OXO 86 liefern deutschsprachigen<br />

Oi! und Ska-Punk, bei dem man getrost, so wie die<br />

Band selbst das tut, <strong>von</strong> „Bierchansons aus Bernau“ sprechen<br />

kann. OXO 86 gibt es mittlerweile seit 10 Jahren, und im<br />

Gegensatz zu vielen ihrer Deutsch-Oi!-Kollegen können die<br />

Jungs und das Mädel an der Trompete mich mit ihrer positiven<br />

Grundeinstellung begeistern. Und es hört sich auch so<br />

an, als könnten sie ihre Instrumente einigermaßen richtig<br />

herum halten. Ich bin wirklich angenehm überrascht und<br />

ertappe mich schon beim Mitträllern. „So beliebt und so bescheiden“<br />

trifft ja durchaus auch auf mich zu. Und „Deine<br />

Freundin steht auf mich“ ist jetzt schon der Hit meiner<br />

nächsten Party. Mit der verwursteten Version des Paul<br />

Anka-Hits „Diana“ liefern OXO 86 den offiziellen Soundtrack<br />

zum 10. Todestag <strong>von</strong> Lady Di (den ich ehrlich gesagt<br />

komplett vergessen hab). Egal. Ich will ein Bier! (44:19) (6)<br />

Claudia Luck<br />

OOIOO<br />

Taiga <strong>CD</strong><br />

Thrill Jockey/Rough Trade | Ein neues Werk <strong>von</strong> Yoshimi<br />

P-We <strong>von</strong> den BOREDOMS mit einem etwas irreführenden<br />

Titel, denn mit „Taiga“ wird im Japanischen ein großer<br />

Fluss bezeichnet. „Taiga“ beginnt mit einem afrikanisch<br />

angehauchten Percussion-Monstrum, um dann in Free-<br />

Jazz-Gefilde abzutauchen, aber auch das gegen Ende mit einer<br />

starken Betonung auf rhythmische Aspekte. Platten <strong>von</strong><br />

OOIOO sind ja in der Regel nicht so leicht verdaulich, wobei<br />

sich Yoshimi hier einem angejazzten Ethno-Krautrock<br />

verschrieben hat, der auf seine Art schon ziemlich einzigartig<br />

ist, vor allem wenn man bei Stück 3 tatsächlich das Gefühl<br />

hat, im afrikanischen Dschungel zu stehen, um dann<br />

Teil einer seltsam funkigen TALKING HEADS-Hommage<br />

zu werden. „Taiga“ ist schon eine erstaunliche Vermengung<br />

<strong>von</strong> Sounds und Rhythmen, wo sich Yoshimi wieder mal als<br />

brillante Schlagzeugerin zeigt, aber es ist auch nicht verachten,<br />

was sich sonst noch auf dieser völlig unberechenbaren<br />

Platte tut, wo jedes weitere Stück einem Sprung ins kalte<br />

Wasser gleicht, aber sich der Naturaspekt des Plattenkonzepts<br />

sehr gekonnt in den Songs manifestiert. Höchstwahrscheinlich<br />

brillant, aber auch sehr mit Vorsicht zu genießen,<br />

denn anspruchslose Popmusik ist das hier nun wirklich<br />

nicht, sollte das bunt-naive Cover das vermuten lassen. (9)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

OXFORD COLLAPSE<br />

Remember The Night Parties <strong>CD</strong><br />

subpop.com | Nach dem ersten Durchhören wünsche ich<br />

mir, Sub Pop würden wieder zu ihrer sparsamen Releasepolitik<br />

zurückkehren, denn auch wenn OXFORD COLLAP-<br />

SE gut sind, gemessen am<br />

Labelkatalog sind sie nur<br />

Mittelmaß. Doch nachdem<br />

ich dem mittlerweile<br />

dritten Album des Trios<br />

aus Brooklyn eine Chance<br />

gab, straft mich meine<br />

Aussage Lügen, denn dann<br />

läuft die Platte erst mal<br />

auf Dauerrotation. Zugegeben<br />

Brooklyn wäre mir<br />

als letztes in den Sinn gekommen,<br />

vielmehr hätte<br />

ich die Band – zumindest<br />

in den geografisch eindeutigeren 80ern – gefühlt an der<br />

Westküste angesiedelt, im einschlägig bemühten Dunstkreis<br />

<strong>von</strong> Surfen und Pop-Punk. Als hätten MISSION OF BURMA<br />

die BEACH BOYS verschluckt, als würden BUILT TO SPILL<br />

zu HÜSKER DÜ tanzen, als wären OSTINATO die Nachfolgeband<br />

der PIXIES, als wäre melodischer und gleichzeitig<br />

vertrackter Indierock mit hoher Affinität zu Hardcore aus<br />

der Prä-Grunge- und Post-Punk-Ära unbeschadet in das<br />

neue Jahrtausend gerettet worden. Und irgendwie gelingt<br />

OXFORD COLLAPSE das auch, ohne jemals wie eine Kopie<br />

zu klingen, mit zu gleichen Teilen ruhigeren und lärmigen<br />

Stücken. Wobei erstere auch immer einen Hauch <strong>von</strong> SO-<br />

NIC YOUTH-Balladen haben – nur fröhlicher. Überhaupt<br />

strahlen OXFORD COLLAPSE eine Unbeschwertheit aus,<br />

die beinahe allen Bands in ihrer New Yorker Nachbarschaft<br />

fehlt. (40:59) (8) Chris Wilpert<br />

ONE DROP DOES IT<br />

Your Rome Shall Burn <strong>CD</strong><br />

Modern Noise | „Verflixt sind das gute Melodien.“ ONE<br />

DROP DOES IT aus Bonn haben das große Glück, nicht nur<br />

talentierte, sondern hochbegabte Musiker in ihren Reihen<br />

zu haben. Nicht nur die beiden Gitarristen, die nebenbei<br />

auch noch singen, verstehen ihr Handwerk so gut, dass nicht<br />

selten die Grenze zwischen Emo/Melodycore in Richtung<br />

Progressive überschritten wird. Schlagzeug und Bass outen<br />

sich jedoch auch nicht als durchschnittliches Beiwerk: Sie<br />

füllen den Sound der Band so gut aus, dass man sogar schon<br />

sagen kann, dass ONE DROP DOES IT eigenständig klingen<br />

– und das ist ja schon mal was Außergewöhnliches heutzutage.<br />

Jedoch muss man bei all der Professionalität auch berücksichtigen,<br />

dass „Your Rome Shall Burn“ nicht über die<br />

ganze Spielzeit fesseln kann. Das wird aber bestimmt noch ...<br />

(7) Sebastian Wahle<br />

ONE FINE DAY<br />

Damn Right <strong>CD</strong><br />

rockhit.de/Alive | In zwei Jahren Arbeit entstand das zweite<br />

Album der Hamburger ONE FINE DAY, „Damn Right“.<br />

Nachdem ihr Debüt recht einfältig und AND THE WINNER<br />

IS ähnlich war, sind die zwölf neuen ONE FINE DAY-Songs<br />

vielseitiger und besser. In den ersten Momenten der Platte<br />

hört man schnellere Stücke, deren Drive extrem tanzbodentauglich<br />

ist und deren Melodien <strong>von</strong> den BEATSTEAKS und<br />

BILLY TALENT beeinflusst klingen. In anderen Momenten,<br />

zum Beispiel bei „This dying day“, wird eine andere Seite<br />

der Band deutlich: <strong>Die</strong>se ist ruhiger und lässt eine weibliche<br />

Zweitstimme (Anne Karlstrup <strong>von</strong> den PINBOYS) einfließen.<br />

Aus beidem entsteht ein schönes Popmoment, das<br />

„This dying day“ zu einer Art Verweilmoment des Albums<br />

werden lässt. In den weiteren Songs mischt die Band modernen<br />

Rock à la BEATSTEAKS oder FOO FIGHTERS mit<br />

angepoppten Tönen und melodischen Punkrockelementen.<br />

Ein insgesamt interessanter Sound, dessen Vielseitigkeit dieses<br />

Album schön macht. Von dieser Band wird man (hoffentlich)<br />

noch einiges hören! (45:47) (7) Lauri Wessel<br />

ON PAROLE<br />

Classic Noise <strong>CD</strong>/LP<br />

Punk’n’Drunk | „Classic Noise“ – der Albumtitel soll<br />

Programm sein, denn ON PAROLE stellen sich mit ihrem<br />

Debüt-Longplayer in eine Reihe mit Elvis, den ROL-<br />

LING STONES, den SEX PISTOLS, AC/DC und vielen anderen<br />

Klassikern. Nun, der Anspruch ist hoch, und ob ON<br />

PAROLE diese Linie weiterzuführen vermögen, wird wohl<br />

erst die Zukunft weisen. Auf Classic Noise wird jedenfalls<br />

gediegener Rock’n’Roll geliefert, bei welchem man bereits<br />

nach wenigen Sekunden beziehungsweise einem Blick auf<br />

die Songtitel weiß, worum es hier geht: um den hardrockin’<br />

man, barflies, whiskey, drivin’, und das alles vorgetragen <strong>von</strong><br />

der heavy machinery ON PAROLE. Streckenweise erinnert<br />

Classic Noise an NASHVILLE PUSSY, mit welchen ON PA-<br />

ROLE ja auch bereits die Bühne geteilt haben; wie bei diesen,<br />

ist hier die Welt noch in Ordnung: erdige AC/DC-Riffs, feine<br />

Soli und eben Texte über die paar Dinge, die einem richtigen<br />

Rock’n’Roller halt wichtig sind. <strong>Die</strong> Vinylversion wartet<br />

mit einem Bonustrack auf, wohingegen die <strong>CD</strong> das Video<br />

zu „Hard rockin’ man“ bietet. 30:23 (7) Simon Loidl<br />

OHL<br />

Feindkontakt <strong>CD</strong><br />

Bad Dog/Core Tex | <strong>Die</strong> OBERSTE HEERESLEITUNG gibt<br />

es auch immer noch. Aber manches ist einfach nicht tot<br />

zu kriegen, so wohl auch Deutscher W. in seinem ewigen<br />

Kampf gegen das Böse dieser Welt. Seine Feindbilder sind<br />

wie eh und je fest abgesteckt. Religiöser Fanatismus, politischer<br />

Radikalismus, Terrorismus und Nationalismus sind<br />

die Wurzeln allen Übels. So weit, so gut. Wenn doch nur alles<br />

so einfach wär ... dann wär mein Vater Millionär ... oder<br />

die Welt eine bessere. Aber bis es soweit ist, werden OHL<br />

weiterhin ihren knallharten Deutschpunk raushauen und<br />

hoffen, damit den ein oder anderen schweren Treffer beim<br />

Feind zu landen. Denn martialisch darf es immer gerne mal<br />

zu gehen bei den Herren Egon Krenz, Kalashnikov, Stalin,<br />

L.Kaida und eben Deutscher W. Hinsetzen und mal drüber<br />

reden ist was für gestrige Hippies. Aber ich kann mir nicht<br />

helfen, so richtig modern und dem Zeitgeist entsprechend<br />

klingen OHL jetzt auch wieder nicht ... (31:15) (6)<br />

Abel Gebhardt<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

OUTBREAK<br />

Failure <strong>CD</strong><br />

bridge9.com | Noch vor dem ersten Hördurchgang war<br />

mir klar, dass hier möglicher Weise die Belohnung für die<br />

eine oder andere, mir mühsam abgerungene, Emocore-<br />

Bandbesprechung liegen könnte. Tja, Bridge Nine Records<br />

bürgt nun mal für einen gewissen oldschooligen Standard<br />

in Sachen Hardcore. Produziert wurde „Failure“ <strong>von</strong> Jim<br />

Siegel, der unter anderem mit AMERICAN NIGHTMARE<br />

Hardcore – Geschichte geschrieben hat. Und ja, bereits nach<br />

kurzem Hören fühle ich mich in erfrischender Weise an den<br />

AMERICAN NIGHTMARE-Klassiker „Year One“ erinnert,<br />

allerdings gepaart mit der halsbrecherischen Geschwindigkeit<br />

der BAD BRAINS und der aggressiv-nihilistischen Attitüde<br />

<strong>von</strong> BLACK FLAG. Und vielleicht liege ich da jetzt<br />

völlig falsch, aber ein Funke frühe SUICIDAL TENDENCIES<br />

ist da doch auch noch dabei, oder? Fazit: Sechzehn Hardcore-Punk-Songs<br />

der Extraklasse in knapp zwanzig Minuten ...<br />

und ich hab schon vergessen, dass es so etwas wie Emocore<br />

überhaupt gibt. (20:25) (8) Robert Buchmann<br />

OF THE OPERA<br />

Study Natural Law <strong>CD</strong><br />

Lucid | Robert Bock aus Chicago hat nach seiner Bandzeit in<br />

MONDAY’S HERO und THE FIREBIRD BAND nun ein Egoprojekt<br />

realisiert, welches sich eher an DEPECHE MODE,<br />

BRIGHT EYES und Bowie orientiert als an den Emocore<br />

seiner frühen Tage. Bock spielte alle Instrumente selbst ein<br />

und insgesamt hat das Album einen klaren elektrischen Einschlag,<br />

denn Drums gibt es aus dem Computer. So klingen<br />

die zehn Songs nicht besonders organisch, aber Bock bietet<br />

durchaus schöne, tanzbare Uptempo-Nummern mit einem<br />

hervorragenden Sinn für Rhythmus und außergewöhnliche<br />

Melodien. Das Layout ist stylisch, aber nicht gerade opulent,<br />

wie schon öfters bei Lucid angemerkt, also nicht gerade<br />

ein Vermögen dafür ausgeben, generell aber durchaus<br />

eine schöne Anschaffung, auch für DEATH CAB FOR CU-<br />

TIE-Fans. (44:25) (8) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

PLEXUS<br />

Blunt M<strong>CD</strong><br />

rebelproducts.de | Hihi, beim Blick auf die<br />

Bandhomepage werde ich begrüßt mit den Worten<br />

„Fuck you! Rock’n’Roll“. Das beeinflusste<br />

meine Wahrnehmung natürlich schon vor dem<br />

P<br />

ersten Hören. PLEXUS ist eine sechsköpfige Band<br />

aus dem schweizerischen Interlaken, die eine<br />

Mischung aus Punk und Rock spielt. <strong>Die</strong> große Mitgliederzahl<br />

erklärt dadurch, dass die Gitarren durch Hammondorgel<br />

beziehungsweise Rhodes verstärkt werden. <strong>Die</strong> sieben<br />

Songs sind straight und zackig, die selbst gewählten Vergleiche<br />

mit DOVER oder JULIETTE & THE LICKS treffen durchaus<br />

zu, insgesamt aber klingt das für mich so, als wollten<br />

die netten Jungs und Madels <strong>von</strong> nebenan mal wilde Rocker<br />

sein. So ganz überzeugend kommt das leider nicht rüber.<br />

(17:52) (4) Christian Meiners<br />

POP LEVI<br />

Blue Honey <strong>CD</strong><br />

Counter | Uuhhh yeah, Baby, I like that. was ist bloß diesmal<br />

los, in so kurzer Zeit werde ich mit soviel neuer, fantastischer<br />

Musik zugeworfen dass ich schon ganz gerührt bin.<br />

Danke LUCKY JIM und auch POP LEVI. Ich suche jeden Tag<br />

wie eine Verrückte nach Musikern, die mir ein wenig diesen<br />

Flair <strong>von</strong> Bands wie T. REX, LED ZEPPELIN oder einem mei-<br />

<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 081<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 81 22.09.2006 20:53:09 Uhr


ner Country-Helden bringen. Mit diesem Blue Honey“ ist<br />

schlagartig Nacht, irgendwo im Freien unter Palmen, eine<br />

Party mit viel Wein. Ich kann es nicht verstehen, wenn jemand<br />

die Platte nicht mag, ich werde wie eine Bekloppte<br />

jeden damit nerven und wahrscheinlich die Hälfte meiner<br />

Freunde verlieren, aber es wird sich auszahlen. POP LEVI<br />

hat die Antwort auf die Frage „Was hab ich, was ihr nicht<br />

habt?“, hat diese musikalisch beantwortet, und man könnte<br />

stundenlang darüber reden, was er anders macht. Eine ganze<br />

Menge Bands geben oben genannte Bands als ihre Einflüsse<br />

an, aber hier hat man wirklich das Gefühl, dass er im<br />

Studio steht und sich mental auf irgendeinem kommunikativen<br />

Level mit Marc Bolan trifft. Fünf Lieder reichen vollkommen<br />

aus. Man wird ganz locker, pff, unbezahlte Rechnung,<br />

beim Schwarzfahren erwischt. Fuck it! Was soll’s.<br />

Tambourins, Geschnipse – „Sugar you’re not the same, since<br />

I learned your name“ – Rumgepfeife, mit „Skip ghetto“<br />

eine fabelhafte Akustiknummer, ich glaube, ich bin in einem<br />

Wald, umgeben <strong>von</strong> Glühwürmchen, die enge Jeans<br />

tragen, nur für mich. Anfang nächsten Jahres kommt „Return<br />

To Form Black Magick Party“. Ein ganz großes Huuray<br />

for POOP LEVI! (8) Martha Biadun<br />

PISSED JEANS<br />

Shallow LP<br />

partsunknownrecords.com | Wahnsinn! Seit „Zombie“ <strong>von</strong><br />

den DRUNKS WITH GUNS habe ich kein Schlagzeug mehr<br />

gehört, das wie eine abgefeuerte 44er Magnum mit defektem<br />

Schalldämpfer klingt. <strong>Die</strong> PISSED JEANS hauen heftig<br />

in die Kerbe der ganz frühen Drunks und streuen eine Prise<br />

Frühachtziger Blag Flag mit in die Suppe. Jaja, ich weiß,<br />

kennst du nicht, aber was soll ich machen, einen solch kaputten<br />

Sound gab es bereits einmal, aber er wurde halbfertig<br />

liegengelassen beziehungsweise durch das lasche Spätwerk<br />

mehr oder weniger demontiert. Psychopathen-Sound, kaputt,<br />

fertig, angepisst ... genau die Sorte Musik, die man im<br />

Ohrstöpsel haben sollte, wenn man mit der Halbautomatischen<br />

<strong>von</strong> Onkel Heinz den Beginn des neuen Schuljahrs<br />

feiert und den einen oder anderen Lehrkörper vom Vorjahr<br />

auf dem Gang trifft. Zumindest haben ein paar Willi Wichtigs<br />

danach mal wieder die Ursache für alles Weltübel auf<br />

dem Tisch: Solche Musik, Gewaltvideos und Computerspiele.<br />

Yeah, seit Jahren wirklich keine so kaputte Band mehr gehört,<br />

die sich auf einer Platte derart fertig durch die Stücke<br />

hackt. Herrlich, da fühlt man sich gleich besser, denn DIE<br />

sind richtig fertig und angefressen! Wem FLIPPER ein wenig<br />

zu drogenfrei und harmlos waren, der sollte hier sein Glück<br />

finden! (9) Kalle Stille<br />

PAJO<br />

1968 <strong>CD</strong><br />

Drag City/Rough Trade | David Pajo ist jemand, den man<br />

eigentlich nicht mehr großartig vorstellen muss, der Mann<br />

hat bei SLINT, TORTOISE und bei einigen anderen Bands aus<br />

dem Umfeld <strong>von</strong> Chicago und Louisville gespielt und unter<br />

unterschiedlichen Namen Soloplatten aufgenommen. <strong>Die</strong><br />

waren meist betulicher Natur, das heißt eher spartanisch instrumentiert<br />

und mehr in der Tradition <strong>von</strong> Folk- als Rockmusik<br />

stehend. Das ist bei „1968“ nicht viel anders, auch<br />

wenn die Platte einen etwas lebendigeren Eindruck macht,<br />

dabei ist der Titel durchaus Programm, denn die Songs<br />

durchzieht tatsächlich ein End-60er-Folk-Pop-Feeling.<br />

Folkbarden wie SIMON & GARFUNKEL scheinen da nicht<br />

weit zu sein, ebenso wie Cat Stevens, Neil Young oder Donovan,<br />

ohne dass sich Pajo konkret irgendwo bedienen würde.<br />

„1968“ wurde wieder mal im Alleingang eingespielt,<br />

trotzdem klingt die Platte eher nach einer richtigen Band<br />

als man vielleicht annehmen würde. Pajo kommt hier vielleicht<br />

am ehesten einer richtigen Pop-Platte nahe, die Songs<br />

wirken trotz minimalistischer Umsetzung weniger unfertig<br />

als sonst und scheinen auch weniger davor zurück zu schre-<br />

dvds<br />

ASTA KASK<br />

Dom far aldrig mig DVD+<strong>CD</strong><br />

burningheart.com | Über die schwedische Punkszene der<br />

Achtziger ist hierzulande kaum etwas bekannt, nur ein paar<br />

wenige Bands sind in Erinnerung geblieben. Aber wie war<br />

damals die Stimmung im wohlbehüteten sozialdemokratischen<br />

Paradies, unter was für Bedingungen existierte eine<br />

Band wie ASTA KASK? Darüber ist kaum etwas bekannt, und<br />

diese Doku über ASTA KASK verschafft da einen etwas genaueren<br />

Einblick. <strong>Die</strong> in ihrer ersten Version 1979 gegründete<br />

Band aus der tiefsten Provinz wurde im Laufe der Achtziger<br />

neben den medial weitaus präsenteren EBBA GRÖN zu<br />

einer wichtigsten Punkbands des Landes, die politisch klar<br />

Stellung bezog gegen Militarismus, Aufrüstung, Atomenergie,<br />

die D.I.Y. lebte – und dann in der zweiten Hälfte der<br />

Achtziger zwar trotz ihrer Medienfeindlichkeit großen Erfolg<br />

hatte, aber letztlich <strong>von</strong> ihrer Szene aus Neid und Missgunst<br />

verstoßen wurde und sich dann auch auflöste – nachdem<br />

sie, die sich geschworen hatten, nie ein Album aufzunehmen,<br />

„Aldrig en LP“ veröffentlicht hatten – deren Titel<br />

„Niemals eine LP“ bedeutet ... Seit ein paar Jahren sind ASTA<br />

KASK, die für unzählige Bands wie MILLENCOLIN oder<br />

THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY eine wichtige<br />

Inspirationsquelle waren, wieder aktiv, und so machten<br />

sich Staffan Danielsson und Erik Kolthoff daran, einen Film<br />

über sie zu drehen. Das Ergebnis ist beeindruckend, eine<br />

knapp eine Stunde laufende Doku mit reichlich altem Bildund<br />

Tonmaterial (aber auch neuem), basierend auf Interviews<br />

mit den Bandmitgliedern, Wegbegleitern und Nachfolgern,<br />

natürlich durchgehend auf Schwedisch, aber dank<br />

der englischen Untertitel auch für unsereins verständlich.<br />

Dazu kommt dann noch diverses Bonusmaterial – und eine<br />

Bonus-<strong>CD</strong> namens „Playmates 7805“ mit Neueinspielungen<br />

<strong>von</strong> 17 alten ASTA KASK-Hits. Eine wirklich sehenswerte,<br />

rundum gelungene Doku. (9) Joachim Hiller<br />

BALZAC<br />

66 Hits From Darkism Vol.1 & 2 2DVD<br />

shocker-europe.com | Da leckt sich der Fan die Finger<br />

nach. Meine Güte, was für ein volle Ladung BALZAC gibt<br />

es denn hier auf dieser pickepacke vollgestopften DVD? Für<br />

die 66 Songs, der Titel lässt es bereits erahnen, benötigt man<br />

dann auch gleich zwei DVDs. Ursprünglich wurde die DVD<br />

nur an Fans bei Konzerten in Japan verschenkt(!) – gerne<br />

auch als einzelne DVDs. So ist das halt in Japan, da bekommt<br />

der Gast, in diesem Falle der Konzertbesucher, halt ein Geschenk<br />

mit auf den Heimweg. Eine schöne Tradition, die ich<br />

mir in unserem Kulturkreis auch so manches Mal wünschen<br />

würde. Auf jeden Fall muss der gemeine Westeuropäer diese<br />

Doppel-DVD der japanischen MISFITS käuflich erwerben.<br />

Immerhin kann er das inzwischen via Shocker Europe<br />

auch problemlos tun. Und das lohnt sich auch. Freunde<br />

des trashigen Horrorpunks <strong>von</strong> BALZAC kommen hier voll<br />

und ganz auf ihre Kosten. Vom Opener „Night of the blood<br />

beast“ über „Space vampire in silent noise“ und „The Pain<br />

Is All Around“ bis zum krönenden Abschluss „I can’t stand<br />

it anymore“ (okay, einen Hidden Track gibt es ganz zum<br />

Schluss auch noch) wird kein Hit der Band ausgelassen. <strong>Die</strong><br />

perfekte DVD also für die bevorstehende Halloween-Party.<br />

(8) Abel Gebhardt<br />

BRANT BJORK & KATE McCABE<br />

Sabbia DVD<br />

Duna/Cargo | „Sabbia“ ist eine psychedelische, etwa 80minütige<br />

Dokumentation, die sowohl die südkalifornische<br />

Wüste als auch die rauhe und ebenso trockene Musik <strong>von</strong><br />

082 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />

cken, einem einen prägnanten Refrain zu liefern. Und man<br />

bedauert fast etwas, dass Pajo auf dieser leicht verschrobenen<br />

Künstlerhaltung beharrt, damit man seine Platten auch<br />

ja nicht als vollkommen normal einstuft. (7)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

PERE UBU<br />

Why I Hate Women <strong>CD</strong><br />

Glitterhouse/Indigo | Wer nach ROCKET FROM THE<br />

TOMBS angenommen hatte, David <strong>Thomas</strong> hätte wieder<br />

mehr Geschmack an normaler Rockmusik gefunden, wird<br />

bei „Why I Hate Women“<br />

(ein, ähm, wirklich großartiger<br />

Titel ...) erneut eines<br />

Besseren belehrt.<br />

PERE UBU klingen dafür<br />

aber erstaunlich nach<br />

den Anfängen der Band,<br />

ein nervöser avantgardistischer<br />

Rock, durchsetzt<br />

<strong>von</strong> seltsamen Synthie-<br />

Sounds und post-punkiger<br />

Attitüde. Nostalgisch<br />

kann man das nun nicht<br />

wirklich nennen, <strong>Thomas</strong><br />

klingt unangepasst und eigenwillig wie eh und je, tritt hier<br />

aber eine kleine Zeitreise durchs bisherige PERE UBU-Universum<br />

an, wo unter dem Strich eine Platte herauskommt,<br />

die den gewohnten Band-Standard hält, ohne in irgendeine<br />

Richtung extrem auszuschlagen. „Why I Hate Women“<br />

ist vielleicht keine der revolutionärsten Platten <strong>von</strong> <strong>Thomas</strong>,<br />

zumindest für Leute, die so ziemlich jedes Ubu-Werk zu<br />

Hause stehen haben, aber eine gelungene Zustandsbeschreibung<br />

der nach wie vor faszinierenden musikalischen Visionen<br />

dieser „Band“ und ihres Sängers und Kopfes. (8)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

PARKWAY WRETCH<br />

Homesick <strong>CD</strong><br />

Formula Thirteen | Ein Trio aus Phoenix, Arizona. PARK-<br />

WAY WRETCH intonieren straighten Punkrock mit rotzigem<br />

Gesang (genau wie WHATEVER!). Das kann mich zwar<br />

nicht wirklich vom Hocker hauen, aber wenn meine alten<br />

Punk- und Hardcore-Kumpels mal wieder am Start<br />

sind und wir eine Partie „Phase 10“ spielen wollen, dann<br />

kann man diese Scheibe getrost einschmeißen und als Background-Untermalung<br />

nutzen. Und das sollte doch wohl<br />

eher als Kompliment verstanden werden, oder? Tut keinem<br />

weh und geht klar. (25:43) (6) Zahni<br />

PINK MOUNTAIN<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

freneticrecords.com | PINK MOUNTAIN stellen den Hörer<br />

(und seine Umwelt) mit ihrem Album vor eine schwere<br />

Herausforderung, und wer schwache Nerven hat, der sollte<br />

besser die Ohren da<strong>von</strong> lassen. Bei aller Begeisterung fand<br />

ich es trotzdem enorm stressig, das Album am Stück anzuhören.<br />

Fiese schleppende, beinahe doomige Feedbackorgien<br />

wechseln sich mit komplett irrem, kreischendem Free-Jazz-<br />

Klangchaos ab. Ruhe wird dem Hörer über zwölf Songs nur<br />

selten gegönnt. Wenn, dann muss er sich in einem Bett aus<br />

Dissonanzen wohl fühlen, begleitet <strong>von</strong> zähen und schrägen<br />

Saxophonen, Violinen, Synthesizern und den klassischen<br />

Rockinstrumenten, die hier wenig herkömmlich eingesetzt<br />

werden – obwohl durchaus BLACK SABBATH-Riffs<br />

durchklingen, wenn auch völlig verfälscht. So comichaft die<br />

pinkfarbene Gestaltung des Covers ist, die sich wie eine liebenswerte<br />

Variation <strong>von</strong> Doom-Motiven ausnimmt, so comichaft<br />

ist auch die Musik. Wahnsinnig schnelle Passagen<br />

sind selten und kurz, werden immer <strong>von</strong> langen, atmosphärischen<br />

abgelöst. Gerade in den Momenten rasender Wech-<br />

Desert-King Brant Bjork vereinigt. Kate Mccabe traf Brant<br />

Bjork vor einiger Zeit im Troubadour in L.A. und schnell<br />

fanden beide zueinander. <strong>Die</strong> Idee eines Films, begleitet <strong>von</strong><br />

seiner Musik, war schnell geboren. Zwischen der unendlich<br />

scheinenden Wüstenlandschaft und dem Spirit der staubigen<br />

Vergangenheit knüpft der Film einen wunderschönen<br />

Wandteppich, in dem perfekte Momente und der rohe<br />

Rock’n’Roll-Lifestyle die Balance halten. Ruhig und gelassen<br />

geht es hier vor: mal werden klassische Desert-Bilder gezeigt,<br />

dann wieder ein riesiger Autoschrottplatz. Zwischendurch<br />

geht Brant Bjork mal Bier holen, sitzt in der Rancho<br />

de la Luna und lässt es sich auch nicht nehmen, mal so richtig<br />

im Oldschool-Stil zu skaten – und das alles zu seiner gelassenen<br />

Musik. „Let the truth be known ... and get stoned“.<br />

Eine schöne, gediegene Sache, um zu entspannen und einfach<br />

mal etwas Desertrock-Flair zu tanken und ein paar Alltagseindrücke<br />

<strong>von</strong> Brant Bjork zu sammeln. Anschauen und<br />

sich treiben lassen. (7) Ross Feratu<br />

JOHNNY CASH<br />

Man In Black: Live In Denmark 1971 DVD<br />

Legacy/Sony | 1971 trug Johnny Cash nur noch schwarze<br />

Kleidung auf der Bühne, erschien der Song „Man in black“,<br />

in dem die Hintergründe erklärt werden – und dessen Titel<br />

zum Synonym für Cash wurde. Zu der Zeit war Cash zusammen<br />

mit June Carter Cash, Carl Perkins, den (schrecklich<br />

anzusehenden) Statler Brothers und der Carter Family<br />

auf Welttournee, und in deren Rahmen trat der Country-<br />

Zirkus auch für das dänische Fernsehen auf. Keine kitschige<br />

Scheunen-Deko ist im Hintergrund zu sehen, stattdessen<br />

ein avantgardistisch wirkende Bretterkonstruktion, die<br />

Damen im Publikum tragen Betonfrisuren – und Cash und<br />

seine Entourage liefern ein perfekte Show, mit Klassikern<br />

wie „A boy named Sue“, „I walk the line“, „Folsom prison<br />

blues“, „Me and Bobby McGhee“, „If I were a carpenter“ und<br />

„Man in black“, und daneben gibt Carl Perkins seinen Hit<br />

„Blue suede shoes“ zum Besten, die Carter Family darf allein<br />

und mit Cash musizieren und singen, und allein die Statler<br />

Brothers sind unerträglich, aber dafür gibt es ja eine Fernbedienung,<br />

ebenso wie man bei der letzten Nummer „Children,<br />

go where I send thee“ auch besser abschaltet, denn hier<br />

erweist sich Cash als extremer Jesus-Freak. Alles in allem<br />

eine schöne DVD für den fortgeschrittenen Cash-Fan.<br />

Joachim Hiller<br />

HAMMERHEAD<br />

Sterbt Alle! – The Rise And Fall<br />

Of The Only Hardcorepunkband Of The 90er DVD<br />

hammerhead.de | <strong>Die</strong>ser Dokumentarfilm erzählt die Geschichte<br />

der „einzig wahren Hardcorepunk-Band der 90er<br />

Jahre“ – HAMMERHEAD! <strong>Die</strong>ser Film ist der Versuch einer<br />

Annäherung an eine Band, die wohl für manch einen<br />

immer ein Mysterium dargestellt zu haben scheint. Eine<br />

Band, die manch einen verunsicherte oder gar überforderte.<br />

Eine Band, die immer Fragezeichen aufgeworfen hatte.<br />

Pose? Fake? Verballhornung? Authentizität? Attitüde? Eine<br />

Band, die einen Humor besaß, <strong>von</strong> der manch einer nie genau<br />

wusste, wie ernst er gemeint war. Pokerface statt Augenzwinkern?<br />

Böse Miene zum guten Spiel? Da<strong>von</strong> abgesehen<br />

aber auch eine Band, die Hardcore wieder zurück zur<br />

Basis, nämlich zum Punkrock brachte und diesen wieder<br />

mit der verlorenen gegangenen Kompromisslosigkeit ausstattete.<br />

Eine Band, die den Mut aufbrachte, Leuten wieder<br />

vor den Kopf zu stoßen. Und mit deren Platten manch einer<br />

damals seine Freunde schocken konnte, wenn er mal gerade<br />

keine Rehe im Wald am retten war. Eine Band, bei der<br />

ein Label keinen Widerspruch darin sah, neben DIE KASSIE-<br />

RER und LOKALMATADORE auch ein HAMMERHEAD-Album<br />

zu veröffentlichen. Oder <strong>von</strong> der sich ein anderer Labelchef<br />

bloß als Erfüllungsgehilfen zum kommerziellen Erfolg<br />

ausgenutzt fühlte. Eine Band, die <strong>von</strong> Ostlern anfangs<br />

als arrogante Edel-Punks aus dem Westen empfunden wur-<br />

sel erinnern PINK MOUNTAIN natürlich an NAKED CITY<br />

(und man hat auch schon mit John Zorn und Fred Frith zusammengearbeitet),<br />

FANTÔMAS oder – meine Lieblinge in<br />

puncto antirockistischer Strukturlosigkeit – FAT WORM OF<br />

ERROR, auch wenn die noch mehr auf reine Kakophonie<br />

ausgelegt sind. Irgendwie eine Form <strong>von</strong> Krach, der absichtlich<br />

neben der Spur klingt. (46:49) (8) Chris Wilpert<br />

PLEASURE<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

rookie-records.de | Es gibt Leute, deren Hobby es ist,<br />

Schlachten aus vergangenen Weltkriegen in Originalkostümen<br />

nachzustellen. THE PLEASURE aus Köln stellen stattdessen<br />

BEATLES-Songs nach. Aus vielen kleinen Versatzstücken<br />

der Lennon/McCartney-Stücke entsteht hier neues<br />

Material, das im Ansatz so ähnlich klingt wie die unvergleichlichen<br />

RUTLES. Doch wo Neil Innes aka Ron Nasty<br />

vorzugsweise humorgetränkte, selbstironische kleine Popperlen<br />

hervorbrachte, klingt hier leider alles so bierernst<br />

und verkopft, dass es außer bei den beteiligten Musikern<br />

wohl wenig Anklang finden wird. Technisch ist es allerdings<br />

schon beeindruckend perfekt, doch was nützt das, wenn die<br />

Songs dabei seelenlos bleiben? (5) Gereon Helmer<br />

ELVIS PUMMEL<br />

Recalled To Be Executed: The Pummel Years 1996-<br />

2006 <strong>CD</strong><br />

Crazy Love | „I don’t like this overproduced shit“, schreit<br />

mir Elvis Pummel in Song Nr. 6 entgegen. Zu dem Zeitpunkt<br />

liege ich schon vor Erregung unter dem Tisch und 50 Songs<br />

liegen noch vor mir. Also alles, was der pummelige Elvis in<br />

den letzten 10 Jahren auf Kleinformaten rausgebracht hat.<br />

Oje! Selber nennt er das 50’s Punkrock, ich umschreibe es<br />

mal als unterproduziertesten One-Man-Rockabilly. Andere<br />

Leute kriegen da sicher das Laufen, aber ich amüsiere mich<br />

köstlich bei dieser Scheibe und unerwarteten Sounds wie<br />

Trillerpfeifen, Xylophon, Geigen und dazwischen Scheißegelaber<br />

galore! Gut, ich gebe zu: Unter Umständen ist die <strong>CD</strong><br />

ähnlich anstrengend zu hören wie eine Grindcore-Platte<br />

mit 100 Songs, aber meine Freundin sagt „<strong>Die</strong> Scheibe finde<br />

ich geil“ und irgendwie habe ich Angst, dass Elvis Pummel<br />

sie mir ausspannt. Absoluter No-Fashion-Sound, für Leute,<br />

die wirklich wissen, was gut ist, hehe! Inklusive oberscharfem<br />

Ed-Wood-Style-Video. (70:57) Bernd Fischer<br />

PEARL JAM<br />

Live At Easy Street <strong>CD</strong><br />

Monkey Wrench/Alive | PEARL JAM, deren Jeff Ament<br />

und Stone Gossard ja eine Hälfte des MUDHONEY-Vorläufers<br />

GREEN RIVER bildeten, waren eigentlich immer die<br />

Band, die sich über die Jahre noch am besten aus dem ganzen<br />

Grunge-Kontext herauslösen könnte, was nichts daran<br />

ändert, dass ich mich irgendwann fragen musste, warum<br />

ich mir ihr überaus langweiliges erstes Album „Ten“<br />

überhaupt zugelegt hatte. Danach ging mir die Band dann<br />

völlig am Arsch vorbei. Folgende Live-EP mit sieben Songs<br />

ist also mein erstes intensiveres Zusammentreffen mit dieser<br />

Grunge-Institution nach langer Zeit, ein allerdings etwas<br />

kurzes Vergnügen, wo sich PEARL JAM in einem Plattenladen<br />

in Seattle als spielfreudige und mitreißende Rockband<br />

präsentieren, was vielleicht auf Studioplatte immer<br />

etwas unterging. PEARL JAM können richtig rocken, und<br />

durchaus sympathisch ist dann auch ihre Version des KNIT-<br />

TERS-Songs „New world“, sogar mit John Doe als Gastsänger.<br />

Fast bedauert man, dass man hier nicht das komplette<br />

Konzert geboten bekommt, was sich allerdings etwas relativiert,<br />

wenn man weiß, dass Sony offenbar fast ihre komplette<br />

2000er Tour auf <strong>CD</strong> veröffentlicht hatte. Scheinbar gibt<br />

es da draußen jede Menge Fan-Deppen, die jeden Furz ihrer<br />

Lieblingsband kaufen müssen, womit man dann wirklich<br />

ungern etwas zu tun haben will. (7) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

de. Eine Band, deren Auftreten manch einen in dem Glauben<br />

bestärkte, HAMMERHEAD seien asoziale Arschlöcher.<br />

Eine Band, deren Schlagzeuger während des Konzerts auf die<br />

Bühne kotzte oder bereits zuvor beim Catering mit dem Gesicht<br />

in der Erbsensuppe gelegen hatte, wenn er nicht gerade<br />

damit beschäftigt war, aus seiner Haschischpfeife mittels<br />

damit verbundenen Gasmaske zu inhalieren. Eine Band,<br />

deren charismatischer Sänger bei MTV prahlte, er würde<br />

Mülltonnen in Schaufensterscheiben schmeißen, um einige<br />

Jahre später dann verlegen zuzugeben, dass er bisher nie<br />

eine Schaufensterscheibe eingeschmissen habe, sondern lediglich<br />

ein Bushaltewartehäuschen. Eine Band, die manch<br />

einen sogar als Orientierungshilfe während der Adoleszenz<br />

diente und durch die manch einer zum Mann geworden<br />

zu sein gesteht. Eine Band, die das Zeitgeschehen kommentierte.<br />

Und eine Band, welcher selbst der Herausgeber<br />

dieses Heftes eine Bedeutung für die deutsche Punk/Hardcore-Szene<br />

zugesteht, und das, trotz bekanntermaßen zwiespältigem<br />

Verhältnis selbiger gegenüber. Zusätzlich zum Dokumentarfilm<br />

gibt es übrigens eine Materialsammlung in<br />

Form einer Bonus-DVD. <strong>Die</strong>se beinhaltet Ausschnitte <strong>von</strong><br />

18 verschiedenen Konzerten aus der gesamten Zeitspanne<br />

<strong>von</strong> 1991-2004. Darüber hinaus gibt es aus eben jenen Jahren<br />

auch zahlreiche Fotos, Flyer und Fanzinebeiträge. Und<br />

obendrein noch einige zusätzliche Anekdoten, der im Film<br />

befragten Zeitzeugen. Was die Produktion sowie den Unterhaltungswert<br />

dieser DVD anbelangt, setzen HAMMERHEAD<br />

mit dieser Hinterlassenschaft als deutsche Band schwer zu<br />

überbietende Maßstäbe. HAMMERHEAD – eine Band, die<br />

beeindruckte und faszinierte. (10) Alex Gräbeldinger<br />

HAYSEED DIXIE<br />

No Sleep ’til Liverpool DVD<br />

Cooking Vinyl/Indigo | Manche Sachen funktionieren<br />

einfach nur einen Sommer lang, danach sollte man die Idee<br />

verbrennen und sich eine neue Inspirationsquelle suchen<br />

oder anderen Freizeitbeschäftigungen widmen. Was auf<br />

den <strong>CD</strong>s noch erträglich gut funktioniert, scheitert an der<br />

