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REvIEWS - Webseite von Thomas Neumann

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Alben 82<br />

Playlists 83<br />

Leser- & Verkaufscharts 83<br />

Top Of The Ox 85<br />

Singles 86<br />

Games 90<br />

Die Bands der Ox-CD 91<br />

Re-Releases 92<br />

Demos 98<br />

Sampler & Compilations 100<br />

DVDs 102<br />

Comics 108<br />

Fanzines 112<br />

Movies 113<br />

Literatur 116<br />

DIE ABKÜRZUNGEN<br />

LP = LP, 7” = Single, CD = CD, MCD = CD-Maxisingle,<br />

2LP = Doppel-LP, 2CD = Doppel-CD<br />

DIE BEWERTUNGSSKALA<br />

10 Ein (zukünftiger) Klassiker.<br />

9 Eine „Platte des Jahres“.<br />

8 Überdurchschnittlich gut.<br />

7 Rundum gelungen.<br />

6 Okay, ohne Höhen und Tiefen<br />

5 Einfach durchschnittlich<br />

4 Kann man noch durchgehen lassen<br />

3 Rumdum schwach<br />

2 Wirklich schlecht<br />

1 Schrott der allerübelsten Sorte<br />

50 LIONS<br />

Where Life Expires<br />

CD | Six Feet Under | sixfeetunderrecords.com |<br />

25:07 || Die Australier 50 LIONS geben auch auf ihrem<br />

„Time Is The Enemy“-Nachfolger “„Where Life Expires“<br />

mächtig Gas und knüppeln sich in nur knapp über 25<br />

Minuten durch die elf neuen Songs. Klar, dass dabei ein<br />

gewisser Bollo-Faktor nicht <strong>von</strong> der Hand zu weisen ist.<br />

Das ist nicht zuletzt aber auch den eindeutig vorhandenen<br />

Parallelen zu INTEGRITY zu zuschreiben, bei welchen<br />

man jedoch auf filigran frickelnde Sologitarren verzichtet<br />

und stattdessen mehr auf die pumpenden Riffs und aggressiven<br />

Gangshouts setzt, für die seinerzeit schon Dwid und<br />

Co. bekannt und groß wurden. Wie auch schon auf dem<br />

Vorgänger geht innovativ demnach vollkommen anders,<br />

jedoch ist mir eine gute Kopie immer noch tausendmal<br />

lieber als ein schlechtes Original. (6) Jens Kirsch<br />

1328<br />

Music For The Drinking Class<br />

CD | 1328-beercore.de | 41:01 || Juchu, darauf habe<br />

ich gewartet. Sind bei vielen Punkbands Texte übers Saufen<br />

ja eigentlich Gang und Gebe, kommen die Münchner hier<br />

mit feinstem Hardcore daher. Die Musik ist echt cool und<br />

hat einen schnellen Achtziger-Einschlag. Absolut metalfrei<br />

und nicht ein Stück langweilig. Gefällt mir unwahrscheinlich<br />

gut! Doch leider kommen wir jetzt zu den Texten.<br />

Gut,wer sich nach dem Gründungsjahr des Augustiner<br />

Biers benennt wird mit SxE nicht soooviel am Hut haben.<br />

Mit Beercore als Genre wird die Marschrichtung vorgegeben.<br />

Und da ich pathetisch bin und Straight Edge, finde ich<br />

dann auch die Textzeilen über SxE ziemlich panne. Kurz<br />

zusammengefasst, bin ich wahrscheinlich zu humorlos,<br />

um das alles lustig zu finden. Kleines Schmankerl am Ende<br />

der CD: drei Münchner Bands covern 1328 und zollen den<br />

Bierhelden Tribut. (6) Sebastian Walkenhorst<br />

1984<br />

Territory<br />

MCD | Snow White | snowwhite.de | 7:47 || Nach<br />

einem brillanten Debütalbum in Gestalt <strong>von</strong> „Open Jail“<br />

aus dem Jahre 2008 melden sich die Franzosen 1984 aus<br />

Strasbourg nun mit „Territory“ zurück. Und immer noch<br />

spielen sie einen treibenden und Chorus-geladenen Post-<br />

Punk und Wave-Rock par excellence. Man darf annehmen,<br />

dass sich auch 1984 über das gerade erschienene<br />

KILLING JOKE-Album in Originalbesetzung freuen dürften,<br />

denn der Bass auf „Territory“ hat einiges, was an die<br />

„Wardance“-Zeiten <strong>von</strong> KILLING JOKE erinnert. Leider<br />

diesmal nur zwei Songs, aber diese nähren die Hoffnung,<br />

dass das nächste Album wieder ein großartiges wird. (8)<br />

Markus Kolodziej<br />

ACTRESS<br />

Glacier<br />

LP | Shark Men | myspace.com/sharkmenrecords ||<br />

„Glacier“ ist gerade erst frisch aus dem Presswerk, da sind<br />

ACTRESS auch schon wieder Geschichte. Hinterlassen hat<br />

OX-FANZINE 82<br />

EIN pAAR WoRTE ZU UNSERER SKALA<br />

Wir werden immer wieder darauf angesprochen, dass zu<br />

viele Platten gut bewertet werden. Dazu ist zu sagen: Da wir<br />

schon im Vorfeld die nicht mal ansatzweise ins Heft passenden<br />

Platten aussortieren, fallen viele Kandidaten für<br />

eine Wertung unter 5 schon <strong>von</strong> vornherein weg. Dazu<br />

kommt, dass wir versuchen, jede Platte einem Spezialisten<br />

für das entsprechende Genre zuzuteilen, was den Notenschnitt<br />

erfahrungsgemäß ebenfalls anhebt. Und: Wenn<br />

mal wieder der Platz eng wird, fliegen die miesen Platten<br />

als erstes raus – und die guten bleiben. Abgesehen da<strong>von</strong>:<br />

Alles ist subjektiv, auch unsere Bewertungen. Und fehlt<br />

eine Note, wollte der Autor keine vergeben, was aber nicht<br />

bedeutet, dass die Platte schlecht ist.<br />

UNSERE REvIEW-poLITIK<br />

Wir besprechen jeden Tonträger, der im weitesten Sinne in<br />

unser Heft passt. Einen Anspruch auf Rezension gibt es aber<br />

nicht, und wir behalten es uns vor, Tonträger unrezensiert<br />

in unsere „Kiste des Grauens“ auszusortieren.<br />

Grundsätzlich bestehen wir auf der Zusendung kompletter<br />

Releases, das heißt „nackte“ gebrannte CDs ohne<br />

Cover etc. werden nicht berücksichtigt bzw. nur dann,<br />

wenn wir sicher gehen können, dass wir auch die fertige<br />

CD geschickt bekommen. Auf keinen Fall besprechen wir<br />

CDs mit ausgeblendeten Stücken sowie wie mit Watermark<br />

versehene CDs. Letztere werden <strong>von</strong> uns ohne Kommentar<br />

als unfreie, versicherte Pakete an das Label zurückgeschickt.<br />

Außerdem besprechen wir prinzipiell keine Releases,<br />

die bloß als Stream oder Download vorliegen.<br />

Noch mEhR <strong>REvIEWS</strong> GEfäLLIG?<br />

Unter www.ox-fanzine.de gibt’s über 29.000 Reviews aus<br />

über 60 Ausgaben, alphabetisch und nach Ausgabe geordnet,<br />

und teilweise sogar noch mehr Reviews als sich im<br />

Heft finden, denn oft können wir einfach nicht alles unterbringen.<br />

Das Ganze mit komfortabler Suchfunktion nach<br />

Bandname, Plattentitel und Label.<br />

man auf vorliegender Platte die gesamte Diskografie, deren<br />

Qualität unfassbar beeindruckend ist. Hier waren echte<br />

Musiker am Werk, die neben den spielerischen Fähigkeiten<br />

durch ein unfassbares Gespür für ein fesselndes Songwriting<br />

staunend aufhorchen lassen. Irgendwo zwischen<br />

BOTCH, CONVERGE und ED GEIN angesiedelt und mit<br />

diversen postrockaffinen Elementen versehen peitschen<br />

die drei Musiker sich durch ihre Songs und dem Hörer<br />

stellt sich unweigerlich die Frage, wohin wäre die Reise<br />

für ACTRESS wohl noch gegangen? Erst recht aufgrund<br />

der Tatsache, dass es diese großartige Band nicht mehr gibt,<br />

werde ich diese Platte in Ehren halten und sicherlich noch<br />

sehr oft auf den Plattenteller legen. Ganz großes Kino! (9)<br />

Jens Kirsch<br />

AAA<br />

THE AUDITION<br />

Great Danger<br />

CD | Victory | victoryrecords.com || Mit dem mittlerweile<br />

vierten Album, auch diesmal wieder auf Victory,<br />

beweisen THE AUDITION eindrucksvoll, dass sie sich vom<br />

Support-Act zur ernst zu nehmenden Hauptband entwickelt<br />

haben, für die es sich lohnen würde, den Weg zum<br />

Club seines Vertrauens anzutreten. Musikalisch hat sich<br />

auch auf „Great Danger“ nicht allzu viel geändert, aber<br />

warum auch? Die ohnehin schon gut funktionierenden<br />

Versatzstücke aus FALL OUT BOY und meinetwegen ALL<br />

TIME LOW sind nochmal verfeinert worden und machen<br />

das Album zu einer mit Hooklines und Singalongs geladenen<br />

Granate, die den dreckigen deutschen Winter endgültig<br />

in die Annalen der Geschichte bomben könnte. Der<br />

Sommer kann kommen. (7) David Schumann<br />

AMARI<br />

Poweri<br />

CD | Labile | labile.net | 44:31 || „Wrong Pop Music“<br />

aus Madrid. AMARI mixen auf ihrem siebten Album ziemlich<br />

unkonventionell, aber erstaunlich gut klingend, Elemente<br />

aus Indie, Dance, Rock, Folk. Pop und Rap. Abwechslungsreich,<br />

eingängig, dröhnend, melodisch – hier ist alles<br />

möglich. Das kann der neue Disco-Sound werden. Und die<br />

Attitüde stimmt auf den ersten Blick auch. (8)<br />

Christoph Parkinson<br />

AYS<br />

The Path Of Ages<br />

MCD | Cobra X | myspace.com/cobraxrecords |<br />

10:46 || Als die Band aus Wegberg (mit Postadresse in<br />

Düsseldorf) 2008 ihr Debüt auf Field Of Hope veröffentlichte,<br />

kürzten sie ihren Namen noch nicht mit AYS ab,<br />

sondern schrieben ihn AGAINST YOUR SOCIETY aus. Jetzt,<br />

auf dieser als 7“ und MCD veröffentlichten 6-Song-EP, findet<br />

sich allenthalben nur die klassische Drei-Buchstaben-<br />

Abkürzung. Keiner der Songs läuft länger als knapp über<br />

zwei Minuten, doch martialische Bolzer sind die Nummern<br />

dennoch nicht, sondern vielmehr sehr wuchtig<br />

produzierte, düstere Hardcore-Brecher, die sich <strong>von</strong> den<br />

Youthcrew-Songs der Frühphase klar in eine Richtung<br />

entwickelt haben, in die einst in den Neunzigern INTEG-<br />

RITY gingen. Mit plumpem Metal(core) hat das dennoch<br />

nichts zu tun, es ist einfach der gelungene, beeindruckende<br />

Versuch, ganz klassischen Hardcore in Richtung maximale<br />

Härte zu intensivieren. Neues Album demnächst, auch auf<br />

Cobra X Records aus dem Ruhrgebiet. (8) Joachim Hiller<br />

ALL TIME LOW<br />

MTV Unplugged<br />

CD | Hopeless | hopelessrecords.com || Es gab mal<br />

eine Zeit, da galt es als musikalischer Ritterschlag, wenn<br />

MTV einen zu seiner berühmten Unplugged-Session einlud.<br />

Ich glaube, DASHBOARD CONFESSIONAL war damals<br />

die erste Band aus dem Emo-Kosmos, der diese Ehre<br />

zuteil wurde, obwohl man über Sinn und Unsinn, eine<br />

sowieso hauptsächlich akustisch spielende Band zu einer<br />

Unplugged Session zu bitten, natürlich diskutieren kann.<br />

Seitdem hat allerdings inzwischen jede Pop-Punk/Emo-<br />

Band, die etwas auf sich hält, Schubladen voller akustischer<br />

Versionen ihrer Album-Songs, die in der Regel auf B-Seiten<br />

<strong>von</strong> Single-Auskopplungen verheizt werden und niemanden<br />

so wirklich interessieren. Vor diesem Hintergrund<br />

kann man natürlich auch über den „MTV Unplugged“-<br />

Auftritt <strong>von</strong> ALL TIME LOW, einer der definitiv besseren<br />

Pop-Punk-Bands der letzten Jahre, sprechen, der soeben<br />

via Hopeless Records unters Volk gebracht wird. Sechs<br />

Songs aus allen Schaffensphasen sind auf der CD zu hören,<br />

bei der alle F-Wörter schön MTV-gerecht ausgeblendet<br />

und die Songs ansonsten kaum verändert wurden. Für Fans<br />

<strong>von</strong> Unplugged-Events empfehlenswert, ansonsten eigentlich<br />

eher überflüssig. (6) David Schumann<br />

ATTACK IN BLACK<br />

Years (By One Thousand Fingertips)<br />

CD | Dine Alone/Soulfood | dinealonerecords.com<br />

| 51:43 || Mit ihrem 2007er Release „Marriage“ (welches,<br />

wie auch das aktuelle Album, in Deutschland erst ein<br />

Jahr später veröffentlicht<br />

wurde) schuf das Quartett<br />

aus Welland, Ontario/Kanada<br />

ein Album,<br />

das für viele – nicht nur<br />

laut Infozettel – genau<br />

die Platte war, die Bands<br />

wie GET UP KIDS,<br />

JIMMY EAT WORLD und<br />

DEATH CAB FOR CUTIE<br />

seit Jahren nicht veröffentlicht<br />

haben. „Marriage“<br />

ist und bleibt jedoch<br />

bewusst ein Unikat im<br />

musikalischen Kosmos <strong>von</strong> ATTACK IN BLACK. Nahmen<br />

mich ATTACK IN BLACK bei „Marriage“ direkt mit auf ihre<br />

Reise, stand ich bei „Years ...“ erstmal lange mit erhobenem<br />

Daumen am Straßenrand und wartete 16 Songs lang,<br />

um mitgenommen zu werden. „Years ...“ geht weiter in die<br />

musikalische Richtung, die die Kanadier bereits mit dem in<br />

nur drei Tagen eingespielten Album „Curve Of The Earth“<br />

einschlugen. Entspannte Lo-Fi Sounds vermischen sich<br />

mit experimentellem – teilweise psychedelischem – Indie,<br />

der im Singer/Songwriter-Gewand geschmückt, mit Folk<br />

liebäugelt. Sicherlich kann man dieses Album nicht mit<br />

„Marriage“ vergleichen, zu unterschiedlich sind beide<br />

Werke, doch nachdem ich wusste was mich hier erwartet,<br />

offenbarte sich für mich Mal für Mal die Schönheit<br />

des hier fast einstündig gebotenen Musikerlebnisses. Als<br />

Band hat man es immer schwer, wenn man nicht an einem<br />

Sound festhält und so wird „Years ...“ auch sicher nicht nur<br />

Fans haben. Mir jedenfalls ist die Platte ans Herz gewachsen<br />

und trotz mancher Längen freue ich mich nach dem Ausklingen<br />

der letzten Töne <strong>von</strong> „The surface I would travel“<br />

bereits darauf, den Playknopf ein weiteres Mal zu betätigen.<br />

(8) Tim Masson<br />

A WEATHER<br />

Everyday Balloons<br />

CD | Team Love | team-love.com | 51:15 || Da gibt<br />

es ganz feine Spannungen, die das zweite Album der Portlander<br />

A WEATHER so interessant und hörenswert machen.<br />

Nach Beiläufigkeit hören sich die intim produzierten kleinen<br />

Poprock-Songs zunächst an, ein wenig wie CALLIOPE<br />

auf ihrem übersehenen „(In)Organics“-Album. Keine großen<br />

Gesten, kein Aufbäumen, keine Aufsehen erregenden<br />

Brüche. Aber da sind doch die kleinen Akzentuierungen<br />

und melodischen Kniffe in den behutsam geschriebenen<br />

Songs, der zweistimmige Gesang und eine bestenfalls betörende<br />

Sanftheit, die die Songs so fesselnd werden lassen. Da<br />

muss man ein wenig Ruhe mitbringen und Gelassenheit,<br />

um sich auf das funkelnde Kleinod einzulassen.(8)<br />

Christian Maiwald<br />

ADOLAR<br />

Schwörende Seen, ihr Schicksalsjahre!<br />

CD | Unterm Durchschnitt | unterm-durchschnutt.<br />

de | 36:25 || Diese Band erwischt einen verdammt<br />

nochmal auf dem falschen Fuß. Denn dass Musik so verschiedene<br />

Gefühle wie Fremdscham und Enthusiasmus<br />

gleichzeitig auslöst, passiert nun wirklich nicht allzu oft.<br />

<strong>REvIEWS</strong><br />

Aber das macht das ganze Album mit diesem beknackten<br />

Titel aus: die deutschen Texte sind fast ohne Ausnahme<br />

höchstpeinlich und in Kombination mit dem totgeglaubten<br />

Schrei/Melodie-Wechsel im Gesang verbinden sie<br />

bis auf wenige konfuse Stellen mit Sprechgesang sämtliche<br />

Emo-Klischees. Das Schlimme ist, so sehr man sich<br />

dagegen wehrt, „Schwörende Seen, ihr Schicksalsjahre!“<br />

ist ein wirklich großartiges Album. Auch wenn man an<br />

bestimmten Stellen ganz schlimme Gänsehaut bekommt,<br />

der Druck, die technische Ausgefeiltheit und die Liebe zur<br />

Musik dieser noch sehr jungen ADOLAR ist eine Meisterleistung.<br />

Und die Maxima ziehen sich durch alle zehn<br />

Songs: Songwriting, durchdacht bis ins kleinste Detail,<br />

orchestrale Hymnen mit Kirchenorgel, die QUEEN’sche<br />

Großkotzigkeit in der Weiterführung des Pop, aber der<br />

Druck <strong>von</strong> HiFi-Hardcore-Bands wie beispielsweise<br />

POISON THE WELL oder vielen Post-Rock-Bands. Und die<br />

Platte in einer Kirche aufzunehmen – erschreckend peinlich<br />

und doch ziemlich gut. (9) Christoph Schulz<br />

ALWAYS WANTED WAR<br />

Doom 3D<br />

CD | Tief in Marcellos Schuld | myspace.com/marcellosschuld<br />

| 18:41 || Dieses Kurzalbum <strong>von</strong> ALWAYS<br />

WANTED WAR beginnt tatsächlich ziemlich vernünftig:<br />

das hier klingt zunächst nach treibendem Metalcore, der<br />

so irgendwie gar nichts mit der mittlerweile aufgebauten<br />

Metalcore-Klischee-Welt zu tun haben will. Eigentlich<br />

ganz sympathisch also. Doch dann irgendwann fangen<br />

die Jungs aus Cuxhaven an, immer wieder seltsam deplatziert<br />

wirkendes Melody-Punk-Geballer in die Songs einzubauen.<br />

Das sowie eine über die Gesamtspieldauer unklar<br />

wahrnehmbare Unreife hauen die Songs irgendwie komplett<br />

aus der Spur. Mich beschleicht das Gefühl, dass die<br />

Band sich nicht so richtig einig ist, in welche Richtung die<br />

Reise gehen soll. Auf Dauer ist das Ganze doch arg monoton<br />

und vorhersehbar. Mir ist durchaus bewusst, dass das<br />

jetzt wie eine etwas mühe- und ahnungslose Beschreibung<br />

klingt – aber im Falle dieser Scheibe ist einfach nicht mehr<br />

zu sagen. Konstantin Hanke<br />

ABSCESS<br />

Dawn Of Inhumanity<br />

CD | Peaceville | peaceville.com | 52:25 || Würfe<br />

man Chris Reifert und Danny Coralles vor, in ihrer Musik<br />

hätte sich seit den AUTOPSY-Anfängen Ende der Achtziger<br />

nichts Grundlegendes geändert, fassten sie das wohl als<br />

Kompliment auf, gerade mit Blick auf das, was sich heute<br />

so als Death Metal verkauft. Schließlich zogen die beiden<br />

einst aus, dem ihrer Meinung nach überproduzierten und<br />

massenkompatiblen Death Metal ihrer Kollegen ein räudiges<br />

und ekliges Etwas entgegen zu stellen. Seit 1994 tun<br />

sie dasselbe mit ABSCESS, nur in noch etwas dreckigerer<br />

Form (2009 gab es übrigens nach 15 Jahren Stille mit<br />

einer 7“ auch mal wieder ein Lebenszeichen <strong>von</strong> AUTO-<br />

PSY). Und so bleiben sie natürlich auch auf Album Nummer<br />

sechs wunderbar sturköpfig, scheren sich einen Dreck<br />

um die Moderne, schleppen und knüppeln sich durch eine<br />

Stunde primitiven – aber nicht dummen! – Death Metal.<br />

Brüder im Geiste sind da bekanntlich DARKTHRONE, die<br />

auf „Dawn Of Inhumanity“ im Hintergrund grölen durften.<br />

(8) André Bohnensack<br />

AGGROTRONIC<br />

Es ist die Kraft<br />

CD | Ecocentric / ecocentricrecords.com || Puh, das<br />

geht an die Substanz. Da braucht es mehr als Kraft, um diesen<br />

krassen Mix aus herbem 8-Bit-Gewitter, Nintendo-,<br />

Grind- und Hardcore durchzustehen. Aber wenn man<br />

gut gefrühstückt hat, hört sich die Sache auch schon ganz<br />

anders an. Struktur? Tradition? Konvention? Dem strecken<br />

die drei anmutig den Mittelfinger entgegen. Hinter dem<br />

infernalischen Trio verbirgt sich übrigens Alexandra Petrovics<br />

Schreiorgan (ex-BOLZ’N, CROWSKIN), Christian<br />

Bass (WHITE EYES, THE DESTINY PROGRAM) am Schlagzeug<br />

und John Dreisbach (SIDE PROJEKT) an den elektronischen<br />

Spielgeräten. Null Komma nix für schwache Nerven!<br />

(7) JeNnY Kracht<br />

ACID EATERS<br />

s/t<br />

MCD | myspace.com/theacideaters | 12:49 || Viele<br />

Italiener scheinen ja einen RAMONES-Schrein zu Hause<br />

zu haben, dem sie ausgiebig huldigen. Als Nebeneffekt<br />

kommen deshalb wohl zahlreiche Bands vom Schlage<br />

ACID EATERS aus dem Stiefelland. Die Jungs haben also<br />

die richtigen Vorbilder und leihen sich auch gerne mal<br />

etwas bei Landsleuten wie den SNAZZY BOYS, MANGES<br />

oder RETARDED. Der Sound ist gut, das Zusammenspiel<br />

aber weniger. Auch sind die sechs Songs ziemlich vorhersehbar<br />

und können über die Gesamtspielzeit keine echte<br />

Spannung aufbauen. Das Potenzial ist bei den ACID EATERS<br />

zweifellos vorhanden, aber sie müssen die Durchschlagskraft<br />

noch erhöhen. (5) Bernd Fischer<br />

A SAILOR’S GRAVE<br />

Set A Fire In Your Heart<br />

CD | Crazy Love | crazyloverecords.de | 37:50 ||<br />

Bandname, Albumtitel und Label weisen klar den Weg zur<br />

Schublade: Punk’n’Roll mit Slapbass. Anker, Tattoos und


Piratenromantik fürs Bühnenbild: fertig ist ein wilder<br />

Mix aus DEMETED ARE GO!, THE GRIT und HOT WATER<br />

MUSIC (HWM). Genau nach denen klingt der letzte <strong>von</strong><br />

elf Songs („Feeling better now“). Ganz typisch ist der eingängige<br />

Song mit seinen Effektspielereien (Gesang) und<br />

seiner extremen HWM-Nähe aber nicht für den Sound<br />

<strong>von</strong> Bob, Matt, Manning und Jay. Aber eben genau diese<br />

vorsichtigen Ausflüge in fremde musikalische Gewässer<br />

gefallen, denn im Großen und Ganzen ist das hier maximal<br />

solides Mittelfeld. Bedeutet: absolut nichts Neues, Riffs und<br />

Melodien sind wohlbekannt und man hört nahezu immer<br />

das gleiche Lied. Nur „London song“ verzichtet auf räudigen<br />

Punk, hat gar einen gewissen SMITHS-Touch. „Kill<br />

your radio“ kopiert die MISFITS und „Little fire“ VOICE<br />

OF A GENERATION (RIP). Es bleibt ein unschönes Gefühl<br />

wilder Kopiererei und der Unausgereiftheit. THE GRIT<br />

sind da schon eine andere Liga ... (6) Lars Weigelt<br />

APPALOOSA<br />

Savana<br />

CD | Urtovox | urtovox.it | 38:18 || Das dritte Album<br />

des musikalisch eigenständigen Quartetts aus Livorno, das<br />

seit zwölf Jahren international sein Unwesen treibt. Neun,<br />

fast durchgehend instrumentale, sehr atmosphärische<br />

Songs. Abwechslungsreiche Bassläufe, Keyboardsounds,<br />

elektronische Beats und Samples. Manche mögen so etwas<br />

zum Tanzen, andere als lockere Hintergrundmusik. Im Vergleich<br />

zu M2 bewegen sich APPALOOSA auf einem höheren<br />

Level, haben einen ganz anderen Anspruch und schaffen<br />

es, sich ins Gedächtnis einzuschleichen. Verbindungen<br />

zu anderen, gleichwertigen Bands herzustellen, ist nicht<br />

ganz einfach. Wer bessere Hintergrundmusik sucht, wird<br />

hier fündig. (7) Christoph Parkinson<br />

THE ALBUM LEAF<br />

A Chorus Of Storytellers<br />

CD | Sub Pop/Cargo | subpop.com | 49:48 || Da soll<br />

noch einer sagen, im Alter würde der Mensch sich gegen<br />

Veränderungen sperren. Jimmy LaValle zum Beispiel feiert<br />

mit THE ALBUM LEAF sein zehnjähriges Jubiläum. Dafür<br />

ist er <strong>von</strong> City Slang zu Sub Pop gewechselt und hat erstmals<br />

zugelassen, dass seine Live-Musiker mit ihm zusammen<br />

im Studio an neuen Songs arbeiten. Das war es aber<br />

auch schon mit den Neuerungen, denn an der Musik hat<br />

sich durch all das nichts geändert. Auch das Jubiläumsalbum,<br />

das fünfte insgesamt, ist eine entspannte Angelegenheit,<br />

voll <strong>von</strong> geduldig arrangierten, teilweise beinahe<br />

symphonischen Songs, die jedem Filmstudenten Tränen<br />

der Vorfreude entlocken würde. Ebenfalls geblieben ist der<br />

Wechsel zwischen Trip und Pop, der zwischen analog und<br />

digital. In dieser Hinsicht hat sich also seit dem Vorgänger<br />

„Into The Blue Again“ nicht viel getan, aber in diesem Fall<br />

ist das überhaupt nicht schlimm. „A Chorus Of Storytellers“<br />

ist ein Stimmungsalbum vom Feinsten, und so was<br />

kann Jimmy LaValle eben am besten. (8) Christian Meiners<br />

ARCHIE BRONSON OUTFIT<br />

Coconut<br />

CD | Domino | dominorecordco.com | 40:05 ||<br />

Bandinfos sind wie Verkehrsunfälle: Man will nicht hinschauen,<br />

man weiß, dass es nicht schön ist, aber so willig<br />

der Geist ist, so schwach<br />

ist das Fleisch – und so<br />

kämpft man sich dann<br />

einmal mehr durch völlig<br />

sinnfreie Floskeln,<br />

durch Sätze, die im englischen<br />

Original mal<br />

eine Bedeutung gehabt<br />

haben könnten, jetzt aber<br />

nur noch zu verwirrtem<br />

Stirnrunzeln führen.<br />

Aber egal, Musikrezensentenprobleme<br />

sind<br />

Luxusprobleme, was<br />

zählt, ist die Musik, die sich auf dem neuen Album des Londoner<br />

Trios findet, das sich für den Nachfolger <strong>von</strong> „Derdang<br />

Derdang“ vier Jahre Zeit gelassen hat – und vier Jahre<br />

sind eine lange Zeit in einem schnelllebigen Geschäft, und<br />

ein solches ist speziell der Pop-Betrieb im hypegeilen England<br />

– heute Helden, morgen vergessen. Welches Schicksal<br />

ABO erwartet? Man wird sehen, denn ARCHIE BRONSON<br />

OUTFIT machen es einem nicht leicht, stehen sie doch mit<br />

„Coconut“ knietief im Psychedelic-Schlamm und wühlen<br />

darin herum, dass es eine Freude ist. Mal blitzt eine Lou<br />

Reed-Reminiszenz auf, dann THE JESUS & MARY CHAIN<br />

oder SPACEMEN 3, Kaputt-Blues à la Jon Spencer, GUN<br />

CLUB, Americana, SUN DIAL – es ist ein ganzer Sack an<br />

Zutaten, der sich aus den Hosentaschen der Band ergießt<br />

wie die Pillenvorräte eines Polytoxomanen bei der Razzia<br />

– wer da wann wo was genommen hat, ist da auch vollends<br />

egal. Also Augen zu, Hand auf, ab in den Mund damit,<br />

schlucken – gute Reise. (8) Joachim Hiller<br />

ADMIRAL ANGRY<br />

A Fire To Burn Down The World<br />

12“ | Shelsmusic | shelsmusic.com | 23:41 || Es ist<br />

sicher kein feiner Zug, sich am Leiden anderer zu weiden;<br />

zu sagen, dass „A Fire To Burn Down The World“ eine<br />

unheimlich packende Vertonung <strong>von</strong> Wut und Trauer ist,<br />

im Wissen um den Tod eines Bandmitglieds, somit eigentlich<br />

pietätlos, aber eben zutreffend. Dass die verbliebenden<br />

Mitglieder der Band nach dem Tod <strong>von</strong> Gitarrist und Bandkopf<br />

Daniel Kraus, der kurz nach der Veröffentlichung des<br />

Debütalbums „Duster“ 2009 an Mukoviszidose verstarb,<br />

ihre Verzweiflung in Form dieser 1-Song-EP zu verarbeiten<br />

versuchten, hört man zu jeder Sekunde, hat der Verlust<br />

des Freundes ihrem Ultraslow-Sludge-Doom doch eine<br />

Intensität verliehen, die auf KHANATE-Niveau liegt. (8)<br />

André Bohnensack<br />

ANCHORS AWEIGH<br />

Written To Remind<br />

CD | myspace.com/anchorsawagharmy | 30:20 ||<br />

ANCHORS AWEIGH bleiben bei ihrem zweiten Album<br />

ihrer Coverart im Seefahrerstil treu. Man hat es hier mit<br />

guten Melodien, solidem Gesang, gut angeordneten<br />

Crewshouts und einer hochwertigen Produktion zu tun.<br />

Leider bleibt es bei solidem Melodic Hardcore, denn man<br />

hat die ganze Zeit das Gefühl, dass man das doch irgendwo<br />

schonmal (besser, aber natürlich auch schlechter) gehört<br />

hat. Der Funke will bei mir nicht überspringen. Im Großen<br />

und Ganzen eine solide Platte, ohne viele Überraschung,<br />

die trotzdem irgendwie Spaß macht. (6) Peter Nitsche<br />

ANIMA<br />

Enter The Killzone<br />

CD | Metal Blade | Metalblade.com | 40:38 || In<br />

Ox #80 hatte ich das Debüt der übel gelaunten Nordhäuser<br />

schon auf dem Tisch, so folgt nun konsequenter Weise<br />

der zweite Streich namens „Enter The Killzone“. Und dieser<br />

knüpft wirklich nahtlos an das akustische Gemetzel an.<br />

Wurde auf dem Debüt noch hier und da ein bisschen mehr<br />

schwedisches Todesblei verschossen, hat man jetzt Thors<br />

Hammer endgültig gegen die Keule mit dem rostigen<br />

Nagel getauscht. Definitiv wurde hier noch einmal eine<br />

Schippe an Härte und Brutalität draufgelegt. Der Name des<br />

Albums ist durchaus Programm und hat nicht selten den<br />

einen oder anderen Höhepunkt zu bieten. Meine Anspieltips<br />

„Welcome to our killzone“, „Loner’s reflection“ oder<br />

• ALKALINE TRIO This Addiction<br />

• SMOKE BLOW The Record<br />

• CONVERGE Axe To Fall<br />

• CUTE LEPERS Smart Accessoires<br />

• JELLO BIAFRA & THE GUANTANAMO<br />

SCHOOL OF MEDICINE The Audacity Of Hype<br />

SOUNDFLAT<br />

1. STAGGERS Go Go Gorilla 7“ | 2. KONGSMEN On<br />

Campus LP/CD | 3. WILD EVEL AND THE TRASHBO-<br />

NES Let’s Go Right Now 7“ | 4. SATELLITERS Lost In Time<br />

7“ | 5. MARCEL BONTEMPI Shag Rag 7“ | 6. STAGGERS<br />

Zombies Of Love LP | 7. IMPERIAL SURFERS Double<br />

Shot Of 1 & 2 Shot EP Lim. Ed. 2x7“ | 8. V.A. Sin-sa-tion!<br />

Vol.2 LP | 9. ATTENTION! s/t LP | 10. MONTESAS Aloha<br />

From Alpha-Centauri 10“/CD<br />

FLIGHT 13<br />

1. TURBOSTAAT Island Manöver LP/CD | 2. LEATHER-<br />

FACE The Stormy Petrel LP/CD | 3. OIRO Ozean der Anarchie<br />

7“ | 4. SMOKE BLOW The Record LP/CD | 5. JAW-<br />

Joachim Hiller<br />

In der Anlage: TINY GHOSTS Another Poison Wine | LEA-<br />

THERFACE The Stormy Petrel | RED SPAROWES The Fear Is<br />

Excruciating, But Therein Lies The Answer Die drei besten<br />

Punkrock-Songs überhaupt: SEX PISTOLS Anarchy in the<br />

UK | STOOGES Search & destroy | SLIME Deutschland muss<br />

sterben Das musst du gelesen haben: Stevie Chick: Spray<br />

Paint The Walls Bemitleidenswert: Stefan Uhl<br />

André Bohnensack<br />

In der Anlage: BLACK BONED ANGEL Verdun | DARKT-<br />

HRONE Circle The Wagons | FLESHIES Brown Flag Die drei<br />

besten Punkrock-Songs überhaupt: MISFITS Bullet |<br />

SNUFF Martin | THE UNDERTONES Teenage kicks Das musst<br />

du gesehen haben: ANVIL The Story Of Anvil Hassenswert:<br />

Das Verhältnis <strong>von</strong> Aufwand zum Ergebnis<br />

Jens Kirsch<br />

In der Anlage: SONIC YOUTH Dirty | SEED OF PAIN Blindfolded<br />

& Doomed | THE CURE Pornography Die drei besten<br />

Punkrock-Songs überhaupt: SAMIAM Good enough<br />

| CLASH Shoul I stay or should I go | HOT WATER MUSIC<br />

220 years Das musst du gesehen haben: Die beiden Drummer<br />

<strong>von</strong> TEPHRA live im Waldmeister, Solingen Hassenswert:<br />

Kung Fu auf Hardcore-Konzerten<br />

Arndt Aldenhoven<br />

In der Anlage: EDGE OF SANITY Purgatory Afterglow |<br />

CONVERGE Axe To Fall | ANGELS & AIRWAVES Love Die drei<br />

besten Punkrock-Songs überhaupt: SMOKE BLOW Am<br />

Strand | KASSIERER Mit meinem Motor | CLASH Should I<br />

stay or should I go Das musst du gelesen haben: Die vier<br />

Elling-Romane Liebenswert: Earl Hickey<br />

Claus Wittwer<br />

In der Anlage: NEIL YOUNG Prairie Wind | NANCY SINA-<br />

TRA AND FRIENDS Same | JOE STRUMMER & THE MESCA-<br />

LEROS Streetcore | Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt:<br />

alle auf dem ersten Album <strong>von</strong> THE CLASH Das musst<br />

du erfahren haben: alles, bei dem man meint, mitreden zu<br />

wollen. Hassenswert: Carglass repariert, Carglass tauscht aus.<br />

Jan-Niklas Jäger<br />

In der Anlage: PJ HARVEY White Chalk | JOY DIVISION The<br />

Best Of Joy Division | YEAH YEAH YEAHS Fever To Tell Die<br />

drei besten Punkrock-Songs überhaupt: RAMONES Judy is<br />

a punk | BUZZCOCKS You say you don’t love me | RICHARD<br />

HELL & THE VOIDOIDS Love comes in spurts Das musst du<br />

erfahren haben: Darth Vader ist Luke’s Vater Liebenswert:<br />

Regina Spektor<br />

Marcus Latton<br />

In der Anlage: KONG Snake Magnet | DILLINGER ESCAPE<br />

PLAN Option Paralysis | REFUSED The Shape Of Punk To<br />

Come Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt: RITES<br />

OF SPRING For want of | HOT WATER MUSIC God deciding |<br />

PROPAGANDHI Without love Das musst du gesehen haben:<br />

Lady Vengeance Liebenswert: Titanic-Abo<br />

Christian Maiwald<br />

In der Anlage: LITURGY Renihilation | THEE SILVER MT.<br />

ZION MEMORIAL ORCHESTRA Kollaps Tradixionales |<br />

SONIC YOUTH Rather Ripped Die drei besten Punkrock-<br />

Songs überhaupt: ZOUNDS Subvert | AT THE DRIVE-IN<br />

Ticklish | HÜSKER DÜ Celebrated summer Das musst du<br />

gelesen haben: alle Comics <strong>von</strong> Ruppert & Mulot Hassenswert:<br />

Klüngel<br />

Zahni Müller<br />

In der Anlage: A WILHELM SCREAM EP | AMULET Burning<br />

Sphere | ENDSTAND Never Fall Into Silence Die drei besten<br />

Punkrock-Songs überhaupt: UNDERTONES Teenage kicks |<br />

SEX PISTOLS God save the Queen | STIFF LITTLE FINGERS<br />

Suspect device<br />

Peter Nitsche<br />

In der Anlage: SUBLIME Gold | ABFUKK Asi. Arrogant. Abgewrackt<br />

Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt: NOFX<br />

Kill all the white men | MISCHIEF BREW Against | SUBLIME<br />

Poolshark Das musst du gesehen haben: Milles und mein<br />

Kickerspiel Liebenswert: Alte Freundschaften aufrechthalten<br />

Christin Pausch<br />

In der Anlage: STRIKE ANYWHERE Iron Front | POLAR<br />

BEAR CLUB Chasing Hamburg| NOFX Coaster Die drei besten<br />

Punkrock-Songs überhaupt: STRIKE ANYWHERE<br />

Chalkline | RISE AGAINST Give it all | GREEN DAY Basket<br />

case Das musst du gehört haben: Ich hab morgen Geburtstag.<br />

Liebenswert: David H.<br />

Kay Werner<br />

In der Anlage: DIE AERONAUTEN Hallo Leidenschaft | FLIP-<br />

PER Love | CHRISTINE KITTRELL Call Her Name Die drei<br />

besten Punkrock-Songs überhaupt: STOOGES Search and<br />

destroy | ADVERTS Gary Gilmore’s eyes | BUZZCOCKS Boredom<br />

Das musst du erfahren haben: UK SUBS mit geänderter<br />

Setlist auf Tour Liebenswert: Willie Mae „Big Mama“<br />

Thornton’s „Hound dog“<br />

Finn Quedens<br />

In der Anlage: MAKEOUTS In A Strange Land! | THE HOR-<br />

RIBLY WRONG s/t | TURN IT OFFS Too Much Static Die drei<br />

besten Punkrock-Songs überhaupt: TEENAGE HEAD Picture<br />

my face | LOLI & THE CHONES You’re so cool | WIPERS<br />

Window Shop for Love Das musst du gelesen haben: Snakepit<br />

Comics<br />

Myron Tsakas<br />

In der Anlage: MIDLAKE The Courage Of Others | SONS OF<br />

BILL One Town Away | JUPITER JONES Raum um Raum Die<br />

drei besten Punkrocksongs überhaupt: BOYSETSFIRE Rookie<br />

| MUFF POTTER Unkaputtbar PROPAGANDHI Stick the<br />

rEvIEws<br />

So funktioniert´s:<br />

• Wir wollen <strong>von</strong> euch wissen, welche 5(!) Platten momentan am häufigsten gehört werden. Wir stellen aus allen<br />

genannten Platten monatlich die Ox-Lesercharts zusammen und präsentieren diese auf www.ox-fanzine.<br />

de und dann alle zwei Monate auch an dieser Stelle.<br />

• Unter allen Mitmachenden verlosen wir jeden Monat diverse CDs, Platten, T-Shirts, Poster, etc.<br />

• Mitmachen unter www.ox-fanzine.de und da unter „Charts” oder via eMail an charts@ox-fanzine.de<br />

BREAKER Reissues LP/CD | 6. AERONAUTEN Hallo Leidenschaft<br />

LP/CD | 7. ALKALINE TRIO This Addiction<br />

2LP/CD | 8. VICTIMS FAMILY White Bread Blues LP+CD<br />

| 9. TEN VOLT SHOCK 78 Hours LP/CD | 10. JOHNNY<br />

CASH American VI LP/CD<br />

CORE TEX<br />

1. LEATHERFACE The Stormy Petrel CD | 2. FREDDY<br />

MADBALL Catholic Guilt CD 3. COCKNEY REJECT Fussball,<br />

Oi! und Krawalle Buch | 4. ANTICOPS Out In The<br />

Streets LP/CD | 5. KILLING TIME Three Steps Back LP/<br />

CD | 6. RADIO DEAD ONES Berlin City-EP 10“/CD | 7.<br />

SKARHEAD Drugs, Music & Sex LP/CD | 8. SMOKE BLOW<br />

The Record LP/CD | 9. V.A. Berlin Hardcore Vol. 2 CD |<br />

fucking flag up your goddamn ass, you sonofabitch Das musst<br />

Du gesehen haben:<br />

Deutschland - Argentinien Hassenswert: Rassistische Ausweiskontrollen<br />

der Bundespolizei<br />

Dr. Oliver Fröhlich<br />

In der Anlage: IMMOLATION Majesty And Decay | ACTIVE<br />

MINDS It’s Perfectly Obvious That This System Doesn’t Work |<br />

SHINING Blackjazz Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt:<br />

EXPLOITED Troops of tomorrow FEHLFARBEN All<br />

that heaven allows INTERZONE Hintermänner Das musst du<br />

gehört haben: SARKE Vorunah Liebenswert: Louis<br />

Sebastian Walkenhorst<br />

In der Anlage: RAZORS IN THE NIGHT Carry on | VERSE<br />

Aggression | STRENGTH APPROACH All The Plans We Made<br />

Are Going To Fall Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt:<br />

SHAM 69 Hersham boys | FRANK TURNER Photosynthesis<br />

| THE MISFITS Attitude Das musst du erfahren<br />

haben: Party Hard im Conne Island Leipzig am 19.2.2010 bei<br />

TOXPACK, rememberings for ages, fellas! Liebenswert: meine<br />

Kids tanzend zu TIM ARMSTRONG’S Into action<br />

Simon Dillo<br />

In der Anlage: OIL! The Glory Of Honour | RUBBER RODEO<br />

Scenic Views | DOIN’ JUST FINE 5 Lovesick Punk Rock Songs<br />

Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt: SHAM 69 If<br />

the Kids are united | DEAD BOYS Sonic reducer | UNDERTO-<br />

NES Teenage Kicks Das musst du gesehen haben: Looking for<br />

Eric Hassenswert: Minusgrade im März<br />

David Schumann<br />

In der Anlage: THE WONDER YEARS The Upsides | FOUR<br />

YEAR STRONG Enemy Of The World | BOB DYLAN Discography<br />

Vol. 1 Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt:<br />

MISFITS Where Eagles Dare | BLACK FLAG Depression<br />

| MINOR THREAT Minor Threat Das musst du unbedingt<br />

gelesen haben: Jonathan Safran Foer - EATING ANI-<br />

MALS Hassenswert: Kapitalismus<br />

Lars Koch<br />

In der Anlage: SAM COOKE Live At The Harlem Square Club,<br />

1963 | JAWBREAKER Dear You | THE SAINTS Eternally Yours<br />

Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt: L.E.S. STIT-<br />

CHES Choices THE DRIPS Broken | DEAD BOYS Ain’t it fun<br />

Das musst du erlebt haben: NOTHINGTON live Liebenswert:<br />

JAMIE T. covert live „Policeman“ <strong>von</strong> den SILENCERS<br />

Tobias Ernst<br />

In der Anlage: GUNS UP Outlive | UNVEIL/DEADVERSE<br />

Split | PANTERA Vulgar Display Of Power Die drei besten<br />

Punkrock-Songs überhaupt: PENNYWISE Bro hymn NO<br />

USE FOR A NAME Justified Black Eye NOFX Kill all the white<br />

man Hassenswert: Meine Oma ist gestorben<br />

Lars Weigelt<br />

In der Anlage: I WALK THE LINE Language Of The Lost | THE<br />

PEACOCKS After All | ALKALINE TRIO This Addiction Die<br />

drei besten Punkrock-Songs überhaupt: STIFF LITTLE<br />

FINGERS Gotta gettaway | THE CLASH Complete control |<br />

SOCIAL DISTORTION Don’t drag me down Das musst du<br />

erfahren haben: Auf Olympia und Co. verzichten Liebenswert:<br />

Frühling, was sonst?<br />

Andreas Krinner<br />

In der Anlage: NATIVE NOD Today Puberty, Tormorrow The<br />

World | HOT SNAKES Audit In Progress | LEATHERFACE<br />

The Stormy Petrel Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt:<br />

WIPERS Over the edge | DESCENDENTS Clean sheets<br />

| GORILLA BISCUITS New direction Das musst du gelesen<br />

haben: Wenedikt Jerofejew - Die Reise nach Petuschki Liebenswert:<br />

Larry David<br />

Sebastian Wahle<br />

In der Anlage: HOT WATER MUSIC A Flight And A Crash |<br />

PHOENIX Wolfgang Amadeus Phoenix | SINCE BY MAN Photos<br />

From Hotel Apokalypse Die drei besten Punkrock-Songs<br />

überhaupt: HOT WATER MUSIC Paperthin | LIFETIME Airport<br />

monday morning | STRIKE ANYWHERE Sunset on 32nd<br />

street Das musst du gesehen haben: (500) Days of summer<br />

Liebenswert: Vegetarierinnen<br />

Andreas Kuhlmann<br />

In der Anlage: IMMOLATION Majesty And Decay | REIGN<br />

SUPREME Testing The Limits Of Infinite | JACK SLATER<br />

Extinction Aftermath Die drei besten Punkrock-Songs<br />

überhaupt: ALKALINE TRIO Take lots with alcohol | THE<br />

CLASH Lost in the supermarket | AFI Sacrifice theory Das<br />

musst du gelesen haben: MARKUS ZUSAK Die Bücherdiebin<br />

Liebenswert: Jennifer und Michael (danke!)<br />

Christoph Lampert<br />

In der Anlage: BLUMEN AM ARSCH DER HÖLLE s/t |<br />

SIGHTS AND SOUNDS Monolith | V.A. Let Them Know (The<br />

Story Of BYO) Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt:<br />

7 SECONDS Trust | ITCH Good to be alive | POLITI-<br />

CAL ASYLUM I won’t buy it Das musst du erfahren haben:<br />

PASCOW live Hassenswert: Schnee immer wieder Schnee<br />

Simon Brunner<br />

In der Anlage: MIGHTY MIGHTY BOSSTONES Pin Points<br />

& Gin Joints | WILFRIED SCHMICKLER Es war nicht alles<br />

schlecht | THE TIKI KINGS s/t Die drei besten Punkrock-<br />

Songs überhaupt: THE CLASH London calling | DEAD KEN-<br />

NEDYS Kill the poor | SEX PISTOLS God save the queen Das<br />

musst du erfahren haben: Dieses ewige Gejammer, so viele<br />

Opfer, überall! Liebenswertes: Tiere<br />

Markus Kolodziej<br />

In der Anlage: PROJECT:KOMAKINO: The Struggle For Utopia<br />

| HUMAN TETRIS: s/t | BLACK TAPE FOR A BLUE GIRL:<br />

Ten Neurotics Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt:<br />

/LESERchARTS<br />

/vERKAUfSchARTS<br />

10. JELLO BIAFRA & THE GUANTANOMO SCHOOL OF<br />

MEDICINE The Audacity Of Hype LP/CD<br />

GREEN HELL<br />

1. ROCKY VOTOLATO True Devotion LP + 7“ | 2. GAVIN<br />

PORTLAND Hand In Hand LP/CD | 3. ALKALINE TRIO<br />

This Addiction LP/CD | 4. LEATHERFACE The Stormy<br />

Petrel LP/CD | 5. SHOUT OUT LOUDS Work LP/CD | 6.<br />

JOHNNY CASH Ain’t No Grave LP/CD | 7. BLACK BUG<br />

s/t LP | 8. DEADLINE Bringing Down The House LP/CD<br />

| 9. KONGSMEN On Campus LP/CD | 10. BLACKLISTED<br />

No One Deserves LP/CD<br />

/pLAyLISTS<br />

DEAD KENNEDYS: Holiday in Cambodia | PETER AND THE<br />

TESTTUBE BABIES The jinx | THE FLYS Love and a molotov<br />

cocktail Das musst du gesehen haben: Das katalanische Aktionstheater<br />

Las Fura dels Baus 1990 mit Kettensägen, Tierkadaveren,<br />

viel Mehl und Wasser.<br />

Bernd Fischer<br />

In der Anlage: JIZZLOBBERS s/t | KING KHAN & BBQ s/t |<br />

THE MIGHTY STEF 100 Midnights | Die drei besten Punkrock-Songs<br />

überhaupt: RAMONES Blitzkrieg Bop | EA80<br />

Nimmer geh beiseit | NAPALM DEATH You suffer Das musst<br />

du gelesen haben: Corporate Rock Knockout Fanzine Liebenswert:<br />

Panzerwelse<br />

Carsten Hanke<br />

In der Anlage: NINA SIMONE My Baby Just Cares For Me |<br />

KITTY, DAISY & LEWIS same | GEORG KREISLER Everblacks<br />

| Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt: RAMO-<br />

NES Hey, ho, let’s go! | THE CLASH London calling | SOCIAL<br />

DISTORTION Don’t drag me down | Das musst du gesehen<br />

haben: Rock’n’Roll Wrestling Bash im GLORIA Liebenswert:<br />

Griechenland<br />

Katharina Gilles<br />

In der Anlage: LE TIGRE This Island | KATATONIA Viva Emptiness<br />

| KARI RUESLATTEN Other peoples story Das musst<br />

du gelesen haben: Max Goldt - Die Radiotrinkerin Liebenswert:<br />

C.P.<br />

Bodo Unbroken<br />

In der Anlage: MICAH SCHNABEL When The Stage Lights Go<br />

Dim | CHEAP GIRLS Find me a drink home | DAG NASTY<br />

Can I say Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt:<br />

UNDERTONES Teenage kicks | ANGRY SAMOANS Lights out<br />

| DEAD BOYS Sonic reducer Das musst du erfahren haben:<br />

Acoustic Show <strong>von</strong> Against Me! Hassenswert: Post<br />

Guntram Pintgen<br />

In der Anlage: DISCIPLINES Smoking Kills | GLUECIFER<br />

Automatic Thrill Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt:<br />

BLACK FLAG Rise above | ADOLESCENTS Kids of the<br />

black hole | IRON MAIDEN Sanctuary Das musst du gesehen<br />

haben: DISCIPLINES live im Sonic Ballroom<br />

Robert Buchmann<br />

In der Anlage: BLOODLIGHTS Simple Pleasures | SKIDS Scared<br />

to Dance | DIAL M FOR MURDER! Fiction Of Her Dreams<br />

Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt: SOCIAL DIS-<br />

TORTION Cold feelings | HÜSKER DÜ 59 times the pain |<br />

THE MURDER CITY DEVILS Dance Hall Music Das musst du<br />

erfahren haben: BLOODLIGHTS live Liebenswert: Captain<br />

Poons norwegischer Akzent<br />

Jörkk Mechenbier<br />

In der Anlage: CRAVING A Good Cast Is Worth Repeating |<br />

ALKALINE TRIO This Addiction | THE WOODEN SHJIPS Vol. 2<br />

Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt: STEAKKNIFE<br />

Hell yeah | BLACK FLAG Wasted | ANGRY SAMOANS You stupid<br />

jerk Das musst du gesehen haben: THE RAVEONETTES<br />

live Liebenswert: Moritz Mutter<br />

Christoph Parkinson<br />

In der Anlage: BRING ME THE HORIZON Suicide Season Cut<br />

Up | CRYSTAL CASTLES Same THE PIERCES Thirteen Tales<br />

Of Love... Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt:<br />

DESCENDENTS I’m not a punk | GG ALLIN You hate me and I<br />

hate you | SCREECHING WEASEL Falling apart Das musst du<br />

gelesen haben: William S. Burroughs „Junkie“ Liebenswert:<br />

Die Sängerin <strong>von</strong> KARATE DISCO<br />

Matilda Gould<br />

In der Anlage: OVERKILL Ironbound | LARRY BARETT The<br />

Big Slowdown | PATSY O’HARA Deathinteresse Die drei besten<br />

Punkrock-Songs überhaupt: LEATHERFACE Wallflower<br />

| STIFF LITTLE FINGERS Alternative ulster | SOCIAL DIS-<br />

TORTION Don’t drag me down Das musst du gehört und<br />

gesehen haben: Olli Mustonen interpretiert Tschaikowski<br />

Liebenswert: Schnee - wenn er endlich wieder weg ist<br />

Konstantin Hanke<br />

In der Anlage: PART CHIMP Thriller | BURIED INSIDE<br />

Spoils Of Failure | MIDLAKE Courage Of Others Die drei besten<br />

Punkrock-Songs überhaupt: SEX PISTOLS Bodies |<br />

MINOR THREAT Filler | VORKRIEGSJUGEND Schöne neue<br />

Welt Das musst du gehört haben: Seyed Khalil Ali Nezhad<br />

Liebenswert: Ostseetrip mit Anschie Bernd<br />

Jürgen Schattner<br />

In der Anlage: TURBOSTAAT Das Island Manöver | LEA-<br />

THERFACE Stormy Petrel | I WALK THE LINE Language of<br />

the Lost Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt: LEA-<br />

THERFACE I want the moon | THE CLASH London calling |<br />

RAMONES Sheena is a punk rocker Das musst du gelesen<br />

haben: Spray paint the walls (The Story of Black Flag) Hassenswert:<br />

Guido Westerwelle<br />

Lauri Wessel<br />

In der Anlage: FLOGGING MOLLY Live At The Greek Theatre<br />

| ANTI-FLAG For Blood And Empire | GASLIGHT ANTHEM<br />

The ’59 Sound Die drei besten Punkrock-Songs überhaupt:<br />

BAD RELIGION Operation rescue | GREEN DAY Jesus<br />

of suburbia | RANCID Old friend Das musst du gesehen<br />

haben: Allan Shore Liebenswert: Shirley Schmidt<br />

Gunnar Baars<br />

In der Anlage: WHY Elephant Eyelash | NOTWIST The Devil,<br />

You & Me | LES SAVY FAV WHAT WOULD WOLVES DO? Die<br />

drei besten Punkrock-Songs überhaupt: PIXIES Gouge<br />

Away | SONIC YOUTH Skip Tracer | ALKALINE TRIO Private<br />

eye Das musst du gelesen haben: Alain Robbe-Grillet - Die<br />

blaue Villa in Hongkong Liebenswert: Yoni Wolf<br />

OX-FANZINE 83


EvIEws<br />

the<br />

Mighty<br />

stef<br />

100<br />

Midnights<br />

solo-shows<br />

14.04._Bochum, Wageni<br />

16.04._Bielefeld, Plan B<br />

17.04._Berlin, White Trash<br />

22.04._Karlsruhe, Scruffys Irish Pub<br />

23.04._Crailsheim, Bar 7180<br />

25.04._Hannover, GiG Linden<br />

01.05._Lemgo, Maifest am Beat Café<br />

Band-shows<br />

14.05._Marburg, Molly Malones<br />

15.05._Sarstedt, Rainers Rockhouse<br />

20.05._Erfurt, Stadtgarten Club<br />

21.05._Berlin, White Trash<br />

22.05._Meppen, Jugendzentrum<br />

26.05._Bremen, MS Treue<br />

„Masterpiece“<br />

HOTPRESS MAGAZINE<br />

„duBlins finest<br />

unsung hero“ NME<br />

Der zweite Longplayer<br />

des irischen Troubadours.<br />

out now!<br />

www.themightystef.com<br />

www.myspace.com/themightystefband<br />

OX-FANZINE 84<br />

„XXXIII“. Die astreine Produktion ist man ja bei Metal<br />

Blade-Releases bereits gewohnt. So prügeln sich ANIMA<br />

durch 40 Minuten brutalen Death Metal à la DEICIDE,<br />

gemixt mit technisch durchgeknalltem Grindcore, der<br />

wirklich keine Langeweile aufkommen lässt. Im Gegenteil<br />

– hier braucht es mehr als einen Durchlauf. „Deathcore“,<br />

auch wenn ich den Namen hasse wie der Teufel das Weihwasser,<br />

darf also auch gut sein (8) Carsten Hanke<br />

ANTARES PREDATOR<br />

Twiligt Of The Apocalypse<br />

CD | Battlegod Productions/Twilight | battlegodproductions.com<br />

| 45:40 || Briefkasten auf, Rechnungen,<br />

sinnlose Werbung und das Paket vom Ox. Das<br />

bedeutet Arbeit und Vergnügen zugleich. Was werden die<br />

Damen und Herren für mich ausgesucht haben? Schauen<br />

wir mal nach, viele CDs und ... ANTARES PREDATOR. Als<br />

ich das Cover der Scheibe sah, dachte ich sofort, oh Mist,<br />

damit haben sich die Burschen keinen Gefallen getan, denn<br />

gerade mit dem Namen wohl etwas zu einfach, zu plump.<br />

Auf dem Cover ist so was wie der Terminator zu sehen, also<br />

Action-Metal oder was? So könnte man es sagen, denn<br />

wie in einem guten (!) Action-Film ist Abwechslung das<br />

Salz in der Suppe und genau da<strong>von</strong> haben wir hier eine<br />

Menge. Gründungsmitglied „Oyvind Winther“ (ex-KEEP<br />

OF KALESSION) verpackt eine Menge an Thrash, Black<br />

(neuer symphonischer Art) und Heavy Metal in dieser CD.<br />

Alles auf sehr hohem Niveau aber leider sehr glatt und kalt,<br />

so wie seine Sci-Fi Texte diesen Eindruck noch verstärken<br />

sollen. Wer neue DIMMU BORGIR mag ... mich langweilt<br />

diese Platte leider schon nach dem dritten Lied. (6)<br />

Andre Moraweck<br />

AFFENMESSERKAMPF<br />

Seine Freunde kann man sich nicht aussuchen<br />

LP | That Lux Good | myspace.com/thatluxgoodrecords<br />

|| Ein wundervolles Cover: Fünf junge Männer<br />

posieren in braven hellen Hemden, als handle es sich um<br />

ein Jahrgangsfoto der<br />

Abschlussklasse eines<br />

Jesuiteninternats. Um es<br />

mit einem Wort zu sagen:<br />

Kotzbrocken. Aber Fotos<br />

sind nur Inszenierung,<br />

wie man nach einem<br />

Blick auf die Cover-<br />

Rückseite erkennt, wo<br />

die Fünf in Zivilkleidung<br />

zu sehen sind:<br />

Jeans, Chucks, Kapus –<br />

und man erkennt, dass<br />

AFFENMESSERKAMPF<br />

aus Kiel da selbst Modell standen. Guter Humor, Jungs –<br />

und der zeigt sich auch in den Texten. Mein Höhepunkt<br />

ist das an Kreislers „Taubenvergiften im Park“ angelehnte<br />

„Jungdesignerspackenvergiften im Park“, in dem mit jener<br />

ach so hippen, urbanen Pseudo-Elite aufs Wundervollste<br />

abgerechnet wird. Auch „Ein deutsches Herz hat aufgehört<br />

zu schlagen“ („Deutschland is so scheiße, da muss<br />

man echt reihern“) lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen<br />

übrig – man wünscht sich viel mehr Bands mit solch<br />

klaren, nicht verkopften und dennoch nicht stumpfen Texten.<br />

Musikalisch erinnert mich der überdrehte, leicht hysterische<br />

Gesang an die auch humoristisch nicht unbegabten<br />

NOVOTNY TV, aber auch frühe MUFF POTTER sowie<br />

die Rachut-Bands lassen grüßen. Das Ganze gibt’s „nur“ auf<br />

Vinyl, veröffentlicht vom Tübinger That Lux Good-Label,<br />

das man mal im Auge behalten sollte. (8) Joachim Hiller<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