Live-Umsetzung beziehungsweise an der nicht vorhandenen<br />

Ausstrahlung und Humor aller teilnehmenden Akteure.<br />

Wie bei ELÄKELÄISET auch, läuft sich eine unschuldige<br />

Idee einfach irgendwann tot, sobald sie übertrieben wird.<br />

<strong>Die</strong> „Hillibillysierung“ <strong>von</strong> Hardrock-Klassikern ist ja ganz<br />

nett, aber in einer Endlosschleife wird es nur noch nervend<br />

und das eigene Songmaterial, das hier dann zur Abwechslung<br />

eingestreut wird, ist mehr als mager. Spätestens bei der<br />

saft- und kraftlosen Interpretation der „Duelling Banjos“<br />

aus dem Film „Flussfahht“ schaltet selbst der härteste Junkie<br />

ab. <strong>Die</strong> Videos braucht auch niemand, ganz zu schweigen<br />

<strong>von</strong> einer filmischen Umsetzung der Pseudo-Band-History<br />

über die Entstehungsgeschichte des so genannten „Rockgrass“-Styles,<br />

die schon auf der ersten <strong>CD</strong> verbraten wurde.<br />

Ein letzter Blick in die Fan-Bildergalerie bestätigt, die HAY-<br />

SEED DIXIEs sind etwas für alternde Hardrocker und Sozialhilfeempfänger,<br />

die auf Grund ihres Bierbauches den Absprung<br />

schon vor Jahrzehnten verpasst haben. casi<br />

HOLY MOLAR<br />

Dentist The Menace DVD<br />

Three One G | Wer bisher nicht das Glück hatte, HOLY MO-<br />

LAR live zu erleben – und das hatten offensichtlich nur wenige<br />

– für den ist diese DVD Pflicht. Auch wenn sie kein<br />

Live-Erlebnis ersetzten kann (aber welche DVD könnte das<br />

schon?), den Spaß, den sie bringt, hat mir nur selten eine<br />

Musik-DVD beschert. Für die, die die Musik nicht kennen<br />

oder bei der Erwähnung des Labelnamens nicht eh schon<br />

zum Mailorder des Vertrauens surfen: HOLY MOLAR zelebrieren<br />

in aberwitzigen Zahnarztkostümen dermaßen wüsten<br />

Thrashcore, wie Vergleichbares höchstens eine Liaison<br />

aus THE LOCUST, DAS OATH, SOME GIRLS, GET HUSTLE<br />

oder HEAD WOUND CITY schaffen würde. Kein Wunder,<br />

schließlich besteht die Band aus Mitgliedern der eben Ge-<br />

BRIAN POSEHN<br />

Live In: Nerd Rage <strong>CD</strong><br />

relapse.com | Herr Posehn dürfte eventuell einigen in Rob<br />

Zombies DEVIL REJECTS-Film als bekiffter Roadie aufgefallen<br />

sein. Dass er aber seinen Lebensunterhalt als Stand-up-<br />

Komiker verdient, dürfte außerhalb Amerikas noch weitgehend<br />

unbekannt sein – ebenso seine Liebe für Oldschool-<br />

Heavy Metal. Brian Posehn erzählt Geschichten aus seinem<br />

Leben als Nerd mit äußerlichen Handicaps, der es trotzdem<br />

geschafft hat, eine Frau abzukriegen und nun mit dem alltäglichen<br />

Wahnsinn einer Ehe, den sexuellen Verlockungen<br />

der Medien und des Älterwerdens zu kämpfen hat. Humor,<br />

der unter die Gürtellinie zielt, insbesondere wenn er die<br />

neue „Star Wars“-Trilogie mit dem Besuch eines betrunkenen,<br />

pädophilen Onkels gleichsetzt, dürfte sicherlich einigen<br />

übel aufstoßen. Definitiv nichts für politisch-korrekte<br />

Moralapostel, alle anderen können getrost einem Enddreißiger<br />

Metal-Nerd beim Ausrasten lauschen. Obendrauf gibt<br />

es noch zwei musikalische Seitenhiebe auf die ganze Metal-<br />

Emocore-Welle und METALLICA, bei denen sich Brian Posehn<br />

prominente Besetzung mit unter anderem Scott Ian,<br />

Joey Vera und John Tempesta ins Boot geholt hat, die belegen,<br />

dass der Typ „truer“ ist als die meisten anderen Langhaar-Metaller.<br />

Uwe Kubassa<br />

PETE BAMBOO<br />

Welcome M<strong>CD</strong><br />

808records.ch | <strong>Die</strong> Heimat der Ska-Band PETE BAMBOO<br />

ist die Schweiz und so ein bisschen hört man das auf allen<br />

Stücken ihrer EP auch heraus, egal ob auf Deutsch, Spanisch<br />

oder Englisch gesungen wird. Für sich genommen ist<br />

das noch nicht schlimm, ganz allgemein möchte man PETE<br />

BAMBOO aber dazu raten, sich für den Gesangspart noch<br />

jemanden zusätzlich ins Boot zu holen. Ansonsten ist die<br />

Platte gar nicht übel, zumindest im Vergleich zu der Heerschar<br />

eidgenössischer NGURU-Klonkrieger. Im Gegensatz<br />

zu diesen, gehen PETE BAMBOO etwas ruhiger zu Werke<br />

und sind durchaus in der Lage nette, eigenständige Songs zu<br />

schreiben und diese technisch solide umzusetzen. <strong>Die</strong> Band<br />

ist noch relativ jung und diese EP wurde bereits vor einem<br />

Jahr aufgenommen. In Anbetracht dessen, mag „Welcome“<br />

zwar noch keine gute Platte sein, aber eine die nahe legt,<br />

PETE BAMBOO zumindest im Auge zu behalten. (24:55)<br />

(4) Ferdinand Praxl<br />

CALE PARKS<br />

Illuminated Manuscript <strong>CD</strong><br />

Polyvinyl | Als Musiker <strong>von</strong> ALOHA dürfte Parks wenigen<br />

ein Begriff sein, neben dem Job bei der Polyvinyl-Combo<br />

half er aber auch JOAN OF ARC, CEX, OWEN, CHIN<br />

UP CHIN UP und Georgie James, ehemals Q AND NOT U,<br />

auf Tour aus. Der Mann scheint sich derart ans Reisen gewöhnt<br />

zu haben, dass er sein Album in verschiedenen Städten<br />

auf diversen Maschinen und Computern <strong>von</strong> Freunden<br />

eingespielt hat. So klingt das Album mondän, belebt, vielleicht<br />

getragen, aber keineswegs träge. Im Zentrum stehen<br />

Keyboard und Loops, also verträumte Elemente und die<br />

elektronische Beats scheinen sowieso der neueste Trend in<br />

Übersee zu sein. Größtenteils ohne Gesang arrangiert, darf<br />

man sich die zwölf Lieder als Wohlklang in Endlosschleife<br />

vorstellen, eventuell fürs Yoga geeignet. Schön, sehr schön.<br />

(52:23) (7) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

PAMA INTERNATIONAL<br />

Trojan Sessions <strong>CD</strong><br />

trojanrecords.com | Allein der Titel der Platte macht deutlich,<br />

dass es sich nicht nur einfach um das vierte Album <strong>von</strong><br />

PAMA INTERNATIONAL handelt. Immerhin sind sie der<br />

erste Neuzugang bei Trojan seit Jahrzehnten. Offensichtlich<br />

versucht man eine Brücke zu schlagen in die Vergangenheit<br />

des Labels, indem man jede Menge großer Namen<br />

nannten. Neben knapp 17 Minuten regulärem Live-Material<br />

<strong>von</strong> zehn Songs auf vier verschiedenen Konzerten (keine<br />

Sorge, das reicht! Danach ist man selbst vor dem heimischen<br />

Fernseher dermaßen platt, als wäre man dabei gewesen)<br />

bietet die DVD auch eine alternative Schnittfassung und<br />

Tonmischung der gleichen Aufnahmen, einen zehnminütigen<br />

Auftritt auf einer Geburtstagsparty und Schnipsel witziger<br />

Zwischenfälle und Interviews. Dazu gibt es ausnahmsweise<br />

auch unterhaltsame Menühintergründe in Form <strong>von</strong><br />

Ultra-Nahaufnahmen brabbelnder Rachen. Bild- und Tonqualität<br />

sind eigentlich richtig gut, und gerade die nervöse<br />

Handkamera und die hektischen Schnitte fangen perfekt<br />

den chaotischen Sound und die ebenso chaotischen Auftritte<br />

der Band ein, so dass man doch beinahe das Gefühl hat,<br />

dabei zu sein. (9) Sir hc Wilpert<br />

HARDCORE SUPERSTAR<br />

Live at the Sticky Fingers DVD<br />

Gain.se/Cargo | Hab ich das letzte Album ja als Überraschung<br />

des Monats gefeiert, bekomme ich nun Nachlag mit<br />

dieser Live-DVD, bei der die Schweden ihr neuestes Machwerk<br />

im „Sticky Fingers“ vorstellen und <strong>von</strong> einer frenetisch<br />

jubelnden Meute dafür abgefeiert werden. Für Fans der<br />

Band wird auf der DVD nur der eine Auftritt plus eines jedoch<br />

eher überflüssigen Backstage-Gebrabbels geboten. Wer<br />

aber nicht auf alle möglichen Extras steht und nur Musik<br />

will, der macht mit der DVD nichts falsch. Wie zu erwarten<br />

schaffen es HARDCORE SUPERSTAR die neuen Songs<br />

auch live zu rocken. <strong>Die</strong> Bild- und Soundqualität stimmt<br />

und Band und Publikum geben alles. Wie das jedoch mit<br />

derlei DVDs so ist, schaut man sich das Ding einmal an und<br />

gut ist. Da hätte es eine Special-Edition der neuen <strong>CD</strong> inklusive<br />

Live-DVD, für ein paar Euro mehr wahrscheinlich auch<br />

getan. Nichts destotrotz: HARDCORE SUPERSTAR rocken!<br />

(60:09) (7) Carsten Hanke<br />

HERESY<br />

1987 DVD<br />

bosstuneage.com/Rookie/Cargo | Passend zur Wiederveröffentlichung<br />

des Gesamtwerks der UK-Hardcore-Veteranen<br />

HERESY (siehe dazu auch die Besprechung <strong>von</strong><br />

„Face Up To It!“ bei den Rereleases) bringen Boss Tuneage<br />

mit „1987“ eine DVD raus, die Livemitschnitte der Engländer<br />

aus Holland, Belgien und England eben aus dem Jahr<br />

1987 enthält. Und da HERESY keine Big Budget-Band waren,<br />

sondern ein Haufen idealistischer D.I.Y.-Punks, gibt es<br />

hier natürlich keine mit zig Kameras gefilmte Multiangle-<br />

Live-Show zu sehen, sondern eine mitten aus dem Publikum<br />

mittels eines Camcorders gefilmte Dokumentation eines<br />

typischen HERESY-Konzerts. <strong>Die</strong> Ton- und Bildqualität<br />

und teils auch der Blickwinkel auf das Geschehen sind zwar<br />

recht abenteuerlich, dennoch kommt die Energie der Band<br />

und das Überspringen derselbigen aufs Publikum gut rüber.<br />

Als Bonus gibt’s noch einen kurzen Mitschnitt aus den<br />

Studioaufnahmen zur „Thanks“-EP zu sehen. Zwar habe ich<br />

mit „1987“ wie mit fast allen gefilmten Livemitschnitten<br />

das Problem, dass sich auf der Couch oder vor dem Rechner<br />

keine rechte Konzertatmosphäre entwickeln will, als<br />

eine kurzweilige Reise in die eventuell sogar eigene Vergangenheit<br />

eignet sich das Ding aber gut. Und man kann sich<br />

eine knappe Stunde wieder fragen: „Ist das wirklich schon<br />

so lange her?“. (7) André Bohnensack<br />

MARSHALL ARTS<br />

A B-Movie Collection DVD/ZINE/<strong>CD</strong><br />

cashflagg13@hotmail.com | Brian Marshall aus Connecticut<br />

ist ein humorvoller und vor allen Dingen ein gelangweilter<br />

Punkrocker, der sein Herz offensichtlich an den<br />

D.I.Y.-Gedanken verloren hat. Und so liegt mir jetzt eine mit<br />

viel Liebe gemachte Box mit selbstkopierten Cut&Paste-Covern<br />

vor, bestehen aus einer Kurzfilm-DVD, dem Cash Flagg-<br />

Zine #3 und einem Album <strong>von</strong> Brians Band CODE WORDS.<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 82 22.09.2006 20:53:14 Uhr


als Gastmusiker verpflichtet hat: Den legendären Posaunisten<br />

Rico Rodriguez, Reggae-Queen (na, vielleicht doch<br />

eher Duchess) Dawn Penn, Toasting-Urgestein Dennis Alcapone<br />

und Ska-, Rocksteady- und Early Reggae-Helden wie<br />

Derrick Morgan, Winston Francis und Dave & Ansel Collins.<br />

Im Raum steht die Frage, ob es überhaupt möglich ist, dem<br />

Charme alter Aufnahmen solcher Künstler heutzutage auch<br />

nur nahe zu kommen. PAMA INTERNATIONAL erweisen<br />

sich mit ihrer Mischung aus Traditionsbewusstsein und Experimentierfreude,<br />

mit ihrem, mittlerweile noch ausgefeilteren<br />

Sound zwischen Reggae, Ska und Dub als geeignete<br />

Band für diese Herausforderung. Auch die alte Garde<br />

hat nichts verlernt und ein paar Tunes auf dem Album wären<br />

damals vielleicht selbst bei dem kritischen, jamaikanischen<br />

Publikum der Sechziger und Siebziger gut angekommen.<br />

(39:42) (8) Ferdinand Praxl<br />

PILOT SCOTT TRACY<br />

We Cut Loose <strong>CD</strong><br />

alternativetentacles.com/Cargo | Zwar hat die Band um<br />

die miteinander verheirateten ehemaligen CAUSEY WAY-<br />

Köpfe Scott Stanton und Tracy Cox mittlerweile die Erdatmosphäre<br />

verlassen und<br />

treibt sich im Weltraum<br />

rum, ansonsten ist PI-<br />

LOT SCOTT TRACYs drittes<br />

Album „We Cut Loose“<br />

eine konsequente Weiterführung<br />

ihres komischen<br />

Fluggeräte-Konzepts und<br />

damit die logische Fortsetzung<br />

vom 2005 ebenfalls<br />

bei Alternative Tentacles<br />

erschienenen Album<br />

„Any City“. Auch musikalisch<br />

knüpfen PILOT<br />

SCOTT TRACY an „Any City“ an, wo sie die Verschrobenheit<br />

<strong>von</strong> CAUSEY WAY um viel Pop erweiterten und damit eine<br />

recht eigenwillige Musik erzeugten, auf die das Etikett New<br />

Wave wohl noch am ehesten passt. Im direkten Vergleich<br />

mit dem Vorgänger zeigt sich „We Cut Loose“ als ein noch<br />

größerer Schritt in Richtung Pop, gerade bei den <strong>von</strong> Tracy<br />

gesungenen Songs, wie dem wundervollen THE SMIT-<br />

HS-Cover „There is a light that never goes out“, ist <strong>von</strong> irgendwelchen<br />

musikalischen Verrücktheiten kaum noch etwas<br />

zu spüren. Zwar fehlt „We Cut Loose“ etwas der Überraschungseffekt,<br />

den „Any City“ noch hatte, aber eine langsame<br />

Weiterentwicklung ist ja doch manchmal wünschenswerter<br />

als der große Stilbruch und dass „We Cut Loose“ eine<br />

ganz hervorragende Platte ist, steht außer Zweifel. (8)<br />

André Bohnensack<br />

POWERMAN 5000<br />

Destroy What You Enjoy <strong>CD</strong><br />

DRT-entertainment.com | <strong>Die</strong> Band um den Sänger Spider,<br />

dem kleinen Bruder <strong>von</strong> Rob Zombie, hat ihr neues<br />

Album auf DRT herausgebracht. Und es ist nicht schlecht.<br />

Zwar werden böse Zungen behaupten, dass die Musik, die<br />

auf „Destroy What You Enjoy“ belanglos und Easy Listening<br />

wäre, doch mir gefällt es. <strong>Die</strong> 12 Songs klingen ungewohnt<br />

punkrockig, vor allem für Leute, die die Band nur als gutes<br />

WHITE ZOMBIE-Plagiat kennt. Vor allem „All my friends<br />

are ghosts“, welches mich ein wenig an neue BACKYARD<br />

BABIES erinnert, oder „Enemies“ sind Gute-Laune-Ohrwürmer<br />

erster Güte mit starken Hooklines. <strong>Die</strong> Electro Metal-Schiene<br />

wird mittlerweile nur noch spärlich gefahren,<br />

was wahrscheinlich auch daran liegt, dass dieser Sound<br />

nicht mehr so angesagt ist wie in den Neunzigern. Das beweist<br />

ja auch das aktuelle Album des „big brothers“. Zwischendurch<br />

gibt es etwas Tough-Guy-Gebrabbel <strong>von</strong> Spider,<br />

Orgelklänge, das stark auf Hit getrimmte „Destroy what you<br />

<strong>Die</strong> „Zombievision“-DVD besteht aus zwölf, ähem, „Kurzfilmen“,<br />

die Brian mit seinen Freunden gefilmt hat. Nun<br />

wird dieser Begriff dem vorliegenden Trash nicht ganz gerecht,<br />

denn vielmehr handelt es sich um eine Ultra-LoFi-<br />

No-Budget-Splatter-Chaos-Produktion, nicht unähnlich<br />

dem deutschen „Freax“. Ob nun die lustig aneinander geschnittenen<br />

Auszüge aus George W.s Reden, Stop-Motion<br />

Star-Wars-Battles, einer sichtbar handgeführte Godzilla-Neuverfilmung<br />

oder Marmeladen-Zombie-Splatter-Clips<br />

– gut ist das alles nicht, unterhaltsam jedoch allemal!!<br />

Cash Flagg #3 besteht hauptsächlich aus Video-Reviews<br />

neuerer B-Movies wie „Kung Fu Hustle“ oder „Land<br />

Of The Dead“ und Kassenschlagern wie „Supersize Me“ oder<br />

„Alien Vs. Predator“. Angenehm zu lesen, und mindestens<br />

genauso witzig wie die Kolumnen, die den Rest des aus vier<br />

A4 Seiten zusammengetackerten Heftes ausmachen. Eine<br />

echte Überraschung ist Brians Oldschool-Hardcore-Band<br />

CODE WORDS, bestehend aus Brian an Gitarre, Gesang und<br />

Bass und seinem Rechner am Schlagzeug. 17 schrammelige<br />

Punksongs, eindeutig beeinflusst <strong>von</strong> Bands wie BLACK<br />

FLAG, CIRCLE JERKS und REAGAN YOUTH! Viel Geld würde<br />

ich für diese Box nicht lassen, sie in meiner Sammlung<br />

zu haben, um Freunden darüber zu berichten, erfüllt mich<br />

jedoch mit Glücksgefühlen. Ich glaube, ich will Brian mal<br />

kennen lernen ... (8) Mario Turiaux<br />

Punk Rock Holocaust. Punks Not<br />

Dead ... But It’s About To Be. DVD<br />

springmanrecords.com | Im Jahre 2003 hat ein findiges<br />

Team den Festivalzirkus, der jährlich als „Vans Warped Tour“<br />

über die USA hinwegfegt, für eine Filmdokumentation der<br />

besonderen Art genutzt. Immer nur Live-Auftritte in mittelmäßiger<br />

Tonqualität abzufilmen ist ja auf die Dauer nicht<br />

nur für die Konsumenten ermüdend. Also nahm man die<br />

Kulisse des riesigen Punkrock-Marken-Spektakels als Hintergrund<br />

für ein B-Movie der Kategorie „Splatter“. Der Plot<br />

ist schnell skizziert: Im Verlauf der Tour metzelt ein maskierter<br />

Skateboarder mit Samuraischwert beinahe sämtliche<br />

Tourteilnehmer (Bands, Manager, Roadies, Groupies ....)<br />

nieder. Während das Kunstblut hektoliterweise spritzt, ermittelt<br />

eine knackige Nachwuchsreporterin in diesem Fall.<br />

Amüsante Idee, und die erste halbe Stunde ist auch durchaus<br />

kurzweilig umgesetzt, dann aber wartet das Publikum<br />

auf eine Auflösung, die einfach nicht kommen will, bis auch<br />

wirklich das letzte Crewmitglied dahingerafft ist. Zusätzlich<br />

verlängern überflüssige Büroszenen mit einfallslosen Dialogen<br />

die Wartezeit bis zum Showdown. Und nur für den ausgesprochen<br />

schönen Filmtod <strong>von</strong> Fat Mike lohnt sich der<br />

„Punk Rock Holocaust“ leider nicht. (5) Arne Koepke<br />

ELVIS PRESLEY<br />

68 Comeback DVD<br />

Aloha From Hawaii DVD<br />

Sony | Elvis war eine verdammt coole Sau. Okay, zum<br />

Schluss eine ziemlich fette coole Sau, aber 1968, in meinem<br />

Geburtsjahr, stand der King mit seinen 33 Jahren richtig gut<br />

im Saft und sah mit seinen pechschwarzen Haaren in seinem<br />

schwarzen Leder-Dress einfach umwerfend aus, war<br />

er ein extrem smart rüberkommender Perfomer – dokumentiert<br />

auf „68 Comeback“, einem erneuten DVD-Rerelease<br />

seiner Comeback-Show. Unglaublicherweise war Elvis<br />

zuvor sieben Jahre lang nicht live aufgetreten, hatte stattdessen<br />

Filme gedreht, aber angeblich auch so seine Probleme<br />

mit der „British Invasion“ (aka BEATLES und Co.) gehabt.<br />

Im Juni 1968 stand er dann im Studio des US-Senders<br />

NBC, eine perfekte Show wurde aufgezeichnet, die in ihrer<br />

artifiziellen Studio-Atmosphäre extrem seltsam wirkt,<br />

im Dezember 1968 wurde sie ausgestrahlt und war damals<br />

ein Straßenfeger. Elvis bot damals ein bestechendes Best-<br />

Of, frühe Klassiker und Gospel-Nummern sind gleichermaßen<br />

zu finden, und es fällt schwer, dem King hier nicht<br />

zu verfallen.<br />

enjoy“, einen originell bis nervigen Countrysong namens<br />

„Miss America“ und am Ende eine fetzige Live-Version <strong>von</strong><br />

„Heroes and villains“. Wie gesagt, belanglos bis gut, was jeder<br />

für sich selbst herausfinden muss. Mir gefällt es. (38:35)<br />

(7) Arndt Aldenhoven<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

PLANES MISTAKEN FOR STARS<br />

Mercy <strong>CD</strong><br />

alveranrecords.com/Soulfood | Soviel vorneweg: Das<br />

Überwerk „Up In Them Guts“ konnten sie nicht toppen.<br />

Vielleicht wussten die Musiker das. Also machten PLANES<br />

MISTAKEN FOR STARS<br />

das, was sie bisher immer<br />

taten: Sie erfanden sich<br />

neu. Neues Label, neuer<br />

Bassist und ein neues Album,<br />

das natürlich wieder<br />

ganz anders klingt, als<br />

alles was man davor gemacht<br />

hatte. Wenn man<br />

„Mercy“ mit dem Vorgänger<br />

vergleichen will,<br />

kommt einem das Wort<br />

„Reduktion“ in den Sinn.<br />

Kein Bombast, kein Pathos,<br />

kein Cello und kein Piano mehr, stattdessen ein furztrockener<br />

Sound, der fast ein bisschen in Richtung Stoner<br />

geht. Aber eben nur fast, PMFS sind viel zu kantig um sie<br />

einfach in eine Schublade zu stecken. Um „Mercy“ in vollen<br />

Zügen genießen zu können, braucht man viel Geduld<br />

und eine gehörige Portion Leidensfähigkeit, denn bevor sich<br />

ein Song wie zum Beispiel der Titeltrack „Mercy“ in Wohlklang<br />

auflöst, muss man erst einmal durch eine kakophonische<br />

Schallmauer hindurch. Jene ist allerdings verdammt<br />

solide gebaut und hält eine Menge fieser Überraschungen<br />

bereit. Aber die Quälerei zahlt sich aus, die Belohnung dafür<br />

ist fast so schön wie das Gefühl, wenn der Schmerz nachlässt.<br />

Ein Produzent wie Matt Bayles wurde bestimmt auch<br />

nicht zufällig gewählt, mit MASTODON und ISIS hat dieser<br />

schließlich schon Bands den richtigen Sound verpasst,<br />

an die sich PMFS mittlerweile musikalisch angenähert haben.<br />

Freilich sind die Männer aus Denver immer noch im<br />

Punkrock verwurzelt, spielen mehr mit dem Herzen als mit<br />

dem Kopf, die Songs sind auch als solche erkennbar und packen<br />

einen immer noch bei den Eiern. Jedes Lied ist sorgfältig<br />

inszeniert, wechselt mehrfach das Tempo und baut sich<br />

schichtartig zum dramatischen Höhepunkt auf. Dazu versucht<br />

Gared O’Donnell erstmals richtig zu singen und klingt<br />

dabei fast wie Captain Beefheart, allerdings weniger lakonisch,<br />

dafür fast schon verletzlich wie zum Beispiel beim<br />

wunderschönen „Never felt prettier“ oder dem akustischen<br />

Rausschmeißer „Penitence“. Einziges Manko ist die fehlende<br />

Geschlossenheit, die zum Beispiel „Up In Them Guts“<br />

zu einem „runden“ Album machten, wohingegen „Mercy“<br />

bisweilen an eine Ansammlung einzelner Songs erinnert,<br />

wenngleich auch verdammt guter. (38:31) (9)<br />

Ingo Rothkehl<br />

PILOTEN<br />

Neue Liebe M<strong>CD</strong><br />

unsereschokoladenseite.de | Häufig ist es vielsagend, den<br />

Bands zur Beschreibung ihrer Musik selbst das Wort zu<br />

überlassen. Also dann: DIE PILOTEN aus Stuttgart spielen<br />

„Minirock mit deutschen Texten“. Haha, tolles Wortspiel!<br />

Moment, es geht noch weiter: „Wir sind zwar keine Helden<br />

und weder aus Hamburg noch Berlin, dafür heißt unser<br />

Hund nicht Marie und unsere Sportfreunde sind alles andere<br />

als Stiller.“ <strong>Die</strong>se Umschreibungen treffen zwar nicht<br />

meinen Humor, dafür aber die Sache ziemlich gut. Fassen<br />

wir zusammen: DIE PILOTEN füllen ihre Debüt-EP „Neue<br />

Fünf Jahre später dann die erste weltweit per Satellit übertragene<br />

Ausstrahlung eines Pop-Konzertes, „Aloha From<br />

Hawaii“, und war Elvis bei „68 Comeback“ noch der coole<br />

Rock’n’Roller, ist sein weißer Glitteranzug mit Schlaghosen<br />

so weit wie ein Rock ein eher unerquicklicher Anblick<br />

– die Siebziger eben ... – und die pseudohawaiianische Papierblumenkette<br />

um den Hals sieht auch eher albern aus.<br />

„Burning love“, „Steamroller blues“, „My way“, Johnny B.<br />

Goode“, „Blue suede shoes“, „I can’t stop loving you“, „Fever“,<br />

„Suspicious minds“, „Hound dog“ und zig andere singt<br />

der King, doch wo „68 Comeback“ so was wie Intimität und<br />

Nähe aufkommen ließ, ist das eher die große Show und wenig<br />

mitreißend. Ach ja, eine nette Anekdote am Rande, auf<br />

die ich eben gestoßen bin: Elvis mochte den kriminellen<br />

Präsidenten Nixon, und der mochte Elvis, und so machte er<br />

ihn zum „Federal Agent“ der US-Drogenbehörde und damit,<br />

wie man nach Elvis’ Tod 1977 erfuhr, damit quasi den<br />

Bock zum Gärtner. Joachim Hiller<br />

R.E.M.<br />

When The Light Is Mine DVD<br />

EMI | Parallel zur <strong>CD</strong>-Veröffentlichungung „And I Feel Fine<br />

– The Best Of The I.R.S. Years 1982-1987“ gibt es auch eine<br />

DVD-Version dieser essentiellen Zusammenstellung, die mit<br />

anderer Reihenfolge und leicht abweichender Songauswahl<br />

aber durchaus eine Alternative zur <strong>CD</strong> darstellt. Elf Musikvideos<br />

filmten R.E.M. in der Zeit, da sie bei I.R.S. unter Vertrag<br />

waren (die damals übrigens für MTV eine Sendung produzierten),<br />

unter anderem zu „Wolves, lower“, „Radio Free<br />

Europe“, „Talk about the passion“, „So. Central rain“, „Fall<br />

on me“, „The one I love“, „It’s the end of the world ...“ und<br />

„Finest worksong“. Zusammen mit TV-Studio-Mitschnitten<br />

sowie diversem Bonusmaterial inklusive Interviews kommt<br />

die DVD auf über zwei Stunden Spielzeit. Ganz klar: Pflichtmaterial<br />

für jeden Fan. (8) Joachim Hiller<br />

DIE TOTEN HOSEN<br />

3 Akkorde für ein Hallelujah 2DVD<br />

jkp.de | Näää, was war das früher für ein lustiger Haufen ...<br />

Damals, 1989, die DDR war noch, veröffentlichten die Düsseldorfer<br />

eine VHS-Kaufkassette namens „3 Akkorde für ein<br />

Hallelujah“, auf der sie die Bandgeschichte der Jahre 1982<br />

bis 1988 Revue passieren ließen. Mit der Karriere der Vorzeigepunks<br />

war es bis dahin stetig aufwärts gegangen, gerade<br />

ihr erstes Hit-Album „Ein kleines bisschen Horrorschau“<br />

erschienen, da machte eine Doku irgendwie Sinn. Und so<br />

wurden die verschiedensten privaten wie professionellen<br />

Videoaufzeichnungen (die Hosen verfügen bekanntlich seit<br />

früher Zeit über ein vorzügliches Medienarchiv) <strong>von</strong> Trini<br />

Trimpop zu einer höchst unterhaltsamen und jetzt erstmals<br />

auf DVD erhältlichen Doku zusammengeschnitten. <strong>Die</strong><br />

Hosen im Schweizer Rentnerfernsehen, die Hosen bei der<br />

Anti-WAA-Demo in Wackersdorf, auf der Fahrt nach Helgoland,<br />

live in Litauen, die Hosen im Fernsehen, mal live,<br />

mal Playback, das volle Programm eben, kommentiert <strong>von</strong><br />

Faust, der damals schon Fahrer/Bandbetreuer/Roadie war.<br />

Auffallend ist, wie organisiert die Hosen auch vor 20 Jahren<br />

schon waren, bei allem Chaos, das sie veranstalteten, wie<br />

viel aggressiver ihre Musik war – und wie wenig sie sich unterm<br />

Strich dann doch verändert haben. Für alle alten Fans<br />

der Band ein Muss, für das junge Gemüse womöglich ein<br />

Kulturschock. Als Bonus gibt’s eine zweite, ebenfalls 89 Minuten<br />

laufende DVD, auf der Campino und Faust die ganze<br />

Sache kommentieren – aus heutiger Sicht ... Joachim Hiller<br />

V.A. The Speedfreaks Ball DVD<br />

Captain Oi! | Der „Speedfreaks Ball“ ist ein relativ junges<br />

Festival aus England, auf dem man einige der besten Bands<br />

aus den Bereichen Oi!, 2Tone und Psychobilly bestaunen<br />

kann. Es sollte mehr Festivals geben, die eine so ausgewogene<br />

Mischung hinkriegen. Der Speedfreaks Ball fand meines<br />

Wissens im November 2005 zum ersten mal in Great Yar-<br />

Liebe“ mit Gute-Laune-Harmlos-Musik und sind nicht so<br />

gut wie die aus Funk und Fernsehen bekannten Vorreiter<br />

dieses Stils. Der PILOTEN-Sound besitzt aber durchaus reizvolle<br />

und eigene Momente, meistens dann, wenn sie ohne<br />

die quäkende und heisere Stimme des zweiten Sängers auskommt.<br />

Für eine Band, die den Status eines Hobbys niemals<br />

verlassen wird, ist die Qualität der Songs beachtlich. Wie<br />

lange aber die „Neue Liebe“ anhält, wird sich dann noch<br />

zeigen. (6) Arne Koepke<br />

PHANTOM FRANK<br />

s/t LP<br />

MuSick | Der als Leadgitarist der niederländischen Band<br />

THE TREBLE SPANKERS bekannte Phantom Frank hat mit<br />

dem gleichnamigen Album sein erstes Soloalbum vorgelegt.<br />

Auf diesem amerikanischen Release findet man insgesamt<br />

18 Super-Surf-Tracks der Spitzenklasse, wobei ein paar hier<br />

vorhandene Bonustracks auf der europäischen Version des<br />

Albums fehlen. Klassiker wie „Dead man surfin’“ und „Punjabi“<br />

gehören zu den „All-Time-Surf-Greats“ und die prägnante<br />

und sehr surfige Gitarre <strong>von</strong> Phantom twangt durch<br />

das ganze Album. Spitze ist das Wechselspiel zwischen aggressiven<br />

Surf-Punk-Passagen und coolem Hawaii-Sound.<br />

Manchmal etwas schräg, aber ein tolles Surfalbum. Absoluter<br />

Kaufzwang für den Surf-Musik-Apologeten. Ach so: Seine<br />

Lap-Steel muss man unbedingt hören, sehr cool! (52:41)<br />

(8) <strong>Thomas</strong> <strong>Neumann</strong><br />

VINNY PECULIAR<br />

The Fall And Rise Of Vinny Peculiar <strong>CD</strong><br />

on song | Uuaah, was haben wir denn hier. Nonplusultra.<br />

Mike Joyce und Gannon (SMITHS) und Jungs <strong>von</strong> den<br />

MIGHTY LEMON DROPS und WORLD OF TWIST. Dazu<br />

noch Vinny Peculiar – das lässt sich sehen, aber vor allem<br />

hören. Das ist echt gut, das ist wirklich gut – zurück zu den<br />

mouth statt, und dann und dort entstand diese DVD, auf der<br />

man unter anderem die COFFIN NAILS, SECTION 5, THE<br />

BUSINESS, RESTLESS, die BAD MANNERS, LONG TALL TE-<br />

XANS, und THE RIFFS zu sehen und hören bekommt. Sowohl<br />

Ton- als auch Bildqualität sind eher mittelmäßig, aber<br />

ich kann sowohl diese DVD als auch das Festival nur jedem<br />

ans Herz legen. Im November findet der nächste Speedfreaks<br />

Ball statt. Dann sind unter anderem dabei: BATMO-<br />

BILE, KING KURT, die COCKNEY REJECTS, LAST RESORT,<br />

THE SELECTER und die ROUGH KUTZ. Ich sag’s ja immer:<br />

If the kids ... (8) Claudia Luck<br />

V.A. Maximum Oi! DVD<br />

Cherry Red | <strong>Die</strong>se Veröffentlichung aus dem Hause Cherry<br />

Red wartet mit neuerem Live-Material der beiden Oi!-<br />

Helden THE OPPRESSED und THE WARRIORS (ehemals:<br />

THE LAST RESORT) auf. Es gibt jeweils so ziemlich alle Hits<br />

der beiden Bands live zu hören und sehen. Bei OPPRESSED<br />

dürfen da natürlich „Work together“, „Joe Hawkins“, „Substitute“<br />

und „Ultra violence“ nicht fehlen. Bei den WARRI-<br />

ORS gibt es wie gewohnt alte Sachen <strong>von</strong> THE LAST RESORT<br />

wie „Working class kids“ und „Violence in our minds“ und<br />

WARRIORS-Songs wie „Sawdust Ceasar“ und „Free Reggie<br />

Kray“ zu sehen. Gespickt ist das Ganze mit Interview-Einspielern,<br />

die Hintergrundinformationen zu den Bands liefern.<br />

Das ist einerseits interessant für Leute, die die Bands<br />

noch gar nicht kennen, aber auch für Leute wie mich, die<br />

zwar die Geschichte der Bands kennen, sie aber noch nie<br />

<strong>von</strong> den Bandmitgliedern selbst gehört haben. Und obwohl<br />

hier live THE WARRIORS mit Saxby am Gesang zu sehen<br />

sind, kommt zwischendrin auch Millwall Roi zu Worte. Da<br />

werden einem dann wieder die Nachteile so einer DVD bewusst:<br />

Oh Mann, ist der hässlich! (8) Claudia Luck<br />

V.A. 1. Kölner Punkrock<br />

Minigolfturnier DVD<br />

nix-gut.de | Was als Schnapsidee begann, mündete in der<br />

Geburt eines neuen DVD-Genres: Punk meets Spitzensport.<br />

Im Sommer letzten Jahres machten sich sechs Kölner Bands<br />

auf, sich nicht nur musikalisch zu messen, sondern auch den<br />

körperlichen Ertüchtigungszustand untereinander zu vergleichen.<br />

<strong>Die</strong> teilnehmenden Bands CHEFDENKER, AMOCO<br />

CADIZ, DDP, SUPERNICHTS, 2LHUD und SOCKS schenkten<br />

sich nichts auf dem Grün, und die meisten machten einen<br />

guten Eindruck in ihren schicken Golfklamotten. In<br />

circa 30 Minuten sind die Höhepunkte dieser Sternstunde<br />

den Minigolfsports zusammengefasst, die Fans aufgrund der<br />

Virtuosität der Ballbehandlung der Protagonisten mit der<br />

Zunge schnalzen lässt. Eine Sportdokumentation, wie man<br />

sie selten gesehen hat. In der Reihenfolge vom Letztplatzierten<br />

zum Sieger besteigen dann die Heroen die Bühne und<br />

geben jeweils fünf Stücke ihres eigentlichen Schaffens zum<br />

Besten. Ich kann nur jedem raten, sich die Bands noch mal<br />

live anzusehen, solange sie noch existieren. Einige <strong>von</strong> ihnen<br />

werden sich wohl demnächst auflösen, um eine Profikarriere<br />

in der elitären Welt des Golfsports zu beginnen. Ich<br />

wünsche ihnen dabei viel Glück und hoffe sie demnächst<br />

des nächtens auf Eurosport oder DSF wieder zu sehen. Idee/<br />

Umsetzung: (9/7) OlliW<br />

V.A. Lindenpunk Festival DVD<br />

halb7records.de | Ein In-Door-Festival auf DVD festzuhalten<br />

ist gar keine schlechte Idee, vor allem wenn man sich<br />

dabei so viel Mühe gibt wie die Macher dieser DVD. Geboten<br />

werden gut designte Menüs, ein mit viel Mühe gestaltetes<br />

Booklet samt Infos zu den Bands und als Hauptinhalt<br />

ein Querschnitt durch das Festival mit kurzen Interview-Ausschnitten<br />

zwischen den einzelnen Liedern. Außerdem<br />

gibt es noch einiges an Bonusmaterial. Stattgefunden<br />

hat das 1. Lindenpunk Festival in Potsdam und los geht<br />

es mit THEE FLANDERS, einer Psychobilly-Band, die bietet,<br />

was das Genre halt so bietet und Fans ebendieses Genres<br />

frühen 80ern, Hand in Hand, vier in die Jahre gekommene<br />

Männer, geprägt <strong>von</strong> einem Leben in der aufregendsten<br />

Musikepoche, das ist äußerst effizient.. Ein Kollektiv mit ein<br />

und demselben Glauben, wie Vinny Peculiar es auf der beigelegten<br />

DVD nennt. Mit dieser neuen Besetzung wächst die<br />

Attraktivität der Melodien. Mit ehemaligen Mitgliedern <strong>von</strong><br />

THE FALL, den BUZZCOCKS und den SMITHS gibt jeder<br />

seinen Senf dazu, ob es Schlagzeugpassagen sind die an Stücke<br />

<strong>von</strong> „Meat Is Murder“ erinnern oder ein langgezogenes<br />

Keyboard-Gelalle wie sie vor 20 Jahren oft eingebaut wurden.<br />

Ich bin beeindruckt, das Album macht Spaß, die sublimen<br />

Launen und Titel sprechen für sich selbst: „Song to<br />

bring back a girl“, „A man afraid“ oder „Living in the past“.<br />

<strong>Die</strong> Beziehungen, die sich während der Aufnahmen aufgetan<br />

haben, gaben dem Produkt nur Positives, da ist halt<br />

viel Erfahrung hinter, keine Hitparadenleckerlis, aber die<br />

braucht auch keine Sau. Nicht jedes Album braucht einen<br />

Dancefloorkracher, es geht auch gediegen. Ein Tribut an die<br />

guten alten Zeiten. (8) Martha Biadun<br />

PARTYLINE<br />

Zombie Terrorist M<strong>CD</strong><br />

retarddisco.com/Cargo | Was macht eigentlich ... Allison<br />

Wolfe <strong>von</strong> BRATMOBILE? Voilà, hier ist sie wieder: PARTY-<br />

LINE. Bei einer Spielzeit <strong>von</strong> knapp 18 Minuten rede ich im<br />