AN HORSE<br />

Rearrange Beds<br />

CD | Grand Hotel van Cleef | ghvc.de | 36:05 || Die<br />

erklärte Lieblingsband <strong>von</strong> TEGAN & SARA ist genauso wie<br />

ihre Entdeckerinnen ein Duo, das wunderbar eingängigen<br />

und schönen, leicht schrammeligen Indierock zaubert.<br />

Das Pärchen, das während langweiliger Schichten in einem<br />

Brisbaner Plattenladen diesen kurzerhand zum Probenraum<br />

umgestaltete, beschallte bald australische Straßenecken,<br />

bevor es die Chance bekam, mit DEATH CAB FOR<br />

CUTIE und TEGAN & SARA auf Tour zu gehen. Mit dieser<br />

Rückenstärkung kam eins zum anderen, Grand Hotel van<br />

Cleef zu AN HORSE und diese zu ihrem ersten Album. Auf<br />

ganz wundervolle Weise erzählt Kate Cooper <strong>von</strong> besonderen<br />

Momenten des Lebens und verbindet diese mit Melodien,<br />

die zwar weder Radio noch Ohrwurm sind, aber dennoch<br />

hängen bleiben. Ein wunderbar unbelastetes, frisches<br />

Album – der Frühling darf jetzt kommen. (8)<br />

Christoph Schulz<br />

ALDAARON<br />

Nous Reviendrons Immortels<br />

CD | Paragon | paragonrecords.net| 47:00 || Frankreich<br />

und Black Metal passen nicht zusammen, sagt meine<br />

Frau. Romantik und Chanson würden da doch eher passen.<br />

Das hat meine Liebste nun da<strong>von</strong>, immer den Raum<br />

zu verlassen, wenn ich DEATHSPELL OMEGA, BLUT AUS<br />

NORD, ANTAEUS oder MÜTIILATION auflege. Ganz in<br />

dieser Liga würde ich das Debüt der Männer aus den französischen<br />

Alpen noch nicht sehen, aber wieder als einen<br />

Beweis, wie gut auch „neuer BM“ sein kann. Neu muss/<br />

soll nicht immer zwangsläufig Fortschritt oder Neuentwicklung<br />

bedeuten, denn hier werden eher Pfade der älteren<br />

Black/Death (DISSECTION) Metal-Szene beschritten,<br />

und dies mit erhobenem Kopf und schneebedecktem<br />

Schwert. Gute (aber nicht zu glatte) Produktion und technisch/kompositorisch<br />

sind ALDAARON über jeden Zweifel<br />

erhaben. Ein echt gutes Debütalbum. Aber ich nun wieder<br />

mit einer französischen Black-Metal-Band, vielleicht<br />

schenken die Jungs mir ja mal ein T-Shirt. (8)<br />

Andre Moraweck<br />

ABFUKK<br />

Asi.Arrogant.Abgewrackt.<br />

LP | myspace.com/totalabfukk || „Asi.Arrogant.<br />

Abgewrackt.“ – der Name ist Programm. Diese Band mit<br />

Mitgliedern <strong>von</strong> ITALIAN STALLION und SNIFFING GLUE<br />

spielt 80’s Hardcore-Punk par excellence, gepaart mit kurzen<br />

und knappen deutschen Lyrics, bei denen kein Blatt vor<br />

den Mund genommen wird. Nach ihrem sehr früh ausverkauften<br />

Demotape legen die vier Wegberger noch eine<br />

Schippe drauf und zeigen, wie man sich heute noch in die<br />

Achtziger-Szene <strong>von</strong> Washington D.C. beamen kann. Provokation<br />

und Aggression sind an der Tagesordnung – jeder<br />

bekommt sein Fett weg. Zudem ist das Album komplett<br />

D.I.Y. releaset und es erscheint nur auf LP, was diesen nostalgischen<br />

Part weiter unterstützt. Leider wurde das Album<br />

schon vor einem Jahr aufgenommen und man hat bis jetzt<br />

gewartet, bis es endlich rausgekommen ist. Warum nur? Sie<br />

prügeln ihren Trash-Punk direkt raus, ohne Rücksicht auf<br />

Verluste und es macht einfach tierisch Spaß – ganz nach<br />

dem Motto: Alltag raus, ABFUKK rein. (9) Peter Nitsche<br />

A HERO A FAKE<br />

Let Oceans Lie<br />

CD | Victory | victoryrecords.com | 59:54 || Beim<br />

direkten Vergleich mit dem Vorgänger „Volatile“ hat man<br />

beinahe das Gefühl, zweimal das identische Album gehört<br />

zu haben. Es kann natürlich auch am fehlenden Artwork,<br />

den nicht beigelegten Texten und der insgesamt lieblosen<br />

Präsentation liegen, dass A HERO A FAKE inhaltslos wirken,<br />

vielleicht sind sie es nicht, aber ich sehe mich keinesfalls in<br />

der Holschuld, was Texte und Tracklist angeht. Wenn es nur<br />

um Musik ginge, könnten wir auch alle Pop hören. Aber<br />

reduzieren wir es mal auf die Musik, A HERO A FAKE geben<br />

sich alle Mühe, das zu schaffen, was HORSE THE BAND<br />

oder MASTODON schon mit Bravour umgesetzt haben,<br />

nämlich intelligenten Prog-Core zu machen. „Let Oceans<br />

Lie“ hingegen klingt oft vorhersehbar und dieses Wechselspiel<br />

zwischen Growls und Singsang war mir schon immer<br />

ein Dorn im Auge, entweder oder. Irgendwie sind sie damit<br />

ja auch Pop. (6) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

ACTIVE MINDS<br />

It’s Perfectly Obvious That<br />

This System Doesn’t Work<br />

CD/LP | Loony Tunes | myspace.com/loonytunesrecords<br />

|| 24 lange Jahre sind die ACTIVE MINDS schon<br />

im D.I.Y.-Mikrokosmos unterwegs und haben vor einiger<br />

Zeit ihr aktuelles Album<br />

natürlich auf ihrem eigenen<br />

Label Loony Tunes<br />

herausgebracht. Kann<br />

eine Zwei-Mann-Band<br />

mit Drums und Gitarre<br />

eigentlich gute Musik<br />

abliefern, fragt sich da<br />

der Uneingeweihte? Was<br />

für eine Frage, selten hart<br />

und aggressiv knallen<br />

mir die ersten Gitarrenriffs<br />

entgegen und eröffnen<br />

ein wahres Feuerwerk<br />

an mitreißenden Punk- und Crust-Songs, die gelegentlich<br />

auch mal grinden. Der Sound ist dicht, die Songs<br />

gehen überraschenderweise sofort ins Ohr und loten zwischen<br />

Anarchopunk-Mitgröl-Hymnen wie „A microchip<br />

on your shoulder“ und SEEIN REDschem Grind bei „Blinded<br />

by science“ gekonnt alle Untiefen aus. ACTIVE MINDS<br />

mögen heutzutage zwar lange Haare haben, aber der Bandname<br />

wurde seinerzeit mit Bedacht gewählt und so gibt es<br />

im fetten Booklet Infos zu den einzelnen Songs und deren<br />

Entstehung und auch alle Texte mit großartigen Wortspielen.<br />

Hervorragendes Inferno. (9) Dr. Oliver Fröhlich<br />

ARISE<br />

The Reckoning<br />

CD | Regain | regainrecords.com | 41:27 || Hoppla,<br />

die wollen es aber wissen. Von den Göteburgern ARISE<br />

gibt es zehn Mal auf die Zwölf: krachiger Thrash Metal<br />

mit gehörigen Death-Anleihen und abwechslungsreichem<br />

Frontbrüller. Die allwissende Encyclopaedia Metallum<br />

kennt alleine neun Bands dieses Namens, woran eine<br />

mittlerweile eher unbedeutende brasilianische Band nicht<br />

ganz unbeteiligt gewesen sein dürfte. Aber nicht im fernen<br />

Belo Horizonte wildert der Fünfer, sondern bleibt heimischen<br />

Gefilden, im Speziellen Göteborg treu. So ist die Basis<br />

Thrash Marke THE HAUNTED mit Melodien à la Rach, äh,<br />

alte IN FLAMES garniert, dazu eine glasklare Produktion,<br />

die für meinen Geschmack etwas mittenlastig und künstlich<br />

ist, aber dadurch enorm laut und aggressiv wirkt.<br />

Wirklich Neues haben ARISE nicht zu bieten, aber „The<br />

Reckoning“ läuft gut rein und tritt ordentlich Arsch, was<br />

an manchen Tagen durchaus meine niederen Instinkte zu<br />

befriedigen weiß. (7) Dr. Oliver Fröhlich<br />

ANGST SKVADRON<br />

Sweet Poison<br />

CD | Agonia/Twilight | agoniarecords.com | 40:00<br />

|| Auf dieses Scheibchen hatte ich mich gefreut wie<br />

(fast)ganz Hamburg auf die 1. Bundesliga, und siehe da,<br />

die Jungs (und Mädels?) der polnischen Black-Metal-<br />

Schmiede Agonia Records halten auch mit der neuen<br />

ANGST SKVADRON-CD, was ihr Backkatalog verspricht.<br />

Finstere, ultra-schwarze Musik. Ja, ich schreibe nicht Black<br />

Metal, denn was sich hier im Spieler dreht und in Sekunden<br />

den ganzen Raum, ja die ganze Welt um mich in eine<br />

andere Dimension verfrachtet, ist einfach mehr als „nur“<br />

das nächste Black-Metal-Album des URGEHAL-Front-<br />

Maniacs „Trond Nefas“. Was hier geboten wird, setzt Maßstäbe<br />

in Sachen Dunkelheit, Depression und Abwechslung.<br />

Dass der gute Nefas mit seiner Hauptband im Black Metal<br />

alles richtig macht, steht in einem anderen Review, hier<br />

tobt er sich aus. Siebziger Jahre Psychedelic Rock, Space<br />

Black Metal, Alien Rock Death, Doom Depri Metal ... hat<br />

da jemand gerade die genialen LIFELOVER erwähnt? Ich<br />

jedenfalls könnte noch Stunden weitermachen, genau wie<br />

ich die Platte gern noch Stunden hören würde, und zwar<br />

so laut es geht, und noch eins lauter! Einen Titel als besonders<br />

herauszufiltern, wäre sinnlos, denn so funktioniert<br />

diese Platte nicht. Bitte komplett anhören, Voraussetzungen:<br />

Lautstärke, Dunkelheit – und Schubladen gehören ins<br />

Möbelhaus! (10) Andre Moraweck<br />

ATROCITY<br />

Let War Rage<br />

CD | Mad Lion/Twilight | madlion.eu | 48:03 ||<br />

Geil, geil, geil, ich liebe CARNIVORE (darf man das heutzutage?).<br />

Diese Amis namens ATROCITY, nicht mit den<br />

furchtbaren deutschen Latex-Gothenheimern zu verwechseln,<br />

sind zwar ebenfalls seit 1985 mit ca. einer<br />

menschlichen Generation Pause dabei, haben aber an keinerlei<br />

musikalischer Evolution teilgenommen und spielen<br />

absolut aggressiven und heftigen Oldschool Death-Metal<br />

mit beachtlicher Hardcore-Kante und gelegentlichen<br />

Grindcore-Einschüben. Hier ist alles dreckig und unfassbar<br />

direkt auf die Fresse, voller Wut und Hass, aber auch gar<br />

nichts perfekt, geschönt oder poliert. Wäre ich böse, würde<br />

ich behaupten, ANTISEEN und CARNIVORE hätten sich<br />

zusammengetan und eine Live-Scheibe eingespielt. Wenn<br />

das vorstellbar ist, dann hast du ATROCITY. (8)<br />

Dr. Oliver Fröhlich<br />

NOVA ASCHERE<br />

Rotten Make Up<br />

CD | Nicotine | nicotinerecords.com | 43:36 || Das<br />

Vermächtnis des verstorbenen Nova Aschere, der nach<br />

einem tendenziell strapaziösem Lebenslauf ein Album<br />

voller Verzweiflung, Erfahrungen des Scheiterns über die<br />

Schattenseiten des Lebens aufgenommen hat. Er selbst<br />

nannte es Glamrock, vermutlich mit einigen Andrew Eldritch-Reminiszenzen,<br />

wobei er selbst als zentrale Einflüsse<br />

Sherry, Eyeliner, Rasierklingen und Zigaretten benennt.<br />

Welcome to the hell of clichés. Eingespielt hat er das Album<br />

weitestgehend im Alleingang und es gibt eine richtig<br />

brauchbare Coverversion des STOOGES-Klassikers „Dirt“<br />

und <strong>von</strong> THE VELVET UNDERGROUND („All tomorrow’s<br />

parties“), die ohnehin neben dem Eyeliner und den anderen<br />

Sekundärklischees großen Einfluss auf den Musiker<br />

gehabt haben dürften. (6) Markus Kolodziej<br />

ARMSTRONG<br />

When We Were Kings<br />

CD | Coast Rock Music | coast-rock.de | 32:17 || Die<br />

Fakten sprechen für ARMSTRONG, soviel ist mal klar. Lose<br />

zusammengefasst liest sich der Beipackzettel <strong>von</strong> „When<br />

We Were Kings“ in etwa so: Seit 2003 aktiv, als deutsche<br />

Band schon zwei UK-Touren unter ihrem Gürtel, haben<br />

mal was mit Glen Matlock zusammen gemacht, auf dem<br />

aktuellen Album gibt es unter anderem Hilfe <strong>von</strong> Mitglie-<br />

dern der Bands BONEHOUSE und SMOKE BLOW, produziert<br />

<strong>von</strong> Ulf Nagel und und und. Selbst wenn man all das<br />

außen vor lässt, bleibt ein durchaus solides Album. Die elf<br />

enthaltenen Songs zeichnen sich durch ein großes Plattenregal<br />

an Einflüssen aus, und versammeln dermaßen viele<br />

stilvolle Zitate, dass es nicht weiter auffällt, wenn die eine<br />

oder andere Idee schon etwas Staub angesetzt hat. Klischees<br />

sind halt immer nur so scheiße wie die Typen, <strong>von</strong> denen<br />

sie bedient werden. ARMSTRONG sind cool und haben<br />

sich dementsprechend nichts vorzuwerfen. Punkrock mit<br />

Melodie und Herzblut irgendwo zwischen BUZZCOCKS<br />

und AUTOMATICS. Gute Sache! (7) Lars Koch<br />

ATROCITY SOLUTION<br />

Tomorrows’s Too Late<br />

CD | Tent City | tentcityrecords.com | 32:52 || Politisch<br />

motivierter Hardcore Schrägstrich Punk Schrägstrich<br />

Ska-Punk, mit einer Stimme, die eher an das handelsübliche<br />

Gekeife im Black Metal erinnert. Ich mache es kurz:<br />

ATROCITY SOLUTION hören sich so an, als hätten sie alle<br />

Platten <strong>von</strong> LEFTÖVER CRACK (plus den etlichen Bands<br />

aus deren Dunstkreis) im Regal stehen. Stören tut das nicht,<br />

denn für ihr relativ junges Alter haben die vier Musiker aus<br />

Wassau in Wisconsin verstanden, was die Essenz ihrer Einflüsse<br />

ausmacht. Es wäre wirklich wünschenswert, wenn<br />

sich mehr Bands derart skrupellos durch ihre Songs prügeln<br />

würden, ohne gleich auf dicke Hose zu machen. Sieben<br />

Songs in einer höllischen Geschwindigkeit, nie zu<br />

stumpf und immer mit dem nötigen Biss. Okay, zugegeben,<br />

die Texte sind schon etwas plump formuliert, aber es gibt<br />

universelle Wahrheiten, bei denen es wichtig ist, dass sie<br />

überhaupt gesagt werden, und nicht, wie man das tut. (8)<br />

Lars Koch<br />

AT THE SOUNDAWN<br />

Shifting<br />

CD | Lifeforce | lifeforcerecords.com || Die Italiener<br />

AT THE SOUNDAWN haben ihren Stil auf „Shifting“<br />

noch um einiges verfeinert. Noch immer ist es NEURO-<br />

SIS-ähnlicher, mit Doom-Anleihen gespickter Progessive<br />

Metal, der manchmal ganz ohne Worte auskommt. Ganz<br />

klar, „Shifting“ fordert den Hörer, will er das ganze Album<br />

verstehen. Immer wieder driftet die Band in atmosphärische<br />

Soundgefilde, um danach meist durch das Geschrei<br />

<strong>von</strong> Shouter Luca De Stefano ordentlich Druck zu machen.<br />

Sicherlich, AT THE SOUNDAWN haben sich weiterentwickelt,<br />

die Songs sind noch fetter als auf ihrem Lifeforce-<br />

Debüt. Aber irgendwie will es schon wieder nicht „klick“<br />

machen. Meist verliert sich die Band dann doch in Geplänkel<br />

und man ertappt sich dabei, ihnen gar nicht zuzuhören.<br />

„Shifting“ ist gut, könnte aber noch besser sein. (5)<br />

Sebastian Wahle<br />

ANOTHER SATURDAY NIGHT<br />

s/t<br />

LP | Slow Gold Zebra | myspace.com/slowgoldzebra<br />

|| Auf dem New Yorker Label Slow Gold Zebra erscheint<br />

dieses Album der ebenfalls aus NYC stammenden ANO-<br />

THER SATURDAY NIGHT, die Ende 2008 schon eine Single<br />

veröffentlicht hatten. Wüsste man nicht, dass die Band jung<br />

und aktuell aktiv ist, müsste man angesichts des Sounds der<br />

Aufnahmen und ihres Stils da<strong>von</strong> ausgehen, dass es sich<br />

um eine Band <strong>von</strong> Anfang/Mitte der Siebziger handelt,<br />

um Zeitgenossen <strong>von</strong> DICTATORS, NEW YORK DOLLS,<br />

HEARTBREAKERS und TESTORS. Das Ganze ist also retro as<br />

fuck, aber rundum gut gemacht und außerdem doch recht<br />

knackig gespielt. Ein sehr klassischer, eingängiger Sound,<br />

ein ganzes Stück cooler als das, was einem sonst aus dieser<br />

Richtung angeboten wird und das entweder zu prollig oder<br />

zu sehr nach einer Kopie der Kopie (etwa der HELLACOP-<br />

TERS) klingt. Rundum gelungen. (8) Joachim Hiller<br />

BBB<br />

BENNI HEMM HEMM<br />

Retaliate<br />

CD | Kimi | kimirecords.net | 20:55 || Hier hält sich<br />

der Isländer weitgehend zurück und reduziert seine Songs<br />

auf Songwriter-Intimität. Inzwischen lebt er in Schottland<br />

und hat seinen Umzug zum Anlass genommen, weitgehend<br />

im Alleingang Songs nur in englischer Sprache zu verfassen.<br />

Und wie sonst auch, ist es die Spannung aus Zurückgenommenheit<br />

und einem Drängen ins Weite, hin zur großen<br />

Geste, die die fünf Songs am ehesten spannend machen.<br />

Das gelingt ihm im Schlafzimmer jedoch nicht ganz so<br />

packend wie mit ausladenderer Instrumentierung. Mit<br />

„Blood of my blood“ hat er zwar einen absolut hörenswerten,<br />

im Kleinformat aufbäumenden Song mit einem eindringlichen<br />

Miniatur-Chorus im Gepäck, der allerdings in<br />

seiner Intensität hier allein steht. (6) Christian Maiwald<br />

BEN SOLLEE & DANIEL MARTIN MOORE<br />

Dear Companion<br />

CD | Sub Pop/Cargo | subpop.com | 36:42 || „This<br />

is only a song, it can’t change the world“, singen die beiden<br />

in „Only a song“ und zeigen darin, dass es vielmehr<br />

darum geht, was zu machen – und wenn ihre Lieder dabei<br />

helfen, dann ist das genau die Widerlegung, die sich Sollee<br />

und Moore wünschen. Denn „Dear Companion“ ist<br />

eine Protestplatte, wenn auch eine leise. Die beiden Songwriter<br />

prangern das so genannte „mountain top removal“<br />

an, bei der ganze Berge abgetragen werden, um an darunter<br />

liegende Kohle zu gelangen. Hört sich übertrieben an,<br />

wird aber in den USA so gemacht. Natürlich scheren sich<br />

die Konzerne nicht darum, wie sie damit die Natur verschandeln<br />

und in welchem Zustand sie ganze Landstriche<br />

hinterlassen. Grund genug also für einen Aufschrei. Der<br />

fällt hier aber wenig grell aus, das Duo spricht den Hörer<br />

eher um die Ecke an. Es wird Songwriter-Americana geboten,<br />

die mal mehr Richtung Country tendiert, dann blitzen<br />

wieder Jack Johnson-artige, zurückgelehnte Elemente<br />

durch. Das ist alles durchweg ohne Strom instrumentiert,<br />

aber trotzdem eindringlich und streckenweise sehr, sehr<br />

schön, gerade wenn sich der Gesang mehrstimmig auffächert.<br />

Und gute leise Musik hilft einer Sache dann doch<br />

mehr weiter als schlechte laute. (7) Christian Maiwald<br />

JASON BOESEL<br />

Hustler’s Son<br />

CD | Team Love | team-love.com | 46:02 || „Hustler’s<br />

Son“ ist ein Country-Album, das keine großen Ausschläge<br />

vorzuweisen hat. Jason Boesel wirkt die meiste Zeit ein<br />

wenig teilnahmslos, und wenn er gesanglich dann doch<br />

ein wenig anziehen könnte, wie beispielsweise in „Getting<br />

healthy (Good luck)“, dann klingt es „bemüht“, wie man<br />

in einem Arbeitszeugnis wohl schreiben würde. Wenn er<br />

ein wenig mehr Druck hinter seine Stimme brächte, dann<br />

würde vielleicht ein etwas mehr hängen bleiben als der<br />

Eindruck eines vor sich hinplätschernden Albums.<br />

Myron Tsakas<br />

BASTARD<br />

Aftermath<br />

CD | STF | stf-records.de | 37:18 || Soll „Aftermath“<br />

die Zeit nach dem Matheunterricht sein? Spaß beiseite. Der<br />

süddeutsche Fünfer BASTARD legt nach zehn Jahren Existenz<br />

sein Debüt mit zehn Songs groovenden Death Metals<br />

vor, der recht eigenwillig daherkommt. Dieses liegt einerseits<br />

an der exzellenten melodischen Gitarrenarbeit über


AUXES<br />

Ichkannnichtmehr<br />

CD | Gunner | gunnerrecords.com |33:44 || Ist es<br />

Zufall, dass der Refrain-Chor des Openers „Chronologial<br />

chaos“ klingt wie der <strong>von</strong> BLACK FLAGs „Rise above“? Vielleicht,<br />

vielleicht aber auch nicht, aber auf jeden Fall ist es<br />

Dave Laney und Band mit „Ichkannnichtmehr“ gelungen,<br />

das schon brillante Debüt „Sunshine“, 2008 auf<br />

Lovitt erschienen, noch zu toppen – mit noch intensiverem<br />

(Post-)Hardcore meets Noiserock, mit einer fiebrigen,<br />

vibrierenden, sehr rhythmischen Platte, die aber auch<br />

hymnisch, melodiös und euphorisch ist. Klassischer Achtziger<br />

US-Hardcore (siehe oben) meets Neunziger-DC-<br />

Sound à la GIRLS AGAINST BOYS, JONES VERY trifft auf<br />

MILEMARKER, jene Band aus Chicago, die derzeit wohl auf<br />

Eis liegt, uns aber seit den späten Neunzigern mit jedem<br />

Album, jeder Tour aufs Neue begeistern konnte. Dabei<br />

stehen die Chancen, dass man in näher Zukunft was <strong>von</strong><br />

MILEMARKER zu hören bekommt, vielleicht gar nicht so<br />

schlecht, lebt deren Al Burian (der hier als Background-<br />

Sänger auftaucht) doch mittlerweile in Berlin, und Dave<br />

Laney ist schon 2009 nach Hamburg umgesiedelt, <strong>von</strong> wo<br />

aus er auch in Patchwork-Manier die Fertigstellung dieses<br />

Albums betrieb – und eine Erklärung für den deutschen<br />

Titel gibt es damit auch. Ein wirklich rundum perfektes,<br />

mitreißendes, fesselndes Album, an dem auch Florian<br />

Brandel, Pete Wagner, Noah Leger und Tim Remis beteiligt<br />

sind, wobei es ein festes Line-up schon aufgrund der verschiedenen<br />

Wohnorte nicht (mehr) gibt – <strong>von</strong> Dave mal<br />

abgesehen. (9) Joachim Hiller<br />

CRIME IN STEREO<br />

I Was Trying To Describe You To Someone<br />

CD | Bridge Nine | bridge9.com | 40:03 || Bereits auf<br />

dem letzten Überfliegeralbum „Crime In Stereo Is Dead“<br />

zeigte die Band um Sänger Kristian Hallbert, wie spannend<br />

und innovativ Hardcore heutzutage klingen kann.<br />

Auf Album Nummer vier soll dies nun fortgesetzt werden,<br />

wobei man sich große Mühe gegeben hat, den Vorgänger<br />

nicht zu kopieren. Was sofort auffällt: die Mühe war<br />

nicht umsonst. CRIME IN STEREO haben mit „I Was Trying<br />

To Describe You To Someone“ ein spannendes Stück Musik<br />

erschaffen, welches den modernen Hardcore mit allerlei<br />

Zitaten aus dem Indierock und zuweilen sogar Pop verbindet.<br />

Fans werden es so oder so lieben, wer sich bisher<br />

nicht dazu zählt und einfach mal ein Ohr riskieren möchte,<br />

sollte auf jeden Fall nicht gerade mit musikalischen Scheuklappen<br />

durch die Gegend laufen, denn nur dann wird<br />

man mit Glanztaten wie „Exit halo“, oder „Not dead“<br />

belohnt. Vielleicht wird man nicht unbedingt an den Erfolg<br />

des Vorgängers anknüpfen können, da sich manch einer<br />

nicht direkt mit der aktuellen Marschrichtung anfreunden<br />

kann, aber CRIME IN STEREO können ihrerseits morgens<br />

ohne Probleme in den Spiegel sehen und sich zudem sicher<br />

sein, ein wirklich spannendes Album weit abseits ausgelutschter<br />

Hardcore- und Punk-Pfade erschaffen zu haben.<br />

Empfehlenswert! (9) Jens Kirsch<br />

COMMON ENEMY<br />

Living The Dream?<br />

LP | Horror Business | horrorbiz.com || Killer, Killer,<br />

Killer! Ohne Scheiß, genau das waren meine Gedanken,<br />

als ich zum ersten Mal diese halbdurchsichtige Stück<br />

grünes Vinyl aufgelegt habe, wie seitdem immer wieder,<br />

denn diese Skater aus der Hölle (oder Reading, PA)<br />

haben’s einfach drauf: Thrashcore galore. Wenn sie loslegen<br />

mit „Still having fun“, klingt es wie eine Drohung und<br />

wirkt wie eine Adrenalin-Injektion. „Living The Dream?“<br />

ist das vierte Album in zehn Jahren, nach „Outsiders“, „Late<br />

Night Skate“ und „T.U.I. Thrashing Under The Influence“,<br />

dazu kommen noch ein halbes Dutzend Singles und Split-<br />

Releases sowie etliche Compilaton-Beiträge. Mittlerweile<br />

sind Justin Enemy (git), sein Bruder Greg Disorder (bass)<br />

und Tank (dr) perfekt aufeinander eingespielt, so auf den<br />

Punkt, dass ihr Sound trotz des irren Tempos nie eintönig<br />

wird. Das einzige ständig wechselnde Mitglied ist der Sänger.<br />

Aktuell ist es Gary Critical, der kreischt oder schreit,<br />

so schnell er kann, und die Texte manchmal fast auszukotzen<br />

scheint. Für das Album wurden mit ihm auch einige<br />

ältere Stücke neu aufgenommen – so was ist immer eine<br />

heikle Sache, aber sogar „Syphon & destroy“, meinen absoluten<br />

Lieblingssong, finde ich auch in der neuen Version<br />

wieder genauso geil. Ein absoluter COMMON ENEMY-Fan<br />

scheint auch Dave Horrorbiz zu sein, ihr Mann und Label<br />

in Europa, der weder Geld noch Mühen gescheut hat, um<br />

„Living The Dream?“ auch als Vinyl rauszubringen. Auch<br />

das fantastische Comic-Artwork wirkt in der Größe viel<br />

cooler, und dass ein Download-Code beiliegt, ist ja heute<br />

state of the art. Allerdings muss ich zugeben, mit COM-<br />

MON ENEMY auf den Kopfhörern durch die Stadt zu laufen,<br />

das kann sich ziemlich desaströs auf mein Sozialverhalten<br />

auswirken. Drauf geschissen, ich liebe den Sound<br />

dieser Band! Ab 20. Mai 2010 geht es übrigens für zehn<br />

Tage auf Europatour ...and again having fun? Interview im<br />

nächsten Ox. (10) Ute Borchardt<br />

FLESHIES<br />

Brown Flag<br />

LP+CD | Recess | recessrecords.com | 29:19 || Drei<br />

Jahre haben die FLESHIES angeblich an „Brown Flag“ gearbeitet<br />

– sie nennen es ihr „Chinese Democracy“ – aber es ist<br />

wohl eher anzunehmen, dass diverse Nebenprojekte und<br />

das Leben abseits <strong>von</strong> Musik die Arbeit am vierten Album<br />

der Kalifornier in die Länge zogen. Leisten konnten sie sich<br />

solchen Zeit-Luxus, da wieder im Studio <strong>von</strong> Schlagzeuger<br />

Hamiltron aufgenommen wurde; etwas externes hätte<br />

ihnen wohl auch niemand finanziert, muss man die FLES-<br />

HIES doch auch weiterhin als relativ unverkäuflich einstufen.<br />

Dass das der Grund ist, warum „Brown Flag“ nicht wie<br />

die Vorgänger bei Alternative Tentacles erscheint, sei hiermit<br />

behauptet, aber nicht bewiesen. Dabei sind die FLES-<br />

HIES auf „Brown Flag“ so eingängig wie seit dem Debütalbum<br />

„Kill The Dreamer’s Dream“ <strong>von</strong> 2001 nicht mehr;<br />

dass beispielsweise Sänger John Geek sein Faible für Progressiv-Hardcore<br />

bei TRICLOPS! auslebt, hat bei den FLE-<br />

SHIES etwas an Sperrigkeit aus dem Weg geräumt. „This is<br />

the closet FLESHIES can get to writing a genuine pop rock<br />

record“, sagt er selbst, und das trifft insofern zu, weil solch<br />

straighte Punkrock-Songs wie hier gerade auf dem Vorgänger<br />

„Scrape The Walls“ kaum zu finden waren, stimmt<br />

allerdings nur bedingt, wenn man sich an der generellen<br />

Kauzigkeit der Band stört oder was dagegen hat, wenn ein<br />

Song wie das knapp siebenminütige „Finger in the sky“ in<br />

etwas gipfelt, das nach Hippie-Hymne meets Bowie klingt.<br />

Damit hätte man sich aber sogleich als Idiot geoutet, der<br />

sich irgendwann in den ignoranten Arsch beißt, wenn er<br />

in Retrospektiven lesen darf, wie brillant und einzigartig<br />

diese leider immer übersehene Band namens FLESHIES<br />

doch rückblickend war. (9) André Bohnensack<br />

I WALK THE LINE<br />

Language Of The Lost<br />

LP/CD | Fullsteam/Rookie/Cargo | fullsteamrecords.com<br />

| 34:00 || Keine zwei Jahre liegen zwischen<br />

dem überraschendem „Black Wave Rising“ (Review #78)<br />

und dem neuen Werk der fleißigen Finnen. Und dieses tut<br />

hörbar gut, wirkt wie ein Befreiungsschlag, obwohl es thematisch<br />

in tief zerrissene Seelen blicken lässt – „Die Sprache<br />

der Verlorenen“ in zehn düsteren Kapiteln. Musikalisch<br />

präsentiert sich die Band hier so stimmig, kompakt<br />

und spannend wie noch nie. Jawohl, auch ein viertes kann<br />

ein bestes Album sein. Was auf dem Vorgänger noch dezent<br />

begonnen wurde, fortan als neuer Status quo galt, gilt hier<br />

erst recht: Sphärische Wavesounds, Schlagzeugspiel weitab<br />

der 4/4-Norm und latente Weltuntergangsstimmung als<br />

thematische Klammer. Herzlich willkommen im Schattenreich<br />

des bunten Punk-Zirkus, den die Band weiter<br />

gen eigenen Sphären verlässt. Synthies ersetzen Hammond,<br />

progressive Songstrukturen die klassischen. Treibende<br />

Rhythmen lassen den einstigen puren Punkrock fast<br />

vergessen. Aber nur fast, denn IWTL sind auch 2010 IWTL.<br />

Wäre auch schade um die eingängigen Punkriffs, die fast<br />

in jedem Song <strong>von</strong> tollen Melodiebögen begleitet wurden<br />

und auch werden. „Backfire“, „Every stone left unturned“<br />

und „Lost frequency“ grooven sich sofort ins Gehör. „Neon<br />

lights“ und „Sleepwalking (To the end of the world)“ hingegen,<br />

sind die bisher progressivsten Songs mit mächtigem<br />

Elektro-Touch und sind verdammt eingängig. „Kill your<br />

friends“ ist ein „nettes“ halbakustisches Stück über zwischenmenschliche<br />

Enttäuschungen. Der für mich beste<br />

Song des Albums ist das abschließende „When the roads<br />

are running out“. Groovender, versetzt gespielter Rhythmus<br />

und der intensive Refrain garantieren Suchtpotenzial.<br />

Eher Eighties als späte Seventies, aber essentieller denn<br />

je. Kurzum: zehn unentbehrliche Tracks für die Weltuntergangsparty.<br />

Klasse! (9) Lars Weigelt<br />

LEATHERFACE<br />

The Stormy Petrel<br />

CD | Big Ugly Fish/Cargo | biguglyfish.co.uk | 40:22<br />

|| Der geschätzte Kollege Stille brachte meinen ersten<br />

Eindruck des neuen LEATHERFACE-Albums mit diesen<br />

unverblümten Worten zum Ausdruck: „Ganz oben auf<br />

der Downer-Liste. Ein Review dazu könnte aus einem Wort<br />

bestehen: GÄHN!“ Nun bin ich auch nicht dagegen gefeit,<br />

mal ein vorschnelles Urteil zu fällen, doch genau das hatte<br />

ich wohl in diesem Fall getan. Denn das neue LEATHER-<br />

FACE – das erste seit „Dog Disco“ <strong>von</strong> 2004 – ist der typische<br />

Fall eines Albums, dessen zwölf Songs man über einen<br />

längeren Zeitraum auf sich wirken lassen muss. Gierig ein<br />

erstes Mal angehört ist die Chance auf Enttäuschung groß,<br />

sind Frankie Stubbs, Dickie Hammond, Graeme Philliskirk<br />

und Stefan Musch ein ganzes Stück ruhiger geworden,<br />

vermisst man die bärige, rauhe Härte, für die man<br />

sie doch so liebt, wegen der sie <strong>von</strong> so einigen Bands verehrt<br />

und kopiert werden. Nun, mir scheint auch Stubbs<br />

ist nicht gefeit gegen eine gewisse Altersmilde, und genau<br />

die schlägt hier durch. Wer sich <strong>von</strong> „The Stormy Petrel“<br />

(„Storm Petrel“ ist die englische Bezeichnung des<br />

Sturmvogels) jene brüllenden, lauten, schmerzerfüllten,<br />

aggressiven Nummern erhofft, die man <strong>von</strong> LEATHER-<br />

FACE neben ruhigeren, melancholischen Nummern auch<br />

immer erwarten durfte, der hat Grund enttäuscht zu sein,<br />

sollte aber unbedingt noch 5, 10, 15 weitere Hördurchgänge<br />

absolvieren – und ich wette, irgendwann „klickt“<br />

das Album, denn nicht nur der wundervolle Opener „God<br />

is dead“, sondern auch Stücke wie „Broken“ oder „Monkfish“<br />

haben sich festgesetzt, erweisen sich als weitere Hits<br />

im LEATHERFACE-Universum, in dem die Band aus Sunderland<br />

immer noch der am hellsten leuchtende Stern ist,<br />

um den all die Verehrer kreisen. Wundervoll! (9)<br />

Joachim Hiller<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

MAD SIN<br />

Burn And Rise<br />

CD | People Like You | peoplelikeyou.de | 51:48 ||<br />

Ursprünglich sollte das zehnte MAD SIN-Album gar nicht<br />

„Burn And Rise“ heißen. Als die Band die Arbeit an der<br />

Platte aufnahm, stand der Titel „MAD SIN Must Burn“ im<br />

Raum; eine Anspielung auf das partystarke Bandleben, in<br />

dem keine Feier ausblieb und die Nächte zu Tagen gemacht<br />

wurden. Dann kam 2009 und mit ihm mehrere dramatische<br />

Wendungen. Sänger Köfte deVille wurde <strong>von</strong> seiner<br />

langjährigen Freundin verlassen, drei Menschen in seinem<br />

Umfeld starben und er selber entging nur knapp dem Tode.<br />

Danach war ihm klar, dass er sein Leben umstellen musste,<br />

wenn er erstens weiterleben wollte und MAD SIN zweitens<br />

auch in Zukunft zu den wichtigsten Akteuren der weltweiten<br />

Psychobilly-Szene zählen sollten. Es folgten ein radikal<br />

geänderter Lebenswandel und der Wille, nach dem 2009er<br />

Burnout das bisher beste Album zu schreiben. Als Erstes<br />

verwarf man daher die Titelidee und benannte die Scheibe<br />

in „Burn And Rise“ um. Dann besann man sich auf die<br />

musikalischen Ursprünge der Band, die sich <strong>von</strong> den sehr<br />

punkigen Vorgängern und „Survival Of The Sickest“ (2002)<br />

und „Dead Moon’s Calling“ (2005) entfernen wollte. Das<br />

heißt konkret, dass „Burn And Rise“ in weiten Teilen eine<br />

Rockabilly- beziehungsweise klassische Psychobilly-Platte<br />

geworden ist, die aber durchaus genreuntypische Inhalte<br />

hat. Denn während der Opener „Last gang standing“ und<br />

das wütende „Shitlist bop“ rein musikalisch gesehen flotte<br />

Rockabilly-Stomper sind, liegen den Songs gerade die sehr<br />

ernsten Ereignisse des Jahres 2009 zugrunde. Ebenso erzählen<br />

das balladeske „Für immer“, das an den frühen Cash<br />

angelehnte „Nine lives“ sowie der treibende Psycho-Song<br />

„She’s evil“ da<strong>von</strong>, sich nach einer zerbrochenen Beziehung<br />

wieder aufzuraffen. Zum anderen gibt es sozialkritische<br />

Songs. „Won’t see the sunrise anymore“ ist musikalisch<br />

an die METEORS angelehnt, der Text spricht allerdings<br />

<strong>von</strong> Köftes Ekel gegenüber den Taten Joseph Fritzls.<br />

Außerdem lud sich Köfte SMOKE BLOWs Letten ein, um<br />

gemeinsam im schnellen „Geisterfahrer“ das gesellschaftliche<br />

Leben in Deutschland als Fahrt eines Geisterfahrers zu<br />

beschreiben, während er sich einige Songs später in „Devil’s<br />

tail“ fragt, warum es zu Amokläufen junger Menschen<br />

kommt. Kurzum: „Burn And Rise“ ist musikalisch interessant,<br />

weil MAD SIN nach zwei punkigen Alben zu ihren<br />

Wurzeln zurückkehren. Inhaltlich brilliert das Album, weil<br />

die Band Themen aufgreift, die sie in dieser Form vorher<br />

nicht behandelt hat. Beides zusammen lässt nur ein Urteil<br />

zu: MAD SIN ist nach dem 2009er Down tatsächlich ihr<br />

bestes Album geglückt. (9) Lauri Wessel<br />

PROJECT:KOMAKINO<br />

The Struggle For Utopia<br />

CD | Desire/Broken Silence | dersire.com | 37:48<br />

|| Wer 2009 nach einer perfekten Synthese aus dem<br />

Bass <strong>von</strong> RED LORRY YELLOW LORRY und der beklemmenden<br />

Dunkelheit <strong>von</strong> JOY DIVISION suchte, kam an<br />

PROJECT:KOMAKINO aus London um den jungen Grafiker<br />

und Musiker Kris Kane nicht vorbei. Lange Zeit war das<br />

Album nur als Japanimport erhältlich und ist nun seit kurzem<br />

auch in Europa veröffentlicht. Eines der besten Alben<br />

des vergangenen Jahres. Ein Song wie das treibende „Pen-<br />

rEvIEws<br />

/Top of ThE ox<br />

umbra 1“ kommt wie eine massive schwarze Wand aus<br />

Dark Wave, Post-Punk und der dunklen elektronischen<br />

Seite des Krautrock daher. Der Bariton <strong>von</strong> Kris Kane ist<br />

in diesem Song so dunkel, dass er Vergleiche kaum zulässt.<br />

Das passt, denn die Texte handeln oft <strong>von</strong> dystopischen und<br />

anti-utopischen Fiktionen künftiger Gesellschaften (so ist<br />

schon der Albumtitel fast als geistiger Gegenentwurf zu<br />

<strong>Thomas</strong> Morus Buch „Utopia“ zu verstehen). Songs wie<br />

„Nebula“ und „Walking on glass“ verleihen Dunkelheit,<br />

Dekonstruktivismus und Katharsis einen magischen Glanz.<br />

Die elektronischen Elemente der Stücke haben durchaus<br />

Ähnlichkeit mit der Art und Weise, wie man sie vom<br />

„Low“-Album (1977) <strong>von</strong> David Bowie kennt. Mit ULTE-<br />

RIOR, ELECTRICITY IN OUR HOMES (die bereits mit<br />

James Chance spielten) und IPSO FACTO, mit denen Kris<br />

Kane bereits live gespielt hat, haben sich zur Zeit in UK<br />

einige Bands jenseits der Wahrnehmung eines breiten Publikums<br />

etabliert, die einen (stark Post-Punk-beeinflussten)<br />

Sound spielen, der in seiner Authentizität ihren geistigen<br />

Überväter aus den späten Siebziger und frühen Achtziger<br />

Jahren in nichts nachsteht. Bei PROJECT:KOMAKINO gibt<br />

es eine enge Verknüpfung der Musik mit den Aktivitäten<br />

<strong>von</strong> Kris Kane als Grafiker, der stark durch das im gerade<br />

industrialisierten Russland geprägte Grafikdesign beeinflusst<br />

ist (was man dem Coverartwork der japanischen<br />

Erstausgabe des Albums deutlich anmerkt). Das Album<br />

schließt mit einigen guten Remixes, unter anderem <strong>von</strong><br />

Tom Furse (THE HORRORS) und – sehr gelungen – dem<br />

russischen Cold Wave-Protagonisten MOTORAMA. (10)<br />

Markus Kolodziej<br />

TRANS AM<br />

Thing<br />

CD | Thrill Jockey | thrilljockey.com | 38:40 ||<br />

Kürzlich erschien auf Thrill Jockey eine limitierte Vinlyonly-Veröffentlichung<br />

eines TRANS AM-Live-Albums,<br />

und jetzt folgt auch eine neue Studioplatte, drei Jahre nach<br />

„Sex Change“. Orientierte sich der Vorgänger stark an Achtziger-Synthiepop<br />

und Elektro-Funk, besitzt „Thing“ eine<br />

Art „Back to the roots“-Feeling und einen weniger songorientierten<br />

Charakter. Ansonsten bleibt in gewisser Weise<br />

alles beim Alten: während Sebastian Thomson am Schlagzeug<br />

mit einem fordernd treibenden Rhythmus die Basis<br />

schafft, produzieren Nathan Means und Philip Manley mit<br />

Gitarre, Bass und Keyboards zitierfreudigen, nicht ganz<br />

unironischen voluminösen Spacerock, der noch stärker als<br />

sonst seine Beeinflussung durch allerlei Krautrock-Spielarten<br />

offenbart, selbst wenn sich darin auch mal ein paar<br />

TUBEAWAY ARMY/Gary Numan-Zitate verirren. Den<br />

Vocoder-Gesang empfinde ich aber als eher abturnend. Im<br />

Info zur Platte witzelt das Trio aus Washington DC darüber,<br />

dass „Thing“ eigentlich der Soundtrack für einen aktuellen<br />

großen Science Fiction-Film werden sollte, aber da hätte<br />

jemand kurzfristig kalte Füße bekommen – Humor hatten<br />

die Jungs ja schon immer. Das mit dem Soundtrack ist<br />

allerdings nicht unbedingt falsch, denn das Album besitzt<br />

tatsächlich eine abstrakte Qualität, und im Vordergrund<br />

steht dabei ein stärkeres Experimentieren mit Sound und<br />

Rhythmus, in das man sich erst mal reinhören muss. Dann<br />

entfaltet aber auch „Thing“ die Qualitäten, die TRANS AM<br />

seit ihrem Debüt 1996 zu so einer gleichbleibend spannenden<br />

Band gemacht haben, deren feiner Sinn für Selbstironie<br />

nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass hier drei<br />

intelligente und extrem fokussierte Musiker am Werk sind.<br />

(9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

TINY GHOSTS<br />

Another Poison Wine<br />

CD | Destination Unknown | destinationunknownrecords.de<br />

| 43:12 || Mit „Everytime We Write A Love<br />

Song“ veröffentlichte die Band aus Freiberg Ende 2008 ein<br />

Album, das für den hungernden und dürstenden HÜSKER<br />

DÜ-Fan dem lang ersehnten Regen nach langer Dürre entsprach:<br />

Da machte sich eine Band aus Enddreißigern daran,<br />

ihren Helden des Achtziger-(Post-)Punk wie WIPERS,<br />

GUIDED BY VOICES und HÜSKER DÜ zu huldigen, und sie<br />

machte alles richtig: Ein ganzes Album voller zart schmelzender<br />

Indierock-Hymnen, sogar am Gesang gab es nichts<br />

auszusetzen – wundervoll. Rund zwei Jahre später sind die<br />

TINY GHOST nun zurück, und das lässt sich vorausschicken:<br />

„Another Poison Wine“ ist genauso wundervoll wie<br />

das Debüt. Mir fällt vor allem auf, dass ich bei den Inspiration<br />

gebenden Bands damals eine zu erwähnen vergessen<br />

habe, die sich diesmal deutlich aufdrängt: R.E.M. Bei<br />

allen Erfolgen sind die sich ja auch immee treu geblieben,<br />

haben ihren markanten, aus der gleichen Schule wie<br />

HÜSKER DÜ stammenden Sound nie geändert, nur variiert,<br />

und wenn ich die Hart/Mould/Norton-Ähnlichkeit<br />

der TINY GHOSTS etwas verschiebe, landen wir bei Grant<br />

Harts Solowerken sowie Moulds SUGAR. Will heißen:<br />

Die TINY GHOSTS sind gereift, der schon HD beeinflussende<br />

Neil Young drückt hier immer wieder durch, und das<br />

Ergebnis ist ein Werk, das zwar nicht grundsätzlich durch<br />

Originalität glänzt, aber auch alles andere als der Versuch<br />

ist, einen Cover-Contest zu gewinnen. Man hört dem Vierer<br />

einfach auf äußerst wohltuende Weise seine Einflüsse<br />

an, die instrumentale und gesangliche Ausführung wie<br />

auch die Produktion ist makellos, das Songwriting und das<br />

Arrangement meisterlich. Ich würde mir wünschen, bei<br />

der nächsten Tour <strong>von</strong> Bob Mould wären TINY GHOSTS<br />

Vorgruppe, und dann kommt bei der Zugabe der Meister<br />

auf die Bühne, nimmt seine Gitarre und spielt mit ihnen–<br />

ohne Vocoder-Verzerrung – „Sorry somehow“ ... (9)<br />

Joachim Hiller<br />

OX-FANZINE 85


EvIEws<br />

THE AMPHETAMEANIES<br />

Good One Go<br />

7“ | Rat Race | ratracerecords.de || In diesem Jahr soll<br />

es endlich das dritte Album meiner schottischen 2Tone-<br />

Lieblinge geben. In der Zwischenzeit will die Band das<br />

neue Material live prüfen und wird vielleicht auch wieder<br />

hierzulande zu sehen sein. Laut Marc vom Label Rat Race<br />

soll es bis zur Veröffentlichung der neuen Platte das eine<br />

oder andere 7“-Vinyl geben. „Good One Go“ ist also der<br />

Anfang. Schöne Melodien, treibende Rhythmik und sehr<br />

gelungene Bläserarrangements. Beide Stücke haben einen<br />

sehr melancholischen Charakter, was zumindest mein subjektives<br />

Erleben betrifft. Mal was anderes. Bin gespannt,<br />

was uns dieses Jahr sonst noch aus Glasgow erwartet. (8)<br />

Simon Brunner<br />

AIR FORMATION<br />

Low December Sun<br />

7“ | Club AC 30 | clubac30.com || Ein schöner Hybrid<br />

aus Shoegazer-Pop und Space-Rock, der deutlich unter<br />

dem Einfl uss <strong>von</strong> THE JESUS & MARY CHAIN und MY<br />

BLOODY VALENTINE steht. Seit zehn Jahren veröffentlich<br />

die Band aus Brighton Alben, die weitestgehend an der<br />

Öffentlichkeit vorbeigehen. Eine Delay-Gitarre mit Feedback<br />

und einem reduzierten Keyboard-Sound tragen den<br />

sehr unaufdringlichen Gesang <strong>von</strong> Sänger Matt Bartram<br />

durch die Songs. AIR FORMATION haben das Potenzial,<br />

auch mal mit ihren Brüdern im Geiste THE HORRORS die<br />

Bühne zu teilen. Matt Bartram veröffentlichte jüngst auch<br />

ein sehr hörenswertes Soloalbum. (7) Markus Kolodziej<br />

BARRERACUDAS<br />

Dog Food/Diet Coke<br />

7“ | Bachelor | bachelorrecords.com || Die A-Seite<br />

ist uninspirierter garagiger Pubrock-Song mit Piano über<br />

das Lieblingsessen des Sängers. Soll wohl auf lässige Hunde<br />

schließen lassen, ist aber unlustig und Lieder über Essen ist<br />

ja nur noch Nineties. Die B-Seite hingegen (dass man sich<br />

so was in Atlanta, Georgia traut) ist ein hübsch glammiger<br />

Powerpop-Ohrwurm. Werden aber selbst in ihrem Genre<br />

keine großen Spuren hinterlassen. (7) Walmaul<br />

BOUVET<br />

s/t<br />

7“ | Sound Fiction | soundfi ction.no || Sehr schöne<br />

und aufwendig gemachte Single der Band aus Norwegen,<br />

mit einem sehr ansprechendem und artifi ziellem Design.<br />

Ein Architekt, ein Ornithologe und ein Lehrer für Italienisch<br />

spielen in ihrer Freizeit in einer Band und lassen<br />

erst mal offen, wer für den mitunter etwas enervierenden<br />

Gesang verantwortlich ist: aber die Musik (ohne Gesang)<br />

und das Artwork sind in Ordnung, kann man mögen. (6)<br />

Markus Kolodziej<br />

COOL JERKS / PSYCHODAISY<br />

Split<br />

7“ | Soundfl at | soundfl at-records.de || Na, es geht<br />

doch ... So mal eben, als Schwanengesang sozusagen, bringen<br />

die COOL JERKS einen ihrer besten Songs raus. „Sorry<br />

und goodbye“ ist ein würdiger Ausstand für eine der heißesten<br />

Partybands der Republik. Schade eigentlich, mehr<br />

<strong>von</strong> diesem hochkarätigen (deutschsprachigen) Material<br />

wäre mir schon sehr recht gewesen. Der Song hält durchaus<br />

die Qualität des 03er-Albums „Wir beaten mehr“, der<br />

ersten rein deutschsprachigen CJ-LP. Splitsinglepartner<br />

OX-FANZINE 86<br />

relativ stumpfen Grundriffs, die SIX FEET UNDER zur<br />

Ehre gereichen würden, andererseits am abgrundtiefen<br />

Gegrowle, das konsequent jede Art <strong>von</strong> Variation verweigert,<br />

arg denglischt und obigen Eingangsspaß zu erschreckender<br />

Realität werden lassen könnte. Gerade die Gitarrenläufe,<br />

die gelegentlich Anleihen im Thrash Metal nehmen,<br />

machen den Reiz aus, den BASTARD durchaus hat.<br />

Ohne deren Akzente wäre „Aftermath“ allerdings nur<br />

Stangenware. (6) Dr. Oliver Fröhlich<br />

SARAH BLACKWOOD<br />

Wasting Time<br />

CD | Wolverine | wolverine-records.de | 40:43 ||<br />

Sarah Blackwood kann was. Das zeigt sie nicht nur als Sängerin<br />

<strong>von</strong> THE CREEPSHOW, sondern auch bei ihren Soloalben.<br />

Auf ihrem Debüt<br />

„Way Back Home“ hat<br />

sie die Hörer auf eine<br />

Reise zu ihren musikalischen<br />

Wurzeln eingeladen.<br />

Ganz abseits vom<br />

Psychobilly hat sie ein<br />

sehr persönliches und<br />

auch außergewöhnliches<br />

Album, das eher im<br />

Genre Singer/Songwriter,<br />

Americana, Country,<br />

Folk und Rockabilly<br />

beheimatet ist, herausgebracht.<br />

Mit „Wasting Time“ beweist Sarah Blackwood, dass<br />

das Debüt kein Zufallstreffer war. Das neue Album ist noch<br />

besser. Die Melancholie scheint etwas verschwunden zu<br />

sein. „Wasting Time“ wirkt fröhlicher, reifer – und manchmal<br />

auch etwas poppiger oder auch stellenweise mal mehr<br />

nach „Nashville“. Eine Form <strong>von</strong> „Wasting Time“ ist ihre<br />

neue Scheibe auf keinen Fall – im Gegenteil: Das Album ist<br />

ein Glücksfall (9) Igor Eberhard<br />

BIRDS ARE ALIVE<br />

Plucked & Fucked Up<br />

CD | Kizmiaz | myspace.com/kizmiazrds | 36:37 ||<br />

Ich verstehe nach wie vor den Reiz, als One-Man-Band<br />

Musik zu machen, einfach dieses Gefühl, mehrere Instrumente<br />

gleichzeitig zu spielen und zu merken, was für<br />

ein Sound da raus kommt. In puncto Hören bin ich aber<br />

schon längere Zeit überreizt, zu viel Durchschnitt wird<br />

da an die Oberfl äche gespült. BIRDS ARE ALIVE aus Nantes<br />

in Frankreich pendelt sich für mich etwas darüber ein,<br />

ist aber trotzdem genretypische Kost: Bumtschak-Drums,<br />

eine mal dezente, mal distorted Bluesgitarre und (meist)<br />

verzerrter Gesang. Kizmiaz spricht <strong>von</strong> Bands und Musikern<br />

auf Fat Possum und Alive Records, und das passt als<br />

Vergleich auch ganz gut. Genrefans dürfte das gefallen,<br />

mein Bauch ist einfach voll. John Schooley, King Automatic<br />

und ein paar andere halten da einfach das Zepter in der<br />

Hand. Das Siebdruck-Artwork auf braunem Karton sieht<br />

übrigens einfach klasse aus und „Black feather“ ist ein sehr<br />

schöner Song. (6) Alex Strucken<br />

BRANT BJORK<br />

Gods & Goddesses<br />

CD | Low Desert Punk/Cargo | lowdesertpunk.com |<br />

32:30 || Brant Bjork hat schon wieder ein neues Album?<br />

Na ja, gut, das letzte ist ja auch schon fast zwei Jahre her ...<br />

Der Mann produziert wirklich Musik ohne Ende. Seit dem<br />

letzten Album, „Punk Rock Guilt“, tut er das sogar auf seinem<br />

eigenen Label, Low Desert Punk. Und „Gods & Goddesses“<br />

ist wieder ein Brant Bjork-Album geworden, wie<br />

PSYCHODAISY, dem Connaisseur bereits durch die Split-<br />

7“ mit TEENAGE MUSIC INTERNATIONAL ein Begriff,<br />

liefern ebenfalls gewohnt gute Kost ab und belegen eine<br />

würdevollen zweiten Platz mit ihrem Verzweifl ungsbeatsong<br />

„Manchmal möchte’ ich dir was sagen“, einer völlig<br />

beat(le)ifi zierten Ode an eine verloren geglaubte Liebe.<br />

Schöne Splitsingle fürs DJ-Köfferchen, man kann wahllos<br />

irgendeine Seite aufl egen, ohne etwas falsch zu machen.<br />

(9) Gereon Helmer<br />

CLOROX GIRLS<br />

All I Wanna Do<br />

7“ | Discos Subterraneos | myspace.com/discosubterraneos<br />

|| Drei Songs, da<strong>von</strong> zwei auf Spanisch, der<br />

Landessprache des Labels dieser EP. Hat ein schönes, festes<br />

Kartoncover, aber irgendwie sind hier nicht die besten<br />

Songs der CLOROX GIRLS enthalten. Gefällig, nett, aber<br />

nicht eingängig. (5) Kalle Stille<br />

COSMETICS<br />

Soft Skin<br />

7“ | Captured Tracks | capturedtracks.com ||<br />

Debütsingle des Duos Nic M und Aja Emma aus Vancouver<br />

– und die macht süchtig. Während Aja Emma in „Soft<br />

Skin“ wie eine unterkühlte Cold-Wave-Diva auf einem<br />

glasklaren Minimal-Synth-Teppich singt und das mit einer<br />

Stimme, die nur zu perfekt an Siouxsie Sioux erinnert, ist<br />

„Black leather glove“ auf der B-Seite eher in der Nähe eines<br />

frühen YEAH YEAH YEAHS-Songs (mit TUBEWAY ARMY-<br />

Reminiszenzen), als Karen O noch nicht über den Catwalk<br />

in Paris taumelte. Für dieses Jahr ist noch ein Album der<br />

COSMETICS in Vorbereitung, das für Cold- und Minimal-<br />

Wave-Protagonisten ein Highlight werden dürfte. Sollten<br />

die COSMETICS in unseren Breitengraden auftreten, dann<br />

bitte mit NOBLESSE OBLIGE. Ganz generell sollte man die<br />

Veröffentlichungen des New Yorker Labels Captured Tracks<br />

im Auge behalten, das mitunter ganz obskure Schätze veröffentlicht.<br />

(9) Markus Kolodziej<br />

THE COURTEENERS<br />

You Overdid It Doll<br />

7“ | Universal/Polydor | polydor.com || Die Band<br />

aus Manchester begeistert, indem sie nonchalant dem<br />

Drive der frühen THE LIBERTINES den Hall und Pathos<br />

der EDITORS einhaucht. Sehr großartige und eingängige<br />

Melodien, und was will man <strong>von</strong> einer Band mehr erwarten,<br />

die sich öffentlicher „Liebesbekundungen“ <strong>von</strong> Morrissey<br />

erfreuen darf. Seine Begeisterung war so groß, dass er<br />

einen ihrer Songs bei einer Session für den amerikanischen<br />

Sender KRCW coverte. Und wer möchte dem Mozzer<br />

widersprechen, wenn er über die COURTEENERS treffend<br />

formuliert: „Every song is very strong and full of hooks and<br />

full of dynamics and I thought, ,this is great‘ and that so<br />

many groups in England, they’re hyped and they’re huge<br />

and they’re all over the press and they don’t really actually<br />

have any songs, they don‘t really have anything to offer.“<br />

Auch Gitarrist Johnny Marr (THE SMITHS, THE CRIBS)<br />

hat sich bereits als Fan geoutet. (9) Markus Kolodziej<br />

DELPIC<br />

Doubt<br />

7“ | Polydor | polydor.com || Das vielzitierte „Musthave“<br />

für Fans <strong>von</strong> NEW ORDER. DELPIC können getrost in<br />

einem Atemzug mit den KLAXXONS und den zu Zeit sehr<br />

hippen und euphorisierenden THESE NEW PURITANS<br />

es typischer nicht sein könnte: komplett aus einem Guss,<br />

entspannt und unglaublich groovend. Wenn meine persönlich<br />

Meinung auch ist, dass die gesamte Stoner-Rock-<br />

Szene nie wieder an die Großartigkeit <strong>von</strong> KYUSS heranreichen<br />

wird, so denke ich auch, dass Brant Bjork derjenige<br />

ist, der am ehesten den apodiktisch lakonischen Vibe, dieses<br />

gespannt-entspannte sich wenden, das ein wesentlicher<br />

Bestandteil <strong>von</strong> KYUSS war, aufgenommen und weitergeführt<br />

hat. Was ich allerdings nach wie vor an Brant Bjork<br />

bemängele, ist, dass es eben nur dieser Vibe ist, den er aus<br />

der guten alten Zeit herübergerettet hat. Mir ist das Ganze<br />

auf Albumlänge einfach etwas zu dröge, etwas zu unspannend,<br />

auch wenn das Album, wie „Gods & Goddesses“ nur<br />

acht Songs lang ist. Schnellere Songs sucht man auf diesem<br />

Album vergeblich, aber wer dem Groove huldigen will, ist<br />

hier goldrichtig. (7) Nadine Maas<br />

BLACK BONED ANGEL<br />

Verdun<br />

CD | Riot Season/Cargo | riotseason.com | 51:55 ||<br />

Die Schlacht um Verdun gilt heute als Symbol des modernen<br />

Krieges: 320.000 französische und deutsche Soldaten<br />

starben 1916 um und in<br />

der Stadt im Nordosten<br />

Frankreichs, ohne dass<br />

dies zu nennenswerten<br />

Fortschritten auf beiden<br />

Seiten während des ersten<br />

Weltkrieges führte.<br />

Dass das neuseeländische<br />

Trio BLACK BONED<br />

ANGEL mit seinem fünften<br />

Album (vier da<strong>von</strong><br />

in den letzten zwei Jahren<br />

erschienen) „Verdun“<br />

nun den passenden<br />

Soundtrack für dieses monatelange Warten und Sterben<br />

geschrieben hat, mag zynisch klingen, trifft es aber aus<br />

künstlerischer Sicht. Sich langsam aufbauend, stetig lauter<br />

und brutaler werdend und in Gitarrenlärm und Kriegsgeräuschen<br />

gipfelnd, ist „Verdun“ ein in drei Akte unterteiltes,<br />

knapp eine Stunde langes Stück Drone-Doom, dessen<br />

bedrückend apokalyptische Atmosphäre mit nur minimalen<br />

Mitteln erzeugt wurde. Oder, wie es ein Reviewer auf<br />

metal-archives.com ausdrückt: keine Japaner mit Laptops,<br />

keine osteuropäischen Sounddesigner, kein gregorianisch<br />

beeinfl usster Gesang, bloß drei Neuseeländer mit sehr, sehr<br />

lauten Instrumenten. Das ist wohl als Seitenhieb auf die<br />

jüngeren Entwicklungen bei SUNN O))) zu verstehen. (9)<br />

André Bohnensack<br />

BRIDGES LEFT BURNING<br />

A Breath Of Loss<br />

CD | Down The Drain | downthedrainrecords.de |<br />

29:10 || Der bayerische Fünfer legt hier nach einer EP<br />

sein Debütalbum vor und liefert eine halbe Stunde schön<br />

melodischen Hardcore-Punk ab. Die Lyrics behandeln<br />

zwar nicht neue, dafür aber immer aktuelle Themen, so<br />

wird gegen Religion, Krieg und Ausbeutung gewettert,<br />

auch persönliche Orientierungslosigkeit oder eine kritische<br />

Auseinandersetzung mit den Veränderungen in der<br />

eigenen Szene fi nden ihren Platz. Ein kleiner Wermutstropfen<br />

ist, dass die Platte etwas schizophren klingt. So<br />

sind die Songs eigentlich im melodischen HC und Punkrock<br />

zu Hause, wecken dann Erinnerungen an BOYSETS-<br />

FIRE zu „After The Eulogy“-Zeiten, alte STRIKE ANY-<br />

WHERE oder warten mit kleinen PROPAGANDHI Zitaten<br />

auf. Andere Tracks wiederum toben sich für mich ein<br />

genannt werden, deren „We want war“ einer der besten<br />

Songs des vergangen Jahres gewesen ist. Extrem melodiöser<br />

und tanzbarer Synth-New-Wave, der knietief in den Achtziger<br />

Jahren steckt. In Deutschland hat die Band aus Manchester<br />

bereits als Support für BLOC PARTY gespielt, und<br />

vermutlich wird sie der NME in Kürze verheizen. (8)<br />

Markus Kolodziej<br />

DOCTOR EXPLOSION<br />

The Chesterfield Childish Club<br />

7“ | Soundfl at | soundfl at-records.de || Seit langem<br />

das erste Lebenszeichen der Spanier, die live zwar immer<br />

aktiv waren, aber in Sachen Studioaufenthalt eher faul. So<br />

wurden zwei der vier Songs hier auch schon 2004 aufgenommen,<br />

die beiden anderen entstanden zwischen<br />

2006 und 2009 – schnell geht anders. Jetzt endlich haben<br />

Mike Mariconda und Jorge Explosion letzte Hand angelegt<br />

und Soundfl at-Traxel brachte das Ding raus und alle<br />

sind zufrieden und glücklich, denn irgendwie habe ich sie<br />

vermisst, die hektischen Spanier mit ihrem mitreißenden<br />

Mix aus Sixties-Garage-Punk und R&B. Laut Band sind die<br />

Songs trotz anders lautender Titel zum Teil Coversongs <strong>von</strong><br />

LARRY AND THE BLUE NOTES und Chuck Berry – und<br />

der Titelsong scheint ja sowieso eine kleine Vorbeugung<br />

vor CHESTERFIELD KINGS und Billy Childish zu sein. Auf<br />

Platte gut, live aber noch viel besser! (8) Joachim Hiller<br />

EA80 / DIE STRAFE<br />

(Unser) Gießen<br />

5“ | Slowboy | slowboy.de || „Ausverkauft!“ steht auf<br />

der Slowboy-Website unter der Beschreibung dieser 5“, die<br />

sich in einem normalen CD-Pappschuber versteckt und als<br />

sauber kleingestanzte 7“ entpuppt, die zudem nur einseitig<br />

bespielt ist. Auf der unbespielten Seite gibt’s eine Lasergravur<br />

des Gießener Stadtwappens, auf der bespielten drängeln<br />

sich drei Minuten Musik, verteilt auf zwei Stücke, auf<br />

gerade mal einen knappen Zentimeter zwischen Ein- und<br />

Auslaufrille: Zum einen DIE STRAFE, zum anderen EA80.<br />

Exzellente Soundqualität geht anders, aber hey, das ist<br />

Punk. Beide Bands widmen sich der Würdigung der Karnevalskultur<br />

in der Heimatstadt der befreundeten BOX-<br />

HAMSTERS, und die Interpretation all dessen wird Musikwissenschaftler<br />

und Punk-Historiker mit dem Interessenschwerpunkt<br />

Niederrhein noch Jahrzehnte beschäftigen.<br />

Wer die Single hat, der hat sie, und wer nicht, der wird sie<br />

auch nicht mehr bekommen. Joachim Hiller<br />

FILTHY DIRTY MUGS<br />

Stop Thinking And Drink<br />

7“ | DC-Jam Records | dcjamrecords.com | 4:24 ||<br />

Die FILTHY DIRTY MUGS aus Kalifornien haben die „The<br />

Gang’s All Here“-Zeit der DROPKICK MURPHYS zum Vorbild<br />

und versuchen genauso zu klingen. Leider bleibt es<br />

beim Versuch, denn die Band reicht nicht ansatzweise an<br />

die DROPKICK MURPHYS ran. Deswegen ist dieses Release<br />

Zeitverschwendung, wenn man nicht Hardcore-Fan aller<br />

Spartenstreetpunkkombos ist, die jemals auf People Like<br />

You, Taang und diversen anderen Labels erschienen sind.<br />

(2) Lauri Wessel<br />

FEHLFARBEN<br />

Wir warten<br />

7“ | Tapete | tapeterecords.com || Eine dieser Singles,<br />

die ich nicht verstehe, weil beide Songs eins zu eins schon<br />

auf LP veröffentlicht wurden. Da rettet auch das rote Vinyl<br />

bisschen zu viel mit Metal-Licks und Doublebass aus. Die<br />

fl ott runtergezockten melodischen Songs stehen der Band<br />

wesentlich besser zu Gesicht. Alles in allem aber ein solides<br />

Debüt, bei dem man merkt, dass sich die dahinter stehenden<br />

Menschen Gedanken um die inhaltliche Komponente<br />

gemacht haben. Und ein „Life of Brian“-Sample ist<br />

sowieso über jeden Zweifel erhaben. (7) Sebastian Diez<br />

THE BASTARD NOISE /<br />

THE ENDLESS BLOCKADE<br />

The Red List<br />

CD | 20 Buck Spin | 20buckspin.com | 62:19 ||<br />

Gibt es jemanden, der den Überblick behalten hat über<br />

den Output <strong>von</strong> THE BASTARD NOISE oder gar alle Veröffentlichungen<br />

besitzt? Ich muss da passen, kann noch<br />

nicht mal sagen, wann die Kalifornier wieder zu „richtiger“<br />

Musik gefunden haben, hatte ich sie doch als reines<br />

Elektronik-Noise-Projekt in Erinnerung. Hier jedenfalls<br />

sind die 1991 als Nebenbeschäftigung <strong>von</strong> MAN IS THE<br />

BASTARD gegründeten THE BASTARD NOISE etwas, das<br />

einer konventionellen Auffassung <strong>von</strong> Musik zumindest<br />

nahe kommt und sich nicht so weit vom Powerviolence<br />

<strong>von</strong> MITB entfernt, natürlich unterlegt <strong>von</strong> einer Menge<br />

analog erzeugtem Noise. Ihrer Tradition der Split-Releases<br />

folgend, geht die Hälfte <strong>von</strong> „The Red List“ an die Kanadier<br />

THE ENDLESS BLOCKADE, die quasi den umgekehrten<br />

Weg gehen und ihren grindigen Powerviolence immer<br />

noisiger und elektronischer werden lassen. THE BASTARD<br />

NOISE haben übrigens in dem Zeitraum, in dem ich das<br />

hier schreibe und du es liest, noch ein paar mehr neue<br />

Platten aufgenommen. Viel Spaß beim Suchen. (8)<br />

André Bohnensack<br />

BORKNAGAR<br />

Universal<br />

CD | Indie Recordings/Soulfood | indierec.net |<br />

45:54 || Eine der wenigen wegweisenden Black-Metal-<br />

Bands ist seit mittlerweile 15 Jahren BORKNAGAR, die<br />

nach ihrem begnadeten Erstling mit naturverbundenem<br />

Tribaldrumming eine scharfe Kurskorrektur Richtung<br />

„progressiv“ unternahmen und sehr verspielt-verworrene<br />

Alben veröffentlichten, deren Hauptthema immer wieder<br />

das Leben im Einklang mit der Natur war. Dieser Weg gipfelte<br />

2007 in „Origin“, dem folkigen Akustik-Werk. „Universal“<br />

geht nun ein Stück zurück und bietet hervorragende<br />

komplexe Songs voller Melodien, Chorgesängen<br />

und harschem Gesang. Auch wenn zu Beginn zwei heftige<br />

Songs mit Reminiszenzen zum Frühwerk Einzug gehalten<br />

haben, ist „Universal“ über weite Strecken gleichsam traditionell<br />

wie progressiv-ruhig geraten, gelegentlich episch<br />

und pathetisch, aber aufgrund der abwechslungsreichen<br />

Instrumentierung immer spannend. Eine echte Bereicherung<br />

ist die Schweine-Orgel, die zusätzlich ein 70er Gefühl<br />

einfl ießen lässt. Dass eine Band wie BORKNAGAR nicht<br />

nur auf ausgeklügelte Arrangements Wert legt, sondern<br />

auch einen fantastischen organisch-transparenten Sound<br />

in binäre Zahlencodes verwandeln kann, sei hier nur als<br />

Randnotiz bemerkt. Grandiose Musik. (9)<br />

Dr. Oliver Fröhlich<br />

BARN BURNER<br />

Bangers<br />

CD | Metal Blade | metalblade.com | 40:40 || Im<br />

neuen Jahrtausend sind die offenbar in ihrem Stil eingefahrenen<br />

Labels wie Earache, Nuclear Blast oder in diesem<br />

Fall Metal Blade stark bemüht, ihren Backkatalog durch<br />

musikalische Vielfalt zu erweitern. War die letztgenannte<br />

Sound-Schmiede lange Zeit ein Fundus für den „klassi-<br />

/SINGLES<br />

nicht viel. Diese Art Veröffentlichungen mochte ich früher<br />

nicht, heute mag ich sie immer noch nicht. Unveröffentlichte<br />

B-Seiten oder keine Singles machen! Kalle Stille<br />

GAPE ATTACK!<br />

Burn This City<br />

7“ | FDH | fdhmusic.com || Auf FDH US haben auch<br />

DIGITAL LEATHER und THE MANIKINS bereits veröffentlicht.<br />

Und das macht Sinn, denn GAPE ATTACK! aus<br />

Seattle bewegen sich mit ihrer Debütsingle im gleichen<br />

Spannungsfeld zwischen trashigen SUICIDE-Sequenzeren,<br />

Drumcomputern und verzerrtem Gesang. Sehr minimalistisch<br />

produziert, aber gerade das hat Charme. GAPE<br />

ATTACK! veröffentlichen parallel auf dem Skrot Up-Label,<br />

das primär sehr schöne und aufwendige Kassetten in sehr<br />

speziellem Design <strong>von</strong> geistesverwandten Bands GRAVE<br />

BABIES, CAT GOT STRINGS und KID ROMANCE veröffentlicht.<br />

(8) Markus Kolodziej<br />

THE INCREDIBLE STAGGERS<br />

Go Go Gorilla<br />

7“ | Squoodge | squoodge.de || Sagenhaft, ein einseitig<br />

bespielter Siebenzöller mit gerade mal einem einzigen<br />

Song darauf! Normalerweise würde ich ja jetzt laut<br />

„Unverschämtheit!“ krakeelen und den Verantwortlichen<br />

ihren Release links und rechts um die Ohren dreschen,<br />

aber bei Papa Roland lässt sich das Kriterium „normal“<br />

nicht immer so ohne weiteres anwenden, verfolgt er<br />

mit seinen Veröffentlichungen schließlich oftmals einen<br />

gewissen Kunstanspruch, der sich meist nicht unbedingt<br />

gleich auf den ersten Blick erschließt. In diesem Falle wird<br />

dem Anspruch jedenfalls durch einen edlen Logo-Siebdruck<br />

auf der B-Seite sowie einer schicken B-Movie-artigen,<br />

<strong>von</strong> der Staggers-Organistin Lightning Iris angefertigten<br />

Covercollage Genüge getan. Bei dem Song handelt<br />

es sich im Übrigen um eine Variation des weithin SHAN-<br />

DELLS-Klassikers, welche wie gewohnt in dem hervorragend-manischen<br />

Teentrash-Garagestomp-Style gehalten<br />

ist, für den die Österreicher natürlich vollkommen zu<br />

Recht international allerhöchste Bewunderung und Wertschätzung<br />

genießen. Dennoch wohl eher mehr ein „fan<br />

collector’s item“, weswegen ich mir diesmal auch ausnahmsweise<br />

eine Benotung verkneife. Ben Bauböck<br />

INDIAN WARS<br />

If You Want Me<br />

7“ | Bachelor | bachelorrecords.com || Diese<br />

4-Song-7“ ist der Debüt-Release der Band um die Brüder<br />

John und Dave McMartin aus Vancouver, Kanada.<br />

Die vier Songs der „If You Want Me“-EP sind sowohl im<br />

Garage-Punk wie im klassischen Rock’n’Roll der Sechziger<br />

zu Hause, Jay Reatard (RIP) und ROLLING STONES<br />

lassen hier gleichermaßen grüßen, aber auch Dan Sartain<br />

und BLACK LIPS. Der hallige Sound ist weder übermäßig<br />

trashig noch kommen die Songs glattgebügelt daher, und<br />

so steht man auch in dieser Hinsicht ganz unextremistisch<br />

irgendwo in der Mitte. Rundum gelungen. (7)<br />

Joachim Hiller<br />

IRRITONES / ROUGH KIDS<br />

Split<br />

7“ | Crapoulet | crapoulet.fr || Auf der A-Seite der<br />

klarvinylig-grünpunktigen Single fi nden sich die IRRITO-<br />

NES aus Marseille, bei denen man auf alte Bekannte <strong>von</strong><br />

HATEPINKS und AGGRAVATION stößt, und wer immer


schen“ Banger, finden sich hier nun vermehrt Acts wieder,<br />

die mit dem ursprünglichen Label-Sound nicht mehr viel<br />

zu tun haben. Auch wenn BARN BURNER beileibe nicht<br />

modern oder neu klingen, erweitern sie das Spektrum<br />

des Labels ungemein. Zwar spielen die vier humorvollen<br />

Kanadier auf ihrem treffend benannten Debütalbum „Bangers“<br />

irgendwie immer noch Metal. Dieser lässt sich aber<br />

hauptsächlich dann finden, wenn ungeniert IRON MAI-<br />

DEN zu Debüt- und „Killers“-Zeiten zitiert werden. Dazu<br />

paaren sich Classic-Rock-Arrangements der Marke THIN<br />

LIZZY. Ansonsten ist „Bangers“ Stoner-Rock der etwas hysterischen<br />

Sorte, sprich: für dieses Genre ungewöhnlich<br />

schnell und mitreißend. Das ist schön krachend gemischt,<br />

dynamisch gespielt und macht die ganzen elf Songs lang<br />

tierischen Spaß. (8) Arndt Aldenhoven<br />

BANANE METALIK<br />

Nice To Meat You<br />

CD | Fiendforce/Cargo | fiendforce.de | 38:57 ||<br />

Im Sommer 2009 sollte dieses Album bereits auf People<br />

Like You erscheinen, doch die Probleme, die PLY zur Neustrukturierung<br />

zwangen,<br />

führten zu einer Absage<br />

des Releases, <strong>von</strong> dem<br />

schon Promo-Exemplare<br />

existierten. Entsprechend<br />

fand sich in Ox #85 die<br />

Besprechung <strong>von</strong> Christoph<br />

Lampert, die wir<br />

angesichts des nun auf<br />

Fiendforce erfolgten<br />

Albumreleases zitieren:<br />

„Die französischen<br />

Psycho-Gore’n’Roller<br />

BANANE METALIK gab<br />

es schon einmal <strong>von</strong> 1992 bis 1995. Dann waren sie zehn<br />

Jahre <strong>von</strong> der Bildfläche verschwunden, um ab 2005 die<br />

Bühnen der Welt wieder mit ihrem bunten Mix aus Horror,<br />

Theater, Punk und Psycho unsicher zu machen. Jetzt legen<br />

sie mit ,Nice To Meat You’ ihr neues Album vor und dieses<br />

gefällt mir überraschend sehr gut. Die Songs sind deutlich<br />

schneller und punkiger, als dies bei Pychobilly-Bands<br />

sonst der Fall ist, und vor allem ist es der Charme des französisch-englischen<br />

Gesangs, der mich bei diesem Werk<br />

begeistern kann. Dazu kommt ein Sänger, der seine typischen<br />

Horrortexte so zwischen den Zähnen hervorschmirgelt,<br />

dass es eine Freude ist, diesem Reibeisen zuzuhören.<br />

Gut gefallen mir sowohl die Mariachi-Trompeten bei<br />

,Santa Muerta’ als auch die Geigen bei ,Maniac’ und die allseits<br />

bekannte Zirkusmelodie bei ,Le cirque des horreurs’.<br />

Diese Songs seien auch denen als Anspieltip empfohlen, die<br />

ansonsten nichts mit geslapten Bässen anfangen können.<br />

Ein rundum gelungenes Album also, das mir deutlich besser<br />

mundet als das letzte Werk der Labelmates DEMENTED<br />

ARE GO!.“ (8) Joachim Hiller<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

BUTCHER BIRDS<br />

Set My Bones<br />

CD | Mere Noise | merenoise.net | 42:36 || Nach<br />

der EP „Eat Their Young“ <strong>von</strong> 2005 katapultieren die drei<br />

Frauen und ein Herr am Schlagzeug <strong>von</strong> BUTCHER BIRDS<br />

aus Brisbane, Australien einen zum zweiten Mal mit Wucht<br />

in die Neunziger Jahre zurück. Wie eine gut gemachte und<br />

<strong>von</strong> Herzen kommende Hommage an diese Zeit, in der<br />

Grunge im Begriff war, das große Ding zu werden, hört<br />

sich „Set My Bones“ in gewisser Weise an: hier das SONIC<br />

YOUTH-, da das SEBADOH-Zitat, stimmlich (mit Aus-<br />

mit deren Schaffen im Bereich des knapp und knackig<br />

gehaltenen Punkrocks vertraut ist, bekommt auch bei den<br />

zwei IRRITONES-Songs „Mikado business“ und „Pretentious!“<br />

vertraut-schmackhafte Kost vorgesetzt. Auf der<br />

Flipside sind die ROUGH KIDS aus Los Angeles zu hören:<br />

simpler, mitreißender Punkrock, der seine Wurzeln klar<br />

in den Siebzigern hat – melodiös und kickend zugleich.<br />

(8/7) Joachim Hiller<br />

IMPERIAL SURFERS<br />

Double Shot Of ... 1&2<br />

2x7“ | Soundflat | soundflat-records.de || Soundflat<br />

Records hat beide Läufe der Hit-Flinte durchgeladen.<br />

Label-Zampano Traxel drückt den Abzug und ballert<br />

eine doppelte Ladung Frat-Rock auf heimische Plattenspieler.<br />

Zur Erläuterung: Frat-Rock, das ist der unbekümmerte,<br />

oftmals instrumentale Rock’n’Roll, der Uni-<br />

Sausen und Highschool-Tanzabende in den frühen Sechzigern<br />

zum Beben brachte. KINGSMEN, JOHNNY & THE<br />

HURRICANES, MCCOYS, das waren die Bands, die John<br />

Belushi im Frat-Party-Filmklassiker „Animal House“ so<br />

richtig ausrasten ließ. Und mit diesem stets partykompatiblen<br />

Sound toben sich die Madrider IMPERIAL SUR-<br />

FERS nun aus. Acht swingende Songs auf zwei EPs, darunter<br />

sechs Instros, spielen die Spanier mit unfassbarer Leichtigkeit<br />

und eine Freude am Musizieren, die ihresgleichen<br />

sucht. Die zwei 45er machen einfach nur Spaß und sind für<br />

die erfolgreiche Fete auf dem Wohnheimflur so essentiell<br />

wie unbegrenztes Fassbier, willige Chicks, Kotzelachen im<br />

Treppenhaus und mindestens zwei Polizeieinsätze wegen<br />

Ruhestörung und Erregung öffentlichen Ärgernisses. (8)<br />

Gereon Helmer<br />

GHOSTS RUN WILD /<br />

INVISIBLE MAN’S REVENGE<br />

Split<br />

7“ | Dirty Ugly | myspace.com/dirtyuglyrecords ||<br />

Irgendwie ist es lachhaft, wenn ein Label Gift und Galle<br />

spuckt gegen CDs und Vinyl lobpreist, dann aber nur über<br />

ein Profil bei Fuck-MySpace verfügt und nicht über eine<br />

vernünftige Website. Website = Vinyl, MySpace = Scheiße.<br />

So einfach ist meine Welt. Aber egal, lassen wir das, denn<br />

die Splitsingle aus klarem Vinyl taugt einiges. Auf der einen<br />

Seite sind GHOSTS RUN WILD zu hören, die aus Virginia<br />

kommen und als Boy/Girl-Duo wundervoll spooky<br />

und trashy Psychobilly spielen, mit Kreissägegitarren und<br />

mächtig viel Hall. Auf der anderen Seite „die Rache des<br />

unsichtbaren Mannes“, die aber nicht sonderlich bedrohlich<br />

ausfällt, ist es doch nur die x-te Variation des schraddeligen<br />

One-Man-Band-Schemas. Da hat man schon<br />

schlechtere, aber auch bessere Genre-Vertreter gehört.<br />

(8/5) Joachim Hiller<br />

KEINE ZUKUNFT WAR<br />

GESTERN ROAD CREW<br />

s/t<br />

7“ | Andi’s Friends | myspace.com/andisfriends<br />

|| Wer auf der Lesereise zum Buch zugegen war, hat die<br />

Interpretationen der vier auf dieser EP enthaltenen Klassiker<br />

bereits gehört und wird mir zustimmen, wenn ich<br />

behaupte, dass diese EP mit ihren 350 Exemplaren bei der<br />

Tour längst ausverkauft worden wäre, wenn es sie denn<br />

dort schon gegeben hätte. Klingt definitiv anders als die<br />

Originale, und wenn ich sagen, dass es sich stellenweise wie<br />

eine junge Nina Hagen anhört, dann ist das nicht negativ<br />

gemeint, ganz im Gegenteil. Eine richtig schwere Aufgabe<br />

war’s aber nicht, denn alle Stücke sind ziemlich unkaputtbar.<br />

(7) Kalle Stille<br />

nahme <strong>von</strong> „Amp“) eher an Kim Deal als an die ungezähmten,<br />

schrägen Stimmen SLEATER-KINNEYs oder Kathleen<br />

Hannas erinnernd und zwischen latenter Lärmigkeit und<br />

glasklaren Rocksongs wie dem Opener „The gate“ pendelnd.<br />

Wo manche die knackige Produktion, die Power<br />

und schönen Arrangements loben mögen, ist mir das allerdings<br />

nicht originär genug, so könnte man den über siebenminütigen<br />

Song „Yoko coma“ mit der Titel gebenden<br />

Zeile im Text beispielsweise locker für einen BREEDERS-<br />

Song halten. Zum zweiten blitzen neben all den sicherlich<br />

vorhandenen schönen Momenten (die straighte Rocknummer<br />

„Blood message“ kann einiges!) zu wenig wirkliche<br />

Höhepunkte auf, sind sie nämlich zu knarzig und sperrig<br />

für sweete Rock/Popmusik, und letztendlich noch zu<br />

zahm und hinter Lärm-Avantgardisten wie SONIC YOUTH<br />

oder MUDHONEY zurückbleibend. Sowohl die großen<br />

Melodien als auch das große Chaos bleiben aus – Durchschnitt.<br />

(6) Andreas Krinner<br />

BUNKAANGST<br />

Hamstarad<br />

CD | bunkaangst.de | 19:40 || BUNKAANGST sind<br />

keine Spaßkanonen. Zum einen wird dies durch den Bandnamen<br />

deutlich, und zum anderen durch ihre Musik. Die<br />

nachdenklichen und auch immer nicht ganz verständlichen<br />

Texte stehen hier im Mittelpunkt. Untermalt wird das<br />

Ganze mit einer negativen Grundstimmung, die durch den<br />

relativ cleanen Gitarrensound und dem Gesang entsteht.<br />

Keine CD, die man sich zum gemütlichen Feierabendbier<br />

reinziehen würde. Qualitativ haben BUNKAANGST auf<br />

dieser sechs Titel enthaltenden CD nicht das Schlechteste<br />

fabriziert, jedoch braucht es hier schon einen sehr speziellen<br />

Musikgeschmack. (5) Sven Grumbach<br />

BURNING HOTELS<br />

Novels<br />

CD | Miss Press | misspressrecords.com | 36:19 ||<br />

Schriebe ich hier jetzt was <strong>von</strong> „anspruchsloser, unanstrengender<br />

Wohlfühlmusik“, könnte man das womöglich<br />

als negative Aussage über dieses Album der Band aus<br />

Texas auffassen. Dabei ist es einfach nur das Fazit zu einem<br />

Album, das sich mit relativ wenig eigenständiger kreativer<br />

Leistung seitens der Band im Kielwasser <strong>von</strong> KILLERS, EDI-<br />

TORS und Co. geschmeidig durch den Pop-Ozean schippert.<br />

So belanglos sich das anhört: Kann man sich gut<br />

anhören, braucht man bei genauerer Betrachtung aber<br />

überhaupt nicht. (5) Joachim Hiller<br />

BUZZ ALDRIN<br />

Blaque Dye<br />

CD | Data File Music | datafilemusic.com | 39:55<br />

|| Zweiter ist keiner gern. Die Person Buzz Aldrin, ihres<br />

Zeichen zweiter Mensch auf dem Mond, ist und bleibt<br />

im Schatten Neil Armstrongs. Warum hat sich dann eine<br />

Oldenburger Band nach eben diesem Mann benannt?<br />

Understatement? Oder ist es die Sympathie mit den ewig<br />

Zweiten? Solch eine Interpretation lässt die Band charmant<br />

wirken, für die Qualität des Debüts spricht sie allerdings<br />

nicht. Denn die acht Songs wirken zwar in ihrer<br />

musikalischen Kompromisslosigkeit und Schwere anfangs<br />

anstrengend. Aber schnell wendet sich das Blatt, wenn<br />

man bereit ist, sich <strong>von</strong> der derben Mischung aus Noiseund<br />

Sludgecore mitreißen zu lassen. Die Herangehensweise<br />

erinnert an EISENVATER und das tiefschwarze Artwork<br />

wie auch die Titelbezeichnung repräsentieren den<br />

düsteren Sound optimal. Dabei sei erwähnt, dass die seit<br />

fünf Jahren aktive Band keinerlei Gitarren nutzt. So kommen<br />

die verzerrten Klänge allesamt aus zwei Bässen, womit<br />

LIES FEED THE MACHINE<br />

Gallows<br />

7“ | Contraszt | diyordie.net | Neuestes Release der<br />

in Berlin beheimateten LIES FEED THE MACHINE, die sich<br />

hier durch vier <strong>von</strong> D-Beat-Drumming und punkig krachenden<br />

Riffs geprägte Songs prügeln. Erinnerungen an<br />

eine punkigere Version <strong>von</strong> FROM ASHES RISE und HIS<br />

HERO IS GONE sind nicht <strong>von</strong> der Hand zu weisen und<br />

sprechen für die Qualität der Platte. (8) Jens Kirsch<br />

MIO / DUCT HEARTS<br />

Split<br />

7“ | Lala Schallplatten | myspace.com/lalalabel ||<br />

Das Leipziger-Duo MIO geht bei dieser Split-7“ mit dem<br />

Song „Möglichkeit“ an den Start und präsentiert ein fünfminütiges<br />

Semi-Instrumentalstück, bei dem der Gesangsanteil<br />

auf wenige Sekunden reduziert ist. Gut gemachter,<br />

atmosphärischer Nineties Screamo beziehungsweise Emo<br />

mit leider relativ wenig Wiedererkennungswert, aber daran<br />

kann man sicher arbeiten. Auf der anderen Seite gibt es<br />

einen Track <strong>von</strong> DUCT HEARTS zu hören, der mich stark<br />

an ELLIOTTs grandioses „Song In The Air“-Album erinnert<br />

und damit dick punktet. Lediglich das Ende des durch Hall,<br />

Delay-Gitarren und vor allem durch den wunderbar einfühlsamen,<br />

stark an Chris Higdons Stimme erinnernden<br />

Gesang sich langsam aufbauenden Songs kommt mir nach<br />

über sechseinhalb Minuten fast etwas zu abrupt. Trotzdem<br />

bleibt „Schlafen“ ein absolut schöner Song. Da<strong>von</strong> bitte<br />

mehr! Tim Masson<br />

MYELIN SHEATHS<br />

Stackticon<br />

7“ | Bachelor | bachelorrecords.com || Bandname<br />

und Songtitel legen zwar einen wissenschaftlichen<br />

Ansatz nahe, aber zum Glück versuchen sich die MYELIN<br />

SHEATHS nicht an pseudointellektueller Studentenmusik.<br />

Die vier Songs (inklusive einem Instrumental) rumpeln<br />

munter vor sich hin, irgendwo im Spannungsfeld zwischen<br />

BLACK LIPS, GORIES und CHEAP TIME. Ich vermisse<br />

zwar manchmal ein wenig Durchschlagskraft, aber insgesamt<br />

stimmt das Gesamtbild. Da die MYELIN SHEATHS<br />

bald auch eine Single auf HoZac veröffentlichen, sollte das<br />

Newcomer-Radar bei gestandenen Garage-Rock-Adepten<br />

ohnehin ordentlich ausschlagen. (7) Bernd Fischer<br />

POWERCHORDS<br />

More Than Me<br />

7“ | Bachelor | bachelorrecords.com || Nach dem<br />

Album 2008 auf Screaming Apple melden sich die POW-<br />

ERCHORDS aus Chula Vista im südlichsten Zipfel <strong>von</strong> Kalifornien<br />

mit einer 2-Song-7“ zurück und erfreuen erneut<br />

mit wundervollem Pop-Punk, der eine Sahnehaube aus<br />

Powerpop mit bunten Zuckerperlen obendrauf trägt. Auch<br />

diesmal höre ich die DICKIES deutlich heraus, BUZZ-<br />

COCKS und UNDERTONES ebenso, wer also auf Süßes<br />

steht und seine Punk-Platten vorzugsweise in der Konditorei<br />

kauft, der bekommt hier eine extragroße Kalorienbombe.<br />

Lecker! (8) Joachim Hiller<br />

JAMES PANTS<br />

I Live Inside An Egg<br />

7“ | Stones Throw US | stonesthrow.com || Mr. Pants<br />

schafft hier einen wirklich staubtrocknen und gekonnten<br />

Spagat zwischen unterschiedlichen Stilrichtungen wie<br />

Electro-Boogie, Synth/Minimal Wave und Punk-Disco<br />

und ist locker in der Lage, die Hardliner aus der TUBEWAY<br />

ARMY/Gary Numan-Fraktion mit den obskuren CAMEO-<br />

Anhängern (Pants adaptiert hier eine reduzierte „She’s<br />

strange“-Hookline) und der Italo-Disco zu verbinden. Der<br />

sich die Band einen zusätzlichen Exotenbonus in diesem<br />

sowieso schon exotischen Genre einheimst. Um auf den<br />

Faktor zwei zurückzukommen: Die englische Redewendung<br />

„to do number two“ bedeutet so viel wie „ein großes<br />

Geschäft machen“. Ein großes Geschäft wird die Band<br />

im kommerziellen Sinne nicht machen, ein Griff ins Klo<br />

ist „Blaque Dye“ aber erst recht nicht. Die Nummer eins<br />

wird man mit solch einer brachialen Musik genauso wenig.<br />

Doch das wird kaum das Ziel <strong>von</strong> BUZZ ALDRIN sein. (8)<br />

Arndt Aldenhoven<br />

BLESSURE GRAVE<br />

Judged By Twelve, Carried By Six<br />

CD | Alien8 | alien8recordings.com | 45:14 ||<br />

Warum ist eigentlich immer der Rezensent der Fantasielose,<br />

wenn ihm beispielsweise zum Debütalbum dieses<br />

Boy/Girl-Duos aus San<br />

Diego sofort JOY DIVI-<br />

SION als Referenz in<br />

den Sinn kommen? Nun<br />

will ich keinesfalls BLES-<br />

SURE GRAVE als fantasielose<br />

Band bezeichnen,<br />

aber dass sowohl gesanglich<br />

wie musikalisch JOY<br />

DIVISION eine große<br />

Inspiration darstellen,<br />

darüberhinaus KILLING<br />

JOKE, THE MARCH VIO-<br />

LETS, DEATH IN JUNE<br />

und THE CURE als Einflüsse genannt werden, ist nicht<br />

gerade überraschend. Und mir käme angesichts der soliden<br />

Machart, der gekonnt umgesetzten, wirklich sehr<br />

authentisch nach den späten Siebzigern und frühen Achtzigern<br />

klingenden Songs auch nicht in den Sinn, der Band<br />

irgend etwas anderes als Begeisterung entgegen zu bringen.<br />

In der jüngeren Vergangenheit gibt es nicht wenige Bands,<br />

die sich auf sehr authentische Weise an den Ikonen einer<br />

längst vergangen Zeit orientieren, und das Positive daran<br />

ist, dass sie das sehr stilsicher tun und damit hoffentlich<br />

jenem Kitsch-Goth, der bis heute mittels Zillo & Co. und<br />

durch so peinliche Karnevalsveranstaltungen wie jener in<br />

Leipzig promotet wird, zunehmend das Wasser abgraben.<br />

Parallel zur CD-Version erscheint auch eine Vinyl-Edition<br />

auf Release The Bats, allerdings gibt’s auf der CD noch vier<br />

Bonus-Songs <strong>von</strong> der „Learn To Love The Rope“-12“. (8)<br />

Joachim Hiller<br />

BITTER PILLS<br />

s/t<br />

MCD | Boss Tuneage/Cargo | bosstuneage.com |<br />

19:32 || Beim Abspielen dieser sieben Indie-Gitarrenrock-Stücke<br />

fühle ich mich 15 bis 20 Jahre zurück versetzt.<br />

Kein Wunder, stecken doch hinter BITTER PILLS Greame<br />

Gilmore <strong>von</strong> BROCCOLI und Chris Petty <strong>von</strong> HOOTON<br />

3 CAR, die in den Neunzigern aktiv waren. Ich stelle mir<br />

gerade ein Konzert mit VARSITY DRAG vor – eine geniale<br />

Kombination. Manchmal stört mich der wackelige Gesang.<br />

Aber ansonsten sind das wunderschöne Indierock-Perlen,<br />

irgendwo zwischen BIG STAR, POSIES, TEENAGE FAN-<br />

CLUB, LEMONHEADS und SUGAR. Das Rad wird hier ganz<br />

bestimmt nicht neu erfunden, aber die abwechslungsreichen<br />

Arrangements, das eingängige Songwriting und die<br />

angenehm analoge Produktion stimmen. Vielleicht erfährt<br />

dieses Genre gerade eine Renaissance, was für meinen<br />

Geschmack nicht das Schlechteste wäre. Jetzt fehlt eigentlich<br />

nur noch, dass solche Produktionen auf Vinyl veröffentlicht<br />

werden. (8) Simon Brunner<br />

Titelsong klingt wie die US-amerikanische Version <strong>von</strong><br />

Andreas Doraus „Fred vom Jupiter“ auf New Wave. Kracher!<br />

(8) Markus Kolodziej<br />

ROY ELLIS & THE TEENAGERS<br />

Let Me Take You Higher<br />

7“ | Liquidator | liquidatormusic.com || Allein das<br />

Cover-Foto ist schon grandios. Da kann sich so mancher<br />

jugendliche Freund des rhythmischen Sprechgesangs noch<br />

einiges abgucken in Sachen Pose und dicke Hose. Trotzdem<br />

sollte man wahrscheinlich froh sein, dass musikalisch<br />

weniger extravagante Pfade beschritten werden.<br />

Nein, wir reden nicht <strong>von</strong> Reggae, dem Metier, in dem Ellis<br />

eine Legende ist, sondern <strong>von</strong> klassischem Soul. Der Song<br />

ist ausgesprochen gut und die TEENAGERS ohnehin eine<br />

prima Band. Auf der B-Seite ist dann leider schon wieder<br />

ein (zugegebenermaßen nettes) Instrumental. Warum nur?<br />

Haltet den Mann doch beschäftigt, sonst verbringt er noch<br />

mehr Zeit mit dämlichen Gospel-Konzerten. (7)<br />

Ferdinand Praxl<br />

SHANE MACGOWAN AND FRIENDS<br />

I Put A Spell On You<br />

7“ | Mute | mute.com || Der Sänger und Kopf der<br />

POGUES hat sich einige illustre Gäste für seine Haiti-<br />

Benefiz-Single ins Studio geholt, um den Klassiker <strong>von</strong><br />

Screamin’ Jay Hawkins in einer etwas kuriosen Version<br />

einzuspielen. Keine Geringeren als Mick Jones (THE<br />

CLASH) und Dauerpirat Johnny Depp treffen mit Gitarren<br />

im Studio ein und Nick Cave, Bobby Gillespie (PRI-<br />

MAL SCREAM), Chrissie Hynde (THE PRETENDERS), Glen<br />

Matlock (SEX PISTOLS) sowie die Jazzsängerin Paloma<br />

Faith und einige mehr steuern den Gesang bei. Bob Geldorf<br />

wurde indes nicht gesichtet. Sehr schräg. Sehr karitativ.<br />

Und MacGowan sieht mit langem Haar wieder richtig<br />

frisch aus (für seine Verhältnisse). Bisher nur als Download<br />

erhältlich. (8) Markus Kolodziej<br />

SATÀN<br />

Shit #3<br />

7“ | Shit Music For Shit People | myspace.com/shitmusicforshitpeople<br />

|| Auf einem wunderbaren Label,<br />

dass sich ausschließlich der Veröffentlichung <strong>von</strong> Vinyl und<br />

Kassetten verschrieben hat, erscheint die 4-Track-EP <strong>von</strong><br />

SATÀN, einem italienischen Duo, das sich ganz der experimentellen<br />

Musik verschrieben hat. Zwischen Pop, Punk,<br />

Noise, Postcore, Sixites, Shouts, Screams und Gesang verstecken<br />

sich feine Melodien genauso wie ihre genauen<br />

Gegensätze. Und wer Shetlandponys genauso gerne hat wie<br />

ich, wird Songs wie „More funny than a mini horse“ zu<br />

schätzen wissen. Uneingeschränkte Konsumempfehlung!<br />

(9) Anna Behrendt<br />

SICK MORMONS<br />

Taekwando<br />

7“ | Gummopunx | myspace.com/gummopunxrecords<br />

|| Vier Songs mit der Quintessenz aller guten Zutaten<br />

<strong>von</strong> Bands wie FREEZE oder CHANNEL 3 und der Rotzigkeit,<br />

die AEROBITCH auf dem Höhepunkt ihres Schaffens<br />

erreicht haben. Very Oldschool, very verdammt cool,<br />

ohne Durchhänger. (9) Kalle Stille<br />

SINGLE STATE OF MAN / MEN AS TREES<br />

Split<br />

7“ | Synalgie et al. | synalgie-records.com || SINGLE<br />

STATE OF MAN aus Unterfranken haben sich offensichtlich<br />

gänzlich <strong>von</strong> den auf dem Debüt-Album zu hörenden<br />

Schrei-Emo-Einflüssen frei gemacht, den Gesang<br />

gestrichen und sich stattdessen den wesentlich stärke-<br />

rEvIEws<br />

BEAT BEAT<br />

s/t<br />

LP | Bachelor | bachelorrecords.com || Achtung!<br />

Nicht zu verwechseln mit dem CARBONAS-Ableger BEAT<br />

BEAT BEAT oder den gerade schwer gehypeten Indie-<br />

Nasen BEAT! BEAT! BEAT! Gegründet wurde die Band vom<br />

Drummer der mittlerweile aufgelösten RODRIGUEZ, der<br />

sich aber nach kurzer Zeit als One-Man-Band langweilte<br />

und sich die restlichen Musiker und jetzige Besetzung der<br />

Band zusammensuchte. Nach einer Weile folgte dann eine<br />

Single auf Spin the Bottle aus Toronto, eine US-Tour, eine<br />

weitere Single und nun die erste LP. Produziert wurde die<br />

übrigens <strong>von</strong> Matteo <strong>von</strong> den MOJOMATICS, deren Einfluss<br />

man auch etwas heraushört, denn das Album ist schon<br />

etwas poppiger als die Singles. Aber das gefällt mir natürlich<br />

auch. Wer also auf eine Mischung <strong>von</strong> YOLKS und FE<br />

FI FO FUMS steht, sollte nicht lange zögern. Aber hier gilt<br />

besonders: Augen auf beim Plattenkauf! (8) Finn Quedens<br />

BRIGHT EYES & NEVA DINOVA<br />

One Jug Of Wine, Two Vessels<br />

CD | Saddle Creek/Cargo | saddlecreekrecords.com<br />

| 36:10 || Eigentlich ist das hier ein Rerelease, aber<br />

nur ein halber. Denn die Kooperation <strong>von</strong> Conor Oberst<br />

und BRIGHT EYES einerseits und Jake Bellows und NEVA<br />

DINOVA andererseits beginnt 2004 mit der Veröffentlichung<br />

einer 6-Track-Split-7“ und findet ihre Vollendung<br />

2010 mit einer erneuten gemeinsamen Aufnahmesession<br />

der beiden Bands aus Nebraska – im Falle <strong>von</strong> BRIGHT<br />

EYES sind es sogar die ersten neuen Aufnahmen seit 2007.<br />

Vier neue Songs eröffnen so diesen Release, gefolgt <strong>von</strong><br />

denen <strong>von</strong> 2004, so dass der mit insgesamt zehn Stücken<br />

zum Album gewachsen ist. Und man muss ganz klar sagen,<br />

dass die alten Sachen zwar durchaus stimmungsvoll sind,<br />

aber auch nicht wirklich spannend – im Gegensatz zu den<br />

elektrisierenden, mitreißenden neuen Stücken, die am<br />

Anfang der CD zu hören sind. Lohnenswerter neuer Stoff<br />

für Conor Oberst- und BRIGHT EYES-Süchtige! (7)<br />

Joachim Hiller<br />

BRIAN JONESTOWN MASSACRE<br />

Who Killed Sgt. Pepper?<br />

CD | A/Cargo | cargorecords.co.uk | 71:42 || Nach<br />

mehreren Besprechungen <strong>von</strong> Releases <strong>von</strong> Anton Newcombes<br />

Band THE BRIAN JONESTOWN MASSACRE habe<br />

ich immer noch nicht ganz kapiert, wie diese Neo-Psychedelic-Truppe<br />

aus San Francisco genau tickt, und auch<br />

bei „Who Killed Sgt. Pepper?“ wird das nicht unbedingt<br />

durchschaubarer. Klar ist nur, dass Newcombe eine Obsession<br />

für den Psychedelic-Rock der 60er und 70er Jahre hat,<br />

das macht schon der Titel deutlich, ansonsten gibt es oft<br />

montone Rave-artige Elektroniksounds, die erstaunlicherweise<br />

diesmal verstärkt an die späten BUTTHOLE SUR-<br />

FERS erinnern und ihre Alben „Electriclarryland“, „After<br />

The Astronaut“ und „Weird Revolution“. Eine äußerst<br />

rhythmische und elektronische Form eines hypnotisch<br />

groovenden Trance-Rocksounds, wo SPACEMEN 3 und<br />

SPIRITUALIZED ebenfalls nicht weit sind, deren William<br />

Carruthers hier als Bassist beteiligt war. Nicht jeden wird<br />

dieser eigenwillige Umgang mit Sounds und Beats gleichermaßen<br />

glücklich machen, aber „Who Killed Sgt. Pepper?“<br />

ist eine der bisher am besten funktionierenden und<br />

in sich geschlossensten Platten <strong>von</strong> BJM. Gleichermaßen<br />

dreist wie brillant ist dann, wie Newcombe in „This is the<br />

one thing we did not want to have happen“ den Schlagzeugsound<br />

<strong>von</strong> „She’s lost control“ und die Lyrics <strong>von</strong> „I<br />

remember nothing“ zu einer gelungenen JOY DIVISION-<br />

Hommage zusammengebaut und daraus einen ganz neuen<br />

ren, rein instrumentalen Momenten zugewandt: Der auf<br />

Seite A dieser Split-7“ enthaltene Song „Health & history“<br />

klingt stark nach bei EXPLOSIONS IN THE SKY und NEIL<br />

ON IMPRESSION zu findenden Momenten. Er weist also<br />

zwar eine große Nähe zu den Kopiervorlagen auf, funktioniert<br />

aber vortrefflich. Die US-Amerikaner MEN AT<br />

TREES steuern auf der B-Seite mit „Wreckage“ einen Song<br />

zu dieser Split bei, der sich ohne Umschweife am Sound<br />

<strong>von</strong> Screamo-Größen wie ORCHID und RAEIN orientiert.<br />

Erneut eine Synalgie-Platte, die Mensch sich ohne Bedenken<br />

besorgen kann. Konstantin Hanke<br />

KEVIN SECONDS / MIKE SCOTT<br />

Split<br />

7“ | Fond of Life | fondoflife.net || Kevin Seconds,<br />

den man eigentlich als Frontmann <strong>von</strong> 7 SECONDS kennt,<br />

ist ja schon seit vielen Jahren solo unterwegs, als klassischer<br />

Singer/Songwriter, der sich selbst auf der akustischen<br />

Gitarre begleitet und das schon tat, lange bevor andere,<br />

jüngere Punk/Hardcore-Musiker diese Art des Musizierens<br />

für sich entdeckten. Sein aktuellster Release ist diese<br />

Split-7“ in blauem Vinyl, die auf jeder Seite zuerst einen<br />

Song <strong>von</strong> Kevin Seconds enthält, gefolgt <strong>von</strong> einem <strong>von</strong><br />

Mike Scott aus England, der früher mal bei PHINIUS GAGE<br />

war. Beide beherrschen ihr Handwerk, doch Seconds hat<br />

bei mir klar die Nase vorn. (7/6) Joachim Hiller<br />

THE SNAKES<br />

Billy Jack<br />

7“ | Slow Gold Zebra | myspace.com/slowgoldzebra<br />

|| Seltsame Sache: Kopf der SNAKES ist ein gewisser<br />

Billy Jack, Halb-Indianer und früher bei den „Green<br />

Berets“ alias Special Forces, also Ex-Angehöriger jenes Teils<br />

der US-Armee, der in aller Welt die Drecksarbeit erledigt<br />

für die US-Regierung. Halten wir dem Herrn mal das „Ex“<br />

zugute, ich wüsste sonst nicht, worauf man als Angehöriger<br />

jener Killertruppe stolz sein sollte. Wie man so liest, entdeckte<br />

Billy in den letzten Jahren seine indianischen Wurzeln<br />

und machte sich so seine Gedanken über die Menschheit,<br />

was nun in seiner Musik kulminiert. Nun ja, es klingt<br />

sicher besser, als die Beschreibung vermuten lässt, aber mir<br />

geht das mäandernde Gitarrengelärme im LoFi-Gewand<br />

nebst „HiyaHoya“-Gesinge auf die Nerven. (3)<br />

Joachim Hiller<br />

STATE<br />

Excommunicated / Nihil Ex Nihilo<br />

7“ | Statement | statenoillusions.com || Zwei neue<br />

Singles der schon seit Ende der Siebziger aktiven STATE aus<br />

Detroit, die sich in jeweils vier beziehungsweise fünf Songs<br />

die Wut über den Zustand dieser Welt aus dem Leib kotzen.<br />

Textlicher Höhepunkt ist für mich hier „Evangile“, in dem<br />

das religiös-faschistische Protestantengesindel in den USA<br />

sein Fett wegbekommt. Aber auch „Destroyed Rock City“<br />

ist ein Bringer, denn schnell gesungen klingt das wie „Detroit<br />

Rock City“. Und bei „I hate this society“ bleiben einfach<br />

keine Fragen mehr offen. In-die-Fresse-Hardcore der<br />

ganz alten Schule, sowohl alte BLACK FLAG und CIRCLE<br />

JERKS, aber auch TOXIC REASONS und POISON IDEA lassen<br />

grüßen. Dazu klassisches schwarz-weißes Artwork und<br />

Copy/Paste-Layout – kaum zu glauben, dass solche Musik<br />

2009 entstanden ist und nicht 1983. (9) Joachim Hiller<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

TISCHLEREI LISCHITZKI / GRIZOU<br />

Split<br />

7“ | Elfenart | elfenart.de || Die Berliner GRIZOU und<br />

TISCHLEREI LISCHITZKI aus „Lüneburg und so“ haben<br />

sich, wie das heute mal so ist, im Internet kennen gelernt,<br />

OX-FANZINE 87


EvIEws<br />

Song gemacht hat. Wo andere Musiker letztendlich nur<br />

in der nostalgischen Mottenkiste wühlen, versteht Newcombe<br />

den Zusatz „Neo“ auf jeden Fall als echten Ansporn,<br />

Rock & Roll neu zu definieren, was ihm auf „Who Killed<br />

Sgt. Pepper?“ auch ganz ausgezeichnet gelungen ist. (8)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

BESNARD LAKES<br />

The Besnard Lakes Are The Roaring Night<br />

CD | Jagjaguwar/Cargo | jagjaguwar.com | 46:36 ||<br />

Kanadier mal wieder, die sind scheinbar gerade ein Garant<br />

für gepflegten Indierock, ob nun in komplexerer Form<br />

wie bei Constellation oder in poppigeren Gefilden angesiedelt<br />

wie bei Arts&Crafts. Bei Letzteren dürften sich auch<br />

THE BESNARD LAKES mit ihrem dritten Album wohl fühlen,<br />

aber auch Jagjaguwar haben ja durchaus Sinn für verspieltere,<br />

exzentrischere Formen <strong>von</strong> Indierock, so wie ihn<br />

auch dieses Ehepärchen praktiziert, das aber so klingt, als<br />

ob hier ein kleineres Kammerorchester am Werk wäre. Die<br />

Zutaten reichen dabei <strong>von</strong> Neil Young, 60s-Folk, Psychedelic<br />

bis hin zu GALAXIE 500 oder MY BLOODY VALENTINE,<br />

woraus Olga Goreas und Jace Lasek allerdings sehr fokussierten<br />

Dreampop-Shoegaze-Rock mit herrlichem Harmoniegesang<br />

destillieren, mit fast schon unverschämt eingängigen<br />

Melodien. Glücklicherweise keine dieser lahmarschigen,<br />

introvertierten künstlerischen Statements allzu<br />

sensibler Musikerpersönlichkeiten, sondern eine zupackende<br />

Rockplatte mit majestätisch dichtem Sound,<br />

der sofort Eindruck hinterlässt und auch in den stilleren<br />

Momenten und ausladenden Instrumentalparts niemals<br />

an Intensität verliert. Nichts, was man unbedingt in Kategorien<br />

wie „Meisterwerk“ diskutieren müsste, aber alleine<br />

schon durch den epischen Opener „Like the ocean, like the<br />

innocent“ willkommen ist. (7) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

BURY MY SINS<br />

Rats<br />

MCD/10“ | Damage Done/Shark Men | damagedonerecords.com<br />

| 25:52 || Der Titletrack eröffnet das<br />

neue Lebenszeichen <strong>von</strong> BURY MY SINS und wartet gleich<br />

mit einem recht traditionellen Metalsolo auf, während der<br />

Rest der Mannschaft volles Tempo fährt. Hardcore-Elemente<br />

tauchen dann erst im zweiten Song „Oblivion the<br />

end“ auf, denn hier spielt man vermehrt Stakkato, gönnt<br />

sich aber auch wieder ein bombastisches Solo, was aber<br />

eigentlich ziemlich überzeugend klingt. Was das Artwork<br />

angeht, wurde diesmal was anderes versucht und Daniel<br />

Ehrlich hat „Rats“ ein ansehnliches Cover verpasst. Stilistisch<br />

ist man versucht, <strong>von</strong> Stagnation auf einem hohen<br />

Niveau zu sprechen. Das Interlude „Talent“ schwingt<br />

kurz die Prog-Metal-Keule, bevor „Trapped meaningless“<br />

dann wieder mal einen Hardcore-Song bietet, der<br />

anfangs an TERROR erinnert, dann aber schnell in, wohlgemerkt<br />

technisch perfekten, Metal à la SLAYER oder<br />

DEATH umschwenkt. Ein Hammer-Track, der <strong>von</strong> einem<br />

ebensolchen, nämlich „The killer in me“ gefolgt wird und<br />

das Release aus dem Gewohnt-gut-Status in die Katagorie<br />

Holy Shit katapultiert. Da ist noch Luft nach oben, aber<br />

jetzt bloß nicht zu schnell nachlegen. Für Sammler gibt es<br />

die 10“-Vinylversion auch in Gold. (7) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

RHYS CHATHAM<br />

The Bern Project<br />

CD | Hinterzimmer/Cargo | hinterzimmer-records.<br />

com | 43:41 || Rhys Chatham ist schon ein alter Hase<br />

im Bereich der Avantgardemusik, hat in den Siebzigern mit<br />

LaMonte Young und Tony Conrad zusammengearbeitet,<br />

ebenso wie mit Glen Branca während der ersten Welle <strong>von</strong><br />

Punkrock in New York und besaß wie dieser auch eine Verbindung<br />

zu Indierock und Artverwandtem. Und so spielten<br />

in seinen Ensembles etwa Mitglieder <strong>von</strong> BAND OF<br />

man schrieb hin und her, spielte eine Reihe Konzerte<br />

zusammen, teilte „Anlagen, Bühne, Schlafräume, Essen und<br />

die Autobahn“ – und widmet der schönen gemeinsamen<br />

Zeit nun diese Split-7“ mit je zwei neuen Songs. Was GRI-<br />

ZOU hier machen, das hätten wir früher als Emo-Punk<br />

bezeichnet, da gab’s aber die geschminkten Kinder auch<br />

noch nicht. Eine Verwandtschaft mit DUESENJAEGER und<br />

TURBOSTAAT ist jedenfalls nicht zu leugnen. Auch bei<br />

TISCHLEREI LISCHITZKI geht es irgendwie um Gefühle, in<br />

„Zuviel TV“ gipfelt das in der mit einem hypnotischen Beat<br />

unterlegten, manisch wiederholten Frage: „... und wenn<br />

ich mir den Kopf abschlag, wie ist das Leben dann?“ Eigentlich<br />

mag ich diese Art <strong>von</strong> deutschsprachigem Punk nur in<br />

Ausnahmefällen – das ist so einer. Ein beigelegter Download-Code<br />

macht die Sache perfekt. Ute Borchardt<br />

THE TOWN OF MACHINE<br />

s/t<br />

7“ | Unterm Durchschnitt | unterm-durchschnitt.<br />

de || Ex-Mitglieder der verblichenen Formationen JET<br />

BLACK und MALLORY’S LAST DANCE haben sich als<br />

THE TOWN OF MACHINE zusammengetan und legen<br />

nun diese 7“ als erstes Release vor. Die beiden darauf zu<br />

hörenden Songs lassen sich einwandfrei in die Screamo-<br />

Ecke schieben; Screamo, so wie er etwa zur Mitte bis zum<br />

Ende der 1990er-Jahre gespielt wurde und also noch nicht<br />

Kajal, Röhrenjeans und Hochglanzkacke, sondern Wut<br />

und Herzblut meint. Das nach dem Ende der Zivilisation<br />

in Jim Jarmuschs „Dead Man“ benannte Quartett orientiert<br />

sich zweifellos an Bands wie SAETIA, PORTRAITS OF<br />

PAST und TIDAL, zelebriert also musikalischen Rückgriff,<br />

bleibt lediglich Wiederholung. Ist mir ehrlich gesagt dann<br />

aber doch wesentlich lieber als irgendwelche seelenlosen<br />

Modekaspereien. Wer was Frisches sucht, braucht hier<br />

nicht weiter suchen, Fans des Genres können aber bedenkenlos<br />

ihre Vinyl-Sammlung aufstocken. Konstantin Hanke<br />

OX-FANZINE 88<br />

ccc<br />

THE ULTRA 5<br />

Sympathy For The Devil<br />

7“ | Tryptic France | tryptic-records.com || Drei bisher<br />

unveröffentlichte Songs der legendären Psychotic-<br />

Garage-Band aus New York, die in etwa so klingen, als ob<br />

die THE CHESTERFIELD KINGS, THE STOOGES und THE<br />

CRAMPS eine wüste Orgie feiern und dann mal eben<br />

nonchalant auf dem Höhepunkt der Sessions eine sieben<br />

Minuten lange Coverversion des ROLLING STONES-<br />

Klassikers „Sympathy for the devil“ abliefen. Großartiger<br />

Garage -Trash mit wilder Psycho-Sixties-Orgel. Hat Feuer,<br />

und wie. Haben die eigentlich jemals mit den FLESHTO-<br />

NES gespielt? (8) Markus Kolodziej<br />

ÜBER<br />

Segon Senzill / España Y Mierda<br />

7“ | Sell Our Souls | selloursouls.com || ÜBER<br />

kommen aus Barcelona – ein Umfeld mit einem ausgeprägten<br />

Faible für Umlaute, was vielleicht ihren merkwürdigen<br />

Namen erklärt – und spielen eine eigenwillige<br />

Mischung aus trashigen Garagebeats, Punkrock-Attitüde<br />

und unmissverständlich angepissten Texten, wobei sie es<br />

SUSANS oder auch Thurston Moore <strong>von</strong> SONIC YOUTH.<br />

Im Fall <strong>von</strong> Gitarrist und Trompeter Chatham spricht man<br />

wohl auch schon besser <strong>von</strong> Komponist als <strong>von</strong> Musiker.<br />

Für „The Bern Project“ hat sich der inzwischen in Frankreich<br />

lebende Chatham mit einigen Musikern aus der<br />

Schweizer Avantgarde- und Jazz-Szene zusammengetan.<br />

Dennoch muss man keine Angst vor dieser Platte haben,<br />

die vor allem sehr entspannt dahinfließenden Post-Rock<br />

beinhaltet, mit tighter, sich unmerklich steigernder Rhythmik,<br />

durch die die sechs Kompositionen auf höchst subtile<br />

Höhepunkte zusteuern. Fast schon erschreckend konventionell<br />

das Ganze, wären da nicht gewisse Dissonanzen,<br />

vor allem durch Chathams Trompetespiel, die „The Bern<br />

Project“ eine jazzige Schlagseite verliehen, neben noisigeren<br />

Soundeffekten, die die grundsätzliche Homogenität<br />

der vielschichtigen Platte aber nicht wirklich stören, eher<br />

gekonnt bereichern. Aus dem Rahmen fällt höchstens die<br />

finale, recht experimentelle Live-Nummer, die nicht allzu<br />

viel mit dem Sound des Restalbums zu tun hat. Auf jeden<br />

Fall jemand, bei dem sich eine weitere Beschäftigung mit<br />

seinem bisherigen Schaffen lohnt. (7) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

COOL JERKS<br />

Bunkerparty<br />

10“ | Soundflat/Broken Silence | soundflat-records.<br />

de || Wer das Beatschaffen der Soundflat-Hausband<br />

COOL JERKS miterleben durfte, konnte sich am nächsten<br />

Werktag auf den Weg<br />

zum Schuster und zur<br />

Textilreinigung begeben.<br />

Die Shows der Bremer<br />

Beatcombo extraordinaire<br />

waren <strong>von</strong> jeher<br />

berüchtigt. Gefangene<br />

wurden nicht gemacht,<br />

kompromissloser Beatspaß<br />

war stets garantiert.<br />

Eine kleine Schar handverlesener,<br />

aber völlig<br />

tanzdementer und amüsierbereiter<br />

Freunde<br />

und Fans der Band wurde auf Anraten der für jeden Gimmick<br />

zu begeisternden Soundflat-A&R-Abteilung in den<br />

Bremer Bunker gekarrt, die analoge Bandmaschinen und<br />

die Vorkriegsmikrofone wurden schlampig verdrahtet,<br />

und der Tonmeister drückte die „Aufnahme“-Taste.<br />

Das Band lief, die willigen „Freunde“ rasteten, ebenso wie<br />

die Musiker, wie auf Kommando aus. Das Resultat klingt<br />

nun genau so schön dreckig und unverfälscht wie Geogie<br />

Fames „Flamingo“-Live-LP oder die ersten beiden Geno<br />

Washington-Scheiben. Platz für Feinheiten gibt es hier<br />

nicht, und auch schöngeistiges Songmaterial wäre fehl am<br />

Platz. Das braucht ein Partydokument wie diese 10“ nicht<br />

im Geringsten. Ratlos macht mich allerdings nur, warum<br />

es nur für acht Songs gereicht hat, die Intensität des simplen<br />

Spaßes hätte durchaus für ein Doppelalbum gereicht.<br />

Bester Song ist dabei die Instrumenal-Nummer „Twisting<br />

Georges“, die Nummer hätte auch Joe Meeks TORNADOS<br />

einen kleinen Hit bescheren können. (9) Gereon Helmer<br />

CARTA<br />

An Index Of Birds<br />

CD | Silber | silbermedia.com | 66:45 || „Building<br />

bridges“ zitiert den psychedelischen Rock <strong>von</strong> THE<br />

GOD MACHINE sehr angenehm, das darauf folgende<br />

„Hourglass“ ist fluffiger Post-Rock mit Geige, mäandernd<br />

und zugleich doch kompakt. Tja und dann kommen noch<br />

weitere zehn Stücke, die die Spannung der ersten zwei<br />

Titel nicht aufrecht erhalten können. Tracks kommen<br />

und gehen, sind durchaus untereinander abwechslungsreich,<br />

aber bleiben einfach nicht hängen, zu unentschlossen<br />

wirkt dieser Shoegaze-Post-Rock-Hybrid über weite<br />

Strecken. Schade, wo es doch so vielversprechend anfing.<br />

(4) Christian Maiwald<br />

/SINGLES<br />

draufhaben, mit den einfachsten Mitteln für Abwechslung<br />

zu sorgen. 2007 ist ihre zweite Single erschienen und wird,<br />

der Einfachheit halber auch so genannt: „Segon Senzill“,<br />

auf dem edlen Pappcover die entzückende Zeichnung eines<br />

feuerspeienden Drachens mit Riesenpenis. Zu hören gibt<br />

es fünf Songs, alle bis auf „I will go by bike“ auf Spanisch,<br />

und „Rock’n’roll y carretera“ ist schon ein echter Hit.<br />

Inzwischen ausverkauft, wurde die 7“ dann nachgepresst<br />

und kam 2009 gleich zusammen mit ÜBER-Single Nummer<br />

drei: „España Y Mierda“. Auf dem Cover der Kopf <strong>von</strong><br />

Juan Carlos und ein stinkender Haufen Scheiße, dazu das<br />

dünne Papier, edel ist hier nix mehr, ein Song heißt „Crisis“,<br />

ein anderer „Todo es una mierda“. Alles scheiße, aber<br />

der Kampf geht weiter: „La calle es mia“ ... we are ÜBER!<br />

Ute Borchardt<br />

VIRUS / DOTS<br />

Split<br />

7“ | Depression House | myspace.com/depressionhouserecords<br />

|| Hahahaha, brillant! Bei VIRUS handelt<br />

es sich offensichtlich um zwei total fertige Oberkaputniks,<br />

die hier drei absolut entzückende, dadaistische Nerdcore-<br />

Stücke zum Besten geben, angesichts derer ich mich nicht<br />

so recht zu entscheiden vermag, ob ich nun aufgrund der<br />

dargebotenen Intensität mein Mobiliar zu Klump hauen<br />

oder mich eher doch nur vor lachen auf dem Boden kugeln<br />

soll, so abgedreht, wie die hier zu Werke gehen ... Jedenfalls<br />

ganz, ganz großes Tennis, das. Ein kleines Quentchen<br />

konventioneller, aber nicht minder geil, kommen dann<br />

die mittlerweile auch leider wohl schon wieder aufgelösten<br />

DOTS (ebenfalls Italiener) um die Ecke gebogen: Vier<br />

Songs, die eine perfekte Schnittmenge aus dem ultratight<br />

auf den Punkt gespielten Retrosound DEAN DIRG’scher<br />

Prägung und einer gewissen Killed by Death-Schlagseite<br />

darstellen. Die Scheibe überzeugt obendrein noch durch<br />

eine hübsch danebene Covergestaltung und ist auf gerade<br />

mal popelige 280 Stück limitiert, also bitteschön nicht<br />

zögern, sondern zugreifen, falls man die irgendwo mal<br />

unter die Nase gehalten bekommt – knallt nämlich ganz<br />

ordentlich. (8) Ben Bauböck<br />

THE VERMIN POETS<br />

s/t<br />

7“ | Smart Guy | smartguyrecords.com || Sehr<br />

schöne 4-Track-Garage-Punk-EP (500 US Copies only),<br />

bei der Billy Childish ganz vornehm mit dem Bass in den<br />

Hintergrund tritt und den Gesangspart seinem Bandkollegen<br />

Neil Palmer überlässt. Das Ganze ist mit ein wenig<br />

TELEVISION PERSONALITIES- und THE KINKS-Sound<br />

angereichert. Das dazugehörige Album „Poets Of England“<br />

folgt im März, wie immer auf Damaged Goods. Billy Childish<br />

hat zur Zeit eine viel gelobte Ausstellung seiner verschiedenen<br />

Arbeiten als Maler im renommierten Institute<br />

of Contemporay Arts (ICA) in London, die in der englischen<br />

Kunstpresse ein sehr positives Echo gefunden hat<br />

und als sehr gut besucht gilt. Zudem stellt das ICA in seinen<br />

Nebenräumen auch den Musiker und Schriftsteller Childish<br />

vor. (8) Markus Kolodziej<br />

CARNIFEX<br />

Hell Chose Me<br />

CD | Victory | victoryrecords.com | 34:39 || Die<br />

Zahl gesichtsloser Deathcore-Kapellen ist Legion, CARNI-<br />

FEX schrammen nur haarscharf an diesem vernichtenden<br />

Urteil vorbei, weil sie „DEATH“ groß schreiben und „core“<br />

klein, soll heißen auf „Hell Chose Me“ regiert technischer<br />

Death Metal amerikanischer Prägung, Langweiler-Zusammenbrüche<br />

und Stakkato-Griffbett-Onanie halten sich im<br />

überschau- und -hörbaren Rahmen, während die Roland<br />

808 exzessiv eingesetzt wird und gehörig im Untergrund<br />

rumst. CARNIFEX ragen vor allen Dingen deshalb aus der<br />

Masse heraus, weil sie einigermaßen in der Lage sind, Songs<br />

zu schreiben und nicht genretypisch mit Ach-was-sindwir-tolle-Musiker-Attitüde<br />

Parts aneinander kleistern, die<br />

ums Verrecken nicht zusammenpassen, ohne die nächste<br />

überflüssige gegatete Breakdown-Stakkato-Bridge zu<br />

bemühen. Auf „Hell Chose Me“ hingegen ist alles im Fluss,<br />

brutal und kompakt, auch wenn eine Langzeitwirkung der<br />

Songs eher fraglich ist. (6) Dr. Oliver Fröhlich<br />

CHAINS OF HATE<br />

Cold Harsh Reality<br />

MCD | Rucktion | rucktion.com | 17:22 || Erste<br />

MCD der Engländer, die sich mit ihrem moshlastigen<br />

Bollo-Hardcore auf Rucktion Records zwischen KNUCK-<br />

LEDUST, BUN DEM OUT und SIX FT. DITCH bestens ins<br />

Bandraster einfügen. Mit einer Spielzeit <strong>von</strong> gut 17 Minuten<br />

langweilen COH nicht, ich frage mich aber, ob ihnen<br />

auf Albumlänge nicht doch die Puste ausgehen könnte. Für<br />

den Moment ist „Cold Harsh Reality“ eine willkommene<br />

Zwischenmahlzeit, bleibt aber auf lange Sicht eher belangloser<br />

Bollo-Hardcore, der aus der Masse anderer Bands<br />

kaum heraussticht. (6) Tobias Ernst<br />

CRIPPLE AND CASINO<br />

s/t<br />

CD | Radio Is Down | radioisdown.com | 36:34 ||<br />

US-Labels zeichnen sich nicht unbedingt durch übermäßiges<br />

Interesse am musikalischen Geschehen im Rest der<br />

Welt aus, wie man weiß – <strong>von</strong> ein paar lobenswerten Ausnahmen<br />

mal abgesehen. Eine solche ist Radio Is Down<br />

aus Olympia, WA, ein kleines Label, dessen Betreiber Matt<br />

Lebens vor einer Weile auf CRIPPLE AND CASINO aus Zagreb<br />

stieß und sich so für die Band begeisterte, dass er den<br />

Kroaten anbot, ihr Album zu veröffentlichen. Die Band, bei<br />

der Menschen aktiv sind, die auch bei den schon in diesem<br />

Heft besprochenen LUNAR und ANALENA spiel(t)en,<br />

nahm dafür zehn Songs auf, die Matt an seine Helden der<br />

Neunziger erinnern, unter anderem SONIC YOUTH, JESUS<br />

LIZARD und JAWBOX. Und es fällt nicht schwer, diese<br />

Assoziationen nachzuvollziehen, wobei die Kim Gordon-<br />

Sache sich schnell erklären lässt, singt Petra doch ähnlich<br />

monoton und eigenwillig zum druckvollen, flirrenden,<br />

noisigen Gitarrenrock ihrer Bandkollegen Marko, Darko<br />

und Zarko, äh, Zec. So ganz angebracht sind die Superlative<br />

des Vergleichs unterm Strich dann doch nicht – wer<br />

hätte das gedacht? –, doch alles in allem ist das Debüt <strong>von</strong><br />

CRIPPLE AND CASINO, das in einer hübschen Papptasche<br />

kommt, eine wirklich gelungene Angelegenheit. (7)<br />

Joachim Hiller<br />

CAESARS ROME<br />

The Company We Keep<br />

CD | Superball | superballmusic.com | 41:27 ||<br />

Zugegeben, ideenreich oder kreativ sind CEASARS ROME<br />

nicht. Sie sind, um es ganz ehrlich zu sagen, sogar das<br />

totale Gegenteil da<strong>von</strong>, was ihr Label sie im Info anpreist.<br />

Dort wird ihr Sound als eine Melange beworben, die <strong>von</strong><br />

THRICE über JIMMY EAT WORLD zu BRAND NEW und<br />

HOT WATER MUSIC reiche – was völliger Unsinn ist. Denn<br />

„The Company We Keep“ ist schlichtweg ein gutes bis teilweise<br />

sogar sehr gutes Emorock-Album, das sich an allen<br />

Konventionen orientiert, die in diesem Genre etabliert<br />

sind. Die dichten Soundwände kennt man <strong>von</strong> COHEED<br />

AND CAMBRIA, die verspielten Melodien und die teilweise<br />

etwas komplexeren Songstrukturen liehen sich<br />

die Waliser bei ihren Kumpels FUNERAL FOR A FRIEND.<br />

Obendrein experimentieren sie mitunter mit Rockparts,<br />

die man <strong>von</strong> gediegenen FOO FIGHTERS kennt. Das ist<br />

alles gar nicht schlimm, denn summa summarum kann<br />

man „The Company We Keep“ problemlos hören und<br />

genießen, wenn man die drei letztgenannten Bands mag.<br />

Nur sollte man nicht versuchen, eine Band als etwas zu<br />

verkaufen, das sie nicht ist. (7) Lauri Wessel<br />

CALIBRO 35<br />

Ritornano Quelli Di<br />

CD | Ghost/Cargo | ghostrecords.it | 38:55 || Ennio<br />

Morricone hat es vorgemacht und mit seinen Soundtracks<br />

Hollywood-Geschichte geschrieben – mit Melodien,<br />

die die Welt pfeift.<br />

Und unzählige italienische<br />

namenlose Mini-<br />

Morricones haben B-<br />

und C-Movies vertont,<br />

schäbige Exploitation-<br />

Filmchen, die kaum<br />

jemand sehen wollte.<br />

Deswegen gerieten deren<br />

Scores leider oft in Vergessenheit,<br />

im Gegensatz<br />

zu so manchem Streifen<br />

völlig zu Unrecht.<br />

Die lobenswerte Compilation-Reihe<br />

„Beat At Cinecittà“ hatte vor einigen Jahren<br />

eine Menge solcher Soundtrack-Perlen zusammengetragen,<br />

und genau diese Sounds waren es, die als Grundlage<br />

für das Mailänder Instrumental-Ensemble CALIBRO<br />

35 dienten. Besetzt mit hochkarätigen Studio-Muckern<br />

produziert das Quartett Melodien für Filme, die es nie gab,<br />

vollzieht den Spagat zwischen Funk, Jazz, Rock, Soul und<br />

Klassik mit der toskanischen Leichtigkeit. Und obwohl<br />

– das ist für Soundtracks nun mal eigen – Melodiebögen<br />

und Harmoniegefüge oft nur flüchtig, skizzenhaft erscheinen,<br />

bauen alle Songs eine unglaubliche Spannung auf. Sie<br />

wirken, auch Merkmal eines guten Soundtracks, auf der<br />

Gefühlsebene, lassen den Zuschauer bestimmte Handlungsstränge<br />

intensiver erleben. Dies gelingt CALIBRO 35<br />

auf dem neuen (zweiten) Album meisterhaft. Die Resonanz<br />

in Italien war bislang fulminant, mittlerweile haben<br />

sie auch „echte“ Soundtracks in die Kinos gebracht, spielen<br />

Live-Sets vor der Leinwand, touren in den USA. Zu Recht,<br />

denn sie liefern einfach oscarverdächtige Qualitätsware ab.<br />

(8) Gereon Helmer<br />

THE CRAZY CRAZY<br />

WORLD OF MR. RUBIK<br />

Are You Crazy Or Crazy Crazy<br />

CD | Lokomotiv/Audioglobe | locomotivrecords.<br />

com | 39:55 || Das italienische Projekt mit dem Namen,<br />

der so lang ist, dass ich ihn hier jetzt nicht ausschreibe, hat<br />

zum Ziel, sich gegen den aktuellen Mainstream zu stellen<br />

und etwas gegen den geistigen Stillstand zu tun, unter dem<br />

italienische Intellektuelle im Moment leiden. Ganz schön<br />

hohe Ziele, auch weil hinzukommt, dass CCWOMR sarkastisch<br />

sein und eine Zusammenfassung verschiedenster<br />

Musikstile in ihre Musik integrieren möchte. Viele Musikkritiker<br />

hat dieses Unterfangen schon überzeugen können,<br />

wurde CCWOMRs zweite Veröffentlichung <strong>von</strong> der<br />

Zeit 2007 als eine der besten des europäischen Undergrounds<br />

gewürdigt. Doch trotz allem: Überzeugen können<br />

mich CCWOMR nicht. Verschiedene Tracks stehen<br />

zusammenhanglos nebeneinander, so dass man den Eindruck<br />

bekommt, es handle sich um verschiedene Bands.<br />

Abwechslung schön und gut, doch leider klingt die Platte<br />

konzeptlos, ohne Spannungsbogen, als ob die Einscheidung,<br />

was man eigentlich spielen möchte, noch ausstehe.