Gegensatz zu ihrem Label zwar nicht <strong>von</strong> „Full Length“, aber<br />

die elf Songs des Trios, die <strong>von</strong> Q AND NOT U-Frontmann<br />

Chris Richards sowie Don Zientara in Washington D.C. produziert<br />

wurden (letztes Jahr ging eine EP voraus), sind herrlich<br />

simpler Girl-Punk-Pop mit ramonesker Attitüde, gemischt<br />

mit dieser Sprödigkeit, die einst auch BRATMOBILE<br />

auszeichnete, und dass die Texte in die Eier treten, klar feministisch,<br />

jedoch parolenfrei sind, sollte nicht überraschen.<br />

Und damit ist eigentlich alles gesagt. (17:59) (8)<br />

Joachim Hiller<br />

mit Sicherheit entzücken wird. <strong>Die</strong> zweite Band heißt FAR<br />

FROM FINISHED, kommt aus Kanada und spielt recht melodiösen<br />

Hardcore. DRITTE WAHL dürfte jeder kennen und<br />

die Skinheads <strong>von</strong> LOIKAEMIE stellen für mich den eigentlichen<br />

Höhepunkt der DVD dar. Danach ist mit den REAL<br />

McKENZIES endgültig für ein abwechslungsreiches Programm<br />

gesorgt. Den Abschluss bilden THE EXPLOITED. <strong>Die</strong>se<br />

klingen wie gewohnt, allerdings hat sich Watties Stimme<br />

sowohl live als auch auf Platte schon mal frischer angehört.<br />

Alles in allem ist „Lindenpunk Festival“ eine <strong>von</strong> vorne bis<br />

hinten gute DVD, die dadurch überzeugen kann, dass mit Sicherheit<br />

für jeden eine Band dabei ist. (8) Tobias Weber<br />

V.A. Frische Früchte<br />

für faules Fleisch DVD<br />

Klartext | Da freut sich der Hanseat. Erschien mit „Hansepunx“<br />

(Klartext Records) in diesem Jahr bereits der Audio-Überblick<br />

über das Treiben der Hamburger Punk-Szene,<br />

so wird mit „Frische Früchte für faules Fleisch“ nun der<br />

visuelle Nachschlag geliefert. Nicht nur der Titel, auch das<br />

Coverartwork ist eine Hommage an die DEAD KENNEDYS,<br />

und startet man die DVD, wird man allerdings nur noch mit<br />

rein hamburgerischen Bands und Interpreten konfrontiert.<br />

Und da<strong>von</strong> gibt es gleich 48 Stück zu bestaunen, sowie einiges<br />

an Bonusmaterial. <strong>Die</strong> Qualität der einzelnen Beiträge<br />

schwankt dabei genauso wie die musikalische Bandbreite.<br />

So gibt es hochprofessionelle Videoclips direkt neben verwackelten<br />

Livemitschnitten, Pop-Punk neben Crust-Core<br />

und Eletro-Trash neben Deutschpunk zu bestaunen. Langeweile<br />

kommt da erst gar nicht auf. Und da die einzelnen<br />

Beiträge nie sonderlich lang ausfallen, stören auch die Ausfälle,<br />

die jeder nach persönlichem Geschmack für sich definieren<br />

muss, nicht weiter. Hier jetzt noch ein paar beteiligte<br />

Bands: RAZORS, RAMONEZ 77, THE CRIMES, SS ULTRAB-<br />

RUTAL, HEIMATGLÜCK, RANDY’S RIPCORD, GOTTKAI-<br />

SER, KETTCAR, PROJEKT KOTELETT, NORDEN, BRONX<br />

BOYS und EIGHT BALLS, nur um mal einen kleinen Teil zu<br />

nennen. Da diese DVD zum Spottpreis <strong>von</strong> 7,70 Euro verkauft<br />

wird, sollte die Anschaffung dieser wirklich gelungenen<br />

Video-Zusammenstellung nicht nur für Hamburger<br />

Jungens und Derns empfohlen sein. Also bitte bestellen. (9)<br />

Abel Gebhardt<br />

Voodoo Rhythm – The Gospel<br />

Of Primitive Rock’n’Roll DVD<br />

slowboatfilms.com/Voodoo Rhythm/Cargo | Über Beat<br />

„Beat-Man“ Zeller, den Kopf des Voodoo Rhythm-Imperiums<br />

aus der Schweiz, wurde in diesem Heft ja immer schon<br />

ausgiebigst berichtet, ebenso wie über die musikalischen<br />

Inkarnationen des Meisters selbst (MONSTERS, Reverend<br />

Beat-Man, etc.) sowie über die diversen Bands des Labels,<br />

etwa DEAD BROTHERS, DM Bob, WATZLOVES, THE COME<br />

N’ GO oder ZENO TORNADO & THE BONEY GOOGLE<br />

BROTHERS. M.A. Littler, seines Zeichens Rock’n’Roll-Dokumentarfilmer<br />

aus der Nähe <strong>von</strong> Frankfurt, verspürte eine<br />

ähnliche Begeisterung für den gleichermaßen sympathischen<br />

wie spinnerten Schweizer und machte sich so letztes<br />

Jahr daran, die Welt des Beat-Man zu ergründen. Mit der<br />

Kamera ging es ab in die Schweiz, man führte ausführliche<br />

Interviews mit dem Labelboss selbst, mit den DEAD BROT-<br />

HERS, Robert Butler, Zeno Tornado und diversen anderen,<br />

fuhr mit auf Konzerte, und so entstand eine beeindruckende<br />

Doku über einen eigenwilligen Musiker und Perfomer, die<br />

klarmacht, dass es mit unbändiger Willensstärke und einer<br />

Mischung aus Genialität und Wahnsinn auch in einer konformen<br />

Gesellschaft möglich ist, sein Ding durchzuziehen,<br />

den „Gospel“ des „Primitive Rock’n’Roll“ zu verkünden.<br />

Auf 115 Minuten Spielzeit nebst Bonusmaterial addiert sich<br />

die Ausbeute der Dreharbeiten Littlers, doch so beeindruckend<br />

die Doku auch ist, sie hat auch ihre Längen, und statt<br />

des sich wiederholenden Wechsels <strong>von</strong> Proberaum-Interview-Szene<br />

und Konzertmitschnitten hätte man sich etwas<br />

<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 083<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 83 22.09.2006 20:53:20 Uhr


PUNCH UP POGOS<br />

Punkrock Made In Elstal <strong>CD</strong><br />

punchuppogos.de.vu | Jawohl, „Punkrock made in Elstal“,<br />

im schönen Havelland vor den Toren Spandaus. Schön<br />

auch, dass es da jetzt wieder Shows gibt. <strong>Die</strong> Produktion<br />

der 16 Lieder – keines des Demos hat es auf das Debüt geschafft<br />

– ist ein wenig flach, so dass sich die mangelnde Fülle<br />

der Stimme besonders schmerzhaft äußert. Textlich geht es,<br />

auch wenn man sich ab und zu seiner Überzeugungen versichert,<br />

um Spaß. Und angesichts der Ausflüge in den Ska-<br />

Punk, Rockabilly, Schlager und metallischen Hardcore wird<br />

deutlich, dass dieser teils englischsprachige Deutschpunk<br />

zwischen RAMONES und ABSTÜRZENDEN BRIEFTAU-<br />

BEN auf Tanz und gute Laune abzielt. Dabei ist die <strong>CD</strong> für<br />

eine Partyplatte mit knapp einer Stunde Laufzeit entschieden<br />

zu lang. Eine Partyplatte muss man bei voller Lautstärke<br />

gehört haben können, bevor die Bullen kommen. Und live<br />

lässt sich diese gute Laune bestimmt besser transportieren<br />

als auf Konserve. Gute Band, definitiv nichts für Pogophobe.<br />

(57:07) (7) Walmaul<br />

RÖMER<br />

Ausgesoffen & weggeschmissen <strong>CD</strong><br />

dieroemer-punkrock.de | DIE RÖMER hielt ich<br />

zuerst für eine stumpfe Deutschpunkband, dann<br />

erschienen sie mir viel ironischer und mehr auf<br />

Funpunk ausgerichtet. Jedenfalls kann man zu-<br />

R<br />

mindest an deren Aussagen nicht meckern und<br />

die Attitüde scheint auch zu stimmen. Auch<br />

wenn mir der schon am Albumtitel erkennbare Hobbyalkoholismus<br />

zu sehr in Szene gesetzt ist und sich sowohl Musik<br />

(Standard-Punkrock) als auch die ganz guten, aber etwas<br />

plumpen Texte nicht gerade durch ihren Feinschliff<br />

auszeichnen, haben DIE RÖMER ihren Vorteil gegenüber<br />

manch anderer Band in einem ihrer Texte schon selbst formuliert:<br />

„I think a bad original is better than a good copy!“.<br />

(34:18) (5) Tobias Weber<br />

RATOS DE PORAO<br />

Hominem Inimigo Do Homem <strong>CD</strong><br />

munster-records.com | Das Munster-Sublabel Beat Generation<br />

ist die neue Heimat der Brasilianer RATOS DE PO-<br />

RAO, die mit „Hominem Inimigo Do Homem“ ihr 25-jähriges<br />

Bandbestehen feiern. Mit brasilianischen Bands liegt<br />

man eigentlich nie daneben und so ist auch hier. RATOS DE<br />

PORAO sind eine lebende Legende, die mit ihrem metallischen<br />

Hardcore wahrscheinlich Legionen südamerikanischer<br />

Bands beeinflusst hat – und das zu Recht. Auch auf ihrem<br />

neuesten Release machen RDP keine Gefangenen und<br />

brettern ein bestens produziertes Album herunter, das nur<br />

vor Energie und Wut strotzt. Vergleichbare Bands kommen<br />

eigentlich nur aus derselben Gegend, ich möchte nur die<br />

Überbands AÇÃO DIRETA und I SHOT CYRUS anführen.<br />

Kurze Songpassagen brechen immer wieder aus dem üblichen<br />

Schema aus, erinnern mal an MOTÖRHEAD, mal an<br />

NAPALM DEATH und lassen so die Scheibe nie langweilig<br />

werden. Textlich geht es bei „Der Mensch ist der Feind des<br />

Menschen“ um hardcoretypische linke Inhalte, soweit ich<br />

es mit meinen beschränkten Portugiesischkenntnissen beurteilen<br />

kann. <strong>Die</strong> <strong>CD</strong> kommt in schönem Digipak. Und irgendwann<br />

mal soll es auch eine Übersetzung der Texte auf<br />

der Homepage der Band geben ... (30:23) (8)<br />

Dr. Oliver Fröhlich<br />

RESTLESS YOUTH<br />

Light Up Ahead <strong>CD</strong><br />

Complete Control | <strong>Die</strong> Niederländer RESTLESS YOUTH<br />

gehen als Mischung aus frühem 80er Hardcore und traditionellem<br />

Rock durch. Der Opener „Cold hearted“ erinnert<br />

an BLACK FLAG, kommt sehr abgehangen und cool rü-<br />

dvds<br />

mehr Bilder aus dem „richtigen Leben“ der Portraitierten<br />

gewünscht: Wie leben und arbeiten die Musiker, wie sieht<br />

ihr Umfeld sie? Trotzdem: Ein beeindruckender wie unterhaltsamer<br />

Film. Joachim Hiller<br />

V.A. Appetite For<br />

Deconstruction DVD<br />

destiny-tourbooking.com/Destiny | Pünktlich zur aktuellen<br />

Tour bringt Destiny Records die „Appetite Of Deconstruction“-DVD<br />

auf den Markt, die uns noch einmal<br />

die Schmankerl der Europatour 2004/05 zu Gemüte führt.<br />

Und das, was man hier für sein Geld geboten bekommt, ist<br />

durchaus nicht schlecht. Über zweieinhalb Stunden Spielzeit<br />

weist die DVD auf. Neben Live-Musik darf man die Deconstruction-Musiker<br />

in skurrilen Backstageszenen bewundern,<br />

die Bands und die Crew werden vorgestellt, interviewt<br />

und nach ihrer aktuellen politischen Einstellung,<br />

natürlich im Bezug auf den Herrn Bush ausgefragt und die<br />

Motorbiker, die diesmal mitgereist sind, dürfen den ein oder<br />

anderen Stunt auf dieser DVD machen. Ein paar Auftritte<br />

stechen besonders heraus, so beispielsweise die sehr abgedrehte<br />

Performance <strong>von</strong> MAD SIN. <strong>Die</strong> MAD CADDIES sorgen<br />

mit „Drinking for eleven“ für Partystimmung und die<br />

Profis wie LAG WAGON und PENNYWISE, die mit mehr als<br />

einem Song eine Sonderstellung auf der DVD haben, sind<br />

ja eh immer klasse. Originell kommen auch das Ska-Ensemble<br />

THE SLACKERS und die coolen THE MOVEMENT.<br />

Insgesamt also ein tolles Produkt. <strong>Die</strong> Bikershows werden<br />

nach fünf Minuten langweilig und verleiten zum skippen.<br />

Was auch nicht gefällt, sind die viel zu abgenudelten Hits<br />

der Sorte „Turncoat“ <strong>von</strong> ANTI-FLAG und „Panic“ <strong>von</strong> den<br />

BEATSTEAKS. Hier hätte ich mir ein wenig mehr Kreativität<br />

gewünscht. Einen Abzug in der B-Note bekommt auch das<br />

hässliche und total unübersichtliche Menü mit seiner umständlichen<br />

Bedienung, ansonsten eine lohnenswerte Investition.<br />

(159:28) (8) Arndt Aldenhoven<br />

PAUL WELLER<br />

As Is Now DVD<br />

v2music.com | Sensationell. Wer bei dieser Dokumentation<br />

über die Produktion <strong>von</strong> Wellers aktuellem Album bei<br />

Timecode 38:42:31 die Pause-Taste drückt, sieht tatsächlich<br />

ein Lächeln über Pauls Gesicht huschen. Das hält knapp eineinhalb<br />

Sekunden an, dann ringt er schon wieder mit sich<br />

und versucht, die Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu<br />

bekommen. Zudem gibt es noch genau zwei Szenen auf dieser<br />

DVD, wo Weller Humor zeigt, allerdings hat er da auch<br />

schon ein paar Bierchen drin. Ansonsten ist „As Is Now“<br />

eine bitterernste Sache, gezeigt wird eine sehr talentierte<br />

Band, die sich um einen begnadeten Songschreiber gesammelt<br />

hat. Und die Studio-Sessions sind zwar relativ locker<br />

abgelaufen, aber dennoch ist es wohl verdammt harte Arbeit,<br />

ein so schönes Album aufzunehmen, wenn man Pauls<br />

dauerverkniffenes Gesicht betrachtet. Etwas mehr Lockerheit<br />

bietet die ebenfalls enthaltene Show aus dem Londoner<br />

100 Club (wo THE JAM ja einige ihrer besten Konzerte gespielt<br />

hatten). Schön zu beobachten ist dabei, dass Paul immer<br />

noch seine Bühnenbewegungen nahezu hundertprozentig<br />

<strong>von</strong> SMALL FACES-Sänger Steve Marriott und seinem<br />

Rumpelstilzchen-Boogaloo abkupfert. Apropos Marriott::<br />

„Es stimmt nicht, dass ich den ganzen Tag SMALL FACES<br />

höre, das tue ich nur Vormittags“, kaspert Weller im Interview.<br />

Der vierte Beweis für Humor auf dieser DVD. Dabei<br />

bleibt es dann glücklicherweise auch. (7) Gereon Helmer<br />

084 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />

ber, danach folgt „Do you mind?“, eine schnelle, sehr kurze<br />

Nummer, die auch <strong>von</strong> den BAD BRAINS sein könnte. Wobei<br />

es natürlich immer schwierig sein wird, diese unglaublichen<br />

Truppen als Referenz zu benutzen. Sei’s drum, soll ja<br />

nur der Orientierung dienen ... Danach bleibt die Band ihrem<br />

schrägen, leicht destruktiven Sound treu, driftet jedoch<br />

mehr in die Rockecke ab. „Thieves“ und „Channel zero“<br />

könnten auch <strong>von</strong> MC5 intoniert worden sein, und Iggy Pop<br />

hat auch noch eine Sequenz beigesteuert. Bei „Beyond solitude“<br />

wird das Tempo wieder deutlich angezogen und John<br />

Joseph übernimmt die Kontrolle. Genauso geht es weiter bis<br />

zum Ende der Scheibe. Gut gerockt und entwicklungsfähig.<br />

(19:25) (6) Zahni<br />

RIPPERS<br />

Tales Full Of Black Soot LP/<strong>CD</strong><br />

screamingapple.de | <strong>Die</strong> italienischen THE RIPPERS, die<br />

wohl derzeitig wildeste Garagepunk-Band, ist zurück und<br />

Ripper I, II, III und IV haben mit „Tales Full Of Black Soot“<br />

ihre grandiose zweite LP<br />

in die Vox-Gitarrenkoffer<br />

gepackt. Wurde die selbstbetitelte<br />

Debüt-LP noch<br />

in der heimischen Garage<br />

aufgenommen, besuchte<br />

man dieses Mal ein Studio<br />

und spielte die 13 Songs<br />

live ein, doch keine Angst,<br />

THE RIPPERS klingen<br />

trotz Studio und „richtiger“<br />

Produktion nun keinesfalls<br />

„sauber“ oder<br />

„poliert“, die Aufnahme<br />

ist verdammt rauh, kratzig, aber mit dem nötigen Druck,<br />

der dem Vorgänger hier und da dann doch fehlte. Aber auch<br />

das Songwriting hat, wie auch der Sound, scheinbar gewisse<br />

Aufbaupräparate verabreicht bekommen; alle Songs (zehn<br />

Originale, drei Coverversionen) gehen ab wie Schmitz’ Katze,<br />

kein einziger Füller, 13mal Teen-Garagepunk vom Feinsten.<br />

Eine Steigerung auf ganzer Linie! THE RIPPERS klingen<br />

auf „Tales Full Of Black Soot“ authentisch wie nie, strotzen<br />

jedoch vor nach heutigen Maßstäben bemessener Punk-<br />

Energie, die die Original-Bands in den 60ern einfach noch<br />

nicht hatten (THE ZAKARY THAKS’ „Bad girl“ mal ausgenommen).<br />

Und genau dieser Umstand macht die RIP-<br />

PERS zu einer „echten“ 60s-Punk-Band und nicht zu einer<br />

Stadtfest-Oldie-Night-„Retro“-Gurkentruppe. Menschen<br />

mit bleistiftdünnen Schlipsen, engen Anzügen, Beat-Boots<br />

und einem Hang zu exzessiver 60s Punk-Mucke sollten jedenfalls<br />

zugreifen. Allerdings, kleiner Wermutstropfen: Einen<br />

Punkt Abzug für das abscheuliche Artwork! (29:16) (8)<br />

Chris Virgo<br />

RED LIGHT RIPPERS<br />

Nobody Likes A Rat <strong>CD</strong><br />

fadingways.co.uk | GUNS N’ROSES, Alice Cooper oder VAN<br />

HALEN nennen die RED LIGHT RIPPERS als ihre Vorbilder.<br />

Und somit ist auch schon klar, dass die Reise in die 80er zurückgeht,<br />

in eine Zeit, als es noch üblich war, über ein Intro-Riff<br />

gleich ein Wah-Wah-Solo drüberzuschnalzen. Dass<br />

Sänger Rip Skinner auf manchen Fotos eine gewisse Ähnlichkeit<br />

mit dem jungen Ozzy Osbourne aufweist, passt<br />

dann auch noch gut hinein. Musikalisch und textlich würde<br />

ich die vier Kanadier aber weniger zu GUNS N’ROSES<br />

als vielmehr direkt neben MÖTLEY CRÜE stellen: sehr rolliger<br />

Hardrock mit sympathischen Texten über Rock’n’Roll-<br />

Nurses, Liebesprobleme und was das Leben sonst noch so<br />

für Herausforderungen an den Berufsteenager stellt. Insgesamt<br />

nicht unsympathisch, aber manchmal stellt man sich<br />

beim Hören die Frage, warum man nicht gleich zum Original<br />

greifen und in Jugenderinnerungen schwelgen sollte?<br />

RED LIGHT RIPPERS bringen einen auf jeden Fall dazu, mal<br />

wieder in die tieferen Gefilde der eigenen Plattensammlung<br />

abzutauchen. (30:22) (7) Simon Loidl<br />

ROYAL ROLLEXBOYS<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

Royall Rollex | <strong>Die</strong> Darmstädter ROYAL ROLLEXBOYS präsentieren<br />

auf dieser EP ihre „Musik mit Zug“, wie sie selbst<br />

ihre Arbeit nennen. Man könnte es auch Rock’n’Roll nennen,<br />

erdig, aber mit etwas zu akzentverseuchtem englischsprachigem<br />

Gesang. Dass die Songs mit einem Budget <strong>von</strong><br />

100 Euro aufgenommen wurden, hört man nicht unbedingt,<br />

da ist auf alle Fälle was drin. Leider finden sich statt<br />

der im Pressetext angekündigten sechs Tracks lediglich drei<br />

auf der <strong>CD</strong>, die Spielzeit verkürzt sich auf knapp zehn Minuten<br />

und auch am Cover sind nur drei Songs gelistet. Wo ist<br />

der Rest geblieben? (5) Simon Loidl<br />

RETURNABLES<br />

s/t M<strong>CD</strong><br />

Dirtnap | Ich sitze hier und frage mich: Was ist das für eine<br />

großartige Band? Warum kannte ich die vorher nicht? Was<br />

für eine großartige Stimme, was für tolle Songs! Warum sind<br />

nur sieben Stücke auf der <strong>CD</strong>, da<strong>von</strong> auch noch drei live (inklusive<br />

das WEDDING PRESENT-Cover)? Ich brauche mehr!<br />

Dann les ich das Info und muss schlucken: Sänger und Gitarrist<br />

Bobby James ist letztes Jahr bei einem tragischen Autounfall<br />

gestorben. Manchmal schreibt das Leben echt miese<br />

Geschichten! Es bleiben sieben großartige Songs mit herzergreifendem<br />

Pop-Appeal und rauhem Punkrockcharme,<br />

irgendwo zwischen den UNDERTONES und einer ganz eigenen<br />

Note, mit der es THE RETURNABLES eigentlich verdient<br />

hätten groß rauszukommen. Besorgen! Absoluter Tip!<br />

(22:14) (9) Bernd Fischer<br />

RESISTANCE 77<br />

Songs For A Nanny State <strong>CD</strong><br />

Captain Oi! | Obwohl Mark Brennans Label Captain Oi!<br />

eher auf die Wiederveröffentlichung <strong>von</strong> alten englischen<br />

Punk- und Oi!-Alben spezialisiert ist, gibt es auch die ein<br />

oder andere Band, die neues Material dort herausbringt.<br />

Dazu gehören auch RESISTANCE 77, die nun den Nachfolger<br />

zu „Long Time Dead“ vorlegen. Sowohl stilistisch<br />

als auch altersmäßig ist die Band, die sich 1979 in England<br />

gründete, dort sicher an der richtigen Adresse. Sänger Oddy<br />

war <strong>von</strong> 2004 an auch für einige Zeit der Sänger <strong>von</strong> ME-<br />

NACE, aber das hat sich wohl wieder erledigt, wobei ich<br />

nicht sagen kann, warum. „Songs For A Nanny State“ liefern<br />

RESISTANCE 77 No-surprises-Streetpunk der alten Schule.<br />

Gefällt mir durchaus ganz gut, aber ich muss schon sagen,<br />

dass es eine Menge junger Ami-Bands gibt, die diesen Sound<br />

einfach besser umsetzen, auch wenn sie vielleicht sogar <strong>von</strong><br />

RESISTANCE 77, oder zumindest ihren Altersgenossen, beeinflusst<br />

sind. (40:02) (6) Claudia Luck<br />

RAW INSTINKT<br />

Das sind wir <strong>CD</strong><br />

Bandworm/Asphalt | Oh nein, unfassbar. <strong>Die</strong> nerven schon<br />

nach 20 Sekunden. Das hat seit den STAMMTISCHPROLLS<br />

auch keiner mehr geschafft. RAW INSTINKT aus Castrop-<br />

Rauxel spielen deutschen Oi!/Streetcore, der leider textlich<br />

kein Klischee auslässt: <strong>Die</strong> Welt ist schlecht, die Gesellschaft<br />

ist schuld und meine Mami auch, weil die mich nicht<br />

lieb hatte. Oh nein, jetzt auch noch Akustikeinlagen. An den<br />

guten Stellen erinnert mich das Album noch gerade so an<br />

TOXPACK, aber insgesamt ist das doch an zu wenigen Stellen<br />

der Fall. Am schlimmsten eindeutig der „Zuppelsong“:<br />

„Wenn nachts die Alte schlafen ist, lieg ich noch wach im<br />

Bett. Ich zuppel an mein (sic!) Schnippel rum, denn Zuppeln<br />

find ich nett.“ Nein, oder? Kleiner Tipp unter Freunden:<br />

Lest mal ganz dringend ein Buch. Soll helfen. Und übrigens:<br />

Meine Mami hatte mich früher auch nicht lieb, aber<br />

ich mache trotzdem keine schlechte Musik. (39:54) (3)<br />

Claudia Luck<br />

RED UNION<br />

Black Box Recorder <strong>CD</strong><br />

bandwormrecords.de | Das erste Mal bin ich vor drei Jahren<br />

mit RED UNION in Kontakt gekommen und zwar in<br />

Pula, Kroatien auf dem Monte Paradiso-Festival. Da hab ich<br />

mir ihr erstes Album „Rebel<br />

Anthems“ als Tape gekauft,<br />

in Osteuropa gibt<br />

es noch einen florierenden<br />

Tapehandel. „Rebel<br />

Anthems“ hatte mich<br />

ziemlich begeistert, musikalisch,<br />

wie auch textlich.<br />

Das neue, zweite Album<br />

„Black Box Recorder“<br />

hat nun meine Erwartungen<br />

bei weitem<br />

übertroffen. RED UNI-<br />

ON haben sich qualitativ<br />

noch mal gesteigert, unheimlich schöne Melodien und<br />

intelligente, persönliche Texte zu eingängigen Liedern geformt.<br />

Elf eigene Songs und eine Coverversion des Arbeiterliedes<br />

„Power in the union“. Musikalisch geht’s in Richtung<br />

erste JAM und CLASH. Auf der <strong>CD</strong> befindet sich ein Live-Video,<br />

in dem beide Bands gecovert werden und ein gelungenes<br />

Musikvideo zu „WMD“. Auf ihrer letzten Tour hab ich<br />

ein Konzert mit den Jungs ausgerichtet und konnte mich<br />

da<strong>von</strong> überzeugen dass sie live, noch eine Spur mehr Gas geben<br />

und auch so äußerst angenehme Burschen sind. (41:03)<br />

(9) Dennis Bruns<br />

RAPTURE<br />

Pieces Of The People We Love <strong>CD</strong><br />

Universal | Dass es schwer sein würde, die weitere Reiseroute<br />

<strong>von</strong> THE RAPTURE festzulegen, war nach dem Erfolg<br />

des 2003 erschienenen „Echoes“-Albums klar. Damals war<br />

der ganze Dancepunk-Hype auf seinem Höhepunkt angelangt,<br />

die Wahl-New Yorker mittendrin. Doch seitdem hat<br />

sich einiges verändert, das Dancepunk-Ding ist noch nicht<br />

ganz tot, aber riecht schon sehr streng, und so hatten THE<br />

RAPTURE nur die Chance, sich vom Pulk abzusetzen und<br />

ihren Sound weiterzuentwickeln. Das haben sie auf „Pieces<br />

Of The People We Love“ auch konsequent getan – und es gefällt<br />

mir nicht. Wenn Leute mit einem vagen Punk-Background<br />

die Entwicklung der frühen Achtziger nachvollziehen<br />

wollen, als aus Punk erst Wave und dann mal besserer,<br />

mal schlechterer Pop wurde, schön für sie, und manche Ergebnisse<br />

gefielen mir ausgesprochen gut, doch THE RAPTU-<br />

RE haben für mich den kompletten Ausstieg vollzogen, in<br />

stilistische Bereiche, die mich kein Stück interessieren. Das<br />

hier ist ein lupenreines Dance-Album, leider auch sehr funky,<br />

purer Pop, und wenn es hier und da noch gewisse Parallelen<br />

zu alten Wegbegleitern wie RADIO 4 gibt, dann ist das<br />

die Ausnahme. Ich bin gespannt, ob die Mainstream-Popwelt<br />

THE RAPTURE akzeptiert, denn <strong>von</strong> ihrer alten Kantigkeit<br />

sind durchaus noch Spuren geblieben – für mich jedoch<br />

zu wenig. (43:44) (4) Joachim Hiller<br />

RAHIM<br />

Ideal Lives <strong>CD</strong><br />

frenchkissrecords.com/Alive | Das New Yorker Label<br />

French Kiss hat sich mit den ebenfalls aus NYC stammenden<br />

RAHIM eine Band an Bord geholt, die mit ihrem komplexen,<br />

aber nicht frickeligen Post-Punk auch sehr gut ins<br />

Dischord-Programm passen würde – kämen sie denn aus<br />

D.C. und hätten nicht nur mit jemandem <strong>von</strong> dort aufgenommen.<br />

J. Robbins war das, und so schließt sich der Kreis<br />

mal wieder. „Ideal Lives“ ist ein schüchternes Indiepop-Album,<br />

das vor fünfzehn Jahren noch lauter Post-Hardcore<br />

gewesen wäre, SHUDDER TO THINK-Melodien treffen hier<br />

auf FUGAZI-Sprödigkeit, aber auch alte englische Meister<br />

wie THE FALL oder MONOCHROME SET meine ich heraushören<br />

zu können. Ich glaube, das sind Gute. (36:46) (7)<br />

Joachim Hiller<br />

REGURGITATE<br />

Sickening Bliss <strong>CD</strong><br />

relapse.com | Respekt, mit „Sickening Bliss“ ist es REGUR-<br />

GITATE gelungen, beim Hörer eine beinahe so verstörende<br />

Stimmung entstehen zu lassen, wie es einst CARCASS<br />

mit „Symphonies Of Sickness“ gelang. <strong>Die</strong> Schweden deswegen<br />

als bloßes CARCASS-Surrogat abzutun, damit würde<br />

man ihnen aber Unrecht tun. Denn auch wenn REGUR-<br />

GITATE mit ihrem vierten Album näher am Meisterstück<br />

der Engländer sind als je zuvor, besitzen sie doch eine angenehme<br />

Eigenständigkeit, die es im Grindcore leider viel<br />

zu selten gibt. Was wiederum Vergleiche mit NASUM heraufbeschwört,<br />

die es durch Hinwendung zu richtigen Songs<br />

ja auch schafften, aus dem Grind-Einheitsbrei hervorzustechen.<br />

Ganz so gut wie NASUM sind REGURGITATE zwar<br />

noch nicht, aber wie ihre Landsmänner verstehen auch sie,<br />

dass selbst im Grindcore gutes Songwriting kein Fehler sein<br />

kann. 26 Songs in 36 Minuten bedeuten zwar auch hier, dass<br />

hauptsächlich in Höchstgeschwindigkeit musiziert wird,<br />

aber ein vernünftiger Songaufbau und etwas Abwechslung<br />

hier und da machen eben den kleinen, aber feinen Unterschied<br />

zwischen ödem Geknüppel und wirklich brutaler<br />

Musik aus. Was den immer wiederkehrenden Vergleich<br />

mit CARCASS angeht, so kommt dieser sicherlich neben den<br />

musikalischen Gemeinsamkeiten und dem Spaß an toten<br />

Körpern auch deshalb zustande, weil der absolut grandiose<br />

rülpsige Gurgelgesang <strong>von</strong> Rikard Jannson den <strong>von</strong> CAR-<br />

CAS’ Jeff Walker beinahe noch übertrifft. Andererseits hatten<br />

CARCASS aber nie ein SLAYER-Quietsche-Solo. (8)<br />

André Bohnensack<br />

REVEREND SCHULZZ’S<br />

BIRDSPOOKERS<br />

First Division Town <strong>CD</strong><br />

Cellarphon/United Power Fields | Ich frage mich, warum<br />

es eigentlich als Lob zu verstanden wird, wenn man einem<br />

deutschen Künstler nachsagt, er stehe bei der Authenzität<br />

der gemachten Musik, den amerikanischen Originalen<br />

in nichts nach. Ich streite nicht ab, dass ich dies auch<br />

schon in dem ein oder anderen Review deutscher Künstler<br />

geschrieben habe, und war auch jetzt versucht, dies zu<br />

machen. Eigentlich besagt es doch nichts anderes, als das jemand<br />

einem Stil nacheifert, der nicht der eigene wäre? Aber<br />

da wir ja seit den 50ern alle mit größtenteils englischsprachiger<br />

Musik, und dadurch auch deren kulturellem Hintergrund<br />

aufwachsen, mag es völlig in Ordnung sein, wenn<br />

man sich so anhört, wie die Musik, die man selber schätzt.<br />

Der aus Frankfurt stammende Reverend dürfte da in den<br />

oberen Ranglisten auftauchen, geht es um Singer/Songwriter-Stil,<br />

basierend auf Americana in all seiner Bandbreite.<br />

Dass dahinter auch noch ein humorvolles Selbstverständnis<br />

steht, zeigt der Titelsong, wo in schönster Countryfolk-<br />

Manier der Eintracht Frankfurt eine Ballade gewidmet ist,<br />

welche die ganze Traurigkeit des Fans widerspiegelt, der ein<br />

noch schlimmeres Los als wir Kölner zu tragen hat. (73:31)<br />

(8) Claus Wittwer<br />

REEBOSOUND<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

reebosound.de | Hinter REEBOSOUNDS verbirgt sich Sven<br />

Missulllis, der sonst die eine Hälfte der Urheber der PSY-<br />

CHEDELIC AVENGERS ausmacht. Nun könnte man annehmen,<br />

dass hier ebenfalls Psychedelic zelebriert wird, aber<br />

mitnichten. Hier wird eine erstklassige Powerpop-Nummer<br />

nach der anderen ins Rennen geschickt, die mal kräftig<br />

rocken bei „Don’t panic“ oder „That gun“, an anderer<br />

Stelle darf man sich entspannt zurücklegen, „Starship“ und<br />

dem wunderschönen „Poor old sun“. Um das Bild perfekt<br />

zu machen wird bei „Me the saint“ auch noch mit leichten<br />

Country-Anleihen geglänzt. Hinzu kommt, dass Songs wie<br />

„Deleted scenes“ durchaus auch auf dem Frank Black-Klassiker<br />

„Teenager of the year“ zu finden gewesen sein könnten,<br />

oder hat der kleine dicke Frank hier tatsächlich selbst<br />

mitgewirkt? Nein, und auch sonst niemand, denn schlussendlich<br />

gilt es zu erwähnen, dass Missullis alle Instrumente<br />

selbst eingespielt hat. Eigentlich müsste ich an dieser Stelle<br />

den ultimativen Kaufbefehl aussprechen, aber es geht<br />

noch viel einfacher und vor allem sympathischer. Netterweise<br />

kann man sich nämlich auf reebosound.de das gesamte<br />

Album kostenlos runterladen, nebst dem Coverartwork.<br />

(30:32) (9) Claus Wittwer<br />

REPOS<br />

Hearts And Heads Explode LP<br />

Youth Attack | Heilige Scheiße, was für ein Durchlauf! Hätte<br />

es da vor Urzeiten nicht schon eine Band namens SEPTIC<br />

DEATH gegeben, würde es hier schwer mit einem Vergleich.<br />

Aber die Jungs gab es, und das hier ist nichts anderes als eine<br />

1.2-Version der Jungs um Brian Pushead Schröder, freilich<br />

ohne personelle Überschneidungen. Knapp 20-minütiges<br />

Hardcore-Massaker, jede Seite nonstop durchgehackt<br />

(das meine ich auch so, es gibt keine Pausen zwischen den<br />

Songs), ohne Rücksicht auf den Nebensitzer oder Verluste.<br />

Eckig, kantig, trotzdem mit dermaßen viel Tempo durchgeballert,<br />

dass man über die komplette Länge einer Seite gerne<br />

die Luft anhalten will. Hardcore, so wie er sein sollte, ohne<br />

Brimborium, Schnickschnack, Gimmicks oder viel Gesülze.<br />

P-e-r-f-e-k-t! Den einen Punkt Abzug gibt es nur, weil eine<br />

Band aus Boise, Idaho die Sache vorexerziert hat. Schniekes<br />

Wendecover aber auch! (9) Kalle Stille<br />

RONNY MONO<br />

Addicted To You M<strong>CD</strong><br />

rehearsalroom.de | Sechs Songs, die man meint, schon xmal<br />

gehört zu haben, reichen nicht für ein 9-Punkte-Review,<br />

aber für eine dritte Platte und ein kurzes, kurzlebiges<br />

Hörvergnügen. Mit sichtlich viel Freude fabriziert das<br />

Trio aus Braunschweig Garagenpunk irgendwo zwischen<br />

MONSTERS und RAMONES und versucht dabei erst gar<br />

nicht, den Rock’n’Roll neu zu erfinden, ihm aber doch wenigstens<br />

„ein neues Gesicht“ zu verpassen. Um genau zu<br />

sein, ist jedoch auch dieser Versuch gescheitert. Doch muss<br />

ich zugeben, der EP bei mehrfachem Durchhören mehr und<br />

mehr abgewinnen zu können. Wie gesagt, nichts, aber auch<br />

gar nichts Neues, standardisierte Klischeetexte, aber doch zu<br />

rotzig und elanvoll, um wie so viele dieser Lemmy-Söhne<br />

im Mülleimer verschwinden zu lassen. Nach dem ein oder<br />

anderen dritten Bier mit großer Wahrscheinlichkeit live ein<br />

Genuss. (14:40) (5) Mario Turiaux<br />

ROY & THE DEVILS’S MOTORCYCLE<br />

Because Of Women <strong>CD</strong><br />

voodoorhythm.com | Es gibt Platten, die am besten nicht<br />

bei Tageslicht gehört werden sollten. „Because Of Women“<br />

ist auch so ein Fall. Der hypnotische Bluesrock der vier<br />

Schweizer kann einfach<br />

nicht bei Sonnenschein<br />

seine magnetisierende<br />

Wirkung entfalten. Ist die<br />

Sonne allerdings erst mal<br />

untergegangen, erscheint<br />

auch dieses Album in einem<br />

ganz anderen Licht.<br />

Jaulende Slide-Gitarren,<br />

ein stoisches Schlagwerk,<br />

und ein lakonisch desinteressierter<br />

Gesang machen<br />

hier die Mischung<br />

fett. Irgendwo zwischen<br />

VELVET UNDERGROUND, SPACEMEN 3 und anderen lichtscheuen<br />

Gestalten fühlen sie sich am wohlsten, und die Coverversion<br />

<strong>von</strong> „Johnny B. Goode“ gehört so ziemlich zum<br />

Abgedrehtesten, was man sich als Chuck Berry-Interpretation<br />

vorstellen kann. (7) Gereon Helmer<br />

RED SPAROWES<br />

Every Red Heart Shines Toward The Red Sun <strong>CD</strong><br />

Neurot | „Every Red Heart ...“ ist das zweite Album der roten<br />

Spatzen aus Los Angeles und wie schon beim Debüt sind<br />

es reine Instrumental-Kompositionen, die einen jedoch so<br />

stark in den Bann ziehen können, dass jegliche Vocals eher<br />

alles zerstören würden. Es ist nicht <strong>von</strong> der Hand zu weisen,<br />

dass die fünf Musiker – ebenfalls tätig bei ISIS, NEU-<br />

ROSIS und auch HALIFAX PIER – durch unzählige Shows<br />

und Touren bestens aufeinander eingespielt sind. <strong>Die</strong> acht<br />

Songs erscheinen noch greifbarer, direkter und holen trotzdem<br />

doch viel weiter aus. Sie spannen ihre Flügel aus, tragen<br />

den Hörer da<strong>von</strong> und setzen ihn nach einer guten Stunde<br />

wieder wohlbehütet ab. Das wunderschöne Artwork ist<br />

ein prägnanter 5-Farb-Druck, inklusive der Sonderfarbe<br />

Gold, und wurde <strong>von</strong> Josh Graham gestaltet. Ich freue mich<br />

schon auf die anstehende Tour im Frühjahr 2007 und solange<br />

werde ich mich mit „Every Red Heart ...“ begnügen müssen.<br />

(61:35) (9) Ross Feratu<br />

S.P.Q.R.T.<br />

Record <strong>CD</strong><br />

raketemusik.de | Wo andere Labels in den Presseinfos<br />

nur Floskeln verbreiten, liefert Rakete<br />

Musik aus Köln einen richtig schönen Artikel zu<br />

S.P.Q.R.T., über dessen exakten Wahrheitsgehalt<br />

S<br />

ich mir zwar im Unklaren bin, aber die Legende<br />

über diese Formation aus Vermont besagt, der<br />

Name gehe auf einen gemeinsamen Rom-Besuch der Herren<br />

Carl Blend und Howard Lespie zurück, bei dem sie allenthalben<br />

auf die alte römische Inschrift „S.P.Q.R. “ stießen,<br />

was im Original für „Senatus Populusque Romanus“ steht<br />

(wer das Latinum hat, ist jetzt klüger, der Rest hat Pech) und<br />

hier mittels angehängtem T zur Abkürzung <strong>von</strong> „Self Producing<br />