Und wieso „crazy“? Überwiegend psychedelische Klänge,<br />

die <strong>von</strong> Rock’n’Roll-Einlagen wie „my mama told me“<br />

unterbrochen werden, wirken eher belanglos als verrückt.<br />

Anstatt „crazy“ sind CCWOMR schlicht überschätzt. (7)<br />

Katrin Schneider<br />

CERVELLI STANKI<br />

15 Years ... Old Tunes, New Blood<br />

CD | Violax | myspace.com/cervellistanki || Lassen<br />

wir mal das übliche „Best Of“- und Jubiläumsgeschwafel<br />

weg: Die 15 Jahre Bandgeschichte <strong>von</strong> CERVELLI STANKI<br />

habe ich an einem Stück durchgehört. Hat mir nicht<br />

gereicht, seit langem mal wieder eine CD, bei der ich sofort<br />

die Repeat-Taste am Player betätige und die zweite Runde<br />

einläute. Zwölf neu eingespielte Songs, drei neue Songs<br />

mit der aktuellen Besetzung aus zwei Ex-KLASSE-KRIMI-<br />

NALE-Mitgliedern und dazu noch die geile Coverversion<br />

„Frana“ gibt’s <strong>von</strong> den italienischen Skinheads auf „Old<br />

Tunes, New Blood“ zu hören. (In diesem Fall) Glücklicherweise<br />

kenne ich die ursprünglichen Aufnahmen nicht,<br />

so dass ich mir kein Urteil erlauben kann, ob dem Original<br />

bei der Neueinspielung irgendwas abhanden gekommen<br />

ist! Treibender Oi!/77er-Punk, eingängige Singalongs,<br />

sogar richtig schnell gespielt, teils mit Hardcore-Elementen<br />

versetzt. Bella Italia, verdammt gute Scheibe! (8)<br />

Christian Fischer<br />

JOHNNY CASH<br />

American VI: Ain’t No Grave<br />

CD | American Recordings || Der letzte Bruce Lee-<br />

Film, definitiv! Mit viel Tamtam nachgeschobene sechste<br />

American-Veröffentlichung, nachdem es bei der „V“ schon<br />

hieß, dass es die ultimativ<br />

letzte CD gewesen sein<br />

soll – und nach der dann<br />

die „Unearthed-Box“<br />

kam. Mal sehen, was Rick<br />

Rubin demnächst noch<br />

im Keller findet, vielleicht<br />

sollte er dazu mal<br />

die Bootlegger fragen, die<br />

die „American Outtakes“<br />

auf den Markt geworfen<br />

haben. Musikalisch<br />

nach wie vor über jeden<br />

Zweifel erhaben, aber der<br />

Großteil der besseren Stücke war auf „V“. Dazu fühlt es sich<br />

nicht mehr ganz so ergreifend an, wenn Johnny wie beim<br />

Vorgänger die Stimme aus Schwäche versagt. Trotzdem<br />

kann man sich mit einem einigermaßen funktionierenden<br />

Gehör und Geschmack nicht der Wirkung <strong>von</strong> „Ain’t<br />

no grave“ und ganz besonders „Satisfied mind“ entziehen,<br />

die jemand eingespielt hat, in der Gewissheit, dass jeder<br />

Tag sein letzter sein könnte. Zehn Stücke, die ein sympathisches<br />

Label vier Jahre früher zusammen mit „A Hundred<br />

Highways“ als Doppel-LP beziehungsweise Doppel-CD<br />

veröffentlicht hätte, aber wir sind ja hier leider nicht im<br />

Märchenland. (9) Kalle Stille<br />

CALEYA<br />

These Waves Will Carry Us Home<br />

LP | Sick Man Getting Sick | myspace.com/sickmangettingsick<br />

|| CALEYA kommen aus Hamburg und spielen<br />

Post-Metal. Hinter den Songs ihres Debütalbums steckt<br />

ein musikalisches Kraftpaket, welches sich hinter Bands<br />

wie TEPHRA nicht zu verstecken braucht. Ruhige Intros<br />

münden in wuchtig wogende Rifflandschaften, über welchen<br />

sich markerschütternde Schreie mit cleanen Vokalpassagen<br />

abwechseln. Leider sind Letztere nicht immer<br />

wirklich gelungen, was den positiven Gesamteindruck<br />

jedoch nicht ernsthaft schmälert. Erfreulich ist vor allem,<br />

dass CALEYA auch die Geschwindigkeit nicht scheuen und<br />

ihre gewaltigen Songkolosse häufig durch einen Schuss<br />

Post-Hardcore auflockern. Das ist der Halbwertzeit der<br />

Platte sehr dienlich, denn somit ist sicher, dass diese noch<br />

öfter den Weg in meine Anlage finden wird. (7) Jens Kirsch<br />

CRAZY ARM<br />

Born To Run<br />

CD | Gunner/Broken Silence | gunnerrecords.com<br />

|| Die Aufnahmen zum Debüt der Band aus Plymouth<br />

zogen sich etwas in die Länge. Nach drei Jahren und drei<br />

Studioterminen war es dann schließlich soweit. Hinterher<br />

weiß man ja bekanntlich immer alles besser, aber Zeit und<br />

Eifer scheinen sich gelohnt zu haben, denn „Born To Run“<br />

ist ohne Zweifel als gelungen zu bezeichnen, denn die Briten<br />

tragen ihre Mischung aus klassischem Punk und versierter<br />

politischer Einstellung, die hier und da an STRIKE<br />

ANYWHERE-meets-THE CLASH erinnert, äußerst zielgerichtet<br />

vor. Die Songs sind zudem allesamt technisch<br />

anspruchsvoll, mir mitunter vielleicht etwas zu verspielt,<br />

was ihrer Eingängigkeit aber nichts nimmt. Im April sind<br />

CRAZY ARM im Vorprogramm <strong>von</strong> Frank Turner zu sehen<br />

und man darf gespannt sein, wie sich die jungen Briten<br />

dann live schlagen werden. Bodo Unbroken<br />

CITAY<br />

Dream Get Together<br />

CD | Dead Oceans/Cargo | deadoceans.com | 42:34<br />

|| „Little Kingdom“, das letzte Album dieser achtköpfigen<br />

Formation aus San Francisco, war noch überwiegend<br />

instrumental, hatte sich aber bereits auf originelle Art<br />

und Weise Progrock und andere Spielarten <strong>von</strong> Siebziger-<br />

Musik angeeignet. Auf ihrem bisher dritten Album schwelgen<br />

Ezra Feinberg und Tim Green (der erneut Produzent<br />

war) auch diesmal wieder in ausschweifenden progrockigen<br />

Gitarren-Soli und zitieren dabei Robert Fripp oder die<br />

glamrockigeren Momente <strong>von</strong> Brian Enos frühen Soloplatten.<br />

Gleichzeitig scheint auch der Anteil angenehm süßlicher<br />

Melodien zugenommen zu haben, unterstützt durch<br />

den sehr schönen Harmoniegesang der beiden hier beteiligten<br />

Sängerinnen. Das gibt dem Ganzen zwar bisweilen<br />

eine hippieeske 60s-Folk-Räucherstäbchen-Atmosphäre,<br />

was aber nicht heißt, dass CITAY sich nicht auch in diesen<br />

Momenten als Meister eines ungemein atmosphärischen<br />

psychedelischen Geflechts aus virtuos inszeniertem<br />

Improvisationsrock in epischer Breite und faszinierend<br />

konventionellem Pop präsentieren würden, teilweise auch<br />

in friedlicher Koexistenz. Interessant auch, wie sehr Greens<br />

Gitarrenspiel dabei sogar noch an die FUCKING CHAMPS<br />

erinnert, ohne dass man beide Bands irgendwie miteinander<br />

vergleichen könnte. Dabei gelingt CITAY beim Titeltrack<br />

auch noch ganz nebenher ein fantastischer kleiner<br />

Hit. Und wer so verdammt gut und eigenständig ist, der<br />

darf sich auch an den großartigen GALAXIE 500 versuchen,<br />

denen sie mit ihrer Version <strong>von</strong> „Tugboat“, inklusive überraschend<br />

brutalen Gitarrenfeedbacks gegen Ende, sicherlich<br />

keine Gewalt antun, ganz im Gegenteil. (9)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

CHASING FOR GLORY<br />

Rookie<br />

CD | FinestNoise/Radar | finestnoise.de | 35:17 ||<br />

Die vier bayrischen Punkrocker präsentieren auf ihrem<br />

zweiten Album feinen Polit-Punk mit dem Soundmix aus<br />

RISE AGAINST und BAD RELIGION. Die vielen Rhythmuswechsel<br />

und Breaks sollen Weckrufe sein, damit die Leute<br />

endlich das Elend sehen. Diese musikalische Unterstützung<br />

der Lyrics ist echt auf hohem Niveau. Besonders die<br />

Texte haben es mir angetan: Ob korrupte Konzerne, nati-<br />

onalistische Vereinigungen oder einfach nur der bequeme<br />

Mann <strong>von</strong> nebenan – jeder bekommt hier sein Fett weg<br />

und motiviert zum mitmachen. Der Albumtitel geht auf<br />

den titelgebenden Song zurück, bei dem man sich mit<br />

dem Thema Kindersoldaten auseinandersetzt. „Child soldiers<br />

are rookies of war“ – mehr braucht man nicht mehr<br />

dazu zusagen. Zudem gibt’s im Booklet noch einige Aussagen,<br />

die einen zum Nachdenken bewegen. Hier gibt’s feinsten<br />

Punkrock mit intelligenten Lyrics. (8) Peter Nitsche<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

DDD<br />

JOHNNY DOWD<br />

Wake Up The Snakes<br />

CD | Munich | munichrecords.com | 62:31 || Mit<br />

Johnny Dowd ist das immer so eine Sache: Durchweg<br />

machen Dowd und seine Band einen guten Job, allein, es<br />

fehlt an Hits. Ich spreche nicht <strong>von</strong> lästigen Ohrwürmern,<br />

sondern Songs dergestalt, welche man hört, die einem<br />

gefallen und viele Stunden später erst, oder am Tag darauf,<br />

sind sie plötzlich wieder da, summen ihre angenehme<br />

Melodie aus der Erinnerung direkt in den Kopf. So werden<br />

jeweils aktuelle Lieblingsstücke geboren, aus der Erinnerung,<br />

und der Erwartung schnell nach Hause zu kommen<br />

und sich eben diesen Song unbedingt nochmals anzuhören.<br />

Johnny Dowd gefällt mir immer exakt so lange, wie<br />

die Platte sich dreht, danach räumt er das Feld, ohne bleibende<br />

Eindrücke zurückgelassen zu haben, außer dem, dass<br />

ich ihn gerne wieder auflege, um mich an seiner verschrobenen<br />

Stilrichtung zu erfreuen. So bin ich immer wieder<br />

angetan, ein neues Werk vorgelegt zu bekommen, habe aber<br />

nie in großer Fiebrigkeit mit den Füßen gescharrt, weil<br />

ich ihn in der Zwischenzeit einfach nicht auf dem Schirm<br />

hatte. (7) Claus Wittwer<br />

DELANEY DAVIDSON<br />

Self Decapitation<br />

CD | Voodoo Rhythm/Cargo | voodoorhythm.com |<br />

37:36 || Obgleich Delaney Davidson mit „Self Decapitation“<br />

sein Solo-Debüt vorlegt, so sollte der 1972 auf der<br />

neuseeländischen Nordinsel<br />

geborene Songwriter<br />

für treue Connaisseure<br />

des Voodoo<br />

Rhythm-Kosmos kein<br />

Unbekannter mehr sein,<br />

war er doch während<br />

der beiden Alben „Flammend’<br />

Herz“ und „Wunderkammer“<br />

Mitglied<br />

des bizarren, schweizerischenBegräbnisorchesters<br />

DEAD BROT-<br />

HERS. Und dass diese<br />

Zeit durchaus gewisse Spuren im Schaffen des Mannes<br />

hinterlassen hat, wird bereits bei dem gewaltigen Opener<br />

„Around the world“ deutlich: Ein Gänsehaut erzeugender<br />

Todeswalzer, der nahezu an die bedrohlichen Qualitäten<br />

der „Murder Ballads“ eines anderen großen Künstlers<br />

<strong>von</strong> Down Under heranreicht. Ausgehend <strong>von</strong> diesem<br />

ohnehin schon hervorragenden Beginn, entfaltet<br />

sich während der folgenden zehn Stücke ein ungemein<br />

packendes Meisterwerk, welches sich stilistisch <strong>von</strong> der<br />

genickbrecherischen Version eines uralten, grob psychedelisch<br />

angehauchten Rhythm & Blues-Traditionals („In<br />

the pines“), über herzerweichende, wunderschöne Folkballaden<br />

(„Little heart“), derwischartige, halbakustische<br />

Gitarrenrocker („Lackie’s men“), ein superfinsteres Cover<br />

<strong>von</strong> Reverend Beat-Mans „Back in hell“, bis hin zu Balkaneinflüssen<br />

(das mit Hilfe des deutsch-rumänischen „Speed<br />

brass“-Ensembles FANFARA KALASHNIKOV aufgenommene<br />

„I slept late“) erstreckt. Und auch wenn Multi-Instrumentalist<br />

Davidson wohl die gesamte Platte genauso gut<br />

alleine hätte einspielen können, so hat er es sich dennoch<br />

nicht nehmen lassen bei einigen Songs mit solch hochkarätigen<br />

Musikerkollegen wie dem Beat-Man höchstselbst,<br />

Eric McFadden, Dan Elektro <strong>von</strong> den WOGGLES oder auch<br />

dem bayerischen One-Man-Band-Berserker Garage Kid zu<br />

kollaborieren. Resultat: Ein hervorragendes Album mit viel<br />

Tiefgang, Seele und Herzblut, bei dem mir abschließend<br />

eigentlich nur noch mein persönlicher Favorit hervorzuheben<br />

bleibt, nämlich das schmissige Cover <strong>von</strong> Jerry Roll<br />

Mortons mächtig versautem Rock’n’Roll-Klassiker „Dirty<br />

dozen“ – was zur Hölle war denn eigentlich bitte nochmal<br />

Gangsta Rap?! (9) Ben Bauböck<br />

THE DANGEROUS SUMMER<br />

Reach For The Sun<br />

CD | Hopeless | hopelessrecords.com || THE DAN-<br />

GEROUS SUMMER erinnern mich an eine Vielzahl <strong>von</strong> in<br />

letzter Zeit ins Licht der Öffentlichkeit getretenen Bands,<br />

die einen eher zurückgenommenen Post-Emo-Sound<br />

spielen, irgendwo zwischen späteren THE GET UP KIDS<br />

und den aktuellen Releases <strong>von</strong> THE SCENIC oder THE<br />

MORNING LIGHT. Warum auch nicht? Die Songs sind gut<br />

geschrieben, hymnisch und eindringlich, und vor allem<br />

der Sänger klingt so sehr nach Kenny <strong>von</strong> THE STARTING<br />

LINE, dass man teilweise das Gefühl hat, PERSON L wären<br />

nie passiert. Nur fehlt mir ein bisschen der letzte Kick,<br />

der darauf verweist, dass Emo eigentlich <strong>von</strong> Emo-Core<br />

kommt. Trotzdem: Sehr schön. (8) David Schumann<br />

DADFAG<br />

Scenic Abuse<br />

CD | Broken Rekids | brokenrekids.com | 27:56 ||<br />

Seit langem mal wieder ein Release auf Broken Rekids.<br />

DADFAG heißt die Band, und ich habe keine Ahnung, was<br />

der Name bedeutet, ob man ihn in die Worte „dad“ und<br />

„fag“ zerlegen darf. Mike Millett <strong>von</strong> Broken Rekids war<br />

jedenfalls so begeistert <strong>von</strong> den Konzerten der seit einer<br />

Weile in San Francisco ansässigen Band, die mit Eva Hannan<br />

und Danielle Benson (Gitarre und Bass, beide Gesang)<br />

und Alan Miknis (Drums) einen klaren Frauenüberschuss<br />

aufweist, dass er ihr Debütalbum machen musste. Ihre<br />

Liveauftritte, so schreibt Mike, seien geprägt vom Bemühen,<br />

dem Publikum Unwohlsein zu bereiten, auch unter<br />

Einsatz <strong>von</strong> Backutensilien und Dildos. Dabei, so muss ich<br />

allerdings anfügen, reicht es bei manchen Menschen auch<br />

sicher schon aus, wenn hier der spitze, schrille Gesang einsetzt<br />

– ich kann verstehen, dass so was Unwohlsein auslöst,<br />

wenn man nicht eine gewisse Schwäche für atonale,<br />

no-wavige, an Riot-Grrl-Rock erinnernde Female-Vocals-<br />

Ensembles hat. Mike verweist hierzu auf SONIC YOUTH<br />

und Lydia Lunch, was auf der Hand liegt, denn die zwölf<br />

Stücke klingen eher so, als kämen sie aus den frühen Achtzigern<br />

und seien nicht erst 2009 aufgenommen worden.<br />

Sperrig und anstrengend, aber eben nicht ohne Reiz, so<br />

lässt sich „Scenic Abuse“ beschreiben. (7) Joachim Hiller<br />

BABY DEE<br />

A Book Of Songs For Anne Marie<br />

CD | Tin Angel | tinangelrecords.co.uk | 45:15 || An<br />

sich handelt es sich bei „A Book Of Songs For Anne Marie“<br />

um die Neuauflage eines 2004 auf David Tibets Label Durtro<br />

Jnana erschienenen Albums des New Yorker Paradiesvogels<br />

Baby Dee, allerdings damals nur in einer lange vergriffenen<br />

150er-Auflage als nackte CD ohne Cover oder<br />

Sonstiges veröffentlicht. Und aus den ursprünglich sie-<br />

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TURBOSTAAT - island manöver LP/CD (Warner) tba<br />

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V/A - 20 years of dischord 3CD-BOX-SET (Dischord) 18,5<br />

V/A - minimal wave tapes vol. 1 2LP/CD 19,9/18,5<br />

VERMIFORM POETS - poets of england LP/CD (Damaged Goods) 11,5/12,9<br />

VERMILLION SANDS - s/t (Alien Snatch) 13,5/12,5<br />

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OX-FANZINE 89


OX-FANZINE 90<br />

ben Tracks sind jetzt zwölf geworden, die auch in musikalischer<br />

Hinsicht runderneuert wurden. Stilistisch ist<br />

Baby Dee wohl am besten in der Schnittmenge <strong>von</strong> ANT-<br />

ONY AND THE JOHNSONS und Joanna Newsom anzusiedeln,<br />

eine herrlich emotionale Sammlung <strong>von</strong> Kammerpop-Miniaturen,<br />

getragen <strong>von</strong> Dees Harfe-Spiel oder zarten<br />

Piano- und Akkordeon-Klängen, neben anderen eher<br />

aus der Klassik bekannten Instrumenten, und natürlich<br />

seiner/ihrer (pardon, aber diese Transgender-Geschichten<br />

sind mir immer zu verwirrend ...) exzentrischen Gesangseinlagen.<br />

Alles haarscharf an der Grenze zum Kitsch, aber<br />

dabei so tiefempfunden und unter die Haut gehend, dass<br />

man sich Dees skurrilem wie minimalistischem Crooner-Pathos<br />

nur zu gerne hingibt, was ich mal als Mischung<br />

aus John Cale und Harry Belafonte beschrieben hatte. Fast<br />

schon zu schön für diese Welt, diese Musik. (8)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

DARWIN DEEZ<br />

s/t<br />

CD | Rough Trade | roughtrade.de | 32:49 || Darwin<br />

Deez ist so was wie der Erland Øye der USA. Womit man<br />

ihm wohl Unrecht tut. Deez ist wahrscheinlich einfach<br />

ein junger Nerd, der irgendwie durch das gesellschaftliche<br />

Raster gefallen ist und anstatt eine Karriere als Waffennarr<br />

oder christlicher Fundamentalist einzuschlagen, eines<br />

Tages beschloss, mit seinen vier verbliebenen Gitarrenseiten,<br />

der Drum-Machine, Handclaps (!) und dem nicht <strong>von</strong><br />

der Hand zu weisenden Stimmtalent Musik machen. Alles<br />

zusammen ist ein Electropop-Mix, der sich in jedem Song<br />

vom Soul, Rhythm & Blues, Hymnen- oder aber Garagenpop<br />

Elemente leiht und diese geschickt ineinander verdreht.<br />

Nicht zu verachten sind außerdem die durchaus<br />

charmanten Liebeserklärungen an Frauen und die Musik:<br />

„You are a radar detector“, very sweet. Eine angenehme<br />

Heimbeschallung – und viel besser als Radio! (7)<br />

Christoph Schulz<br />

DE STAAT<br />

Wait For Evolution<br />

CD | Cool Green | coolgreenrecordings.com | 52:15<br />

|| Laut, witzig und direkt: DE STAAT aus den Niederlanden<br />

spielen mit diversen Einflüssen, <strong>von</strong> Tom Waits und<br />

Nick Cave über DIE EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN bis<br />

hin zu CLAW BOYS CLAW. Das Ein-Mann-Projekt <strong>von</strong><br />

Torre Florim entwickelte sich zu einer richtigen fünfköpfigen<br />

Band. Ursprünglich wollte Torre Florim nur eine Single<br />

aufnehmen, als aber seine Freunde die Stücke hörten,<br />

waren sie so begeistert, dass sie ihn überredeten, eine Band<br />

zu gründen. Die 13 Titel auf „Wait For Evolution“ umspannen<br />

eine sehr große stilistische Bandbreite, das finde ich<br />

sehr interessant, ob Ass-kickin’ Rock’n’Roll, Noise oder<br />

Industrial, es klingt alles gut und passt ins Bild. Auch Exoten<br />

wie zum Beispiel „Love it“, bei diesem Stück wurde nur<br />

mit Stimmen gearbeitet, aber es gibt keine Texte, sozusagen<br />

eine Art Free-Experimental Doo-Wop. (8) Kay Werner<br />

DONKEY WORK<br />

Kick Up A Recket<br />

CD | Diffidati | stella-rossa.net || Eine neue Skinhead-Band<br />

aus Potsdam, die entgegen dem beschissenen<br />

Proll-Trend nicht auf den „Deutschrock/Onkelz-Klon,<br />

die x-te“ aufspringt und stattdessen mit teils midtempo,<br />

teils aggressiverem Oi!, Skinhead-Reggae und einigen<br />

Ska-Parts den traditionellen Weg geht. Die Texte (deutsch<br />

und englisch) zeigen den dicken Mittelfinger in Richtung<br />

Anti-p.c.-Helden, die immer noch nicht kapiert<br />

haben, dass es nichts Rebellisches oder Cooles an rechter<br />

Scheiße gibt. Heute Northern Soul-Niter, morgen<br />

SKREWDRIVER und „When the boat comes in“, alles unter<br />

dem Deckmäntelchen des „Ich lass mir nichts vorschreiben!“<br />

– einfach zum Kotzen! Höhepunkt der Scheibe ist<br />

das sehr smoothige „Skinhead life“. Da scheint die Sonne<br />

nicht aus dem braunem Arsch, sondern dort wo sie hingehört,<br />

direkt über Jamaica und den Roots der Bewegung.<br />

Leider verspielen die Jungs ihr Potenzial mit der Zeit wieder,<br />

denn neben dem Mittelfinger gibt’s auch den belehrend<br />

erhobenen Zeigefinger. Ein Lied gegen die Unterdrückung<br />

der Frauen; Soldaten und Krieg ist scheiße; Bone-<br />

BATTLEFIELD: BAD COMPANY 2<br />

Game | Electronic Arts | electronic-arts.de | PC,<br />

PlayStation 3, Xbox 360 || „Battlefield: Bad Company“<br />

(dt. Version) versetzte Spieler 2008 in die Rolle eines aus<br />

geldgeilen Außenseitern bestehenden Armee-Teams und<br />

würzte es mit einer nahezu vollständig kaputtbaren Kulisse<br />

sowie schwarzem Humor. Zwei Jahre danach ist Letzterer<br />

leider beinahe völlig abhanden gekommen, da der<br />

Trupp inzwischen mit ernsteren Aufgaben beschäftigt ist:<br />

Um russische Schergen <strong>von</strong> dem Anzetteln des Dritten<br />

Weltkriegs abzuhalten, müssen Einzelspieler den Trupp<br />

13 lineare Aufträge lang durch Dörfer, Dschungel-, Bergoder<br />

Wüstengebiete führen. Bei dem Versuch, den Mix aus<br />

Kugelhagel, Fahrmissionen und Taktik zu überleben, greifen<br />

die bösen Buben auf 46 Waffen und 15 Land/Luft/<br />

Wasserfahrzeuge zurück. Dank erhöhtem Zerstörungsgrad<br />

der Kulissen lassen sich Feinde besser in Fallen drängen.<br />

Dieses Element, vier Charakterklassen, 15 Zusatzgeräte,<br />

13 Spezialisierungen und mehr als 15.000 Waffen-Kit-<br />

Anpassungsmöglichkeiten lockern auch den Mehrspielerwettstreit<br />

auf. Neben üblicher Kost auf acht großen, für bis<br />

zu 24 Teilnehmer zugänglichen Karten bittet der Destruction-2.0-Modus<br />

zur Landschaftszerstörung, während die<br />

Squad-Variante die Bildung <strong>von</strong> Vierergruppen ermöglicht.<br />

Mit diesen und anderen Erweiterungen avanciert der<br />

Zweitling zu einer ernstzunehmenden Mehrspielerkonkurrenz<br />

für die Ego-Shooter-Elite. Dominik Winter<br />

DANTE’S INFERNO<br />

Game | Electronic Arts | electronic-arts.de | PlayStation<br />

3, PSP, Xbox 360 || Basierend auf einer Abwandlung<br />

des ersten Teils des Literaturklassikers „Die göttliche<br />

Komödie“, verkörpern<br />

Spieler in dem Action-<br />

Adventure „Dante’s<br />

Inferno“ (dt. Version)<br />

Dante Alighieri. Um die<br />

entführte Seele seiner<br />

ermordeten Geliebten zu<br />

retten, folgt der Schriftsteller<br />

dem Gehörnten<br />

in die Hölle. Ausgestattet<br />

mit einem unkomplizierten<br />

Kampfsystem,<br />

unzähligen Angriffskombinationen<br />

und Zaubersprüchen,<br />

schnetzelt<br />

Dante sich durch Untotenaufläufe,<br />

löst eine Hand voll Rätsel, Quicktime-Events,<br />

Kletter- und Reiteinlagen. Als Hilfsmittel bei der Portionierung<br />

satanischer Handlanger und genialer Bossgegner<br />

dienen eine überdimensionierte Sense und ein heiliges<br />

Kreuz, das Seelen und Zauber besiegter Feinde bündelt.<br />

Bei der Reise durch neun variantenreiche Unterweltkreise<br />

heads sind Abschaum; Kapitalismus gehört bekämpft; ein<br />

Anarcho-Song über die bessere Welt ... Das ist ja alles für<br />

sich genommen völlig richtig und erstrebenswert, in der<br />

Kompaktheit eines ganzen Albums aber einfach zu viel des<br />

Gut(mensch)en(tums). Die Grenze ist da halt fließend. Der<br />

Coversong <strong>von</strong> MISANDAO ging allerdings komplett in die<br />

Hose. Somit bleibt ein unter dem Strich gelungenes Debüt,<br />

dass thematisch etwas verkrampft durch „p.c.-Overflow“<br />

rüberkommt. Gibt’s bei euch in Potsdam nicht auch ein<br />

schlichtes „Having a laugh & having a say“ ...? (6)<br />

Christian Fischer<br />

THE DOITS<br />

Northern Accents<br />

CD | Sunnyvale/Versity | versitymusic.com | 40:25<br />

|| Wie die Zeit vergeht: Zwischen ihrem ersten Album<br />

„This Is Rocket Science“ <strong>von</strong> Anfang 2005 und dem Nachfolger<br />

„Lost, Lonely &<br />

Vicious“ vom Sommer<br />

2006 ließen die Schweden<br />

nur wenig mehr als<br />

eine Jahr verstreichen,<br />

doch bis zu „Northern<br />

Accents“ – und ich habe<br />

es überprüft, in der Zwischenzeit<br />

war nichts –<br />

gingen über drei Jahre<br />

ins Land. Drei Jahre,<br />

in denen die Band aus<br />

Stockholm, die einst mit<br />

New York-Style-Protopunk<br />

anfing, aber schon mit dem zweiten Album schwere<br />

Powerpop-Tendenzen zeigte, noch stärker an ihren Kompositionen<br />

feilen konnte, mit dem Ergebnis, dass „Northern<br />

Accents“ ein wirklich perfektes Gitarrenrock-meets-<br />

Powerpop-Album geworden ist. So wie HÜSKER DÜ einst<br />

eine Schwäche für die BYRDS an den Tag legten, so haben<br />

sich die DOITS auch eine solche Infektion zugezogen und<br />

im gleichen Zuge alles abgelegt, was noch an die frühe<br />

HELLACOPTERS-Connection erinnern könnte. An anderer<br />

Stelle, bei „Down that line“ etwa, fühle ich mich an Joe<br />

Jackson erinnert, auch Tom Petty scheint zu den bevorzugten<br />

Songwritern des schwedischen Vierers zu gehören,<br />

und dass Christoffer Lundquist als Produzent eher im Pop<br />

als im Rock zu Hause ist, hat dem Album mehr genutzt als<br />

geschadet. Ein zeitloses Werk, oft aber auch knapp an der<br />

Grenze zu einer gewissen Beliebigkeit, die dann aber doch<br />

nicht überschritten wird. (8) Joachim Hiller<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

DISCO//OSLO<br />

s/t<br />

MCD | Antikörper-Export | antikoerper-export.<br />

de | 10:00 || Die Überraschung des Monats in meinem<br />

Briefkasten. Musiker bekannter Oldenburger Bands finden<br />

sich zu einem neuen Projekt zusammen und hauen<br />

uns – einfach mal so – fünf prächtige Punk-Songs in deutscher<br />

Sprache um die Ohren. Irgendwo zwischen TUR-<br />

BOSTAAT und Rachut & Co. angesiedelt, sind die Songs<br />

auf dieser Debüt-Single <strong>von</strong> einer unbekümmerten Spielfreude<br />

durchzogen, dass es eine wahre Freude ist, die CD<br />

gleich noch ein drittes Mal laufen zu lassen. Weiter so, da<br />

darf gerne noch mehr kommen. Und dann stehen die fünf<br />

Songs dieser CD auch noch zum kostenlosen Download auf<br />

der MySpace-Seite der Band zur Verfügung. Na, das ist doch<br />

mal was. (8) Christoph Lampert<br />

DEAD WESTERN<br />

Suckle At The Supple Teats Of Time<br />

CD | Discorporate | discorporate-records.com |<br />

47:07 || Hinter DEAD WESTERN steckt ein gewisser Troy<br />

Mighty aus Sacramento, den man wohl am besten in die<br />

Schublade Neo-Folk steckt, CURRENT 93 in weniger mystischer<br />

Form, gepaart mit leichten Einflüssen <strong>von</strong> Klassik,<br />

vorgetragen in seltsamer exzentrischer Stimmlage, nicht<br />

weit entfernt <strong>von</strong> Scott Walker, Baby Dee oder ANTONY<br />

AND THE JOHNSONS. Dabei klingt Mighty oft wie eine<br />

Parodie auf Tom Waits, aber das darf man natürlich nicht so<br />

bewerten, denn der Mann meint es sehr, sehr ernst mit sei-<br />

begegnet Dante immer wieder zahlreichen Protagonisten<br />

seiner „göttlichen Komödie“ – angefangen bei Minos<br />

über Achilles bis zu Kleopatra. Da Alighieris Schriftvorlage<br />

eine Reise durch drei Jenseitsreiche schildert, darf man <strong>von</strong><br />

Fortsetzungen ausgehen – idealerweise unter Beibehaltung<br />

der präsentatorischen Qualität, aber mit mehr eigenen,<br />

nicht ganz so offensichtlich an Genre-Führer „God Of<br />

War“ angelehnten Merkmalen. Dominik Winter<br />

GUITAR HERO VAN HALEN<br />

Game | Activison | activision.de | Wii || „Sammy<br />

Hagar? Nie gehört, wer soll das sein?“, könnte die Gegenfrage<br />

Eddie van Halens auf die Frage lauten, warum denn<br />

hier keinerlei Songs berücksichtigt wurden, die VAN<br />

HALEN mit Hagar als Sänger aufnahmen. Denn merke:<br />

unter Profilneurose leidende Rockstars beschäftigen ein<br />

eigenes „Ministerium für Wahrheit“ und das sorgt dafür,<br />

dass die Vergangenheit der Gegenwart angepasst wird, und<br />

für Eddie ist momentan nunmal David Lee Roth der einzig<br />

wahre VAN HALEN-Sänger; was geht ihn sein Gequatsche<br />

<strong>von</strong> gestern an, als dieser noch persona non grata<br />

war. Nicht der einzige Grund, warum der dritte, eine einzelne<br />

Band in den Mittelpunkt stellende Teil der „Guitar<br />

Hero“-Serie ein Rohrkrepierer ist. Drauf geschissen,<br />

dass es sich hier technisch bloß um „Guitar Hero Metallica“<br />

handelt, nur mit anderen Songs und einer anderen<br />

Band, das ist mir egal, den Zusammenhang der „Bonus-<br />

Bands“ mit VAN HALEN soll mir aber mal jemand erklären.<br />

Oder bin ich bloß zu doof, um zu erkennen, was Billy<br />

Idol, THE CLASH, KILLSWITCH ENGAGE, WEEZER oder<br />

JIMMY EAT WORLD mit dem kalifornischen Wichtigtuer<br />

gemein haben? Und wo wir gerade bei unbeantwortbaren<br />

Fragen sind: Wer hat Eddie van Halen eigentlich den Status<br />

des Über-Gitarristen verliehen? Außer beschissen penetrante<br />

Popsongs zu schreiben, bei denen er dann minutenlang<br />

am Griffbrett wichsen muss, hat der Mann doch nichts<br />

geleistet. Gefühl? Songdienliches Spielen? Am Arsch! Dass<br />

seine Fingerakrobatik das hier zum vielleicht anspruchsvollsten<br />

„Guitar Hero“-Teil macht, will ich nicht bezweifeln,<br />

gleichzeitig ist es der furchtbarste. Übrigens werde ich<br />

den nächsten, der mir gegenüber behauptet, „Jump“ wäre<br />

doch ein tolles Lied, auch mal springen lassen: aus größtmöglicher<br />

Höhe, in Sammy Hagar-Verkleidung und mit<br />

Eddie van Halen als Auffangendem. André Bohnensack<br />

GOD OF WAR III<br />

Game | Sony | playstation.de | PlayStation 3 || Eine<br />

riesige Nachahmerzahl sägte in den vergangenen Jahren<br />

an Kratos’ Hack’n’Slay-Thron. In „God Of War III“ (dt.<br />

Version) wetzt der kalkweiße Spartaner endlich wieder<br />

selbst seine (anfangs abhanden gekommenen) Chaosklingen,<br />

um sich dem Olymp und Göttervater Zeus höchstpersönlich<br />

entgegenzustellen. Der Aufbau des bombastischen,<br />

<strong>von</strong> intelligenter Kameraführung eingefangenen<br />

ner Kunst und so durchzieht seine fragile wie leise Musik<br />

eine einschüchternde sakrale Erhabenheit, vor allem wenn<br />

das akustisches Gitarrenspiel mit Violine, Orgel oder Percussion<br />

erweitert wird. Eine gewisse Monotonie lässt sich<br />

bei „Suckle At The Supple Teats Of Time“ zwar nicht <strong>von</strong><br />

der Hand weisen, aber das liegt vor allem an der Introvertiertheit<br />

und Subtilität der Kompositionen, deren Feinheiten<br />

sich erst ganz langsam offenbaren. Letztendlich eine<br />

dieser Platten, die man sich erst mal erarbeiten muss, die<br />

dann aber eine erstaunlich lang anhaltende Faszination<br />

und Wirkung besitzt, wenn man sich denn auf ihre tieftraurige<br />

Atmosphäre einlassen will. Besuche einer Kirche<br />

oder eines Friedhofs dürften kaum lustiger sein. (7)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

DEAR HEARTS<br />

Tail Lights & Bygones<br />

MCD | myspace.com/dearheartsmusic | 17:14 || Die<br />

belgischen DEAR HEARTS fanden sich erst im September<br />

letzten Jahres zusammen und legen jetzt bereits eine<br />

selbstproduzierte Debüt-EP vor. Dass hier eine gerade ein<br />

halbes Jahr existierende Band spielt, hört man zwar nicht,<br />

die sechs melodischen SOCIAL DISTORTION-beeinflussten<br />

Songs sind durchwegs gelungen. Dennoch hat man<br />

beim Hören den Eindruck, dass hier noch weit mehr möglich<br />

wäre, wenn die Band etwas länger an den Aufnahmen<br />

gefeilt hätte. Die CD macht jedenfalls neugierig auf künftige<br />

Releases vier Belgier. (6) Simon Dillo<br />

DEAD UNITED<br />

The Chainsaw Chronicles<br />

CD | Contra Light | contra-light-records.com | 41:17<br />

|| Mitte 2007 erschien das selbstproduzierte Debütalbum<br />

der Band aus Würzburg, und jetzt – (Un)Tote haben alle<br />

Zeit der Welt – haben sie den Nachfolger raus, der mich erst<br />

mal durch eine Tracklist mit 20 Titeln schockte. Ein genauerer<br />

Blick enthüllt dann, dass es „nur“ 14 Songs sind, beim<br />

Rest handelt es sich um Filmszenen-Intros – man kann also<br />

nicht behaupten, DEAD UNITED seien in den letzten Jahren<br />

in ihrer Gruft untätig gewesen. In exzellenter, wuchtiger<br />

Produktion gibt’s hymnischen Horrorpunk in Reinkultur,<br />

MISFITS-Verehrung wie aus dem Lehrbuch, und<br />

wer immer THE OTHER, THE SPOOK und ähnliche Creatures<br />

of the Dark schätzt, kommt auch hier auf seine Kosten<br />

und kann seine blutrünstigen Gelüste stillen. Konsequent<br />

hat die Band die thematische Ausrichtung in Coverund<br />

Bookletartwork bis ins Detail ausgefeilt, die Texte sind<br />

auch abgedruckt, wobei ich hier– ich glaube, das war auch<br />

Absicht – eher schmunzeln muss, als dass ich mir vor Angst<br />

in die Hose mache. Ich hoffe, ich trete niemandem zu nahe,<br />

wenn ich „The Chainsaw Chronicles“ als glücklicherweise<br />

keine ganz bierernste Angelegenheit beurteile – ein musikgewordenes<br />

„Shawn of the Dead“ trifft es ganz gut. „Willkommen<br />

in der Vorschule zur Hölle“ schreibt die Band<br />

in ihrem Info sicher nicht in völlig unironischer Absicht.<br />

Also: Kettensäge raus und dann haben wir zusammen ein<br />

bisschen Spaß. (7) Joachim Hiller<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

DECEMBER PEALS<br />

People Have Demons<br />

CD | Chorus Of One | chorusofonerecords.it | 42:23<br />

|| Nach der enorm schweinerockigen, sehr guten „If You<br />

Wanna Be Loud“-EP aus dem Herbst 2007 und ihrer davor<br />

liegenden poppig-punkigen Vergangenheit sind die Ibbenbührener<br />

beziehungsweise mittlerweile Münsteraner mit<br />

einem neuen Album zurück. Und in der Zwischenzeit<br />

scheinen sie viel AC/DC und noch viel mehr BEATSTEAKS<br />

gehört zu haben, den vornehmlich zwischen diesen beiden<br />

Polen (mit gesangstechnisch deutlicher Tendenz zu<br />

Zweiterem) bewegen sich alle 13 Songs der CD. Macht das<br />

anfangs noch Spaß, wird es nach ein paar Songs dann so<br />

langsam langweilig, weil eigentlich nix Neues passiert. Und<br />

nach Verklingen der letzten Töne hatte ich das dringende<br />

Bedürfnis, mir zwecks Ohrendurchspülen die Originale<br />

aus dem Schrank zu holen. Hätte man die Hälfte der Songs<br />

weggelassen und wieder eine EP aufgenommen, wäre das<br />

dem Vergnügen sicherlich deutlich zugute gekommen. (5)<br />

Jan Eckhoff<br />

/GAmES<br />

PlayStation-3-Debüts fällt serientypisch aus: Im Vordergrund<br />

des Geschehens stehen kontinuierlich schwieriger<br />

werdende Rachegefechte gegen bestialische Armeen der<br />

griechischen Mythologie und des Totenreichs sowie steinharte<br />

(Quicktime-)Auseinandersetzungen mit übermächtigen<br />

Göttern und Titanen. Ein überarbeitetes Kampfsystem<br />

mit gewohnt einfacher Combo-Ausführung, vielfältige<br />

Gegnerarten und eine größere Auswahl an Spezialangriffen,<br />

Finishing-Moves, Relikten, Zaubern und aufrüstbaren<br />

Waffen erweitern bisherige Serienkeilereien sinnvoll.<br />

Darüberhinaus laden Fremdaufträge und Minispiele<br />

zu auflockernden Ruhepausen, verlangen anspruchsvolle<br />

Rätsel nach Gehirnsport, Flug/Kletter/Sprungpassagen<br />

nach Geschicklichkeit, verzweigte Handlungsstränge nach<br />

Entscheidungen und versteckte Schätze/Wege sowie im<br />

Vergleich zu „God Of War II“ viermal größere Welten nach<br />

Erkundungsgeist. Es kann eben nur einen geben.<br />

Dominik Winter<br />

HEAVY RAIN<br />

Game | Sony | playstation.de | PlayStation 3 ||<br />

An Amerikas Ostküste werden seit einiger Zeit regelmäßig<br />

Jugendliche ermordet. Als Shaun Mars auf die Vermisstenliste<br />

rückt, bleiben<br />

Vater Ethan, Journalistin<br />

Madison Paige,<br />

Detektiv Scott Shelby<br />

und FBI-Agent Norman<br />

Jayden nur wenige Tage<br />

Zeit zur Aufklärung. Die<br />

vier Personen sammeln<br />

eine Vielzahl an Puzzleteilen,<br />

die in Kombination<br />

neue Fortschritte<br />

ermöglichen. Da ihre<br />

Beweggründe und Fähigkeitenunterschiedlicher<br />

nicht sein könnten,<br />

ergeben sich Inhalte zwischen<br />

Adventure- und Action-Passagen, Dialogen, Rätseln,<br />

Prügeleien, Schießereien und Verfolgungsjagden. Dass jede<br />

Entscheidung die Geschichte beeinflusst und sich auch<br />

nach mehrmaligem Spielen noch ungesehene Handlungsstränge<br />

und Enden ergeben, ist eine weitere Besonderheit,<br />

die „Heavy Rain“ (dt. Version) allerdings mit anderen<br />

Titeln teilt. Dickster Grund, die Software nicht als bloßes<br />

Spiel, sondern als interaktiven Thriller im Film-Noir-<br />

Stil zu klassifizieren, stellt die Bedienung dar: „Heavy Rain“<br />

gewährt Eingriffe in alltägliche Aktionen der Protagonisten<br />

– angefangen beim Krawattenbinden bis zum Küssen. Das<br />

erscheint ungewohnt, trägt aber enorm zur Vertiefung des<br />

„Mittendrin“-Gefühls bei. Ein außergewöhnliches, wenn<br />

aufgrund einiger Blickwinkelprobleme auch nicht immer<br />

übersichtliches Erlebnis. Dominik Winter


DOIN’ JUST FINE<br />

5 Lovesick Punk Rock Songs<br />

MCD | Feeling Fine Music | doinjustfine.com | 15:56<br />

|| Die fünf liebeskranken Punkrock-Songs auf der selbstproduzierten<br />

Debüt-EP des französischen Trios können<br />

sich hören lassen. Ob sich die Band damit zur „saddest<br />

band in the world“ qualifiziert, wie sie selbst behauptet,<br />

wage ich nicht zu beurteilen, aber in der melodischen<br />

Punk-mit-Country-Einflüssen-Liga spielen sie auf Anhieb<br />

weit oben mit. Bei wem jetzt die SOCIAL-DISTORTION-<br />

Lampe leuchtet, der liegt goldrichtig, DJF führen Mike Ness<br />

& Kollegen ganz oben auf der Liste der musikalischen Einflüsse.<br />

Anders als bei vielen anderen SD-Klonen wirken<br />

DOIN’ JUST FINE aber sehr authentisch. Das liegt vermutlich<br />

ganz einfach daran, dass dieser Release fünf gute, tadellos<br />

produzierte Songs beinhaltet. (8) Simon Dillo<br />

DEADLINE<br />

Bring the house down<br />

LP/CD | People Like You | peoplelikeyou.de | 36:21<br />

|| Hier ist sie also, die neue DEADLINE. Ich schätze mal,<br />

das viele Jungs und Mädels darauf gewartet haben. Ich<br />

nicht,wenn ich ehrlich<br />

bin. Nicht weil ich die<br />

Band nicht mag, aber auf<br />

Platte haben sie in meinen<br />

Augen beziehungsweise<br />

Ohren nie das<br />

Potenzial ausgeschöpft,<br />

das die Briten zu so<br />

einer genialen Live Band<br />

macht. Dementsprechend<br />

entspannt ging ich<br />

an diese Scheibe ran. Das<br />

Songwriting ist komplett<br />

auf Liz’ Stimme zugeschnitten<br />

und dadurch bleiben alle anderen Instrumente<br />

nahezu gleich laut im Hintergrund. Eine solide Produktion<br />

und sehr klar. Die Songs bleiben sofort hängen und schon<br />

beim zweiten Hören erwische ich mich beim Mitsummen<br />

und lauter stellen. Okay, definitiv etwas, was ich nicht<br />

erwartete, aber der Oberhit schlechthin ist „Two head“!<br />

Eine 2Tone-Nummer, die mich sprachlos macht. Das sollten<br />

die Briten öfters machen. Auch eine Coverversion <strong>von</strong><br />

„These boots are made for walking“ ist mit an Bord und<br />

damit werden Liz und ihre Jungs auch jedes Publikum zum<br />

Feiern bringen. So wie es aussieht, haben es DEADLINE<br />

geschafft mich zu überzeugen. (8) Sebastian Walkenhorst<br />

DEADBEAT HERO<br />

Help!!!<br />

CD | myspace.com/deadbeathero1| 25:46 || Die<br />

für mich ansprechendste Eigenproduktion dieser Ausgabe<br />

legen DEADBEAT HERO vor. Ihnen gelingt das Kunststück,<br />

recht experimentierfreudigen Hardcore mit Metalund<br />

Post-Rock-Anleihen zu verknüpfen, dabei aber weder<br />

nach 08/15-Metalcore noch allzu verkopft zu klingen.<br />

Vielmehr sind sie schon auf ihrer Debüt-EP ziemlich<br />

eigenständig; eine Referenz, die voll ins Schwarze trifft,<br />

wüsste ich jetzt jedenfalls nicht. Des massiven Riffings<br />

wegen werfe ich mal den Namen COALESCE in den Raum,<br />

aber das ist ein sehr grober Anhaltspunkt. Sollte man selbst<br />

gehört haben und wäre bestimmt eh schon in aller Munde,<br />

wenn die Band nicht gerade aus der bayerischen Provinz,<br />

sondern aus den USA kommen würde. Noch kein hundertprozenziger<br />

Volltreffer, aber eine starke Visitenkarte ist<br />

„Help!!!“ allemal. (7) Andreas Kuhlmann<br />

DOLLFACE<br />

Silent Rebellion<br />

CD | 65Productions/Cargo | 65productions.se |<br />

35:42 || In seiner Heimat Schweden durfte der Fünfer<br />

schon ein paar Achtungserfolge feiern und nun soll auch<br />

der Rest der Welt, oder zumindest Europe Mainland, ihrem<br />

zweiten Album zujubeln. Die Zutaten Indie-Rock, New<br />

Wave und Pop mögen nicht neu sein, aber die Zusammenstellung<br />

lässt sich tatsächlich gut hören. Produziert wurden<br />

die 14 Tracks übrigens <strong>von</strong> Henryk Lipp (THE SOUND-<br />

TRACK OF OUR LIVES, MILLENCOLLIN) und Michael<br />

Nilsson (C AARMÉ, THE FUME). Als Referenz werden im<br />

Waschzettel unter anderem MANDO DIAO genannt, das ist<br />

mir doch ein wenig zu hoch gegriffen. Zwar sind die Songs<br />

eingängig, tanzbar und Titel wie „Me and the bomb“ bergen<br />

Hitqualitäten, aber im Pool der vielenn vielen Indie-<br />

Bands aus Skandinavien (und deren meist englische Vorbilder)<br />

werden es die Südschweden schwer haben, sich ihren<br />

Platz zu erspielen. Zu wenig Eigenes, zu viel schon Gehörtes.<br />

(5) Jürgen Schattner<br />

DIRTBOMBS<br />

Race To The Bottom<br />

12“ | Cass | cassrecords.com || Ein lustiger Bursche,<br />

dieser Mick Collins. Schätzungsweise steckt er hinter dieser<br />

Ankündigung der aktuellen, auf 500 Stück limitierten<br />

33rpm-12“, die das Label wiefolgt weitergibt: „The record<br />

no one wants to hear! We took a poll of the Dirtbombs fan<br />

base on their likes and dislikes and cooked up the exact<br />

opposite of what they’re looking for. Enjoy 23 excruciating<br />

minutes of aimless, meandering synthesizer noodling.<br />

You thought the six minutes of this song on We Have<br />

You Surrounded was painful? This 12-inch makes earbleeding<br />

seem like a blessing in comparison.“ So klingt es<br />

dann auch. Scherz oder volle Absicht? Man weiß es nicht ...<br />

Genies, Scharlatane oder Wahnsinnige? Auch darüber kann<br />

man streiten. Ab in den Schrank damit. Joachim Hiller<br />

DIE MOLOTOV COCKTAILS<br />

Demenzcafé<br />

CD | Wie-Waldi-Tonträger | punk-booking.de |<br />

26:36 || Die MOLOTOV COCKTAILS aus Recklinghausen<br />

sind ein wahrer Explosivkörper. Zwar nicht vom<br />

Sound her, aber <strong>von</strong> den Inhalten ihrer Texte. Sie legen<br />

gezielt Brände, um auf das aufmerksam zu machen, was um<br />

uns herum alles schiefläuft. So geht es unter anderem um<br />

Amokläufer, Kinderschänder und die Fehler der Gesellschaft<br />

an sich. Der ruppige Sound lässt dabei auch den<br />

Letzten wach werden. Die Titel haben einen relativ einfachen<br />

Aufbau und stellen dadurch die Message klar in den<br />

Vordergrund. Musikalisch fehlt es an Feuer, so dass sich die<br />

MOLOTOV COCKTAILS nicht auf Dauer in mein Gehirn<br />

brennen werden. (6) Sven Grumbach<br />

DRAMAMINE<br />

s/t<br />

LP | Sabotage/X-Mist | sabotagerecords.net | 30:24<br />

|| Ein Hoch auf die Wortspiele: Den Bandnamen könnte<br />

man einerseits „drama mine“ lesen, also „mein Drama“,<br />

andererseits als das Medikament verstehen, das ursprünglich<br />

gegen Reisekrankheit helfen sollte, angeblich aber<br />

auch für schöne Trips sorgen kann. Wie auch immer, beides<br />

passt irgendwie zu dieser Band, auch wenn DRAMAMINE<br />

alles andere als müde macht. Viel zu lärmig, viel zu dramatisch<br />

ist die Musik, als dass man dazu wegdösen möchte. In<br />

guten Momenten sind Ähnlichkeiten zu Dischord-Größen<br />

wie RITES OF SPRING oder NATION OF ULYSSES nicht<br />

zu leugnen, in weniger guten Momenten fällt einem doch<br />

auf, dass der Gesang auf Dauer ziemlich monoton ist. Insgesamt<br />

gar nicht schlecht gemacht, wenngleich die SUB-<br />

ROSA FALCON ASSOCIATION das besser kann. (6)<br />

Christian Meiners<br />

DARKTHRONE<br />

Circle The Wagons<br />

CD | Peaceville | peaceville.com | 40:44 || Ausverkauf!<br />

Verrat! Dreckige Punks! Seit einigen Jahren ereifern<br />

sich Teile der Black-Metal-Welt über den musikalischen<br />

Weg, den ihre einstigen Heroen eingeschlagen haben<br />

und für den das Duo selbst 2007 mit dem EP-Titel „New<br />

Wave Of Black Heavy Metal“ einen passenden Begriff fand.<br />

„Circle The Wagons“ dürfte somit ein weiteres Hassobjekt<br />

derer sein, die <strong>von</strong> DARKTHRONE immer noch ein zweites<br />

„Transilvanian Hunger“ erwarten, verzichten die Norweger<br />

auf ihrem 15. Album doch abermals auf (fast) alle<br />

Trademarks des Black Metals, die sie einst (mit-)erfanden<br />

und bedienen sich weiterhin lieber am Früh-Metal, an<br />

all den großartigen, oftmals schon fast vergessenen Bands,<br />

deren Platten in ihrer Sammlung stehen (und nicht zuletzt<br />

an der Band, die ihr zweites Album „Black Metal“ nannte,<br />

liebe Über-Trueness-Verfechter). Und das in einer liebenswerten<br />

Primitivität, mit augenzwinkernder Zitatfreudigkeit<br />

und einer Unbekümmertheit, die in der Tat schon<br />

beinahe Punkrock ist. Insofern werden Nocturno Culto<br />

und Fenriz sicher kein Problem damit haben, als Punks<br />

„beschimpft“ zu werden. (9) André Bohnensack<br />

DEAD SUBVERTS<br />

Taking Civil Liberties<br />

MCD | Antikörper Export | antikoerper-export.<br />

de | 14:37 || Schon auf dem Ende 2009 erschienenen<br />

Bremer D.I.Y.-Sampler „Break Out #3“ sind sie mir positiv<br />

aufgefallen, den Namen habe ich mir gemerkt: DEAD<br />

SUBVERTS. Das erinnert nicht <strong>von</strong> ungefähr an „Subvert<br />

city“ <strong>von</strong> den unvergleichlichen SUBHUMANS,<br />

denn die dreiköpfige Band aus Manchester und Swindon<br />

– bestehend aus Leuten <strong>von</strong> 2 SICK MONKEYS und ex-<br />

THE SOMETHING SOMETHINGS – steht für den typischen<br />

UK-Anarchopunk aus der HC-Fraktion: politisch,<br />

energiegeladen, aggressiv. Unter den sieben Songs ist mit<br />

„Nothing but a nightmare“ auch ein Cover der legendären<br />

RUDIMENTARY PENI. „Taking Civil Liberties“ ist in England<br />

bei dem Labelkollektiv Pumpkin Records erschienen,<br />

in Deutschland gibt es die CD-R als Release <strong>von</strong> Antikörper<br />

Export. Ute Borchardt<br />

DIRTMUSIC<br />

BKO<br />

CD | Glitterhouse | glitterhouse.com | 49:33 || Im<br />

Zusammenhang mit Bands wie DIRTMUSIC spricht man<br />

ja gerne <strong>von</strong> „Supergroup“, und so bündeln sich hier die<br />

Talente <strong>von</strong> Chris Eckman (THE WALKABOUTS), Hugo<br />

Race und Chris Brokaw (COME, CODEINE) bereits zum<br />

zweiten Mal für ein komplettes Album. Und das Ergebnis<br />

klingt, wie man sich das eben vorstellen würde, und eben<br />

auch wieder nicht. Race und Eckman hört man als Sänger<br />

natürlich sofort raus, ansonsten durchzieht die zehn Stücke<br />

eine sehr entspannte Stimmung, so eine Art Ambient-<br />

Desert-Rock. Aufgenommen wurde die Platte in Mali, was<br />

sicherlich die dezenten Einsprengsel <strong>von</strong> Ethno-Sounds<br />

erklärt, genau so besitzt „BKO“ aber auch ein gewisses australisches<br />

Flair. Jedenfalls hat man beim Hören ständig staubige,<br />

heiße Wüstenlandschaften vor dem geistigen Auge, in<br />

denen sich alles etwas langsamer vorwärts bewegt. Wenn<br />

man so lange wie die hier Beteiligten Musik macht, muss<br />

man sich ja mal was Neues einfallen lassen, wobei „BKO“<br />

puristischere Singer/Songwriter-Fans auch nicht unbedingt<br />

verstören wird. Aber DIRTMUSIC fügen durchaus<br />

vertrauten Elementen aus Blues und Country auf jeden<br />

Fall immer wieder kleinere innovative wie überraschende<br />

Sounds hinzu, die selten wie echte Fremdkörper wirken.<br />

Selbst die subtil groovende Coverversion <strong>von</strong> VELVET<br />

UNDERGROUNDs überstrapaziertem „All tomorrow’s<br />

Artwork by Florian Metzner<br />

(myspace.com/mickymurdoc)<br />

Dein Artwork oder Foto auf dem Cover der Ox-CD? Einfach<br />

als PDF oder JPG an mail@ox-fanzine.de schicken<br />

und dann sehen wir weiter!<br />

01 LEATHERFACE (Sunderland, Great Britain)<br />

Das erste LEATHERFACE-Album seit 2004 ist der typische<br />

Fall einer Platte, deren zwölf Songs man über einen<br />

längeren Zeitraum auf sich wirken lassen muss. Irgendwann<br />

„klickt“ „The Stormy Petrel“ aber, und nicht nur<br />

der Opener „God is dead“, sondern auch „Broken“<br />

oder „Monkfish“ erweisen sich als Hits.<br />

02 BEDLAM KNIVES (Los Angeles, CA, USA)<br />

Doug Dagger ist ein Genie: SCHLEPROCK waren grandios,<br />

die GENERATORS sind es bis heute, und nebenher<br />

gründet er mit BEDLAM KNIVES mal einfach eine weitere<br />

Band, die 99 Prozent aller Bands, die sich an klassischem<br />

kalifornischen Punkrock versuchen, mal eben<br />

in die Tasche steckt.<br />

03 GIMP FIST (Darlington, Great Britain)<br />

Bei GIMP FIST spielen Ex-Mitglieder <strong>von</strong> MAJOR ACCI-<br />

DENT und RED ALERT. Und in diese Richtung geht<br />

auch die musikalische Reise: Klassischer 82er Oi! im<br />

Stil <strong>von</strong> englischen Bands wie BLITZ oder den COCK-<br />

NEY REJECTS – oder eben der beiden Vorgängerbands.<br />

04 GUNS ON THE RUN (Philadelphia, PA, USA)<br />

Die Band aus Philadelphia, PA bezieht sich in ihren Einflüssen<br />

sowohl auf frühen US-Hardcore wie auf englischen<br />

Oi! und Aussie-Rock, ist in der Ausführung dann<br />

aber doch recht simpel: melodiöser und hymnischer<br />

Streetpunk für Fans <strong>von</strong> GENERATORS, SOCIAL DIS-<br />

TORTION und COCK SPARRER.<br />

05 COBRA (Osaka, Japan)<br />

Bei „Hello! This Is Cobra“ handelt es sich um das aktuelle<br />

Album <strong>von</strong> COBRA, das bereits im April 2009 in<br />

Japan erschien. Die elf Songs knüpfen da an, wo die<br />

letzte Platte aufgehört hat. Stampfender, absolut bodenständiger<br />

Streetpunk mit einer ganz eigenen Note.<br />

06 HEARTBREAK STEREO<br />

(Turku/Helsinki, Finland)<br />

HEARTBREAK STEREO liefern mit „Carried Through<br />

This Waltz“ ihr zweites Album ab. Schneller, melodischer<br />

und stark hymnischer Punkrock, der in der Tradition<br />

<strong>von</strong> Bands wie THE BRIGGS, RANCID oder<br />

BOMBSHELL ROCKS steht.<br />

07 ESKORBUTO (Santurtzi, Spain)<br />

ESKORBUTO aus Santurtzi gründeten sich 1980 und<br />

wurden mit den Jahren zu einer der beliebtesten Punkbands<br />

Spaniens, die heute in der gesamten spanischsprachigen<br />

Punkwelt als eine der einflussreichsten gilt.<br />

Der Klassiker „Maldito pais“, hier auf der Ox-CD zu<br />

hören, ist ein absoluter Hit.<br />

08 ACCELERATORS (Rotterdam, Netherlands)<br />

Obwohl die ACCELERATORS blutjung sind, können sie<br />

auf eine mehrjährige Erfahrung zurückblicken. Im Vergleich<br />

zu herkömmlichen Pop-Punk-Bands betonen sie<br />

Geschwindigkeit und kreischende Soli und arbeiten so<br />

eine Nähe zum Hardcore heraus, setzen sich aber trotzdem<br />

in den Gehörgängen fest.<br />

09 MCRACKINS (Vancouver, BC, Canada)<br />

Zwei Jahre sind seit ihrer „Abschiedstournee“ vergangen<br />

und die MCRACKINS schenkten der Welt seitdem<br />

zwei weitere Studioalben und eine Live-Platte.<br />

Das brandneue Studioalbum der Kanadier bietet vierzehn<br />

Mal erstklassigen Bubblegum-Pop-Punk, wie ihn<br />

nur Bastarde <strong>von</strong> RAMONES und KISS spielen können.<br />

10 PINTANDWEFALL (Helsinki, Finland)<br />

Wie eigentlich alle All-Girl-Bands sind PINTANDWE-<br />

FALL <strong>von</strong> den SPICE GIRLS und ihren Müttern beeinflusst<br />

– das wird zumindest auf der MySpace-Seite der<br />

Finninnen behauptet. Die Wahrheit ist aber um einiges<br />

aufregender und trägt keinen Kajal, sondern mit Vorliebe<br />

Masken.<br />

11 GOOD WEATHER GIRL (London, Great Britain)<br />

Mag alle Welt abraven auf irgendwelche neuen Antifolk-<br />

Helden, so ist es diese minimalistische, lakonische, simple<br />

Platte mit dem nur wenige Tonlagen erkundenden<br />

Gesang, die mit jedem weiteren Hören mehr fasziniert.<br />

Ein spannendes, irgendwie anrührendes Werk.<br />

rEvIEws<br />

/DIE BANDS DER ox-cD<br />

12 GRINGO STAR (Atlanta, GA, USA)<br />

Laut eigenen Angaben spielen GRINGO STAR „Southern<br />

Beat Psychedelia Rock“. Laut Aussage einiger amerikanischer<br />

Journalisten sind sie eine der am härtesten arbeitenden<br />

Bands aus Atlanta, Georgia. Und jetzt haben sie<br />

einen Song auf der Ox-CD. Es kann also nichts mehr<br />

schiefgehen.<br />

13 THE DOITS (Stockholm, Sweden)<br />

„Northern Accents“ ist ein perfektes Gitarrenrockmeets-Powerpop-Album<br />

geworden. So wie HÜSKER<br />

DÜ einst eine Schwäche für die BYRDS an den Tag legten,<br />

so haben sich die DOITS auch eine solche Infektion<br />

zugezogen und im gleichen Zuge alles abgelegt,<br />

was noch an die frühe HELLACOPTERS-Connection<br />

erinnern könnte.<br />

14 FITZCARRALDO (Aschaffenburg, Germany)<br />

Im Vergleich zum Debüt steht weniger der sprunghafte<br />

Wechsel der Emotionen, sondern die Intensität der<br />

Empfindungen im Vordergrund. Elektronische Beats,<br />

Sprachsamples, Feedback-Gewitter, Dampfwalzen-Riffs,<br />

cleanes Gitarrengezupfe und der fast vollständige Verzicht<br />

auf Vocals verbinden sich zu einer Wall of Sound.<br />

15 THE HIRSCH EFFEKT (Hannover, Germany)<br />

Das Debüt <strong>von</strong> THE HIRSCH EFFEKT ist Musik wie eine<br />

bunte Tüte vom Kiosk: düster wie Lakritze, fluffig wie<br />

weiße Mäuse, schön wie die Hände der dicken Frau,<br />

die sie zusammenstellt und wütend wie die Leute hinter<br />

einem in der Schlange, die eigentlich nur schnell<br />

ihre Schachtel Kippen kaufen wollten.<br />

16 DEAD UNITED (Würzburg, Germany)<br />

„The Chainsaw Chronicles“, das neue Album der Band<br />

aus Würzburg, ist wie Zähneputzen mit Maden, wie<br />

sich mit einer Kettensäge am Rücken zu kratzen, wie<br />

einen Pullover aus Stacheldraht zu tragen. Also Horrorpunk,<br />

der einem die Haare zu Berge stehen lässt.<br />

17 BANANE METALIK (Rennes, France)<br />

Die französischen Psycho-Gore’n’Roller BANANE<br />

METALIK gab es schon einmal <strong>von</strong> 1992 bis 1995. Dann<br />

waren sie zehn Jahre <strong>von</strong> der Bildfläche verschwunden,<br />

um ab 2005 die Bühnen der Welt wieder mit ihrem<br />

Mix aus Horror, Theater, Punk und Psycho unsicher zu<br />

machen und nun ein weiteres Album vorzulegen.<br />

18 RAFIKI (Mellrichstadt, Germany)<br />

Ska-Punk, rhythmische Off-Beat-Passagen mit eingängigen<br />

Bläserthemen ergänzen sich perfekt mit melodischen<br />

Punksequenzen. Inhaltlich wird der Bogen <strong>von</strong><br />

sozialen Problemen über das Thema Liebe bis hin zum<br />

unbeschwerten Partyleben geschlagen. RAFIKI liefern<br />

ein gelungenes Album ab, das nach vorne geht.<br />

19 KARATE DISCO (Neuwied, Germany)<br />

Das zweite Album der Neuwieder Band um die charismatische<br />

Frontfrau Ricarda. Dreizehn moderne,<br />

deutschsprachige Punk-Hits, inklusive Herz, Hirn,<br />

Härte, viel Melodie und einer gehörigen Prise Rotz.<br />

Die fantastische Produktion und das stilsichere Artwork<br />

runden den „Discostress“ ab.<br />

20 AFFENMESSERKAMPF (Kiel, Germany)<br />

AFFENMESSERKAMPF lassen an Deutlichkeit nichts zu<br />

wünschen übrig – man wünscht sich viel mehr Bands<br />

mit solch klaren, nicht verkopften und dennoch nicht<br />

stumpfen Texten. Musikalisch erinnert der überdrehte<br />

Gesang an NOVOTNY TV, aber auch frühe MUFF POT-<br />

TER sowie die Rachut-Bands lassen grüßen.<br />

21 STATE Spießbürger (Ann Arbor, MI, USA)<br />

STATE aus Ann Arbor/Detroit gibt es schon seit ein<br />

einer halben Ewigkeit, doch ihr hektischer Hardcore-<br />

Punk, der an frühe CIRCLE JERKS, ADOLESCENTS und<br />

BLACK FLAG erinnert, gefällt nach wie vor ausgesprochen<br />

gut. Lärmig, rücksichtslos, auf die Fresse – so muss<br />

Punkrock sein!<br />

22 PÖBEL & GESOCKS (Dinslaken, Germany)<br />

1979 als BECK’S PISTOLS gegründet, ziehen PÖBEL &<br />

GESOCKS bis heute singend, trinkend, lachend, tanzend<br />

und prollend durch deutsche Lande. Über Sunny<br />

Bastards / Crazy United Records wird nun eine CD/LP<br />

namens „Becks Pistols“ veröffentlicht – falls eine Brauerei<br />

aus Bremen nichts dagegen hat.<br />

23 OXXON (Stuttgart, Germany)<br />

OXXON prügeln ihre Instrumente jetzt schon seit 1995<br />

durch die Punkszene. „Radio Zero“ ist ein Album aus<br />

einem Guss, das eingängige Melodien und richtig<br />

gut kickenden Punkrock perfekt kombiniert. Wer eine<br />

Schwäche für SOCIAL DISTORTION, US BOMBS oder<br />

GENERATORS hat, der ist mit OXXON gut beraten.<br />

24 MONKEY SUITE (Frankfurt/Main, Germany)<br />

Die Punk’n’Roll-Band MONKEY SUITE aus Frankfurt<br />

am Main veröffentlichte im November 2009 mit dem<br />

Minialbum „Pay To Play ...“ einen Auszug aus ihrem fast<br />

ausnahmslos eigenen Programm. Vergleiche mit frühen<br />

SIOUXSIE AND THE BANSHEES oder X-RAY SPEX drängen<br />

sich auf.<br />

25 CHASING FOR GLORY (Straubing, Germany)<br />

CHASING FOR GLORY spielen auf ihrem neuen Album<br />

„Rookie“ schnelle, melodische Polit-Punkrock-Songs<br />

über soziale Missstände. Ob korrupte Konzerne, nationalistische<br />

Vereinigungen oder der bequeme Mann <strong>von</strong><br />

nebenan – jeder bekommt hier sein Fett weg.<br />

Du machst ein Label, du spielst in einer Band, und willst wissen, wie du auf einen Schlag eine<br />

ganze Menge Leute im In- und Ausland auf deine Musik aufmerksam machst? Ganz einfach -<br />

mit der Ox-Compilation!<br />

Das kostet zwar was, aber wenn ihr interessiert seid und denkt, ihr könntet stilistisch auf eine<br />