Quality Recording Tourists“ wurde. Und um jetzt<br />

unelegant den Bogen vom Bandnamen zur Musik zu schlagen:<br />

S.P.Q.R. wurde einst in Stein gemeißelt, und apropos<br />

Stein, haha, die Herren sind dem Stoner-Rock nicht abgeneigt,<br />

sind sich sogar für den Kalauer, sie spielten „Rudolf<br />

Stoner Rock“, nicht zu schade. Waldorfschüler und Anthroposophen<br />

dürfen jetzt lachen. Wem also QUEENS OF<br />

THE STONE (sic!) AGE et al liegen, wer POTHEAD goutiert,<br />

der wird auch an diesem zwar nicht originellen, aber doch<br />

sehr groovigen, trockenen und weit über dem Genredurchschnitt<br />

anzusiedelnden Longplayer seine Freude haben –<br />

wie auch jene paar Musikfans, die sich noch an die Anfang<br />

der Neunziger musizierende Vorgängerband H.OILERS erinnern<br />

können. (59:53) (7) Joachim Hiller<br />

SUBMARINE RACES<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

intheredrecords.com | <strong>Die</strong> aus Chicago stammenden SUB-<br />

MARINE RACES sind die neue Band <strong>von</strong> Ian Adams, der<br />

einst bei HAPPY SUPPLY spielte und dann zum zwischenzeitlichen<br />

Vollmitglied der PONYS wurde (die übrigens<br />

derzeit an einem neuen Album arbeiten, das nächstes Jahr<br />

via Matador erscheinen wird). Adams ist ein erklärter Fan<br />

britischen Gitarrenpops der Achtziger, aber war eben auch<br />

maßgeblich an der Prägung des eigenwilligen Wave-Punk-<br />

Sounds der PONYS beteiligt – und hat zudem wohl einen<br />

starken Hang zu den EASYBEATS. Aus all diesen Einflüssen<br />

sowie denen seiner beiden Mitmusiker ergibt sich schließlich<br />

ein ganz neuer Sound, der irgendwo zwischen Garagepunk<br />

(wir reden ja schließlich <strong>von</strong> In The Red als Label),<br />

jangly Britpop und Psyche-Rock anzusiedeln ist. Keine alltägliche<br />

Kombination, viel schwerer zu beschreiben als zu<br />

hören, aber auf jeden Fall ein weiter exquisiter ITR-Release<br />

– und wer die PONYS schätzt, sollte unbedingt reinhören.<br />

(37:00) (7) Joachim Hiller<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 84 22.09.2006 20:53:25 Uhr


SONIC DOLLS<br />

I’m A Flower, Too <strong>CD</strong><br />

Flight 13 | Irgendwie mochte ich bei den SONIC DOLLS<br />

früher den Gesang nie. Und ich mochte es auch nicht, dass<br />

Fränkie Disco bei einem Konzert mal <strong>von</strong> der Bühne aus behauptet<br />

hat, ich sähe aus<br />

wie der kleine Bruder<br />

<strong>von</strong> Martin Semmelrogge.<br />

Dann haben die SONIC<br />

DOLLS aber mit „Dance<br />

with me tonight“ wiederum<br />

einen meiner ewigen<br />

Punkrock-Hitsongs geschrieben.<br />

Und irgendwie<br />

sind auch auf „I’m A Flower,<br />

Too“ überhaupt keine<br />

Schwächen für mich<br />

auszumachen. Zuckersüße<br />

Melodien in poppigen<br />

Punksongs reihen sich an altbewährte RAMONES/RI-<br />

VERDALES-Stomper. Auch die nöligen Vocals passen und<br />

nette Hommagen an coole Bands (die leider nur noch die<br />

wenigsten kennen) bauen die SONIC DOLLS auch ein, oder<br />

will etwa jemand die Parallelen des Titelsongs zu „Especially<br />

you“ <strong>von</strong> den SMUGGLERS leugnen? Also mal wieder ein<br />

absolut frisches und cooles Punkrock-Album <strong>von</strong> den Veteranen.<br />

Sie können’s einfach und es ist schön, dass es die<br />

SONIC DOLLS immer noch gibt! Über den Semmelrogge<br />

müssten wir aber vielleicht noch mal reden ... (32:10) (7)<br />

Bernd Fischer<br />

SOMETREE<br />

Hands And Arrows M<strong>CD</strong><br />

PIAS | Kurz nach dem großartigen Album „Bending The<br />

Willow“ und als Begleitung zur Tour werfen SOMETREE<br />

nun eine EP auf den Markt, dessen Inhalt hauptsächlich aus<br />

dem Titelsong besteht. Gleich viermal gibt’s den Song zu hören,<br />

das heißt einmal im Original und in drei Remixen, einmal<br />

als Piano-, zweimal als elektronische Version. Spätestens<br />

beim zweiten Remix stelle ich mir die Frage nach dem Sinn<br />

des Ganzen. Der Sound mag ein anderer sein, die Melodie<br />

ist dennoch immer dieselbe, deshalb werde ich des Hörens<br />

doch recht schnell müde. Viel mehr Sinn machen da schon<br />

die beiden unveröffentlichten Tracks namens „Metaphysics“<br />

und „Iron“, die <strong>von</strong> der Qualität her alles andere als zweite<br />

Wahl sind, und das Video zu „Hands and arrows“ als Gimmick.<br />

Ich finde, man hätte sich mindestens eine der Wiederholungen<br />

sparen können und dafür vielleicht noch irgendein<br />

Demo mit draufpacken können, da würde sich für<br />

mich der Kauf eher lohnen. (25:15) (6) Christian Meiners<br />

SOULSHAKE EXPRESS<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

pitshark.com | Nach einem seltsamen Intro, dass merkwürdig<br />

an RAGE AGAINST THE MACHINE erinnert, geht<br />

die Debüt-EP des schwedischen SOULSHAKE EXPRESS<br />

dann ganz anders weiter, und zwar so wie der Name vermuten<br />

lässt: bluesrockig, mit entspannten Orgeln und erdigen<br />

Licks. Dann plötzlich wieder so ein Riff, das man eher am<br />

Müllhaufen des Metal-Crossover vermuten würde. Irgendwie<br />

scheinen da einige Bandmitglieder woanders hinzuwollen<br />

als die anderen; manchmal passt das seltsamerweise<br />

sogar zusammen, manchmal wirkt es etwas beliebig. Nachdem<br />

sie kürzlich einen Deal mit Beatville Records aus Chicago<br />

an Land gezogen haben, arbeiten die fünf Schweden an<br />

weiteren Releases, und man darf gespannt sein, worauf sie<br />

sich einigen. (15:24) (6) Simon Loidl<br />

SINISTERS<br />

Terminal Volume M<strong>CD</strong><br />

fadingways.co.uk | 13 Jahre kicken die kanadischen SINIS-<br />

TERS bereits ihren straighten Rock’n’Roll durch die Welt,<br />

und sie kicken gut. Ein bisschen Horrorpunk, eine Spur Psychobilly,<br />

die wunderbar kratzige Stimme <strong>von</strong> Steevi Saint<br />

– selbst die eigentlich nicht so ganz dazupassende Mundharmonika,<br />

die immer wieder mal daherstolpert, fügt sich<br />

dann doch gar nicht so schlecht ins Gesamtbild. Fast wundert<br />

es einen, vorher noch nie über diese vier Knaben gestolpert<br />

zu sein. Dabei sind die SINISTERS recht aktiv, touren<br />

fleißig, haben sich dabei aber bislang auf ihr Heimatland<br />

und die USA beschränkt. Auffällig ist die Straffheit der<br />

Songs, welche kurz und knackig daherkommen und teilweise<br />

fast abgewürgt wirken; Songlängen <strong>von</strong> durchschnittlich<br />

eineinhalb Minuten führen aber auch dazu, dass die<br />

zehn Tracks bereits nach knapp 22 Minuten durchgespielt<br />

sind. Da hätte man sich ruhig an der einen oder anderen<br />

Stelle etwas länger aufhalten können. Rock’n’Roll für Eilige.<br />

(21:48) (8) Simon Loidl<br />

SPELLBIND<br />

Cocoon <strong>CD</strong><br />

Modern Noise/Radar | <strong>Die</strong>ser Vierer aus dem Fränkischen<br />

hat als akustische Band begonnen, mittlerweile dominieren<br />

die Gitarren. Ob sich dieser Wandel gelohnt hat, kann ich<br />

nicht sagen, den <strong>von</strong> den alten Songs sind keine aufzutreiben,<br />

und offiziell ist „Cocoon“ das erste Album der Band.<br />

<strong>Die</strong> zwölf Songs darauf sind entweder ruhig, oder sie rocken<br />

gemächlich vor sich hin. Richtig in Schwung bringen sie<br />

mich also nicht. Das Ganze ist diese Art <strong>von</strong> solidem Rock,<br />

den man auf Wettbewerben wie dem Emergenza hört, und<br />

danach nie wieder. Ich möchte die musikalische Leistung<br />

nicht schmälern, denn handwerklich ist das durchaus gute<br />

Arbeit, mir ist das allerdings viel zu brav. Und zu belanglos.<br />

(46:27) (4) Christian Meiners<br />

SECURITY THREAT<br />

The Truth Is Out LP<br />

civilisation-records.com | SECURITY THREAT sind die<br />

zweite Band des CATHETER-Drummers H Murder, der hier<br />

zum Viersaiter greift, und zweier mir unbekannter BLACK<br />

LUNG-Jungs aus Denver, Colorado. CATHETER sind für<br />

mich eine der brutalsten Grindcore-Bands dieses verschissenen<br />

Planeten, haben mit SECURITY THREAT aber nicht<br />

allzu viel gemeinsam. Sie spielen eher traditionellen, skandinavisch<br />

beeinflussten Crust-Sound, der aber sehr viel näher<br />

an Hardcore als an Metal ist. SECURITY THREAT wissen<br />

geschickt Midtempo-Passagen in die Songs zu integrieren,<br />

die dadurch noch kraftvoller wirken. Optisch und inhaltlich<br />

in typischer Crust-Manier, in diesem speziellen Fall<br />

klar gegen das Bush-Regime. Ein CATHETER nicht unähnlicher<br />

absolut brutaler Sound tut ein Übriges, diese Platte zu<br />

einem Tip zu machen. Kommt bei Selfmadegod als <strong>CD</strong> heraus<br />

und enthält mit „Shot, knife, strangle, beat and crucify“<br />

einen GG Allin- Coversong. (7) Dr. Oliver Fröhlich<br />

SCHWEISSER<br />

Pororoca <strong>CD</strong><br />

suedpolmusic.de/Alive! | Bei dem Namen SCHWEIS-<br />

SER kommen böse Erinnerungen hoch: langweiliger, verkopfter<br />

Riff-Metal, der für sich in Anspruch nahm, innovativ<br />

zu sein, stattdessen aber nur unerträglich nervte. Irgendwann<br />

kam aus München kein Lebenszeichen mehr und<br />

das war gut so. Und dann, nach fünf Jahren der Funkstille,<br />

entschließt sich Bandleader <strong>Thomas</strong> Böck mit neuer Mannschaft,<br />

aber altem Namen weiterzumachen. Und, Überraschung,<br />

nix mehr verkopft, nicht mehr dieses verkrampfte<br />

„Wir wollen innovativ sein“. Stattdessen nimmt der Kerl<br />

mit zwei Kumpels ein im besten Sinne altmodisches Indierock-Album<br />

auf, das einen zwar nicht wie die titelgebende<br />

Amazonaswelle aus den Latschen haut, aber einige wirklich<br />

schöne Momente zu bieten hat. Den Opener „Gelbkarierte<br />

Sakkos“ etwa, mit seiner herrlich antiquierten THIN LIZZY-<br />

Gitarre. Ebenso das kraftvolle und sarkastische „Helden“<br />

oder die Loser-Hymne „<strong>Die</strong> binären Idioten“, die nöliger<br />

daherkommt, als TOCOTRONIC jemals klangen. Auf der an-<br />

deren Seite versaut es sich Böck dann auch wieder, verfällt<br />

in alte „Tugenden“ und verhunzt einen an sich fetten Punk-<br />

Kracher wie „Freiheit?“ durch diesen RAMMSTEIN-artigen<br />

Sprechgesang. Hinzu kommt, dass „Pororoca“ etwas heterogen<br />

wirkt, Böck probiert wieder allerhand aus. Dennoch<br />

überwiegt der positive Eindruck und wer hätte jemals daran<br />

gedacht, den SCHWEISSER-Sound als warm und erdig zu<br />

bezeichnen? Genau das ist er nämlich anno 2006. (39:24)<br />

(6) Ingo Rothkehl<br />

STUDIOFIX<br />

Will Change Your Mind <strong>CD</strong><br />

Avebury | Neben FALLOPIAN die zweite Mädelstruppe auf<br />

Avebury. Auch diese drei Damen kommen aus Kalifornien,<br />

sind aber ein komplett anderes Kaliber. Hier haben wir es<br />

mit in erster Linie Studentinnen zu tun, die das Rad nicht<br />

neu erfinden und das auch schätzen. Vielmehr nehmen sich<br />

THE STUDIOFIX selber nicht immer ganz ernst, was äußerst<br />

sympathisch ist. Auch die Musik ist ansprechend, eher traditioneller<br />

Rock’n’Roll, anmutiger Gesang und sogar eine Art<br />

Ballade versprechen kurzweilige Unterhaltung. Zu vergleichen<br />

ist die Truppe am ehesten mit Bands wie PONY UP!<br />

oder aber frühen SLEATER-KINNEY. Reinhören! (36:08)<br />

(7) Sarah Shokouhbeen<br />

SPOTLIGHT KID<br />

Departure <strong>CD</strong><br />

Club AC30/Indigo | Nach MONOLAND vor einigen Monaten<br />

hier eine weitere schöne Noisepop-Veröffentlichung,<br />

bei der Vorbilder eigenständig in den Sound einfließen und<br />

nicht bloß kopiert werden. Das aus SIX BY SEVEN hervorgegangene<br />

britische Duo geht dabei wesentlich songorientierter<br />

vor als die Berliner und schrammelt und dröhnt sich<br />

durch die SPACEMEN 3- und MY BLOODY VALENTINE-inspirierten<br />

Popsongs, die noch einmal eindrucksvoll zeigen,<br />

mit was für einer Leichtigkeit sich episch, verträumt und<br />

krachig mit poppig. eingängig und kompakt verbinden lassen.<br />

Und Katty Heath und Chris Davis singen und säuseln<br />

dazu in nahezu perfekter Abstimmung. So kann sich <strong>von</strong> mir<br />

aus das 90er-Revival anhören. (45:11) (8)<br />

Christian Maiwald<br />

STYRIAN BOOTBOYS<br />

Violence & Profit <strong>CD</strong><br />

Bad Dog/Rough Trade | Unfassbar, haben die STYRIAN<br />

BOOTBOYS doch heimlich Englisch gelernt! Wer sich noch<br />

an ihre erste Veröffentlichung, ihren Beitrag zum COCK<br />

SPARRER-Tribute „Get A Rope“ erinnert, dem dürfte aufgefallen<br />

sein, dass das nicht immer so war. Auch musikalisch<br />

haben sich die Jungs aus der Steiermark weiterentwickelt.<br />

Der Sound bewegt sich zwischen klassischem Oi! und<br />

Streetpunk <strong>von</strong> STIFF LITTLE FINGERS bis OPPRESSED<br />

und jüngeren US-Streetpunk-Bands wie den DROPKICK<br />

MURPHYS. Man hat sich also erfreulicherweise vom klischeehaften<br />

Saufen-Ficken-Oi!-Sound entfernt, und darf es<br />

dann auch gerne mal einen Tick melodischer sein wie bei<br />

dem durchaus gelungenen BUZZCOCKS-Cover „Ever fallen<br />

in love (with someone you shouldn’t have)“. Auch textlich<br />

kann mich die Band überzeugen. Gerade der Song „Conservative<br />

punk“ kritisiert sehr treffend ein nicht nur mir<br />

und den STYRIAN BOOTBOYS noch immer unbegreifliches<br />

und erschreckendes Phänomen. „It’s like I’m vegan and<br />

I love meat. I’m white power while I’m black. Wohoho I’m<br />

punk and republican.“ (39:02) (8) Claudia Luck<br />

SEVEN LOW DOWN<br />

Room, City, Landscape. <strong>CD</strong><br />

wynonarecords.com | <strong>Die</strong> seit mehr als neun Jahren existierende<br />

Band aus Rom war schon mit so Größen wie<br />

FROM AUTUM TO ASHES und FURTHER SEEMS FORE-<br />

VER auf Tour. Und letztere dürften wohl die größten musikalischen<br />

Vorbilder sein. Laut Bandinfo soll das auch nach<br />

Post-Hardcore im Sinne <strong>von</strong> AT THE DRIVE-IN klingen.<br />

Das würde ich jetzt nicht unbedingt unterschreiben, denn<br />

dazu sind SEVEN LOW DOWN dann doch viel zu eingängig<br />

und melodisch und kaum vertrackt. Im Übrigen überzeugt<br />

mich „Room, City, Landscape.“ in den ruhigeren, fast<br />

sphärischen Momenten mit ziemlich stimmungsvollen Klavier-Parts<br />

am meisten. Zum Beispiel „Stella01“ erinnert auf<br />

wunderbare Weise an TEAMSLEEP. Verblüffend finde ich außerdem,<br />

wie sehr der Sänger doch nach Walter Schreifels<br />

mit RIVAL SCHOOLS klingt. Ich weiß auch nicht, irgendwie<br />

finde ich das Album erstaunlicherweise gut; und darauf<br />

war ich eigentlich gar nicht vorbereitet. (41:07) (7)<br />

Robert Buchmann<br />

STREET DOGS<br />

Fading American Dream <strong>CD</strong><br />

DRT/Brass Tacks/Soulfood | Wenn das so weiter geht,<br />

sehe ich mich echt gezwungen, meine Wohnung zu kündigen<br />

und nach Boston zu ziehen. Es scheint ja ein Gesetz<br />

zu geben, dass es Bostoner Bands verbietet, schlechte Alben<br />

zu machen. Wieder einmal hat ein Album einer Bostoner<br />

Band bei mir genau ins Schwarze getroffen. Gut, ich gebe zu,<br />

<strong>von</strong> der Band um den ehemaligen Sänger und Mitbegründer<br />

der DROPKICK MURPHYS Mike McColgan hatte ich<br />

nach dem 2003er Debüt „Savin Hill“ und dem Nachfolger<br />

„Back To The World“ auch nichts anderes erwartet. Auf „Fading<br />

American Dream“ gibt es in knapp 43 Minuten nicht<br />

einen einzigen Ausfall. Zu hören gibt es die gewohnte Mischung<br />

aus melodischem Streetpunk und jeder Menge keltischem<br />

und traditionellem amerikanischen Folk. Grandios<br />

umgesetzt hat die Band vor allem das Cover des Billy Bragg-<br />

Klassikers „There’s power in a union“. Auch genial: „Rights<br />

to your soul“, „Fading American dream“ und, ach, eigentlich<br />

alle! (42:55) (9) Claudia Luck<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

STABILISERS<br />

Wanna Do The Wild Plastic Brane Love Thing? <strong>CD</strong><br />

acidjazz.co.uk | Beim zweiten Song „Plastic love“ vom<br />

zweiten THE STABILISERS-Album „Wanna Do The Wild<br />

Plastic Brane Love Thing?“ ist mir klar, jetzt gibt’s was Geiles!<br />

Wer solch einen Song mit einem so einem untrüglichen<br />

Sinn für mitreißende Pop-Punk-Perlen zusammengeschweißt,<br />

kann gar keinen Mist fabrizieren! Und dieser Eindruck<br />

halt sich: 17 Songs, alle catchy as hell, eine wirklich<br />

gute Mischung aus Oldschool-Punkrock, Pop-Punk, Garagerock<br />

und etwas New Wave; weiterhin befindet sich mit<br />

dem Gitarristen und Sänger Allan Crockford ein musikalischer<br />

Hochkaräter und Überzeugungstäter aus dem Billy<br />

Childish-Umfeld mit an Bord, und diese Tatsache alleine<br />

steht meiner Meinung nach schon als ein gewisser Vorab-Qualitätsbeweis,<br />

ich meine, eine aktive Mitwirkung in<br />

Bands wie den HEADCOATS, den SOLARFLARES und den<br />

PRISONERS spricht schon für sich, wenngleich die STABI-<br />

LISERS mit einem komplett anderen Sound und Stil aufwarten.<br />

Wie auch immer, auch ohne hier irgendwelche Referenzen<br />

groß anzuführen: die Platte rockt, und wie! Nur<br />

halt nicht im gewohnten (und hoch geschätzten) Medway-<br />

Sound. Wer trotzdem, gerade deshalb oder sowieso britischen<br />

Pop-Punk alter Schule mag, kann unbesorgt zugreifen.<br />

(48:27) (8) Chris Virgo<br />

SILVER<br />

World Against World <strong>CD</strong><br />

badafro.dk | SILVER aus Norwegen haben prominente Fürsprecher:<br />

Euroboy produzierte die anno 2001 erschienene<br />

Debüt-EP „Riot 1-2-3“ und das Interesse vom TURBO-<br />

NEGRO-Gitarristen und seinem Kollegen Happy Tom an<br />

den jungen Landsmännern führte zum Support der Scandinavian<br />

Leather-Tour durch SILVER. Mit „World Against<br />

World“ liegt nun das zweite Album vor und SILVER setzen<br />

auf ein Rezept, welches sich in Skandinavien während der<br />

letzten Jahre stets bewährt hat: Ein bisschen Punk, ein bis-<br />

schen Rock’n’Roll, eine Prise Glam und etwas Garage, dazu<br />

mischen SILVER auch noch die eine oder andere Metal-Reminiszenz<br />

– heraus kommt ein hörbares Stück Rockmusik,<br />

über dem stets eine etwas düstere Stimmung liegt und das<br />

live angeblich ganz hervorragend funktioniert. Wem GLUE-<br />

CIFER oder die HELLACOPTERS schon zu abgenudelt sind,<br />

der könnte hier neuen Stoff finden. Und auch Danko Jones<br />

empfiehlt die Bande – was braucht man mehr? 34:17 (6)<br />

Simon Loidl<br />

SUPERSYSTEM<br />

A Million Microphones <strong>CD</strong><br />

touchandgorecords.com | Album Nr. 4 dieser Band, die<br />

einst als EL GUAPO auf Dischord startete und dann mit Album<br />

Nr. 3 vor zwei Jahren als SUPERSYSTEM bei Touch &<br />

Go wieder auftauchte. Postrock as fuck ist auch wieder „A<br />

Million Microphones“, bei dem es im Vergleich zum sehr<br />

eingängigen Vorgänger „Always Never Again“ aber etwas<br />

länger braucht, bis man die Infektion spürt. Was hier anders<br />

ist? Ein paar mehr elektronische Beats vielleicht, das Fehlen<br />

eines so prägnanten Hits wie „Born into the world“ („The<br />

only way ...“ kommt da leider nicht ganz ran), die Tatsache,<br />

dass man noch etwas verspielter ist und zwischen Electronica,<br />

dicken Beats und Grooves, World Music-Zitaten und<br />

sehr „postigem“ Punk herumwuselt, keine Scheu vor cheesy<br />

Synthie-Sounds hat. Auf jeden Fall vorhanden ist dieser<br />

ganz spezielle SUPERSYSTEM-Sound, diese markante Melodieführung,<br />

der prägnante dreistimmige Gesang, der auch<br />

schon EL GUAPO zu einer Ausnahmeerscheinung machte,<br />

und so ist „A Million Microphones“ unterm Strich zwar<br />

einen Hauch schwächer, aber sind SUPERSYSTEM immer<br />

noch eine magische, faszinierende Band. (41:28) (8)<br />

Joachim Hiller<br />

SIR WILLIAM HILLS<br />

Cheer <strong>CD</strong><br />

Bad Dog/RTD | Vom wettverseuchten England (Sir William<br />

Hills ist der Name eines Buchmachers) verschlug es den<br />

charismatischen Frontman Steve nach Basel, wo er frustriert<br />

(Scheiß Tee hier!) und begeistert zugleich (FC Basel),<br />

seine neue Band startete, bei der die prägnanten 77er Pop-<br />

Punk Nummern der BUZZCOCKS auf die Songgerüste der<br />

WHITE STRIPES treffen, alles begleitet <strong>von</strong> Steves very British<br />

voice, irgendwo zwischen Wild Billy Childish und zuviel<br />

Benson&Hedges-Konsum. Dass dabei echte Hits wie<br />

„Under the carpet“ oder „Oh Angelina“ herausgekommen<br />

sind, verwundert weniger, wenn man bedenkt, das dieser<br />

urbritische Pubgänger seit 1978 unterwegs ist. Auch seine<br />

Kollegen bringen ein gutes Pfund mit, wie der Ex-VANILLA<br />

MUFFINS-Drummer Eddie Jr.. Dem traditionellen frühen<br />

70s Brit-Punk verpflichtet, haben die SIR WILLIAM HILLS<br />

aber mehr zu bieten als die ganzen Wave- und Indie-Klone,<br />

die derzeit die Insel unsicher machen. Nicht nur textlich<br />

kommen Steve und Co. authentischer rüber, sondern auch<br />

im Songwriting behalten sie eine Menge ihrer Street Credibility,<br />

ohne dabei sorgfältiges Songwriting zu vernachlässigen.<br />

„Cheer“ ist ein Pint of Lager der Extraklasse, da verwette<br />

ich meine Hartz IV-Dole Q drauf! Frank Buchholz<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

SPEARMINT<br />

Paris In A Bottle <strong>CD</strong><br />

apricot-records.de | Vier Fremde laufen sich durch Zufall<br />

in einer Samstagnacht in Paris über den Weg. Shirley, Graham<br />

und die beiden Schönheiten Genevieve und Monique.<br />

Sie verbringen eine ausgesprochen seltsame, aber denkwürdige<br />

Nacht in der Stadt – zwischen Kartenspielen, ausgeleierten<br />

Mixtapes und ein paar Flaschen Le Patron tauschen<br />

sie sich darüber aus, was sie als gestandene Endzwanziger<br />

noch so alles auf der Agenda haben. So verschieden die Charaktere,<br />

so verschieden die Ziele: Der eine will ein Musical<br />

schreiben, der nächste wünscht sich eine Serienkillerin als<br />

Freundin und so weiter. Man geht im Morgengrauen auseinander,<br />

und es vergehen lange Jahre, bis man sich wieder<br />

trifft. Was ist in der Zwischenzeit aus all diesen Menschen<br />

geworden? Das genau ist das Thema dieser wundervollen<br />

Konzept-Pop-Platte, die musikalisch enorm vielfältig daherkommt<br />

und ziemlich genau den Charme widerspiegelt,<br />

den der hervorragende Plot an den Tag legt. Das Spektrum<br />

reicht <strong>von</strong> Musette-Akkordeons bis zu schwungvollen Indiepop-Stampfern,<br />

<strong>von</strong> sonnigstem frankophilen (schottischem!)<br />

Britpop bis zu unglaublich leicht-flockigen, fast<br />

Northern Soul-haften Pop-Songs. Einfach schön, genau wie<br />

ein Sonntagnachmittag unter der Markise in einem Café an<br />

der Seine, die Sonne scheint, und dazu ein Gläschen Pernod.<br />

(9) Gereon Helmer<br />

NO SOLUTION Records<br />

nosolutionrecords.dimestore.de, Cargo Records | Von<br />

den Leuten. Für die Leute. Eine kleine Werkschau. Frisches<br />

Label, frischer Wind, frische Bands. Drei Releases, dreimal<br />

<strong>CD</strong> only (aber lediglich vorerst) gilt es zum Grand Opening<br />

des No Solution-Plattenwerkes zu Köln zu bestaunen<br />

als auch zu bewerten.<br />

Der erste Kandidat, der mir die Ohren durchpusten darf,<br />

sind FUNERAL MARCH. Eine relativ junge, vierköpfige<br />

Band, die für mich noch am ehesten den grundlegenden<br />

Geist <strong>von</strong> Labelmacher, Studio-Maniac und DUM-<br />

BELL Fronter Paul Smith transportiert. Schwindelerregende<br />

Sechzehntel Hi-Hat-Beats rasseln an Kreissägen-gleichen<br />

Gitarren entlang und ein angepisster Gesang kläfft Kampfansagen<br />

gegen alles und jeden in ein vor Spucke triefendes<br />

Mikrofon. Sieht und hört man sich diese Band an, weiß<br />

man: <strong>Die</strong> 80er sind wieder oder gar imme rnoch da, so wie<br />

Onkel Paul sie am liebsten mag. <strong>Die</strong> grandiose Coverversion<br />

<strong>von</strong> REAGAN YOUTH unter den acht im Schnitt unter<br />

zwei Minuten gehaltenen Liedern des selbstbetitelten Debüt-Albums<br />

zeigt schonmal die grobe Richtung an, in die<br />

der FUNERAL MARCH stylisch zieht ... In bester 80er-Westcoast<br />

Hardcore-Punk Tradition, dank Pauls Händchen und<br />

Herz für diese Zeit und ihre Musik wunderbar authentisch<br />

daherkommend, weiß man die Worte „HALT“ und „STOP“<br />

nicht einmal mehr zu buchstabieren, und das musikalische<br />

Ergebnis, tja, das tritt schlicht und ergreifend Arsch. Man<br />

kann man sich FUNERAL MARCH mehr als gut auf einer<br />

Bühne mit den Mittelfinger-Werfern <strong>von</strong> DEAN DIRG vorstellen.<br />

Klingt nicht gleich, aber Klingt ähnlich agil, aggressiv<br />

und angepißt. Oh ja, was für ein Fest, das ich da sehe und<br />

höre, vor meinem inneren Ohr und Auge... Bin geneigt zu<br />

sagen: Ein Absolut Ausfall-freies Release. Nein, ein Muss sogar,<br />

wenn solche Musik der Soundtrack deines Mülltonnen-<br />

Schmeisser Lebens war, ist, oder noch werden soll. Wort!<br />

(Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.)<br />

Als nächstes beschäftigen wir uns mit dem Debüt <strong>von</strong> SO-<br />

CIAL DISTRUST mit Namen „The Blackbirds Cry“. <strong>Die</strong>se<br />

Herren machen ihre Sache nicht weniger gut, jedoch<br />

schon ein wenig anders. Hier geht es hymnischer zur Sache,<br />

mehr Melodie, mehr Sing-Alongs und dergleichen. Vermag<br />

mich zu überzeugen, jedoch bei weitem nicht so zu begeistern<br />

wie die zuerst gehörten FUNERAL MARCH. Reden wir<br />

bei zuvor genannten eher <strong>von</strong> Hardcore-Punk, so sind wir<br />

hier eher im Bereich Streetpunk angelangt. Man verzeihe<br />

mir die Nennung dieser sich leider oder auch gewollt anbietenden<br />

Standard Schublade. Damit meine ich in erster<br />

Linie die Möglichkeit, vor der Anlage den Fistbanger zu geben<br />

oder auch einmal mitzugrölen, wenn einer der griffigen<br />

Refrains einsetzt. Perfekter Sparringspartner für die frühen<br />

BOMBSHELL ROCKS, ehe die sich im Klamottenladen verlaufen<br />

hatten. Hier verirrt sich glücklicherweise auch mal<br />

ein filigranes Gitarrensolo in den Ablauf des einen oder anderen<br />

Songs, was ich im gebotenen Ausmaß nicht immer<br />

als angenehm oder gar nötig befinde, was die Sache aber<br />

SKYGREEN LEOPARDS<br />

Disciples Of California <strong>CD</strong><br />

Jagjaguwar/Cargo | <strong>Die</strong> Folkband um Glenn Donaldson<br />

und Donovan Quinn stammt aus dem Umfeld des Jewelled<br />

Antler-Labels. Als SKYGREEN LEOPARDS starteten die beiden<br />

2001 in San Francisco und haben seitdem fünf Alben<br />

veröffentlicht. Bösartige Zungen behaupten zwar, die beiden<br />

machen LSD-Folk mit Naturgeräuschen, aber mir gefallen<br />

die ruhigen Klänge sehr gut. Das neue Album „Disciples<br />

Of California“ wurde erstmalig außerhalb des bandeigenen<br />

Studios aufgenommen und ist gleichzeitig das Debüt<br />

einer Rhythmussektion, bestehend aus Schlagzeug und<br />

Bass. Dadurch erhalten die elf Folk- und Countrysongs neue<br />

Facetten. <strong>Die</strong> mit Banjo, 12-saitiger beziehungsweise Steel-<br />

Gitarre oder E-Piano arrangierten Stücke, lassen nicht nur<br />

Raum für psychedelische Ausflüge, hier finden auch feine<br />

Pop-Melodien eine wohlige Wohnstätte. Textlich bewegen<br />

sich Donaldson und Quinn weiterhin in mystischen Sphären.<br />

Alles in allem ein Album mit sehr weichen Klängen.<br />

(35:02) (7) Kay Wedel<br />

S.PUNCH<br />

New Royal Exhibition <strong>CD</strong><br />

zebraproductions.de | Auf ihrer Debüt-<strong>CD</strong> knüppeln sich<br />

S.PUNCH so gut durch die zehn Songs bis mir als Hörer mal<br />

überhaupt nichts anderes übrig blieb als meine Bude zu zerlegen.<br />

Songs wie „Scrapboak of your life“ laden mit jeder<br />

Menge Double-Bass, schnellen Gitarren und giftigem Gekreische<br />

ein, nicht mehr stillzusitzen. Günstigerweise setzt<br />

auf „New Royal Exhibition“ nie Monotonie oder Langeweile<br />

ein, da S.PUNCH ihr Sound-Spektrum nicht nur auf Metalcore<br />

so wie NARZISS ihn machen, beschränkt, nein, sie<br />

streuen gekonnt Passagen ein, die auch gut auf eine KUR-<br />

HAUS-<strong>CD</strong> gepasst hätten. Soll heißen, hier wird zwar so<br />

lange geknüppelt, bis die Atmosphäre auch ihre ganze Fülle<br />

entfalten kann, aber dennoch nie das gewisse Etwas vergessen,<br />

das wieder die Aufmerksamkeit des Hörers einfängt und<br />

sie auf „New Royal Exhibtion“ bannt. (8) Sebastian Wahle<br />

SIERRA LEONE’S REFUGEE ALL STARS<br />

Living Like A Refugee <strong>CD</strong><br />

Anti/SPV | Trotz zahlreicher Diamantenminen zählt Sierra<br />

Leone zu den ärmsten Ländern Afrikas. Zwischen 1991<br />

und 2002 herrschte in Sierra Leone ein grausamer Bürgerkrieg.<br />

Um sich vor dem Bürgerkrieg zu retten, flüchteten<br />

fast 700.000 Menschen, das sind fast zehn Prozent der Landesbevölkerung,<br />

in Nachbarländer. Auch die Mitglieder der<br />

SIERRA LEONE’S REFUGEE ALL STARS verbrachten fast zehn<br />

Jahre in Flüchtlingslagern. Bekannt wurde die Band durch<br />

den inzwischen prämierten Dokumentarfilm „Living Like<br />

A Refugee“ aus dem Jahr 2005. <strong>Die</strong> beiden Filmemacher<br />

Zach Niles und Banker White begleiten die Musiker drei<br />

Jahre lang auf ihrer Reise durch die Flüchtlingslager Guineas<br />

bis zu ihrer Rückkehr nach Sierra Leone. <strong>Die</strong> 17 Titel<br />

auf dem Debütalbum „Living Like A Refugee“ entstanden<br />

alle während der Zeit im Exil und erzählen ohne Betroffenheitspathos<br />

<strong>von</strong> Gewalt, Hunger, Krieg und Vertreibung.<br />

Voll und ganz vertraut die mittlerweile auf elf Personen angewachsene<br />

Band auf die heilende Kraft der Musik und ich<br />

muss zugeben, die <strong>CD</strong> läuft bei mir inzwischen fast ununterbrochen,<br />

ohne dass sich Abnutzungserscheinungen einstellen.<br />

<strong>Die</strong> zwischen traditioneller westafrikanischer Musik,<br />

Roots Reggae und Rhythm & Blues eingebetteten Songs<br />

klingen sehr professionell und eingängig und würden sich<br />

sicher auch problemlos auf Platten <strong>von</strong> Manu Chao, Femi<br />

Kuti oder auf der „Sandinista“ <strong>von</strong> THE CLASH wohlfühlen.<br />

Wenn ich allerdings daran denke, welches Leid die Musiker<br />

erlebt haben, sträuben sich mir aber, in meinem „Safe European<br />

home“, die Nackenhaare. Compliments for the peace.<br />

(73:06) (9) Kay Wedel<br />

SADIES<br />

In Concert, Vol. 1 2<strong>CD</strong><br />

Yep Roc/Cargo | <strong>Die</strong> SADIES aus Toronto um die Brüder<br />

Dallas und Travis Good sind einer der momentan originellsten<br />

und besten Bands des Alt-Country-Bereichs, das konnten<br />

sie auf ihren bisherigen fünf Studioplatten unter Beweis<br />

stellen, ebenso als Begleitband <strong>von</strong> Neko Case oder Andre<br />

Williams. Und auch diese epische Liveplatte mit 41 Tracks<br />

unterstreicht das noch mal nachdrücklich, wo die SADIES<br />

so ziemlich alles <strong>von</strong> Surf, über Garage, bis zu Blues oder<br />

Bluegrass locker drauf haben. „In Concert, Vol. 1“ wurde an<br />

zwei Tagen im Lee’s Palace in Toronto in perfekter Klangqualität<br />

aufgenommen und gleicht mehr einer großen Party als<br />

einer normalen Liveplatte, denn hier geben sich jede Menge<br />

prominenter Gäste die Klinke in die Hand. Überwiegt auf<br />

durchaus spannend hält, im Gegensatz zu vielen vergeblichen<br />

Bemühungen ähnlich angelegter Bands. <strong>Die</strong> Stimme<br />

des Sängers ist mir oftmals ein wenig zu gestelzt in ihrem<br />

Bemühen, dunkel und böse zu klingen. Dann jedoch<br />

sehr schöne, mehrstimmige Chorus-Passagen, ein vor sinnigen<br />

Breaks und Fills strotzendes Schlagzeug-Spiel, das sich<br />

überwiegend dem Achtel-Beat widmet. Und überall große<br />

Melodien, die das Ganze <strong>von</strong> ähnlichen Bands ohne zündende<br />

Ideen an den rechten Stellen zu unterscheiden wissen.<br />

Ein ebenfalls sehr gelungenes Debut, das sicherlich viele<br />

Fans <strong>von</strong> melodischem, hymnischen Punkrock-Sounds zu<br />

begeistern weiß.<br />

Nun also zum Papa dieser ehrlich punkenden Mischpoke,<br />

zum Godfather of Smithrock, zu Mr. Paul „Supersonic“<br />

Smith und seinem glücklicherweise wiederauferstandenen<br />

Monster <strong>von</strong> Band: DUMBELL. El Dampfwalze ist zurück,<br />

yeah. „Instant Apocalypse“<br />

ist wahrlich mit dem<br />

Terminus Album nicht<br />

ausreichend tituliert.<br />

Hierbei handelt es sich<br />

ganz klar um ein Manifest.<br />

Eine Punk-Rock-Liebeserklärung<br />

an 50 Jahre<br />

Rock and Roll, an Chuck<br />

Berry ebenso wie an Joey<br />

Ramone und auch an AC/<br />

DC in ihrer Frühphase.<br />

Und ebenso an jeden musizierenden<br />

Punkrocker,<br />

den die beschissenen US of A <strong>von</strong> 1977 bis heute hervorgebracht<br />

haben. <strong>Die</strong>se Band fraß seit ihrer Gründung 1996<br />

die unglaubliche Zahl <strong>von</strong> 16 aktiven Mitgliedern, das aktuelle<br />

Line-up inbegriffen, doch hat, so scheint es, sich stets<br />

ein Stückchen Seele <strong>von</strong> jedem dieser Menschen bei sich<br />

zurückbehalten. <strong>Die</strong> einzige Konstante ist eben jene vollkommen<br />

wahnsinnige Songschreibmaschine namens Paul<br />

Smith. Bzzz, Mr. 100.000 Volt! Und so hat Mann eben mal<br />

auf die Schnelle ein Album eingespielt, das mit 27 Tracks<br />

einen guten Überblick über die wunderbar weite Welt der<br />

Definition <strong>von</strong> Punkrock gibt, die Paul <strong>von</strong> seiner Jugend bis<br />

heute lebte und lebt. Ein bewegter Marsch, <strong>von</strong> den nachdenklichen<br />

Klängen eines Paul Westerberg Devotés als auch<br />

<strong>von</strong> einem Gift-sprühenden Irrwisch, der es vermag, bei<br />

„Smash the state“ die DICTATORS hochleben zu lassen um<br />

im Anschluß daran das schräge, aber dennoch griffige „Final<br />

solution“ zu schmettern. Fantastisch abwechslungsreich<br />

präsentieren sich Mr. Smith und seine Mannen mit dieser<br />

Platte. Ein Zahnrad greift sauber und sicher in das Nächste,<br />

und hinzu kommt: Bei dieser Albumlänge (über 1 Stunde<br />

Musik!) sind nur zwei oder drei Songs vorzufinden, die es<br />

nicht hätten auf diese <strong>CD</strong> schaffen müssen, das beeindruckt<br />

mich. Unglaublich roh, wirklich abwechslungsreich und<br />

stets charmant, mit dem Punkrockerherz am rechten Fleck.<br />

Für mich das spannendste und universellste Punkrock-Album<br />

des Jahres. Unbedingt antesten! KK<br />

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HERESY - „1987“ DVD 16,9<br />

HOME OF THE LAME - „Here of all places“ LP/<strong>CD</strong> 11,5/15,-<br />

HOT GOSSIP - „Angels“ <strong>CD</strong> 11,5<br />

HOT SNAKES - „Thunder down under“ LP/<strong>CD</strong> 11,5/14,-<br />

I AM GHOST – “Lovers´requiem” <strong>CD</strong> 11,-<br />

JAN DELAY - „Mercedes dance“ 2LP/<strong>CD</strong> 17,5/16,5<br />

JOE LALLY – “There to here” LP/<strong>CD</strong> je 11,5<br />

JON SPENCER / DICKINSON - „Man who lives for love“ LP/<strong>CD</strong> 12,5/15,5<br />

KANTE - „Tiere sind unruhig“ 2LP/<strong>CD</strong> 17,9/16,9<br />

KATE MOSH - „Breakfast epiphanies“ LP/<strong>CD</strong> 11,5/13,-<br />

LAMBCHOP - „Damaged“ LP/<strong>CD</strong> je 14,90<br />

LOCAL OAFS - „Too dumb to reason“ LP 12,-<br />

LONELY KINGS - „End of forever“ <strong>CD</strong> 11,-<br />

LOST PATROL BAND – “Automatic” LP/<strong>CD</strong> 11,9/10,9<br />

MAJOR ACCIDENT – “Massacred melodies” <strong>CD</strong> 12,5<br />

MARKED MAN – “Fix my brain” LP/<strong>CD</strong> 11,5/14,-<br />

* MARS VOLTA - „Amputechtured“ 2LP/<strong>CD</strong> 18,9/16,9<br />

MINUTEMEN – “We jam econo” 2DVD 21,9<br />

MONSTERS - „It´s rock´n´roll“ 7“ 4,-<br />

MOTÖRHEAD - „Kiss of death“ LP/<strong>CD</strong> 12,5/14,9<br />

NARZISS - „Solang das herz schlägt“ <strong>CD</strong> 12,-<br />

NEW YORK DOLLS - „One day we´ll please us“ 2LP/<strong>CD</strong> 17,9/16,9<br />

NICK OLIVERI & MONDO GENERATOR - „Dead planet“ 2LP/<strong>CD</strong> 21,5/14,9<br />

* NOMEANSSNO - „All roads lead to ausfahrt“ <strong>CD</strong> 13,5<br />

ORDINARY ME - „Breathing is a reflex“ LP/<strong>CD</strong> 12,-/13,-<br />

P. PAUL FENECH - „The F word“ LP/<strong>CD</strong> 11,-/13,5<br />

PALE - „Brothers sisters bores“ LP/<strong>CD</strong> 12,-/15,-<br />

PEACHES - „Impeach my bush“ 2LP/<strong>CD</strong> 16,90/16,50<br />

PEARL JAM - „s/t“ 2LP 19,90<br />

PEEPING TOM - „s/t“ Picture-LP/<strong>CD</strong> 14,50/15,50<br />

PIPETTES - „We are the Pipettes“ LP/<strong>CD</strong> 15,50/14,90<br />

RADIO BIRDMAN - „Zeno beach“ LP/<strong>CD</strong> je 14,-<br />

RAPTURE - „Pieces of the people“ <strong>CD</strong> 14,9<br />

RED SPARROWS - „Every red heart shines“ 2LP/<strong>CD</strong> 19,5/15,5<br />

RETAINERS - „Lose it“ 7“ 4,8<br />

* RIPPERS - „Tales full of black soot“ LP/<strong>CD</strong> 10,-/12,-<br />

ROGER MIRET - „My Riot“ LP/<strong>CD</strong> 11,-/13,5<br />

ROOTS - „Game theory“ 2LP/<strong>CD</strong> 17,90/16,90<br />

* SAMIAM - „Whatever´s got you down“ LP/<strong>CD</strong> 11,-/14,9<br />

SEVEN SIOUX - „Argue again“ <strong>CD</strong> 13,9<br />

SHE-MALE TROUBLE - „Get off the hook“ LP/<strong>CD</strong> je 11,-<br />

SHOP FRONTS - „S/t“ LP/<strong>CD</strong> 11,5/13,5<br />

* SONIC DOLLS - „i´m a flower too“ LP/<strong>CD</strong> je 10,-<br />

STRIKE ANYWHERE - „Dead fm“ LP/<strong>CD</strong> 10,5/14,-<br />

SUPERSYSTEM - „A million microphones“ LP/<strong>CD</strong> 12,-/14,-<br />

TERRORGRUPPE - „Rust in pieces“ <strong>CD</strong> 14,-<br />

* THERMALS - „The body, the blood, ...“ LP/<strong>CD</strong> 11,5/14,5<br />

THESE ARMS ARE SNAKES - „Easter“ LP/<strong>CD</strong> 11,5/13,-<br />

THIS IS MY FIST - „A history of rats“ LP/<strong>CD</strong> je 12,-<br />

TRASHMONKEYS - „Favourite enemy“ LP/<strong>CD</strong>+DVD 13,5/17,5<br />

TURBO AC´s - „Live to win“ LP/<strong>CD</strong> 12,-/13,-<br />

TURPENTINE BROTHERS - „Get your mind of me“ 7“ 4,3<br />

WILLIAM E. WHITMORE - „Song of the blackbird“ LP/<strong>CD</strong> 16,5/15,5<br />

V/A - „Burn to shine portland“ DVD 13,5<br />

XIU XIU - „Air force“ LP/<strong>CD</strong> 12,-/14,-<br />

* YAKUZI - „One to all“ <strong>CD</strong> 10,5<br />

YO LA TENGO - „I am not afraid of you“ LP/<strong>CD</strong> 15,9/13,9<br />

Disc 1 der eher typische SADIES-Sound, zwischen Surf, Sixties-Pop<br />

und Country, passt man sich auf Disc 2 fast chamäleonhaft<br />

Mitmusikern wie Jon Spencer, Jon Langford oder<br />

Neko Case an, was „In Concert, Vol. 1“ schon alleine durch<br />

seine stilistische Vielfalt zu einem großartigen Erlebnis<br />

macht, dazu kommt der offensichtliche Spaß aller Beteiligten,<br />

der schnell auf den Zuhörer überspringt. Also bleibt nur<br />

zu hoffen, dass „Vol. 1“ nicht nur eine leere Versprechung ist<br />

und auch noch Vol. 2 folgt. (9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

SUPER DELUXE<br />

Surrender! <strong>CD</strong><br />

controlgroupco.com | <strong>Die</strong> vier Jungs <strong>von</strong> SUPER DELUXE<br />

sehen unglaublich jung aus, ich würde ihnen, um auf der sicheren<br />

Seite zu sein, kein Bier verkaufen. Doch der Schein<br />

trügt, mittlerweile sind sie gestandene Mittzwanziger, und<br />

„Surrender!“ ist tatsächlich ihr drittes Album. Seit 1997 sind<br />

sie in der Tat schon im Geschäft, sogar MTV zeigte damals<br />

häufig ihr erstes Video. Ist aber alles an mir vorbeigegangen.<br />

Natürlich drängt sich bei ihrem Sound eine Band als Referenzmodell<br />

auf: REDD KROSS. <strong>Die</strong> Brüder waren bei ihren<br />

ersten Releases auch kaum strafmündig, und haben dann<br />

nach viele Jahre erst zu ihrem zuckersüßen Powerpop gefunden.<br />

Und „Surrender!“ erinnert nicht selten mit den<br />

mehrstimmigen Harmoniegesängen und euphorisierten<br />

Gitarrenstürmen an genau das Spätwerk der MacDonald-<br />

Brüder. Also sie sind hier nicht allzu originell, aber wer zudem<br />

noch POSIES oder WEEZER schätzt, liegt hier bestimmt<br />

nicht falsch. Schönes Album für die letzten Sommertage jedenfalls!<br />

(7) Gereon Helmer<br />

SHERMAN ROBERTSON<br />

& BLUESMOVE<br />

Guitar Man – Live <strong>CD</strong><br />

R.J. MISCHO<br />

He Came To Play <strong>CD</strong><br />

crosscut.de | Traditionalisten der Neuzeit in bester Spiellaune!<br />

So könnte die knappe Zusammenfassung dieser beiden<br />

Blues-<strong>CD</strong>s aus dem Hause Crosscut lauten. Beide Alben<br />

verbindet der Hang zum puren, stürmischen und elektrifizierten<br />

Blues, beides sind Liveaufnahmen, die einen tiefen<br />

Einblick in die Seele dieser Musiker bieten. Mr. Robertsons<br />

Auftritt fand 2005 auf einem holländischen Blues-Festival<br />

statt, Mr. Mischo hingegen lud sich Freunde zu einer<br />

Session ins Studio ein. Beide sind hervorragende Solisten<br />

auf ihren jeweiligen Instrument und werden unterstütz <strong>von</strong><br />

eingespielten Backing-Bands, die für den nötigen Groove<br />

und Freiraum sorgen. S. Robertson spielt traditionelle<br />

Blues-Standards verbunden mit modernen Rockelementen.<br />

Zwar nicht immer originell oder neu, aber garantiert immer<br />

technisch perfekt, stürmisch und begeisternd. Eine solide<br />

Gesamtleistung und hörbar ein mitreißendes Tondokument,<br />

dass Blues auch noch in 21. Jahrhundert überlebensfähig<br />

ist. R.J. Mischo ist ein Purist der netteren Sorte, ein wenig<br />

„eigen“, was authentische und minimalistische Aufnahmetechniken<br />

angeht, aber sonst auch vollkommen auf der<br />

Höhe der Zeit. Ausgestattet mit einem wohltuenden, teilweise<br />

sehr bissigen Humor, werden hier aktuelle Themen<br />

verarbeitet und kommentiert. Authentischer geht es nicht.<br />

(7) Carsten Vollmer<br />

RONNIE SPECTOR<br />

The Last Of The Rock Stars <strong>CD</strong><br />

Laughing Outlaw | Veronica Bennett Spector, die First Lady<br />

des Girl Group-Genres, die Anfang der Sechziger im New<br />

Yorker Stadtteil Spanish Harlem im zarten Alter <strong>von</strong> 17 Jahren<br />

als Little Ronnie Bennet zusammen mit ihrer Schwester<br />

Estelle und ihrer Cousine Nedra die RONETTES gegründet<br />

hatte und den ultimativen Sixties-Bad Girl-Look<br />

(„the shortest mini and the highest hairdo“) bekannt gemacht<br />

hat, hat jetzt noch mal neuere Songs veröffentlicht<br />

und alle, ob jung oder alt, waren sie auf ein Gastspiel zu den<br />

Aufnahmen vorbei gekommen: Keith Richards, Patti Smith,<br />

Daniel Rey, ehemals Produzent der RAMONES, die UPTON<br />

HORNS, die RAVEONETTES und Nick Zinner, Gitarrist der<br />

YEAH YEAH YEAHS. Selbst der schwerkranke Joey Ramone,<br />

der ein großer Fan war, hat hier noch den Refrain für das<br />

Johnny Thunders-Cover „You can’t put your arms around<br />

a memory“ eingesungen. Wer kriegt da nicht den Blues!<br />

„The Last Of The Rock Stars“ enthält elf Tracks, die über einen<br />

Zeitraum <strong>von</strong> fast acht Jahren eingespielt worden sind.<br />

Anders als bei den RONETTES, deren Songs vom legendären<br />

und exzentrischen Producer Phil Spector, ihrem späteren<br />

Mann, im so genannten „Wall of Sound“-Verfahren aufgenommen<br />

worden sind, hat Ronnie hier die Stücke selbst<br />

ausgewählt und zum ersten Mal selbst im Produzentensessel<br />

gesessen. Das liebreizende, <strong>von</strong> Phil Spector geschriebene<br />

„Be my baby“, der größte RONETTES-Hit, ist heute, mehr<br />

als 40 Jahre später, einem abgeklärten „Never gonna be your<br />

baby“ gewichen. „Ode to L.A.“, ein mit viel Percussion und<br />

Background-Chören versehener, typischer Wall-of-Sound-<br />

Song, klingt mit seinen herrlichen Whoo-uh-woo-uh-ohs<br />

absolut nach RONETTES, ist aber im Original <strong>von</strong> dem dänischen<br />

Duo THE RAVEONETTES, die schon bei der Namensgebung<br />

ihren Heroinen Tribut gezollt zu haben scheinen.<br />

Dass auch die in die Jahre gekommene Ronnie immer<br />

noch Attitüde besitzt, zeigt sich zum Beispiel in der Art, wie<br />

sie „Someone has to pay the price, it’s not me baby“ im RA-<br />

MONES-Cover „Here today gone tomorrow“ singt. „Girl<br />

from the ghetto“, ein Song mit dezent eingesetzten Bläsern<br />

und autobiografischem Text über verletzten Stolz, ist dann<br />

ihre eigene, kleine Abrechnung mit dem, seit 2003 wegen<br />

Mordes an Lana Clarkson angeklagten Mister Spector, ihrem<br />

Ex-Mann: „... I hope your hell is filled with magazines / And<br />

on every page you’ll see a big picture of me / And under<br />

every picture a caption will be / Not bad for a girl from the<br />

ghetto like me“. Schön auch die Auswahl aller weiterer Coverversionen,<br />

sei es die im Duett mit Keith Richards eingesungene,<br />

alte IKE AND TINA TURNER-Nummer „Work out<br />

fine“ oder der alte Soul-Stomper „Hey sah lo nay“. Sei es<br />

„All I want“, ein Cover der mir unbekannten Singer/Songwriterin<br />

Amy Rigby, welches eine Midtempo-Ballade mit<br />

wunderschönen Back-Up-Vocals ist, oder der moody Rausschmeißer<br />

„Out in the cold again“, ein Song des schwarzen<br />

Künstlers Frankie Lymon, Ronnies Teenager-Idol und<br />

Freund, der in jungen Jahren an einer Überdosis verstorben<br />

ist. <strong>Die</strong> unverwechselbare Stimme <strong>von</strong> Ronnie Spector ist<br />

es jedoch, die diesen Coverversionen das gewisse Etwas gibt.<br />

Im Booklet gibt es neben vielen Ronnie-Fotos (ein Portrait<br />

zierte auch einige Jahre mein Wohnzimmer) ein Wiedersehen<br />

mit Brian Jones, John Lennon, Bo Diddley, Joey Ramone<br />

und anderen Rockstars. (42:36) (9) Matt Henrichmann<br />

SWAN LAKE<br />

Beast Moans LP/<strong>CD</strong><br />

jagjaguwar.com | Wollte man mir einen Sampler meiner<br />

aktuellen Lieblingsbands zusammenstellen – und dabei<br />

nicht auf den tollen Fat Cat-Labelsampler, der der PNG <strong>69</strong><br />

beiliegt, zurückgreifen –, das Album <strong>von</strong> SWAN LAKE würde<br />

es auch tun. Denn diese Band klingt manchmal wie ein<br />

Sammelsurium an Lieblingsbands und kann ANIMAL COL-<br />

LECTIVE und Co. sicher das Wasser reichen. <strong>Die</strong> locker fröhlichen<br />

Passagen erinnern fast durchweg an die New Yorker<br />

Weird-Folker, wenn spartanischer Noise-Pop zelebriert<br />

wird, klingt XIU XIU durch – doch wesentlich entspannter<br />

und nicht im Mindesten düster. Und wenn THE GOOD<br />

GOOD in ihrer Sängerin so etwas wie die weibliche Reinkarnation<br />

<strong>von</strong> Syd Barrett haben, dann ist er bei SWAN<br />

LAKE gleich in alle drei Bandmitglieder gefahren. SWAN<br />

LAKE säuseln mir in einem Moment irrsinnige, verträumte<br />

Akustik-Folk-Songs ins Ohr, klingen dabei so abgedreht<br />

und weltfremd wie Syd Barrett persönlich, betören mich<br />

im nächsten mit völlig schiefen Weird-Folk-Songs. Bei alledem<br />

könnte es sich auch um unveröffentlichtes Material<br />

des ANIMAL COLLECTIVE handeln, die Instrumentierung<br />

und der Einsatz einander überlagernder, dahinschwebender<br />

Echospuren sind fast identisch. <strong>Die</strong> ideale Mischung aus<br />

dem Besten des 60er Underground, der avantgardistischen<br />

Seite des Punk und dem Spannendsten, was aktuell an progressiver<br />

(Folk-)Musik aus den USA kommt. Unnötig zu erwähnen,<br />

dass die Aufmachung wunderhübsch ist. (48:41)<br />

(8) Chris Wilpert<br />

SLIGHTLY STOOPID<br />

Closer To The Sun <strong>CD</strong><br />

Stoopid/Reincarnate | Wenn die Sonne scheinen würde,<br />

wäre die <strong>CD</strong> unterhaltsamer. Glücklicherweise ist die enthaltene<br />

Musik nicht mehr ganz so schlimm, wie auf der reinen<br />

Akustikaufnahme, die ich vor drei Ausgaben besprechen<br />

durfte. Wie auch immer, die großen Vorbilder sind nach wie<br />

vor SUBLIME, aber an die ist nun mal schwer ranzukommen.<br />

SLIGHTLY STOOPID versuchen es mit einem Stilmix,<br />

der leichtfüßig zwischen Blues, Reggae, HipHop und Punk<br />

hin und her tänzelt. Leider schafft es die Band dabei nicht,<br />

irgendwo so anzuecken, dass dabei etwas hängen bleibt. <strong>Die</strong><br />

zwanzig Tracks weisen zwar technisch keine Mängel auf,<br />

sind für meinen Geschmack leider zu stromlinienförmig<br />

geraten. Ist wohl eher etwas für Besitzer <strong>von</strong> Strand- und<br />

Cocktailbars. Allerdings habe ich großen Respekt vor Musikern,<br />

die Pop-Appeal mit D.I.Y.-Kultur verbinden. Ich wäre<br />

ein ziemlicher Miesepeter, würde ich dafür weniger als fünf<br />

Punkte geben. (60:44) (4) Lars Koch<br />

SLAYER<br />

Christ Illusion <strong>CD</strong><br />

americanrecordings.com | Verrückte Welt: Zu der Zeit, als<br />

ich noch großer SLAYER-Fan war, galten sie in der Hardcore-Szene<br />

im besten Fall als tumbe Metaller, im schlimmsten<br />

aber als Nazis. Und heutzutage<br />

werden sie <strong>von</strong> Teilen<br />

genau dieser Szene abgöttisch<br />

verehrt, ihre Musik<br />

schamlos kopiert und<br />

alle Kontroversen, die immer<br />

wieder um SLAYER<br />

aufkamen, sind vergessen<br />

und vergeben. Aber darum<br />

soll es hier nicht gehen,<br />

sondern um SLAYERs<br />

neuntes reguläres Studioalbum<br />

„Christ Illusion“,<br />

das erste seit 1990 in Originalbesetzung<br />

mit dem zurück gekehrten Dave Lombardo.<br />

Und ja, „Christ Illusion“ ist eventuell wirklich die beste<br />

SLAYER-Platte seit „Seasons In The Abyss“ – kommt an diese<br />

und ihre beiden Vorgänger aber nicht ran. Was daran liegt,<br />

dass „Christ Illusion“ als Gesamtwerk zwar unglaublich intensiv<br />

und brillant ist, diverse einzelne Momente in den<br />

Stücken nicht minder grandios sind, aber herausragende<br />

Songs abermals fehlen. Damit keine Missverständnisse aufkommen:<br />

Musikalisch sind SLAYER hier so gut wie schon<br />

lange nicht mehr, der kleine Schritt „back to the roots“<br />

samt Erhöhung des Tempos macht sich da positiv bemerkbar<br />

(die modernen Elemente der letzten nicht voll überzeugenden<br />

Platten sind aber streckenweise noch vorhanden).<br />

King und Hannemann haben sich die denkbar brutalsten<br />

Riffs seit langem ausgedacht, Arayas Gebrüll ist immer<br />

noch herrlich fies und Lombardos Schlagzeugspiel natürlich<br />

über alle Zweifel erhaben. Aber einen Hit wie „Postmortem“,<br />

„South of heaven“ oder „Dead skin mask“ gibt es<br />

auch auf „Christ Illusion“ wieder mal nicht. Auf solch einen<br />

oberflächlichen Reiz mag es den meisten Hörern zwar nicht<br />

ankommen, mir ist so etwas aber nicht unwichtig. Den Hörgenuss<br />

schmälert das kaum, aber dadurch kommt „Christ<br />

Illusion“, wie gesagt, eben an die Glanztaten SLAYERs nicht<br />

ganz ran. Irgendwie schade ist auch, dass man SLAYER mittlerweile<br />

überhaupt nicht mehr ernst nehmen kann. Oder<br />

was soll man <strong>von</strong> einem Sänger halten, der als bekennender<br />

Christ eine Art Konzeptscheibe gegen Religion einsingt und<br />

ganz offen dazu steht, hier nur eine Rolle auszuüben? Aber<br />

er war/ist ja auch ein Freund des Pinochet-Regimes in Chile,<br />

da wundert sich ja auch keiner mehr drüber. Dennoch:<br />

„Christ Illusion“ ist eine ganz hervorragende Platte, das will<br />

ich nicht anzweifeln. (9) André Bohnensack<br />

SOLILLAQUISTS OF SOUND<br />

As If We Existed <strong>CD</strong><br />

Anti/SPV | Coole Scheibe, die sich nicht vor Experimenten<br />

scheut. Scheiße, das hört sich irgendwie dumm an. Ich<br />

will damit eigentlich nur sagen, dass sich auf „As If We Existed“<br />

Sounds finden lassen, die sich vom Standard in Sachen<br />

nordamerikanischer HipHop abheben. Okay, die SOLILLA-<br />

QUISTS OF SOUND machen nichts, was man nicht schon<br />

einmal gehört hat, aber die Zusammensetzung ist alles andere<br />

langweilig. <strong>Die</strong> Combo lässt einem kaum Zeit, über das<br />

Gehörte nachzudenken, es wirkt anfangs fast schon leicht<br />

überladen und versprüht über große Strecken eine angenehme<br />

Hektik. Nur an wenigen machen Stellen kann man<br />

<strong>von</strong> zurückgelehnter Atmosphäre sprechen, eine aufgekratzte<br />

Stimmung ist allgegenwärtig. Das einzige was für<br />

Entspannung sorgt, sind die Parts <strong>von</strong> Alexandrah und Tonya<br />

Combs, die es mit ihrem Gesang ermöglichen, dass Swamburger<br />

als MC Verschnaufpausen. bekommt. Auch inhaltlich<br />

ist die Scheibe vielen Kollegen meilenweit voraus, und ist<br />

somit eines der interessanteren HipHop-Alben, die ich in<br />

letzter Zeit gehört habe. (51:27) (7) Lars Koch<br />

SEDLMEIR<br />

Feelings <strong>CD</strong><br />

hauteareal.de/Cargo | Ganz ehrlich, die Platte hat alles,<br />

was mich normalerweise stört, und ihr fehlt, was ich sonst<br />

an Bands schätze – und doch fasziniert sie mich. Doch was<br />

rede ich da, „Band“, das ist ein One-Mann-Ding, eben der<br />

Herr Henning Sedlmeir, der mit Gitarre und Computer eine<br />

ganz eigene Art <strong>von</strong> Laptop-Rock betreibt, die alles hat, was<br />

auf coolen Studentenparties für gute Unterhaltung sorgen<br />

sollte. Doch da ist auch was, so ein enormer Trashfaktor, der<br />

mich genau daran wiederum zweifeln lässt, wo ich mir angesichts<br />

<strong>von</strong> Songs wie „Arschloch Tricks“ (schreibt man eigentlich<br />

immer noch mit Bindestrich, aber egal; gefällt wegen<br />

seines seltsamen Boykott-Textes à la „Ich kauf nicht<br />

beim Arschloch“), „Freier Mann“ (hier auf der <strong>CD</strong> zu hören<br />

und so cool wie bescheuert mit diesem Fake-Akzent) oder<br />

„Whitesnake, oi!“ (da ist allein schon der Titel grandios) das<br />

Grinsen nicht verkeneifen kann. <strong>Die</strong> Musik ist seltsam ungelenker,<br />

kantiger Rock mit Cheapo-Elektro-Effekten in reduzierter<br />

Version, der klingt wie aus dem Bausatz, aber der<br />

wegen der Verschmitzheit, mit der das alles rübergebracht<br />

wird, dann doch zu gefallen weiß. SEDLMEIER ist großmäulig,<br />

wortgewaltig und kantig, so eine Art Bastard aus SUR-<br />

ROGAT und Olli Schulz, Alleinunterhaltermucke für Langzeitstudenten-Absturzkneipen.<br />

(38:14) (7) Joachim Hiller<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

SHOKEI / KIDS EXPLODE<br />

Split <strong>CD</strong><br />

Altin Village/Mime | SHOKEI aus Bad Bocklet haben einst<br />

als Noiserocker begonnen, drifteten langsam in die NORTH<br />

OF AMERICA-Richtung ab und bieten nun auf dieser schön<br />

gestalteten Split sechs Lieder, die zwar tontechnisch verbesserungsfähig<br />

sind, stilistisch jedoch völlig überzeugen. Ein<br />

markanter Bass wird <strong>von</strong> verspielten Gitarrenarrangements<br />

umschmeichelt und ein hektischer Drummer wirft die romantische<br />

Liaison des Öfteren nichtsachtend über den<br />

Haufen. Doch, eine ganz feine Sache, diese Songs. Das Organ<br />

des KIDS EXPLODE-Sängers erinnert an Cedric <strong>von</strong> AT<br />

THE DRIVE-IN, wobei die Titel allerdings flüssiger und etwas<br />

gewollt arty sind, dafür aber weniger häufig ins Stakkato<br />

fallen. Gesanglich leistet die gesamte Gruppe Unterstüt-<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 86 22.09.2006 20:53:35 Uhr


zung und so klingen die Tracks ein wenig nach den HIVES<br />

im Jam mit einer Dischord-Band. Hochklassiger Split-Release<br />

für Freunde der gepflegten Schräglage. (25:11) (8)<br />

<strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

STREETSIDE PROPHET<br />

Talking To Walls <strong>CD</strong><br />

formula13.com | Kurze <strong>CD</strong>, melodischer Punkrock ohne<br />

große Schnörkel aus dem sonnigen Arizona. Zwar erfindet<br />

diese Band das Melody-Punk-Genre nicht neu, doch dafür<br />

sind die sieben Lieder eingängig und während der kurzen<br />

Spielzeit hat man sowieso keine Zeit, um sich zu langweilen.<br />

Jedoch klingt mir die ganze Veranstaltung einfach zu glatt<br />

und zu brav. Mehr fällt mir dazu auch gar nicht ein, was ja<br />

gewissermaßen für sich spricht ... (20:50) (4) Tobias Weber<br />

STAATSPUNKROTT<br />

Pimp My Riot <strong>CD</strong><br />

nix-gut.de | Erst einmal Respekt: welche Punkband kann<br />

schon so jung aussehen und sich trotzdem mit dem vierten<br />

Release schmücken. STAATSPUNKROTT sind vier Jungs<br />

um die 20, die auf den ersten Blick dem Jugendhaus einer<br />

Kleinstadt entsprungen sind. Auf den zweiten Blick sind<br />

aber doch schon Spuren eines eigenen Stils und Humor zu<br />

erahnen. <strong>Die</strong> Musik reißt mich nicht vom Hocker, mir fehlen<br />

die Energie und der Druck nach vorne. Alles in allem<br />

zwölf Tracks plus einen ganz netten Videoclip, die ich weder<br />

loben, noch hassen kann. (26:48) (5) Katrin Schneider<br />

SAROS<br />

Five Pointed Tongue <strong>CD</strong><br />

hungryeyerecords.com | Wenn ein Label wie Hungry Eye<br />

(PHANTOM LIMBS, THE VANISHING,BLACK ICE) eine<br />

Metalband unter Vertrag nimmt, dann ist eigentlich da<strong>von</strong><br />

auszugehen, dass sich diese auf eher unkonventionelle Weise<br />

dem Thema nähert oder zumindest in irgendeiner Form<br />

anders als andere Metalbands ist. Nun, auf SAROS aus San<br />

Francisco trifft das einerseits zu, anderseits aber auch nicht,<br />

denn die Musik der drei Herren und der Dame auf ihrem<br />

Debütalbum könnte klassischer nicht sein. Sie bedienen<br />

sich hauptsächlich am Thrash Metal der Achtziger, lassen<br />

auch ein wenig Death Metal, Doom und antiken puren Heavy<br />

Metal einfließen, Noise-, Hardcore- oder andere, genrefremde<br />

Einflüsse sind aber nicht zu finden. Insofern absolut<br />

konventionell, auch wenn eine Frau hier für den heiseren<br />

Gesang sorgt. Allerdings schaffen es SAROS, trotz dieser<br />

vermeintlich eindimensionalen Verwendung gängiger Metal-Schemata<br />

klischeefrei zu klingen, was sie im Endeffekt<br />

halt „anders“ macht. Erklären kann ich mir das nicht, aber<br />

die fünf Songs auf „Five Pointed Tongue“ – drei da<strong>von</strong> mit<br />

einer Länge um die zehn Minuten – sind sogar dazu geeignet,<br />

Metal-Hasser zuhören zu lassen, obwohl sie Metal pur<br />

sind. Damit sind sie LUDICRA nicht unähnlich, die auf ihrer<br />

Platte für Alternative Tentacles ebenfalls Metal für Nicht-<br />

Metaller gemacht haben. (7) André Bohnensack<br />

SKAFIELD<br />

Create Your Own Hell <strong>CD</strong><br />

leechredda.com | In Zeiten, in denen in denen unter deutschen<br />

Ska-Punk-Bands nun schon seit Jahren ein Wettbewerb<br />

zu laufen scheint, wer am kläglichsten daran scheitert,<br />

wie wahlweise RANTANPLAN, die MAD CADDIES oder<br />

SKA-P zu klingen, bringen SKAFIELD ihr drittes Album<br />

heraus und ich bin überrascht. Überrascht <strong>von</strong> der Band,<br />

dass sie prinzipiell kaum etwas anders macht, als auf ihrer<br />

allerersten Platte und überrascht <strong>von</strong> mir, dass ich das uneingeschränkt<br />

gut finde. SKAFIELD spielen schon eine ganze<br />

Weile schnörkellosen Ska-Punk, der in seinen besten Momenten<br />

an die großartigen LINK 80 erinnert. Einen neuen<br />

Sänger haben sie, aber der ist weder gewöhnungsbedürftig,<br />

noch herausragend besser oder schlechter als der alte.<br />

Sound und Songwriting sind ausgereifter, aber sie bleiben<br />

bei ihren Leisten und das wirkt, so paradox es klingen mag,<br />

erfrischend. Ska-Punk ist, auch ohne Experimente, ein musikalischer<br />

Bastard, der für sich allein schon schwierig genug<br />

zu meistern ist. SKAFIELD gelingt es. (40:37) (6)<br />

Ferdinand Praxl<br />

SKAFARI<br />

Still Wild And Thirsty <strong>CD</strong><br />

808records.ch | Das Review in der Version für junge Leser:<br />

SKAFARI sind eine tolle Ska-Band aus der Schweiz.<br />

Mit Gastmusikern <strong>von</strong> den TOASTERS, SPITFIRE und sogar<br />

den POGUES ist dieses Album über jeden Zweifel erhaben.<br />

<strong>Die</strong> Songs sind übrigens (fast) alle Coverversionen. Wenn<br />

ihr diese Scheibe auf eurer nächsten Party auflegt, macht<br />

ihr eindeutig klar, dass ihr Ahnung <strong>von</strong> cooler Musik habt,<br />

müsst aber trotzdem nicht auf lieb gewonnene Songs wie<br />

„Mighty Quinn“, „Believer“ oder „Smoke on the water“ verzichten.<br />

Einen HipHop-Song mit einem Schweizer MC gibt<br />

es als Bonus obendrein. Das Review in der Version für ältere<br />

Leser: SKAFARI sind eine Rock-Cover-Band mit Bläsern<br />

und Hausband des Churer Safari Beat Clubs, würden aber<br />

auch in jedem Bierzelt eine gute Figur abgeben. Kürzlich las<br />

ich in meiner Lokalzeitung einen Satz, der mir gut gefiel.<br />

Über einen Wissenschaftler und seine Errungenschaften im<br />

Bereich der Materialforschung hieß es dort: „Der Arbeit <strong>von</strong><br />

(...) gelang es völlig neue Zugänge zum Thema ‚Ermüdung‘<br />

aufzuzeigen.“ Ein wohl formuliertes Kompliment, das auch<br />

SKAFARI gut zu Gesicht stünde. (43:47) (5)<br />

Ferdinand Praxl<br />

SNOTTY CHEEKBONES<br />

Pop! <strong>CD</strong><br />

808records.ch | <strong>Die</strong> Eidgenossen <strong>von</strong> den SNOTTY CHEEK-<br />

BONES geben mit dem Albumtitel „Pop!“ gleich die Marschrichtung<br />

an. <strong>Die</strong> BEACH BOYS gucken bei den Bubblegum-Melodien<br />

fleißig um die Ecke und natürlich auch der<br />

gute Joe Queer (am Ende der <strong>CD</strong> wird konsequenterweise<br />

gleich das WHO-Cover der QUEERS gecovert, but it’s alright<br />

kids, if you know what I mean). Aber die SNOTTY CHEEK-<br />

BONES können auch anders und liefern zum Beispiel bei<br />

Song Nr. 6 einen charmanten BEATSTEAKS/CLASH Rip-Off<br />

und haben durch ihren eher cleanen, unverzerrten Gitarrensound<br />

allgemein einen ganz guten Wiedererkennungswert.<br />

Gerade im Augenblick, wo ich irgendwie das Gefühl<br />

habe/hatte, Pop-Punk würde aussterben, tut es gut, mal<br />

wieder so eine Platte wie „Pop!“ <strong>von</strong> den SNOTTY CHEEK-<br />

BONES zu hören. Und in der europäischen Liga der verbliebenen<br />

Bands des Genres belegen die Schweizer mit diesem<br />

Album locker einen Uefa-Cup-Platz. (35:37) (7)<br />

Bernd Fischer<br />

STARKWEATHER<br />

Croatoan <strong>CD</strong><br />

Candlelight/PHD | Der ehrwürdige Paul Romano, der<br />

schon Artwork für MASTODON, EARTH und GODFLESH<br />

entwarf, nahm sich auch „Croatoan“ an, Pierre Remillard<br />

hat produziert, da er schon bei CRYPTOPSY die Regler äußerst<br />

passend schob, und so bekamen diese Monstersongs<br />

ein würdiges Gewandt. Formiert hat sich die Band 1990,<br />

seit damals gab es zwei Alben und nach fünf Jahren ohne<br />

jegliche Aufnahmen darf man nun dem dritten im Bunde<br />

in Gänze sein Ohr schenken, vorausgesetzt man hält durch.<br />

STARKWEATHER sind ein Schmelztiegel verschiedenster<br />

Einflüsse, <strong>von</strong> INTEGRITY über NEW DAY RISING bis hin<br />

zu Devin Townsend, hört man viel Vertrautes, wobei es wohl<br />

meist eher so sein wird, dass STARKWEATHER die Inspiration<br />

gebende Kraft gewesen sein werden. Gastspiele gibt<br />

es <strong>von</strong> Liam Wilson <strong>von</strong> DILLINGER ESCAPE PLAN und<br />

Jim Winters, früher bei EARTH CRISIS und TURMOIL aktiv.<br />

Hier wird in epischer Breite geröchelt, Gitarrensoli sind<br />

gern gesehen, und wem INTO ANOTHER gesanglich gefallen,<br />

der wird auch mit dem cleanen Gesang der Gruppe aus<br />

Philadelphia klarkommen. (54:09) (8) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

SLEEP IN SILENCE<br />

At Last M<strong>CD</strong><br />

sleepinsilence.de | Oh yeah, Baby, wieder eine Band aus<br />

Münster, da stehe ich drauf. Ja, SLEEP IN SILENCE spielen<br />

diesen Sound, der hier aus jedem zweiten Raum des Probezentrums<br />

auf die leeren Straßen des alten Industriegeländes<br />

dröhnt: Emocore der harten Sorte. Geschrei und Gesang.<br />

Guter Bulle, böser Bulle. Das Erfolgsrezept für hier ansässige<br />

Kombos, um auch für die Bühnen außerhalb Westfalens gebucht<br />

zu werden. Da ist die Konkurrenz auch nicht so groß.<br />

Doch zurück zu SLEEP IN SILENCE: Sechs Songs sind drauf,<br />

auf ihrer zweiten EP „At Last“, die vor allem im Fankreis <strong>von</strong><br />

BOYSETSFIRE und WATERDOWN Freunde finden dürfte.<br />

Sänger Stephan kotzt sich Frust und Seele aus dem Leib,<br />

brüllt und schreit die Gitarren an, die derweil braten, was<br />

das Zeug hält. Obwohl ihr Stil nichts Besonderes ist, macht<br />

das Quintett so ziemlich alles richtig. Auf „At Last“ sowieso,<br />

aber auch im Netz. Sämtliche bisher aufgenommenen Songs<br />

der Band lassen sich kostenlos <strong>von</strong> ihrer Seite herunterladen,<br />

inklusive die der hier vorgestellten EP. Münster rockt.<br />

(18:10) (8) Arne Koepke<br />

SABERTOOTH TIGER<br />

Extinction Is Inevitable <strong>CD</strong><br />

goldstandardlabs.com | Ich muss zugeben, ich hatte Gold<br />

Standard Laboratories bis zu meinem Interview mit YEAR<br />

FUTURE-Mitglied und Labelgründer Sonny Kay nie für ein<br />

wirklich politisches Label gehalten, eher eines mit spinnertgenialer<br />

Künstlerattitüde. Doch die Bush-Zeit hat so manches<br />

geändert, wie mir scheint, und in den Chor der wohlbegründeten,<br />

sehr wütenden Kritiker stimmen auch SA-<br />

BERTOOTH TIGER ein, deren Namen als höchst metaphorisch<br />

anzusehen ist: Der Säbelzahntiger als extrem gefährliches<br />

Raubtier (ein Synonym für die USA?) starb trotzdem<br />

aus, und mit der unaufhaltsamen (Selbst-)Ausrottung, in<br />

diesem Fall: der Menschheit, beschäftigt sich das Album thematisch,<br />

findet sich zu diesem Thema im Booklet ein Essay<br />

<strong>von</strong> Noam Chomsky. Bassist Chris Burnett und Gitarrist Aaron<br />