Ox-CD passen sowie über gute Studioaufnahmen verfügt, dann schickt uns eine eMail an<br />

mail@ox-fanzine.de - im Gegenzug gibt´s Details, wie das funktioniert und was das kostet.<br />

OX-FANZINE 91


LAUREL AITKEN<br />

Boogie In My Bones<br />

CD | Pressure Drop | cherryred.co.uk | 77:10 || Ein<br />

seltsames Gefühl beschleicht mich beim Hören dieser altehrwürdigen<br />

Aufnahmen des Godfather of Ska, als er dieser<br />

noch nicht war. Cherry Red haben in Zusammenarbeit<br />

mit Captain Oi! diese Zusammenstellung sämtlicher Aufnahmen<br />

<strong>von</strong> Laurel Aitken in der Zeit <strong>von</strong> 1956 bis 1960,<br />

als er noch Künstler auf Jamaika war, liebevoll ausgesucht.<br />

Schon irre, bedenkt man, dass sicher niemand <strong>von</strong> uns die<br />

Anfänge des jungen Sängers mitbekommen hat. Musikalisch<br />

hatte dies noch gar nichts mit Ska zu tun. Ansatzweise<br />

tritt etwas Rock’n’Roll zutage, ansonsten hat man den Eindruck,<br />

Harry Bellafonte sei hier zugange. Das Saxophon<br />

als Soloinstrument ist stets im Vordergrund. Einige dieser<br />

Singles wurden noch auf 78 rpm abgespielt, wie ich aus<br />

dem empfehlenswerten Booklet entnehmen kann. Was für<br />

eine Zeitreise ... Auch wenn seine ersten Aufnahmen, die<br />

doch sehr dem Mento gewidmet waren, nun gar nichts<br />

mit Skinhead-Mucke zu tun haben, eines muss man festhalten:<br />

Fast alle seine Stücke sind eingängige Ohrwürmer,<br />

und auch wenn die Aufnahmen etwas altbacken und verstaubt<br />

klingen mögen, in dieser Phase hatte er immer eine<br />

gute Begleitband. Für Fans des großen Laurel Aitken auf alle<br />

Fälle empfehlenswert. (7) Simon Brunner<br />

BOUNCING SOULS<br />

Ghosts On The Boardwalk<br />

CD | Chunksaah | chunksaah.com | 43:24 || 2009<br />

versuchten sich die BOUNCING SOULS an einem neuen<br />

Geschäftsmodell: Angesichts der Krise der Musikindustrie<br />

releasten sie kein Album, sondern brachten stattdessen<br />

jeden Monat einen neuen Song als Download raus. Für<br />

die Vinylliebhaber gab es damals schon alle zwölf Songs<br />

nebenher auch als 7“-Serie, und als „Ghosts On The Boardwalk“<br />

erscheinen sie nun auf CD. Allerdings – und das<br />

bringt uns zum tragischen Teil dieser Rezension – ist das<br />

hier das Langweiligste, was die Band jemals gemacht hat.<br />

Ihren Pfiff, ihre einfachen, aber ergreifenden Melodien und<br />

ihre bewegenden Momente lösen die BOUNCING SOULS<br />

in poppiger Beliebigkeit auf, die nicht ansatzweise an die<br />

Vorgänger „Anchors Aweigh“ und „The Gold Record“ herankommt.<br />

Als Fan mag ich es gar nicht aussprechen, aber<br />

das hier ist musikalischer Abstieg in real-time. (5)<br />

Lauri Wessel<br />

BONDAGE FAIRIES<br />

What You Didn’t Know When You Hired Me<br />

LP | Krawallex | myspace.com/krawallex || So was<br />

ist natürlich ein Freistoß ohne Mauer für den stressgeplagten<br />

Rezensenten. Das erste Album der BONDAGE FAIRIES<br />

gab’s lange Zeit nur auf CD, jetzt hat Krawallex Records aus<br />

Pforzheim als erste Veröffentlichung überhaupt das Debüt<br />

der C64-Trasher noch mal in einer 1.000er-Auflage auf<br />

Vinyl rausgebracht. Wer die CD-Fassung aus dem Jahr 2006<br />

kennt, weiß, was ihn hier erwartet. Der quietschefröhliche<br />

Commodore-Steinzeit-Charme kommt jetzt allerdings<br />

direkt über die Nadel des Plattenspielers ins Herz aller, die<br />

sich mit „Giana Sisters“, „Frogger“ und ähnlichem die Finger<br />

wundgespielt haben. Das passt super zusammen, denn<br />

Vinyl und 8-Bit-Synthie-Trash-Punk werden ja beide<br />

irgendwie doch heutzutage als retro oder auch „vintage“<br />

angesehen. Mal <strong>von</strong> den Sounds abgesehen, haben Deus<br />

Deceptor und sein Kollege Elvis Creep auch das Talent, zwischen<br />

all dem Geknirpse einige wunderbare Popsongs mit<br />

OX-FANZINE 92<br />

parties“ funktioniert in diesem Zusammenhang ganz<br />

wunderbar und bekommt eine leichte Prise Afropop verpasst.<br />

Ein schönes, gleichbleibend spannendes Album, was<br />

man sich auf diesem Sektor häufiger wünschen würde,<br />

ergänzt um eine DVD mit Aufnahmen der Sessions und vier<br />

zusätzlichen Tracks. (8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

DRIVEN FEAR<br />

Society’s Finest?<br />

CD | Pee | peerecords.com | 26:47 || In Down Under<br />

passiert derzeit in Sachen HC-Export wirklich einiges.<br />

Und nach Bands wie CARPATHIAN, MILES AWAY oder<br />

50 LIONS stehen DRIVEN FEAR aus Brisbane, bereit weitere<br />

Territorien für sich einzunehmen. Auf ihrer aktuellen<br />

EP „Society’s Finest?“ bietet das Quintett sieben Songs lang<br />

(plus Hiddentrack) feinsten Hardcore-Punk, der unwahrscheinlich<br />

knallt und mit jede Menge Drive extrem Lust<br />

auf mehr macht. Ich freue mich schon jetzt riesig auf das<br />

hoffentlich bald folgende Album, denn mit „Society’s<br />

Finest?“ haben sich DRIVEN FEAR bei mir direkt in meine<br />

„Top HC acts to watch“-Liste katapultiert. Hier muss schon<br />

was mächtig schief laufen, wenn DRIVEN FEAR nicht<br />

schon bald in einem Atemzug mit Bands wie THIS IS HELL,<br />

RAISED FIST oder COMEBACK KID genannt werden. (7)<br />

Tim Masson<br />

EEE<br />

EIGHT LEGS<br />

Best Of Me<br />

LP/MCD | Snowhite/Universal | snowhite.de |<br />

17:67 || Pünktlich zum Tourstart hierzulande haben die<br />

acht Beine aus Stratford upon A<strong>von</strong> schon wieder ein neues<br />

Werk veröffentlicht. Diesmal zwar nur eine EP mit sechs<br />

Songs, trotzdem ist die Produktivität mit einer Veröffentlichung<br />

pro Jahr beeindruckend. EIGHT LEGS sind zwar<br />

auch hier gewohnt uninnovativ, halten aber eine grundlegende<br />

Qualität. Bleibt zu hoffen, dass sie sich mit dem<br />

finalen „Cosmonauts“ nicht in den OASIS-Fan-Himmel<br />

schießen, sondern sich die Menschheit noch an Bands wie<br />

CHARLATANS oder FELT erinnert fühlt. (6) Nina Maenz<br />

THE ESTRANGED<br />

Type Foundry Sessions I<br />

LP | Dirtnap | dirtnaprecs.com || Da lag ich ja wohl<br />

mal daneben, als ich mich nach ihrer mauen CD dazu entschlossen<br />

habe, die 7“s großzügig auszulassen. Nennt mich<br />

ruhig Blödmann, an dieser Stelle hab ich es mir redlich<br />

verdient. Dirtnap hat dankenswerterweise die fünf allesamt<br />

in einer Session aufgenommenen Siebenzöller wieder<br />

zusammengepackt und auf einer LP vereint. Im Gegensatz<br />

zur „Static Thoughts“-CD enthält diese Platte jede Menge<br />

Hits, die hier glänzen, eben weil sie unpolierter und rauher<br />

klingen. Erinnert nicht nur ein Mal an HOT SNAKES,<br />

die Gitarren der WIPERS, DRIVE LIKE JEHU und ROCKET<br />

FROM THE CRYPT ohne Bläser. So sehr ich auch gesucht<br />

habe, die Herren hier kommen nicht aus San Diego, sondern<br />

aus Portland. (8) Kalle Stille<br />

EF<br />

Mourning Golden Morning<br />

CD | ATS/Cargo | andthesound.se | 51:39 || Ein<br />

Novum stellt das dritte Album der größtenteils instrumentalen<br />

Band aus Göteborg, Schweden nur in der Hinsicht<br />

dar, dass die Herren Aström, Öhman und Torsson bei<br />

„Mourning Golden Morning“ erstmals mit einem Produzenten<br />

gearbeitet haben. Die Wahl fiel auf Magnus Lind-<br />

unterhaltsamen Lyrics einzubauen. Auf CD war „What You<br />

Didn’t Know When You Hired Me“ schon top, auf Vinyl ist<br />

alles noch schöner. (7) Timbob Kegler<br />

BEAUTY SCHOOL DROPOUT<br />

Palookaville (A Retrospective)<br />

CD | Boostuneage/Cargo | bosstuneage.com | 32:55<br />

|| „Boss Tuneage Retro“ scheint sich großer Beliebtheit<br />

zu erfreuen. Nur so kann ich mir erklären, dass das Label<br />

immer mal wieder, und speziell in letzter Zeit, alte „Klassiker“<br />

<strong>von</strong> Bands aus der „zweiten Reihe“ beziehungsweise<br />

deren Gesamtwerke unter das Volk bringt. Das mit der<br />

zweiten Reihe ist keineswegs diffamierend gemeint, sondern<br />

soll lediglich den Bekanntheitsgrad der Band definieren<br />

und hat nichts mit deren Qualität als Songwriter<br />

und Musiker zu tun. BEAUTY SCHOOL DROPOUT wurden<br />

1995 in Glasgow gegründet und veröffentlichten in<br />

den sechs Jahren ihres Schaffens ein komplettes Album<br />

mit dem Titel „Teasing The Fat Kids“ sowie diverse Sampler-Songs.<br />

Die Band war zu ihrer Zeit in Japan sehr angesagt,<br />

was wohl nicht zuletzt an dem melodischen Punkrock<br />

mit feinem Gesang (à la FUNERAL ORATION) liegt, den<br />

die Band da raushaut. Neben der Historie der Band scheint<br />

auch eine Reunion Ende 2009 der Auslöser für diese Veröffentlichung<br />

zu sein. Drei neu aufgenommen Tracks, sowie<br />

das bislang unveröffentlichte erste Demo und die finalen<br />

Aufnahmen <strong>von</strong> 2001 (kurz vor dem Split – bislang nur<br />

auf einer „Singles Collection“ zu finden) sind auf dieser CD.<br />

Kurzweilig. (6) Zahni Müller<br />

BOW WOW WOW<br />

The Best Of: Love, Peace And Harmony<br />

CD | Sony BMG | sony.com | 53:48 || Fast vergessen,<br />

aber im gegenwärtigen Überfluss der selbsternannten Stil-<br />

Ikonen (die mal nur nebenbei Musik machen), erscheint<br />

die jüngst erschienene Best-Of-BOW WOW WOW-CD. Ein<br />

sehr guter Anlass, sich dieser Band zu erinnern. 1980 <strong>von</strong><br />

Malcolm McLaren aus Musikern <strong>von</strong> ADAM & THE ANTS<br />

rekrutiert, hält sich bis heute die Legende, dass er die burmesische<br />

Sängerin Annabella Lwin im Alter <strong>von</strong> 14 Jahren<br />

im Norden <strong>von</strong> London zufällig im Waschsalon ihrer<br />

Eltern entdeckte. BOW WOW WOW verbanden Post-Punk,<br />

Candy- Pop und African Burundi Music zu einer ziemlich<br />

einmaligen Melange. Die Band hatte mit Singles wie<br />

„I want candy“ und „C30, C60, C90, Go“ die weltweit<br />

erste Cassetten-Single-Veröffentlichung und respektable<br />

Erfolge in UK. Für ihr Debütalbum „See Jungle!“ wählte<br />

der Medienexperte McLaren verkaufsträchtig ein Foto, das<br />

Annabella Lwin nackt neben ihren (selbstredend bekleideten)<br />

Bandkollegen zeigte. Das Foto ist eine Nachbildung<br />

<strong>von</strong> „Dejeuner sur l’herbe“, einem Bild des französischen<br />

Impressionisten Édouard Manet und führte, ganz im Sinne<br />

<strong>von</strong> McLaren, zu einer endlosen (Pornografie-)Diskussion<br />

in der britischen Presse (und zu einem keuscheren Cover<br />

in den USA). Dennoch, der Sound <strong>von</strong> BOW WOW WOW<br />

war, gerade durch die afrikanischen und burmesischen<br />

Trommeleinflüsse (derer sich dezent bereits auch Adam<br />

Ant bediente), ziemlich einmalig in dieser Zeit, auch wenn<br />

die Band oft genug aufgrund ihrer Optik Gesprächsthema<br />

war. BOW WOW WOW haben ohne Zweifel heute noch<br />

ihren Einfluss auf Acts wie die Sängerin M.I.A. aus London,<br />

die diesen Sound in ihre Version <strong>von</strong> 2 Step, Dance Hall und<br />

Electro verwebt. Auch die Regisseurin Sofia Copolla schätzt<br />

die Band und verwendete einige BOW WOW WOW-Songs<br />

wie „I want candy“, für den Soundtrack ihres Films „Marie<br />

berg, der auch schon CULT OF LUNA zur Seite stand. Das<br />

Endergebnis überrascht dennoch nicht, denn EF verfolgen<br />

weiter den Kurs, den sie 2003 einschlugen: Sanfte, warme,<br />

plüschige und dennoch druckvolle, gelegentlich auch mal<br />

laut werdende Musik zu spielen, die auf dem weiten Feld<br />

des Post-Rocks eher in den sonnigen Gefilden anzusiedeln<br />

ist als dort, wo ewige Finsternis herrscht. Auch dieses<br />

Album ist auf dem bandeigenen Label And The Sound<br />

erschienen, und so angenehm und anschmiegsam sich dieses<br />

Album auch zeigt, so muss man doch anmerken, dass<br />

EF unter all den Bands, die sich mittlerweile in dieser Szenerie<br />

tummeln, nicht sehr viele Alleinstellungsmerkmale<br />

aufweisen. (7) Joachim Hiller<br />

ELUVIUM<br />

Similes<br />

CD | Temporary Residence/Cargo | feraltone.co.uk |<br />

42:39 || 2007 erschien Matthew Coopers fünftes Album<br />

„Copia“ unter dem Namen ELUVIUM, und man war schon<br />

damals darüber verblüfft,<br />

wie vielschichtig<br />

und kraftvoll seine<br />

symphonischen Drone/<br />

Ambientsounds arrangiert<br />

waren. Und auch<br />

auf „Similes“ ist kein<br />

Stillstand in dieser Hinsicht<br />

zu erkennen, oft das<br />

Problem auf dem Sektor<br />

Ambientmusik, denn zu<br />

dem fast sakral anmutendenminimalistischen<br />

Klanglandschaften<br />

<strong>von</strong> ELUVIUM gesellen sich diesmal teilweise Percussion<br />

(eher ein sanftes Pulsieren als Beats im klassischen Sinne)<br />

und Gesang, was die <strong>von</strong> jeher sehr melodischen Kompositionen<br />

<strong>von</strong> Cooper in Grenzbereiche <strong>von</strong> Pop katapultiert,<br />

vergleichbar mit den frühen Platten eines Brian<br />

Eno. Grundsätzlich wird aber auch „Similes“ wieder durch<br />

die sanften, monotonen Wellenbewegungen flirrender<br />

Sounds bestimmt, die einer Vertonung <strong>von</strong> seltsam euphorisch<br />

wirkender Stille gleichkommen, und in dieser Anmut<br />

nur <strong>von</strong> wenigen Ambient-Musikern erreicht wird. Vor<br />

allem hinsichtlich ihrer emotionalen Wärme und ihren<br />

abwechslungsreichen Spannungsbögen, die einen schnell<br />

vergessen lassen, dass hier vieles synthetischen Ursprungs<br />

ist. Denn Coopers subtile kompositorische Herangehenweise<br />

geht deutlich über das reine Abrufen genormter<br />

Rechner-Sounds und willkürliche Anordnen elektronischer<br />

Störgeräusche hinaus. (9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

ELEPHANT9<br />

Walk The Nile<br />

CD | Rune Grammofon/Cargo | runegrammofon.<br />

com | 44:56 || Was sich über das Debüt „DodoVoodoo“<br />

dieses Progressive/Neo-Psychedelic/Jazz-Rock-<br />

Trios aus Oslo sagen ließ, trifft auch auf das aktuelle<br />

Album „Walk The Nile“ zu. Groovender Improvisationsrock<br />

mit starken Jazzanteilen und dominanten Keyboardund<br />

Orgel-Sounds, allerdings völlig auf Gitarre verzichtend.<br />

Das stört aber genauso wenig wie beim Debüt, denn<br />

was ELEPHANT9 hier stattdessen mit Tasteninstrumenten<br />

an aggressiven noisigen Sounds produzieren, macht<br />

Gitarren auch nicht unbedingt notwendig. Und wie auch<br />

schon bei „DodoVoodoo“ stehen hier weniger konkrete<br />

Songs im Vordergrund als eine atmosphärische Umsetzung<br />

<strong>von</strong> Rhythmik, mal mehr mal weniger dissonant, und<br />

entweder extrem beschleunigt oder beunruhigend chillig<br />

Antoinette“ sogar in einer <strong>von</strong> Kevin Shields (MY BLOODY<br />

VALENTINE) bearbeiteten Version. Die Band löste sich<br />

1983 auf und versuchte sich 1998 an einer stillen (sprich:<br />

am öffentlichen Interesse vorbei gegangenen) Reunion.<br />

Diese Compilation mit 14 Songs fängt alle guten Momente<br />

der Band ein und glänzt erneut mit einem schönen Foto<br />

<strong>von</strong> Annabella Lwin. (8) Markus Kolodziej<br />

ESKORBUTO<br />

Maldito Pais<br />

2CD | Munster/Cargo | munster-records.com |<br />

65:09/59:47 || ESKORBUTO aus Santurtzi gründeten<br />

sich 1980, als das Ende der faschistischen Franco-Diktatur<br />

gerade mal ein paar Jahre<br />

her war und das Leben<br />

im verarmten Baskenland<br />

alles andere als ein<br />

großer Spaß war, als der<br />

Konflikt zwischen Polizei<br />

und den ETA-Separatisten<br />

die junge Demokratie<br />

belastete. Beeinflusst<br />

vom englischen<br />

Punkrock der Siebziger<br />

richtete sich die<br />

Wut des Trios so ziemlich<br />

gegen alles, und sie<br />

machte auch nicht Halt vor den Nationalisten ihrer Heimat.<br />

So schrieben sie, als sie 1983 auf einer Fahrt nach<br />

Madrid wegen angeblicher ETA-Unterstützung verhaftet<br />

wurden, den Song „A la mierda el País Vasco“, der 1984<br />

auf dem Debüt „Zona Especial Norte“ landete und mit dessen<br />

Titel sie sich in ihrer Heimat keine Freunde machten –<br />

„Verpiss dich, Baskenland!“ ist kaum patriotisch deutbar.<br />

Sowieso sangen ESKORBUTO immer Spanisch, verwendeten<br />

in Songtiteln gerne ein K statt des C, und wurden mit<br />

den Jahren zu einer der beliebtesten Punkbands Spaniens,<br />

die heute in der gesamten spanischsprachigen Punkwelt als<br />

eine der einflussreichsten gilt. Bis 1998 war eine letzte Version<br />

<strong>von</strong> ESKORBUTO noch aktiv, angeführt vom Gründungsmitglied<br />

und Drummer Pako, der 1992 die Band<br />

weiterführte, als seine Bandkollegen Iosu und Juanma<br />

ihrer Heroinabhängigkeit erlagen. Diese Doppel-CD, deren<br />

Booklet neben einer spanischen und einer englischen History<br />

diverse alte Fotos enthält, umfasst neben Sessions zur<br />

ersten Single das erste Demo, Proberaumaufnahmen und<br />

einige Live-Aufnahmen, vor allem <strong>von</strong> 1982, aber auch<br />

<strong>von</strong> 1984. Die Soundqualität ist mäßig, wer es etwas perfekter<br />

haben will, sollte sich nach den Alben umschauen,<br />

aber in Sachen, nun ja, „rauher Authentizität“ sind die<br />

Sachen erstklassig. Und der Klassiker „Maldito pais“, hier<br />

auf der Ox-CD zu hören, ist ein Hit. (8) Joachim Hiller<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

DAY BY DAY<br />

Animal Abuse Is Nothing Bygone<br />

LP | Twisted Chords/Broken Silence | twistedchords.de<br />

|| DAY BY DAY aus Karlsruhe waren <strong>von</strong> 1991<br />

bis 1995 aktiv. Da es nach wie vor reges Interesse an dieser<br />

Band gibt, hat nun Twisted Chords sämtliche Beiträge<br />

der Band auf schmuckem weißen Vinyl zusammengefasst.<br />

Wie der Plattentitel bereits verrät, machten Sängerin<br />

Tati und ihre Jungs das Thema Tierrechte und Widerstand<br />

gegen die Ausbeutung und Unterdrückung <strong>von</strong> Tieren zum<br />

Schwerpunkt. Musikalisch kenne ich nichts Vergleichba-<br />

– ELEPHANT9 bleiben dabei auf sehr sympathische Weise<br />

immer extrem unberechenbar. Alles beim Alten also, aber<br />

dennoch scheint „Walk The Nile“ das stilistische Spektrum<br />

der Norweger noch weiter verdichtet und perfektioniert<br />

zu haben. Eigenwilliger Freestyle-Rock in formvollendeter<br />

Ausprägung, der aber nicht nur auf einem unterkühlten<br />

akademischen Level verharrt, sondern wirklich mitreißen<br />

kann. (8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

ENTHRONED<br />

Pentagrammaton<br />

CD | Regain/Soulfood | regainrecords.com | 41:00<br />

|| Das Pentagrammaton: die Form des Pentagramms oder<br />

das Hauptgebäude der „Akademie der Hohen Magie“ –<br />

beides sagt genau das aus, was diese Institution aus Belgien<br />

ausdrücken will. Hier geht es um Okkultismus, Satanismus<br />

und Magie. Und das nicht nur in den Texten, denn<br />

man kann bei dieser Band ihre Überzeugung, ihren Hass<br />

hören, ja, förmlich spüren. Der Titelsong macht dieses eindrucksvoll<br />

deutlich und man befindet sich jetzt schon<br />

im Pentagrammaton auch wenn das Ganze noch „besser“<br />

klingen könnte. Ich meine hiermit eher dreckiger, dunkler<br />

und nicht ganz so „schön“ und „gut produziert“. Ich<br />

weiß, all dies sind im Allgemeinen Attribute für eine gute<br />

Platte, aber gerade hier wäre weniger sicher mehr gewesen.<br />

Klar ist „Pentagrammaton“ eine herausragende Black-<br />

Metal-Scheibe alter Schule, aber vielleicht haben Regain ja<br />

noch einen Rohmix, und den würde ich gern mal hören.<br />

(8) Andre Moraweck<br />

ENDLESS HALLWAY<br />

Autonomy Games<br />

CD | EMI | emimusic.de || Eigentlich bin ja nicht<br />

wirklich der Fachmann für Alternative Rock, den es wahrscheinlich<br />

benötigen würde, um ENDLESS HALLWAY<br />

aus Los Angeles angemessen rezensieren zu können, denn<br />

die „überbordenden Phantasiegebilde“ oder die „in allen<br />

Spektralfarben schillernden (...) Soundskulpturen“, <strong>von</strong><br />

denen das Bandinfo vollmundig spricht, hören sich für<br />

mich irgendwie an wie normale, sich an MUSE und Co.<br />

orientierende Rocksongs, die früher gut in MTVs „Alternative<br />

Nation“ gepasst hätten. Der Schreiber des Bandinfos<br />

hingegen verdient den Literaturnobelpreis der Musikindustrie.<br />

Oder auch nicht. (6) David Schumann<br />

EL BOSSO MEETS THE SKADIOLAS<br />

Helden der Nacht<br />

LP/CD | Sunny Bastards/Broken Silence | sunnybastards.de<br />

| 45:28 || Mit „Immer nur Ska“ schrieben EL<br />

BOSSO & DIE PING PONGS vor 20 Jahren Musikgeschichte<br />

und waren Inspiration für viele deutschsprachige Ska-<br />

Punkbands. Sänger El Bosso will es nun noch einmal wissen<br />

und startet mit der Münsteraner Punkband RADIOLAS,<br />

jetzt unter dem Namen SKADIOLAS ein Comeback. Neue<br />

Ska-Punk-Freunde werden sich mit „Helden der Nacht“<br />

wohl aber nicht gewinnen lassen, zu sehr werden hier doch<br />

Klischees bedient. So klingt die Gitarre bei allen Stücken<br />

gleich, und (fast) ohne irgendwelche Tempowechsel oder<br />

Breaks versinken auch die verunglückten beziehungsweise<br />

verskapunkten Coverversionen <strong>von</strong> „Runaround Sue“ oder<br />

„Bartender“ im Einheitsbrei. Die eigentlich handwerklich<br />

gute Musik, ausgestattet mit Kontrabass und exzellenten<br />

Bläsern (unter anderem mit Dr. Ring Ding an der Posaune),<br />

reicht nicht an alte Bosso-Songs wie „Immer nur Ska“ oder<br />

„Prinzessin“ heran. Immerhin kommt die Erstauflage im<br />

Digipak mit einem Stoffaufnäher und das Sunny Bastards-<br />

Sublabel Crazy United Records bietet eine auf 500 Stück<br />

limitierte, farbige Vinylausgabe an. (6) Kay Werner<br />

/RE-RELEASES<br />

res: ein bisschen werde ich an ABGESTORBENE GEHIRN-<br />

HÄLFTEN, PULLERMANN, SOFA HEAD oder VICE SQUAD<br />

erinnert, was aber nur bei der einen oder anderen Nummer<br />

zutrifft. Melancholische, an Independent erinnernde<br />

Melodieläufe kreuzen sich mit Crust-, Metal- und Punk-<br />

Elementen. Trotz engagierter Texte nervt mich auf Dauer<br />

die Produktion und deshalb vermute ich, dass diese Platte<br />

wirklich nur was für Leute ist, die mit DAY BY DAY aufgewachsen<br />

sind und mehr Bezug zu dieser Band haben. (6)<br />

Simon Brunner<br />

DEAD ELVIS AND HIS ONE MAN GRAVE<br />

Dig ’em Up!<br />

LP | Luna Sounds | luna-sounds.de || Der tote Fettsack<br />

beehrt uns hier also mit einer 14 Titel umfassenden<br />

Werkschau, bestehend aus einer Kollektion seiner schönsten,<br />

auf immerhin bereits vier (höchstwahrscheinlich<br />

schon lange vergriffenen) Siebenzöllern und einer 10“<br />

verteilten Songs, sowie vier bis dato noch unveröffentlichter<br />

Stücke, <strong>von</strong> denen wiederum zwei live in Finnland,<br />

beziehungsweise der Türkei mitgeschnitten wurden.<br />

Tja, und was soll ich sagen: Hielt ich den King zu seinen<br />

Lebzeiten zwar für einen recht begabten B-Movie-Darsteller,<br />

gleichzeitig jedoch als Rock’n’Roll-Ikone für maßlos<br />

überschätzt, so muss ich doch durchaus attestieren, dass<br />

mir das posthume Ouevre des ollen Hüftspeckwacklers<br />

ganz vorzüglich mundet! Um einiges roher und ungestümer<br />

noch als zu seinen wildesten Sun Records-Zeiten vermengt<br />

er hier klassischen Rockabilly mit einer ordentlichen<br />

Kelle Blues, einer fein abgeschmeckten Prise Country<br />

und verpackt das Ganze in eine äußerst angenehme LoFi-<br />

Garagenproduktion. Offensichtlich scheint es „the pelvis“<br />

recht gut bekommen zu sein, dass ihm im Laufe der letzten<br />

Jahre mit Hasil Adkins, Lux Interior und einigen anderen<br />

Haudegen schlagkräftige Unterstützung im „Rock’n’Roll<br />

heaven“ zuteil wurde. Auch wenn ein Großteil seiner ehemaligen<br />

Fans die Zuwendung zum räudigen Trash unverständlicher<br />

Weise wohl nicht zu goutieren scheint, denn<br />

hieß es früher nämlich noch „50,000,000 fans can’t be<br />

wrong“, so ist dieses Schmuckstück doch gerade mal auf<br />

schändliche 400 handnummerierte Exemplare limitiert –<br />

also besser schnell zugreifen! (7) Ben Bauböck<br />

ELÄKELÄISET<br />

Humpan Kuninkaan Hovissa<br />

CD | Nordic Notes/Broken Silence | nordic-notes.de<br />

| 72:47 || Das Konzept <strong>von</strong> ELÄKELÄISET setze ich mal<br />

als bekannt voraus, deshalb an dieser Stelle nur eine Kurzfassung:<br />

Seit den frühen<br />

Neunzigern hat sich das<br />

Nebenprojekt der ernsthaften<br />

Band KUMIKA-<br />

MELI zum monströsen<br />

Selbstläufer – mit Kultstatus<br />

– entwickelt. Das<br />

hundertfach erprobte<br />

Rezept, das man entweder<br />

lustig findet oder<br />

nicht: Bekannte Hits der<br />

Musikgeschichte werden<br />

im spartanischen Polka-<br />

Stil nachgespielt, den<br />

die Band als „Humppa“ bezeichnet, weil die Lieder eben<br />

so klingen. Sowohl vor wie auf der Bühne ist jede Menge<br />

Alkohol im Spiel, und ja, das ist lustiger als jede andere


EFTERKLANG<br />

Magic Chair<br />

CD | 4AD | 4ad.com | 43:52 || Dass EFTERKLANG aus<br />

dem hohen Norden kommen, merkt man schon irgendwie<br />

an ihrer klanglichen Melancholie in Moll, so klingen<br />

eben keine Engländer oder Amerikaner, selbst wenn die<br />

Dänen einen ähnlich verspielten, leicht experimentellen<br />

Kammerpop fabrizieren oder an Chicago-Post-Rock wie<br />

THE SEA AND CAKE erinnern. In Dänemark ist die Band<br />

offenbar recht populär, dennoch will ihr drittes Album<br />

aufgrund des durchgängigen Schlaffheitsgrads nicht so<br />

recht überzeugen. „Magic Chair“ ist mal wieder der Fall<br />

einer Platte, die recht schöne Soundideen aufweist, aber<br />

insgesamt mit wenig aufregendem Songmaterial aufwartet.<br />

Und mal ganz ehrlich, wenn man SIGUR RÓS haben<br />

kann, warum sollte man sich man mit deren radiotauglicher<br />

Alternative aus der zweiten Reihe zufrieden geben, die<br />

dann auch nicht mehr weit <strong>von</strong> COLDPLAY entfernt ist?<br />

EFTERKLANG sind im besten Falle ein recht indifferentes<br />

Vergnügen, aber eigentlich weiß ich schon jetzt nicht mehr,<br />

wie sie genau geklungen haben. (5) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

EASPA MEASA / DIVISIONS RUIN<br />

Split<br />

LP | Contraszt | diyordie.net || Beide auf dieser Split-<br />

LP vertretenen Bands spielen Hardcore mit massiver Crust-<br />

Schlagseite, der durchaus zu gefallen weiß. Dabei heben<br />

sich EASPA MEASA etwas deutlicher hervor, da sie ihre<br />

Songs mit jeder Menge Melodie versehen haben. In Kombination<br />

mit der Mischung aus männlichen und weiblichen<br />

Vocals keimen hier zuweilen Erinnerungen an die<br />

Franzosen ANANDA auf, die diesen Sound in den Neunziger<br />

Jahren etablierten. Die Qualität der Stücke <strong>von</strong> DIVISI-<br />

ONS RUIN sollte dennoch nicht unbeachtet bleiben, denn<br />

auch deren Songs gehen mehr als gut ins Ohr und machen<br />

Lust auf ein eigenes vollständiges Album. Empfehlenswerte<br />

Platte. (7) Jens Kirsch<br />

ELECTRIC PRESIDENT<br />

The Violent Blue<br />

CD | Fake Four Inc./Cargo | fakefourinc.com |<br />

46:06 || Drittes Album der beiden Musiker Ben Cooper<br />

und Alex Kane aus Jacksonville. Trotz sparsamster Besetzung<br />

gibt es keine Lagerfeuer-, sondern durchaus aufwändig<br />

arrangierte Träumermusik. Ein schlendernder<br />

Beat, dezente Klanglandschaften und drüber eine sanfte<br />

Stimme – Dreampop hat so etwas einmal jemand genannt.<br />

So weit, so gut. Hier und da aber lassen sich die beiden <strong>von</strong><br />

ihrer selbst erschaffenen Entspannungsmusik einlullen<br />

und kommen nur allzu behäbig <strong>von</strong> der Stelle. Sieht man<br />

über diesen kleinen Makel hinweg, kann man sich schön<br />

zurücklehnen und seinerseits einlullen lassen. (6)<br />

Christian Meiners<br />

ERLAND AND THE CARNIVAL<br />

E&TC<br />

CD | Full Time Hobby | fulltimehobby.co.uk | 46:28<br />

|| Das Trio ERLAND AND THE CARNIVAL sind Erland<br />

Cooper (Gesang, Gitarre), der bis 1999 bei THE VERVE<br />

spielende Simon Tong (Gitarre) und Schlagzeuger David<br />

Nock. Zusammen legen sie eine interessante Mischung aus<br />

Folk, Psychedelic und Fuzzing-Electronics vor. Die Einflüsse<br />

der Band kann man mit ein paar Worten oberflächlich<br />

einordnen: 13TH FLOOR ELEVATORS, Strange Folk<br />

à la Adam Green und den KINGS OF CONVENIENCE mit<br />

elektrischen Gitarren. Die Jungs lassen eine Collage entstehen,<br />

die ihre literarischen wie auch musikalischen Einflüsse<br />

zu einem ausgefeilten psychedelischen Folkmusik-<br />

Coverband, weil „Die Rentner“ es immer wieder schaffen,<br />

mit finnischen Texten die Originale so zu entfremden,<br />

dass selbst erfahrene Musikhörer ihre Mühe damit haben,<br />

das „geschändete“ Original herauszuhören. Ein großer<br />

Spaß, der in der ständigen Wiederholung zwar etwas leidet,<br />

aber damals, 1995, als dieses (ihr zweites) Album erstmals<br />

erschien, war die Sache noch neu. Die Neuauflage, für<br />

die die originalen 24 Songs um vier Bonustracks ergänzt<br />

wurden, ist entsprechend was für die Späteinsteiger, gehört<br />

aber zur Grundausstattung in Sachen ELÄKELÄISET, finden<br />

sich hier doch die Verwurstungen <strong>von</strong> solch Klassikern<br />

wie „Ace of spades“, „Viva Las Vegas“ oder „Dancing with<br />

myself“, „Living on a prayer“, „Personal Jesus“ oder „Enola<br />

Gay“, wobei man die Fachkundigkeit der Finnen daran<br />

erkennt, dass selbst so ein Klassiker wie „Open your eyes“<br />

<strong>von</strong> LORDS OF THE NEW CHURCH dran glauben musste.<br />

Auch nach 15 Jahren noch großartig! (9) Joachim Hiller<br />

GOVERNMENT ISSUE<br />

The Punk Remains The Same<br />

MCD | DC-Jam | dcjamrecords.com | 07:43 ||<br />

Eigentlich totaler Quatsch, so was auf CD zu veröffentlichen,<br />

aber zumindest existiert wohl auch noch eine<br />

7“. Ein klassischer Rerelease ist das hier nicht, sondern<br />

eine 5-Song-Live-EP mit Aufnahmen aus den Jahren<br />

1982 und 1983. „Notch to my crotch“ und „Sheer terror“<br />

(aufgenommen in Washington, DC am 13.05.1983)<br />

sowie, „Snubbing“, „Hour of 1“ und „Happy people“<br />

(vom 22.10.1982). Ob und wo und wann die zuvor schon<br />

erhältlich waren, ist mir nicht bekannt, doch dokumentieren<br />

sie die rohe, mitreißende Härte der Frühphase der<br />

Band um John Stabb. Für Neueinsteiger gibt es wichtigere<br />

G.I.-Releases (ich empfehle die zweiteilige „Complete<br />

History“ auf Dr. Strange), doch für Fans ist „The Punk<br />

Remains The Same“ durchaus okay. (7) Joachim Hiller<br />

KLEENEX/LILIPUT<br />

Live Recordings, TV-Clips & Roadmovies<br />

CD+DVD | Kill Rock Stars | killrockstars.com ||<br />

Jaaa, eigentlich ... eigentlich sind Live-Platten in 99%<br />

der Fälle komplett überflüssig. Ein Ausnahmefall ist diese<br />

Zusammenstellung der Schweizer Ur-Punkband KLEE-<br />

NEX, die, 1978 gegründet, ab 1980 aus nahe liegenden<br />

Gründen <strong>von</strong> einer gewissen Firma zur Namensänderung<br />

gedrängt wurde und bis zur Auflösung 1983 als LILIPUT<br />

weitermachte. Dass diese Live-Platte nebst uraltem Filmmaterial<br />

auf der DVD nun auf dem US-Label Kill Rock<br />

Stars erscheint (wie 2001 auch „The Complete Recordings“),<br />

hängt damit zusammen, dass KLEENEX/LILIPUT<br />

in ihrer Urform eine reine Frauenband waren, was dazu<br />

führte, dass sie <strong>von</strong> der in den Neunzigern entstandenen<br />

US-Riot-Grrrl-Szene zu Pionierinnen jener Bewegung<br />

erkoren wurden, was angesichts der Tatsache, dass BIKINI<br />

KILL und andere auf Kill Rock Stars veröffentlichten, das<br />

Interesse des Labels <strong>von</strong> der US-Westküste erklärt. Auf der<br />

Audio-CD dieses Doppelpacks finden sich zwei Konzertmitschnitte<br />

in jeweils sehr guter Qualität, also keinesfalls<br />

irgendwelche schäbigen Bootleg-Recordings aus dem<br />

Publikum. Den Anfang machen zehn Songs <strong>von</strong> KLEENEX<br />

aus Biel <strong>von</strong> 1979, gefolgt <strong>von</strong> 14 LILIPUT-Stücken, 1983<br />

in Zürich mitgeschnitten. Letztere Aufnahmen verantwortet<br />

das Schweizer Radio DRS3, entsprechend professionell<br />

sind sie auch und dokumentieren die musikalische Ausgereiftheit<br />

der Band, die wegen ihrer personellen Konstellation<br />

damals gerne mit der englischen Frauen-Punkband<br />

SLITS verglichen wurde, oder auch mit X-RAY-SPEX, was<br />

musikalisch nicht unbedingt Sinn machte, aber angesichts<br />

eines Mangels an anderen Vergleichsmöglichkeiten mit<br />

Betonung des Geschlechts auf der Hand lag. Die DVD ent-<br />

Album verbinden. Ein psychedelischer Background begleitet<br />

die Songs, Synthies blubbern mal dezent im Intro, mal<br />

in kleinen Pausen und werden genau auf den Punkt eingesetzt.<br />

Hörtip ist „You don’t have to be lonely“, der phänomenale<br />

Opener „Love is a killing thing“ und als persönlicher<br />

Favorit „The sweeter the girl the harder I fall“. Schönes,<br />

interessantes und unterhaltsames Album des Strange<br />

Folk – überraschend gut! (8) <strong>Thomas</strong> <strong>Neumann</strong><br />

fff<br />

FABULOUS PENETRATORS<br />

With Love<br />

LP/CD | Stag-O-Lee | stag-o-lee.com | 40:11 || Ich<br />

hatte bereits das Vergnügen, die famose „The Hump“-Single<br />

der FABULOUS PENETRATORS zu besprechen. Jetzt<br />

legt die Londoner Band auf Albumlänge noch mal ordentlich<br />

nach, denn ein wilderer, frischerer und unverbrauchterer<br />

Stilmix aus Garage, Rock, Soul, R&B, Psych, Glam und<br />

Rockabilly lässt sich derzeit auf internationalem Parkett<br />

wohl schwer finden. Man stelle sich einfach vor, die HIVES<br />

hätten nicht angefangen, mit bekackten HipHop-Produzenten<br />

zu kungeln, sondern stattdessen intensiv Platten <strong>von</strong><br />

den FUZZTONES, MAKERS, STONES oder SONICS gehört<br />

und sich einfach aufs Wesentliche beschränkt: Geile Rockmusik!<br />

Außerdem wurde das Abziehbild <strong>von</strong> Sänger rausgekickt<br />

und stattdessen ein echt manischer Rock’n’Roll-<br />

Bastard ans Mikro gestellt. Statt MTV-Party wird der Rotlichtbezirk<br />

angesteuert, statt Champagner gibt’s Billig-<br />

Whiskey, statt Zigarren gibt’s Selbstgedrehte, Backpulver<br />

statt Kokain und Kaschemmenprügelei statt Supermodel-<br />

One-Night-Stand. Wenn ihr versteht, was ich meine ... Ein<br />

Song wie „Shake yer bones“ darf da übrigens durchaus als<br />

Aufforderung angesehen werden. Bumsmusik galore und<br />

damit eine Platte, die richtig Spaß macht. (8) Bernd Fischer<br />

FALL APART<br />

Through Your Eyes<br />

CD | Cobra | myspace.com/cobraxrecords | 27:48<br />

|| Moderner Oldschool-Hardcore der schnelleren Sorte<br />

mit hier und da eingestreuten rockigen Passagen aus der<br />

Schweiz. Bei Erscheinen dieses Heftes wird die Band bereits<br />

Geschichte sein und über Tote spricht man nicht schlecht.<br />

Trotzdem muss ich sagen, dass mich die elf Lieder ziemlich<br />

gelangweilt haben. Zu marginal sind die Unterschiede zu<br />

Bands wie THIS IS HELL, GO IT ALONE oder CHAMPION,<br />

wobei diese Bands ja auch schon der was-weiß-ich-wievielte<br />

Aufguss des immer gleichen Tees sind. Handwerklich<br />

und produktionstechnisch wie die „Großen“, aber das<br />

kann leider kein Qualitätskriterium sein. (5)<br />

Sebastian Banse<br />

FALL OF EFRAFA<br />

Inlé<br />

CD/2LP | Denovali | denovali.com | 79:29 || „Inlé“<br />

ist der abschließende dritte Teil einer an Richard Adams’<br />

Buch „Watership Down“ angelehnten Album-Trilogie der<br />

Engländer FALL OF EFRAFA. Es stellt gleichzeitig auch das<br />

letzte Kapitel in der Historie einer Band dar, um die sich<br />

in ihrer Heimat kaum jemand scherte, um die in unseren<br />

Gefilden aber ein enormer Wind gemacht wurde.<br />

Die Begeisterung, die auch ich noch für das Vorgängeralbum<br />

„Elil“ aufbringen konnte (vgl. Review in Ox #79),<br />

ist derweil purer Ernüchterung gewichen. Was bleibt, ist<br />

höchstens okayer Neocrust, der versucht, sich sowohl mit<br />

einem außermusikalischen Programm als auch dem Versuch<br />

der Einbindung postrockiger Fragilität vom Genre-<br />

hält je drei TV-Clips <strong>von</strong> KLEENEX und LILIPUT sowie den<br />

1982 auf der Europatour <strong>von</strong> LILIPUT gedrehten Super-8-<br />

Film „Roadmovie“. Sicherlich ist die alte Komplett-Diskografie<br />

der beiden Bands essentieller, für Fans jedoch stellt<br />

dieses Doppelpack Pflichtmaterial dar. (8) Joachim Hiller<br />

JIMI HENDRIX<br />

Valleys Of Neptune<br />

CD | Experience Hendrix/Sony | jimihendrix.com |<br />

61:59 || Glaubt man den Bootleg-Sammlern, existieren<br />

im Grunde schon seit Jahren keinerlei unveröffentlichte<br />

Aufnahmen mehr <strong>von</strong> Jimi Hendrix. Bewegt man sich<br />

dagegen ausschließlich in der Legalität, gibt es eben dann<br />

und wann doch mal etwas „Neues“ zu entdecken. Aktuell<br />

im„Previously unreleased“-Fach ist „Valleys Of Neptune“,<br />

eine Sammlung <strong>von</strong> zwölf Songs, die Hendrix 1969,<br />

also nach dem letzten offiziellen Album „Electric Ladyland“,<br />

aufnahm, zum Teil mit der JIMI HENDRIX EXPE-<br />

RIENCE, zum Teil mit dem Bassisten Billy Cox als Ersatz<br />

für den geschassten Noel Redding. Ob wir es hier also mit<br />

dem eigentlich vierten Album Hendrix’ zu tun haben, darf<br />

bezweifelt werden, schließlich war der Mann in der Auswahl<br />

seiner Songs respektive ihrer verschiedenen Versionen<br />

extrem wählerisch, da hätte also noch einiges passieren<br />

können. Nehmen wir „Valleys Of Neptune“ also als<br />

das, was es ist: zwölf Songs, die hier in der Form vorliegen,<br />

wie sie zum jeweiligen Zeitpunkt aufgenommen wurden.<br />

Das schließt Neubearbeitungen <strong>von</strong> bereits Veröffentlichtem<br />

wie „Stone free“, „Fire“ oder „Red house“ ein, es<br />

sind aber auch Stücke dabei, die wohl wirklich nur emsige<br />

Hendrix-Fans besitzen dürften. Diesen Alleswissern und<br />

-kennern dürfte aber zumindest der Sound dieser Aufnahmen<br />

hier neu sein, schließlich wurden sie erst vor kurzem<br />

vom Hendrix-Tontechniker Eddie Kramer neu bearbeitet.<br />

Dass „Valleys Of Neptune“ als richtiges Album nicht funktionieren<br />

will, liegt am Wissen, dass es keines ist; an der<br />

Zusammenstellung, dem informativen Booklet und natürlich<br />

der Musik selbst gibt es aber nichts zu meckern. (8)<br />

André Bohnensack<br />

LUCY SHOW<br />

... Undone<br />

CD | Words On Music/Broken Silence | words-onmusic.com<br />

| 44:38 || Zuerst war ich ja versucht, in<br />

dieser Besprechung „... Undone“ <strong>von</strong> LUCY SHOW als<br />

ein klassisches Retro-Achtziger-New-Wave-Post-Punk-<br />

Album einzuordnen, als Bands wie CURE, MAGAZINE,<br />

COMSAT ANGELS, oder TEARDROP EXPLODES die Energie<br />

des Punk nutzten, mit psychedelischen Gitarrensounds<br />

kombinierten und so bittersüße Pop-Juwelen kreierten.<br />

Da lese ich, dass es sich bei „... Undone“ um einen Rerelease<br />

handelt. Das Album wurde vor über 25 Jahren veröffentlicht<br />

und war 1985 das Debüt der vierköpfigen Londoner<br />

Post-Punk-Band LUCY SHOW. Zu dieser Zeit hatten sich<br />

Post-Punk-Bands der ersten Stunde wie MAGAZINE und<br />

TEARDROP EXPLODES längst aufgelöst oder wurden wie<br />

im Fall <strong>von</strong> CURE oder COMSAT ANGELS bedeutend poppiger.<br />

Das war offenbar der Beweggrund für LUCY SHOW,<br />

diesen damals ja schon recht alten und gar nicht angesagten<br />

Stil wieder aufleben zu lassen. Zwar habe ich LUCY<br />

SHOW seinerzeit verpasst, aber auch 2010 klingen die elf<br />

Songs erstaunlich frisch und relevant. (8) Kay Werner<br />

MODEL PRISONERS<br />

Cow Milking Music<br />

LP+CD | Disturbed/Cargo || By Disturbed Records<br />

handelt es sich um das Label <strong>von</strong> Sonny Vincent, und man<br />

ahnt es, der alte Haudegen hat auch was mit dieser Band<br />

zu tun. Bei den MODEL PRISONERS handelt es sich um<br />

Rest abzusetzen. Es scheint jedoch, als wären der Band<br />

auf der Zielgeraden die Ideen für eine adäquate Umsetzung<br />

alldessen ausgegangen: rhythmisch immer gleich,<br />

harmonisch streng monoton, gesanglich abwechslungsarm<br />

grunzblubbernd. Das Album plätschert seltsam leblos<br />

dahin, ist durchgehend in einer auf die Dauer einschläferndem<br />

Midtempo-Viskosität gehalten und mit überlangen,<br />

klimperigen Post-Rock-Versuchen künstlich auf ultrazähe<br />

80 Minuten aufgebläht. Schwerfälligkeit meint hier<br />

nicht massive Wucht, sondern träge Langeweile. Abgesehen<br />

<strong>von</strong> der Idee der inhaltlichen Adaption Adams’ und seiner<br />

zugegebenermaßen ziemlich gelungenen textlichen<br />

Umsetzung, kommt da einfach zu wenig rüber.<br />

Konstantin Hanke<br />

FAUST<br />

Faust Is Last<br />

2CD | Klangbad/Broken Silence | klangbad.de<br />

| 48:51/45:09 || Letztes Jahr gab es via Bureau B das<br />

FAUST-Album „C’est Com... Com... Compliqué“, mit<br />

dabei die beiden Gründungsmitglieder<br />

Jean-<br />

Hervé Peron und Werner<br />

Diermaier, aber wo<br />

war eigentlich Hans Joachim<br />

Irmler? Offenbar<br />

existieren inzwischen<br />

zwei <strong>von</strong> einander unabhängige<br />

Inkarnationen<br />

der Krautrock-Legende<br />

FAUST, denn Mitte April<br />

erscheint auf Irmlers<br />

Label Klangbad dessen<br />

Album (in einem ästhetisch<br />

sehr ansprechenden Digipak) unter diesem Namen,<br />

eingespielt mit Schlagzeuger Jan Fride <strong>von</strong> KRAAN, neben<br />

Steven Wray Lobdell, Lars Paukstatt und Michael Stoll, die<br />

schon länger mit Irmler zusammenarbeiten. Unberechenbar<br />

waren FAUST ja schon immer und sind wahrscheinlich<br />

auch deshalb immer noch in der Lage, aufregende<br />

Musik zu schaffen, man könnte das auch alternativ „in<br />

Würde altern“ nennen. „Faust Is Last“ (Ist das überhaupt<br />

korrektes Englisch? FAUST sind die Letzten?) ist jedenfalls<br />

ein schwerer Noiserock-Brocken, mit dem die Band<br />

mal wieder ihrem Ruf als geniale Dilettanten gerecht wird,<br />

denn entweder jammt man hemmungs- und richtungslos<br />

herum oder es entwickeln sich dabei sehr griffige, regelrecht<br />

eingängige Parts, bei dem die Band zwischen fuzzigem,<br />

hartem Psychedelic-Rock, lärmigem Industrial und<br />

durchaus auch mal entspannten Ambient-Klängen hin<br />

und her schaltet. Man könnte anmerken, dass man das im<br />

Detail alles schon mal gehört hat und dass FAUST irgendwie<br />

alles und nichts können, aber in der Gesamtheit hinterlässt<br />

„Faust Is Last“ dann doch wieder Eindruck – sicherlich<br />

auch abhängig da<strong>von</strong>, mit welcher Erwartungshaltung<br />

man an so eine Platte herangeht. Leicht verdaulich ist<br />

das natürlich nicht, streckenweise regelrecht anstrengend,<br />

aber diese Form <strong>von</strong> musikalischer Radikalität der Vollblut-Avantgardisten<br />

hat auf jeden Fall ihren Reiz. Ein Stück<br />

haben sie den Kollegen CLUSTER gewidmet: 20 Sekunden<br />

extrem beschleunigter Lärm, ein netter Scherz. Auf<br />

der zweiten Disc gibt es weitere sieben Stücke, wo man sich<br />

vollends auf reine, etwas entspanntere, aber immer noch<br />

recht noisige Klangcollagen mit rhythmischem Charakter<br />

konzentriert, bei denen auch Irmlers Orgelspiel sehr schön<br />

zur Geltung kommt. Eventuell ist das sogar die spannendere<br />

der beiden CDs, denn FAUST gelingen dabei äußerst<br />

atmosphärische Momente, die dem näher kommen, was<br />

jenes Bandprojekt, das er Mitte der Achtziger mit Bob Stinson<br />

<strong>von</strong> den REPLACEMENTS ins Leben rief, nachdem der<br />

<strong>von</strong> seinen Bandkollegen rausgeworfen worden war, was<br />

angeblich auch was mit seinem Alkoholkonsum zu tun<br />

hatte. Sonny Vincent, der Anfang der Achtziger <strong>von</strong> New<br />

York nach Minneapolis gezogen war, hatte dort schnell<br />

Bon Stinson kennen gelernt, der unbedingt in Sonnys Band<br />

spielen wollte und dafür sogar die REPLACEMENTS verlassen<br />

wollte. Sonny riet ihm ab, doch als Bob dann Jahre<br />

später ohne Band dastand, gewährte er ihm Asyl und die<br />

MODEL PRISONERS entstanden. In seinen ausführlichen<br />

Linernotes schreibt Sonny im Detail über seine schwierige<br />

Beziehung mit Bob, der einerseits ein guter Kumpel und<br />

exzellenter Musiker war, aber auch ein psychisches Wrack<br />

und ein Alkoholiker, der weder nüchtern noch volltrunken<br />

spielen konnte, sondern nur mit einem bestimmten<br />

Pegel. Das klingt in Vincents Erinnerungen lustiger als<br />

es wohl war, und so war der Band auch keine lange Karriere<br />

vergönnt: 1988 war wieder alles vorbei, auch wenn<br />

Sonny und Bob immer wieder zusammen spielten, so auch<br />

auf Touren in Europa, zuletzt 1995 kurz vor Bobs Tod. Auf<br />

dieser LP in blauem Vinyl nun, der die Songs auch im CD-<br />

Format beiliegen, finden sich die Aufnahmen der MODEL<br />

PRISONERS, die Sonny Vincent aus verschiedenen Quellen<br />

und in sehr unterschiedlicher Qualität rekonstruieren<br />

konnte. Es ist Material für Fans und Freunde, das sich stilistisch<br />

kein Stück vom Seventies-NYC-Proto-Punk-Sound<br />

<strong>von</strong> Vincents anderen Bands unterscheidet – ein Release<br />

<strong>von</strong> vor allem dokumentarischem Wert. (7) Joachim Hiller<br />

PAINTED WILLIE<br />

Mind Blowing<br />

CD | DC-Jam | dcjamrecords.com | 32:04 || Ein<br />

Großteil des mittlerweile bei Katalognummer 377 (Stand<br />

2008) angelangten Outputs, des legendären SST-Labels ist<br />

längst out of print und man wünscht sich sicher nicht bei<br />

allen Releases eine Neuauflage, da neben viel Gold auch<br />

reichlich Blech veröffentlicht wurde. Doch das PAIN-<br />

TED WILLIE-Album „Mind Bowling“ <strong>von</strong> 1985 (SST 058)<br />

gehört nicht zur eher redundanten Masse. Mir waren sie<br />

1986 mit ihrem Track („The big time“) auf der „Program:<br />

Annihilator“-Label-Compilation aufgefallen, und da speziell<br />

ihr Drummer Dave Markey kein Unbekannter ist in<br />

der L.A.-Punk-Szene, ist es um so relevanter, dass DC-<br />

Jam Records jetzt dieses Album neu aufgelegt hat. PAIN-<br />

TED WILLIE waren seinerzeit aus der nicht unbekannten<br />

L.A.-Band SIN 34 hervorgegangen, hatten vor ihrem<br />

Deal mit SST eine 7“ und eine 12“ veröffentlicht und legten<br />

mit „Mind Blowing“ ihr SST-Debüt vor. 1986 gingen<br />

sie ein halbes Jahr lang mit BLACK FLAG auf Tour, 1987<br />

dann kam ihr zweites Album, bevor es mit der Band wieder<br />

vorbei war. Markey taucht auch im BLACK FLAG-Buch<br />

„Spray Paint The Walls“ auf, und er war es, der schon früh<br />

die L.A.-Punk-Szene mit der Kamera dokumentierte und<br />

so verwundert es nicht, dass er bis heute unzählige Musikfilme<br />

(unter anderem „1991: The Year Punk Broke“ über<br />

SONIC YOUTH) und Musikvideos gedreht hat. Musikalisch<br />

fügten sich PAINTED WILLIE seinerzeit in den rhythmischen<br />

(Post-)Punk <strong>von</strong> Bands wie MINUTEMEN/fIRE-<br />

HOSE, MEAT PUPPETS oder SACCHARINE TRUST ein,<br />

waren aber etwas weniger anstrengend. Ein interessanter<br />

Rerelease, dem man einige Bonus-Songs sowie vernünftige<br />

Linernotes hätte spendieren sollen. (8) Joachim Hiller<br />

PAVEMENT<br />

Quarantine The Past: The Best Of<br />

CD | Domino | dominorecordco.com | 73:02 ||<br />

2010 ist das Jahr des PAVEMENT-Comebacks, denn elf<br />

Jahre nach den letzten Konzerten im Herbst 1999 ist<br />

rEvIEws<br />

man im Allgemeinen unter Krautrock versteht, eben die so<br />

genannte „Kosmische Musik“, also experimenteller Spacerock,<br />

der die Beschränkungen <strong>von</strong> Zeit und Raum aufhebt.<br />

Insofern hat auch Julian Copes Aussage „There is no<br />

group more mythical than FAUST“ immer noch Bestand.<br />

(9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

FANSHAW<br />

Dark Eyes<br />

CD | Mint/Broken Silence | mintrecs.com | 33:09<br />

|| Auf „Dark Eyes“ werden Themen wie unerfüllte Sehnsüchte,<br />

Einsamkeit und Verzweiflung <strong>von</strong> Oliva Fetherstonhaughs,<br />

einer kanadischen Sängerin und Songwriterin,<br />

gekonnt in eindringliche Erzählungen gepackt. Zusammen<br />

mit Shane Turner und Johnny Payne arbeitete Oliva Fetherstonhaughs<br />

fünf Jahre an dem Debütalbum <strong>von</strong> FANS-<br />

HAW. Obwohl die Band Kate Bush, Ella Fitzgerald und CAT<br />

POWER als wichtige Einflüsse nennt, bewegt sich die Musik<br />

auf einem schmalen Pfad zwischen Düsterpop und Folkballade.<br />

Fünf Jahre sind eine lange Zeit für ein Album, aber<br />

es hat sich gelohnt, besonders wenn die Stücke mit einer<br />

solch eindringlichen Stimme vorgetragen werden. (7)<br />

Kay Werner<br />

FRAMES<br />

Mosaik<br />

CD | Steamhammer/SPV | spv.de | 60:00 || Mit<br />

„Mosaik“ präsentieren die Hannoveraner FRAMES ihr<br />

Debütalbum, auf welchem sie sich epischem, instrumentalem<br />

Art Rock, genannt Post Rock hingeben. Das ist natürlich<br />

risikoreich, denn aufgrund der immensen Flut an<br />

Genrekollegen ist es denkbar schwer, sich noch irgendwie<br />

musikalisch abzusetzen und seiner Musik einen eigenen<br />

Stempel aufzudrücken. Man kann FRAMES jedoch attestieren,<br />

dass ihnen genau dies gelungen ist. Statt sich also<br />

im Laut/Leise-Prinzip, der Mischung aus klimpernden<br />

Gitarren und gewaltigen Riffgebirgen zu ergehen, macht<br />

man sich Melodien aus dem Bereich des avantgardistischen<br />

Pop zu Nutze und flechtet jene in seine imposanten<br />

Kompositionen ein. Bleibt unterm Strich festzuhalten,<br />

dass „Mosaik“ eine äußerst kurzweilige Stunde Musik enthält,<br />

die nicht zwingend nur Genrefans gefallen dürfte. (7)<br />

Jens Kirsch<br />

FEUERWASSER<br />

Stürme der Zeit<br />

CD | feuerwasserpunk.com | 36:13 || Wenn ein<br />

Bandname passt, dann wirklich dieser. Denn die Jungs <strong>von</strong><br />

FEUERWASSER nehmen in ihren Titeln kein Blatt vor den<br />

Mund und feuern in alle erdenklichen Richtungen munter<br />

drauf los. Politisch, gesellschaftskritisch und aufmüpfig<br />

sind ihre Texte. Untermauert mit einem straighten Sound,<br />

weiß man <strong>von</strong> der ersten Minute an, um was es der Band<br />

geht. Dass hier vor allem die etwas härtere Gangart geboten<br />

wird, versteht sich dabei <strong>von</strong> selbst. Metal-Anleihen sind<br />

des Öfteren zu vernehmen, Melodien nur in Ausnahmefällen.<br />

Einer dieser Ausnahmefälle ist der für mich stärkste<br />

Titel „Du bist Deutschland“. Ansonsten geht es in 13 Songs<br />

ihres Erstlingswerks äußerst energisch zugange. Ein Album,<br />

das einem in bestimmten Stimmungslagen viel gibt, in<br />

anderen eher weniger. (6) Sven Grumbach<br />

FAT BELLY<br />

Turn The Amplifiers On (Alter!)<br />

CD | G-Force | g-forcerecords.de | 45:38 || FAT<br />

BELLY kommen aus Hannover und sind seit 2001 am Start.<br />

Anfangs ein Trio, sind sie inzwischen auf ein Quintett in<br />

„klassischer Besetzung“ angewachsen (Gesang, zwei Gitar-<br />

die Band um Stephen Malkmus wieder live aktiv. Und<br />

da man da<strong>von</strong> ausgehen muss, dass der Name zwar über<br />

all die Jahre durchaus in Erinnerung geblieben ist oder<br />

zumindest im Kontext <strong>von</strong> THE JICKS und SILVER JEWS<br />

genannt wurde, wo Malkmus in den letzten zehn Jahren<br />

unter anderem in Erscheinung trat, aber auch die Tatsache,<br />

dass die PAVEMENT-Klassiker „Slanted And Enchanted“<br />

(1992), „Crooked Rain, Crooked Rain“ (1994) und<br />

„Wowee Zowee“ (1995) in den letzten Jahren als Deluxe-<br />

Rereleases neu aufgelegt wurden, belegt, dass PAVEMENT<br />

zwar „dead, but not forgotten“ waren. Nun sind manche<br />

Menschen der Meinung, das Schaffen <strong>von</strong> Malkmus & Co.<br />

sei im US-Indierock-Kanon so wichtig wie das <strong>von</strong> DINO-<br />

SAUR JR und SONIC YOUTH, doch der Meinung war ich<br />

nie, waren mir PAVEMENT bei aller grundsätzlichen Sympathie<br />

und Wertschätzung doch immer etwas zu verkopft.<br />

Wie dem auch sei, mit Hilfe dieser 23 Songs umfassenden<br />

Compilation, die aus dem Material der erwähnten ersten<br />

drei Alben ebenso schöpft wie aus dem <strong>von</strong> „Brighten<br />

The Corners“ (1997) und „Terror Twilight“ (1999) gibt<br />

es jetzt eine klassische Best-Of-Zusammenstellung, denn<br />

man muss im Vorfeld der Reunion-Shows da<strong>von</strong> ausgehen,<br />

dass – vom Bandnamen abgesehen – die eigentliche Musik<br />

nicht jedem unter 30 bekannt ist. Was mir beim Durchhören<br />

auffiel: Der Reiz <strong>von</strong> PAVEMENT lag und liegt in<br />

der Unaufdringlichkeit ihrer Stücke, in der Unaufgeregtheit,<br />

in Malkmus’ nonchalanter Art zu singen. Und so ist<br />

diese Zusammenstellung der ideale Einstieg in die Welt <strong>von</strong><br />

PAVEMENT. (9) Joachim Hiller<br />

REJECTED YOUTH<br />

Angry Kids<br />

CD | Concrete Jungle | conretejunglerecords.com |<br />

42:44 || Endlich, endlich ist der 2005er und laut Band<br />

ihr „ultimativster, kraftvollster“ Longplayer <strong>von</strong> REJECTED<br />

YOUTH aus Nürnberg wieder erhältlich. Neben einem<br />

neuen, aufwendig verarbeiteten Cover mit allen Lyrics gibt<br />

es Bonustracks, einen <strong>von</strong> damals unveröffentlichten Song,<br />

Bandfotos, mp3-Versionen aller Titel und alles, was das<br />

Herz sonst noch begehrt. Altbekannt, nur in etwas besserer<br />

Qualität sind natürlich auch die regulären Songs dabei, und<br />

wen würde es wundern, die sind noch genauso gut oder<br />

schlecht wie sie schon bei Erstveröffentlichung waren. Also<br />

nicht lange nachdenken: zugreifen, bevor auch die schicke<br />

Neuauflage dieses Streetpunk-Klassikers ausverkauft ist.<br />

Judith Richter<br />

RIP CARSON AND THE TWILIGHT TRIO<br />

Savage American Rock<br />

Stand Back!<br />

CD | Part | part-records.de || Persönlichkeiten, die<br />

man bereits auf CD als solche erkennt, sind selten. Rip Carson<br />

ist so einer. Ohne ihn je gesehen zu haben, was sich<br />

heute durch YouTube schnell ändern ließe, kann man<br />

seine Energie und seine Ausstrahlung spüren. Der Mann<br />

geht steil. Und das mit rohem Fünfziger Rock’n’Roll der<br />

Extraklasse. Die beiden CDs „Savage American Rock“ und<br />

„Stand Back“ sind 1999 beziehungsweise 2000 erschienen<br />

und damit schon circa zehn Jahre alt. Dieser ursprüngliche<br />

Rock’n’Roll ist mittlerweile aber zeitlos. Die Platten<br />

könnten auch 20 oder 30 Jahre alt sein und Rip Carlson<br />

ein Weggefährte <strong>von</strong> Gene Vincent, der sicher seine Freude<br />

daran gehabt hätte. Der Gesang wäre in den wilderen Stücken<br />

auch für viele aktuelle Psychobilly-Bands eine Bereicherung.<br />

Facettenreicher habe ich diese Garage-Variante<br />

des Rockabilly lang nicht mehr gehört. Rip Carson ist übrigens<br />

immer noch aktiv, allerdings scheinbar mit wechselnder<br />

Band. Augen auf halten, vor allem, wer mal nach San<br />

Diego kommt. (8) Robert Noy<br />

OX-FANZINE 93


EvIEws<br />

SLIM CESSNA’S AUTO CLUB<br />

Buried Behind The Barn<br />

CD | Alternative Tentacles | alternativetentacles.com<br />

|| Neuer beziehungsweise eigentlich alter Stoff für alle<br />

SCAC-Fans: SLIM CESSNA’S AUTO CLUB, die düsteren<br />

Country/Americana-Musiker rund um die beiden Sänger<br />

Slim und Munly veröffentlichen mit „Buried Behind<br />

The Barn“ acht Songs in ihrer Rohfassung, alle fanden sich<br />

später entweder auf einem Album oder einer Compilation<br />

wieder. Warum das Ganze also, wird sich der eine oder<br />

andere fragen? Der devote SCAC-Fan stellt diese Frage aber<br />

natürlich nicht: Man ist glücklich, Songs wie das großartige<br />

„Cranston“, quasi die Hitsingle auf dem Album „The<br />

Bloudy Tenent Truth Peace“, in ihrer ursprünglichen, und<br />

wie ich finde, besseren Version hören zu dürfen. Das Interessante<br />

an „Buried Behind The Barn“ ist, dass hier der<br />

dunkle Country-Punk <strong>von</strong> Jello Biafras Lieblingen in ihrer<br />

ungeschliffenen und etwas rauheren Form zu hören ist.<br />

Stücke wie das auf der Compilation „Radio 1190“ erschienene<br />

„Angel“ oder „Earthquake“ (ein Vinyl-only track auf<br />

„Always Say Please And Thank You“) werden darüber hinaus<br />

auch so manchem Fan vielleicht nicht bekannt sein.<br />

Der allen SCAC-Fans bekannte Song „Shady lane“, ebenfalls<br />

<strong>von</strong> „The Bloudy Tenent Truth Peace“ findet sich hier in<br />

einer etwas relaxteren und ruhigeren Version, die durchaus<br />

seine Berechtigung neben der späteren Albumversion<br />

hat. „Buried Behind The Barn“ erscheint ebenfalls als 10“<br />

mit Download-Code und ist für alle SCAC-Anhänger ein<br />

Pflichtkauf. (8) Robert Buchmann<br />

TALCO<br />

Mazeltov<br />

CD | Destiny/Broken Silence || 2008 erschien diese<br />

Album bereits auf Mad Butcher, jetzt gibt es eine Neuauflage<br />

auf Destiny und ich zitiere Simon Brunners damalige<br />

Rezension: „Da auf Black Butcher erschienen, rechnete ich<br />

eigentlich mit einer Ska-(Punk-)Band. TALCO hat aber<br />

mit Offbeat nicht viel zu tun. Fette Gitarren, ein wuchtiges<br />

Schlagzeug, ein straighter Bass, aber scharfes Gebläse<br />

peitschen das italienische Wortgefecht des Sängers voran.<br />

Die ganz eigene Note verschaffen sich TALCO durch Verwendung<br />

italienisch-folkloristischer Musik, die vom traditionellen<br />

Intro meistens in ein heftiges, wenn auch sehr<br />

melodisches Punk-Gewitter umschlägt. Gekonnt verwenden<br />

TALCO Akustikgitarren, Ziehharmonika, Trompeten,<br />

Tuba und Violine, bis die fett produzierten Drums und<br />

die Gitarrenwände aus einer bekömmlichen mediterranen<br />

Küche ein teuflisch scharfes Gericht machen. Unterm<br />

Strich schneller, energischer und aggressiver Punkrock, der<br />

durch die folkloristische Seite höchst melodisch und vielseitig<br />

ist. Eine sehr positive Veröffentlichung, die sich aus<br />

dem Folkloristischen angenehm vom parallelen Latin-<br />

Punk abhebt – eine Band, die ich mal live sehen will.“ (8)<br />

Joachim Hiller<br />

TRUSTY<br />

Demo<br />

CD | DC-Jam | dcjamrecords.com | 32:04 || TRUSTY<br />

kamen eigentlich aus Little Rock in Arkansas, doch mit<br />

ihrem Umzug in die US-Hauptstadt qualifizierten sie sich<br />

sowohl geografisch wie auch musikalisch dafür, in den<br />

illustren Kreis der Dischord-Bands aufgenommen zu werden.<br />

Ihr Debüt hatten sie 1991 für Truant Records aufgenommen<br />

(seltsamerweise hatte das Label damals eine LP<br />

ans Ox geschickt), die beiden Dischord-Alben „Goodbye,<br />

Dr. Fate“ und „The Fourth Wise Man“ aber waren es, mit<br />

OX-FANZINE 94<br />

ren, Bass, Drums). Seit dieser Zeit wurden vermehrt Gigs<br />

gespielt, eine EP mit dem Titel „Live, Die, Laugh And Cry“<br />

selbst produziert und verkauft sowie Kontakte geknüpft.<br />

Mit der Verbindung zu Jenzzz Gallmeyer (GIGANTOR,<br />

TERRY HOAX) schließlich wurde das hier vorliegende<br />

Debütalbum <strong>von</strong> FAT BELLY aufgenommen, produziert<br />

und abschließend in den Blasting Room Studios <strong>von</strong> Jason<br />

Livermore gemastert. Hier sind also alle Wege beschritten<br />

worden, um die nächste junge Band ein Stück weit in<br />

den „Pop-Punk-Olymp“ hinein zu hieven. Ob das gelingt,<br />

weiß ich nicht – die MySpace-Hits deuten allerdings darauf<br />

hin. Die Band ist zudem nach wie vor dabei, regelmäßig<br />

zu spielen und ihre Live-Präsenz zu untermauern. Dieses<br />

Album wird all jenen Menschen gefallen, die auf melodischen<br />

Punkrock stehen, der niemandem wehtun und vor<br />

allem Spaß machen soll. Aber dafür bin ich nun echt zu alt<br />

... Zahni Müller<br />

FREYA<br />

All Hail The End<br />

CD | Victory | victoryrecords.com | 50:29 || Nachdem<br />

mich sowohl das letzte EARTH CRISIS-Album „To<br />

The Death“, als auch FREYAs „Lift The Curse“ überzeugen<br />

konnten, habe ich mit „All Hail The End“ so meine Probleme.<br />

Zwar erkennt man den Stil der Metal/Hardcore-<br />

Truppe aus Syracuse sofort wieder und braucht deshalb<br />

keine lange Eingewöhnungszeit beim ersten Hören. Nach<br />

mehreren Durchläufen aber langweilen FREYA zusehends,<br />

weil alle 13 Songs komplett gleich gestrickt sind, <strong>von</strong> den<br />

überflüssigen cleanen Vocals bei „The Guardian“ mal ganz<br />

abgesehen. Was ist hier passiert? Das neue Album wirkt wie<br />

eine Pflichtveröffentlichung, die ohne Herzblut und Leidenschaft<br />

eingespielt wurde, um Fans und Label zufrieden<br />

zu stellen. Nein, das ist leider nicht das, was man <strong>von</strong><br />

FREYA nach dem starken letzten Release erwarten durfte.<br />

Da höre ich mich doch lieber wieder durch den EC-Backkatalog.<br />

Tobias Ernst<br />

FACT<br />

In The Blink Of An Eye<br />

CD | Vagrant | vagrant.com/uk || Mit den japanischen<br />

Pop-Punkern FACT habe ich zum ersten Mal die Ehre, eine<br />

Band aus meiner Wahlheimat fürs Ox zu reviewen. Was für<br />

ein Glück, dass es sich dabei um ein derart gutes Album<br />

handelt! FACT klingen so, als seien die Neunziger Jahre nie<br />

vorbei gegangen, und PROPAGANDHI und STRUNG OUT<br />

würden noch immer die Verkaufslisten alternativer Plattenläden<br />

anführen. Obwohl die Japaner ihren Pop-Punk<br />

natürlich mit modernen Versatzstücken aus den Bereichen<br />

Emo und Metal anreichern – sogar Keyboards und Vocoder-Effekte<br />

sind zu hören –, verlieren sie dabei aber nie den<br />

Song an sich aus den Augen und schütteln auch auf ganzer<br />

Albumlänge grandiose Melodien aus dem Ärmel, die<br />

einem so schnell nicht langweilig werden. Mehr da<strong>von</strong>!<br />

(8) David Schumann<br />

FITZCARRALDO<br />

Lass sein was ist<br />

CD | Baxx Beat | baxxbeatmusic.de | 47:26 ||<br />

Benannt haben sich die Aschaffenburger nach dem wohlhabenden<br />

Fermín Fitzcarrald, genannt „Fitzcarraldo“, der<br />

seinerzeit den Versuch unternahm, ein Schiff außerhalb<br />

seines eigentlichen Elementes, des Wassers, über einen<br />

Bergrücken zu transportieren. Im Jahre 1982 erschien<br />

über dieses gewaltige Vorhaben auch ein gleichnamiger<br />

Film mit Klaus Kinski in der Hauptrolle. Hört man ich<br />

nun das zweite Album <strong>von</strong> FITZCARRALDO an, so könnte<br />

/RE-RELEASES<br />

der die Band etwas größere Bekanntheit erreichte, und ich<br />

schrieb über „The Fourth Wise Man“ <strong>von</strong> 1996: „TRUSTY<br />

erweisen sich hier als Bindeglied zwischen den Killermelodien<br />

<strong>von</strong> GRAY MATTER (meiner Meinung nach DIE<br />

verkannte Überband) und dem rhythmischen Gepulse <strong>von</strong><br />

LUNGFISH, angereichert um beinahe schon GREEN DAYmäßige<br />

lockere Pop-Flockigkeit.“ 1998 dann war Schluss,<br />

die Band hatte genug vom ständigen Touren und löste sich<br />

auf. Mit der Wiederveröffentlichung des ersten Demotapes<br />

aus dem Jahre 1989 im CD-Format erfüllt sich DC-Jam-<br />

Boss Darron J Hemann nun einen Traum, denn als Teenager<br />

sah er 1989 TRUSTY als Vorband <strong>von</strong> SNFU und hatte eines<br />

jener Punkrock-Schlüsselerlebnisse, so mitreißend war<br />

ihre Musik. Nach dem Konzert kaufte er ihr Demotape und<br />

20 Jahre später veröffentlicht er nun diese Songs auf seinem<br />

Label. Die Aufnahmequalität ist sehr gut, musikalisch<br />

waren TRUSTY in ihrer Frühzeit noch etwas schnörkelloser,<br />

und wer 7 SECONDS und DAG NASTY liebt, sollte sich<br />

<strong>von</strong> diesen Aufnahmen hinreißen lassen – auch nach über<br />

20 Jahren noch. (8) Joachim Hiller<br />

VIBRATORS<br />

Energize<br />

LP | papagajuv hlasatel | phr.cz | 46:10 || Aus der<br />

tschechischen Republik kommt das 2002 veröffentlichte<br />

VIBRATORS Album „Energize“ nun erstmals auch<br />

als durchsichtige Vinylversion, limitiert auf 500 Stück, auf<br />

den Markt. Die 16 Titel wurden 2001 <strong>von</strong> Knox, Eddie und<br />

Robbie Tart eingespielt und fallen größtenteils unter klassischen<br />

UK-77er-Punk, aber was will man <strong>von</strong> einer Band<br />

wie den VIBRATORS auch erwarten. Innovationen? Ähnlich<br />

wie U.K. SUBS (und andere) veröffentlichen auch die<br />

VIBRATORS ab und an mal wieder eine neue Platte, live<br />

gibt es dann aber doch wieder die jahrzehntelang bewährte<br />

Setlist mit den Hits wie „Baby baby“, „Pure mania“, „Disco<br />

in Moscow“, „Troops of tomorrow“ und „Yeah yeah yeah“<br />

zu hören. Damit wir uns nicht falsch verstehen, „Energize“<br />

ist schon ein solides Punkrock-Album, nur hat die Band<br />

bessere Songs geschrieben und genau diese sollte man sich<br />

auch besorgen. (6) Kay Werner<br />

WEEN<br />

THE POD<br />

CD | Schnitzel | schnitzel.co.uk | 76:30 || Langsam<br />

gilt es, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen. Neues aus<br />

dem Hause WEEN ist – wie schon die letzten Male, als ich<br />

die Freude hatte, mich den Veröffentlichungen zu widmen<br />

– Altes aus dem Hause WEEN. „The Pod“ ist ein Rerelease<br />

des 1990er Albums, lediglich neu gemastert. Zwar gefällt<br />

es mir ebenfalls, <strong>von</strong> Jahr zu Jahr einige Zimmer meiner<br />

Wohnung neu zu streichen und sich damit am neuen<br />

Lebensgefühl zu weiden, aber wenn WEEN jetzt vollkommen<br />

in die Resteverwertung und Neuauflagen abrutschen,<br />

schmälert das doch sehr den Genuss. Faustregel: Rereleases<br />

und Outtakes sind immer nur als zusätzliche Bereicherung<br />

zu sehen, dürfen aber neue Veröffentlichungen keinesfalls<br />

gänzlich verdrängen, was bei WEEN nunmehr leider der<br />

Fall geworden ist. „The Pod“ ist nach wie vor ein großartiges<br />

WEEN Album – sperrig mögen es die einen nennen,<br />

eine krude Mischung für Freunde alter BUTTHOLE SUR-<br />

FERS mit mehr Hippie-Liebesdrogen im Gepäck als jene,<br />

nenne ich es. Ob dazu ein neues Mastering <strong>von</strong>nöten war,<br />

mag jeder selbst entscheiden, der Dreck des Originals wirkt<br />

dadurch auf Hochglanz poliert, was zumindest besser und<br />

sorgfältiger gelungen ist, als bei manch anderen Rereleases.<br />

Claus Wittwer<br />

man meinen, die Band hätte den Soundtrack zu diesem<br />

Film geschrieben. Immer wieder wähnt man das ruhige<br />

Moment der Natur vertont, durch welches plötzlich und<br />

unerwartet Tonnen <strong>von</strong> Stahl befördert werden. In diesem<br />

Kontext macht die Laut/Leise-Dynamik, mit der die Band<br />

zuweilen arbeitet, durchaus sehr viel Sinn. Post-Rock und<br />

-Metal in Kombination mit ausladenden Shoegaze-Parts<br />

bestimmen hier das Geschehen und vollbringen dabei das<br />

Kunststück, nicht wie ein Abklatsch der üblichen Verdächtigen<br />

zu klingen. FITZCARRALDO haben ein Gespür für<br />

Melodien und ebenso ein Händchen für donnernde Riffattacken;<br />

das vorliegende Ergebnis spricht für sich! (8)<br />

Jens Kirsch<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

FLOGGING MOLLY<br />

Live At The Greek Theatre<br />

2CD+DVD | SideOneDummy/Cargo | sideonedummy.<br />

de | 48:34/45:32 || Normalerweise kann man mich mit<br />

Irish-Folk und „Celtic Punk“ ja um den berühmten Block<br />

jagen, bis ich tot umfalle, aber bei FLOGGING MOLLY aus<br />

Los Angeles – wobei deren Bandleader Dave King ja auf<br />

jeden Fall ein waschechter Ire ist – mache ich gern mal<br />

eine Ausnahme. Die siebenköpfige Band ist in den letzten<br />

zehn Jahren richtig groß geworden, inklusive hoher<br />

Chartplatzierungen ihrer Alben, vor allem in den Staaten,<br />

und so wurde diese Live-Platte vor über 5.000 Leuten<br />

im Greek Theatre in Los Angeles mitgeschnitten. Insgesamt<br />

22 Songs aus der bisherigen Karriere, acht da<strong>von</strong> vom<br />

letzten Album „Float“, was ja nicht untypisch ist, wenn<br />

Bands ein neues Album betouren, in ausgewogener Tonqualität,<br />

nicht zu perfekt oder steril, so dass man auch noch<br />

deutlich merkt, dass das Ganze vor einem real existierenden<br />

Publikum stattfindet. Und auch wenn „Float“ deutlicher<br />

rockiger ausfiel und der Anteil rasant punkigen Irish-<br />

Folks etwas zurückgefahren wurde, kann man FLOGGING<br />

MOLLY nicht vorwerfen, irgendwelche Eingeständnisse an<br />

den Massengeschmack gemacht zu haben. Das merkt man<br />

vor allem live, wo die Band eine mitreißende Party veranstaltet,<br />

die elegant die Waage hält zwischen besoffen-ausgelassener<br />

Fröhlichkeit und nachdenklicheren Momenten,<br />

wenn King etwa Johnny Cash oder seinem verstorbenen<br />

Vater Songs widmet. Dumm ist es allerdings, wenn besonders<br />

originelle Schreiberlinge FLOGGING MOLLY ausschließlich<br />

auf platte Saufmusik reduzieren wollen, denn<br />

King ist ein exzellenter Songwriter, der dem Output seiner<br />

Band immer wieder sehr emotionale Momente beschert,<br />

wo die eine oder andere Träne schon mal das Guinness verwässern<br />

kann. Das komplette Konzert gibt es auf zwei CDs<br />

und einer DVD (auf der sich unter anderem auch noch alle<br />

Band-Videos befinden). Und auch wenn mir in der Regel<br />

Live-CDs lieber sind, ziehe ich hier ganz klar die DVD vor<br />

(zu mal der Sound auch etwas kraftvoller wirkt), denn<br />

King und seine Band zusammen auf der Bühne agieren zu<br />

sehen, ist schon kein ganz unwichtiger Faktor, wenn man<br />

FLOGGING MOLLY in ihrer Gesamtheit genießen will.<br />

Zumal King auch ein perfekter Entertainer ist, der selbst<br />

die dröge Vorstellung der Mitmusiker extrem unterhaltsam<br />

gestalten kann. Ein wirklich schönes Package im opulent<br />

ausgestatteten Digipak (leider mit einigen peinlichen<br />

Schreibfehlern) mit einer mitreißenden Live-Show, durch<br />

die man wirklich Fan werden könnte, falls man es nicht<br />

schon längst ist. (8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

BLACK FRANCIS<br />

Nonstoperotik<br />

CD | Cooking Vinyl | cookingvinyl.com | 36:55 ||<br />

Im letzten Jahr, nach dem sehr schönen GRAND DUCHY-<br />

Album zusammen mit Ehefrau Violet Clark, hatte ich mich<br />

wieder etwas mit dem ungebrochenen Schaffensdrang <strong>von</strong><br />

Black Francis aka Frank Black aka Charles Thompson angefreundet.<br />

Jetzt gibt es ein weiteres Album unter eigenem<br />

Namen und es fällt erst mal auf, dass Francis allzu offensichtliche<br />

Singer/Songwriter-Stereotype zu vermeiden<br />

versucht. Stattdessen gibt es recht trockene (Hard)Rock-<br />

Songs, die <strong>von</strong> leicht schrägen, folkigen Midtempo-Nummern<br />

kontrastiert werden, die auch schon mal einen barocken<br />

Pop-Bombast besitzen, wie etwa der amüsant-kitschige<br />

Titeltrack. Man ist ja schon immer froh, wenn<br />

einen Black Francis überhaupt noch irgendwie überraschen<br />

kann, und das tut er auf „Nonstoperotik“ durchaus<br />

gekonnt, wo der Mann mal wieder etwas wagemutiger<br />

klingt und etwas <strong>von</strong> seiner früheren songwriterischen<br />

Brillanz und dem Irrsinn der PIXIES an den Tag legt. Insofern<br />

besitzt „Nonstoperotik“ erfreulicherweise eine Qualität,<br />

die das Album zu einem der besseren in Blacks Schaffen<br />

der letzten Jahre macht. Parallel dazu bietet Black<br />

übrigens aktuell auch noch auf seiner Website eine limitierte,<br />

hübsch ausgestattete Sammleredition seiner gar<br />

nicht üblen Musik für den expressionistischen deutschen<br />

Stummfilm „Der Golem“ für schlappe 90 Dollar an – fast<br />

schon wieder schade, das wäre sicher nicht nur für extreme<br />

Black-Fans interessant. (7) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

FRIGHTENED RABBIT<br />

The Winter Of Mixed Drinks<br />

CD | Fat Cat | fat-cat.co.uk | 45:39 || Es kommt bei<br />

jeder Band mal der Moment, wo sie ihre Unschuld verliert<br />

und versucht, ein breiteres Publikum zu erreichen,<br />

was sich oft in einer polierteren Herangehenweise beim<br />

Songwriting niederschlägt. Nichts gegen fette Produktionen,<br />

so was kann Spaß machen, wenn das aber darin resultiert,<br />

dass die Band dabei jeglichen Biss verliert, geht der<br />

Schuss eher nach hinten los. Bei den Schotten FRIGHTE-<br />

NED RABBIT, deren Album „The Midnight Organ Fight“<br />

ich ganz exzellent fand, ist die Suche nach dem großen<br />

Pop-Moment offenbar dem Bemühen gewichen, diesen<br />

mit der Brechstange auch wirklich finden zu wollen. Der<br />

bisherige spartanische schrammelige Folk wird fast vollständig<br />

<strong>von</strong> verspieltem, nicht unsympathischen Kammerorchesterpop<br />

überlagert, eine recht einseitige Angelegenheit,<br />

denn die Schotten klingen dabei nur noch selten<br />

wirklich rauh und kantig. Ähnliches konnte man auch<br />

beim letzten Album ihrer Landsleute SONS AND DAUGH-<br />

TERS feststellen. Unter dem Strich kommt dabei zwar<br />

immer noch akzeptabler, niveauvoller und sogar irgendwie<br />

origineller Indierock heraus, aber mir fehlen da abseits<br />

ganz hübscher Melodien offen gesagt die wirklich mitreißenden<br />

Momente. (5) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

FUCK YOUR SHADOW FROM BEHIND<br />

Freigeist<br />

CD | Bastardized | bastardized.de | 41:36 || Wer<br />

beim Bandnamen jetzt an irgendeine Form <strong>von</strong> Comedy-<br />

Musik denkt, irrt gewaltig. Stattdessen kommen hier mal<br />

eben so ein paar Jungspunde daher, nehmen mit ihrem<br />

Namen gekonnt Deathcore-Klischees auf die Schippe und<br />

hauchen gleichzeitig dem Genre neues Leben ein. Dabei<br />

verzichten sie fast komplett auf Simpel-Mosh-Parts und<br />

bewegen sich stattdessen gekonnt zwischen technischem,<br />

rhythmisch verstracktem Metalcore à la MISERY SIGNALS<br />

und melodischem wie brutalem Death Metal der Marke<br />

THE BLACK DAHLIA MURDER, worüber die zwei Frontmänner<br />

sich regelrecht die Seele aus dem Leib brüllen.<br />

Besonders schön ist, dass die Musik zwar durchweg wenig<br />

mit Hardcore zu tun hat, die Texte sich aber unter anderem<br />

auch kritisch mit den Themen Rassismus („Es war die<br />

Zeit“) und Religion („Die Abkehr“) auseinandersetzen. Mit<br />

generell absolut unpeinlichen, poetischen deutschen Texten<br />

und einer Professionalität, die national im Genre ihres-<br />

gleichen sucht, machen FYSFB selbst die lange Wartezeit<br />

auf ein ganzes Album nach dem vorzüglichen Demo <strong>von</strong><br />

2007 vergessen. Definitiv eines der Highlights des Jahres.<br />

(9) Andreas Kuhlmann<br />

GGG<br />

THE GREAT ST. LOUIS<br />

In Your Own Time<br />

CD | Boss Tuneage/Cargo | bosstuneage.com | 26:11<br />

|| St. Louis liegt im US-Bundesstaat Missouri. Trotzdem<br />

muss ich beim Hören <strong>von</strong> „In Your Own Time“ sofort an<br />

Florida denken, und<br />

das, obwohl THE GREAT<br />

ST. LOUIS aus England<br />

kommen. Trotz aller<br />

räumlichen Verwirrung<br />

machen alle drei Ortsangaben<br />

Sinn. Ihrem eigenen<br />

Bandnamen werden<br />

THE GREAT ST.<br />

LOUIS bereits in den ersten<br />

zehn Sekunden des<br />

Albums gerecht, das mit<br />

einem sehr nach Mississippi<br />

klingendem Gitarrenriff<br />

beginnt. Jede Angst vor einer unerträglichen Southern-Rock-Platte<br />

verfliegt aber spätestens mit dem Einsetzen<br />

des Gesangs. Was hier präsentiert wird, ist nicht<br />

etwa albernes Cowboy-Gehabe, sondern heiseres Herausbellen<br />

<strong>von</strong> Trostlosigkeiten, auf die schon das in Brauntönen<br />

gehaltene Cover im Einsame-Scheunen-Look vorbereitet<br />

hat. Auf „In Your Own Time“ findet man zehn<br />

solide Midtempo-Punkrock-Songs, getragen vor allem<br />

<strong>von</strong> der Stimme des Sängers, die sehr an Mike Hall <strong>von</strong><br />

GUNMOLL/IN THE RED und damit auch an HOT WATER<br />

MUSIC und Co. erinnert. Es ist kein Zufall, dass THE GREAT<br />

ST. LOUIS zusammen mit eben jenen Kollegen aus Florida<br />

auf dem 2008 erschienenen LEATHERFACE-Tribut (Rubber<br />

Factory) zu finden sind, womit wir den Bogen zurück<br />

nach England geschlagen hätten. Obwohl THE GREAT ST.<br />

LOUIS mit „In Your Own Time“ also den Whiskeystimmen-Punkrock<br />

nicht neu erfinden, kann man man das<br />

Album getrost als hörenswerte Erweiterung dieser rauhgeschliffenen<br />

Schublade betrachten. (8) Gunnar Baars<br />

GRAMOPHONE ALLSTARS<br />

Simbiosi<br />

CD | Liquidator | liquidatormusic.com | 58:50 ||<br />

Die spanischen GRAMOPHONE ALLSTARS machen auf<br />

„Simbiosi“ da weiter, wo sie mit ihrem Vorgängeralbum<br />

„Just Delightin’ ...“ aufgehört haben – ein technisch perfekt<br />

dargebotener Mix aus Jazz und Ska. Der Einfachheit halber<br />

oder als Tribut an die alte Vinylscheibe gibt es auf „Simbiosi“<br />

diesmal zwei Seiten, während die ersten sechs Songs<br />

eindeutig jamaikanisch gewürzt sind, tauchen die letzten<br />

sechs Songs tief in jazzige Sphären ein. Sehr viel bemerkenswerter<br />

finde ich es, mit welcher Leichtigkeit die achtköpfige<br />

Band im ersten Teil Soul-, Ska- und Jazz-Elemente<br />

verknüpfen. Die jazzige Stimme <strong>von</strong> Judit Neddermann<br />

kommt bereits hier voll zur Geltung. Im zweiten Teil ist das<br />

Jamaikafeeling zwar noch vorhanden, aber es geht dann<br />

doch klar in Richtung Cool-Jazz à la Chet Baker. Ganz hervorragend<br />

umgesetzt, mit viel Raum für individuelle und<br />

raffiniert ausgefeilte Jazz-Arrangements. Eine hervorragende<br />

Platte, um Ska- und Jazzfreunde zusammenzubringen.<br />

(8) Kay Werner<br />

GREAT CRUSADES<br />

Fiction To Shame<br />

CD | Glitterhouse | glitterhouse.com | 51:51 ||<br />

GREAT CRUSADES aus Chicago legen auch auf ihrem siebten<br />

Album „Fiction To Shame“ einen gefälligen Mix aus<br />

Rhythm & Blues, Glam, Punk- und Wüstenrock sowie<br />

60s-Garagenbeat vor. Teilweise wirken die Songs etwas<br />

düster und gehen eher in die Richtung BAD SEEDS statt<br />

GODFATHERS, vielleicht liegt es daran, dass sich die Texte<br />

eher mit den schattigen Seiten des Lebens beschäftigen.<br />

Drei der vier Bandmitglieder heißen mit Vornamen übrigens<br />

Brian, ist das ein Zufall? Die vier kennen sich bereits<br />

seit der fünften Klasse und machen seit Ende der Neunziger<br />

Jahre Musik. Der Schlagzeuger Christian Moder hätte<br />

Anfang 2008 fast das Zeitliche gesegnet, denn während der<br />

Aufnahmesession führte eine nicht beziehungsweise fast zu<br />

spät diagnostizierte Blinddarmentzündung zu einer Not-<br />

OP und einer längeren Zwangspause. Auf einer Europatournee,<br />

mit Moder, wurden dann die neuen Songs getestet<br />

und schließlich 2009 mit neuen Erkenntnissen und Gastmusikern,<br />

zum Beispiel am Cello, eingespielt. Das Ergebnis<br />

ist gelungen und im Vergleich zum Vorgängeralbum etwas<br />

melancholischer ausgefallen. (8) Kay Werner<br />

GUTS PIE EARSHOT<br />

Chapter Two, Volume Two<br />

CD | Major Label/Broken Silence | majorlabel.de ||<br />

Ein Album nach einigen Jahren erneut aufzunehmen, es<br />

mit den zwischenzeitlich gemachten Erfahrungen zu spicken,<br />

es abzurunden – daran denken sicher viele Bands.<br />

2004 schrumpften GPE nach über zehnjähriger Schaffenszeit<br />

<strong>von</strong> einem Quintett zu einem Duo. Das Ergebnis<br />

dieser Reduktion war der Release „Chapter One, Volume<br />

Two“ im Jahre 2006. Schon für sich genommen ein großartiges<br />

Album dieses ungewöhnlichen Drum & Cello-<br />

Duos. Knappe vier Jahre später nahmen sie die Stücke also<br />

erneut auf, speckten sie ab, mixten und masterten sie neu.<br />

Am Ende wurde aus zwei CDs eine, konzentriert, fokussiert<br />

auf das Wesentliche. Der Sound wirkt kompakter, viele<br />

Stücke erkennt man kaum wieder, aber dies ist durchaus<br />

gewollt. Liegt ihr Augenmerk immer noch auf dem Spielen<br />

<strong>von</strong> klassischen Konzerten, trifft man sie doch gehäuft auf<br />

Partys an, deren Besucher sie über Stunden mit ihrem vertrackten<br />

Mix aus Punk, Folk, Breakbeats und handgemachtem<br />

Techno beschallen. (8) JeNnY Kracht<br />

GUTS PIE EARSHOT<br />

Give Away<br />

CD | Major Label/Broken Silence | majorlabel.de<br />

|| Als ich Anfang letzten Jahres mit den Jungs über ihre<br />

neuen Aufnahmen sprach (Ox #82), ließen sie schon erahnen,<br />

dass es diesmal bei einem Album in eine etwas andere<br />

Richtung gehen würde. „Karaoke-reverse“ stand auf dem<br />

Plan der beiden, die seit 2004 ohne ihre Sängerin und<br />

ihren Bassisten unterwegs sind. So luden sie befreundete<br />

Musiker und GPE-Seitenprojekte ein, ihre Stücke zu verfeinern,<br />

diese mit Gesang und Samples anzureichern. So<br />

entstand eine höchst ungewöhnliche Mischung an GPE-<br />

Songs, mal mit HipHop, Rap oder Techno-Samples überlagert.<br />

Für ein Stück gesellte sich auch ihre alte Sängerin<br />

Anneke hinzu – und ich muss sagen, ihr Stück gefällt mir<br />

immer noch am besten. (8) JeNnY Kracht<br />

GUNSLINGERS<br />

Manifest Zerø<br />

LP/CD | World In Sound | worldinsound.com |<br />

30:09 || Als letztes Jahr das Debüt <strong>von</strong> den GUNSLIN-<br />

GERS erschienen ist, war dies mehr als nur die Überraschung,<br />

durch einen unverhofft ins Haus schneienden,<br />

musikalisch und gestalterisch herausragenden Tonträgers,<br />

dabei verblüffte vor allem eine Soundwall, die irgendwo


zwischen Psychedelic und Noise ihre Heimat finden<br />

würde. Diese Richtung haben die GUNSLINGERS weiter<br />

verfolgt und noch an einem dichteren Song- und Soundgefüge<br />

für das neue Album gearbeitet. „Manifesto Zerø“<br />

walzt einen mit seinen sechs Tracks kurz nach einem schräg<br />

angesagten Intro ohne zu zucken nieder und man erblickt<br />

das Licht der Welt erst wieder nach ein wenig mehr als<br />

dreißig Minuten, um sich zu schütteln und – Nadel wieder<br />

in die Rille. Nochmal. Nochmal. Nochmal. Es ist wie<br />

beim ersten Album – es wird einfach nicht langweilig.<br />

Auch nicht nach zwanzigmal nacheinander Hören. Die<br />

GUNSLINGERS sind keine Eintagsfliege. Super! Das zweite<br />

Album ist der Hammer – das war nicht leicht. Absoluter<br />

Psychedelic Overdrive! (9) <strong>Thomas</strong> <strong>Neumann</strong><br />

GRACE.WILL.FALL / LOWER THAN<br />

ATLANTIS / TALK RADIO TALK /<br />

MNMNTS<br />

Split<br />

10“ | Redfield/Cargo | redfield-records.de || Vier<br />

Bands treffen sich auf einer campino-orangenen 10“<br />

(einer <strong>von</strong> 125, die anderen 375 haben andere Farben),<br />

die schon optisch lecker<br />

anmutet. Süßer Zuckerkram<br />

ist der Inhalt allerdings<br />

nicht, eher so was<br />

wie ein Pfefferbonbon:<br />

Den Anfang machen<br />

die geschätzten Schweden<br />

GRACE.WILL.FALL,<br />

deren letztes Album auf<br />

Midsummer mit seinem<br />

an MODERN LIFE IS<br />

WAR erinnernden Hardcore<br />

ausgesprochen gut<br />

zu gefallen wusste. Es folgen<br />

die Engländer LOWER THAN ATLANTIS (Album dieser<br />

Tage auf Redfield), die düster und druckvoll zur Sache<br />

gehen, aber auch eine gewisse Melodiösität aufweisen und<br />

mit „Far Q“ eine recht atmosphärische Stimmung erzeugen.<br />

Guter Sänger – ich mag rauhe Stimmen. Auf der Flipside<br />

dann TALK RADIO TALK und MNMNTS. Erstere kommen<br />

aus Stade, und spätestens mit ihrem 2008er-Album<br />

auf Swell Creek sollte man sie wahrgenommen haben,<br />

sofern man auf melancholischen, verzweifelten, heiser<br />

gebrüllten Gesang und die dazu passende düstere, langsamere<br />

Version <strong>von</strong> Hardcore steht. „This cave is for heroes“<br />

ist ein neuer Song <strong>von</strong> 2009, und ich bin gespannt, was<br />

man <strong>von</strong> ihnen 2010 noch zu hören bekommt. Zum<br />

Schluss dann noch MNMNTS, die man schätzungsweise<br />

wohl „Monuments“ ausspricht und mächtig groovenden,<br />

pumpenden und doch auch melodiösen Hardcore mit<br />

einer ordentlich Alternative-Rock-Kante sowie – erkenne<br />

ich da eine rote Linie bei dieser 10“? – heiserem, verzweifeltem<br />

Gesang aufwartet. Schöne Musik, schönes Format,<br />

schöne Farben, schönes Artwork. (8) Joachim Hiller<br />

GOLDUST<br />

Destroyer / Borderlines<br />

CD | Let It Burn | letitburnrecords.com | 38:47<br />

|| Nachdem die Münsteraner GOLDUST jüngst <strong>von</strong> Let<br />

It Burn gesignt wurden liegt mit dem insgesamt zweiten<br />

Album der Band nun das erste Ergebnis dieser Zusammenarbeit<br />

vor. Ein weiteres Mal beweisen GOLDUST ein<br />

Händchen für knackige Hardcore-Eruptionen fernab jeglicher<br />

Bollo- oder Metalcore-Attitüde. Äußerst druckvoll<br />

hobelt man sich durch die zwölf neuen Songs, die sich bei<br />

genauem Hinhören auch sehr gut auf einer Deathwish-<br />

Platte gemacht hätten, lässt man doch insbesondere Ähnlichkeiten<br />

zu Bands wie RISE AND FALL und bedingt sogar<br />

den DOOMRIDERS erkennen. Ein Labeleinstand nach Maß<br />

möchte man da auch gleich vermuten, womit man sicher<br />

so falsch gar nicht liegen kann. Wer auch nur Ansatzweise<br />

mit oben genannten Bands etwas anfangen kann, sollte hier<br />

zugreifen. (8) Jens Kirsch<br />

THE GILDED PALACE OF SIN<br />

You Break Our Hearts, We’ll Tear Yours Out<br />

CD | Central Control | dersire.com | 50:58 ||<br />

Zehn Songs zwischen Tom Waits, CALEXICO und Americana<br />

meets dunklen Country Rock, obgleich die Band,<br />

die sich nach einem wegweisenden Country-Rock-<br />

Album der FLYING BURRITO BROTHERS aus dem Jahre<br />

1969 benannt hat, aus Manchester stammt und <strong>von</strong> keinem<br />

Geringeren als Barry Adamson (ex-BAD SEEDS, ex-<br />

MAGAZINE) entdeckt wurde und auch auf seinem Label<br />

Central Control veröffentlicht. Zum Teil sind die Songs sehr<br />

schroff und sperrig und man muss sich bewusst mit ihnen<br />

auseinandersetzen. Der warme Flow, wie man ihn <strong>von</strong> vielen<br />

CALEXICO-Songs kennt, findet sich nur in reduzierte<br />

Form bei dem Trio wieder. Ein findiger Kritiker nennt es<br />

„Noir Western Soundscapes“ und das trifft es ziemlich gut.<br />

Bei der Band kommt alles zum Zuge, <strong>von</strong> der Ukulele und<br />

der Harmonika bis hin zum Glockenspiel – und das meist<br />

etwas schräg in der Kombination. Oft wird auch nicht im<br />

herkömmlichen Sinne gesungen, sondern eher geraunt,<br />

gestöhnt, geschrien: was einem die Weite und Härte der<br />

Steppe eben emotional so alles abverlangt. (7)<br />

Markus Kolodziej<br />

GOLDHEART ASSEMBLY<br />

Wolves And Thieves<br />

CD | Fierce Panda/Cargo | fiercepanda.co.uk | 50:46<br />

|| Sechs junge Musiker aus Englands Hauptstadt veröffentlichen<br />

im März ihren ersten Longplayer. 2008 gegründet,<br />

machte die Band bislang mit Live-Auftritten unter<br />

anderem beim Glastonbury Festival, den Open Airs in Reading<br />

und Leeds auf sich aufmerksam. Aber wenn es nach<br />

dem NME geht, dürften die Protagonisten Jake Bowser<br />

(keys, vox), James Dale (vox, bass), Nicky Francis (drums,<br />

vox), <strong>Thomas</strong> Hastings (vox), John Herbert (vox, git) und<br />

Dominic Keshavarz (lead git, vox) wohl die englischen<br />

FLEET FOXES werden. Diese „Neu-Interpretation“ folkloristischer<br />

Musik wurde in einem selbstgezimmerten Studio<br />

neben den alten Dampfmaschinen des Forncett Industrial<br />

Steam Museums im britischen Norfolk aufgenommene<br />

und <strong>von</strong> Laurie Latham (ECHO & THE BUNNYMEN,<br />

SQUEEZE, IAN DURY & THE BLOCKHEADS) abgemischt.<br />

Elf Songs (plus Interlude), irgendwo zwischen Popballaden<br />

(inklusive choralen Gesängen) und Folk, gut gemacht –<br />

besser gesagt: gut kopiert, aber meine Tasse Tee ist das nicht.<br />

(5) Jürgen Schattner<br />

GARDEN GANG<br />

The Master Plan<br />

MCD | Schlecht & Schwindlig/NMD | schlechtundschwindlig.de<br />

| 9:08 || GARDEN GANG ist eine deutsche<br />

Band aus der Nähe <strong>von</strong> München, 1992 gegründet<br />

und inzwischen mehrfach umbesetzt. Beeinflusst vom<br />

Rock’n’Roll der Fünfziger, <strong>von</strong> der Beatmusik der Sechziger,<br />

vom Punk der Siebziger Jahre und vom New Wave<br />

der späten Achtziger, spielt die Band Punkrock mit ausschließlich<br />

englischen Texten. „Wave’n’Punk & Glam-<br />

Rock-Stomp im orchestral-schimmernden Pop-Gewand“<br />

nehme ich gerne als Zitat <strong>von</strong> der Homepage. Das hier ist<br />

die Vorab-EP zum kommenden Album. Der Titeltrack „The<br />

masterplan“ bedient sich ein wenig bei DAMNED, BOYS<br />

und 999. Das sind schmackhafte Zutaten und das Ergebnis<br />

kann sich auch gut hören lassen. Als Bonus gibt es den<br />

Videotrack „Eurodisneyland tomorrow“, geschrieben <strong>von</strong><br />

TV Smith. Der lässt sich auf meinem Rechner leider nicht<br />

abspielen, schade. Wir sind gespannt auf das Album. (7)<br />

Jürgen Schattner<br />

GUNS ON THE RUN<br />

The Spirit Is Eternal<br />

CD | Warbird | warbirdentertainment.com | 34:18<br />

|| „The Spirit Is Eternal“ ist schon das vierte Album der<br />

Band aus Philadelphia, PA – das Debüt „For Glory“ erschien<br />

2006 auf Blackout Records. Der Vierer bezieht sich in seinen<br />

Einflüssen sowohl auf frühen US-Hardcore wie auf<br />

englischen Oi! und Aussie-Rock à la ROSE TATTOO und<br />

AC/DC, ist in der Ausführung dann aber doch recht simpel:<br />

melodiöser Streetpunk, für Fans <strong>von</strong> GENERA-<br />

TORS, SOCIAL DISTORTION und COCK SPARRER tauglich,<br />

mit einer guten Nase für hymnische Refrains. Das ist<br />

weder innovativ noch ungewöhnlich, aber je öfter man das<br />

Album hört, desto mehr bleibt hängen und man ertappt<br />

sich beim Mitsingen der Refrains. Apropos: Textlich sind<br />

GUNS ON THE RUN der amerikanischen Working Class<br />

verbunden, thematisieren immer wieder das Leben in<br />

einer armen Arbeiterfamilie in heruntergekommenen<br />

Vorstädten, zwischen Arbeitslosigkeit, Alkoholmissbrauch<br />

und Hoffnungslosigkeit, verbunden mit dem Gefühl der<br />

Ohnmacht der großen Politik gegenüber. Manchmal ist das<br />

etwas pathetisch, aber dann doch knapp vorbei an Phrasendrescherei.<br />

(7) Joachim Hiller<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

GENERAL FIASCO<br />

Buildings<br />

CD | Infectious/Pias | pias.com | 36:31 || Das nordirische<br />

Teenager-Trio mit den Brüdern Owen und Enda<br />

Strathern ist, so scheint es, auf einem guten Weg. Ihren ersten<br />

Gig hatten sie beim Glasgowbury Festival 2007, dem<br />

größten Festival für unsigned Bands in Nordirland und<br />

danach ging es direkt auf die BBC Introducing Stage beim<br />

Leeds- und Reading-Festival. Dann waren die damals 17bis<br />

18-Jährigen mit Bands wie SNOW PATROL und THE<br />

PIGEON DETECTIVES unterwegs und touren dieser Tage<br />

mit THE BLACK BOX REVELATION durch Deutschland.<br />

Immer schneller scheint sich das Rad zu drehen, immer<br />

jünger die Bands, die aus dem Nichts kommen, tolle Supports<br />

spielen, ihr Debüt veröffentlichen und nach wenigen<br />

Jahren für immer verschwinden. Bei GENERAL FIASCO<br />

fällt mir eine Prognose schwer. Für ihr Alter ist schon sehr<br />

gutes Songwriting und musikalisches Können vorhanden.<br />

Tolle Produktion, schickes Video am Start, aber wer<br />

braucht den x-ten Aufguss all dieser hippen englischen<br />

Post-Punk-Wave-Bands? (6) Jürgen Schattner<br />

GOLDEN HELMETS<br />

Transatlantic<br />

CD | High Noon/Cargo | myspace.com/highnoonrecs<br />

| 32:52 || Ich vermisse in Deutschland eine bumsgeile<br />

Combo, die einem mal wieder richtig die Hüften<br />

kreisen lässt. Eine Band die kaputt gerockte Tanzflächen<br />

hinterlässt, auf denen sich der Schweiß in Pfützen sammelt.<br />

Eine Band, nach deren Konzerten im Taumel der Leidenschaft<br />

uneheliche Kinder gezeugt werden. Die Energie<br />

muss stimmen! In den letzten Jahren konnten das gelegentlich<br />

die HARA-KEE-REES umsetzen oder auch KING<br />

KHAN & HIS SHRINES. Eine Band, die aber oft übersehen<br />

wurde, waren die GOLDEN HELMETS. Meine Güte,<br />

was habe ich <strong>von</strong> denen für grandiose Live-Shows gesehen!<br />

Und jetzt haben sie endlich ihre Debütscheibe „Transatlantic“<br />

draußen. Ein dreckiges Dutzend sexy Tanzflächenfeger<br />

ist drauf, irgendwo zwischen SONICS-Garagepunk, Northern<br />

Soul, Aussie-Punk à la SAINTS und fortgeschrittenem<br />

Farfisa-Wahnsinn. Und die Mischung zündet, auch wenn<br />

es schwer ist die Live-Energie der GOLDEN HELMETS auf<br />

Konserve zu bannen. Die Band bekommt das aber ganz gut<br />

hin, denn mit (Ex-)Musikern der DIRTSHAKES, BATT-<br />

LEDKYES, SHELLS oder auch CURLEE WURLEE sind hier<br />

echte Fachmänner am Werk. Leider ist das Album (ähnlich<br />

wie der ebenfalls grandiose JIZZLOBBERS-Longplayer)<br />

vorerst wohl nur auf CD erhältlich. Vinyl hätte besser<br />

gepasst. Bei Typen, die auf dem Cover Mick Jagger im<br />

Rückspiegel haben, kann man aber generell nichts falsch<br />

machen. Prima Scheibe! (9) Bernd Fischer<br />

GRUPPE 80<br />

s/t<br />

LP/CD | Crauts | myspace.com/gruppe80 | 31:54<br />

|| Ein billiger Trick, aber er hat funktioniert: Aus der CD-<br />

Hülle ragt etwas heraus, was wie ein 50-Euro-Schein aussieht,<br />

und irgendwie ist<br />

der Mensch so gepolt,<br />

dass beim Anblick <strong>von</strong><br />

bei Geld das Hirn den<br />

Händen sofort den<br />

Befehl „Zugreifen!“<br />

erteilt. Im Ox-Büro hat<br />

das mehrfach geklappt,<br />

und wäre es nicht ein<br />

80-Euro-Schein, wir<br />

wären sofort mit der<br />

Kohle in die nächste<br />

Kneipe gegangen. Da wir<br />

nicht bestechlich und<br />

auch nicht beleidigt sind, haben wir die Scheibe trotzdem<br />

auf- beziehungsweise eingelegt und waren, ja, sind begeistert:<br />

Mag ja sein, dass dieser Frühachtziger-NDW-Sound<br />

sich derzeit einer gewissen Beliebtheit erfreut, ich erinnere<br />

nur an HERPES oder 1000 ROBOTA (TREND nicht zu vergessen,<br />

die das schon länger erkannt haben), aber so lange<br />

Neo-NDW kein Massentrend wird und wir nicht gezwungen<br />

sind, die Geschichte zu wiederholen, habe ich überhaupt<br />

nichts gegen bewusst naive Texte mit Augenzwinkern,<br />

gegen simple Synthie-Bleeps und hektisch-stakkatohafte<br />

Musik. Solche nämlich bringen GRUPPE 80 zu Gehör,<br />

die aus Bremen kommen, seit 2008 ihren Spaß an solchen<br />

Sounds entdeckt haben und für ihr Debüt gleich 18 Stücke<br />

eingespielt haben, die <strong>von</strong> DEVO bis FEHLFARBEN, <strong>von</strong><br />

WIRE bis ABWÄRTS, <strong>von</strong> KRAFTWERK bis NOVOTNY<br />

TV eine ganze Menge Einflüsse verwursten. Gerade textlich<br />

erinnert der Fünfer, dem eine gewisse Nähe zu den<br />

ebenfalls in Bremen ansässigen COOL JERKS nachgesagt<br />

wird, an die famosen NOVOTNY TV, und sowieso sind die<br />

GRUPPE 80-Lyrics ein riesiger Spaß, wird doch hier sehr<br />

geschickt mit Klischees gespielt und dennoch Attitüde<br />

ohne Plattitüden vermittelt. Großer Spaß! (9)<br />

Joachim Hiller<br />

GLORYTELLERS<br />

Atone<br />

CD | Southern/Soulfood | southern.com | 34:55 ||<br />

Geoff Farina ist für mich ein persönlicher Problemfall: Mit<br />

KARATE hatte er Mitte der Neunziger Jahre mal sehr stark<br />

begonnen, um später dann immer mehr mit schwachbrüstigem<br />

Jazz-Gedudel zu nerven. Und dabei möchte ich den<br />

Kerl doch lieb haben – seine Stimme habe ich schon immer<br />

gemocht, und so grundsätzlich falsch war sein Songwriting<br />

ja auch nie. KARATE gibt es inzwischen nicht mehr<br />

und „Atone“ ist das zweite Album unter dem Namen GLO-<br />

RYTELLERS. Und auch hier stört direkt der Schlaffheitsgrad<br />

des Ganzen, der auf überwiegend akustischen Gitarrensounds<br />

basiert, gerockt wird also mal wieder nicht. Die<br />

GLORYTELLERS präsentieren sich dabei als eine Folkband<br />

rEvIEws<br />

mit beschwingt lateinamerikanischer Note, was zu einem<br />

sehr entspannten Gesamtbild führt. So ganz kann Farina<br />

zwar nicht <strong>von</strong> leiernden Jazz-Einlagen lassen, aber ich<br />

kann mich diesmal dennoch ganz gut auf das lässige folkloristische<br />

Feeling <strong>von</strong> „Atone“ einlassen, das dann doch<br />

mehr Charme als das oftmals unfokussierte Gedudel <strong>von</strong><br />

KARATE besitzt. Man könnte sogar das Gefühl bekommen,<br />

dass in „Atone“ ein echter Grower steckt. (6)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

GOOD WEATHER GIRL<br />

Boon<br />

CD | Hazelwood | hazelwood.de | 34:19 || Was das<br />

Frankfurter Label Hazelwood Vinyl Plastics so sympathisch<br />

macht ist die Begeisterung, die dort bei aller Professionalität<br />

jeder Veröffentlichung zu Grunde liegt. Hier sind alte<br />

Hasen als Überzeugungstäter aktiv, und das hat was mit<br />

Begeisterung zu tun. Begeisterung, die sich einstellte, als<br />

unter anderem der erste Song des Albums in den Untiefen<br />

des World Wide Web aufgestöbert wurde und man ahnte,<br />

was für eine Perle sich unter dieser verrauschten Aufnahme<br />

versteckt. Diverse Gespräche und Mails später landeten die<br />

Urheber dieser so begeisternden, zerbrechlichen, spröden<br />

Songs in Frankfurt, um dieses Album aufzunehmen, und<br />

die beiden Geschwister Dion und Shem Lucas aus London<br />

entpuppten sich als die Sprösslinge <strong>von</strong> Soo Catwoman,<br />

jener Punk-Frau, die wegen ihrer markanten Katzenohren-Frisur<br />

zur vielfotografierten Ikone der frühen<br />

Londoner Punkszene wurde. Da das Girl/Boy-Duo seinen<br />

Plattenvertrag in Unkenntnis dieser Tatsache bekam, ist es<br />

schon beinahe unfair, diese Aufmerksamkeit erregende Tatsache<br />

zu ewähnen, doch dem steht entgegen, dass „Boon“<br />

alle Aufmerksamkeit verdient hat. Mag alle Welt abraven<br />

auf irgendwelche neuen Antifolk-Helden, die mir allesamt<br />

nichts geben, so ist es diese minimalistische, lakonische,<br />

simple Platte mit dem nur wenige Tonlagen erkundenden<br />

Gesang Dions, die mit jedem weiteren Hören mehr fasziniert.<br />

Begleitet wird sie <strong>von</strong> Schlagzeug und Gitarre sowie<br />

etwas Geige, und auch wenn man hier sicherlich die Kirche<br />

im Dorf lassen und Superlative meiden sollte, so ist „Boon“<br />

doch ein faszinierendes, irgendwie anrührendes Werk. (8)<br />

Joachim Hiller<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

GAMA BOMB<br />

Tales From The Grave In Space<br />

CD | Earache | earache.com | 30:55 || Das dritte<br />

Album der Iren GAMA BOMB (Nummer zwei für Earache),<br />

die sich dem Thrash der Marke ANTHRAX und Kollegen<br />

verschrieben haben und das mit allem, was dazugehört<br />

– Stretchjeans, Basketballschuhe mit überdimensionaler<br />

Zunge und so weiter. Dabei geht die Band auf „Tales<br />

From The Grave In Space“ handwerklich sehr solide zur<br />

Sache und versteht es auch textlich sehr zu unterhalten.<br />

Sicherlich wird man für Themen wie Zombies, Aliens und<br />

alles, was irgendwie eklig ist, keinen Originalitätspreis für<br />

sich beanspruchen können, aber wer will das auch schon?<br />

In der obligatorischen halben Stunde schroten sich GAMA<br />

BOMB durch zwölf Stücke und zaubern beim Hörer ähnlich<br />

gute Laune wie zuletzt die Spaßvögel <strong>von</strong> MUNICIPAL<br />

WASTE mit deren letzten Album. Nach wie vor boomt der<br />

Oldschool-Thrash-Sektor und solange dabei Platten wie<br />

„Tales From The ...“ entstehen, kann das auch gerne so weitergehen.<br />

(7) Jens Kirsch<br />

GREYLINE<br />

Behind The Masquerade<br />

CD | Black Death | blackdeathrecords.com | 42:38<br />

|| Was sich „Behind The Masquerade“, also hinter der<br />

Maskerade der holländischen Band GREYLINE versteckt,<br />

ist schwer zu sagen. Denn auch die neun Songs auf dem<br />

zweiten Werk verstecken sich gewissermaßen hinter einer<br />

Maske. Nicht umsonst ist die musikalische Vielfalt auf<br />

der knappen Dreiviertelstunde schwer zu durchschauen.<br />

So ist der Abschlusstrack „Mirrors“ eine schweres, tieftrauriges<br />

Monument in elf Minuten; gewissermaßen eine<br />

Reminiszenz an Philip Cope, den Mann, der für den Mix<br />

des Albums zuständig ist. Denn Cope ist nicht nur Gitarrist/Sänger<br />

<strong>von</strong> KYLESA, sondern hat ebenfalls „The Red<br />

Album“ <strong>von</strong> BARONESS produziert. Und beide genannten<br />

Bands dienten den vier Holländern genauso als Inspiration<br />

wie CLUTH oder ISIS. Darf man hier also schweren, tiefschwarzen<br />

Post-Hardcore erwarten? Darf man. Genauso<br />

wie Gothrock-Klänge der Marke THE 69 EYES, Uptempo-<br />

Hardcore-Geschrote oder düstere Westernsounds. Was für<br />

Leute stecken hinter der Maskerade, die solch eine verquere<br />

Musik spielen? Diese Frage kann ich nicht beantworten.<br />

Dafür kann ich aber jedem, der interessiert ist, den<br />

Tip geben, sich auf greyonline.nl das Album kostenlos herunterzuladen<br />

– und bei Gefallen sich das Digipak oder das<br />

Vinyl via Black Death Records anzuschaffen. (8)<br />

Arndt Aldenhoven<br />

BERLIN CITY EP<br />

− 10 inch plus CD −<br />

www.alive-ag.de<br />

www.xno.net<br />

OX-FANZINE 95


EvIEws<br />

BILL HORIST<br />

Covalent Lodge<br />

CD | North Pole | northpolerecords.org || Der Gitarrist<br />

Bill Horist ist auch in MASTER MUSICIANS OF BUK-<br />

KAKE (Conspiracy Records) aktiv und kann auf über 20<br />

Kooperationen mit<br />

Musikern wie KK Null,<br />

John Zorn, Trey Gunn<br />

(KING CRIMSON), William<br />

Hooker, Trey Spruance<br />

(MR. BUNGLE,<br />

SECRET CHIEFS 3),<br />

Eugene Chadbourne,<br />

Tatsuya Yoshida (RUINS)<br />

und vielen anderen<br />

zurückblicken. Seit er<br />

1995 nach Seattle zog,<br />

etablierte er sich als<br />

geschätzter Improvisations-,<br />

Kompositions- und Performancekünstler, tauchte<br />

in über 40 Aufnahmen auf und spielte an die 700 Konzerte<br />

auf dem ganzen Globus. Diese Umtriebigkeit erklärt<br />

auch diese unfassbar lange Liste an Gastmusikern, die sich<br />

ein Stelldichein auf diesem Album geben. Unter anderem<br />

konnte er Schlagzeuger Matt Chamberlain, der bereits für<br />

PERL JAM, Tori Amos, David Bowie oder GARBAGE die<br />

Felle traktierte, Sänger B.R.A.D. Moven (THE ACCÜSED,<br />

MMOB, ASVA), Eyvind Kang (ZORN, BECK, RIBOT) an der<br />

Viola und über ein Dutzend anderer erstklassiger Künstler<br />

um sich scharen. Und wer jetzt denkt, da wird beim Starten<br />

der CD der Weltuntergang über ihn hereinbrechen,<br />

der kann holzwegiger nicht unterwegs sein. Eine lieblichseichte<br />

Akustikgitarre, begleitet <strong>von</strong> Xylophon, Streichern<br />

und einem Chor empfängt einen fast fassungslos erstaunt<br />

– und mittendrin die sanfte Stimme <strong>von</strong> Bill Horist. Kann<br />

man angesichts der Beteiligten <strong>von</strong> Post-Hardcore sprechen<br />

oder muss man doch den guten alten Indie dazu<br />

bemühen? Am Ende bleibt das profane Gefühl, einer minimalistischen<br />

Schönheit mit großartigem Musikeraufgebot<br />

begegnet zu sein. Arrangiert wurde die Aufnahme <strong>von</strong><br />

Toningenieur und Produzent Randall Dunn (SUNN O))),<br />

BORIS, KINSKI, EARTH) in den Aleph Studios zu Seattle.<br />

(9) JeNnY Kracht<br />

TAYLOR HOLLINGSWORTH<br />

Life With A Slow Ear<br />

CD | Team Love | team-love.com | 34:46 || Mit großer<br />

Zwiespältigkeit trete ich diesem Album gegenüber. Seit<br />

dem ersten Album <strong>von</strong> Langhorne Slim vor bereits einigen<br />

Jahren hat mich Musik nicht mehr so in ihren Bann<br />

gezogen und vom ersten Ton an in Begeisterung versetzt.<br />

Sehr eigene Interpretationen <strong>von</strong> Desert-Rock verschmelzen<br />

mit Uptempo-Bluegrass und zeigen die besten Seiten<br />

amerikanischen Roots-Countrys. Melodien, die mich<br />

mitnehmen und dort berühren, wo mich nur ausgesprochen<br />

gute Musik erreichen kann. Doch, und jetzt muss ich<br />

diesem traumhaften musikalischem Glaspalast mit dem<br />

Hammer zu Leibe rücken, Taylor Hollingsworth hört sich<br />

an, als würde er als eine der amerikanischen Originalstimmen<br />

der Sesamstraße singen. Um nicht missverstanden zu<br />

werden: er singt melodiös, so, wie es den Songs angemessen<br />

ist, allein seine Stimme quäkt, quietscht und nölt, als<br />

würde Bob Dylan singen können, aber auf 45 laufen. Das<br />

ist sehr gewöhnungsbedürftig. Da die Hitdichte aber ungeheuer<br />

groß ist, vermute ich fast, dass ich diese Stimme nach<br />

zehnmaligem Durchlaufen irgendwann doch noch lieb<br />

gewinnen werde. (8) Claus Wittwer<br />

OX-FANZINE 96<br />

hhh<br />

HAPPY BIRTHDAY<br />

s/t<br />

CD | Sub Pop/Cargo | subpop.com | 33:09 ||<br />

Wenn man den ganzen Tag mit auf Hochglanz polierter<br />

Pop-Scheiße zugemüllt wird, dann ist ein bisschen<br />

LoFi zwischendurch ganz erfrischend. Das Label Sub Pop<br />

ist eine gute Wahl, wenn man auf der Suche nach etwas<br />

gewollt schludrig Produziertem ist. Und HAPPY BIRTH-<br />

DAY auch. Zwar debütiert das Trio aus Brattleboro in Vermont<br />

mit diesem Album, <strong>von</strong> den Mitgliedern Kyle <strong>Thomas</strong>,<br />