Farley teilen sich bei diesem Trio aus Los Angeles den<br />

Gesangspart, und gleich drei Drummer kamen zum Einsatz,<br />

darunter auch Jon Theodore <strong>von</strong> THE MARS VOLTA, womit<br />

man mal wieder Familiensinn bewiesen hat. Der Sound<br />

der Band: treibender, komlexer, düsterer, wütender Hardcore,<br />

der mich an eine Mischung aus ARTICLES OF FAITH<br />

und STEAKKNIFE erinnert. Melodiöse, dunkle Parts treffen<br />

hier auf laute, kickende, und irgendwie hätte dieses Album,<br />

das textlich klar Stellung bezieht, aber keine Parolen runterbetet,<br />

auch sehr gut auf Alternative Tentacles erscheinen<br />

können, erinnert es mich doch phasenweise stark an RE-<br />

PORT SUSPICIOUS ACTIVITY. Definitiv ein Fall für Menschen<br />

mit gutem Geschmack abseits jeglicher Trends, und<br />

zwei Videoclips gibt es auch noch, unter anderem zu „Argentina“,<br />

in dem es um den <strong>von</strong> der Weltbank und IWF<br />

(mit)verschuldeten Kollaps des südamerikanischen Landes<br />

geht. (41:00) (9) Joachim Hiller<br />

SUBHUMANS<br />

New Dark Age Parade <strong>CD</strong><br />

alternativetentacles.com/Cargo | Ich war ja schon versucht,<br />

diese <strong>CD</strong> in meine Rerelease-Kiste zu packen, doch<br />

ein genauerer Blick offenbarte dann, dass es sich mitnichten<br />

um eine Zusammenstellung<br />

alten Materials<br />

der legendären Band aus<br />

Vancouver, Kanada handelt,<br />

sondern um ein ganz<br />

neues Album der 1978 gegründeten<br />

Formation um<br />

Frontmann Gerry „Useless“<br />

Hannah, die neben<br />

D.O.A. die wichtigste<br />

Band der lokalen Szene<br />

war und Leuchtturm-<br />

Funktion für die gesamte<br />

kanadische Punk-Szene<br />

hatte. Und vor allem beließ es Frontmann Hannah nicht bei<br />

verbalen Attacken auf die Gesellschaft, sondern schloss sich<br />

1981 einer Gruppe namens „Direct Action“ an, die bereit<br />

war, gewaltsam für Veränderungen einzutreten. Nach einem<br />

Anschlag auf eine Rüstungsfabrik wurde er geschnappt, zu<br />

zehn Jahren Haft verurteilt, saß da<strong>von</strong> fünf ab, schrieb aus<br />

dem Knast heraus Kolumnen für das MRR. <strong>Die</strong> Band machte<br />

unterdessen ohne ihn weiter, nahm nach dem wichtigsten<br />

Album „Incorrect Thoughts“ <strong>von</strong> 1980 mit „No Wishes,<br />

No Prayers“ 1983 noch ein weiteres Album für SST auf,<br />

mit Wimpy als Sänger, den man ja auch <strong>von</strong> seiner Zeit bei<br />

D.O.A. kennt, bevor die Band auseinanderbrach. 2005 dann<br />

fand man wieder zusammen, Wimpy singt, Hannah spielt<br />

Bass, Jon Card (unter anderem SNFU und D.O.A.) trommelt,<br />

und Mike Graham spielt wie einst Gitarre. In Kanada ist<br />

das Album auf G7 Welcoming Committee erschienen (die<br />

auch für das sehr an Winston Smith erinnernde Coverartwork<br />

verantwortlich sind), Gerry Hannah schrieb die meisten<br />

Texte, die meist klar politisch sind (etwa „Daisy cutter“<br />

oder „I got religion“), und musikalisch fühle ich mich<br />

bei den 14 Songs an eine Mischung aus D.O.A., SNFU und<br />

MDC erinnert, spielen die SUBHUMANS (die ja nur Laien<br />

mit den gleichnamigen Engländern verwechseln, aus denen<br />

unter anderem CITIZEN FISH hervorgingen) rauhbeinigen<br />

und doch melodiösen Punkrock im unteren Geschwindigkeitsbereich.<br />

Eine rundum gelungene Comeback-Platte, die<br />

ohne jeden Nostalgiefaktor zu gefallen weiß. (46:17) (8)<br />

Joachim Hiller<br />

SUFFOCATION<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

relapse.com | <strong>Die</strong> Death Metal-Untergrundlegende SUF-<br />

FOCATION ist wieder da. Aber, ABer, ABEr, ABER: Wenn ein<br />

Haufen begnadeter Instrumentalisten ein abgefahrenes Riff<br />

ans nächste reiht, kommen immer noch keine Songs bei<br />

raus, sondern Fragmente. Dazu ein überaus gewöhnlicher<br />

Growler und Shouter. Nur was für Technikfritzen, aber die<br />

werden gut bedient. (5) Dr. Oliver Fröhlich<br />

SPOOKSHOW<br />

Psychosexual Chapter 1 <strong>CD</strong><br />

Wolverine/Soulfood | <strong>Die</strong> schwedischen THE SPOOK-<br />

SHOW sind nun bei Wolverine Records gelandet, und da sie<br />

eine Horrorpunk-Band mit Female Vocals sind, gelten sie<br />

eh schon als Ausnahmeband in diesem Genre. Deshalb verlangt<br />

das Ganze schon einen tieferen Blick in die Welt <strong>von</strong><br />

SPOOKSHOW: Miss Behave hat eine schöne, kräftige und<br />

angenehme Stimme und weiß sich bei den dreizehn RA-<br />

MONES- und MISFITS-geschwängerten Songs durchzusetzen.<br />

Vor allem „Attack me from behind tonight“, „Send me<br />

an angel“ und „I can kill you in a heartbeat my dear“ sind<br />

wahre Reißer auf ihrer Debüt-<strong>CD</strong>. Sicher gibt es auch massig<br />

Ohhhhhs und Ahhhhs zum Mitgrölen und auf dem diesjährigen<br />

Wave-Gothik-Treffen in Leipzig haben sie mich auch<br />

live überzeugt. Sympathisch und spritzig! Wer auf den klassischen<br />

One-two-three-four-Horrorpunk steht, sollte hier<br />

zugreifen. (31:14) (7) Ross Feratu<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

SCISSORS FOR LEFTY<br />

Underhanded Romance <strong>CD</strong>/LP<br />

Rough Trade/Sanctuary | Bei „Underhanded Romance“<br />

kann man gut und gerne an ein halbes Dutzend Bands denken,<br />

bei denen die SCISSORS FOR LEFTY schamlos geklaut<br />

haben. Vielleicht erinnern sie aber eben einfach auch nur so<br />

an die eine oder andere Band. Offensichtlich ist auf jeden<br />

Fall die Parallele zu HOT HOT HEAT und THE FEVER. PINK<br />

GREASE und IMA ROBOT sind aber irgendwie auch auf<br />

manchen „Underhanded Romance“-Tracks auszumachen.<br />

Beeinflusst wurde die Truppe übrigens <strong>von</strong> THE CLASH, LED<br />

ZEPPELIN, KOOL AND THE GANG und STEVIE WONDER.<br />

Es wird nach den Referenzen wohl hoffentlich keiner mehr<br />

glauben, dass das Quartett aus Kalifornien auf den längst abgefahren<br />

Dance-Wave-Punk-Zug aufspringen wollte. War<br />

nie die Absicht, denn dafür bieten die SCISSORS eben einfach<br />

zu viel, was zu entdecken lohnt. Einige verdrehte Indie-<br />

Pop-Rock-Songs zum Beispiel, die oftmals ganz unerwartet<br />

eine Kehrtwende machen und am Ende da ankommen, wo<br />

man es nicht für möglich gehalten hätte. (44:48) (7)<br />

Manuel Möglich<br />

SKANKING SCUM<br />

Bombed <strong>CD</strong><br />

skankingscum.de | „Verdammt schneller Hardcore-Punk<br />

und rootsiger 60s Ska“ aus Niederbayern. Der Titeltrack ist<br />

mächtig – Bläsercore à la BLOW HARD. Der restliche Hardcore-Off-Beat-Punk<br />

hingegen ist langatmig und wenig innovativ,<br />

auch wenn die dunklen Arrangements mit Ideen<br />

(„Can’t ignore“) gespickt sind. Auf den Punkt gekommen<br />

hätte man hier einige knackige Songs in gerade Mal der<br />

Hälfte der Zeit als EP präsentieren können. (34:05)<br />

Simon Brunner<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

SOUTH<br />

Adventures In The Underground Journey To The<br />

Stars <strong>CD</strong><br />

Cooking Vinyl/Indigo | Das ganz hohe Niveau des schmissigen<br />

Openers „Shallow“ kann der Rest des dritten Albums<br />

des Trios zwar nicht halten, insgesamt ist ihnen mit „Adventures<br />

...“ aber eine mehr als gefällige Pop-Platte gelungen.<br />

Das Schwebende und zugleich Bodenständige ihrer Songs<br />

erinnert nicht selten an U2 oder NEW ORDER, landet dabei<br />

aber glücklicherweise nie in der Pathosfalle. Am ehesten<br />

lässt sich ihre Musik mit COLDPLAY vergleichen, die mit<br />

SOUTH gemeinsam haben, dass ihre Songs bei allen hörbaren<br />

Einflüssen angenehm eigenständig klingen und auch<br />

mal dick auftragen können, ohne aufdringlich zu werden.<br />

Das ist sofort eingängig, abwechslungsreich instrumentiert<br />

und produziert und kann allen, die zeitgemäßer Popmusik<br />

nicht abgeneigt sind, bedingungslos empfohlen werden.<br />

(48:38) (7) Christian Maiwald<br />

SONS OF CYRUS<br />

Trigger-Happy 12“/M<strong>CD</strong><br />

soundsofsubterrania.com | Irgendwie scheint es im Getriebe<br />

der famosen SONS OF CYRUS gewaltig geknirscht zu<br />

haben im letzten Jahr: „Trigger-Happy“, mit acht Songs eher<br />

eine Mini-LP als ein ausgewachsenes Album, wurde bereits<br />

2003 und 2004 eingespielt, aber erst jetzt veröffentlicht,<br />

und es würde mich schon wundern, wenn das nichts damit<br />

zu tun hätte, dass letztes Jahr Hauptsongwriter Loco Lopez<br />

die Band verlassen hat (seine neue Band heißt MURDER BY<br />

GUITAR). Wie auch immer, S.O.C. machen weiter, sind im<br />

November erneut auf Deutschlandtour, und da Loco bei den<br />

Aufnahmen hier noch mit dabei war, ist alles wie gehabt, zelebrieren<br />

SONS OF CYRUS in Perfektion ihren Sound zwischen<br />

Garage und Rock, zwischen RADIO BIRDMAN und<br />

HELLACOPTERS, ohne auch nur ansatzweise in irgendwelchen<br />

Genreklischees zu versinken. Eine vorzügliche Band<br />

mit einem Händchen für sweet-mitreißende Pop-Melodien<br />

– und ich bin jetzt mal auf die neuen Aufnahmen gespannt<br />

... (23:16) (8) Joachim Hiller<br />

STEVE TURNER & HIS BAD IDEAS<br />

New Wave Punk Asshole <strong>CD</strong><br />

funhouse-recordings.com/Cargo | Erstaunlich eifrig<br />

ist MUDHONEY-Gitarrist Turner auch außerhalb seiner<br />

Hauptband. Innerhalb <strong>von</strong> vier Jahren veröffentlichte<br />

er drei Alben und eine EP, plus die Aktivitäten mit MUD-<br />

HONEY, und das grandios betitelte „New Wave Punk Asshole“,<br />

dessen Titel man einfach mal unkommentiert in den<br />

Raum stellen (oder brüllen!) kann, ist dabei ein ganz anderes<br />

Kaliber als der titellose Vorgänger. Der hatte auch mal<br />

countryeske Momente, war so was wie ein typisches Soloalbum,<br />

doch keine Spur da<strong>von</strong> beim im heimischen Seattle<br />

mit und <strong>von</strong> Johnny Sangster aufgenommenen Nachfolger.<br />

Keine bekannten Gastmusiker diesmal, nur Drummer Kevin<br />

Warner war außer Turner, Johnny Sangster und Jim Sangster<br />

im Studio. Turner sang und spielte Gitarre, Sangster ist an<br />

der 12-saitigen Gitarre und der Farfisa-Orgel zu hören, und<br />

Jim Sangster spielte Bass. Das Ergebnis ist ein klassisches, mit<br />

16 Songs sehr lang ausgefallenes Sixties-Punk-Album mit<br />

prägnantem Orgeleinsatz, das in bester Northwest-Punk-<br />

Tradition steht, aber nicht auf übermäßigen Fuzzgitarren-Sound<br />

setzt, sondern mehr auf ausgefeiltes Songwriting,<br />

auf fröhliche, shakende Nummern an der Grenze zum<br />

Pop. Mein Favorit ist jedenfalls „I know you scorpio“ – und<br />

auch der Rausschmeißer „The end of the song“, der mich<br />

an Springsteens „My hometown“ erinnert, ist sehr schön.<br />

Nur wer nach New Wave-Punk sucht, der geht hier leer aus.<br />

(34:02) (8) Joachim Hiller<br />

SEWERGROOVES<br />

Rock’n’Roll Receiver <strong>CD</strong><br />

wildkingdom.se | Werde ich es schaffen, eine Rezension<br />

über die aus dem nordschwedischen Kiruna stammenden<br />

SEWERGROOVES zu verfassen, ohne jene andere schwedische<br />

R O C K-Formation zu erwähnen? Ich denke ja.<br />

„Rock’n’Roll Receiver“ ist bereits der fünfte Longplayer des<br />

Quartetts, und damit haben Frontmann/Gitarrist Kurt und<br />

seine Mitstreiter, die einst die Rekrutierung ihres Drummers<br />

Fredrik <strong>von</strong> dessen RADIO BIRDMAN-Kenntnissen abhängig<br />

machten, sich längst freigeschwommen vom Schwedenrock-Hype,<br />

der vor Jahren wie eine Grippe grassierte. Zusammen<br />

mit den nicht minder vorzüglichen SONS OF CY-<br />

RUS sind sie seitdem unterwegs, das weite Terrain zwischen<br />

THIN LIZZY, CHEAP TRICK, NEW YORK DOLLS und erwähnten<br />

RADIO BIRDMAN zu beackern, sind sie zu echten<br />

Meistern eines Sounds geworden, der erfreulich zeitlos<br />

ist und in dem sich längst die Spreu vom Weizen getrennt<br />

hat. Wundervoll straighte, trockene Gitarrenriffs treffen hier<br />

auf überschwängliche Melodien, treibendes Drumming auf<br />

rauhe und auch mal soulige Vocals, und unterm Strich ist<br />

„Rock’n’Roll Receiver“ so ein rundum gutes Album geworden.<br />

(33:48) (8) Joachim Hiller<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

TAR ... FEATHERS<br />

Make Way For TheOcean Floor<br />

To Fall To The Surface LP/<strong>CD</strong><br />

adagio830.de | Der Sound und auch der leicht<br />

exaltierte Gesang erinnern mich unweigerlich<br />

an THE ROBOCOP KRAUS, nur unprätentiöser,<br />

manchmal überschlägt sich der Gesang so-<br />

T<br />

gar schon so weit, dass mir XIU XIU in den Sinn<br />

kommt. TAR ... FEATHERS bauen ihre Songs wun-<br />

derbar langsam und detailverliebt auf, da ist auch immer<br />

eine Nähe zu Weilheim’schen und Morr Music-haftem Pop<br />

spürbar, aber ohne allzu viel Elektronik. Wer sich die Zeit<br />

nimmt, kann darauf viel Schönes entdecken. Wenn man<br />

auch nicht mittanzen kann, so bieten TAR ... FEATHERS uns<br />

eine Wohnzimmer-Pop-Version <strong>von</strong> Dance-Punk, und die<br />

gefällt. Fast schöner als die Musik der Schweden ist die Covergestaltung:<br />

auf gelbem Grund und blauem Tapetenmuster<br />

befinden sich rosa Herzchenhäschen, ich bin gerührt!<br />

(7) Chris Wilpert<br />

ALEXANDER TUCKER<br />

Furrowed Brow <strong>CD</strong>/LP<br />

alltomorrowsparties.co.uk/Rough Trade | Alltomorrowsparties<br />

Records ist definitiv eines dieser kleinen, unscheinbareren<br />

Labels – da sie selbst innerhalb der Szene nie<br />

die richtig tollen Sachen im Programm haben –, die aber<br />

dafür mit erstaunlicher Konstanz unspektakuläre Kleino-<br />

<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 087<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 87 22.09.2006 20:53:43 Uhr


de fabrizieren, in die der Hörer sich erst hineinhören muss.<br />

Und „Furrowed Brow“ ist definitiv eine Platte, zu der man<br />

in der richtigen Stimmung sein muss, oder sich <strong>von</strong> ihr in<br />

diese versetzen lassen kann. Alexander Tucker entwirft atmosphärische<br />

Klangteppiche, größtenteils auf der Akustikgitarre<br />

gespielt, manchmal auch mit monumentaler Instrumentierung,<br />

zu denen er mit seiner markanten, klaren<br />

Stimme sehr spärlich singt. Seine Hardcore-Wurzeln und<br />

auch die Zusammenarbeit mit Lärmkoryphäen wie Stephen<br />

O’Malley <strong>von</strong> SUNNO))) scheinen auf dieses völlig in den<br />

Dream-Folk abgedriftete Werk überhaupt keinen Einfluss<br />

geübt zu haben, mehr dagegen wohl die Begeisterung für Tapeloops<br />

in langen monotonen und psychedelischen Improvisationen<br />

im Stile <strong>von</strong> Bands wie JACKIE-O-MOTHERFU-<br />

CKER. Eine schöne, aber unaufregende, nur selten völlig abgedrehte<br />

Platte. (45:03) (6) Chris Wilpert<br />

TRAINWRECK<br />

s/t M<strong>CD</strong><br />

trainwreck.de | EAVES sind tot, ENGRAVE ebenso, dafür<br />

gibt es jetzt das Beste <strong>von</strong> beiden Bands als TRAINW-<br />

RECK auf die Ohren. <strong>Die</strong> verbliebenen Ex-Mitglieder beider<br />

Kapellen taten sich nach dem leider viel zu frühen Ableben<br />

der ehemaligen Hauptbands kurzerhand zusammen<br />

und konnten schon einige Ohren auf sich aufmerksam machen.<br />

Obendrein tourte man innerhalb kürzester Zeit durch<br />

Deutschland und Umgebung, weshalb man sicherlich schon<br />

einen gewissen Bekanntheitsgrad für sich verbuchen konnte<br />

bei Fans postalisch-vertracktem Hardcores mit Screamo-<br />

Einschlag. TRAINWRECK fangen praktisch da an, wo EN-<br />

GRAVE und EAVES musikalisch aufgehört haben, und ist somit<br />

eine konsequente Melange aus beiden. Wer also mit den<br />

verblichenen Kapellen was anfangen konnte, wird mit diesem<br />

feinen Appetizer der neuen Band definitiv nicht enttäuscht<br />

werden. Uwe Kubassa<br />

TAKE SHIT<br />

Neue Scheiße – alte Männer <strong>CD</strong><br />

nix-gut.de | Drei Typen aus dem Schwäbischen, zwanzig<br />

Stücke, eine <strong>CD</strong>: <strong>Die</strong> drei kommen nicht nur aus der Region,<br />

der NORMAHL entstammen, sie klingen auch noch so,<br />

wie sich die Deutschpunk-Klassiker anno 1981 anhörten.<br />

Rotzig-kurze Texte über Pogo und Saufen, über Nazis und<br />

das Arbeitsamt, dazu klassisch-schrammeliger Pogo-Punk.<br />

Unglaublich! Anfangs fand ich’s völlig stumpf, dann aber<br />

immer besser – ich kam mir vor wie in einer Zeitmaschine<br />

in meine Jugend (ging wahrscheinlich den drei Herren<br />

<strong>von</strong> TAKE SHIT ähnlich, so wie die aussehen). Wer auf alten<br />

Deutschpunk steht, sollte hier zugreifen! (6) Klaus N. Frick<br />

TWOPOINTEIGHT<br />

s/t <strong>CD</strong><br />

Muse Entity | Junge Band aus Stockholm. Musikalisch zwischen<br />

THE CLASH, RANCID und BOMBSHELL ROCKS einzuordnen.<br />

Haben es in Schweden schon bis auf MTV geschafft<br />

und gehen bald mit FLOGGING MOLLY auf Tour.<br />

Schön, und ich bin gelangweilt <strong>von</strong> so viel Durchschnitt.<br />

(42:36) (4) Paul Tackenberg<br />

TACKLEBERRY / CUT’N’RUN<br />

Split <strong>CD</strong><br />

tackebetty.de | Eine Split-<strong>CD</strong> <strong>von</strong> TACKLEBERRY aus Kiel<br />

mit den Russen CUT’N’RUN, die mit sechs Songs den Reigen<br />

eröffnen. Aber glaubt bloß nicht, dass der Fünfer einen<br />

Exotenbonus nötig hätte, die Zeiten sind längst vorbei.<br />

CUT’N’RUN spielen flotten, energiegeladenen Oldschool-<br />

HC amerikanischer Schule, mit ordentlichem Drive und<br />

angenehmem Gesang, teils auf Russisch, teils auf Englisch.<br />

Sehr gelungen. Dann folgen sieben Songs der Kieler TACK-<br />

LEBERRY, die ich mit ihrem Posicore live gleich ins Herz geschlossen<br />

habe. Eine junge Band voller Power und Wut, die<br />

aber ganz und gar nicht auf Spaß verzichtet. Und genau das<br />

demos<br />

AND I BLEED Demo 2006 <strong>CD</strong>-R<br />

andibleed.com | 2003: Vier Freunde - jeder spielt bereits in Bands<br />

seit er aufrecht gehen kann - beschließen gemeinsam ein Projekt<br />

zu gründen, für das vorerst kaum Zeit bleibt. 2006: <strong>Die</strong> zeitintensive<br />

Skapunkband zweier jener vier Freunde scheidet dahin, und<br />

AND I BLEED wird die Zeit gewidmet, die AND I BLEED verdient.<br />

Denn es gefällt was auf diesem Demo zu hören ist: Melodischer<br />

Indierock, eingängig wie punklastig, mit Hang zum Kreischcore.<br />

Frisch, fesselnd, gut. War Andis Gesang schon bei JAN FEAT.<br />

UDSSR unverkennbar, so sorgt dieser auch hier für Widererkennungswert.<br />

Auch textlich bleibt der Weg altbewährt: Politisch, sozialkritisch,<br />

persönlich. (16:43) (7) H.C. Roth<br />

BLOOD ATTACK Burn Out Of Ashes <strong>CD</strong>-R<br />

myspace.com/bloodattack | Nach langer Ruhe, und fast verblichenem<br />

Metalcore-Hype, tauchen ein paar Kerle auf, die das fordern,<br />

was ihnen, vielleicht sogar, zugesteht: <strong>Die</strong> Krone der Melacore-Sszene.<br />

Warum? <strong>Die</strong> Mitglieder haben früher bei Bands wie<br />

RISE ANEW, GOMMORHA und CREUTZFELDT gespielt, welche<br />

schon metallischen Hardcore gespielt haben, als die meisten Bollos<br />

noch WIZO-Fans waren. <strong>Die</strong> Band aus Neuwied/Koblenz erfindet<br />

hier das Rad nicht neu, aber die Aggression kommt hier<br />

nicht so ausgelutscht rüber und gerade live wird sich oft daneben<br />

benommen. Um nachdem man beim Sozialarbeiter verschissen<br />

hat, wenigstens noch bei den Damen einen positiven Eindruck<br />

zu hinterlassen, gibt es natürlich auch cleane Gesangsparts. <strong>Die</strong>se<br />

sind in meinen Augen das einzige Manko, da ich darauf wirklich<br />

nicht stehe, aber ansonsten bringen BLOOD ATTACK mal wieder<br />

frischen Wind in die Metal-Kaste des Hardcore. Timbo Jones<br />

BUTTPLUGS Plug & Play <strong>CD</strong>-R<br />

the-buttplugs.com | Ich bin überrascht; aufgrund des Bandnamens<br />

THE BUTTPLUGS hab ich dann doch was anderes als melodischen<br />

Garage-Rock erwartet, mehr so Asi-High Octane-Hi<br />

NRG-Schweinerock. Da ich zuletzt genanntes Genre nicht besonders<br />

bis gar nicht schätze, bin ich somit <strong>von</strong> den THE BUTT-<br />

PLUGS aus Konstanz sehr positiv überrascht! Auf „Plug & Play“<br />

finden sich fünf Garage-Rocker mit ansprechendem Songwriting,<br />

die Stimme ist durchaus rotzig und die Band geht im Großen und<br />

Ganzen eher mit durchgedrücktem Gaspedal zur Sache (um jetzt<br />

dann doch mal einen rockistischen Vergleich zu bemühen). Ein<br />

bißchen noch mehr Druck und einen schönen kratzigen Sound,<br />

dann kann auch gerne ein Longplayer der THE BUTTPLUGS folgen.<br />

Mein einziger Wermutstropfen: so ein Bandname ist meiner<br />

Meinung nach reine Effekthascherei und in diesem Fall sogar eine<br />

Vortäuschung falscher Tatsachen, Name und Musik passen einfach<br />

nicht zusammen! Da<strong>von</strong> abgesehen finde ich es persönlich so oder<br />

so nicht grade anmachend, beim Hören ständig an Anal-Pfropfen<br />

zu denken. Und eine Schocker-Band, bei der so eine Koketterie<br />

passen würde, sind die BUTTPLUGS dann doch nicht. Aber wie<br />

ihr meint, Jungs! (15:52) (6) Chris Virgo<br />

CYRCUS Another Phrase M<strong>CD</strong><br />

cyrcus.com | Oha! Da hätte ich der rheinländischen Band doch<br />

glatt unrecht getan wenn ich sie nur nach ihrem furchtbaren<br />

Bandfoto beurteilt hätte. Auf diesem entsteht nämlich schnell der<br />

Eindruck man hätte es hier mit der x-ten New Metal-Totgeburt zu<br />

tun und ein Einlegen des bereits dritten Lebenszeichen der Band<br />

nach ihrer Demo „Nu Enterteinment“ und des ebenso betitelten<br />

Albums widerstrebt einem. Alte Weisheiten verlieren anscheinend<br />

nicht so schnell ihre Bedeutung und so fällt mir das mit dem Buch<br />

und dem Umschlag ein. Nun zur Musik: CYRCUS machen durchschnittlichen<br />

Metalcore amerikanischer Art. <strong>Die</strong> Proktion ist fett<br />

und alle Protagonisten scheinen ihr Handwerk zu beherrschen.<br />

Ob CYRCUS jedoch irgendjemand braucht, ist die andere Frage.<br />

Sie erfinden das Rad nicht neu, machen ihre Sache aber souverän.<br />

Man wandelt auf ausgetretenen Pfaden. (5) Sebastian Wahle<br />

COLT s/t <strong>CD</strong>-R<br />

analogundehrlich.de | COLT aus Bochum schießen aus der Hüfte.<br />

Breitbeinig stehen sie da, und eins ist klar: <strong>Die</strong> dürfen das, denn<br />

088 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />

macht diese <strong>CD</strong>, einfach Spaß. Im direkten Vergleich mit<br />

CUT’N’RUN sind TACKLEBERRY wesentlich eigenständiger<br />

und drücken noch mal das Gaspedal durch, eine Band voller<br />

Spielfreude und jugendlicher Wildheit, ungestüm, wie<br />

oft nur die ersten Aufnahmen einer Band sind. Einzig der<br />

Sound ist ein kleiner Minuspunkt der <strong>CD</strong>, da er die unglaubliche<br />

Live-Power <strong>von</strong> TACKLEBERRY nicht wiedergibt, wobei<br />

er aber mit Sicherheit auch nicht schlecht ist ... Da das<br />

Teil auf dem Moskauer Label Karma Mira Records (diy.spb.<br />

ru) rausgekommen ist, würde ich erstmal den direkten Weg<br />

über TACKLEBERRY versuchen. Mehr da<strong>von</strong>! (33:12) (9)<br />

Dr. Oliver Fröhlich<br />

TEN VOLT SHOCK<br />

6 Null 3 LP/<strong>CD</strong><br />

x-mist.de/Broken Silence | Rund zwei Jahre nach dem titellosen<br />

Debüt ist jetzt das neue Album des Freiburger Trios<br />

erschienen, das schon damals den Liebhaber <strong>von</strong> AmRepund<br />

Touch & Go-Releases der frühen Neunziger erfreute.<br />

Du sagst Post-Punk, ich sag’ Noiserock, wir meinen dasselbe.<br />

Heiserer Gesang wird übersteuert und mehr verzweifelt<br />

als wütend herausgebellt, man hat sich auf einen fiebrigen,<br />

mahlenden Stakkato-Rhythmus geeinigt, und Bass und Gitarre<br />

wühlen sich mit einem sehr dichten, intensiven Sound<br />

voran, der allerdings, und das soll mein einziger Kritikpunkt<br />

sein, für meinen Geschmack etwas druckvoller sein dürfte.<br />

Positiv fällt einmal mehr auf, dass 10VS es auf begeisternde<br />

Weise schaffen, den einst <strong>von</strong> BIG BLACK, SONIC YOUTH<br />

und JESUS LIZARD geschaffenen und beispielsweise <strong>von</strong><br />

GIRLS VS. BOYS weiterentwickelten Sound am Leben zu erhalten,<br />

ohne ihn unnötigerweise um modernen Schnickschnack<br />

(gar Screamo-Vocals!) zu erweitern. Ein Genuss,<br />

dieses Album. (8) Joachim Hiller<br />

TWIGGS<br />

S/t <strong>CD</strong><br />

wildkingdom.se/Rough Trade | Ein rosafarbendes Cover<br />

mit Seifenblasen? Alles klar, es ist mal wieder soweit: Pop-<br />

Rock aus Schweden, unspektakulär und exakt gespielt. <strong>Die</strong><br />

TWIGGS handeln auf ihrem ersten Album routiniert zehn<br />

Bubblegum-Songs ab. Dabei zitieren sie geschickt viele Entwicklungsstufen<br />

moderner Rock- und Popmusik, greifen<br />

auf THE YUM YUMS und die RAMONES zurück. <strong>Die</strong> laut<br />

Info aus Allstars der schwedischen Musikszene zusammengesetzte<br />

Band kombiniert Nerven schonende Gitarren mit<br />

Melodien, die die Seele streicheln. <strong>Die</strong> sparsam eingesetzte<br />

Orgel sorgt für den Northern-Soul-Touch. <strong>Die</strong>se <strong>CD</strong> darf<br />

auch dann im Auto laufen, wenn man die Schwiegermutter<br />

zum Bahnhof bringt. Hoffentlich macht so viel Süßkram<br />

keine Bauchschmerzen. (30:06) (6) Arne Koepke<br />

TRASHCAN DARLINGS<br />

Getting Away With Murder <strong>CD</strong><br />

eastsiderecords.de | <strong>Die</strong> Norweger haben sich mit ihrem<br />

neuen Longplayer, dem Nachfolger <strong>von</strong> „Episode 1: The Lipstick<br />

Menace“, ja ganz schön Zeit gelassen, waren dafür aber<br />

fleißig auf Tour, speziell hierzulande, wo sich der gerne mit<br />

non-permanenter Gesichtsbemalung auftretenden Fünfer<br />

einige Fans erspielen konnte. War man in der Vergangenheit<br />

versucht, die auch lustiger Bühnenverkleidung gegenüber<br />

aufgeschlossenen Schätzchen eher in die Glam-Rock-Tonne<br />

zu packen, machen die musikalisch wie <strong>von</strong> der Attitüde<br />

her diesmal klar, wer und was sie sind: „Me punk, you fuck“.<br />

„Getting Away With Murder“ ist ein schnelles, kickendes<br />

Punkrock-Album geworden, die Band auch ohne MISFITS-<br />

Verehrung nebst entsprechender Frisur bestens dafür geeignet,<br />

sich im boomenden Horrorpunk-Genre wohlzufühlen.<br />

Hier etwas RAMONES, da eine Ladung NEW YORK DOLLS,<br />

das alles im Up-Tempo und schön scharf vorangepeitscht<br />

und mit dem ein oder anderen Hardrock-Riff versehen –<br />

nein, da beklage ich mich nicht. Genauso wenig wie über<br />

das Artwork sowie die Booklet-Fotos, die mit männlichen<br />

diese Band spielt Rock mit Ausrufungszeichen. Alte Schule mit<br />

modernem Sound. COLT haben einen Sänger, der die Klischees<br />

bedienen darf, weil er wirklich singen kann. <strong>Die</strong> Rhythmusfraktion<br />

ist toll eingespielt, der Sound der Band ist gut aufgenommen<br />

und – für ein Demo – <strong>von</strong> überdurchschnittlicher Qualität. Alternative<br />

Rock <strong>von</strong> heute habe ich mir weniger sexy vorgestellt.<br />

(14:03) (8)<br />

Arne Koepke<br />

DON KANAKOS s/t <strong>CD</strong><br />

donkanakos.de | Oft ist es ja so eine Sache, wenn sich Bands mit<br />

Dingen schmücken, die sie <strong>von</strong> anderen Bands ihres Genres unterscheiden.<br />

Meist bekommen diese Bands ihre Aufmerksamkeit<br />

nur durch diesen Unterschied, selten durch ihr Können. Hier einmal<br />

eine Ausnahme, denn: 1. DON KANAKOS machen türkischen<br />

Punkrock. 2. Das machen sie richtig gut. Seit 1998 fabriziert die<br />

Band aus der Nähe <strong>von</strong> Mannheim arschtretenden Punkrock-<br />

Mix, zwar nicht so originell, wie ich erwartet hätte, aber durchaus<br />

hörbar und pogogeeignet. (16:33) (5) Katrin Schneider<br />

DOTS s/t <strong>CD</strong><br />

the-dots.de | Ich wusste schon immer, dass in Dresden was geht.<br />

Muss eine tolle Stadt sein, gutes Wetter, sehenswerte Architektur,<br />

viele junge Menschen, eine positive Einstellung. Das pulsierende<br />

Leben quasi. THE DOTS aus ebenjener Elbestadt pulsieren auch.<br />

Zumindest im Beat. Sixties-Rock’n’Roll, der kräftig scheppert<br />

und knarzt. <strong>Die</strong> dünne Produktion dürfte gar nicht viel dicker<br />

sein, denn die orgeldominierten Dancefloorfiller <strong>von</strong> THE DOTS<br />

klingen sehr authentisch und sind vor allem: charmant. (11:35)<br />

(7) Arne Koepke<br />

HOWTWOBEATRAY ... And With A Sexy Smile <strong>CD</strong><br />

h2br.de | Ah, der Sänger ist ein Freund <strong>von</strong> LIFE OF AGONY –<br />

das erklärt natürlich Einiges. Bei ihrer Debüt-EP hatte ich mich<br />

noch über seinen (die Band wird es mögen) knödelndem Gesang<br />

gewundert, aber das Rätsel ist jetzt also geklärt. <strong>Die</strong> neue<br />

<strong>CD</strong> geht nun noch mehr in die Richtung lupenreinen Alternative<br />

Rocks, der mehr denn je vom ausladenden Gestus des Sängers<br />

geprägt und <strong>von</strong> daher für mich also weniger interessant ist, der<br />

aber Freunde <strong>von</strong> SOUNDGARDEN und ähnlichen Bands nicht<br />

enttäuschen wird, zumal Produktion und Songwriting weit über<br />

Demo-Niveau liegen. Auf der Homepage bestellbar für 8 Euro.<br />

(39:28) (5) Christian Maiwald<br />

KORTEX Parasit <strong>CD</strong><br />

orga@kortex-music.de | „Na super, da steht was <strong>von</strong> Band aus<br />

Wilhelmshaven, die schicken wir mal an Olli“, den alten Fischkopp.<br />

So, oder so ähnlich wird der Spruch gelautet haben beim<br />

Verteilen des Review-Materials. Ist ja auch logisch, da ich ja auch<br />

auf „maritimen Noisepunk mit leicht bluesigem Einschlag“ besonders<br />

stehe. Das jedenfalls waren meine Gedanken, als ich das<br />

Teil in der Hand hatte. Nach dem ersten Hören muss ich meinen<br />

ersten Eindruck leicht revidieren, denn „maritimer Noisepunk<br />

mit leicht bluesigem Einschlag“ gefällt mir auf einmal sehr gut,<br />

zumindest, wenn er mit so herrlich kranken Texten wie hier daherkommt.<br />

Besonders hervorzuheben sei hier „Das bisschen Folter<br />

(geht <strong>von</strong> ganz allein – sagt George Bush)“ nach der Melodie<br />

<strong>von</strong> Johanna <strong>von</strong> Koczians „Das bisschen Haushalt“, welches ganz<br />

großer Sport ist. Auch die Coverversion <strong>von</strong> Heinz Erhardts „Immer<br />

wenn ich traurig bin“ in einer Rumpelpunk-Version macht<br />

sehr viel Freude. Freunde schräger Musik mit gewöhnungsbedürftigen<br />

Texten, die ein Herz für Menschen haben, die einen an der<br />

Luke haben, sollten sich das hier in jedem Falle mal zu Gemüte<br />

führen. Oliver Willms<br />

KARTOONS Undelivered <strong>CD</strong>-R<br />

<strong>Die</strong>se <strong>CD</strong> gehört auf jeden Fall in die Demo-Sektion. Denn man<br />

kann wirklich nicht sagen, dass „Undelivered“ ein ausgereiftes<br />

Werk ist. <strong>Die</strong> italienische 60s-Mod-Combo schreibt zwar ziemlich<br />

feine Popsike-Songs, die Gitarren jingeln fröhlich vor sich<br />

hin, und ein mehrstimmiger Chorgesang verziert die meisten der<br />

Songs. Doch es klingt alles noch nicht wirklich fertig, die Arrangements<br />

sind wackelig und die Performance der Band ist alles andere<br />

als schwungvoll. Dass der Sänger nun wirklich kein Heldentenor<br />

ist, sei ihm nachgesehen. Aber es ist nicht unverschämt, wenn<br />

man behauptet, dass die KARTOONS vor der Studiosession besser<br />

noch ein paar Monate im Proberaum verbracht hätten. Das Songwriting<br />

allerdings ist schon ziemlich gut. Wenn die Songs entspre-<br />

Unterwerfungsphantasien spielen. <strong>Die</strong> letztendliche Frage<br />

ist dabei aber ja immer, wer bei den Herren Rockern zuhause<br />

das Sagen hat ... (39:36) (8) Joachim Hiller<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

TEN YEARS A DAY<br />

Länger schlafen <strong>CD</strong><br />

tenyearsaday.de | Das neue Album der Kasseler erscheint in<br />

Eigenregie. Außer dieser administrativen Änderung hat sich<br />

bei TEN YEARS A DAY aber wenig verändert. Und das ist gut<br />

so, weil die elf neuen TYAD-Songs erneut beweisen, dass die<br />

vier feine, gefühlvolle Punkrock-Songs schreiben. „Länger<br />

schlafen“ trägt eine HOT WATER MUSIC-beeinflusste Melancholie<br />

in sich, die in die teils schroff-punkigen Songs wie<br />

den Opener „Geisterstadt“ einfließt. Gleichzeitig durchzieht<br />

diese Nachdenklichkeit auch die ruhigen Passagen des Albums,<br />

in denen die Band etwas indielastiger klingt und die<br />

rauheren Albumstrecken kontrastiert. Zu dieser Fusion aus<br />

Punk, ruhigen Momenten und vereinzelten Rockeinflüssen<br />

passen die persönlich-politischen Texte der Band sehr gut,<br />

sie geben dem Album eine Tiefe, die gerade als deutschsprachige<br />

Band schwer zu erreichen ist. Ein gutes Album, dessen<br />

kratziger Sound in das Gesamtbild passt und den Songs zusätzlichen<br />

Charme verleiht. Punkrock- und Indiefans dürfen<br />

auflauschen, denn TEN YEARS A DAY klingen intelligenter<br />

denn je, ohne dass das Aus-dem-Bauch-heraus-Gefühl<br />

verloren geht. (40:42) (7) Lauri Wessel<br />

TOKYO DRAGONS<br />

Come On Baby M<strong>CD</strong><br />

escapimusic.com | Wer seinen Rock schön abgehangen<br />

mag, der kann hier bedenkenlos zuschlagen, sollte das aber<br />

schon in Albumform getan haben. Ich könnte jetzt hier die<br />

üblichen Namen in den Raum werfen, denke aber das Infovergleiche<br />

wie TEMPTATIONS meets TURBONEGRO (zum<br />

Titeltrack „Come on baby“, je einmal in Studio-, Liveversion<br />

und Videoclip enthalten) vielleicht etwas hoch gegriffen<br />

sind. Trotz Extradosis AC/DC vom Plagiat genauso weit weg<br />

(oder nah dran, je nach Sichtweise) wie der Rest der Kandidaten.<br />

<strong>Die</strong> Livetracks vom 2006er Hultsfred-Festival gehen<br />

<strong>von</strong> der Qualität her in Ordnung, die Non-Album-Tracks<br />

wissen schon, warum sie es nicht aufs Album geschafft haben,<br />

und das Video kann man sich durchaus anschauen. Fazit:<br />

für Fans und Einsteiger gleichermaßen. Und gerade<br />

beim dritten Durchlauf muss ich doch noch einen Vergleich<br />

anbringen: Mich erinnert das an die fabulösen NEW AME-<br />

RICAN SHAME. (23:37) (7) Tom Küppers<br />

TIGER BY THE TAIL<br />

s/t 2 <strong>CD</strong><br />

myspace.com/tbtt | Keine gute Idee irgendwie: Schon das<br />

erste Album der aus Melbourne, Australien stammenden TI-<br />

GER BY THE TAIL trug keinen Namen, und nun, da die Europa-Version<br />

des Debüts just raus ist (in Australien erschien<br />

es bereits im Sommer 2005), haben Dave <strong>Thomas</strong> (yep, der<br />

<strong>von</strong> BORED!) und Co. auch schon den Nachfolger am Start,<br />

den ich der besseren Unterscheidung wegen einfach mal als<br />

„s/t 2“ bezeichne. Innerhalb dieses Jahres haben TBTT ihren<br />

dicht gewebten Gitarrenrock-Sound noch weiter verfeinert,<br />

und wo ich mich ob gelegentlicher ausschweifender<br />

Gitarrenmetzeleien damals noch an DINOSAUR JR. erinnert<br />

sah, ist hier die SONIC YOUTH-Affinität unverkennbar<br />

(„Summertime at the beach“). <strong>Die</strong> vier Australier haben<br />

zwar ganz klar erkennbare (Punk-)Rock-Wurzeln, doch ein<br />

Song wie „Heavy metal days“ ist mit seinen zarten Melodien<br />

auch beinahe schon Pop, auf jeden Fall aber unwiderstehlich,<br />

ebenso „Accidental genius“, wo sich TBTT mit strangen<br />

Gitarreneffekten und Orgeleinsatz in einem spacigen Power-Pop-Instrumental<br />

verewigen. Ein erstaunlich eingängiges<br />

Album, voller skurriler Ideen, das zudem diesen gewissen<br />

Aussie-Charme hat. Bitte entdecken! (39:53) (8)<br />

Joachim Hiller<br />

chend kompetent vorgetragen wären, gäbe es wenig zu meckern.<br />

(7) Gereon Helmer<br />

LETTERS FROM A BROKEN HEART –<br />

Warning: Broken Hearts Can Lead To Death <strong>CD</strong>-R<br />

Myspace.com/LFABH | Viele schöne Ideen, die LFABH da auf<br />

ihrem Demo verbraten. Aber einiges an Können liegt hier noch<br />

brach, wird aber bei dieser sehr jungen Band sicherlich zu einem<br />

späteren Zeitpunkt abgerufen werden. Den Namen zu ändern<br />

wäre ein Anfang, einfach weil es „zu emo“ klingt und das wird<br />

der Musik einfach nicht gerecht. Weniger lange Titel für Album<br />

und Songs wählen hift sicher auch („griffiger“) und wie ich finde,<br />

ganz wichtig: <strong>Die</strong> Schrei-Passagen bitte weglassen. Klingt arg heiser<br />

und überzeugt wirklich nicht. <strong>Die</strong> Musik, wie Bandname und<br />

Titel vermuten lassen könnten, ist kein sich anbiedernder Emo für<br />

Kids, sondern erinnert eher an PIXIES, TELEVISION PERSONALI-<br />

TIES und sogar auch an THE CURE. Eben an ideenreich schrammelnde<br />

Indie-Bands aus der „Hall of Fame“. Wenn sich nun noch<br />

ein wenig mehr Erfahrung und etwas mehr Gespür für weniger<br />

dürftige Texte einstellen, wird Darmstadt über kurz oder lang eine<br />

verflucht coole Band mehr haben, da bin ich mir sicher. KK<br />

LA MONTE Here Comes The Skinny Roller <strong>CD</strong>-R<br />

tehoteardo.com | Eigentlich widerstrebt es mir, dieses Album<br />

zum Demo zu degradieren, denn dafür ist es viel zu gut, ja sogar<br />

wesentlich besser als so manches reguläre Album. Und um die<br />

Band gleich mal zu kategorisieren: ein Song heißt „Post-Rock“,<br />

vermutlich eher aus Ironie, wenn schon, dann würde ich das eher<br />

als Post-Pop bezeichnen. TIMID TIGER versuchen sich an einer<br />

ähnlichen Mischung aus Indierock und fiesen Synthiefiguren wie<br />

die drei Italiener, scheitern im Gegensatz zu LA MONTE allerdings<br />

kläglich. Letztere schaffen es sogar „Sexbeat“ souverän zu covern.<br />

Und der Song „Post-Rock“ schreit förmlich die Geburt eines neuen<br />

Genres heraus, das es leider schon gibt. (7) Chris Wilpert<br />

LIMBUS Demo MMVI <strong>CD</strong>-R<br />

enterlimbus.com | Und es gibt sie doch: Bands, die verflixt gute<br />

Demos machen. <strong>CD</strong>-Rs, <strong>von</strong> denen man begeistert ist und deren<br />