Ruth Garbus und Chris Weisman kann man vorher<br />

schon gehört haben: WITCH, ALABAMA THUNDER-<br />

PUSSY oder FEATHERS lauten vorherige Stationen. Die<br />

elf Songs des Debüts laufen gefällig durch, aber auch weitgehend<br />

harmlos. Der Ansatz ist Pop, der selbstverständlich<br />

durch gezielten Dilettantismus und Missklang torpediert<br />

wird. Bei einem Model würde man sagen, sie habe den Mut<br />

zur Hässlichkeit, HAPPY BIRTHDAY zeigen diesen Mut auf<br />

musikalischer Ebene. Hier wäre andersrum ein bisschen<br />

Feigheit ganz angebracht gewesen. Die hätte den Songs vermutlich<br />

gut getan. (6) Christian Meiners<br />

HARD TO BREATHE / DEATH ROW<br />

Grill Punx Split<br />

CD | 0-22 | myspace.com/022records | 23:34 || Ich<br />

will mehr da<strong>von</strong>. Mehr Underground, mehr D.I.Y.! Unsere<br />

Nachbarn in Polen, genauer gesagt: Warschau haben hier<br />

eine feine Split-CD auf die Pitbulls der HC-Community<br />

losgelassen und den Jungs nehme ich das auch ab,was sie so<br />

<strong>von</strong> sich geben. HARD TO BREATHE haben viel Achtziger-<br />

NYHC gehört und der Sänger klingt wie ein junger Roger<br />

<strong>von</strong> AF mit polnischem Akzent. Rough and tough covern<br />

sich beide Bands gegenseitig und auch DEATH ROW sind<br />

gut und erfrischend alte Schule und metalfrei. Dabei klingen<br />

sie nicht altbacken oder wie hundertmal gehört. Freue<br />

mich immer wieder, <strong>von</strong> Bands zu hören, die sich nicht tot<br />

touren bei uns und mit guter Attitude und Musik überzeugen.<br />

Die Aufmachung ist sehr gut und neben allen Texten<br />

und vielen Comics ist ein Stadtplan <strong>von</strong> Warschau enthalten,<br />

der euch zeigt, wo in der Stadt was los ist. Clubs,<br />

Proberäume, Falafel, Grill Punx Headquarters ... Also, auf<br />

nach Warschau.(8) Sebastian Walkenhorst<br />

HARMFUL<br />

Cause<br />

CD | Pias | piasgermany.de | 38:39 || Einfach nicht<br />

totzukriegen, diese Band aus Frankfurt. 18 Jahre, acht<br />

Alben, eine stolze Bilanz. Dabei schien die drei Jahre<br />

andauernde Kreativpause seit dem letzten Album schon zu<br />

einer Endlospause auszuufern – wenn nicht Billy Gould,<br />

Gitarrist auf dem HARMFUL-Album „7“ und jetzt wieder<br />

FAITH NO MORE-Mitglied, das Trio zu einem Konzert<br />

mit seiner neuen alten Band überredet hätte. Gesagt,<br />

getan, und prompt waren alle wieder angefixt. Das Ergebnis:<br />

„Cause“, das die Band nach eigener Aussage wieder<br />

zurück zu ihren Wurzeln führt. Mag sein, den Erfahrungsgewinn<br />

haben sie jedenfalls dabei nicht über Bord geworfen.<br />

„Cause“ ist wahrscheinlich das Album, das die Widersprüche<br />

der Band am besten aufzeigt: Selten wohl standen<br />

sich Wucht und Pop, Wut und Harmonie so versöhnlich,<br />

so wohlwollend gegenüber wie auf diesem Album. Wenn es<br />

also immer lange Pausen und einen Zufall braucht, um sich<br />

nochmal zu steigern, dann bitte schön, ab in den nächsten<br />

Winterschlaf. (7) Christian Meiners<br />

HOLLY GOLIGHTLY & THE BROKEOFFS<br />

Medicine Country<br />

LP/CD | Damaged Goods/Cargo | damagedgoods.<br />

co.uk | 37:18 || Dieses Album bedarf nicht vieler Worte.<br />

Holly Golightly und Lawyer Dave haben mit „Medicine<br />

Country“ bereits ihr drittes Album unter dem Namen<br />

HOLLY GOLIGHTLY & THE BROKEOFFS veröffentlicht.<br />

Die zwölf Titel wabern im Sumpf zwischen Swamp-Rock,<br />

Country, Blues und Trash à la CRAMPS. Als Gastmusiker<br />

ist einmal Tom Heinl, aus seiner Feder stammte Hollys<br />

Weihnachtssong „Christmas tree on fire“, bei „Blood<br />

on the saddle“ dabei – natürlich ein Country-Song zwischen<br />

Hank Williams und den KNITTERS, sonst wurde<br />

alles in Eigenregie während einer Europatournee in Spanien<br />

eingespielt. Die Queen of 60s-Garage-Punk mutiert<br />

so zur Queen der erdigen Blues- und Countrymusik. Sehr<br />

gelungen ist auch das eher CRAMPS-mäßig ausgefallene<br />

WRECKLESS ERIC-Cover „Murder in my mind“. Kaufen.<br />

(9) Kay Werner<br />

HARVESTMAN<br />

In A Dark Tongue<br />

CD | Neurot/Cargo | neurotrecordings.com | 69:36<br />

|| Vier Jahre nach dem Debüt „Lashing The Rye“ fand<br />

NEUROSIS’ Steve <strong>von</strong> Till die Zeit, sich um ein zweites<br />

Solo-Album unter dem<br />

Namen HARVESTMAN<br />

zu kümmern. Natürlich,<br />

es gibt auch die<br />

regulären Solo-Alben<br />

unter dem Namen Steve<br />

<strong>von</strong> Till, deren Stil Kollege<br />

Kerpen mal mit<br />

„Gothic-Johnny Cash“ zu<br />

umschreiben versuchte,<br />

doch mit HARVEST-<br />

MAN ist <strong>von</strong> Till näher<br />

dran am furchteinflößenden,monumentalen,<br />

vielschichtigen Sound <strong>von</strong> NEUROSIS. In der Besetzungsliste<br />

steht er mit „electric guitar, appalachian dulcimer,<br />

synthesizer, m-tron, piano, bass, manipulation, filters,<br />

ring modulator, loops, vocals, delay and distortion“, hatte<br />

bei einzelnen Songs aber auch Helfer, etwa Al Cisneros, aber<br />

letztlich hat Steve das Album in seinem „Krähennest“-Studio<br />

im einsamen Norden Idahos im Alleingang zusammengeschraubt.<br />

Nun ist die Zahl jener Musiker und Bands,<br />

die sich im weitesten Sinne an monumentaler, soundtrackhafter<br />

instrumentaler Musik mit apokalyptischer Atmosphäre<br />

versuchen, in den letzten Jahren massiv angestiegen,<br />

und es bedarf einer gewissen Anstrengung, hier die<br />

wirklich herausragenden Werke <strong>von</strong> ambitionierten, aber<br />

letztlich unoriginellen Aufnahmen auseinander zu halten.<br />

Steve <strong>von</strong> Till allerdings gehört, das wird auch hier wieder<br />

klar, zur ersten Kategorie. Seine Kompositionen und Konstruktionen<br />

sind betörende Klangmonumente, und man<br />

möchte die Experimentalfilmer in aller Welt dazu aufrufen,<br />

zu jeder der zwölf Nummern die passenden bewegten<br />

Bilder zu liefern, denn Kopfkino alleine ist hier nicht<br />

genug. Das Album ist eine hervorragende Ersatzdroge bis<br />

zum Erscheinen des nächsten NEUROSIS-Albums – wollen<br />

wir nicht hoffen, dass Steve mit solchen Alben diese<br />

irgendwann überflüssig macht ... (9) Joachim Hiller<br />

HIRNSÄULE<br />

Hirnsalto<br />

CD | hirnsaeule.de | 18:30 || HIRNSÄULE? Da war<br />

doch mal was. Richtig, im Jahre 2000 hatte ich die EP „Ich<br />

weiß wo dein Haus wohnt“ mit der Band getauscht. Seitdem<br />

ist bei den Bremern reichlich Wasser die Weser hinuntergelaufen.<br />

Ich hatte die Band aus den Augen verloren<br />

und bin nun umso mehr vom Sound der neuen CD überrascht.<br />

Jahre sind vergangen und der Rumpelpunk aus den<br />

Anfangstagen der Band ist wirklich gut hörbarem Hardcore/Punk<br />

gewichen, der dem geneigten Hörer mit Hochgeschwindigkeit<br />

um die Ohren geprügelt wird. Sehr tight<br />

gespielte 14 Songs in knapp 19 Minuten gibt es zu hören.<br />

Da weiß man, was Sache ist, und für Langeweile ist die Zeit<br />

zu kurz. Von dieser CD sollte eigentlich auch eine Vinylversion<br />

erscheinen, was leider durch die finanzielle Situation<br />

der Band verhindert (oder vertagt?) wurde. So stößt<br />

der klassische D.I.Y.-Anspruch an seine Grenzen und vielleicht<br />

findet sich doch noch ein Label, welches die Songs<br />

als LP veröffentlichen möchte. Zu wünschen wäre es. (7)<br />

Christoph Lampert<br />

HIPBONE SLIM &<br />

THE KNEE TREMBLERS<br />

The Kneeanderthal Sound Of<br />

CD | Voodoo Rhythm/Cargo | voodoorhythm.com |<br />

39:04 || Auch die KNEETREMBLERS um den umtriebigen<br />

Mark Sultan aka Sir Bald Diddley sind eine ausgesprochen<br />

fleißige Combo. Sie<br />

sind nahezu ständig auf<br />

der Bühne oder im Studio,<br />

dazu hat „Baldie“<br />

auch noch diverse andere<br />

Projektchen im Rennen.<br />

Die KNEEJERK REAC-<br />

TION als Beat/R&B-<br />

Outfit, ein Ska-Ensemble,<br />

eine Louie-Louie-<br />

Frat-Band und und und<br />

... Von den KNEETREM-<br />

BLERS jedenfalls gibt<br />

es nun die mittlerweile<br />

vierte Langspielplatte. Soundmäßig hat sich nicht allzu viel<br />

geändert, neu dabei ist allerdings der Basser Gez Gerrard<br />

(auch schon bei den KNEEJERK REACTION mit an Bord<br />

gewesen ...), der mit seinem ungemein rotzigen Bluesharp-<br />

Gebläse dem Ensemble frischen Wind verleiht. Außerdem<br />

haben Baldie, Bruce und Gez auch einige Gastmusiker in<br />

Ed Deegans (vormals Toe Rag-Engineer!) Studio gelotst.<br />

Mit der Hilfe <strong>von</strong> Pianisten Kid Wig, Saxofonisten Johnny<br />

Loafer und der Chanteuse Mary Tee (auf dem wunderbar<br />

schaurigen und nekrophilen Todes-Blues „Dig that grave“,<br />

bester Song der Platte!) ist das Spektrum der TREMB-<br />

LERS nochmals erweitert worden. Country-Blues „Gonna<br />

give you everything“, schmachtender Brit-Rockabilly à<br />

la JOHNNY KIDD & THE PIRATES, bollernden Diddley-<br />

Beat, Surf-Instros („Camel neck“, ein kompletter Dick-<br />

Dale Ripoff) und Musik, bei der sich Damen besser ausziehen<br />

können, die Bandbreite ist enorm. Eine prima Platte<br />

ist das, die personelle Umbesetzung hat frischen Schwung<br />

gebracht. Einzig und allein mag ich kritisch anmerken, dass<br />

mir Baldies Gesang in der blasierten Stiff-Upper-Lip-Version<br />

bei den Brit-a-billy-Songs besser gefällt, als das rotzige<br />

R&B-Gekreische, das steht ihm nicht so. Aber kleine<br />

Ausraster braucht man eben auch <strong>von</strong> Zeit zu Zeit. (8)<br />

Gereon Helmer<br />

HOT ROD GANG<br />

Silver Wedding<br />

CD | Part | part-records.de || Die HOT ROD GANG<br />

feiert ein Jubiläum und lädt alte Bekannte in Form <strong>von</strong><br />

Covern dazu ein. Der Titel lässt es vermuten, es sind 25<br />

Jahre seit dem ersten gemeinsamen Musizieren vergangen<br />

und das wohl im gleichem Line-up. Es spricht für Menschen,<br />

wenn es ihnen gelingt, einen gemeinsamen Weg<br />

einzuschlagen, konsequent weiterzuverfolgen und das<br />

Gemeinsame im Vordergrund stehen zu lassen. Die HOT<br />

ROD GANG würde man in anderen Bereichen sicher als<br />

Retro bezeichnen können, widmen sie sich doch dem<br />

Rock’n’Roll der Fünfziger. Allerdings nicht als reine Kopisten<br />

oder in der rohen Variante, sondern durchaus mit<br />

einem modernen Ansatz. Nur so werden die 25 Jahre auch<br />

auszuhalten gewesen sein. Der Jubiläumsoutput enthält bei<br />

13 Tracks acht Coverversion, die allesamt gut interpretiert


werden. Die HOT ROD GANG ist eine erfahrene Band, die<br />

sich über die Jahre als Konzert- und partytauglich erwiesen<br />

hat, fester Bestandteil der Szene ist, auch wenn auf dieser<br />

Platte ohne echte Highlights. (6) Robert Noy<br />

HEARTBREAK STEREO<br />

Carried Through This Waltz<br />

CD | Rookie/Cargo | rookierecords.de | 33:10 ||<br />

13-facher Nachschlag für alle, deren Luftsprünge über<br />

das aufmüpfi g gute Debüt „Inspiration (Back From The<br />

Dead)“ (Review #82)<br />

aufgrund Überhörens so<br />

langsam fl acher geworden<br />

sind. Und die Reise<br />

geht genau so weiter,<br />

wo sie eben da nach elf<br />

Tracks ihr abruptes Ende<br />

nahm: Auf dem besten<br />

Weg zum Punk-Olymp,<br />

um die (!) großen Vorbilder<br />

RANCID zu enthronen.<br />

Mit einigen Songs<br />

gelingt das den drei frechen<br />

Jungspunden auch<br />

vorzüglich und die Nähe zu Tim und seinen Jungs ist schon<br />

fast beängstigend. „Sunburn“ beginnt wild und mündet<br />

in einem Chorfeuerwerk wie zu besten „Let’s go“-Zeiten.<br />

Das Gleiche gilt für das steil abgehende „Do I need a reason<br />

not to leave you here to die“. Halb so schnell, aber doppelt<br />

so cool brennt sich „Stepping out of line“ in die Gehörgänge.<br />

Verdammt, das können doch keine eigenen Songs<br />

sein. Doch, lieber Rezensent und es wäre interessant zu<br />

wissen, was die Amis dazu sagen, angesichts deren nahender<br />

Berentung. Die Finnen jedenfalls haben an ihren Trademarks<br />

geschraubt, sind zum Teil aber auch härter und wilder<br />

geworden („Bottle rocket“). Obwohl sich die Hits eher<br />

im mittleren Tempobereich abspielen, machen sich die<br />

knallharten Punk-Songs nicht schlecht, um den Kontakt<br />

zur Basis zu halten und eine klare Weichspüler-Trennlinie<br />

zu ziehen. Die pure Spielfreude und effektvoller Schlagzeugeinsatz<br />

unterscheiden die Band deutlich <strong>von</strong> der Vielzahl<br />

der RANCID-Kopisten. Leider beginnt die Scheibe mit<br />

einer dürftigen Nummer („Say nothing“) und auch zwischen<br />

die Raketensongs haben sich einige maue Töne eingeschlichen,<br />

aber unterm Strich bleibt die Bestätigung des<br />

Überraschungscoups <strong>von</strong> 2008. (8) Lars Weigelt<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

HÖLLENHUNDE<br />

Sieh die Wahrheit<br />

MCD | Rockstar Crew | hoellen-hunde.com || Die<br />

HÖLLENHUNDE kannte ich bislang nur vom „Pogo, Parties<br />

& Promille“-Sampler auf Psycho T Records, wobei <strong>von</strong><br />

Band und ihrem Beitrag seinerzeit nicht sonderlich was<br />

hängen geblieben ist. Jetzt gibt’s eine 4-Track-CD, die ihr<br />

euch kostenlos auf der Band-Homepage herunterladen<br />

oder als Promo-CD bei einigen ausgesuchten Mailordern<br />

abstauben könnt. Das gibt natürlich Pluspunkte, allerdings<br />

hätte ich auch einige Flüche vom Stapel gelassen, wenn ich<br />

dafür Geld bezahlt hätte. Sowohl textlich als auch musikalisch<br />

belanglose Rock-Straßenmucke ohne Ausfälle, aber<br />

auch ohne Highlights. Die Stimme erinnert mich irgendwie<br />

an SOKO DURST, ohne aber auch nur ansatzweise<br />

deren Qualität zu erreichen. (3) Christian Fischer<br />

HELLISH CROSSFIRE<br />

Bloodrust Scythe<br />

CD | I Hate/Twilight | ihate.se | 42:48 || „Into the<br />

old and evil“ heißt einer der Tracks der LP des süddeutschen<br />

Thrash-Metal-Kommandos, dessen Zweitling dieser<br />

Tage auf dem famosen schwedischen Label I Hate erscheint.<br />

Und wörtlicher kann man diese Ansage kaum nehmen,<br />

denn das hier ist famoser Oldschool-Thrash-Metal, rauh,<br />

ungeschliffen und direkt zum Diamanten geworden.<br />

Ungewöhnlich ist der Gesang mit Death-Metal-Einschlag<br />

zum derben Thrash-Riffi ng, das ohne jegliches Anzeichen<br />

dafür auskommt, dass die letzten 25 Jahre stattgefunden<br />

haben könnten. Dazu kommt ein gutes Gespür für Hooks<br />

und kleine feine Melodien, die gelegentlich an IRON MAI-<br />

DEN erinnern. Was mich geradezu in Verzückung versetzt,<br />

ist die perfekt eingefangene damalige Atmosphäre, zu der<br />

auch das Aufgreifen aller möglichen Phrasen und Floskeln<br />

gehört. Beispiele gefällig? Titel namens „Speed hunter“<br />

oder „Too tough to die“. Sehr, sehr unterhaltsame Scheibe!<br />

(8) Dr. Oliver Fröhlich<br />

HELLBURNSAWAY<br />

Worse Than The Truth<br />

CD | Custom Core | customcore.com | 19:18 ||<br />

Metallisch angehauchter Hardcore mit Presswehen-<br />

Gesang, viel mehr gibt es zu HELLBURNSAWAY kaum zu<br />

sagen. Dass die Band sich selbst als Newschool-Hardcore<br />

einordnet, ist eigentlich schon eher zu modern – es sei<br />

denn, man sieht TERROR und MADBALL als Newschool-<br />

Vertreter. Zugegebenermaßen klingt „Worse Than The<br />

Truth“ weniger tough als Letztgenannte, letztlich liegt das<br />

aber auch nur am fehlenden Stimmvolumen des Shouters<br />

der Franzosen. Irgendwie nett und auch professionell und<br />

solide umgesetzt, aber braucht man sich auch nur ins Regal<br />

zu stellen, wenn man <strong>von</strong> den üblichen Verdächtigen schon<br />

wirklich alles hat. (6) Andreas Kuhlmann<br />

SOPHIE HUNGER<br />

1983<br />

CD | Two Gentleman | twogentleman.net | 42:36 ||<br />

Kaum ein Jahr nach ihrem Debütalbum „Monday’s Ghost“<br />

erscheint das zweite Album der jungen Schweizerin, die<br />

sich im Grenzbereich zwischen Jazz-inspirierter Singer/<br />

Songwriterin und modernem Folk-Rock bewegt. „1983“,<br />

Hungers Geburtsjahr, ist vielschichtiger als ihr Debüt und<br />

nimmt elektronische Einfl üsse ebenso auf wie Drumcomputer,<br />

Horn und Mundharmonika. Sophie Hunger experimentierte<br />

im Studio mit Equalizern und Amps, ohne den<br />

Bezug zu den Wurzeln im Jazz aus den Augen zu verlieren.<br />

Sympathisch muss sie einem auch deshalb sein, weil sie<br />

„Le vent nous portera“ der Franzosen NOIR DÉSIR covert<br />

– und das ganz großartig. Auch wenn sie in der Vergangenheit<br />

die Bühne mit so unterschiedlichen Künstlern wie<br />

THE YOUNG GODS und der Jazzgröße Erik Truffaz teilte,<br />

würde man ihre Stimme, mitunter nahe an Beth Orten,<br />

und Musik gerne auch mal im Vorprogramm <strong>von</strong> Rogalls<br />

ELECTRIC CIRCUS SIDESHOW hören. Großartige Balladen<br />

wie „Headlights“ fi nden sich auf dem Album ohnehin.<br />

(7) Markus Kolodziej<br />

HOT WIRE<br />

Tribute<br />

If It Ain’t Rock’n’Roll We’ll Fix It<br />

CD | Part | part-records.de || Sucht jemand eine Band<br />

für seine Party oder braucht eine Band einen guten Support-Act?<br />

Wenn es dann noch Rockabilly sein soll, seid ihr<br />

bei HOT WIRE richtig. Die vier Jungs covern, was das Zeug<br />

hält, und machen vor keinem Song einen Rückzieher. Nahe<br />

liegende Größen wie Elvis oder Bruce Springsteen werden<br />

ebenso interpretiert wie ROXETTE oder die RED HOT<br />

CHILI PEPPERS. Mit Rockabilly ist fast alles möglich, auch<br />

wenn die Songs <strong>von</strong> artfremden Genres nur sehr selten besser<br />

werden. Mir stellt sich die Frage: Wie viele Bands mag es<br />

weltweit geben, die genau diese Schiene fahren? Es müssen<br />

viele sein und ich möchte sie nicht alle kennen lernen.<br />

Die Bezeichnung Coverband ist hart, aber dann doch nahe<br />

liegend. Hin und wieder macht dies aber Spaß und dafür<br />

sind HOT WIRE ein Garant. Wenn auch nicht Besonderes<br />

geboten wird, muss das aber auch erst einmal gut gemacht<br />

werden. Das gelingt bei beiden Platten, mit denen sich jede<br />

Party aufl ockern lässt. Mehr muss man dazu allerdings<br />

auch nicht sagen. (5) Robert Noy<br />

HIRSCH EFFEKT<br />

Holon:Hiberno<br />

CD | Midsummer/Cargo | midsummer-records.<br />

de || Mein lieber HIRSCH EFFEKT, euer Album ist für<br />

mich auf mehrere Arten etwas ganz Besonderes: 1. Selten<br />

hat jemand so viele<br />

verrückte Ideen auf ein<br />

Konzeptalbum gepackt,<br />

ohne THE MARS VOLTA<br />

zu heißen. Vielen Dank<br />

für euren Mut – Schranken<br />

sind was für Popper!<br />

2. Die herrlich vertrackten<br />

Songs, wie zum<br />

Bespiel „Vituperator“,<br />

sind seit Langem mal<br />

wieder etwas, das polarisiert.<br />

Aber nicht in<br />

dem „Mag ich/Mag ich<br />

nicht“-Sinne. Eher auf die Art, dass man Songs wie den<br />

zweigeteilten Opener „Epistel“ nicht immer anhören kann.<br />

3. „Holon:Hiberno“ ist für ein Trio ein verdammter Brocken.<br />

Eure Ideen möchte ich haben, dann würde mir nie<br />

langweilig. 4. Welche andere Band hat es schon geschafft,<br />

einen Kammerchor für sein Debütalbum so zu arrangieren,<br />

dass sich die Streicher perfekt ins Gesamtbild einfügen?<br />

Bravo, Bravo! P.S. Um „Holon:Hiberno“ richtig zu verstehen,<br />

muss man sich zwischendurch sicherlich mal eine<br />

Pause gönnen. Dazu fordert es einen wirklich zu sehr. Das<br />

gab es so in Deutschland noch nicht. Man könnte ANTI-<br />

TAINMENT noch im entferntesten Sinne mit THE HIRSCH<br />

EFFEKT verbinden, aber eigentlich sind beide Bands für<br />

sich schon viel zu weit outer space. (9) Sebastian Wahle<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

HITS<br />

Living With You Is Killing Me<br />

CD | Mere Noise | merenoise.net | 39:38 || Ist Duane<br />

Peters nach Brisbane, Australien ausgewandert? Angesichts<br />

des nöligen Organs <strong>von</strong> HITS-Frontmann Evil Dick könnte<br />

man das beinahe vermuten. Da die Musik seines zu gleichen<br />

Teilen weiblich wie männlich besetzten Backing-<br />

Quartetts aber weniger nach 77er-Punkrock als nach klassischem<br />

Aussie-Rock klingt, hört die Ähnlichkeit da auch<br />

schon wieder auf. Vorher waren die Beteiligten unter anderem<br />

bei STRUTTER (Evil Dick), GAZOONGA ATTACK,<br />

VAMPIRELLAS, BUTCHER BIRDS, DISABLES, DROWNING<br />

KITTENS und SHREWMS zu hören, und zumindest die<br />

ersten beiden Bands waren mir schon bekannt. Schwerfälliger,<br />

düsterer, intensiver, zwischen Wut und Schmerz pendelnder<br />

Rock auf den Spuren <strong>von</strong> MARK OF CAIN und<br />

BEASTS OF BOURBON, auch mal an PSYCHEDELIC FURS<br />

erinnernd, bei „The End“ gar an alte THE CHURCH – damit<br />

liegt man bei mir goldrichtig. Und sicher auch bei jedem<br />

anderen, dessen Sensoren auf das Namedropping erwähnter<br />

australischer Klassiker geeicht sind. (8) Joachim Hiller<br />

HIGHWAY CHILD<br />

Sanctuary Come<br />

CD | Elektrohasch | elektrohasch.de | 40:23 || Das<br />

zweite Album der Dänen, bei deren Namen ich unweigerlich<br />

an DEEP PURPLE denken muss, wirkt er doch wie ein<br />

Bastard aus „Highway star“ und „Child in time“. Klingt so<br />

auf dem Papier nicht überzeugend, aber wenn man dazu<br />

die Musik hört, drängt sich der Verdacht auf, zumindest<br />

was die psychedelischeren, frühen Nummern <strong>von</strong> Ian Gillan<br />

& Co. anbelangt. Andererseits verwundert es auch nicht,<br />

dass Lorenzo Woodrose bei einem Song („Turn me on“)<br />

einen Gastauftritt hat, denn sowohl räumlich wie musikalisch<br />

ist eine gewisse Nähe zu BABY WOODROSE durchaus<br />

vorhanden. So weit, so gut, und grundsätzlich ist auch<br />

nichts einzuwenden gegen diese Art <strong>von</strong> Psychedelic Rock,<br />

doch HIGHWAY CHILD sind mir unterm Strich doch ein<br />

ganzes Stück zu hippiesk verspielt, nicht heavy und distorted<br />

genug (anders als etwa BABY WOODROSE) – und so<br />

bin ich hier ganz schnell wieder raus. (5) Joachim Hiller<br />

III<br />

INHUME<br />

Moulding The Deformed<br />

CD | War Anthem | war-anthem.de | 36:39 || Oops,<br />

da ist aber jemand böse. Heftig shreddernder Gore-Grind<br />

in modernem oberfetten Soundgewand bricht sich den<br />

Weg durch die Gehörgänge, hinterlässt Klumpen rohen<br />

Fleisches und erstarrtes Blut im Innenohr und zermalmt<br />

die Nervenschaltzentrale. Wenn mal nicht geblastet<br />

wird, grooven INHUME ganz gut und würden gelegentlich<br />

hauptsächlich wegen der heftigen Growls im untersten<br />

Frequenzbereich an MORTICIAN erinnern, hätte diese<br />

einen Drummer und keinen Plastiksklaven. Wenn es auch<br />

an neuen Akzenten fehlt, regiert hier der gute alte Grindcore-Hammer.<br />

Das stylische Cover erinnert frappierend an<br />

die „Körperwelten“-Ausstellungen. (7) Dr. Oliver Fröhlich<br />

IRE PRESS<br />

Sol Eye Sea I<br />

CD | Make My Day | makemydayrecords.de | 59:05<br />

|| Wenn eine Band instrumentalen Rock mit Prog- und<br />

Metal-Elementen mischt, ist es kaum ein Wunder, dass<br />

ein Name wie Daryl Rabidoux mit im Spiel ist. Zur Erinnerung:<br />

Der spielte einst bei der CANCER CONSPIRACY.<br />

Hier hatte er als Produzent die Finger an den Reglern.<br />

Das Coverartwork lässt zwar auf bekifften Siebzigerjahre-<br />

Rock schließen, damit gemeinsam hat der Fünfer aus Boston<br />

aber höchstens die Auffassung, dass Musik ein Trip sein<br />

muss. Es handelt sich hier vielmehr um eine harte, technisch<br />

anspruchsvolle Variante des Post-Rocks, bei dem<br />

löblicherweise genug passiert, um die Spannung das ganze<br />

Album über zu halten und den Gesang nicht zu vermissen.<br />

Clubsounds fi nden ebenso ihren Platz wie jazzige Passagen,<br />

saftiger Metalcore und eben die bekannten schwebenden<br />

Shoegaze-Parts. Klingt sperrig, ist aber trotzdem nicht<br />

unübersichtlich, sondern auf wundersame Weise logisch<br />

ineinander gefügt. Eine krachende Ohrfeige für alle Instrumentalbands,<br />

die glauben, man könnte nicht mal ein bisschen<br />

herumexperimentieren. (8) Christian Meiners<br />

ISLAND<br />

s/t<br />

CD | Vendlus/Zeitgeister | zeitgeistermusic.com |<br />

56:58 || Der Stern über der Insel ISLAND scheint nicht<br />

unbedingt ein guter zu sein. So sind <strong>von</strong> Aufnahme bis<br />

Veröffentlichung des gleichnamigen Debüts drei Jahre ins<br />

Land gegangen. ISLAND sind Teil des Zeitgeister-Klans<br />

aus Bonn, der in wechselnder Besetzung auch unter KLA-<br />

BAUTAMANN, GRÜNEWALD oder VALBORG fi rmiert,<br />

alles sehr eigene Bands im weiten Feld zwischen rohem<br />

Death Metal und Soundscapes mit hypnotischem Gesang.<br />

Wenn VALBORG/KLABAUTAMANN das laute und GRÜ-<br />

NEWALD das ruhige Ende markieren, befi ndet sich das<br />

aktuelle ISLAND-Werk ungefähr in der Mitte. Vom obskuren<br />

Metal der Anfangstage, der gewisse Reminiszenzen<br />

zu GORGUTS zuließ, ist rein gar nichts zurückgeblieben.<br />

ISLAND sind ruhig, leise und verspielt geworden.<br />

Gezupfte Gitarren und ruhiger Gesang bestimmen das<br />

Bild, das eventuell noch an die Prog-Wand genagelt werden<br />

könnte. Gelegentlich hört man mittelalte ANATHEMA<br />

oder alte PINK FLOYD heraus, meist agieren ISLAND aber<br />

eigenständig und lassen ihre Musik mit dezenten Bläserarrangements<br />

zu einer willkommenen Alternative für ruhige<br />

Stunden werden. (8) Dr. Oliver Fröhlich<br />

IN-SANE<br />

Trust These Hands ... Are Worthless<br />

CD | Fond of Life | fondofl ife.net | 32:38 || Die<br />

Ursprünge <strong>von</strong> IN-SANE gehen zurück in das Jahr 1997.<br />

Inzwischen ist die Band als Trio etabliert. Die slovenische<br />

Truppe hat dieses Album im eigenen Studio selbst produziert.<br />

Das Ergebnis ist soundtechnisch voll auf der Höhe,<br />

musikalisch wird temporeicher, mit vielen Breaks gespickter<br />

und leicht metallischer Hardcore geboten. PROPA-<br />

GANDHI lassen grüßen, STRUNG OUT stehen auch auf<br />

der Liste. Für ein Trio ist das eine ziemliche Wand, die<br />

sich hören lassen kann. Das Songwriting geht klar, auch<br />

wenn mich die Platte mit ihren elf Songs nicht gänzlich zu<br />

begeistern weiß. (6) Zahni Müller<br />

IRREAL<br />

Höhenangst<br />

MCD | SiiiS | myspace.com/irgendwieirreal |18:20<br />

|| Die sechs Songs der drei Burgenländer kommen im<br />

Sinne kalifornischer und schwedischer Neunziger-Bands<br />

melodieverliebt und mit angezogenem Tempo daher. Einfl<br />

üsse deutscher Kollegen sind ebenso gegeben, TERROR-<br />

GRUPPE etwa, KAFKAS-Sänger Markus steuert Gastvocals<br />

bei. Textlich geht’s gerne direkt und kämpferisch zur<br />

Sache, es darf aber auch persönlich und nachdenklich werden.<br />

Gesang und Gitarrenarbeit wirken an manchen Stellen<br />

zwar noch etwas unbeholfen, wer aber in der Lage ist,<br />

einen solch großartigen Song wie das akustisch-melancholische<br />

„An meiner Wand“ zu schreiben, dem sei das<br />

verziehen. (7) H.C. Roth<br />

JJJ<br />

JEREMY IRONS AND<br />

THE RATGANG MALIBUS<br />

s/t<br />

CD | myspace.com/theratgang | 25:49 || „Elefanta“<br />

erinnert sehr stark an die späten HELLACOPTERS. Genauer<br />

gesagt, klingt es wie eine Proberaumaufnahme <strong>von</strong> „Head<br />

Off“, dem letzten (Cover-)Album eben jener Band. Sprich:<br />

JEREMY IRONS AND THE RATGANG MALIBUS spielen<br />

schwungvollen Rock’n’Roll mit zahlreichen gelungenen<br />

Blues-Einspritzern, guten Melodien und kleinen, psychedelischen<br />

Momenten. Diese musikalische Nähe lässt<br />

sich sicherlich damit erklären, dass die Band ebenso wie<br />

die Höllenschrauber aus Stockholm kommt, so dass man<br />

eine einfl ussgebende Freundschaft zwischen beiden Acts<br />

vermuten darf. Damit bleibt es dann nur noch zu klären,<br />

warum sie sich nach dem britischen Schauspieler Jeremy<br />

Irons benannt hat. (7) Lauri Wessel<br />

JAGA JAZZIST<br />

One-Armed Bandit<br />

CD | Ninja Tune | ninjatune.net | 53:36 || Fünf Jahre<br />

hatte man nichts mehr <strong>von</strong> diesem norwegischen Musikerkollektiv<br />

gehört, inzwischen „nur“ noch aus neun Mitgliedern<br />

bestehend. Zwischendurch hatte man mal JAZ-<br />

ZIST im Bandnamen über Bord geworfen, auf dem neuen<br />

Album ist der wieder intakt, dafür ist diesmal der Anteil<br />

an Jazz zurückgefahren worden, der die Norweger eigentlich<br />

immer so speziell gemacht hatte. Auf „One-Armed<br />

Bandit“ überwiegt in Folge Prog-Post-Rock mit treibendem<br />

Rhythmus, nicht unbedingt weit <strong>von</strong> TORTOISE entfernt,<br />

deren John McEntire auch am fi nalen Mix der Platte<br />

beteiligt war. Unter rein ästhetischen Gesichtspunkten gibt<br />

es an „One-Armed Bandit“ auch nichts auszusetzen, ist es<br />

eine sehr transparent produzierte Angelegenheit, die den<br />

vielschichtigen, eleganten Sound <strong>von</strong> JAGA JAZZIST gut<br />

zur Geltung kommen lässt. Dafür fehlt den neun Songs<br />

ein wenig der Biss, die sich in allzu beliebigen loungeigen<br />

Easy-Listening-Sounds verlieren, die zwar dem Ohr<br />

schmeicheln, aber sich auch wieder schnell verfl üchtigen.<br />

Sicherlich keine schlechte Platte, aber nach so langer Wartezeit<br />

dann doch irgendwie enttäuschend, vor allem im<br />

Vergleich mit dem letzten TORTOISE-Album. (6)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

DANIEL JOHNSTON<br />

Beam Me Up!<br />

CD | Hazelwood | hazelwood.de | 40:17 || In der<br />

letzten Ausgabe hatte ich erst Daniel Johnstons Album „Is<br />

And Always Was“ besprochen, jetzt folgt bereits ein neues<br />

auf dem hiesigen Label Hazelwood. „Neu“ ist dabei eine<br />

relative Aussage, denn vier Songs sind auf jeden Fall Neuneinspielungen<br />

<strong>von</strong> alten Johnston-Songs, darunter auch<br />

sein großartiges, aber leider viel zu kurzes „True love will<br />

fi nd you in the end“. Bei den restlichen Stücken fehlte<br />

mir die Zeit, dessen umfangreiches Schaffen genau abzuklopfen,<br />

und das Info war diesbezüglich auch wenig hilfreich.<br />

Aufgenommen hat der manisch-depressive Ausnahmekünstler<br />

das Album jedenfalls in den Niederlanden mit<br />

kleinem Orchester, also kein LoFi-Wohnzimmer-Folk,<br />

sondern gediegener Kammerpop. Wer Johnstons bisherige<br />

Platten kennt, kann sich sicherlich gut vorstellen, dass das<br />

Ganze immer noch recht schräg klingt, denn dessen krächzender<br />

Lispel-Gesang torpediert jegliche Versuche, eingängige<br />

Popmusik zu produzieren, macht aber natürlich auch<br />

den Reiz <strong>von</strong> „Beam Me Up!“ aus, neben dem gewohnt<br />

skurrilen Humor dieses Mannes. Genau deswegen wird<br />

der Großteil der Menschheit Johnston höchstwahrscheinlich<br />

wieder hassen, aber letztendlich sollte man dankbar<br />

sein, dass es noch dermaßen unangepasste Künstler wie<br />

diesen chronisch erfolglosen Singer/Songwriter gibt, der<br />

sich dadurch einen immer wieder erstaunlichen Kultstatus<br />

geschaffen hat. Und wie die meisten anderen Platten <strong>von</strong><br />

Johnston bleibt auch diese trotz der sehr schönen, kraftvollen<br />

Arrangements eine Sammlung fragmentarischer<br />

Skizzen, manchmal fürchterlich dilettantisch, aber sehr oft<br />

auch irrsinnig genial. Beam me up, Scotty, äh, Daniel! (8)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

JAMIES ELSEWHERE<br />

They Said A Storm Was Coming<br />

CD | Victory | victoryrecords.com || Oh, so viel<br />

Geschrei? Man könnte meinen, dem Sänger geht es<br />

schlecht. Aber würde es mir auch, wenn ich ein männlicher,<br />

geschminkter Amerikaner mit geglätteten Haaren<br />

wäre, dessen 18. Geburtstag noch in weiter Ferne liegt. Klischee<br />

olé. So, Spaß, äh, Fakten beiseite. Man sagt, JAMIES<br />

ELSEWHERE klingen wie eine Mischung aus UNDEROATH<br />

und TAKING BACK SUNDAY auf hohem Niveau. UNDE-<br />

ROATH okay, hohes Niveau stimmt auch, denn „They Said<br />

A Storm Was Coming“ ist super produziert. Aber TAKING<br />

BACK SUNDAY beim besten Willen nicht. Denn die mag<br />

ich. Und wenn ich mich recht erinnere, sind bei Letzteren<br />

auch weder Kreischgesang, Gegrunze, böse Gitarrenriffs<br />

noch coole Keyboards zu hören. Und ich fürchte, genau das<br />

OK KINGS<br />

It’s OK<br />

CD • KK-CD 047<br />

Aus Kopenhagen kommt<br />

das Surf Album des Jahres!<br />

Selbst Surf-Music Guru Phil<br />

Dirt ist begeistert: „Wow...<br />

it’s been ages waiting for<br />

this release. Great playing<br />

and writing, solid arranging, and lots to like – surf wise.<br />

Just plain good!“<br />

a TRIbUTe TO<br />

The GROOVIe<br />

GhOULIeS<br />

when w The Kids Go<br />

Go Go Crazy<br />

CD • KK-CD 046<br />

31 bands from around the<br />

world pay tribute to the<br />

fantastic GROOVIE GHOULIES.<br />

A special collection with bands not only from the poppunk<br />

scene!<br />

LOS TwaNG!<br />

MaRVeLS<br />

Jungle Of Twang<br />

CD • KK-CD 044<br />

Los Twang! Marvels<br />

verbinden Latino-Wurzeln<br />

mit wildem, primitivem<br />

Rock’n’Roll und einem<br />

stattlichen Aufgebot an<br />

unvergleichlichen, surfgetränkten Gitarrenmelodien.<br />

Großes Surf-Kino!<br />

way w OUT weST<br />

Revolution<br />

CD • KK-CD 101<br />

They are back! Fünf Männer,<br />

Drei Gitarren und jede<br />

Menge heiße Melodien. 2007<br />

ist das perfekte Jahr für<br />

diese Reunion, 10 Jahre<br />

Kamikaze Records, 10 Jahre<br />

Evolution und 13 Jahre WOW! Das neue/alte Album enthält<br />

die kompletten Aufnahmen des Evolution Albums, drei weitere<br />

Tracks aus der Evolution Session, alle Aufnahmen der<br />

King Session, Best of Motorhula und die letzten Aufnahmen<br />

der Band aus 2001. Insgesamt 11 bisher unveröffentlichte<br />

Tracks. Drei weitere gab es bisher nur auf Vinyl und sogar<br />

ein Vocal-Track ist mit dabei. Insgesamt 80 Minuten Surf<br />

Musik vom feinsten. Alle Aufnahmen wurden <strong>von</strong> EROC<br />

Remastert und was er aus den Bändern gezaubert hat, hat<br />

mich wirklich vom Stuhl gehauen. So haben WOW noch nie<br />

geklungen, klar, brillant, frisch – einfach geil!<br />

TeeNaGe MUSIC<br />

INTeRNaTIONaL<br />

Keep On Dancing<br />

LP • KK-LP 024<br />

Feinstes Vinyl mit 45 RPM<br />

und extrafettem Mastering<br />

<strong>von</strong> EROC. Dieser Dieser wilde Beat,<br />

die scheppernden Gitarren,<br />

der wuchtig fumpende Bass,<br />

die satte Orgel, das marschierende Schlagzeug und dazu<br />

noch Texte, die die ganze Hoffnung der Jugend auf ein<br />

Leben voller Sex und Tanz ausdrücken!<br />

The hawaIIaNS<br />

hula On Mars<br />

CD • KK-CD 042<br />

Ta da!!! Die neue Scheibe<br />

der PopPunk Heros aus<br />

Germany! nach dem Riesenerfolg<br />

Ihres Erstlings geht<br />

es nun volle Kante weiter.<br />

17 famose Tracks und ein<br />

geniales Cover vom Kollegen Fritte. A must have!<br />

OX-FANZINE 97


EvIEws<br />

The Spirit Of Ska<br />

VA / The Spirit Of Ska<br />

20 years jubilee ed.<br />

Zwanzig Jahre Pork Pie,<br />

Das ist ein Grund zum Feiern!<br />

Hier kommen die besten<br />

Songs der letzten 10 Pork Pie<br />

Jahre <strong>von</strong> Skaos, Valkyrians, Bluekilla, Dallax, Spitfire,<br />

Yellow Umbrella u.v.a. plus sensationelle neue/unveröffentlichte<br />

Songs <strong>von</strong> Blechreiz, Butlers, Busters, El Bosso<br />

und Liberator.<br />

THE VALKYRIANS<br />

The Beat Of Our Street<br />

( Pork Pie)<br />

Das Warten hat ein Ende!<br />

Zumindest für alle Fans der<br />

inzwischen schon fast legendären<br />

Valkyrians. Nach ihrem großartigen Debütalbum<br />

“High & Mighty” kommt nun endlich der zweite Longplayer<br />

der Finnen.<br />

LIBERATOR<br />

Stand and Deliver<br />

(Pork Pie)<br />

LIBERATOR sind definitv<br />

Schwedens erfolgreichster<br />

Exportartikel in Sachen Ska.<br />

Nachdem es in den letzten Jahren etwas ruhig um die Band<br />

geworden ist, kommen sie nun mit voller Power und einem<br />

brandneuen Album zurück. Zwölf großartige neue Songs,<br />

die uns wieder an allerbeste beste 2Tone-Zeiten denken<br />

lassen.<br />

DALLAX<br />

Big Proud<br />

heißt das neue Album der<br />

Rudeboys aus Tokyo. Ihr<br />

Wasabi angerührt aus<br />

Hardcore, Ska und Punk hat<br />

die 10 Millionen-Grenze auf der Scoville-Schärfe-SKAla<br />

locker überschritten. Perfekte Arrangements, Refrains mit<br />

Mitgröhlpotential, kaum Verschnaufpausen. Also nix für<br />

schwache Nerven. Trotzdem bestens geeignet als<br />

Einstiegsdroge für Ska-Punk-Hasser. Sind sie zu Turbo,<br />

bist du zu Rocksteady !<br />

SPITFIRE<br />

Lifetime Visa<br />

(Flat Daddy Records)<br />

Zum 15. Bandjubliäum kommt<br />

das vierte Album der Jungs<br />

aus St. Petersburg, die<br />

zurecht schon längst weltweiten Kultstatus haben. Spitfire<br />

kommen jetzt mit Volldampf und neuem lineup zurück.<br />

Musikalisch schaut man inzwischen weit über den<br />

Tellerrand einer Ska-Punk-Band hinaus und legt mit<br />

LIFETIME VISA ein großartiges und ausgereiftes Album<br />

vor.<br />

www.porkpieska.com<br />

OX-FANZINE 98<br />

zeichnet JAMIES ELSEWHERE aus. Aber wer auf so etwas<br />

steht und gleichzeitig ein Riesenfan <strong>von</strong> Bands wie A DAY<br />

TO REMEMBER, ATTACK ATTACK! und THE DEVIL WEARS<br />

PRADA ist, der sollte sich „They Said A Storm Was Coming“<br />

auf jeden Fall mal anhören. 666 Punkte gibt’s aber nicht.<br />

(3) Christin Pausch<br />

JACK SLATER<br />

Extinction Aftermath<br />

CD | Unundeux | unundeux.de | 34:21 || Das vierte<br />

Album <strong>von</strong> JACK SLATER, „Extinction Aftermath“ bietet<br />

ein weiteres Mal technisch überaus versiert vorgetragenen<br />

Death Metal, der vor allem bei der gitarrespielenden<br />

Hörerschaft ein ums andere Mal für staunende Gesichter<br />

sorgen dürfte, denn was hier teilweise aus den sechs<br />

Saiten gezaubert wird, scheint echt nicht <strong>von</strong> dieser Welt.<br />

Technisch frickelige, aber niemals nervig erscheinende<br />

Riffs und irrwitzige Bassläufe bilden das Fundament für<br />

das kehlige Gebrüll <strong>von</strong> Frontmann Stefan Horn, welches<br />

überwiegend auf Deutsch vorgetragen wird. Die dazugehörigen<br />

Texte erweisen sich leider partiell als etwas arg plakativ<br />

und provokativ. Ein Song wie „Happy hour“ (Zitat:<br />

„... Hose runter, Schwanz ins Loch, kurz und hart, laut und<br />

schnell“) ist dann doch etwas zu viel des Guten respektive<br />

Schlechten. Da wären etwas filigranere Texte wünschenswert<br />

gewesen. Dies jedoch ist der einzige Wermutstropfen<br />

bei einer ansonsten gelungenen Platte. (7) Jens Kirsch<br />

JIL IS LUCKY<br />

s/t<br />

CD | Roy Music | roymusic.com | 40:30 || Jil, ein<br />

24-jähriger Franzose, der seine musikalischen Mitstreiter<br />

sowohl in Tschechien als auch in Algerien aufgegabelt hat<br />

und nun zusammen die fünfköpfige Band JIL anführt, liebt<br />

es, mit Symbolen zu spielen und seine Zuhörer mit einer<br />

Mischung aus romantischen Balladen, tanzbaren Pop-<br />

Songs und Rhythmen zu bezaubern. Symbole, weil JIL auf<br />

dem Cover ihrer gleichnamigen ersten Veröffentlichung<br />

sinnbildlich als Weltreligionen in Roboteranzügen dargestellt<br />

werden, die Anhänger der Religionen als Roboter<br />

<strong>von</strong> gestern, vereint nur durch ihren irrealen Diskurs und<br />

surreale Dogmen. Hinzu kommt eine Musik, die durch<br />

eine unaufdringliche und zurückhaltende Stimmung fasziniert<br />

und dennoch die Hörer ganz und gar verschlingt.<br />

Manchmal melancholisch, dann wieder zuversichtlich und<br />

ohne einen Gedanken an gestern zu verschwenden. Pop<br />

und Klezmer, Balladen und Folk-Songs, Drogenerfahrungen<br />

und Kochrezepte – Jil darf sich viel erlauben in seinen<br />

Texten, doch ich verzeihe ihm. Auch weil der Anblick der<br />

als „Weltreligionen“ verkleideten Mitstreiter, die im Video<br />

zu „Wanderer“ auf Shetlandponys durch eine Winterlandschaft<br />

galoppieren, göttlich ist. (8) Katrin Schneider<br />

JUTA<br />

Running Through Hoops<br />

CD/LP | Arctic Rodeo | arcticrodeorecordings.com<br />

|| Mit „Running Through Hoops“ legen die kanadisch/<br />

italienischen JUTA ein durch und durch durchschnittliches<br />

Album vor. Alle Beteiligten verstehen etwas <strong>von</strong> ihren<br />

Instrumenten und <strong>von</strong> Popkomposition. Jedoch gleicht<br />

ein Song dem anderen und plätschert so im Hintergrund<br />

vor sich hin, was vor allem am ausdruckslosen Lullaby-<br />

Gesang <strong>von</strong> Sängerin Barbara Adly liegt. Meine Empfehlung<br />

für die Warteschleife oder den nächsten Aufzug. (3)<br />

Anna Behrendt<br />

ALL ABOARD!<br />

Demo ’10<br />

MC | myspace.com/allaboardnow || Mönchengladbach<br />

ist nun nach AYS und SETTLE THE SCORE um eine<br />

Oldschool-Punkrock-Band reicher. Als ihre Einflüsse<br />

bezeichnen sie AGAINST ME!, DESCENDENTS und GAS-<br />

LIGHT ANTHEM, denen sie in ihrem eigenen Sound in<br />

nichts nachstehen. Hier gibt’s fünf ehrliche Punkrock-<br />

Hits, die man so wahrscheinlich noch auf keinem Demo<br />

gehört an. Für die Qualität dieses Quartetts spricht auch,<br />

dass das Tape schnell ausverkauft war und nun als kostenloser<br />

Download inklusive zwei Bonussongs zu bekommen ist.<br />

Freut euch auf den 27.04., wenn ALL ABOARD! ihre erste<br />

EP rausbringen, gefolgt <strong>von</strong> zwei Split-EPs. Live gelten sie<br />

jetzt schon als großes Entertainment-Programm. Überzeugt<br />

euch selbst: ihr Konzertkalender ist vollgepumpt mit<br />

super Gigs, unter anderem mit den BOUNCING SOULS in<br />

Bochum. (9) Peter Nitsche<br />

ARCHEVEDERI<br />

Portugal<br />

CD-R | myspace.com/archevederi | 18:31 || So richtig<br />

gibt es ARCHEVEDERI aus der Hannoveraner Ecke gar<br />

nicht mehr, denn nachdem 2008 diese Aufnahmen entstanden<br />

waren, wanderte Drummer Ronnie nach Portugal<br />

aus und seine Bandkollegen beschlossen, sich erstmal<br />

um andere Dinge als das Musikmachen zu kümmern.<br />

Ganz unbekannt sind die Beteiligten nicht, waren sie doch<br />

einst bei ELEVEN TOES, die bis 2000 aktiv waren und an die<br />

sich vielleicht noch der ein oder andere erinnert. ARCHE-<br />

VEDERI sind musikalisch nicht weit <strong>von</strong> denen entfernt,<br />

durften oder mussten die sich doch immer den (schmeichelhaften)<br />

SAMIAM-Vergleich anhören. Wer also für<br />

solch melancholisch-rauhen Sound schwärmt, begeistert<br />

sich vielleicht auch für die sechs Songs <strong>von</strong> ARCHEVE-<br />

DERI. Joachim Hiller<br />

BLIND DATE<br />

s/t<br />

CD-R | myspace.com/blinddatepunk | 11:11 ||<br />

Ziemlich schräg und chaotisch was die drei Jungs und Sängerin<br />

Joanne aus Warschau da verzapfen. Aggressiv und<br />

melodiös, das weiß mir sehr zu gefallen. Überhaupt hat<br />

Warschau eine große Underground-Szene, und es kommen<br />

eine Menge gute Bands aus der Hauptstadt Polens.<br />

THE BLIND DATE klingen frisch nach frühen US-Hardcore/Punk<br />

und die sechs Songs sind sehr rauh in der Produktion.<br />

Ein kleiner Hit ist Track 4 „I’m losin myself“. Von<br />

mir aus sollte diese Art des Punks viel mehr gespielt werden,<br />

erinnert an wilde Zeiten.(7) Sebastian Walkenhorst<br />

BEDLAM KNIVES<br />

Demo<br />

CD-R | myspace.com/bedlamknives | 12:20 ||<br />

Doug Dagger ist ein Genie: SCHLEPROCK waren grandios,<br />

die GENERATORS sind es bis heute, und nebenher<br />

gründet er mit BEDLAM KNIVES mal einfach eine weitere<br />

Band, deren 4-Song-Demo – ein Album ist in Arbeit<br />

– 99% aller Bands, die sich sonst an klassischem kalifornischem<br />

Punkrock versuchen, wie ihn BAD RELIGION und<br />

Co. schon seit den frühen Achtzigern spielen, mal eben in<br />

die Tasche steckt. „Alice from Highland Park“, auch hier auf<br />

der Ox-CD zu hören, ist ein Instant-Überhit, auch „Self<br />

destruction“ und „Eat your brain“ sind ausgereifte Nummern,<br />

die für das Album nur noch etwas Schliff brauchen,<br />

während „1000 regrets“ eine surfig angehauchte Instrumentalnummer<br />

ist. Begleitet wird Doug Dagger hier <strong>von</strong><br />

Mike Snow, einst der erste GENERATORS-Gitarrist, und<br />

JIZZLOBBERS<br />

s/t<br />

CD | High Noon/Cargo | highnoon-records | 35:02<br />

|| Wem sind die BACKWOOD CREATURES noch ein<br />

Begriff? Wahrscheinlich nicht mehr allzu vielen, was<br />

jedoch eine Schande ist, war dieses in Köln ansässige Quintett<br />

doch anno 2002 mit „Living Legends“ für das mit<br />

Abstand beste deutsche Pop-Punk-Album des vergangenen<br />

Jahrzehnts verantwortlich. Nach dem Split vor einigen<br />

Jahren kam mir jedoch nicht mehr viel <strong>von</strong> den ehemaligen<br />

Mitgliedern der hinterwäldlerischen Kreaturen zu<br />

Gehör, bis mir jetzt dieses Zuckerstück auf den Schreibtisch<br />

flatterte: Die Besetzung der JIZZLOBBERS rekrutiert<br />

sich nämlich aus niemand Geringeren als Sänger Heiner<br />

(mittlerweile wohl auch am Sechssaiter recht patent)<br />

sowie Bassist Leif <strong>von</strong> den eben Genannten, ergänzt durch<br />

die Ex-HAVANA RAGDOLLS Sascha (Gitarre und Gesang)<br />

und Panu (Schlagzeug). Dass diese hochkarätige Besetzung<br />

für absolut mitreißende, adrenalinbefeuerte Endorphin-Granaten<br />

bürgt, sollte dementsprechend wohl keiner<br />

weiteren Erklärung bedürfen. Nicht weniger als 16 unmittelbar<br />

in Mark und Bein fahrende Pop-Punk-Gassenhauer<br />

mit coolem, ganz und gar unposigem Rock’n’Roll-<br />

Appeal bekommt man hier um die Ohren gehauen, und<br />

das HUMPERS-Cover „Up yer heart“ kann durchaus als<br />

guter Anhaltspunkt dafür herhalten, wohin die Reise bei<br />

den Burschen geht. Wobei die vier Ding-Dong-Daddys<br />

aus der Domstadt gewiss auch manche eigene kapitale<br />

Hits im Köcher haben, als Anspieltips seien da allen voran<br />

mal „Breakthrough“ und „Loveboat“ genannt. Und mit der<br />

brillanten Version des Woodie Guthrie-Klassikers „Fascists<br />

are bound to lose“ setzt man zum Schluss noch eines der<br />

charmantesten Anti-Nazi-Statements, welches mir seit<br />

langer Zeit untergekommen ist ... Ja, ein ganz hervorragendes<br />

Debüt: Alles tiptop! (8) Ben Bauböck<br />

JOY/DISASTER<br />

StäyGätôW<br />

CD | Maniac Depression | maniacdepressionrecords.<br />

com | 42:23 || Zusammen mit 1984 aus Strasbourg zählen<br />

JOY/DISASTER aus Nancy zu aller ersten Garde französischer<br />

Post-Punk- und Wave-Rock-Bands. Auf dem<br />

nun dritten Album werden sie <strong>von</strong> Lily Water, die auch<br />

für das Coverdesign zuständig war und bei einigen Stücken<br />

singt, unterstützt. Wer JOY/DISASTER im letzten<br />

Herbst hierzulande live gesehen hat, weiß, welche elektrifizierende<br />

Energie sie versprühen können und dass ihr<br />

Enthusiasmus und ihre Spielfreude sie über zwei Stunden<br />

trägt. Sie sind die zeitgemäße Variante <strong>von</strong> FRUSTRA-<br />

TION und CHARLES DE GOAL und ziehen doch auch Einflüsse<br />

aus Bands wie CLAIR OBSCUR oder den frühen JAD<br />

WIO („Cellar dance“). Die Franzosen waren schon immer<br />

in der Lage, Post-Punk und Wave-Rock respektive Cold<br />

Wave eine ganz eigene musikalische Raffinesse zu geben<br />

und dabei völlig auf Kostümierung zu verzichten, um den<br />

Fokus allein auf sehr catchy und packende Melodiebögen<br />

zu legen. Erstaunlich, was sich gegenwärtig in diesem<br />

Genre in Frankreich, aber auch in Russland – exemplarisch<br />

seien hier MOTORAMA und HUMAN TETRIS genannt – an<br />

guten Bands entwickelt. (8) Markus Kolodziej<br />

KEVIN K & TEXAS TERRI<br />

Firestorm<br />

CD | Realkat | 13th-street.com | 24:06 || Ich glaube<br />

es ja kaum: Sechs Jahre nach „Your Lips ... My Ass!“ hat<br />

Craig Pousen, mit dem Doug anno 1983 in seiner ersten<br />

Band DOUG & THE SLUGZ spielte. Ein wundervoller<br />

Appetizer – jetzt „Alice ...“ hören und dann auf das Album<br />

freuen, das auf Dougs Label Urgent Music erscheinen wird.<br />

Joachim Hiller<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

BEGGARS AND GENTRY<br />

I Say „Yes“, You Say „No“<br />

CD-R | myspace.com/beggarsandgentry | 9:26 ||<br />

Dem ersten optischen Eindruck nach hätte ich dieses<br />

Demo klar in die traditionellere HC-Ecke geschoben, einfaches<br />

Layout, handkopierte Text- und Infoblätter sprechen<br />

eigentlich dafür. Umso verwunderter war ich über<br />

das äußerst hardrockige Intro. Letztlich lag ich aber doch<br />

richtig. Es folgten vier ordentlich rockende Oldschool-<br />

Kracher mit Reibeisenstimme und sympathisch ungeschliffenem<br />

Sound. Kurz, laut, trotzdem abwechslungsreich.<br />

Hammer! Wer Namedropping braucht: mit Leuten<br />

<strong>von</strong> FALL APART und WITHIN WALLS. (9) Sebastian Banse<br />

BAZOOKA ZIRKUS<br />

Demo<br />

CD-R | myspace.com/bazookazirkus || Anleitung<br />

zum Bau eines Monsters in drei Schritten: 1. Man kehre<br />

die Asche <strong>von</strong> BARSEROS zusammen. 2. Man bestäube die<br />

Asche mit Sporen <strong>von</strong> KARATE DISCO und HORDAK. 3.<br />

Einmal kräftig hineinrotzen und aus der gesamten Masse<br />

ein Monster kneten. Fertig. Im Anschluss daran lässt man<br />

dieses Monster dann in einer Manege namens BAZOOKA<br />

ZIRKUS auftreten und hat somit alles richtig gemacht. Die<br />

sechs Songs wurden in Eigenregie aufgenommen, damit<br />

hat man eine Qualität erreicht, die man eigentlich bedenkenlos<br />

auf Vinyl hätte verewigen können. Doch für den<br />

ersten „richtigen“ Tonträger soll das Monster noch fetter<br />

und imposanter erscheinen. Also wird es bis zum gegebenen<br />

Zeitpunkt zunächst einmal weiter gemästet. Nebenbei<br />

sammelt man selbstverständlich fleißig MySpace-<br />

Freunde. Unter den Top-Freunden zählt man ein Label<br />

wie Revelation Records nebst Bands wie YUPPICIDE, SFA,<br />

BOLD, GORILLA BISCUITS, YOUTH OF TODAY und SUI-<br />

CIDAL TENDENCIES. Was das visuelle Auftreten betrifft,<br />

beruft man sich auf Letztgenannte. Man trägt den Schirm<br />

der Truckermütze hochgeklappt, posiert mit Ghettoblaster,<br />

würde gerne Skateboard fahren können und nimmt sich<br />

selbst während all dessen erfreulicherweise keine Sekunde<br />

ernst. BAZOOKA ZIRKUS verkörpern einen Aufguss <strong>von</strong><br />

Hardcore-Stereotypen, der dem derzeitigen New-Metal-<br />

Boom seinen Mittelfinger zeigt, ohne dass man sie deswegen<br />

ausladen wird. Geschickt angestellt und aufgrund<br />

der deutschsprachigen Texte mit dem verwegenen Humor<br />

eines BARSEROS-Songs sicherlich eine der aktuell interessantesten<br />

Bands aus dem Rheinland. Manege frei für<br />

BAZOOKA ZIRKUS. (9) Alex Gräbeldinger<br />

BIT STIFF<br />

RAW<br />

CD-R | myspace.com/abitstiff || Unglaublich<br />

viel Bühnenerfahrung bringt das Leverkusener Quintett<br />

BIT STIFF mit. Rolf Messal schrieb in den Achtzigern<br />

mit X-VISION ein neues Kapitel für den Leverkusener<br />

Indierock, knapp 15 Jahre herrschte dann Schweigen<br />

und 2008 begann dann eine neue Ära. Zusammen mit<br />

bewährten Haudegen aus dem Umfeld der Goth-Splatter-<br />

Punker STONED AGE (mittlerweile wohl auch Geschichte<br />

...) konnte eine neue Combo aus der Taufe gehoben werden,<br />

die die feinsten Eigenarten beider Bands vereint. Für<br />

Schubladendenker heißt das gitarrenlastiger Neo-New-<br />

Texas Terri, die weibliche Version <strong>von</strong> Iggy Pop und seit<br />

einiger Zeit in Berlin ansässig, es doch tatsächlich geschafft,<br />

mal neue Aufnahmen an den Start zu bringen. Ihre alten<br />

Bandkollegen hat sie in Kalifornien zurückgelassen, doch<br />

mit Kevin K und seiner Band hat sie sich exzellente Partner<br />

gesucht. Der Mann aus New York, der seit einer Weile<br />

in Florida residiert, hat eine ganz ähnliche Vorstellung <strong>von</strong><br />