Komponisten man wünscht, ein großes Label hinter sich zu haben.<br />

LIMBUS aus Uppsala, Schweden, machen zwar nichts Neues, ihr<br />

energischer, melodischer Punkrock klingt aber unverbraucht und<br />

derart spielfreudig, dass mich diese vier Songs begeistern. Einflüsse<br />

früher BAD RELIGION werden hier deutlich, gleichzeitig erinnern<br />

die Catchyness und vor allem die sehr gute Produktion der<br />

<strong>CD</strong>-R an die SATANIC SURFERS und RISE AGAINST. Wirklich<br />

toller (Skate-)Punkrock mit Melodiegefühl und Energie. Saubere<br />

Leistung, weiter so! (13:07) (8) Lauri Wessel<br />

MACHETE Antithese <strong>CD</strong>-Rom<br />

machete-inferno.de | Das zweite Demo der Essener Thrashcore<br />

Band MACHETE bietet fünf selbstproduzierte Songs, die mal progressiv,<br />

mal thrashig und mal im Crossover-Stil daher kommen.<br />

<strong>Die</strong> durchweg deutschen Texte handeln <strong>von</strong> der Gesellschaft und<br />

der daraus resultierenden Wut und Verzweiflung. Rein musikalisch<br />

spielt die Band auf einem recht hohen Level, textlich ist es<br />

nicht immer jedermanns Sache, doch sprechen die Jungs das aus,<br />

was sie denken und was sie ankotzt: Realität und Wahrheit und<br />

bloß kein Blatt vor dem Mund. Mein einzig negativer Aufhänger<br />

ist die Stimme, die mich zwischendurch immer wieder nervt und<br />

mir einfach zu schrill rüberkommen. Aber nichts desto trotz haben<br />

sich MACHETE im Vergleich zu ihrem ersten Demo sehr gut<br />

weiterentwickelt. Bleibt zu hoffen, dass sie schnell einen Ersatzmann<br />

am Bass finden, damit wieder viele Shows gespielt werden,<br />

um die Songs unters Volk zu bringen. (17:25) (6) Ross Feratu<br />

MEMPHIS CREEPS The Ultimate Outlaw-Scum-<br />

Rock-Experience <strong>CD</strong>-R<br />

myspace.com/memphiscreeps | <strong>Die</strong> Marschrichtung der MEM-<br />

PHIS CREEPS ist durch den Demo-Titel klar, aber Spriteule und<br />

Drummer Andres erlaubten mir, das Ganze auch als „Westerkappeln<br />

Saufpunk“ zu deklarieren. Platt sind die sechs Songs aber keineswegs,<br />

vielmehr macht mir der dreckige, ungeschminkte Mitgröl-Streetpunk<br />

durchaus Spaß, da er mit Wumms eingespielt ist.<br />

Stumpfheit wird durch eine immer mal durchblitzende Leadgitarre<br />

vorgebeugt und bei „Satan on my trail“ wird sogar mal in<br />

MOTÖRHEAD-artige Uptempo-Gefilde vorgestoßen. Nach den<br />

MISSING SHADOWS mal wieder eine coole Band aus Osnabrück,<br />

ruhig mal antesten! (20:42) Bernd Fischer<br />

TAKE<br />

Dolomite <strong>CD</strong>/LP<br />

Bombed Out/Art For Blind | Schon das Debüt „Propeller“,<br />

welches 2002 auf Household Name Records erschien, fand<br />

ich äußert bemerkenswert, allerdings sind vier Jahre ohne<br />

Album eine lange Zeit, die mir das neue Label auf dem Promosheet<br />

etwas verkürzen möchte, indem man meint, dass<br />

die Band „Propeller“ erst 2003 aufgenommen habe, was<br />

mir allerdings aufgrund des Erscheinungsdatums schwierig<br />

erscheint. Tatsächlich machte man sich Ende 2001 an die<br />

Aufnahmen zu „Propeller“, aber die lange Abwesenheit hat<br />

dem Quartett keineswegs geschadet, auch wenn man sie im<br />

schnelllebigen Musikzirkus etwas zu kaschieren versucht.<br />

Der Opener „Leather jacket“ entschädigt das lange Warten,<br />

denn der Postcore <strong>von</strong> THE TAKE wurde kräftiger, zwingender<br />

und durch sympathische MUDHONEY-Anklänge ergänzt.<br />

Bei dreizehn Liedern ist es jedoch beinahe unmöglich,<br />

alle Songs stimmig und auf höchstem Niveau zu halten.<br />

Wieso nicht mal eine Single mit den stilistischen Ausreißern<br />

machen? Ja, ich bin Perfektionist, aber THE TAKE<br />

kommen meinem Anspruch verdammt nahe, wirklich ein<br />

Glanzstück, dieses Album. (45:18) (8) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

TRIBUN<br />

The Essence Insane <strong>CD</strong><br />

bombackrecords.com | Immer wenn ich lesen muss, dass<br />

Bands vorher Oldschool-Hardcore gemacht haben und sich<br />

nun soundtechnisch dem Metal zuwenden, hab ich den Eindruck,<br />

als meinten diese dann dadurch erfolgreicher sein zu<br />

können. Anbetracht der Masse an Releases im Genre Metalcore<br />

sollte klar sein, dass das nicht funktioniert – mit der Art<br />

Musik ohnehin nicht. Doch da<strong>von</strong> abgesehen wünsche ich<br />

mir manchmal, dass besagte Bands lieber weiter Oldschool<br />

gemacht hätten. Denn das, was auch bei TRIBUN aus Essen<br />

passiert, ist wie so vieles durchschnittliches Geballer, wie es<br />

beispielsweise auf dem Pressure-Festival um die Mittagszeit<br />

abgehalten wird. Ansatzweise erinnern mich TRIBUN an<br />

FEAR MY THOUGHTS, doch richtig überzeugen kann das<br />

trotzdem nicht. Überlegt euch das doch noch mal mit der<br />

„Oldschool-Karriere“. (27:38) (6) Carsten Hanke<br />

TRANSMISSION 0<br />

Memory Of A Dream <strong>CD</strong>/LP<br />

gokartrecords.com | Nachdem es recht still um die holländischen<br />

Nachbarn wurde in letzter Zeit kommt nun<br />

prompt der Nachfolger zum respektablen Debüt in die Läden.<br />

<strong>Die</strong> Band konnte sich erheblich steigern und liefert mit<br />

ihrem Zweitwerk ein Album der großen Emotionen ab. Das<br />

Coverartwork macht dabei der musikalischen Untermalung<br />

alle Ehre, denn genauso stürmisch wie die Wellen darauf<br />

sind auch die Kompositionen ausgefallen. Langsam bauen<br />

sich die einzelnen Songs auf und türmen sich zu einer<br />

druckvollen Soundwand auf, die einem keine andere Wahl<br />

lässt als da<strong>von</strong> mitgerissen zu werden und sich einfach treiben<br />

zu lassen. Der metallische Sound wirkt dabei unterstützend,<br />

um diese <strong>von</strong> leichten Keyboardpassagen getragene<br />

Atmosphäre zu unterstreichen. Hier wird nicht einfach den<br />

übergroßen Vorbildern nachgeefeiert, viel mehr zeigt man<br />

einigen überbewerteten Vertretern dieser Musiksparte, wie<br />

man imposante Landschaften mit epischen Songs erschaffen<br />

kann, ohne sich dabei in Selbstverliebtheit zu ertränken,<br />

geschweige denn in keiner einzigen Sekunde langweilig zu<br />

werden. Ganz großes Kopfkino! Uwe Kubassa<br />

TRÄSH TORTEN COMBO<br />

Abgelehnt <strong>CD</strong><br />

attackrecords.de | Bei Deutschpunk bin ich raus, schneller<br />

als jemand „Ey, haste mal’n Euro?“ sagen kann, und entsprechend<br />

misstrauisch betrachtete ich dann auch die <strong>CD</strong> der<br />

TRÄSH TORTEN COMBO, deren Artwork erst auf den zweiten<br />

Blick nicht mehr so übel aussieht. Ungehört weitergeben<br />

oder doch einen Versuch wagen ...? Okay, ab in den <strong>CD</strong>-<br />

METHANOL Demo MC<br />

No More Music, Alex Rippel, An der Allee 110, 55122 Mainz |<br />

Schlichter, ruppiger Deutschpunk aus Limburg, der klingt, als sei<br />

1981 die Uhr stehen geblieben. Das heißt in diesem Fall: schlichte<br />

Songtexte, schraddelnder Sound, räudiger Gesang – auf jeden Fall<br />

authentisch genug für die echten Fans der Richtung. Alle anderen<br />

sollten die Finger <strong>von</strong> der Kassette lassen; sie ist unterm Strich zu<br />

stumpf und eintönig. Bitte noch mal üben! (3) Klaus N. Frick<br />

MEAT BEAT <strong>69</strong> The Demo <strong>CD</strong>-R<br />

Kontakt: 0174-9233466 | Über MEAT BEAT <strong>69</strong> lässt sich nur wenig<br />

sagen. Ein Internetauftritt fehlt, ebenso ein Infoblatt. <strong>Die</strong> drei<br />

Songs dieses Demos sind aber auch kaum der Rede wert. Proberaummuffelige<br />

Soundqualität, viel Gebrüll, wenig Technik. Das<br />

holprige Songwriting ist eine ziellose Aneinanderreihung <strong>von</strong><br />

schnellen Riffs. Immerhin: <strong>Die</strong> Geschwindigkeit stimmt. MEAT<br />

BEAT <strong>69</strong> scheinen echte Punkrocker zu sein. Da<strong>von</strong> gibt es heutzutage<br />

ja nicht mehr so viele. (11:23) (2) Arne Koepke<br />

MONSIGNIORE BOOGALOU<br />

One Brain Four Souls <strong>CD</strong>-R<br />

myspace.com/monsignioreboogalou | Der Monsigniore ist eigentlich<br />

schon ein alter Hase im Business. <strong>Die</strong> späten Achtziger<br />

verbrachte er mit seiner ersten Band BLUMEN OHNE DUFT, wo<br />

er die Trommelstöcke schwang. Es lief ganz gut, ein paar Platten<br />

und eine Menge Auftritte, dann ein Break, eine neue Band (BU-<br />

DANGO 5), kein Deal, aber auch viele Shows. Auch das ging aber<br />

jäh in die Brüche, und der Monsigniore probierte es fortan als<br />

Einzelkämpfer. Und deshalb hat er alle Instrumente selbst gespielt<br />

und die Aufnahmen zum vorliegenden Demo in Eigenregie<br />

mit primitivsten Mitteln durchgezogen. Gar nicht schlecht. Wenn<br />

man keine allzu hohen Ansprüche an Soundqualität hat, wenn es<br />

nicht stört, dass es stellenweise arg rumpelt. Standout-Track ist<br />

auf jeden Fall „Dig it“, das mit dem verschleppten Handclap-Beat<br />

an Iggys „19<strong>69</strong>“ erinnert. Ansonsten klingt hier viel nach „Back<br />

From The Grave“-Teenage-Demenz-Songs, sehr simples Songwriting,<br />

und die Texte sind teilweise direkt <strong>von</strong> den SONICS gestohlen.<br />

Ein Lob für die ansprechende grafische Gestaltung des Demos!<br />

(7) Gereon Helmer<br />

ORAL FLIPPERS<br />

Tag und Nacht und Alles <strong>CD</strong>-R<br />

oralflippers.de | Erschien „Grüße aus dem Jammertal“, das Debütalbum<br />

der Gießener, noch bei Café Vinyl/Flight13, sind die ORAL<br />

FLIPPERS nun, wie es das Info so schön sagt, „aufgrund allgemeiner<br />

Knappheit an Ressourcen“ wieder auf Labelsuche. Und zu<br />

wünschen wäre ihnen da ein Fund, denn die fünf Songs auf „Tag<br />

und Nacht und Alles“ klingen sehr schön und ausgereift. Es gibt<br />

also melancholischen deutschsprachigen Punkrock mit einer gehörigen<br />

Portion Wut im Bauch und ziemlich persönlichen Texten.<br />

Fein schnell und doch immer mit eingängigen Melodien, brauchen<br />

Vergleiche zu Bands wie TURBOSTAAT, DACKELBLUT oder<br />

MUFF POTTER kaum gescheut werden. Ich drück die Daumen,<br />

dass es bald wieder ein richtiges Album gibt, denn die ORAL FLIP-<br />

PERS sind garantiert eine der besseren deutschen Punkrockbands.<br />

Übrigens: Warum hat das Wort „Emo“ eigentlich so einen unangenehmen<br />

Beigeschmack? Hier würde es super und völlig positiv<br />

gemeint passen! (14:51) Jan Eckhoff<br />

SAVANTS Demo <strong>CD</strong>-R<br />

kontakt@the-savants.de | Tübingen? COURT JESTERS CREW –<br />

aber die sind Geschichte und im Vergleich zu THE SAVANTS stinklangweilig.<br />

Das hier sind vier schmuddelige Kerle, die dreckigen<br />

Punkrock mit einem gehörigen Schuss Off-Beat und Hardcore<br />

präsentieren. Zudem Weltmeister im Kammblasen, machen sie<br />

der finnischen Humppa-Ikone ELÄKELÄISET Konkurrenz. Dunkle<br />

folkige Anleihen, melodischer Hardcore, mehrstimmiger Gesang<br />

und rasende Punkrock-Arrangements erinnern an Bands<br />

wie CONQUETTISH, MONSTER oder DISABILITY. Das alles dann<br />

auch noch vernünftig aufgenommen, was wäre das für ein Knaller.<br />

(23:47) (8) Simon Brunner<br />

SONGS FOR CARRY-ANN s/t <strong>CD</strong><br />

songsforcarryann.de | Wie schnell eine Band heutzutage an Aufnahmen<br />

der eigenen Musik kommt, ist ja bisweilen erschreckend.<br />

Tage nach der Bandgründung jagt ein Schnellschuss den anderen.<br />

SONGS FOR CARRY-ANN aus Wilhelmshaven ist auch eine junge<br />

Band, die es fix ins Studio trieb. Allerdings ist hierbei hörens-<br />

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Player, und dann die Überraschung: Kein Deutschpunk-Gerumpel,<br />

trotz Punk und deutscher Texte, sondern eine bei<br />

der Gründung 1996 zu 100 und heute immerhin noch 75<br />

Prozent weibliche Band aus Berlin, die ich als einzig legitime<br />

Nachfolger der legendären HANS-A-PLAST bezeichnen<br />

möchte. Unglaublich, wie man sich hier mal eben ins Jahr<br />

1980 zurückversetzt fühlt, musikalisch, textlich, die Grafik<br />

betreffend – und natürlich in erster Linie, was den Gesang<br />

<strong>von</strong> Frontfrau Anne anbelangt. Dabei hat man hier nicht das<br />

Gefühl, dass da eine Band plump und bewusst auf die Retro-<br />

Karte setzt, sondern dass man/frau eben einfach so klingt.<br />

Immerhin, auf ihrer MySpace-Seite nennen die BerlinerInnen,<br />

deren erstes Album das hier nach diversen Kleinformaten<br />

und Sampler-Tracks ist, erwähnte HANS-A-PLAST als<br />

klare Vorbilder, aber auch ARTLESS, NOTDURFT und BÄR-<br />

CHEN & DIE MILCHBUBIS sowie generell Sixties und Surfpunk<br />

nordamerikanischer Herkunft – ähnlich begeisternd<br />

waren/sind da nur die SHOCKS. Wirklich gut ist hier auch<br />

die Produktion, da rumpelt nix, trotz der eher simpel wirkenden<br />

Musik, und so bin ich <strong>von</strong> „Abgelehnt“ vollkommen<br />

begeistert, habe ich schon lange keine deutsche Punkband<br />

mehr in den Fingern gehabt, die so überzeugend an<br />

die Wurzeln des Genres hierzulande anknüpft. Schlimm nur,<br />

dass so all die miesen Bands noch schwerer zu ertragen sind,<br />

denn jetzt weiß man ja, dass andere es viel, viel besser können<br />

... (29:33) (9) Joachim Hiller<br />

TURN ME ON DEAD MAN<br />

Technicolour Mother <strong>CD</strong><br />

alternativetentacles.com/Cargo | Album Nr. 3 der Psyche-Rocker<br />

aus San Francisco ist wie der Vorgänger auf dem<br />

Label des Mannes erschienen, der einst mit LARD forderte<br />

„Seventies Rock must die“. Und jaja, Her Biafra, wir wissen,<br />

wie sich da argumentativ rauswieseln, <strong>von</strong> wegen, die hier<br />

meinten das ja irgendwie mit einer ironischen Distanz und<br />

würden nur zitieren und so. Ja, geschenkt, so genau nehmen<br />

wir das ja auch nicht, wir wollten es nur noch mal erwähnt<br />

haben, und außerdem sind TURN ME ON DEAD MAN, die<br />

mich hier auch immer wieder an die MELVINS zu „Houdini“-Zeiten<br />

erinnern, eben immer klar als Zweitverwerter<br />

erkennbar, spielen sie virtuos mit der Rockmusik zwischen<br />

„Bowie and Bolan“. Vorzüglichst produziert hat „Technicolour<br />

Mother“ der notorische Tim Green zusammen mit Eli<br />

Crews, das Album-Artwork ruft Bilder <strong>von</strong> jungen Männern<br />

mit Schnauzbärten und wallenden Langhaarfrisuren<br />

in bunten Schlaghosen-Overalls hervor, doch siegt hier<br />

letztendlich die Faszination über den Ekel, die Begeisterung<br />

angesichts perfekt ausgeführter Musik über eine natürliche<br />

Abneigung. Wem sich angesichts <strong>von</strong> MARS VOLTA und deren<br />

Prog-Gerocke bereits die Nackenhaare aufstellen, sollte<br />

hier direkt die Flucht ergreifen, wer aber die eigene Schamgrenze<br />

überwinden kann, der hat hieran eine Menge Spaß.<br />

Och, ist das alles schön bunt hier! Huuiiii! (49:48) (7)<br />

Joachim Hiller<br />

TEAMKILLER<br />

Bad Signs <strong>CD</strong><br />

Dead Serious | <strong>Die</strong> Stuttgarter haben sage und schreibe<br />

17 Songs plus Intro für ihr Debütalbum ausgetüftelt, und<br />

wer Scott Vogel <strong>von</strong> TERROR als Gastsänger für sein Frühwerk<br />

gewinnen kann, der hat gehörig was in der Hinterhand.<br />

TEAMKILLER haben in ihrer relativ kurzen Zeit als<br />

Band Dates in England und mehrere große internationale<br />

Festivals gespielt, etliche Clubs hierzulande beehrt und auch<br />

den Weggang <strong>von</strong> Gitarrist Chris Holt verkraftet, um nun als<br />

Quartett fokussierter zu arbeiten. Trotz des Pessimismus, den<br />

das Material ausstrahlt, spürt man eine enorme Spielfreude<br />

und diese durchdringt alle Lieder, die denen der neuen TER-<br />

ROR nicht unähnlich sind. Rasante Tempowechsel, mörderische<br />

Riffs, intelligente Texte, ein aufwendiges Booklet und<br />

bedachte Crew-Shouts machen „Bad Signs“ zu einem Paradealbum,<br />

wenn es um metallischen Oldschool-Hardco-<br />

werter Emocore aufgenommen worden, der mit kreativem Songwriting<br />

überzeugt. Ausgestattet mit griffigen Melodien und derbe<br />

heiserem Gesang, kommen die vier Songs dieser EP schnell auf<br />

den Punkt. Der Schlagzeuger muss wahnsinnig sein. Hört es euch<br />

an! (14:23) (8) Arne Koepke<br />

SICARIO Death Is Certain, Life Is Not! <strong>CD</strong>-R<br />

sicario.de | Oh weh, oh weh! SICARIO bestehen also aus Ex-<br />

Members <strong>von</strong> AOPRH (im Ernst, genauso steht das hier) und haben<br />

mit MADBALL- (<strong>von</strong> der „Hold It Down“, so was macht man<br />

einfach nicht!) und RYKER’S-Covern angefangen, wow! Und die<br />

Bühne geteilt mit Bands wie BIONYX, DENIED, HERBERTS ÄCH-<br />

TE und anderen, <strong>von</strong> denen ich noch nie gehört habe. <strong>Die</strong> Songs<br />

haben Namen wie „Hardcore unity“, „Face the truth“ und „Our<br />

fight“, und die Promo-Agentur kommt aus Finsterwalde! Wahnsinn,<br />

nach den Infos wollte ich die <strong>CD</strong> erst gar nicht anhören, hätte<br />

ich auch besser seinlassen, aber irgendwer muss sich ja opfern,<br />

und ich bin mal wieder der Dumme. Geboten wird, na? Wer<br />

kommt drauf? Grottigster Euro-Core beziehungsweise das Ganze<br />

soll wohl nach NYHC klingen. Selten was Unoriginelleres und<br />

lächerlicher Aufgezogenes gehört, aber ihr könnt ja mal auf sicario.de<br />

gucken. Sorry Jungs, aber ihr solltet 1. mal eure Promoschreiben<br />

überdenken, 2. mal um einiges origineller werden und<br />

3. vielleicht auch den Sänger wechseln. (18:54) (2)<br />

Fabian Dünkelmann<br />

TWO MINUTES APPEAR<br />

Defined Chaos Demo <strong>CD</strong>-R<br />

myspace.com/twominutesappear | Auf ihrer bereits dritten Veröffentlichung<br />

bietet die Hardcore - Combo aus Thüringen eine<br />

ziemlich abwechslungsreiche Mischung aus New School, Uptempo<br />

und durchaus kurzweiligen Moshparts. Irgendwie habe ich<br />

aber den Eindruck, dass TWO MINUTES APPEAR ihren Stil noch<br />

nicht vollkommen gefunden haben. Da ist mit Sicherheit noch<br />

eine Steigerung möglich. (12:48) (6) Robert Buchmann<br />

V.A. There Is No Way Out Vol. II MC<br />

thereisnowayout.de | Zweiter Teil des „There Is No Way Out“-<br />

Samplers, und den ersten fand ich echt ganz gut. <strong>Die</strong>se Nummer<br />

überzeugt mich nur bedingt. Nun ja, wenn so viele Bands auf einem<br />

Tape verbraten werden, ist da zwangsläufig nicht nur Licht<br />

dabei. Der Spaß kostet allerdings nur 1,00 EUR plus Porto und<br />

dafür kann man gerne reinschnuppern. Stilistisch ist die ganze<br />

Bandbreite dabei. Von straightem Punk geht es über metallischen<br />

Hardcore zu Thrash und so weiter und so fort. Mit dabei<br />

sind DESTROYER, THE DISTURBERS, WHAT NEVER DIES, PIAZ-<br />

ZA DROPOUT, GO! (ja, die GO! <strong>von</strong> früher ...), YACOPSAE, THE<br />

ITALLIAN STALLION, THE MISSING SHADOWS und viele mehr.<br />

Kommt mit A5-Beiheft. (6) Renke Ehmcke<br />

WE WILL FLY s/t <strong>CD</strong>-R<br />

wewillfly.de | <strong>Die</strong> fünf Songs <strong>von</strong> WE WILL FLY machen mir<br />

Spaß, weil sie rauh und ungeschliffen klingen und <strong>von</strong> frühen<br />

AFI- und RISE AGAINST-Alben beeinflusst sind. Dementsprechend<br />

sind die WWF-Texte sehr persönlich, was zu den gradlinigen<br />

Stücken passt, die teils <strong>von</strong> passenden Breaks unterbrochen<br />

werden. Außerdem erkennt man hier Ansätze <strong>von</strong> WWF, eigene<br />

Soundelemente zu entwickeln. <strong>Die</strong>se geschrieenen Gesangspassagen<br />

oder vereinzelten, düsteren Momente harmonieren gut mit<br />

dem punkigen Strecken und machen das Demo zu einem angenehmen<br />

Hörerlebnis. An ihren Melodien sollten WWF noch feilen<br />

und auch ihre Songstrukturen verfeinern, da<strong>von</strong> abgesehen, habe<br />

ich wenig zu meckern. (17:41) (6) Lauri Wessel<br />

YELLOW CAKE Fasten Your Seatbelt <strong>CD</strong><br />

www.yellowcake.eu | Wer macht heutzutage noch solche Musik?<br />

Grundsätzlich ist es mal wieder das gleiche Spiel: <strong>Die</strong> Musik ist<br />

scheinbar professionell gemacht, der Sänger kann singen, nur ist<br />

die Musik für mich total belanglos. Irgendwie Punkrock, irgendwie<br />

Pogo? Ich habe gerade das Bild vor Augen, wie sich eine Gruppe<br />

Dorfpunks im Kreis hin- und herschubst. Ob ich der Band damit<br />

Unrecht tue? (5) Sebastian Wahle<br />

re geht. Etwas außergewöhnlich ist der lange Anlauf, den<br />

sich die Band gönnt, aber ab dem fünften Song „Touched by<br />

the cursed“ gibt es kein Halten mehr. Ich freue mich defintiv<br />

auf die anstehenden Shows mit KILLING TIME und vielleicht<br />

sieht man sich dort. (34:18) (8) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

TURBO AC’S<br />

Live To Win <strong>CD</strong><br />

bitzcore.de | Es schien alles so gut eingerichtet in Turboland:<br />

Alle ein, zwei Jahre machen Kevin, Mike und Kevin<br />

ein neues Album und kommen zweimal im Jahr nach Europa<br />

auf Tour. So lief das<br />

seit einer halben Ewigkeit,<br />

Band und Fans waren zufrieden<br />

– nur Bassist Mike<br />

Dolan nicht, und so vollzog<br />

der Anfang des Jahres<br />

seinen Ausstieg. Doch so<br />

sehr sich die TURBO AC’S<br />

in den letzten Jahren dem<br />

Rock’n’Roll verschrieben,<br />

so wenig werden sie an<br />

ein Ende der Band gedacht<br />

haben. Nicht nur einen<br />

neuen Bassisten holten sie<br />

sich, sondern auch einen zweiten Gitarristen, und erfanden<br />

die Band so mal eben neu. Nicht dass die New Yorker mit<br />

ihrem fünften Longplayer „Avenue X“ langweilig geworden<br />

wären, sich eine Runderneuerung aufgedrängt hätte, aber<br />

jetzt, im Angesicht <strong>von</strong> „Live To Win“ (ein grandioser Titel,<br />

wie er perfekter nicht passen könnte) muss man schon feststellen,<br />

dass der frische Wind, den die beiden neuen (Tim<br />

Lozada, Bass; Jer Duckworth, Gitarre) den New Yorker Surfpunk-Rock’n’Rollern<br />

gut getan hat. Von der Stimmung<br />

her ist alles geblieben wie bisher, dominiert die markante<br />

Surfgitarre <strong>von</strong> Frontmann Kevin Cole nebst dessen rauher<br />

Stimme den Sound, doch ist der durch die zweite Gitarre<br />

etwas runder und voller geworden. Das sechste Album der<br />

TURBO AC’S begeistert so selbst einen alten Fan wie mich<br />

noch einmal ganz neu, ist eine Neujustierung, wirkt wie der<br />

Kick beim Einsetzen des Turboladers. Eine Band auf der Gewinnerstraße.<br />

(36:46) (8) Joachim Hiller<br />

Auf der <strong>Ox</strong>-<strong>CD</strong> zu hören.<br />

TRASHMONKEYS<br />

Favourite Enemy LP<br />

soundflat-records.de | Mit etwas Verzögerung zum <strong>CD</strong>-<br />

Release auf Lado erschien jüngst die Klappcover-Vinylversion<br />

des neuen TRASHMONKEYS-Albums, und so zitieren<br />

wir uns einfach selbst: Aus dem Untiefen der verschwitzten<br />

Sixties-Clubs und Mod-Weekender haben sich die Bremer<br />

TRASHMONKEYS schon seit ihrem in England hoch geschätzten<br />

Acid Jazz-Album (gemeint ist das Label, nicht die<br />

Musikrichtung) freigeschwommen. Und mit dem neuen<br />

Werk kann der Marsch Richtung Erfolg weiter gehen. Denn<br />

beim Songwriting hat sich eine Menge getan. Erstaunlich<br />

vielseitig geben sie sich auf dem 2006er Album vom glatten,<br />

Richtung Charts schielenden Opener „Attitudes In stereo“<br />

über Ray Davies-Zitate und beatleskes Material zu zeitgemäßen<br />

bollernden 80s-Dance-Punkern im rotschwarzgestreiften<br />

„Kaiser-Ferdinand“-Gewand spannt sich diesmal<br />

der Bogen. Orgelmann Offer Stock hat dabei leider deutlich<br />

weniger Einsätze auf der Hammond, es klingt alles etwas<br />

elektronischer. Alles in allem Musik, die wie gemacht ist für<br />

die Campus-Sommerfestivals dieser Welt. Kein schlechtes<br />

Album, aber ich gestehe, es gibt wenig zu hören, was wirklich<br />

originell wäre. Es wäre mir viel lieber, wenn Herr Wolfinger<br />

seine Energie mehr für sein erfolgloseres, aber viel<br />

charmanteres Projekt COOL JERKS einsetzen könnte. (6)<br />

Gereon Helmer<br />

UNLEASHED<br />

Midvinterblot <strong>CD</strong><br />

spv.de | UNLEASHED sind mir bisher immer<br />

nur als Autoaufkleber in unserem Parkhaus begegnet,<br />

legen aber mit „Midvinterblot“ bereits<br />

ihr achtes Studioalbum in 15 Jahren vor.<br />

U<br />

Aus dem Death Metal-Urgestein NIHILIST gingen<br />

ENTOMBED und eben UNLEASHED hervor,<br />

wobei letztere auf ihrem neuesten Longplayer weiter die<br />

Oldschool-Death Metal-Fahne hochhalten. Und das Ganze<br />

nicht einmal schlecht. Angenehm unaufdringliche, groovende<br />

Songs mit fetter Produktion und aggressivem Gesang,<br />

der kehlig, aber ohne nervigen Pathos daherkommt. Inhaltlich<br />

hält man sich überwiegend an die gute alte Wikingermythologie,<br />

die ich persönlich ungefähr mit 15 hinter mir<br />

gelassen habe, um mich dem Dschungel der Straße zuzuwenden.<br />

Mir fällt auf Anhieb keine Kombo ein, die wirklich<br />

ähnlich klingt und das ist ein gutes Zeichen ...Wer mal über<br />

den Tellerrand Richtung Death Metal schauen will, sollte<br />

UNLEASHED unbedingt antesten. Yo, das schockt. (46:29)<br />

(8) Dr. Oliver Fröhlich<br />

ÜBERFLÜSSIG<br />

Wir kommen noch früh genug zu spät! <strong>CD</strong><br />

Bellaphon | Schon lange habe ich mich nicht mehr so amüsiert!<br />

Weinen kann ich bei dieser Band nicht mehr, ÜBER-<br />

FLÜSSIG ist so unfassbar schlecht. Wie kann dieses Duo<br />

fast zehn Jahre bestehen, und dabei so gut wie keinen Ton<br />

treffen? „Hey ho let’s go“ hat bisher noch niemand so leidenschaftslos<br />

<strong>von</strong> sich gegeben. Und Auftritte mit SILBER-<br />

MOND, ex-NO ANGEL „Sandy“ und VANILLA NINJA zeugen<br />

<strong>von</strong> wahrer Größe. „Warum so negativ“ ist das einzige<br />

Stück der Platte, das nicht <strong>von</strong> Anfang bis Ende peinlich<br />

ist. Trotzdem hänge ich mir diese Platte an die Wand, damit<br />

ich jeden Morgen beim Aufstehen etwas zu lachen habe.<br />

(41:36) (2) Katrin Schneider<br />

UNEARTH<br />

III: In The Eyes Of Fire <strong>CD</strong><br />

Metal Blade | Es gibt wieder auf die Ohren <strong>von</strong> einem der<br />

besten Schlachtschiffe der Metalcore-Bewegung. Völlig zu<br />

recht bauen UNEARTH ihre Vormachtstellung, die sie sich<br />

2004 mit dem Meilenstein „The Oncoming Storm“ selbst<br />

schufe,n auf dem aktuellen Album aus und zeigen der Konkurrenz,<br />

wie man es richtig macht. Straighter denn je im<br />

Sound, bleibt <strong>von</strong> der ersten bis zur letzten Spielsekunde<br />

mal wieder keine Zeit durchzuatmen. Gewohnt bombastisch<br />

ist die Produktion, für die sich dieses Mal aber nicht<br />

der KILLSWITCH ENGAGE-Weirdo Adam Dutkiewicz verantwortlich<br />

zeichnet, sondern das Zepter an Terry Date (unter<br />

anderem PANTERA) weitergegeben hat, der das Beste<br />

aus den Jungs rausgeholt hat und nicht eine Unebenheit<br />

im dichten Soundteppich erkennen lässt. Keine Frage, diese<br />

Band weiß, wo sie hin will und was sie erreichen kann.<br />

Ich bin mir sicher, dass UNEARTH als eine der Wenigen den<br />

jetzigen Boom der Szene überleben werden und auch nach<br />

der Flut noch breitbeinig auf der Bühne stehen. Warum ich<br />

mir da so sicher bin? Wer die aktuelle <strong>CD</strong> ein paar Mal gehört<br />

hat, der weiß, was ich meine. Keine albernen Spiele-<br />

reien, keine Effekthascherei, sondern immer auf den Punkt,<br />

immer der richtige Zeitpunkt und nie langweilig. Das ist das<br />

Fundament, die Eckpfeiler, auf denen „III: In The Eyes Of<br />

Fire“ aufbaut und unumstößlich steht. Selbst ruhigere Songs<br />

im Stil <strong>von</strong> „Aries“ vom zweiten Album fehlen hier. Dafür<br />

punkten die Jungs mit dem instrumental Stück „Big bear<br />

and the hour of chaos“ und natürlich im Gesamteindruck.<br />

(44:01) (9) Tobias Ernst<br />

UNHOLY<br />

Awaken The Sleep M<strong>CD</strong><br />

silentstagnationrecords.com | „She’s alive ... yet dead! She’s<br />

dead ... yet alive!“ lautet eine Tagline des Horrorfilms „I Walked<br />

With A Zombie“ aus dem Jahr 1943, auf den UNHOLY<br />

aus Syracus, New York im Digipak ihrer EP verweisen. Und<br />

wenn man wie die ehemaligen und gegenwärtigen Mitglieder<br />

<strong>von</strong> Bands wie THE PROMISE, PATH OF RESISTANCE<br />

oder WHEN TIGERS FIGHT eine Mischung aus Hardcore<br />

und Metal spielt, macht es natürlich durchaus Sinn, aus einem<br />

Zombiefilm zu zitieren, schließlich weiß man ja auch<br />

beim Metalcore nie, ob er gerade als tot oder lebendig gilt.<br />

Da sich UNHOLY allerdings eher an traditionsbewussten<br />

Vertretern des Genres wie MOST PRECIOUS BLOOD orientieren,<br />

erweist sich dieses Debüt als quicklebendig und<br />

kerngesund und möchte spazieren gehen. <strong>Thomas</strong> Renz<br />

UZEDA<br />

Stella <strong>CD</strong><br />

Touch And Go | <strong>Die</strong> Zeiten, wo mich der Name Steve Albini<br />

in Verzückung versetzt hätte, sind schon etwas länger vorbei,<br />

dafür hat der Mann als Produzent an zu vielen mäßigen<br />

Platten mitgearbeitet. Und auch bei Touch And Go kann<br />

man sicherlich nicht mehr blind jede Platte kaufen, auch<br />

wenn hier auf jeden Fall schon mal das Artwork in ästhetischer<br />

Hinsicht für eine grundsätzliche Qualität bürgt. Allerdings<br />

habe ich unglaubliche Vorurteile, wenn europäische<br />

Bands, vor allem Italiener, so eine Form <strong>von</strong> Math-Rock<br />

produzieren, der natürlich, wie sollte es anders sein, deutlich<br />

an SHELLAC erinnert. Und auch wenn UZEDA schon<br />

etwas länger dabei sind – „Stella“ ist allerdings auch erst die<br />

dritte Platte –, fällt es schwer, sie als mehr als einen Klon<br />

des typischen Albini-Sounds wahrzunehmen. Dazu kommt<br />

leider auch noch erschwerend, dass die Sängerin Giovanna<br />

Cacciola wahnsinnig nervt, in ihrem Bemühen, wie P.J. Harvey<br />

und Björk gleichzeitig zu klingen. Grauenhaft! Als Instrumentalband<br />

würde ich mir den wuchtigen Sound <strong>von</strong><br />

UZEDA durchaus gefallen lassen, aber so gehen sie mir, etwas<br />

leger ausgedrückt, einfach nur auf den Sack. (4)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

UNTAMED<br />

... In This Together <strong>CD</strong><br />

Village Kids | UNTAMED, das heißt auf Deutsch soviel wie<br />

„ungezähmt“. Und der Name ist irgendwie auch passend gewählt.<br />

12 Jahre besteht die Band (nicht zu verwechseln mit<br />

den Rock’n’Rollern auf Heptown) nun schon und legt mit<br />

„... In This Together“ nach diversen EPs nun endlich ihr gelungenes<br />

Debütalbum vor. <strong>Die</strong> Band selbst bezeichnet ihren<br />

Stil als „Thrashcore“. Ich persönlich sehe da aber auch noch<br />

ein paar Anleihen an die Crossover-Zeit, beziehungsweise<br />

die guten alten BIOHAZARD. Selbst vor kleinen DJ-Einlagen<br />

– „Commitment to us“, um nur einen Song zu nennen<br />

– schreckt die Band nicht zurück, was dem Sound insgesamt<br />

aber sehr gut zu Gesicht steht und man sich so <strong>von</strong><br />

vielen eingefahrenen Gegebenheiten einfach frei macht.<br />

Auch inhaltlich gibt man sich genauso breit gefächert wie<br />

musikalisch und spricht offen Themen wie „Korruption“,<br />

„Hass“ und „Krieg“ an und in diesem Zusammenhang ist<br />

auf jeden Fall „Stalker“ zu nennen, ganz klar einer der besten<br />

Songs des Albums. Und „ungezähmt“ wie sie sind, gibt es<br />

neben den überwiegend englischsprachigen Songs mit „Illusionen“<br />

auch einen Beitrag in der deutschen Muttersprache,<br />

der mich mit einem Schmunzeln an SUCH A SURGE<br />

denken lässt. Natürlich ist auch das keine schlechte Referenz<br />

und so machen UNTAMED im Gesamteindruck echt Spaß<br />

und wer auf DISBELIEF steht, der sollte das hier zumindest<br />

mal gehört haben, denn stimmlich sind sich deren Sänger<br />

Carsten und UNTAMED-Shouter Chrischi auch relativ ähnlich.<br />

(44:42) (8) Tobias Ernst<br />

UNITED<br />

Slick <strong>CD</strong><br />

Noisedeluxe/Broken Silence | Schon im Frühjahr 2005<br />

wurde diese <strong>CD</strong> im eigenen Heimatland veröffentlicht,<br />

Dank Noisedeluxe kommt nun auch Deutschland in den<br />

Genuss, die Musik der fünf Schweden kennen und schätzen<br />

zu lernen. Hier werden Erinnerungen an die so genannten<br />

Post-Punk-Bands wach, genannt werden explizit JOY DIVI-<br />

SION, ECHO & THE BUNNYMEN und THE CURE. Anleihen<br />

an diese Phase sind klar vorhanden, jedoch ohne die melodramatische<br />

Todessehnsucht Ersterer und weniger Gejammer<br />

als bei Letzteren. Im Gegenteil scheint hier viel mehr<br />

positive Energie aus den Songs. Ich würde zu einer Einordnung<br />

bei NEW ORDER tendieren, zur Zeit ihres bestem Albums<br />

„Get Ready“, wenn schon unbedingt nötig. Auf alle<br />

Fälle ein Album mit dem Zeug zum ganz großen Wurf, was<br />

die Arrangements der Melodien angeht, verbunden mit der<br />

charismatischen Stimme des Sängers. Als Bonus enthält die<br />

<strong>CD</strong> noch einen im PC abspielbaren Videoclip der Band. Kämen<br />

UNITED aus Großbritannien, hätte sich die gesamte<br />

Musikpresse schon längst überschlagen vor Lobeshymnen.<br />

Schön, dass ich einer der Ersten sein durfte. (44:10) (8)<br />

Claus Wittwer<br />

UNDER BYEN<br />

Samme Stof Som Stof <strong>CD</strong><br />

Morningside/PIAS | UNDER BYEN entfalten in ihren zarten,<br />

sehr reduzierten, fast nur <strong>von</strong> Percussion getragenen<br />

Songs verträumte Kleinode, wie SIGUR RÓS es ähnlich machen<br />

oder Björk es immer wieder misslingt. Dabei bedienen<br />

sich die acht Dänen sehr dezent zahlreicher Schlagwerke,<br />

besonders gerne Xylophonen, und sehr selten sogar<br />

Streichern. Der einlullende Frauengesang erinnert dabei<br />

zwar stark an die oben genannten, ohne jedoch derartig<br />

dominierend wie Björk zu sein, stattdessen fügt er sich harmonisch<br />

in die langsam arrangierten, streckenweise pathetischen<br />

(aber nicht aufdringlichen) Stücke ein. Um nicht in<br />

die üblichen Klischees, die solche Musik immer evoziert, zu<br />

verfallen: <strong>Die</strong> verwendete „Phantasiesprache“ ist vermutlich<br />

Dänisch, und auch die Illusion weiter Landschaften, unberührter<br />

Natur mit Seen und Feen wollte sich bei mir nicht<br />

einstellen – vielleicht aufgrund meines zu geringen Drogenkonsums<br />

–, keinesfalls jedoch der Musik geschuldet, Begeisterung<br />

und ein Gefühl <strong>von</strong> Aufgehobenheit hat sie jedoch<br />

auf jeden Fall ausgelöst. <strong>Die</strong> ideale Platte, um mich an<br />

lauen Sommerabenden auf einen freundlichen Herbst vorzubereiten,<br />

oder ihn mir zumindest vorzustellen, während<br />

die Wettergeister draußen wüten und die Feen vertreiben.<br />

(53:30) (7) Chris Wilpert<br />

V<br />

VENUE KIDS<br />

A Piece Of Perfect Happiness <strong>CD</strong><br />

gain.se/Cargo | <strong>Die</strong> schwedischen VENUE KIDS<br />

hadern mit einem Problem, an dem gut 95 Prozent<br />

aller Debütalbum-Komponisten zu kauen<br />

haben: Man findet den eigenen Sound nicht.<br />

Zwar kann man die Band grob als melodische Rockband<br />

charakterisieren, die <strong>von</strong> den FOO FIGHTERS beeinflusst<br />

ist und an frühe GET UP KIDS erinnert. Eine eigene Note<br />

und damit das Händchen für wirklich gute Songs haben die<br />

VENUE KIDS aber noch nicht heraus gebildet. Unbeholfen,<br />

weil sehr stark kopiert, wirken die energischen Momente<br />

des Albums. Noch zu unsicher klingen die poppig-ruhigen<br />

Strecken. Ich habe das Gefühl, die Band scheut die Entscheidung,<br />

in eine klare musikalische Richtung zu gehen. Man<br />

darf auf Besserung beim zweiten Album hoffen. (37:12) (5)<br />

Lauri Wessel<br />

PHIL VETTER<br />

Say Goodbye To The Moment <strong>CD</strong><br />

Substanz Records/PIAS/Rough Trade | Phil Vetter hat<br />

schon viel versucht. Punkrock hat er gespielt, er war in einer<br />

Pop-Band, hat den Soundtrack zu einer BMX-Weltmeisterschaft<br />

geschrieben, hat viele „Projekte“ am Laufen gehabt.<br />

Nun endlich hat er die Nase voll, schließt sich ein mit seiner<br />

Akustikgitarre, schreibt ein Dutzend Songs und nimmt sie<br />

schließlich auf. Herausgekommen ist sein Solodebüt „Say<br />

Goodbye To The Moment“. Vetters Musik und seine Stimme<br />

klingen reif, älter wohl als der Thirtysomething, der er ist.<br />

Eine Hommage an Leonard Cohen, Nick Drake, Neil Young,<br />

Bob Dylan und ach, all die anderen Guten. Vetter spielt eben<br />

Musik für Erwachsene. <strong>Die</strong> jugendlichen Punker kann man<br />

damit jagen, die Alten dagegen kommen gelaufen, denn sie<br />

haben das Verständnis und den Bantam-Tabak, den sie drehen,<br />

während sie zuhören. Wissend grinsen sie über Songs<br />

wie „Pimp my ride“, schließlich ist man noch so jung, dass<br />

man weiß, was MTV ist. Frischer Saft aus den trockenen<br />

Wurzeln des Rock’n’Rolls: Minimale Instrumentierung,<br />

maximale Wirkung.. (37:53) (9) Arne Koepke<br />

VERSE<br />

From Anger And Rage <strong>CD</strong><br />

rivalryredords.com | Möglicherweise liegt es daran, dass<br />

ich den nicht umzubringenden Metalcore-Hype so abgrundtief<br />

hasse, dass bei mir Bands, die sich eher an der<br />

alten Schule orientieren, <strong>von</strong> vornherein gewonnen haben.<br />

Und an der alten Schule orientieren sich VERSE, mit<br />

ihrem bereits zweiten Album, auf jeden Fall. VERSE haben<br />

sich schon die Bühne mit so wohl klingenden Namen wie<br />

CHAMPION, HAVE HEART, THE FIRST STEP und ja sogar<br />

mit den <strong>von</strong> mir überaus geschätzten INSTED geteilt. Wer<br />

jetzt noch eine Prise TEN YARD FIGHT dazugibt, der weiß<br />

im Übrigen ziemlich genau in welcher Schnittmenge sich<br />

VERSE bewegen. Track für Track durchaus melodischer sXe-<br />

Oldschool, ohne besondere Schnörkel, also so wie Man(n)/<br />

Frau das eigentlich hören will. Gegen Ende des Albums<br />

kommt mit „Lost“ dann aber doch eine eher nervige Midtempo-Nummer,<br />

die das eine oder andere Gähnen aufkommen<br />

lässt. Überhaupt, ein bisschen weniger Pathos da und<br />

dort, wäre vielleicht mehr gewesen. <strong>Die</strong> musikalisch durchaus<br />

vergleichbaren THE FIRST STEP machen das auf ihrem<br />

letzten Album „What We Know“ vielleicht noch eine Spur<br />

besser. Trotzdem, „From Anger And Rage“ ist eine wirklich<br />

solide Platte, da gibt es wirklich nichts zu meckern. (25:01)<br />

(7) Robert Buchmann<br />

VOICE<br />

Album Plus <strong>CD</strong><br />

DSS /Cargo | Nachdem kürzlich auf DSS erst eine Art Retrospektive<br />

der Band mit dem Titel „Complete 1983-1989“<br />

erschien, gibt es nun erstmals wieder neues Material der<br />

Berliner THE VOICE. Logische Veränderung gegenüber den<br />

alten Sachen ist natürlich die Tatsache, dass die Jungs mittlerweile<br />

natürlich einfach besser spielen können und die<br />

Produktion auch um Längen professioneller klingt. Stilistisch<br />

reden wir hier <strong>von</strong> melodischem 80s-Streetpunk im<br />

englischen Stil. Ich werfe jetzt einfach mal den Namen THE<br />

CRACK in den Raum, das war so eine unmittelbare Assoziation.<br />

Neben den neuen Songs, <strong>von</strong> denen bei mir am<br />

meisten „Three chords“ und „Renee Renee“ hängen geblieben<br />

sind, gibt es auch die ein oder andere Coverversion.<br />

„Yesterday’s heroes“ liegt ja noch nahe. Aber wie kommt<br />

man bitte auf die Idee „Let me entertain you“ <strong>von</strong> Robbie<br />

Williams zu covern? Okay, für die ausgefallene Idee gibt es<br />

auf jeden Fall 10 Gummi-Punkte, aber ich glaube, ich mag<br />

das Lied einfach nicht. (27:49) (7) Claudia Luck<br />

VOLT<br />

Rörhät <strong>CD</strong><br />

Exile On Mainstream/Southern | Es ist vollbracht: VOLT<br />

haben ihren ersten Longplayer am Start und dieser ist eine<br />

Standortbestimmung in Sachen Noiserock. Einerseits Oldschool<br />

as hell, andererseits zeitlos frisch präsentiert sich<br />

das Chemnitzer Trio auf dem neun Stücke fassenden Werk<br />

„Rörhät“ – der Titel deutet auf ihre frühere, acht Jahre währende<br />

Schaffensperiode hin, die sie unter dem Namen RO-<br />

ERHEDDS bestritten. Berührungspunkte zu dieser sind nach<br />

wie vor gegeben: Seinerzeit veröffentlichte man bereits eine<br />

komplette Scheibe auf bluNoise, und auch „Rörhät“ entstand<br />

wieder im Studio <strong>von</strong> Guido Lucas, den man getrost<br />

als deutsches Pendant zu Steve Albini betrachten kann. Und<br />

weil dieser sein Handwerk versteht und die Band schon<br />

seit Anbeginn kennt, musste zwangsläufig eine präzise und<br />

klanggewaltige Aufnahme folgen. Und VOLT setzen da an,<br />

wo die ROERHEDDS seinerzeit aufhörten, und wo die MEL-<br />

VINS vor mehr als zehn Jahren zusammen mit Bands wie<br />

UNSANE oder JESUS LIZZARD brachial den Weg bahnten.<br />

Ihr Sound klingt so erfrischend, als ob das legendäre Amphetamine<br />

Reptile-Label nie seine Pforten geschlossen hätte.<br />

Verschachtelter Rhythmus, wütender Gesang und präzise<br />

Bassläufe liefern sich ein Stelldichein und zeugen <strong>von</strong> einer<br />

hierzulande einzigartigen Musikalität, die diese Herren<br />

an den Tag legen. Und nachdem dies vor allem live bleibende<br />

Eindrücke hinterließ, hat man nun auch die Chance, sich<br />

den brachialen VOLT-Brecher zu Hause zu gönnen. (36:36)<br />

(10) Frank Nice<br />

VCR<br />

Power Destiny <strong>CD</strong><br />

Side One Dummy | <strong>Die</strong> Einstands-EP des für Richmond<br />

recht untypischen Quintetts mit drei Keyboards und Rhythmussektion<br />

fand reichlich Beachtung, da VCR eben ein Unikum<br />

sind. Das Full-Length-Debüt „Power Destiny“ bietet<br />

nun bedrohliches Nintendo-Gepiepse und Synthies bis<br />

zum Abwinken und liegt damit irgendwo zwischen innovativ<br />

und leicht nervtötend. Handwerklich zwar über jegliche<br />

Kritik erhaben, stilistisch allerdings eine Geschmackssache.<br />

Vielleicht hätten es zwei Keyboards auch getan, denn<br />

bei dreien werden meine Umrisse zusehends eckiger und<br />

ich fühle mich wie Super Mario auf der Suche nach Luigi.<br />

Wer absolut in Synthies vernarrt ist, wird das Album lieben,<br />

vielen wird es aber wohl zu freakig sein. (38:23) (6)<br />

<strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

NICKY WIRE<br />

I Killed The Zeitgeist <strong>CD</strong>/LP<br />

Red Ink/Rough Trade | Bei Soloalben stellt<br />

sich oft die Frage nach der Bedeutsamkeit<br />

und dem Warum. Bei Tim Barry <strong>von</strong> AVAIL<br />

überraschten mich auf „Laurel St. Demo<br />

W<br />

2005“ noch die klassischen Folk-, Country-<br />

und Rockelemente. Bei Nicky Wire,<br />

dem Bassisten der MANIC STREET PREACHERS, war ich<br />

gespannt, schließlich klingt der Albumtitel „I Killed The<br />

Zeitgeist“ sehr anspruchsvoll. Während einer zweijährigen<br />

<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 089<br />

060-091<strong>Ox</strong>68.indd 89 22.09.2006 20:53:53 Uhr


MSP-Auszeit entstanden, spielt Nicky Wire auf „I Killed The<br />

Zeitgeist“ (wie auf einem Soloalbum eigentlich auch üblich)<br />

jedes Instrument selbst, bis auf das Schlagzeug, welches<br />

<strong>von</strong> Koproduzent Greg Haver übernommen wurde.<br />

Um Missverständnissen vorzubeugen, das ist alles klasse gespielte<br />

Musik, erstklassig arrangiert und produziert, aber es<br />

fehlt mir das Aha-Erlebnis. Songs wie „You will always be<br />

my home“ haben zwar Ohrwurmqualitäten aber die meisten<br />

der 13 Titel plätschern dennoch irgendwo zwischen<br />

Songwriter-Melancholie, Pop und MSP-Punk vor sich hin,<br />

ohne dass ein Stück, ein Riff oder ein Refrain hängen bleibt.<br />

Sorry, aber mit „I Killed The Zeitgeist“ werde ich nicht richtig<br />

warm. (41:53) (6) Kay Wedel<br />

CHUCK E. WEISS<br />

23rd & Stout <strong>CD</strong><br />

Cooking Vinyl | Wer zur Hölle ist Chuck E. Weiss? Ich habe<br />

keine Ahnung, aber eines weiß ich, der Typ ist verdammt<br />

cool. Als erstes drängt sich der Vergleich mit Tom Waits auf,<br />

wenngleich mehr Blues die entscheidende Rolle spielt, als<br />

bei jenem, wo der Jazz seine Spuren nie zu leugnen versuchte.<br />

Songs wie „Novade Nada“ gehen mir wie eine Gänsehaut<br />

über den Rücken und lassen mich ernsthaft darüber nachdenken,<br />

ob es neben Whisky und Rum auch mal nach Jahren<br />

wieder ein Tequila sein sollte, den ich mir schmecken<br />

lasse? Neben schmutzigem Swamp Blues darf man sich auch<br />

an Bee Bop, Boogie Woogie und hin und wieder Swing erfreuen.<br />

„Another drunken sailor song“ sagt genau das aus,<br />

was den Song ausmacht, den hätte auch Sinatra nicht besser<br />

bringen können. Der ist doch gar kein Seemann? Na und,<br />

ist ja auch kein Seemannslied. Ein Album ,um den Tag zu beginnen,<br />

und definitiv ebenso, um ihn ausklingen zu lassen.<br />

(42:17) (9) Claus Wittwer<br />

WILLIAM ELLIOT WHITMORE<br />

& JENNY HOYSTON<br />

Hallways Of Always <strong>CD</strong><br />

Southern/Soulfood | W. E. Whitmore mit weiblicher Unterstützung<br />

und entsprechend gibt es ausschließlich Duette.<br />

Der Blues tritt hier mehr in den Hintergrund, zugunsten<br />

<strong>von</strong> Südstaaten-Songwriting und Alt-Country. Wer dabei<br />

auf die Idee gekommen ist, im Info Vergleiche zu Cash<br />

& Carter oder Rogers & Parton zusammenzubasteln, dem sei<br />

wie so oft bescheinigt, Stuss zu verzapfen. <strong>Die</strong> beiden Stimmen<br />

harmonieren gut miteinander, wenngleich Whitmore<br />

wesentlich mehr Ausdruckskraft rüberbringt. Herausgekommen<br />

sind ein sehr starker Song wie „You’ve ALREA-<br />

DY GONE“, zwei weiterere guterStücke, aber leider auch<br />

zwei Schwachstellen, wie „Feast of a thousand beasts“ oder<br />

„We MISS YOU“. Mit dem Titelsong als letzter Nummer beschließt<br />

man das Album mit einem sehr meditativen Instrumentalstück.<br />

(27:00) (6) Claus Wittwer<br />

WALLS OF JERICHO<br />

With Devils Amongst Us All <strong>CD</strong><br />

Roadrunner | Schon wieder sind zwei Jahre ins Land gezogen,<br />

seit die Ausnahme Hardcore-Band WOJ mit „All Hail<br />

The Dead“ auch die letzten Zweifel und die Frage nach der<br />

Berechtigung <strong>von</strong> Frauen im Hardcore endgültig und eindrucksvoll<br />

musikalisch und textlich hinweg fegte. Nicht<br />

dass ich persönlich daran gezweifelt hätte, aber wenn man<br />

sich auf Konzerten mal mit anderen unterhielt, war diese<br />

Band beziehungsweise Shouterin Candace immer ein<br />

Stein des Anstoßes. Wie schön, dass man im aktuellen Jahr<br />

mit „With Devils Amongst Us All“ den erreichten Respekt<br />

und das Niveau noch mal deutlich anheben kann. Durch das<br />

viele Touren ist die Band im Zusammenspiel und vor allem<br />

menschlich weiter gereift, und der neue Drummer Dustin<br />

Schoenhofer fügt sich nahtlos in das Bandkonzept ein. All<br />

das spiegelt sich in den nicht mehr ganz so düsteren Texten<br />

wieder, und je öfter man sich das Album zu Gemüte<br />

führt, desto mehr fühlt man sich selbst zugehörig und beginnt,<br />

die Entwicklung der letzten Jahre nachzuvollziehen.<br />

Der hohe Thrash-Anteil in den Songs ist markant und das<br />

Tempo wie immer recht hoch. Einen Gassenhauer wie „All<br />

hail the dead“ lässt der aktuelle Release zwar vermissen, dafür<br />

läuft die Platte in sich aber runder ab und das konstant<br />

hohe Niveau macht es schwer einen einzelnen Anspieltip<br />

zu geben. Auffällig ist der insgesamt deutlich höhere Singalong-Anteil<br />

der Songs und natürlich die erste Ballade der<br />

Bandgeschichte. Eindrucksvoll beweist Candace in „No saving<br />

me“, dass sie wirklich singen kann, und intoniert sehr<br />

persönliche Zeilen. Natürlich wird das auch wieder für Gesprächsstoff<br />

sorgen. Ich persönlich finde den Song großartig<br />

und denke, dass ich mit dieser Meinung nicht alleine dastehe.<br />

(35:03) (9) Tobias Ernst<br />

WOLFMEN<br />

Jackie Says 10“<br />

damagedgoods.co.uk/Cargo | Wem sagen die Namen Marco<br />

Pirroni und Chris Constantinou noch was? Na ...? Exakt,<br />

beide waren einst Weggefährten <strong>von</strong> Adam Ant in der<br />

zweiten Auflage der ANTS ab 1980, und Pirroni, der einst<br />

auch mit SIOUXSIE & THE BANSHEES und später mit Sinead<br />

O’Connor auf der Bühne stand, machte sich dann im<br />

Laufe des letzten Jahres mit den WOLFMEN wieder einen<br />

Namen, sie schafften es, ihre Musik in Werbeclips etwa <strong>von</strong><br />

Heineken unterzubringen – toll ... Mit dieser 4-Song-10“<br />

haben sie jetzt ein erstes Release raus, und es würde mich<br />

wundern, wenn man <strong>von</strong> denen nicht bald noch viel mehr<br />

hört. Ihr Sound, teils mit Handclaps und Mundharmonika<br />

abgewürzt, ist eine stimmige Mischung aus Garage, Glam<br />

und Pop, irgendwie deutlich in der Vergangenheit wurzelnd,<br />

aber auch nah dran an den ganzen jungen, hippen Bands –<br />

und ihr Cover des frühen Brian Eno-Songs „Needle in the<br />

camel’s eye“ ist ein unwiderstehlicher, groovender, mitreißender<br />

Hit. Verehrer britischen Pops sollten hier auf jeden<br />

Fall mal ein Ohr riskieren. (8) Joachim Hiller<br />

090 <strong>Ox</strong>-Fanzine #68<br />

WORLD/INFERNO<br />

FRIENDSHIP SOCIETY<br />

Red-Eyed Soul <strong>CD</strong><br />

tcwtga.org | Zusammen mit Don Fury, dem legendären<br />

Produzenten aller wichtiger NYHC-Platten der Achtziger,<br />

waren die aus Brooklyn stammenden Polit-Folk-<br />

Punks diesmal im Studio<br />

und haben mit „Red-<br />

Eyed Soul“ (Soll der Titel<br />

etwas als Selbstbeschreibung<br />

der als notorische<br />

Party-Tiere bekannten<br />

Big-Band zu verstehen<br />

sein ...?) ihr bis dato ausgereiftestes<br />

Album eingespielt.<br />

Grundsätzliche<br />

Änderungen sind nicht<br />

zu konstatieren, das Fundament<br />

der bunten Truppe,<br />

die auf korrektes Bühnenoutfit<br />

Wert legt, ist immer noch polkalastiger Punkrock<br />

mit Einflüssen, die vom Balkan über Irland bis zur Karibik<br />

reichen, opulent in Szene gesetzt mit diversen Blas- und<br />

Saiteninstrumenten. Mag der sympathisch-großmäulige<br />

Mr. Hütz <strong>von</strong> GOGOL BORDELLO sie auch als Fakes dissen,<br />

mir geht seine Meinung in dieser Hinsicht völlig am Arsch<br />

vorbei, denn TW/IFS sind nicht nur auf Platte, sondern gerade<br />

live immer wieder eine sichere Bank, ein mitreißender<br />

Haufen, eine unwiderstehliche Partymaschine, die weder<br />

brav noch jugendfrei ist, die vor keinem „Fuck!“ in den ansonsten<br />

durchaus lyrischen Texten zurückschreckt, die keine<br />

Zweifel an ihrer linken Einstellung lässt – und statt Gift<br />

und Galle lieber etwas Feuer spuckt. Irgendwer hat sie mal<br />

als die US-Antwort auf CHUMBAWAMBA bezeichnet, und<br />

das gilt heute eigentlich immer noch. Wer sie bisher liebte,<br />

wird auch „Red-Eyed Soul“ mögen, und wer sie noch nicht<br />

kennt, sollte sich direkt vom Opener und Hit „Brother of<br />

the Mayor of Bridgewater“ mitreißen lassen. (45:48) (8)<br />

Joachim Hiller<br />

WEDNESDAY 13<br />

Fang Bang <strong>CD</strong><br />

Ryko Disk/Rough Trade | Rechzeitig zu Halloween ist<br />

Schock-Rocker Wednesday 13 zurück, um seine Horror-Gemeinde<br />

mit neuem Gruselstoff zu versorgen. Der Ex-FRAN-<br />

KENSTEIN DRAG QUEENS- und MURDERDOLLS-Frontman<br />

konnte ja bereits mit seinem letzten Album „Transylvania<br />

90210“ die Fans überzeugen und seinen bisher besten<br />

Output vorlegen, doch was der Rastakopf auf „Fang Bang“<br />

vorlegt, ist qualitativ noch mal eine Nummer stärker. „Morgue<br />

than words“ entpuppt sich als Schnodder-Punk Kracher<br />

erster Kajüte, „American werewolves in London“ als<br />

ein echter Ohrwurm und „Haddonfield“ überrascht als die<br />

beste Hommage an Michael Myers, die je geschrieben wurde.<br />

Und diese drei Titel sind nur die Speespitze eines konstant<br />

starken Albums, welches Hit an Hit und Mitgröler an<br />

Mitgröler reiht. Dazu kommt die lustige Angewohnheit des<br />

Herrn Dreizehn, normale Worte oder Sätze so zu verändern,<br />

dass sie in seinen typischen Horror-Kontext passen,<br />

wie zum Beispiel „Happily ever cadaver“ oder „Till death do<br />

us party“ oder das bereits erwähnte „Morgue than words“.<br />

Ganz großes Kino! Einziger Wermutstropfen: Wie immer<br />

agiert der gute Mittwoch stimmlich recht eindimensional.<br />

Vergleiche mit Alice Cooper sind zwar nicht <strong>von</strong> der Hand<br />

zu weisen, aber der Altmeister setzt sein Organ vergleichsweise<br />

variabel ein. Da kann sich W13 noch eine Scheibe abschneiden.<br />

Ansonsten aber gehört „Fang Band“ definitiv zu<br />

den Highlights des Jahres 2006 und sollte sowohl Horror-<br />

Punks, als auch Sleaze-Metaller und Rock’n’Roller begeistern.<br />

(9) Thorsten Wilms<br />

WHIRLWIND HEAT<br />

Types Of Wood <strong>CD</strong><br />

brillerecords.com/EMI | WHIRLWIND HEAT gelingt aus<br />

einer unscheinbaren Kombination <strong>von</strong> Moog, Bass und<br />

Schlagzeug eine eigenständige Version <strong>von</strong> Indierock, die<br />

aber nicht eigenständig genug ist, um hängen zu bleiben,<br />

auch nach mehreren Hördurchläufen nicht. Dabei hätte ihr<br />

sehr basslastiger Sound, der unüberhörbar <strong>von</strong> den PIXIES<br />

geprägt ist, durchaus Hitpotenzial. Nicht umsonst wurden<br />

WHIRLWIND HEAT für ihre Vorgängeralben bereits <strong>von</strong><br />

Jack White gesignt und <strong>von</strong> Brendan Benson produziert –<br />

vielleicht waren diese Alben ja auch wesentlich besser als<br />

dieses etwas langweilige Werk, das trotz zwei, drei richtig<br />

guter Songs einfach immer noch zu viele mittelmäßige hat.<br />

Denn es läuft einfach durch ohne groß zu stören, und gerade<br />

so etwas stört mich eigentlich am meisten. (40:47) (4)<br />

Chris Wilpert<br />

WITHIN Y<br />

Portraying Dead Dreams <strong>CD</strong><br />

Gain/Cargo | Mal wieder neues Futter für alle Liebhaber<br />

schwedischen Death Metals. Zugegeben hängt mir diese<br />

Musikgattung langsam zu den Ohren raus, da mein Trommelfell<br />

über die Jahre zu sehr mit melodieorientiertem<br />

Nordlicht-Metal malträtiert wurde. Trotzdem muss man<br />

eingestehen, dass die werten Herrschaften ihre Instrumente<br />

beherrschen und das auch auf ihrem zweiten Longplayer<br />

unterstreichen können. Ähnlich wie IN FLAMES und Co.<br />

setzt man auf eine moderne Note im metallisch, sterilen<br />

Gesamtsound, was allerdings wie bei so vielen ähnlich gearteten<br />

Bands nicht ausreicht um sich vom Gros der Masse<br />

abzuheben. Für mehr als einen kleinen Achtungskopfnicker<br />

meinerseits reicht es leider nicht aus. Uwe Kubassa<br />

WESTBOUND TRAIN<br />

Transitions <strong>CD</strong><br />

hell-cat.com | Darüber muss ich nicht viele Worte verlieren:<br />

WESTBOUND TRAIN sind die musikalische Fusi-<br />

on <strong>von</strong> ADJUSTERS, AGGROLITES, HEPCAT, PIETASTERS<br />

und SLACKERS. Bei diesen Namen werden die meisten Augen<br />

der Ska- und Reggae-Posse leuchten. Fehlte bisher das<br />

passende Bindeglied zwischen „Dirty Reggae“, postmodernem<br />

Reggae, soulig-rockigem Off-Beat und jazzy-swingendem<br />

Ska, hat jetzt Hellcat mit WESTBOUND TRAIN diese<br />

musikalische Lücke gefüllt. Trotz der großartigen Musiker<br />

fehlt mir etwas das Eigenleben der Band. Bei WESTBOUND<br />

TRAIN sind mir oftmals die „Vorbilder“ zu sehr im Vordergrund<br />

in den Arrangements, so dass mir ein Stück weit der<br />

eigene Charakter der Band fehlt. Aber ansonsten ist „Transitions“<br />

definitiv ein Highlight in der derzeitigen authentischen<br />

Reggae- und Ska-Szene. (62:03) (8) Simon Brunner<br />

XIU XIU<br />

The Air Force LP/<strong>CD</strong><br />

5rc.com/Cargo | Im Interview hat James Stewart<br />

– der XIU XIU fast alleine ausmacht – das<br />

fröhlichste und homogenste XIU XIU-Album<br />

versprochen, doch grundsätzlich erscheinen die<br />

X<br />

Unterschiede zum Vorgänger „La Forêt“ marginal.<br />

<strong>Die</strong> Songs sind fragil und fragmentarisch wie<br />

schon auf den vier Alben davor. Produziert hat Greg Saunier<br />

<strong>von</strong> DEERHOOF, und er hat auch als drittes „Bandmitglied“<br />

zahlreiche Instrumente eingespielt. Wie immer werden die<br />

Songs <strong>von</strong> Stewarts exaltiertem, zerfahrenem Gesang getragen<br />

– mit Ausnahme der Stücke natürlich, bei denen Caralee<br />

McElroys ihre wunderbare Stimme beisteuert –, wie immer<br />

sind sie düster und wavig. Neben zahlreichen, perkussiven<br />

Elementen halten auch immer noch verqueres Gitarrenspiel,<br />

Synthie-Beats und -Fieps, Akkordeon, Flöte, Piano<br />

und immer noch genug störende Noisefacetten, wenn nicht<br />

gar -eskapaden Einzug zur Vervollständigung des Klangbildes.<br />

Immer noch handeln die Texte <strong>von</strong> Verlust und Verzweiflung,<br />

Tod und Schmerz. „When we see the hate in your<br />

eyes / It doesn’t make us better men (...) Should you be ashamed<br />

for more than that / Than that your daddy raped you<br />

silly“ heißt es beispielsweise in „Bishop, CA“. Den militärischen<br />

Bezug auf den Titel sucht man in den Songs vergebens,<br />

stattdessen wird in vielen Stücken auch ein deutlicher Bezug<br />

auf Religiosität sichtbar, ohne jedoch direkt die christliche<br />

Heuchelei anzuprangern. Stattdessen wird Gott wie in<br />

Gebeten angesprochen, freilich mit eigentümlichen Inhalten,<br />

und das Cover ziert eine unkommentierte christliche<br />

Ikone des leidenden Jesus – ob das mit dem Titel gemeint<br />

ist? (34:44) (9) Chris Wilpert<br />

XXX MANIAK<br />

Harvesting The Cunt Nectar <strong>CD</strong><br />

selfmadegod.com | Ihr zwei Kerle <strong>von</strong> XXX MANIAK,<br />

merkt euch folgendes: Abgeschlachtete Frauen auf dem<br />

Cover waren schon bei CANNIBAL CORPSE scheiße. Euer<br />

Bandname, der Platten- als auch Songtitel wie „If I dismember<br />

your cunt, are you still a virgin?“ oder „The moment<br />

you start to enjoy it, it’ll get worse“ sowie eure Mord-<br />

und Vergewaltigungsphantasien sind nicht cool, sondern<br />

scheiße. Und euer öder Drumcomputer-Grindcore kann<br />

sich nicht mal ansatzweise mit dem <strong>von</strong> AGORAPHOBIC<br />

NOSEBLEED messen. Ergo: Ihr seid weder witzig, noch provokant,<br />

sondern einfach nur scheiße! (1) André Bohnensack<br />

JAMES YORKSTON<br />

The Year Of The Leopard <strong>CD</strong><br />

Domino/Rough Trade | <strong>Die</strong> große Kunst der<br />

Zurückhaltung zelebriert der Schotte JAMES<br />

YORKSTON auch auf seinem dritten Album.<br />

Auch die flotten Stücke fügen sich nahtlos in<br />

y<br />

die ruhige Gesamtatmosphäre des Albums ein.<br />

<strong>Die</strong>se verdankt es nicht zuletzt auch Paul Webb<br />

(RUSTIN MAN) und Phill Brown, die bereits seit TALK<br />

TALK-Zeiten zusammenarbeiten und jetzt „The Year Of The<br />

Leopard“ in einen warmen Sound aus allen möglichen, vorwiegend<br />

akustischen, Instrumenten packen, wobei vor allem<br />

die Harmonium-Harmonien den Liedern eine manchmal<br />

hypnotische Ruhe verleihen. Es sind wahrscheinlich<br />

alle Einzelkomponenten – das Songwriting, die Einflüsse aus<br />

Pop, Country oder Folk, eben die Produktion und Yorkstons<br />

behutsamer Vortrag –, die aus dem Album so eine erwachsene,<br />

schimmernd schöne Platte machen. Gerade das Finale<br />

„Us late travellers“ sorgt für einen betörend schönen, finalen<br />

Glanzpunkt. Ein Album, so angenehm wie ein offener<br />

Kamin im Winter. (42:10) (9) Christian Maiwald<br />

YOU ME AND THE ATOM BOMB<br />

Shake Up <strong>CD</strong><br />

Household Name | Seit 2004 gibt es das Trio aus Portsmouth<br />

erst, und nach einem Demo und einer Split hat man<br />

schon einen Vertrag mit Household Name aus London, nicht<br />

schlecht. Als Außenstehender mag man denken, dass die<br />

Band mit dem richtigen Bein aufgestanden ist und wer sich<br />

eine Kombination <strong>von</strong> AVAIL zu „Dixie“-Zeiten mit britischer<br />

Ungeschliffenheit wünscht, der wird hier fündig, da<br />

YOU ME AND THE ATOM BOMB eben sehr krachig zu Werke<br />

gehen und sich auch nicht in Versuchung führen lassen,<br />

ihren Sound mit nervigem Singsang zu ruinieren. Sie stellen<br />

lieber die rauhe Stimme <strong>von</strong> Tim Greaves, der auch schon<br />

bei SHARKS VS. JETS spielte, in den Vordergrund und ergänzen<br />

diese mit temporeichem Drumming und markantem<br />

Bass. Definitiv schön kauzig und sehr mitreißend. (44:14)<br />

(7) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

YOU SAY PARTY! WE SAY DIE!<br />

Hit The Floor! <strong>CD</strong><br />

Sound Document /Cargo | Der Bandname kann schon mal<br />

alles. Und das Debüt <strong>von</strong> YOU SAY PARTY! WE SAY DIE!<br />

auch, denn „Hit The Floor“ strotzt vor Energie, rockt derbe,<br />

klingt vertraut und ist dabei doch anders und vor allem<br />

so gut. Aber eins nach dem anderen. Zwei Mädchen (eine<br />

da<strong>von</strong> singt) und drei Jungs (die hört man im Background<br />

grölen) sind YSP!WSD!. <strong>Die</strong>se noch recht junge Truppe<br />

kommt aus dem kanadischen Vancouver und dürfte einigen<br />

bereits ein Begriff sein. Zum einen ist „Hit The Floor!“<br />

schon vergangenes Jahr erschienen und es wird da draußen<br />

sicherlich ein paar glückliche Leute geben, die das Teil auf<br />

dem Importweg bekommen haben. Zum anderen spielten<br />

YSP!WSD! dieses Jahr immer mal wieder in unserer Republik<br />

Shows. Anfang September folgte dann sogar ein recht<br />

spontan angekündigtes Konzert in Berlin. Wer das verpasst<br />

hat, braucht sich jetzt nicht direkt in den Arsch zu beißen,<br />

denn ich würde Einiges darauf wetten, dass YSP!WSD! eine<br />

der Bands für 2007 sind – mit etwas Glück wird dann auch<br />

schon das nächste Album fertig sein. Ansonsten ist die Platte<br />

ein Pflichtkauf für alle, die das erste PRETTY GIRLS MAKE<br />

GRAVES-Werk schätzen oder die es interessiert, wie THE<br />

ARCADE FIRE als Punkband klingen könnten. Auch für diejenigen<br />

<strong>von</strong> Bedeutung, die vor kurzem erst die brasilianischen<br />

CSS kennen und lieben gelernt haben. YOU SAY PAR-<br />

TY! WE SAY DIE! – den Namen kann man sich auch ruhig<br />

mal tätowieren lassen. (44:58) (9) Manuel Möglich<br />

YAKUZI<br />

One To All! <strong>CD</strong><br />

rookie-records.com | Erschien das letzte Album „Blow<br />

Jobs“ der sechs Pforzheimer noch in Eigenregie, haben sie<br />

es jetzt verdientermaßen zu einem Plattendeal mit Rookie<br />

Records gebracht. Glückwunsch!<br />

Musikalisch hat<br />

sich nicht so wirklich viel<br />

getan, es gibt ordentlichen<br />

Punkrock mit Trompete,<br />

der eher dem Melodycore<br />

als dem Ska zuneigt. Es ist<br />

also eher Pogo als Schunkeln<br />

angesagt, und auch<br />

die bei deutschen Ska-<br />

Punkbands sonst so übliche<br />

Albernheit geht YAK-<br />

UZI glücklicherweise völlig<br />

ab. Will man mit Vergleichen<br />

kommen, fallen mir als allererstes, gerade ob der<br />

Stimmung in den Liedern, HOWARDS ALIAS ein, bei den<br />

ragtimigen Songs aber auch die MAD CADDIES. Und bei<br />

einigen der etwas schnelleren und härteren Stücke kommen<br />

unmittelbar Erinnerung an die Trompetenausflüge<br />

<strong>von</strong> NOFX hervor, auch noch unterstrichen durch die rotzige<br />

Stimme des Sängers. Eine schöne Platte, die es verdient,<br />

mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. (41:27) (7)<br />

Jan Eckhoff<br />

ZOX<br />

The Wait <strong>CD</strong><br />

Side One Dummy | Schon der Song auf der Warped-Tour-Compilation<br />

war viel versprechend,<br />

aber auf dem aktuellen Longplayer „The Wait“,<br />

schaffen ZOX es wirklich, eine gelungene Stilmi-<br />

Z<br />

schung aus SUBLIME, JACK JOHNSON und THE<br />

POLICE zu fabrizieren. „The Wait“ ist ein Album,<br />

welches fesselt und Reggae-Strukturen mit Violine verbindet,<br />

ohne dabei den gefürchteten Schiffbruch zu erleiden.<br />

Mit „Thirsty“ gelingt es dem Quartett in die Fußtapfen <strong>von</strong><br />

SUBLIME zu treten und diese ohne Probleme auszufüllen.<br />

Jedoch gibt man sich damit nicht zufrieden, man fordert<br />

mehr künstlerische Freiheit, möchte nicht mit Epigonentum<br />

Geschichte machen und teilt sich mit den Labelmates<br />

MAXEEN auch das Faible für die achtziger Jahre. <strong>Die</strong> Violine<br />

sorgt auch noch für keltische Akzente und macht „Fallen“<br />

zu einem Song in dEUS-Manier. <strong>Die</strong> Texte sind poetisch, die<br />

Lieder absolut phantastisch und es würde mich wundern,<br />

wenn ZOX nicht in kürzester Zeit in aller Munde wären. „A<br />

little more time“ ist <strong>von</strong> einem so ungewöhnlichen Gitarrenspiel<br />

geprägt, dass man nicht aufhören kann, der Melodie<br />

und dem Reggae-Rhythmus zu folgen. Kurz gesagt, der<br />

Kauf <strong>von</strong> „The Wait“ lohnt sich, um nicht zu sagen, er ist für<br />

Genrefreunde geradezu zwingend. Für mich definitiv das<br />

Album des Sommers in diesem Kontext, auch wenn es einige<br />

sehr seichte Momente hat. ZOX spielen aber mit Leib und<br />

Seele, haben fünf absolute Hits auf dem Album und noch<br />

Potenzial für viel mehr. (51:45) (8) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

ZANN<br />

Three Years In The Desert <strong>CD</strong><br />

vendettarecords.de | An einem Tag wie heute, der geprägt<br />

ist <strong>von</strong> tiefster menschlicher Enttäuschung und Traurigkeit,<br />

kommen mir ZANN aus Leipzig gerade recht, obwohl keine<br />

Musik negativ genug sein kann, um meine Stimmung zu<br />

treffen ... Es gab eine kurze Zeit, in der Bands die irgendwo<br />

zwischen NEUROSIS und ISIS pendeln, Paincore genannt<br />

wurden und das würde auch ZANN absolut gerecht<br />

werden. ZANN haben mit „Three Years In The Desert“ ein<br />

sehr eigenständiges Album abgeliefert, welches nur entfernt<br />

nach obigen Bands klingt, aber vom transportierten Gefühl<br />

durchaus ähnlich ist. Noisige, ellenlange Songs mit schweren<br />

metallischen Riffs treffen auf Tribaldrumming, deutsche<br />

Texte und kurze Samples. Vergleichbar wären sicher auch<br />

noch URANUS oder COALESCE, wobei ZANN aber schon<br />

ihr eigenes Ding durchziehen. <strong>CD</strong> kommt in sehr schönem<br />

Digipak. Hut ab. (26:55) (8) Dr. Oliver Fröhlich<br />

Chefcassette<br />

Auch diesmal gibt's wieder mein persönliches<br />

Mix-Tape mit den subjektiv besten in dieser<br />

Ausgabe besprochenen Platten.<br />

Für 3,00 Euro in Briefmarken (am Besten drei à<br />

1,00 Euro) könnt ihr euch das Teil bestellen bei:<br />

<strong>Ox</strong>-Fanzine, „Chefcassette“,<br />

Postfach 102225, 42766 Haan. Joachim<br />

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<strong>Ox</strong>-Fanzine #68 091<br />

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