Punkrock, geht die Sache aber eher <strong>von</strong> der glamrockigen<br />

Seite aus an, und zusammen mit Texas Terris STOO-<br />

GES-Verehrung ist „Firestorm“, eine 9-Song-EP (auch<br />

wenn auf dem Booklet nur acht Stücke aufgeführt sind und<br />

der neunte titellos bleibt), für beide Seiten ein sehr gelungenes<br />

neues Lebenszeichen. Sieben der Songs sind Kevin<br />

K-Nummern, zwei andere Coversongs, die <strong>von</strong> Cheetah<br />

Chrome geschriebene DEAD BOYS-Nummer „What love<br />

is“ und „London boys“ <strong>von</strong> Johnny Thunders und den<br />

HEARTBREAKERS, womit man mal wieder ganz klar abgesteckt<br />

hat, wo die gemeinsamen Wurzeln liegen. Interessant<br />

der Text zu „In Berlin“ über die letzten Kriegstage<br />

1945. (8) Joachim Hiller<br />

KKK<br />

KILLING TIME<br />

Three Steps Back<br />

CD | Grapes Of Wrath | coretexrecords.com | 28:21<br />

|| Einen passenderen Titel hätten sich die seit 1988 aktiven<br />

Hardcoreler um Frontmann Anthony Comunale absolut<br />

nicht aussuchen können.<br />

Die in 28 Minuten<br />

dargebotenen zwölf Stücke<br />

sind dermaßen Oldschool,<br />

dass es einem hin<br />

und wieder nostalgische<br />

Gefühle beschert. Das<br />

geht bei der wuchtigen<br />

Produktion los und hört<br />

natürlich bei den Songs<br />

auf, deren punkige Riffs<br />

immer wieder durch<br />

mächtige Moshparts<br />

fernab jeglicher Breakdown-Anbiederung<br />

und durch fiese Gangshouts aufgelockert<br />

werden. Die vier „Original“-Bandmitglieder haben<br />

sich hier nicht lumpen lassen und ihrer Diskografie einen<br />

echten Hammer <strong>von</strong> einem zugefügt, der den Nachahmern<br />

deutlich aufzeigt, wie geil NYHC auch heute noch klingen<br />

kann und im Grunde auch definitiv zu klingen hat. (8)<br />

Jens Kirsch<br />

KAFKAS<br />

Paula<br />

CD | Domcore/Broken Silence | sklavenautomat.<br />

de | 48:48 || Nach der „LD 50“-EP wusste man, wohin<br />

die Reise auf dem lang erwarteten neuen KAFKAS-Album<br />

gehen würde: Alle Türen in Richtung Indie-Rock waren<br />

geöffnet, und dieser Weg wird nun konsequent weitergegangen.<br />

Hier wird mit Keyboards gearbeitet, dort mit Elektronik,<br />

neue Einflüsse werden eingebaut, die Wurzeln nicht<br />

vergessen, der Punk nie verlassen, gerne mal im Ska vorbeigeschaut.<br />

Klar, hat sich viel getan, die Songs kommen<br />

cleaner daher, weniger ruppig. Sein Gespür für Melodien<br />

und sitzende Refrains hat Markus „Gabi“ Kafka nicht verloren,<br />

ebenso wenig seinen Kampfgeist. Denn auch wenn<br />

/DEmoS<br />

Wave mit einem Esslöffel Punk und betörenden Gitarristinnen.<br />

Wer konkrete Referenzpunkte braucht: LEA-<br />

THERFACE, allerdings ohne deren behäbige Ideenlosigkeit,<br />

dafür fantasievolles, kompetentes Songwriting, druckvolle<br />

Arrangements, Liebe zum Detail, sarkastisch-skurrile Texte,<br />

rotzige Gitarrensalven, THERAPY? im 16:9 Format sozusagen.<br />

Die 4-Track-CD-R gefällt ausnahmslos, neue Großtaten<br />

sind bereits angekündigt und werden wohl im Laufe<br />

des Jahres verwirklicht werden. (8) Gereon Helmer<br />

KACKOPHONIA<br />

Es lebt noch die Flamme<br />

CD-R | myspace.com/kackophonia || Meine Güte,<br />

was für ein totaler Scheißbandname! Ich weiß, das ist ein<br />

sehr billiger Schenkelklopfer, aber der Name schrie mich<br />

die ganze Zeit förmlich danach an. Wie kann mich sich nur<br />

so nennen ...? Egal, hier geht’s ja um das Album und das ist<br />

alles andere als kacke, denn die ist gemeinhin braun und<br />

diese Band ist so was <strong>von</strong> blutig rot, so englisch roh kann<br />

ein Steak gar nicht gegrillt werden. Außerdem merkt man<br />

den Herren gleich an, dass sie seit langem Musik machen<br />

und der bewusst einfach gehaltene Eins-zwei-drei-Abgehpunk<br />

nicht ungewollt mangels Instrumentenbeherrschung<br />

als Stil verwendet wird. Ganz anders dagegen die Texte, die<br />

zum Beispiel Klassiker <strong>von</strong> Bert Brecht oder Erich Mühsam<br />

zitieren. Titel wie „Auf die Barrikaden“, Texte wie „Lasst<br />

Volkes Blut in Strömen fließen / Lasst uns erhängen und<br />

erschießen“, „Hoch mit der roten Fahne“ sind mir einfach<br />

zu viel des Guten. Ich will gar keine Scheißfahnen sehen<br />

und habe nie verstanden, wie ein Mensch weniger wert<br />

sein kann und sich aufopfert für so ein blödes Stück Stoff ...<br />

Aber wer sich hier angesprochen fühlt, erhält den Soundtrack<br />

für die Revolution und die COMMANDANTES sind<br />

dagegen Vorschulprogramm ... Christian Fischer<br />

MOONSHINE<br />

s/t<br />

CD-R | Dooos | myspace.com/moonshinegbg |<br />

23:20 || Ein selbergemachtes und selbstgebranntes<br />

Album, das die Band aus Göteborg, Schweden für 3 Euro<br />

abgibt. Das Trio blickt zurück auf Jahre in anderen Bands<br />

wie AGRIMONIA, SLICKS oder WILDCAT STRIKE, und mit<br />

MOONSHINE kanalisiert man nun seine Wut in Klänge,<br />

die aus einer Crust-Vergangenheit einerseits und andererseits<br />

dem Wunsch resultieren, heute etwas melodiösere<br />

Musik zu spielen, mehr im klassischen Punkrock verwurzelt.<br />

Wer NO SHAME und HENRY FIATS OPEN SORE gleichermaßen<br />

schätzt, könnte hieran Gefallen finden, auch<br />

wenn die Produktion eher mäßig ist. Joachim Hiller<br />

STAHLKAPPENVERBOT<br />

Pass ma uff Keule<br />

CD-R | stahlkappenverbot.de | 24:06 || STAHLKAP-<br />

PENVERBOT, das sind zwei Mädels (Bass, Drums) und ein<br />

männliches Gegenstück (Gitarre), aus dem allseits bekannten<br />

Berlin. Originalgetreu ist der Albumtitel der Berliner<br />

Mundart geschuldet: „Pass ma uff Keule“. Doch keine<br />

Angst, die Titel auf diesem Demo werden dann dann doch<br />

im gut verständlichem Hochdeutsch vorgetragen – so gut<br />

es eben geht. In den Liedern, die einen nicht wirklich<br />

vom Hocker reißen, geht es um alles und nichts, so wird<br />

die ständige Bereitschaft zum Faulsein besungen, aber<br />

auch ernstere Themen. Die Songs an sich sind relativ simpel<br />

aufgebaut, aber durch Bläsereinsätze und unterschiedliche<br />

Tempi recht abwechslungsreich. Letztendlich fehlt es<br />

jedoch an dem nötigen Witz und Dampf in der Produktion.<br />

Teilweise erinnert der Sound an die frühen DIE ÄRZTE und<br />

DIE TOTEN HOSEN. (4) Sven Grumbach


„Die Götter versagen“ oder „Nur noch eine Raste“ für so<br />

manche Gänsehaut sorgen und das Gewand freundlicher<br />

wird, die Texte sind es oftmals nicht. Die KAFKAS wissen,<br />

wer ihre Feinde sind, wen man da draußen in der Welt und<br />

drinnen in den Schlachthöfen und Tiertransporter-Cockpits<br />

nicht mag, nicht mögen muss, nicht mögen darf, und<br />

scheuen sich auch nicht, das offen zu legen, scheuen sich<br />

nicht, auf Angriff zu schalten. Dennoch hat Markus, wie<br />

er auch im Interview in der #85 erzählt, gelernt, über<br />

Gefühle zu schreiben und zu singen, weshalb es auch so<br />

manches Liebeslied auf „Paula“ schafft. „Aber antikapitalistisch,<br />

das war doch klar“, wie es in „Wenn ich mal ein<br />

Tattoo habe“ so treffend heißt. Alles in allem schon jetzt<br />

mein Album 2010. (10) H.C. Roth<br />

KARATE DISCO<br />

Discostress<br />

CD | Rilrec | rilrec.de || Timing ist alles. So bringen die<br />

aus in und um Koblenz stammenden Punkrocker KARATE<br />

DISCO um Sängerin Rici nahezu zeitgleich mit Filmemacher<br />

Tim Burton ihr<br />

aktuelles Werk heraus.<br />

Das passt, denn „Alice im<br />

Wunderland“ in Punkrock,<br />

das ist es im Groben,<br />

was KARATE DISCO<br />

künstlerisch abliefern. Es<br />

wird eben auch an den<br />

Ufern des Rheins gerne<br />

und viel hinter den Spiegel<br />

geschaut ... Eben<br />

jene Tatsache und der<br />

Umstand, dass Schlagzeuger<br />

A. Gräbeldinger<br />

(der Lewis Carroll des Post-Bukowski-Jahrtausends) nun<br />

bereits seit Jahren ein Murmeltierkostüm trägt, untermauern<br />

diese These. Doch nicht auf Wahnsinn, sondern<br />

auf Vielfalt, Farbenpracht und Unterhaltungswert will ich<br />

mit diesen Vergleichen hinweisen. Denn deutschsprachiger<br />

Punkrock in bestmöglicher Bauweise, das ist es, was der<br />

Fan hier einmal mehr bekommt. Sonderlob geht an dieser<br />

Stelle an Rici, die merklich an ihrem Gesang gearbeitet<br />

hat und damit nochmal eine gute Schippe Qualität im<br />

Vergleich zum Vorgängeralbum drauflegt. Die fantastische<br />

Produktion, das seit jeher im Hause KARATE DISCO stilsichere<br />

Artwork und die Kompromisslosigkeit, mit der der<br />

Rest der Band ihre Parts im Studio eingeprügelt haben,<br />

runden den „Discostress“ ab. Wer mehr über die Verknüpfung<br />

zum aktuellen Tim Burton-Film und der Band wissen<br />

möchte, sucht bei YouTube nach dem sehr, sehr coolen<br />

Video der KARATE DISCO – und bedenke, dass diese „ihren<br />

Film“ vor dem Altmeister gedreht haben! Und wer weiß,<br />

dass KNOCHENFABRIK nichts mit Tiernahrung zu tun<br />

haben, und auf deutschen Punkrock steht, muss sich diese<br />

Platte zulegen. Basta. Jörkk Mechenbier<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

KATZENSTREIK<br />

Move<br />

CD | Unterm Durchschnitt | unterm-durchschnitt.<br />

com | 39:33 || Was soll man nach gefühlten zehn KAT-<br />

ZENSTREIK-Alben noch groß über die Band schreiben?<br />

Wie wäre es damit, dass sich mit „Move“, ihrem tatsächlich<br />

erst fünften Album, ein TURBOSTAAT-Vergleich nahezu<br />

aufdrängt? Ähnlich wie die Flensburger spielen die Göttinger<br />

nämlich aufgewühlt-emotionalen Punk, der frühe<br />

HWM und diverse Indie-Einflüsse referiert und der genau<br />

deswegen immer wieder berührt und begeistert („Eat“).<br />

Der Unterschied zwischen TURBOSTAAT und KATZEN-<br />

STREIK ist allerdings, dass Zweitgenannte greifbarere Texte<br />

schreiben, sie sind meist persönlich, wenn auch politisch<br />

konnotiert, und man versteht diverse Bezüge schneller,<br />

weil KATZENSTREIK weniger abstrakt und nicht ganz<br />

so schwafelig schreiben wie TURBOSTAAT. Und das tut<br />

„Move“ wirklich gut. (8) Lauri Wessel<br />

KENAI<br />

Hail The Escapist<br />

CD | Redfield/Cargo | redfield-records.de || Nach<br />

zwei EPs veröffentlichen KENAI nun ihr Debütalbum<br />

über Redfield Records. Musikalisch gibt man Post-Hardcore<br />

mit Screamo- und Punk-Elementen zum Besten, welchen<br />

man mit einer gehörigen Portion Elektronika versehen<br />

hat. Klar, dass man da direkt an ENTER SHIKARI denken<br />

muss, jedoch: Wo ENTER SHIKARI schnell mit ihren<br />

teilweise etwas überspitzten, penetranten Dancefloor-<br />

Sounds nerven können, wissen KENAI dieses Element<br />

deutlich angenehmer einzusetzen. Immer dann, wenn das<br />

Geplucker gerade anfangen möchte, das Nervenkostüm des<br />

Zuhörers auf unangenehme Art und Weise zu penetrieren,<br />

holt die aus Essex stammende Band zum großen Schlag aus<br />

und zerkloppt das Gedudel mit der mächtigen Riffkeule.<br />

Da bekommt das eigentlich überstrapazierte Stilmittel des<br />

Breakdowns eine neue und positive Dimension verliehen,<br />

da diese hier nicht den Testosteronspiegel der beteiligten<br />

Musiker repräsentieren sollen, sondern tatsächlich überaus<br />

songdienlich eingesetzt werden (7) Jens Kirsch<br />

KONGSMEN<br />

On Campus<br />

CD | Soundflat/Broken Silence | soundflat-records.<br />

de | 32:54 || Es wird Zeit für meinen Lebensbeichte:<br />

Ich habe eine Schwäche für Schimpansen in Menschenkleidung.<br />

Einer meiner größten Helden ist Lancelot Link<br />

<strong>von</strong> A.P.E., der „Agency for the Prevention of Evil“. Umso<br />

erfreulicher finde ich, dass mit den KONGSMEN endlich<br />

mal eine Band Charles Darwin Recht gibt. Die ganze<br />

Rock’n’Roll-Evolution begründeten unsere Bananen fressenden<br />

Vorfahren. Soundflat Records springt nun endlich<br />

auch auf den seit Jahrmillionen fahrenden Zug auf<br />

und verkauft „Affenmusik“ als das nächste große Ding.<br />

Zu Recht! Bereits in den frühen Sechziger Jahren konnten<br />

mit dem Sound <strong>von</strong> scheppernden Gitarren, rachitischen<br />

Saxofonen und quiekiger Orgel Highschool-Tanzabende in<br />

wahrhafte Dschungel des Lasters verwandelt werden (seht<br />

euch John Belushis „Animal House“ an, und ihr wisst, was<br />

ich meine ...). Dank unserer behaarten Musikerfreunde<br />

(gerüchteweise schwingen sie sich in Madrid <strong>von</strong> Baum zu<br />

Baum), kann nun der Tanzspaß für Homo Sapiens weitergehen.<br />

Die Nummern der Affenmusiker sind zwar auch seit<br />

weit über 40 Jahren bewährte Tanzdielen-Magneten in der<br />

Menschenwelt („King Kong“, „(Go Go) Gorilla“, „Monkey<br />

man“, „I go ape“). Doch nur wer im Affenhaus oder im<br />

afrikanischen Busch aufwuchs, kann diese Songs mit dem<br />

nötigen Biss spielen. Im Übrigen erzählt man sich, dass<br />

Mitglieder der KONGSMEN mit Menschenmasken verkleidet<br />

unter dem Namen „IMPERIAL SURFERS“ auftreten<br />

und, auch für Soundflat natürlich, Schallplatten eingespielt<br />

haben. Näheres dazu in der „Singles“-Rubrik. (8)<br />

Gereon Helmer<br />

KONG<br />

Snake Magnet<br />

CD/DVD | Brew | brewrecords.net | 50:16 || Kratzige,<br />

sich bis zum Erbrechen wiederholende Anti-Gitarrenriffs,<br />

ein gerade noch so im Takt spielendes Schlagzeug<br />

und ein Sänger, der sich scheinbar in einem Zustand<br />

irgendwo zwischen angepisst, gelangweilt und dauerhaft<br />

besoffen befindet: Erstaunlich, mit welchen – im Grunde<br />

genommen recht primitiven – Mitteln KONG auf ihrem<br />

Debüt „Snake Magnet“ verdammt sympathische Musik<br />

machen. An der Grenze zur Unhörbarkeit wird hier sicherlich<br />

das eine oder andere Mal gekratzt, aber das „gewisse<br />

Etwas“ kann man dem groovenden Noisecore der drei Briten<br />

kaum absprechen. Ein Bastard <strong>von</strong> einem Album, dem<br />

man den Einfluss <strong>von</strong> MCLUSKY, SHELLAC und FUGAZI zu<br />

jeder Sekunde anhört. Cool. (8) Marcus Latton<br />

KEELHAUL<br />

Keelhaul’s Triumphant Return To Obscurity<br />

CD | HydraHead | hydrahead.com | 49:26 || Ich bin<br />

zutiefst beeindruckt: Da kommt eine Band nach beinahe<br />

sechs Jahren klammheimlich aus der Versenkung hervor<br />

und liefert ein Album<br />

ab, das nicht nur extrem<br />

frisch klingt, sondern<br />

auch noch locker<br />

der Großzahl des Math/<br />

Noise-Rock-Kollegiums<br />

mindestens Neidesblässe<br />

ins Gesicht treibt.<br />

Was KEELHAUL auf „Triumphant<br />

Return To Obscurity“<br />

veranstalten ist<br />

schlichtweg atemberaubend!<br />

Die vier Herren<br />

aus Cleveland, Ohio<br />

scheren sich einen Dreck um Hörgewohnheiten. Math,<br />

Noise, Metal und Hardcore heißen die vier, den vertrackten,<br />

fummeligen, schrägen Kompositionen zugrunde liegenden<br />

Eckpfeiler; gespielt mit wunderbarer Leichtigkeit,<br />

technischer Finesse sowie routinierter Präzision, was<br />

auf beinahe mysteriöse Art absolut funktioniert. KEEL-<br />

HAUL sind extrem druckvoll und heavy, ohne das Feingefühl<br />

komplett an der Studiotür abgegeben zu haben, verspielt,<br />

ohne sich in angeberischer, sinnfreier Fummelei zu<br />

verlieren, und komplex, ohne „Unhörbarkeit“ zu generieren.<br />

„Triumphant Return To Obscurity“ klingt in etwa so,<br />

als hätten KNUT versucht, die musikalischen Ansätze <strong>von</strong><br />

BOTCH, BATTLES und LIGHTNING BOLT zu fusionieren.<br />

Ganz starkes Album! Konstantin Hanke<br />

KAZUMASA HASHIMOTO<br />

Strangeness<br />

CD | Noble/A-Musik | noble-label.net | 60:54 ||<br />

Nach seinem eher minimalistischen Soundtrack zu Kiyoshi<br />

Kurosawas Film „Tokyo Sonata“ hat der aus Tokio stammende<br />

Kazumasa Hashimoto ein neues Album namens<br />

„Strangeness“ aufgenommen, das allerdings im ersten<br />

Moment nicht unbedingt in diese Kategorie fällt. Bereits<br />

auf seinem 2007er Album „Euphoriam“ hatte Hashimoto<br />

recht konventionelle poppige Töne angeschlagen und seine<br />

fließenden, sehr melodischen Elektroniksounds, die durch<br />

die Integration akustischer Klänge und einer Klassik-Instrumentierung<br />

aber nichts mit irgendwelchen sterilen Laptop-Spielereien<br />

gemein hatten, in überraschend songorientierte<br />

Bahnen gelenkt. „Strangeness“ basiert zwar immer<br />

auf noch auf einer Art Kammerpop-Elektronik, die nicht<br />

immer auf direktem Weg ans Ziel kommt, aber durch die<br />

Hinzunahme <strong>von</strong> Hirono Nishiyamas (aka Gutevolk)<br />

wundervoll unirdischer Stimme (man fühlt sich ein wenig<br />

an Lætitia Sadier <strong>von</strong> STEREOLAB erinnert) bei den ersten<br />

Stücken entsteht bisweilen der Eindruck, es mit klassischer<br />

Popmusik zu tun zu haben. Letztendlich passt der Titel<br />

„Strangeness“ dann doch wieder – vor allem beim großartigen<br />

20-minütigen instrumentalen Titleltrack –, denn<br />

Hashimotos vielschichtige Kompositionen scheinen ein<br />

musikalische Äquivalent zu „Alice im Wunderland“ dazustellen,<br />

eine traumartige Klangwelt, die einer ganz eigenen<br />

Logik gehorcht, mit Hashimoto als Grinsekatze, dem man<br />

schon aufmerksam zuhören muss, um die Gesetzmäßigkeiten<br />

seiner Platte zu verstehen, die dann zu einem Füllhorn<br />

herrlicher Melodien, Emotionen und Sounds wird. (9)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

KAZIMIR<br />

Brokenlande<br />

MCD | myspace.com/kazimir | 19:09 || „Junge verliebt<br />

sich in Mädchen (Mädchen sagt Nein)“. Acht kleine<br />

Worte, klare Aussage und der volle Text des gleichnamigen<br />

Songs. Aber mehr braucht es auch nicht, um vier atmosphärische<br />

Minuten zu gestalten, mit Stimmensample und<br />

Geige am Schluss, wunderbar. Die anderen vier Stücke<br />

haben deutlich mehr Text zu bieten, eingebettet in krachigdreckigem<br />

Indie-Rock mit Hang zu Noise und Emo. Absolut<br />

runde Sache das, kraftvoll produziert und mit gegebenem<br />

Wiedererkennungswert. Ach ja, zu kaufen bekommt<br />

man „Brokenlande“ auf den Konzerten der Band oder<br />

online. (8) H.C. Roth<br />

LLL<br />

LOKALMATADORE<br />

Punk Weihnacht<br />

CD | Teenage Rebel | teenage-rebel.de | 65:52 || In<br />

270 Tagen ist Weihnachten! Jetzt gilt es sich zu sputen, noch<br />

rechtzeitig ein paar Geschenke für die Lieben zu erstehen,<br />

denn wer will zum Fest der Liebe ohne Präsente dazustehen?<br />

Und warum nicht die gute, alte Tradition der Weihnachtsplatte<br />

wiederbeleben? Wer als schon die entsprechenden<br />

Scheiben <strong>von</strong> Billy Idol und Bing Crosby sein<br />

eigen nennt, ist auch prädestiniert dafür, an „Punk Weihnacht“<br />

der LOKALMATADORE (aus Mülheim an der Ruhr)<br />

Gefallen zu finden. Allerdings gibt es hier keine weitere<br />

Weihnachtsliedervergewaltigungsplatte, sondern ein vor<br />

nicht allzu langer Zeit kurz vor Weihnachten in Hamburg<br />

aufgenommenes Live-Album, das erste der „Lokalen“ seit<br />

„HimmelAchtungPerkele“ <strong>von</strong> 1994. In okayner, sagen wir<br />

mal „authentischer“ Aufnahmequalität fühlt man sich <strong>von</strong><br />

dem Album in Versuchung geführt, sofort eine Flasche oder<br />

gleich einen ganzen Kasten Bier aufzumachen und dazu<br />

mit sich selbst eine Party zu feiern – mit „König Alkohol“<br />

und „Barbara“ etwa und all den anderen subtilen Hits, die<br />

Fisch (oder „Trocken-Fisch“, wie er seit ein paar Jahren<br />

eigentlich heißt) und Band hier in virtuoser Manier darbieten.<br />

Ein großer Spaß, der allerdings bald getoppt werden<br />

dürfte durch das neue Album, das in den nächsten Monaten<br />

endlich das Licht der Welt erblicken sollte. Und jetzt<br />

erstmal: Frohe Ostern! (7) Joachim Hiller<br />

LES WAD-BILLYS<br />

Hot Brain<br />

MCD | Schnitz Productions | leswadbillys.com |<br />

12:18 || Dass es sich bei diesem Trio aus Metz gewiss um<br />

keine unerfahrenen Greenhorns mehr handelt, hört man<br />

dieser EP schon ab den ersten mächtig treibenden Fuzz-<br />

Akkorden des titelgebenden Openers an. Über die Distanz<br />

<strong>von</strong> vier Dreiminütern, bekommt man hier so richtig<br />

schön fies verzerrten und gewaltig groovenden Garagepunk<br />

der alten Schule serviert, welcher den genannten<br />

Haupteinflüssen FLESHTONES und DIRTBOMBS aber mal<br />

durchaus zur Ehre gereicht. Mein absoluter Favorit ist hierbei<br />

übrigens das französischsprachige „Éclair“: Wer da noch<br />

seine Füße ruhig halten kann, spürt wahrscheinlich auch<br />

ansonsten nicht mehr allzu viel ... (7) Ben Bauböck<br />

LANDMINE MARATHON<br />

Sovereign Descent<br />

CD | Prosthetic | prostheticrecords.com | 39:36 ||<br />

Es ist noch kein halbes Jahr her, seit mir der Vorgänger <strong>von</strong><br />

„Sovereign Descent“ in die Finger gefallen ist. Jetzt laden<br />

die Oldschool-Deather und Grinder zum dritten LAND-<br />

MINE MARATHON. Und die Strecke ist gefährlicher denn<br />

je. Neben dem altbekannten schweren BOLT THROWER-<br />

Beschuss geht es über alte CARCASS in rasende Thrash-<br />

Gefilde und zähe Midtempo-Sümpfe. Und hinter jeder<br />

Ecke lauert ein unfassbares Energiebündel in Gestalt <strong>von</strong><br />

Grace Perry, die ihre nachdenklichen Texte wütend und<br />

frustriert in beeindruckendster Manier herausschreit.<br />

Nein, nicht wie ein Mann, sondern heftiger und härter.<br />

Aber auch das Gesamtkunstwerk hat durch einen harten<br />

organischen Sound und eine formidable Verpackung zugelegt<br />

und lässt hoffen, dass LANDMINE MARATHON ihren<br />

Insider-Status möglichst bald verlieren. Große Band. (8)<br />

Dr. Oliver Fröhlich<br />

LOW VALUE<br />

Recharge<br />

CD | High Speed Flower | hsfr.jp | 44:01 || LOW<br />

VALUE haben ihren Ursprung in Slowenien oder Kroatien,<br />

das wird aus ihrem Info nicht ganz klar. Die Band<br />

existiert seit 2000 und hat seitdem viele Gigs, besonders in<br />

eben genannten Balkanländern und Österreich, absolviert.<br />

„Recharge“ ist die zweite Scheibe nach „The Language Of<br />

Stolen Music“ aus dem Jahr 2005. Wie der schon Erstling<br />

erscheint auch dieses Album in Japan. Dort scheint es nach<br />

wie vor großes Interesse an Punk/Hardcore/Emo-Bands<br />

aus Europa und den USA zu geben. LOW VALUE präsentieren<br />

auf zehn Songs eine gute Mischung aus den Komponenten<br />

„Melodic Hardcore“, „Rock“ und „Metal“ – in<br />

Bands ausgedrückt höre ich hier Anleihen bei NO USE FOR<br />

A NAME, STRUNG OUT und TEN FOOT POLE. Der siebeneinhalbminütige<br />

Track „Call to arms“ hat dann tatsächlich<br />

noch was <strong>von</strong> MEGADETH. Grundsätzlich fällt auf, dass fast<br />

rEvIEws<br />

alle Songs annähernd oder über vier Minuten lang sind.<br />

Dennoch verliert sich die Band selten in allzu vertrackten<br />

Breaks oder Parts, sondern kommt zumeist wieder auf<br />

den Punkt. Das ist alles nicht neu, aber in Ordnung. Und<br />

zumeist schnell. (6) Zahni Müller<br />

LAPKO<br />

A New Bohemia<br />

CD | Fullsteam/Pias | fullsteamrecords.com || Die<br />

Finnen LAPKO lassen sich genauso wenig auf einen Stil<br />

festlegen wie BIFFY CLYRO und können dabei sogar schon<br />

aus dem Schatten der Schotten heraustreten. Erstaunlich<br />

wie groß Europa doch letztendlich ist: „A New Bohemia“<br />

ist das vierte Album des Trios und doch das erste, dass es<br />

bis nach Deutschland geschafft hat. Man sollte diese Band<br />

nicht ob ihrer Herkunft unterschätzen oder gar in Exotenschubladen<br />

stecken. Wäre die Popwelt gerecht, stünde<br />

bei LAPKO bald die eine oder andere Welttournee an.<br />

Eben genauso wie bei BIFFY CLYRO, die mit „Only Revolutions“<br />

das Album des letzten Jahren geschrieben haben.<br />

Musikalisch bewegt man sich auf dem gleichen Terrain wie<br />

bereits erwähnte Band und weiß damit zu überzeugen. Die<br />

zehn Songs sind durch die Reihe fantastisch und zu keiner<br />

Sekunde langweilig oder anbiedernd. Wäre die Welt<br />

gerecht, sollte jeder diese Band zumindest einmal angehört<br />

haben. (7) Sebastian Wahle<br />

LEE HARVEY OSMOND<br />

A Quiet Evil<br />

CD | Latent | latentrecordings.com || Es gibt Alben,<br />

bei denen weiß man schon nach wenigen Sekunden des<br />

Hörens, dass man hier etwas Besonderes vor sich hat.<br />

So ging es mir mit „A Quiet Evil“. Der Band aus Toronto<br />

rund um Tom Wilson (JUNKHOUSE/BLACKIE AND THE<br />

RODEO KINGS) und Mitgliedern <strong>von</strong> den COWBOY JUN-<br />

KIES und SKYDIGGERS ist hier ein kleines Americana/<br />

Alternative-Country-Meisterwerk gelungen. Tom Wilsons<br />

düstere Stimme erzeugt Gänsehautstimmung pur. Wenn<br />

Tom Wilson in „Lucifer’s blues“ teils sprechend, teils singend<br />

das Böse in der Welt beschwört, fühlt man sich ein<br />

wenig an Tom Waits erinnert. Die dunklen Seiten des<br />

Lebens sind auch textlich Hauptthema auf „A Quiet Evil“,<br />

das großartig-relaxte „Cuckoo’s nest“ oder die unheimliche<br />

Mörder-Ballade „Blade of grass“ sind nur zwei Beispiele<br />

dafür. Bei LEE HARVEY OSMOND sind Blues-<br />

Melancholie und Alternative Country-Seligkeit mit einem<br />

düsteren Vorzeichen versehen, das aber oft auch mit einem<br />

Augenzwinkern. Ebenfalls sehr gelungen ist das VELVET<br />

UNDERGROUND-Cover „I can’t stand it“. Von Anfang<br />

bis Ende bis ein großes Album, das ich jedem Alternative-<br />

Country-Fan empfehlen kann. (9) Robert Buchmann<br />

LIGHTHOUSE<br />

Abyssus Abyssum Invocat<br />

CD | Anchors Aweigh | anchorsaweighrecords.com |<br />

19:48 || Nach einem kurzen, das Unheil bereits ankündigende<br />

Intro bollern LIGHTHOUSE aus Augsburg los<br />

und entlassen den Hörer nach einem knapp 20-minütigen<br />

Gewaltausbruch wieder aus ihren Fängen und spendieren<br />

zum Schluss noch eine ordentliche Portion Kopfschmerz,<br />

dank eines fiesen Rauschens, mit dem die CD ein<br />

Ende findet. Der teilweise an BREACH oder RISE AND FALL<br />

erinnernde brachiale Hardcore wechselt zwischen brutal-unkontrollierter<br />

Raserei und vertrackten Dampfwalzenparts.<br />

Die Produktion der Oldenburger Tonmeisterei<br />

ist mal wieder super und rundet die Musik ebenso wie das<br />

düstere Coverdesign hervorragend ab. (8) Sebastian Banse<br />

LOWER THAN ATLANTIS<br />

Far Q<br />

CD | Refield/Cargo | redfield-records.de | 40:36 ||<br />

Nachdem die UK-Band LOWER THAN ATLANTIS mehrere<br />

Drummer und Bassisten verschlissen hat, haben sie<br />

nun ihr komplettes Line-up gefunden und sich sofort ins<br />

Studio begeben. Rausgekommen ist das Album „Far Q“,<br />

das dem UK-Hardcore-Hype mit Bands wie GALLOWS<br />

oder GHOST OF A THOUSAND in nichts nachsteht. Wahrscheinlich<br />

übertreffen LTA ihre beiden Konkurrenten hinsichtlich<br />

der Songtexte. Sänger und Gitarrist Mike Duce<br />

besingt nicht nur typisch englische Themen, die in den<br />

Siebzigern schon aktuell gewesen sind, wie die generationsbedingte<br />

Teilnahmslosigkeit in den Songs „Down with<br />

the kidz“ oder „I’m not bulimic“, er kommentiert auch<br />

das Leben im Internet auf eine ironische Art und Weise<br />

in „A/S/L“ und „Taping songs off the radio“. Musikalisch<br />

ist das Trio auf gleicher Augenhöhe mit Obengenannten.<br />

Punkrockparts sind im gleichmäßig verteilten Verhältnis<br />

mit Metal/Hardcoreparts zu finden. Zudem kommen sie<br />

im Mai auf Tour und können beweisen, dass sie auch live zu<br />

den Großen gehören. (8) Peter Nitsche<br />

mmm<br />

MI AMI<br />

Steal Your Face<br />

CD | Thrill Jockey | thrilljockey.com | 37:30 ||<br />

Daniel Martin-McCormick und Jacob Long waren mal<br />

in den Neunzigern bei der Dischord-Band BLACK EYES<br />

aktiv und machen inzwischen in San Francisco unter<br />

dem Namen MI AMI Musik, die man als durchaus stressig<br />

einstufen darf. Vor allem bedingt durch Daniel Martin-<br />

McCormicks Gesang (oder vielleicht doch besser Gekeife<br />

oder Gekreische?), bei dem man ihn zunächst auch für<br />

eine extrem hysterische Frau halten könnte – Ian Sveno-<br />

OX-FANZINE 99


EvIEws<br />

present:<br />

ZEni Geva<br />

alive and rising.<br />

europa Tour 2010<br />

jakuzi's attempt<br />

id / Kajkyt<br />

april<br />

*dates with Jakuzi's Attempt/<br />

^with ID / #with Kajkyt<br />

04/13 @ Fluc, Vienna/ Aut*<br />

18 @ Reithalle, Bern/ ch*<br />

20 @ L'Usine, Geneve/ ch*<br />

25 @ Festsaal Kreuzberg,<br />

Berlin/ Ger*#<br />

26 @ Hafenklang,<br />

Hamburg// Ger<br />

27 @ Gleis 22, Munster/ / Ger^<br />

28 @ Kassablanca, Jena/ / Ger^^<br />

Releases out now!<br />

HTGT08<br />

Zeni Geva - Alive<br />

And Rising CD<br />

WGR08<br />

Kajkyt - „Krst“<br />

CD/DLP<br />

V.A. Es lebe der Punk Vol. 12<br />

CD | Nix Gut | nix-gut.de | 63:03 || Es lebe der<br />

Punk, die Zwölfte! Die bekannte und beliebte Reihe aus<br />

dem Hause Nix Gut geht in die nächste Runde. Dieses Mal<br />

sind mit dabei die FREIBEUTER AG, NI JU SAN, ALARM-<br />

SIGNAL, LÜKOPODIUM, ABFLUSS, LADEHEMMUNG und<br />

einige andere. Für den schmalen Geldbeutel gibt es <strong>von</strong><br />

jeder Band wieder jeweils zwei Titel auf die Ohren. Insgesamt<br />

tummeln sich 20 Songs auf dieser CD. Eigentlich hat<br />

man hier keinen Grund zu meckern, doch eine Kleinigkeit<br />

hab ich schon zu bemängeln: Obwohl der Sampler gerade<br />

erst erschienen ist, sind teilweise ziemlich alte Titel dabei,<br />

so sucht man hier etwa Songs aus dem aktuellen ALARM-<br />

SIGNAL-Album vergeblich. Wobei dies doch eine wunderbare<br />

Gelegenheit dafür wäre, die Platte der Band hier weiter<br />

zu pushen. Aber egal, die paar Euro ist „Es lebe der Punk<br />

Vol. 12“ auch dieses Mal wieder Wert und wie immer eine<br />

gute Gelegenheit, vielleicht mal wieder neue Bands für<br />

sich zu entdecken. (7) Sven Grumbach<br />

V.A. DAS FRIVOLE<br />

BURGFRÄULEIN – Endlich 18<br />

CD | Schulanfang77 | schulanfang77.de || Die punkigen<br />

Spielmänner sind aber ganz schön flink. Gerade erst<br />

vor ein paar Wochen besprach ich die letzte Veröffentlichung<br />

„Punkverräter“ (die mir übrigens recht gut gefallen<br />

hat) und schon gibt’s einen Nachschlag: „Endlich 18“.<br />

Ein Lächeln konnte ich mir dabei nicht verkneifen, erinnert<br />

mich dieser auch gern <strong>von</strong> Nazis verwendete Slogan<br />

doch wieder an die Anekdote mit dem strunzdummen<br />

Kamerrrraden, der mit seinem „Endlich 18“-Provo-<br />

T-Shirt letztens eben weniger zu Lachen hatte. (bei wem’s<br />

nicht gleich klingelt: 18 steht in solchen Kreisen für den<br />

ollen GröFaZ). Naja, diese Sorte Dummheit kriegt wohl<br />

eher feuchte Höschen bei „Ilsa – She-Wolf of the SS“, als<br />

beim FRIVOLEn BURGFRÄULEIN. Die feiern nämlich laut<br />

Begleitschreiben wirklich den 18. Geburtstag ihrer Band<br />

und mittlerweile ist es wohl zu einer Epidemie geworden,<br />

ein Tribute-Album mit befreundeten Bands unters<br />

Volk zu schmeißen. 15 Mal interpretieren mir zumeist völlig<br />

unbekannte Bands wie FRAD TIMM & DER FLOTTE<br />

TOTTE, KABELTROMMELSALAT oder ALLE IM SCHRANK<br />

die Burgfräulein-Diskografie rauf und runter. Bei derartigen<br />

Namen passen die musikalischen Ergüsse wie die Faust<br />

aufs Auge und ich muss die Bands auch nicht weiter kennen<br />

lernen. Absolut nicht meine Tasse Met, wobei ich auch<br />

die originalen Songs größtenteils nicht kenne. Mitten in<br />

dem Reigen dann aber mein Lieblingsbarde ZWAKKEL-<br />

MANN aka Schlaffke, der hoffentlich mal ein paar Gramm<br />

zugenommen hat und nicht nur <strong>von</strong> der Körperfülle her<br />

die magere Speerspitze des Samplers sein dürfte. Schlaffke<br />

schmettert eine extra entworfene Ode an die Band unters<br />

Volk, mal wieder mit großartigem Humor versetzt. Klarer<br />

Volltreffer und neben den ROTEN RATTEN vom Bekanntheitsgrad<br />

auch Highlight des Samplers. Schließlich gibt’s<br />

noch vier eigene Nummern <strong>von</strong> DFB, die ebenfalls nichts<br />

mehr groß retten können. Da hilft auch die stets überzeugende<br />

Babette Vageenas als Gastsängerin nicht, den<br />

Gesamteindruck der Scheibe zu verbessern. Glückwunsch<br />

zum Jubiläum, feiert euch selbst kräftig, aber das ist definitiv<br />

nicht meine Party! (3) Christian Fischer<br />

V.A. Krautrock – Music For Your Brain Vol. 4<br />

6CD | Target Music | targetmusic.de || „Krautrock“<br />

– hätte man vor zehn Jahren noch bei der bloßen Erwähnung<br />

dieses Wortes als gestandener Punkrocker panisch<br />

OX-FANZINE 100<br />

WGR10<br />

Jakuzi´s Attempt -<br />

lll EP/12''<br />

WGR09<br />

„Urban Loritz Jam“<br />

DVD<br />

Coming out soon:<br />

WGR07 Wire Globe „Recycled Tracks 01“ CD<br />

WGR11 Country Of Last Things - s/t CD/12''<br />

www.wiregloberecordings.com<br />

nius ist allerdings auch nicht weit. Musikalisch merkt man<br />

dem „Drum-Punk-Trio“ auch auf ihrem zweiten Album<br />

(das erste erschien 2009 bei Quarterstick) auf jeden Fall<br />

noch ihre Post-Punk/Hardcore-Wurzeln und die Beziehung<br />

zu Bands aus dem FUGAZI-Umfeld an, da sich hier<br />

kantige, treibende Rhythmik mit aggressiven Gitarrenriffs<br />

paart. Auch wenn MI AMI diese energetische, wütende<br />

Mixtur immer wieder in lange instrumentale Improvisations-Passagen<br />

abdriften lassen, was durch die Einbindung<br />

<strong>von</strong> Afrobeat auch starke Parallelen zum avantgardistischen<br />

Post-Punk <strong>von</strong> THE POP GROUP aufweist. Besonders<br />

schön kommt das beim sechsten und letzten Song „Slow“<br />

zur Geltung, der an die tribalistischen Drumbeats <strong>von</strong> CAN<br />

erinnert, und bei dem Martin-McCormicks Stimmakrobatik<br />

weniger aufdringlich ist. Spannende Band, die sich mal<br />

wieder nicht so leicht erschließt, und wenn man sich nach<br />

30 Minuten so langsam auf das Ganze eingegroovet hat, ist<br />

auch schon fast wieder Schluss. (8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

MONKEY SUITE<br />

Pay To Play ...<br />

MCD | myspace.com/monkeysuite | 16:23 || Wie<br />

konnte ich es bislang übersehen, dass es neben den COPY<br />

CATS noch eine weitere coole Frankfurter Punkband mit<br />

Frau am Mikrofon gibt? MONKEY SUITE heißt der Vierer<br />

mit Hang zu hymnischen Songs zwischen MISFITS-<br />

Anleihen einerseits und so einem gewissen leichten Wave-<br />

Punk-Einschlag andererseits, einen Hauch Glam nicht<br />

zu vergessen. Tom Schwoll hat die sechs Nummern ihrer<br />

Debüt-EP produziert, und auch wenn ich mir insgesamt<br />

etwas mehr Pfeffer wünschen würde – live ist jede Band<br />

schneller, ich weiß –, so hinterlässt „Pay To Play ...“ doch<br />

einen ausgesprochen guten Eindruck. Für ihre Konzerte<br />

sollte man MONKEY SUITE nicht zahlen lassen, ihre Gage<br />

haben die verdient. (7) Joachim Hiller<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

M2<br />

Global Pigeon<br />

CD | Danza Cosmica | danzacosmica.com || Nur mit<br />

Bass beziehungsweise Gitarre und Schlagzeug kreiert das<br />

Duo aus Florenz einen treibenden Sound, der ein wenig an<br />

eine Melange aus SHELLAC und Fred Frith und den (ganz)<br />

ruhigen NOMEANSNO-Songs erinnert. Die sechs witzig<br />

arrangierten Songs sind mit subtilen Texten in Niederländisch,<br />

Deutsch, Englisch, Italienisch und Französisch versehen.<br />

Der deutsche Beitrag lautet: „Bitte keine Gegenstände<br />

aus dem Fenster werfen“, unterlegt mit Eisenbahngeräuschen<br />

und der Tonaufnahme eines Berichts einer nach<br />

Israel immigrierten deutschen Jüdin. (8) JeNnY Kracht<br />

MURMANSK<br />

Eleven Eyes To Shade<br />

CD | Ranch/Spinefarm | spinefarm.fi | 41:41 ||<br />

Lustig: Die Website dieser Band findet sich unter murmansk-helsinki.com<br />

– auf diese Weise kommt Helsinki,<br />

das offiziell keine Partnerstadt hat, dann doch zu einer. Und<br />

ja, MURMANSK, 2003 gegründet, kommen aus Helsinki.<br />

„Eleven Eyes To Shade“ ist das zweite Album des Vierers,<br />

das Debüt hieß „Chinese Locks“ und kam 2008. Prägendstes<br />

Element ist die helle, säuselnde Stimme <strong>von</strong> Frontfrau<br />

und Gitarristin Laura, die mal wieder an die ikonenhafte<br />

Kim Gordon erinnert – ein Vergleich, der sich angesichts<br />

des dichten, druckvollen Gitarrenrocks <strong>von</strong> MURMANSK<br />

aufdrängt. Allerdings finden sich hier auch Post-Rock-Elemente<br />

sowie Shoegazer-Sounds, haben MURMANSK ein<br />

Händchen dafür, stürmische, laute Songs zu spielen, die<br />

die Flucht ergriffen, so sieht das heute im Falle eines aufgeschlossenen,<br />

musikhistorisch interessierten Menschen<br />

schon etwas anders aus. Natürlich war nicht alles Gold,<br />

was in den hippieverseuchten späten Sechzigern und dann<br />

in den Siebzigern hierzulande an mal mehr, mal weniger<br />

experimenteller Musik zwischen Psychedelic und Elektronik<br />

so fabriziert wurde, doch dass Bands wie FAUST, NEU!,<br />

CLUSTER, TANGERINE DREAM, AMON DÜÜL oder GURU<br />

GURU bis heute und speziell dieser Tage geschätzt werden,<br />

ist eine nicht ganz neue Beobachtung. Zuerst wurde die aus<br />

dem englischsprachigen Ausland stammende Bezeichnung<br />

„Krautrock“ sowie die Musik <strong>von</strong> Post-Rock/Metal-Bands<br />

aufgegriffen, und mittlerweile kokettieren auch deutsche<br />

Bands aus diesem Genre mit dem Begriff und diesen<br />

Einflüssen, so unkonkret sie sich auch manifestieren<br />

mögen. Da ist es nur logisch, sich mit den Ursprüngen dieser<br />

Szene zu befassen, und dazu taugt diese Compilationreihe,<br />

die nun in die vierte Runden geht. Nicht jede der<br />

Boxen erschließt völlig neue Bands, es gibt zwischen den<br />

Teilen und auch innerhalb der Boxen auf den verschiedenen<br />

CDs Überschneidungen, maßgebliche Bands tauchen<br />

mehrfach auf, und so manches, was damals gespielt wurde,<br />

ist heute einfach nur noch furchbar anzuhören (Mal ehrlich:<br />

als in Deutschland solche Musik gemacht wurde, gab<br />

es in den USA schon MC5, STOOGES, SUICIDE und NEW<br />

YORK DOLLS!), doch im Rahmen einer umfassenden<br />

musikalischen Bildung macht es durchaus Sinn, sich <strong>von</strong><br />

Vol. 1 dieser Boxen her in das Thema einzuarbeiten. Und<br />

die Schnittmenge zwischen Punk und Krautrock wird auf<br />

CD1 <strong>von</strong> Vol. 4 schon dadurch klargemacht, dass man als<br />

Opener „Macht kaputt was euch kaputt macht“ <strong>von</strong> TON<br />

STEINE SCHERBEN ausgewählt hat. (7) Joachim Hiller<br />

V.A. One Man Bands Worldwide<br />

LP | Luna Sounds | luna-sounds.de || Ich dachte<br />

zuerst, es handle sich um eine Doppel-LP, bis ich merkte,<br />

dass es einfach zweimal die gleiche Platte, mit verschiedenen<br />

Covervarianten ist. Von denen gibt es beim Squoodge-<br />

Ableger Luna Sounds natürlich wieder diverse streng limitierte<br />

Versionen. Ich halte hier ein schön gestaltetes voll<br />

farbiges Cardboardsleeve (die Standardvariante?!) in der<br />

einen und einen ausfaltbaren Siebdruck auf brauner Pappe<br />

in der anderen Hand. Zwei echte Schönheiten. Musikalisch<br />

sagt der Titel ja eigentlich schon alles, die Bandbreite an<br />

Stilen und Herkunftsländern ist aber das, was den Reiz an<br />

der Compilation ausmacht. So sind neben einigen bekannteren<br />

Namen wie DEAD ELVIS, BLOODSHOT BILL, KING<br />

AUTOMATIC oder dem BEAT-MAN auch ein ganzer Haufen<br />

obskurer Namen u.a. aus Israel, der Türkei, Russland<br />

oder Japan am Start, gibt es neben eher klassischem Hillbillysound,<br />

auch trashiges, punkiges, schräge Minimalismen,<br />

Rockabilly oder auch mal fast melodischen Garage-R&B à<br />

la BBQ und sogar Surf. Und ja, einige Hits wie z.B. „You’re<br />

nice mysterious“ <strong>von</strong> SO COW aus Irland sind auch vertreten.<br />

Man sieht, es lohnt sich, sich auf die Suche nach diesem<br />

Teil zu machen. (7) Alex Strucken<br />

V.A. Punk Chartbusters Vol. 6<br />

2CD | Wolverine | wolverine-records.de |<br />

78:27/79:08 || Meinetwegen mag man mich gerne<br />

einen bornierten Miesepeter schimpfen, aber was Coververersionen<br />

betrifft, gibt es meines Erachtens nach zwei<br />

absolute Sakrilege, bei denen für mich jeglicher Spaß<br />

ein Loch hat: Zunächst mal sollte man es nämlich tunlichst<br />

unterlassen, Songmaterial zur Verwurstung heranzuziehen,<br />

welches schon im Original dermaßen unterir-<br />

ohne die Gitarrenstürme harmlose Pop-Songs sein könnten.<br />

Ein rundum angenehmes Album – aber auch eines, das<br />

etwas beliebig ist. (7) Joachim Hiller<br />

MCRACKINS<br />

It Ain’t Over Easy<br />

CD | Wolverine/Soul Food | wolverine-records.de |<br />

36:26 || Zwei Jahre sind seit ihrer Abschiedstournee vergangen<br />

und die MCRACKINS aus Vancouver, B.C. schenkten<br />

der Welt seitdem zwei<br />

weitere Studioalben und<br />

ein Live-Album. „It Ain’t<br />

Over Easy“ ist dabei zum<br />

wiederholten Mal ein<br />

Wortspiel, dass die nordamerikanischeEier-Terminologie<br />

ausbeutet.<br />

Es erklärt im wütenden<br />

Titellied aber gleichzeitig,<br />

warum das Aufhören<br />

so schwer fällt. Das<br />

ist im Falle der MCRA-<br />

CKINS ein Glück, denn<br />

die Abweichungen <strong>von</strong> den 13 Vorgängeralben sind minimal.<br />

Der notorische Bubblegum-Punk der Kanadier betont<br />

diesmal ihre leicht härtere Nerdcore-Seite, was der sublimen<br />

Aggression <strong>von</strong> „Nerdcore rising“, „Need somebody<br />

(To knock you down)“, „Only in the movies“ und „Trash<br />

you smash you“ geschuldet sein wird. Erfreulicherweise<br />

werden die 14 Lieder im April auch in Europa live beworben<br />

werden. Die MCRACKINS werden dann erneut unter<br />

Beweis stellen, dass sie vor zwei Jahren zu Recht <strong>von</strong> Kollege<br />

Lampert für seinen Ox-Live-Bild-Folianten „We Call<br />

It Punk“ festgehalten wurden. (8) Walmaul<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

MASTER PLAN<br />

Maximum Respect<br />

CD | Nicotine | nicotinerecords.com | 43:36 ||<br />

Der Name „Shernoff“ bei den Songwriter-Credits springt<br />

sofort ins Auge, und natürlich verbirgt sich dahinter Andy<br />

Shernoff <strong>von</strong> den DICTATORS, der zusammen mit Keith<br />

Streng und Bill Milhizer <strong>von</strong> den FLESHTONES sowie Paul<br />

Johnson <strong>von</strong> WAXING POETICS mal eben zwischendurch<br />

ein Album eingespielt hat, das ganz klar an die Fans ihrer<br />

jeweiligen Hauptbands gerichtet ist. Ein Dutzend Songs hat<br />

der Ü50-Vierer eingespielt, und um es klar zu sagen: So<br />

lange Keith Streng den Mund hält, ist alles gut. Andy singt?<br />

Paul singt? Dave Faulkner <strong>von</strong> den HOODOO GURUS singt<br />

(bei „Feels good to feel“)? Alles bestens. Bei den fünf Nummer<br />

allerdings, bei denen Keith hardrockig trällert, da zieht<br />

es mir die Schuhe aus, furchtbar. Aber zum Glück trösten<br />

die sieben anderen Nummern der New Yorker All-<br />

Star-Band mit grundsolidem (Garage-)Rock, gerade die<br />

straighten Shernoff-Nummern wie das Faulkner-Stück<br />

laufen sehr gut rein. Wäre die Platte ein Konzert, ich wüsste<br />

genau, wann ich aufs Klo oder an die Theke verschwinde ...<br />

(6) Joachim Hiller<br />

MAN THE CHANGE<br />

Forgiver<br />

CD | Deafcult | deafcult.org | 24:16 || Nachdem ich<br />

das Demo vor zwei Jahren ziemlich abgefeiert habe, hatte<br />

ich schon langsam die Befürchtung, MAN THE CHANGE<br />

hätten sich danach schon wieder verabschiedet. Glücklicherweise<br />

kam es anders und das Warten auf „Forgiver“<br />

hat sich tatsächlich gelohnt. Der Fünfer aus Mannheim/<br />

disch beschissen und zutiefst verabscheuungswürdig ist,<br />

dass man sich da auch nicht mehr mit einem superironischen<br />

„zwinker, zwinker, knick, knack“ rausreden kann.<br />

Ich meine, ein stinkender Haufen Scheiße wird ja wohl<br />

bitteschön nicht deswegen zu einem leckeren Kuchen, nur<br />

weil man ihn mit Zuckerguss glasiert! Und in diesem Sinne<br />

ist es mir halt unverständlich, wie man sich solcher musikalischen<br />

Verbrechen wie zum Beispiel „Sexy“ <strong>von</strong> Westernhagen,<br />

„Life is life“, „Lemon tree“, „Looking for freedom“<br />

oder Jackos „Earth song“ auch nur mit der Kneifzange<br />

nähern kann. Die betreffenden Bands, welche für die<br />

genannten Tribute-Versionen verantwortlich zeichnen,<br />

werde ich jedenfalls bis auf weiteres nur noch mit aufrichtiger<br />

Verachtung strafen, wenn ich das, wie zum Beispiel<br />

im Falle der VERLORENEN JUNGS („Das geht ab!“<br />

– um Himmels Willen), nicht ohnehin schon so gehandhabt<br />

habe. No-Go Numero zwei wiederum besteht darin,<br />

sich ohne jegliches Gespür und Feingefühl an Hits zu vergreifen,<br />

die – wenn überhaupt – aufgrund ihrer Brillanz<br />

nur <strong>von</strong> Experten bearbeitet werden sollten, die sich mit so<br />

was auskennen: Aber für das, was beispielsweise die Knalltüten<br />

<strong>von</strong> STAGE DISASTER mit „My Sharona“ <strong>von</strong> THE<br />

KNACK angerichtet haben, wünsche ich den Verantwortlichen,<br />

dass ihnen sämtliche zum „Musizieren“ erforderlichen<br />

Extremitäten auf der Stelle verdorren mögen! Nun<br />

gut, soweit also zu den Rohrkrepierern der vorliegenden<br />

Doppel-CD. Zugegebenermaßen besteht ja auch ein Großteil<br />

der hier versammelten 48 Neuinterpretationen unterschiedlichster<br />

Beispiele des letzten halben Jahrhunderts<br />

Rock- und Popgeschichte aus zwar lieblos runtergeschraddelten,<br />

aber wenigstens noch als irrelevant bis mittelmäßig<br />

zu klassifizierenden Stücken. Wirkliche Volltreffer können<br />

jedoch lediglich die SCALLWAGS mit einer tatsächlich<br />

exzellenten Version <strong>von</strong> Michael Jacksons „Beat it“ sowie<br />

die kanadischen Eierköppe MCRACKINS mit Shaun Cassidys<br />

„Hey Deannie“ landen. Recht tapfer schlagen sich dann<br />

unter anderem noch FRONTKICK mit MEN AT WORKs<br />

„Overkill“, COTZRAIZ mit „Los Paul“ <strong>von</strong> TRIO und<br />

die GRUBBY THINGS, deren „Footloose“-Cover in seiner<br />

Infantilität ja fast schon wieder Charme hat. Alles in<br />

allem bin ich dann aber wohl doch etwas zu sehr Gourmet,<br />

um an diesem offensichtlich beliebig dahergeschluderten<br />

Sammelsurium so etwas Ähnliches wie Freude entwickeln<br />

zu können. Klingt wahrscheinlich leicht großkotzig, aber<br />

ist halt nun mal so. (3) Ben Bauböck<br />

V.A. Pagan Love Songs Vol. 2<br />

2CD | Alice in/Broken Silence || Das ist nach rund<br />

zehn Jahren die zweite „Pagan Love Songs“-Compilation,<br />

zusammengestellt <strong>von</strong> den Brüdern und DJs R.A.L.F. und<br />

<strong>Thomas</strong> Thyssen, die in Sachen Goth-Rock, Post-Punk,<br />

Death-Rock und Dark Wave über einen Zeitraum bis in die<br />

Achtziger Jahre hinein kaum Wünsche offen lässt. Definitiv<br />

ein Ausnahme-Sampler mit teilweise rarem Material<br />

(oder erstmals auf CD erschienen Songs) <strong>von</strong> wichtigen<br />

Genrebands wie SHOCK THERAPY („Pain“, unvergessen<br />

ihr Klassiker „Hate is just a 4 letter word“), FOR AGAINST,<br />

IKON, britischen Goth-Ikonen wie den SCREAMING<br />

MARIONETTES, deutschen Wegbereitern wie den GIRLS<br />

UNDER GLASS aus Hamburg (ebenso vertreten ist hier<br />

auch deren Vorgängerband CANCER BARRACK) und UK-<br />

Gothic-Post-Punkbands wie EVERY NEW DEAD GHOST<br />

und RUBELLA BALLET („Tangled web“). Der Ausgewogenheit<br />

halber finden sich auch die interessanten aktuellen<br />

Vertreter der genannten Genres wie JOY/DISASTER<br />

und FLIEHENDE STÜRME (mit ihrem Klassiker „Satel-<br />

Karlsruhe setzt da an, wo das Demo aufgehört hat, und präsentiert<br />

ein unglaublich eigenständiges, intensives Newschool-Hardcore-Album.<br />

Trotz der teilweise komplexen<br />

Songstrukturen verlaufen sich MAN THE CHANGE nicht in<br />

Frickeleien, sondern nutzen ruhige Passagen, um die eindringliche<br />

Grundstimmung des Albums zu unterstreichen<br />

und im nächsten Moment wieder mit Vollgas nach vorne<br />

zu preschen. Nicht zuletzt durch die abwechslungsreichen,<br />

gegenläufigen Gitarrenmelodien, gepaart mit den treibenden<br />

Drums und dem herrlich heiseren Schreigesang, schaffen<br />

sich MAN THE CHANGE ihren eigenen Platz in der<br />

Hardcore-Landschaft, der jeden Vergleich sinnlos erscheinen<br />

lässt. Nebenbei ist das Artwork auch wirklich spitze<br />

und die CD leider nur auf 200 Stück limitiert. (9)<br />

Sebastian Banse<br />

MY OWN PRIVATE ALASKA<br />

Amen<br />

CD | I Am Recordings/Kertone | myownprivatealaska.com<br />

| 59:54 || Sie kommen aus Toulouse, Frankreich,<br />

sind ein Trio, verstecken sich hinter den Kürzeln T.,<br />

Y. und M. und haben einen einflussreichen Freund, der<br />

nicht nur ihr Album produzierte, sondern dieses auch auf<br />

seinem Label I Am Recordings veröffentlicht. Die Rede ist<br />

<strong>von</strong> Ross Robinson und MY OWN PRIVATE ALASKA, abgekürzt<br />

M.O.P.A., deren Name klingt wie eine Anspielung auf<br />

Gus Van Sants Film „My Own Private Idaho“. „Post Rock“<br />

schlägt das beiliegende Stück Papier als Genre vor, aber<br />

das klingt so sexy wie „Sättigungsbeilage“ und hat keinerlei<br />

Aussagekraft. Es wird hier viel und laut, aber auch mal<br />

gefühlvoll ein Klavier bearbeitet – und die Besetzungsliste<br />

nennt auch nur Drums, Vocals und Piano, keine Saiteninstrumente.<br />

Dennoch: Gitarren sind hier auch im Einsatz,<br />

wenn auch nicht im konventionellen Rockmusik-Modus,<br />

sondern eher als „Lärmerzeuger“. Sowieso hat sich Robinson<br />

hier studiomäßig ausgetobt, werden reichlich Effekte<br />

aufgefahren, die zur Frage führen, wie man so was im<br />

Detail live nachmachen will – ich denke, da hat die Band<br />

einen etwas anderen Sound. Apropos: THE BLACK HEART<br />

PROCESSION kommen hier in den Sinn, BOTANICA, und<br />

ja, auch Nick Cave und die BAD SEEDS. Allerdings schreit<br />

bei keiner dieser Bands der Frontmann so verzweifelt in<br />

der Gegend herum. Über weite Strecken ist das hier völlig<br />

in Ordnung, manchmal wünscht man sich aber etwas<br />

mehr Zurückhaltung seitens Monsieur M. Unterm Strich<br />

ist „Amen“ ein beeindruckendes, wildes, punktuell auch<br />

mitreißendes Album, das mir aber auf der Gesangsseite<br />

eine Spur zu krawallig ist. (7) Joachim Hiller<br />

MARCEESE<br />

Blood For Blood<br />

CD | Mondo Press Berlin | mondopressberlin.de |<br />

66:09 || Laute Musik allein macht nicht glücklich. Und<br />

man kann nicht den ganzen Tag als KISS-Gitarrist Ace<br />

Frehley geschminkt durchs Leben gehen. Besonders Letzteres<br />

hat sich der Berliner Marceese Trabus dankenswerterweise<br />

zu Herzen genommen und nach beziehungsweise<br />

zwischen seinen Trash-Core-, Spacerock- und eben auch<br />

KISS-Coverbands auf seinem Solodebüt viel ruhigere Töne<br />

angeschlagen. Herausgekommen ist dabei ein wunderbar<br />

sanftes Album in bester Singer/Songwriter-Manier. Meist<br />

nur auf seine Akustikgitarre und den Gesang gestützt, präsentiert<br />

Marceese hier elf Lieder, irgendwo zwischen Neil<br />

Young, Eddie Vedders Gesang und Johnny Cashs „American<br />

Recordings“. Die persönlichen Texte erzählen kleine autobiografische<br />

Geschichten zwischen Liebe, Religion und<br />

den Problemen des Alltags, mal nachdenklich, mal erreg-<br />

/SAmpLER & compILATIoNS<br />

lit“) sowie die wiederbelebten Franzosen um CHARLES<br />

DE GOAL, FRUSTRATION („No trouble“) und die großartigen<br />

CLAIR OBSCUR (hier mit einem Live-Mitschnitt<br />

<strong>von</strong> 1984 aus Paris). Eine wirklich gute Zusammenstellung,<br />

die in ihrer stilistischen Vielfalt der ersten Compilation<br />

in nichts nachsteht. Da bewusst auf den enervierenden<br />

Electro-Schrott, wie er auf „Dark Awakening“-Samplern<br />

zu finden ist, verzichtet wird, ist „Pagan Love Songs Vol.<br />

2“ gegenwärtig die beste Zusammenstellung ihrer Art und<br />

zeigt, dass es eine Vielzahl guter Bands zu entdecken gibt.<br />

Man erkennt die Hand <strong>von</strong> Oldschool-Protagonisten, die<br />

ein gutes Gefühl für die richtigen Vertreter der verschiedenen<br />

Genres haben. Kommt mit einem gut gemachten<br />

16-seitigen Booklet. (9) Markus Kolodziej<br />

V.A. Shatter The Hotel<br />

CD | Mojo Brand Music | shatterthehotel.com |<br />

61:23 || „Shatter The Hotel – A Dub Inspired Tribute To<br />

Joe Strummer“ – gute Tribute-Alben sind ja nicht so häufig<br />

anzutreffen, aber wenn es dann auch noch, wie im Fall <strong>von</strong><br />

„Shatter The Hotel“, einem guten Zweck dient, gibt es kein<br />

Halten mehr. Joe Strummer war Reggae-, Dub- und Ska-<br />

Musik gegenüber immer sehr aufgeschlossen. Was liegt da<br />

also näher, als eine Zusammenstellung <strong>von</strong> Dub-Versionen<br />

ehemaliger CLASH-Songs. Stücke wie „White riot“,<br />

„Know your rights“, „Rebel waltz“, „Complete control“<br />

oder „Four horsemen“ erklingen in ganz neuen und gelungenen<br />

Dub-Variationen. Auch dub-lastige CLASH Titel wie<br />

„Straight to hell“ erscheinen in einem ganz neuen Gewand.<br />

Mit dabei sind unter anderem der ehemalige Roxy-DJ Don<br />

Letts (DUBMATIX) oder die DUBCATS mit dem 2007 verstorbenen<br />

RUTS-Gitarristen Paul Fox. Die Linernotes zur<br />

CD stammen <strong>von</strong> Chris Salewicz, dem Autor <strong>von</strong> „Redemption<br />

Song: The Ballad Of Joe Strummer“. Die Erlöse<br />

gegen direkt an „Strummerville: The Joe Strummer Foundation<br />

For New Music“. (8) Kay Werner<br />

V.A. Skate Rock Vol. 1<br />

2CD | DC-Jam | dcjamrecords.com || Wer bei einer<br />

„Skate“-Compilation an so was wie die Tapes vom Thrasher<br />

Mag aus der frühen Achtzigern denkt, liegt hier falsch.<br />

Es steht schließlich deutlich „Skate Rock“ auf dem Cover,<br />

da kann man noch so viele Kringel um das A malen, „Rock“<br />

trifft es schon ganz gut. 30 Punk- und Alternative-Rock-<br />

Bands sind auf dieser Doppel-CD vertreten mit insgesamt<br />

53 zumeist Midtempo-Songs, das läuft so durch. Keine<br />

Enttäuschung sind erfreulicherweise Bands wie GOVERN-<br />

MENT ISSUE oder auch JFA, die ich alleine schon aufgrund<br />

ihres Namens mag: „Jodie Foster Army“. Für ein erstes<br />

Highlight sorgen dann die Szeneveteranen BIG BOYS, weitere<br />

bekannte Namen sind SWINGIN’ UTTERS, McRAD<br />

oder THE DWARVES. Nur in einem einzigen Song auf dieser<br />

Compilation geht es ohne Zweifel auch inhaltlich ums<br />

Skaten, der stammt <strong>von</strong> MINUS-ONE und heißt ausgerechnet:<br />

„The kids don’t skate here“ ... ob daran wohl der<br />

„Parental Advisory“-Aufdruck schuld ist? Ute Borchardt<br />

V.A. Solidarity Is A ...<br />

2CD | myspace.com/kultursoli | 73:44/63:20 ||<br />

Als die Nato am 3. und 4. April 2009 in Straßburg ihren<br />

60. Jahrestag feierte, kamen zehntausende Menschen, die<br />

gegen Militarismus und für den Frieden demonstrierten.<br />

Diejenigen, die der Nato-Festung zu nah kamen, etwa 350<br />

Personen, wurden festgenommen. Neun Menschen sitzen<br />

zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Benefiz-Samplers<br />

immer noch im Straßburger Gefängnis. Dieser Samp-


ter. Ein wirklich gelungenes Debüt, mit dem Marceese jetzt<br />

schon zu den positivsten Entdeckungen 2010 zu rechnen<br />

ist. (8) Zoli Pinter<br />

MISFITS<br />

Land Of The Dead<br />

12“ | Misfits | misfits.com || Die guten Seiten: das<br />

Coverartwork stammt <strong>von</strong> Zeichnerlegende Arthur Suydam,<br />

wir erfahren, dass George A. Romero noch einen weiteren<br />

„... of the Dead“-Plot im Hinterkopf herumträgt,<br />

und das Vinyl ist farbig. Das war’s dann aber auch schon.<br />

Die Gesamtspielzeit beider Songs beträgt 4:59 Minuten,<br />

was eine kurze Single ergibt, statt einer 12“ zum Preis einer<br />

12“! Leider kann Jerry Only immer noch nicht singen, was<br />

die mittelmäßigen (aber gut produzierten) Songs auch<br />

nicht schlechter macht, als sie schon sind. Mal sehen, wie<br />

weit es noch in den Keller geht. (2) Kalle Stille<br />

MANTRIC<br />

The Descent<br />

CD | Prosthetic | prostheticrecords.com || Das Gute<br />

an Mathcore-Bands ist, dass man mit DILLINGER ESCAPE<br />

PLAN immer eine Referenzband hat. An DEP muss sich<br />

messen lassen, wer glaubt, er könnte Gehörgänge zerhacken.<br />

Die Norweger MANTRIC beweisen mit ihrem Prosthetic-Debüt,<br />

dass sie nicht nur einen guten Musikgeschmack<br />

haben, sondern auch viel <strong>von</strong> ihrem Handwerk<br />

verstehen. Die zwölf Songs <strong>von</strong> „The Descent“ sind gespickt<br />

mit Dillinger-Wahnsinn, NEUROSIS-Düsternis und der<br />

einen oder anderen cleanen Gesangslinie. Gemixt hat das<br />

Album Tue Madsen, der schon DARK TRANQUILLITY und<br />

THE HAUNTED bearbeitet hat. Auch bei MANTRIC hat er<br />

fantastische Arbeit geleistet. „Symptoms“ ist nur ein Knaller<br />

<strong>von</strong> vielen, die MANTRIC auf die geneigte Hörerschaft<br />

loslassen. Du solltest dazugehören. (7) Sebastian Wahle<br />

MET<br />

Einmal mit Profis<br />

CD | myspace.com/metberlin | 45:28 || MET sind<br />

drei Berliner Jungs und Mädels, die laut ihrer selbst punkige<br />

Pop-Songs und poppige Punk-Songs spielen und für<br />

Punkrock-Fans und die eine oder andere Mutti der Fans<br />

Musik machen. Dem stimme ich voll und ganz zu, nicht<br />

mehr und nicht weniger ist es, was MET seit vier Jahren<br />

erprobt und verbessert haben. 16 Songs finden sich auf<br />

ihrer dritten Veröffentlichung, die alle ganz originell sind,<br />

nett, und die man sich auf Konzerten anhören kann, ohne<br />

dass es langweilig wird. Auch wenn meinem Urteil nun<br />

etwas der Enthusiasmus abhanden gekommen ist, liegt das<br />

schlicht daran, dass mir einfach nicht mehr dazu einfällt,<br />

was ich über diese Platte sagen könnte. Aber. Doch. Okay.<br />

Passt schon. (6) Katrin Schneider<br />

MIDAS FALL<br />

Eleven. Return And Revert<br />

CD | Monotreme | monotremerecords.com | 37:48<br />

|| Die Schotten und ihre gepflegte Melancholie – ein<br />

Kapitel für sich. MIDAS FALL aus Edinburgh versprühen<br />

auf ihrem Debütalbum musikalisch den Charme <strong>von</strong><br />

RADIOHEAD und OCEANSIZE und haben mit Elisabeth<br />

Heaton eine passable Sängerin, die ab und an etwas an<br />

Dolores O’Riordan <strong>von</strong> den CRANBERRIES erinnert und<br />

die sich gut in die melancholischen (teilweise mit einer<br />

THE CURE-Hookline und viel Hallgitarre versehenen)<br />

Melodiebögen einfügt. Schöne und schlichte Melodien,<br />

unspektakulär in Szene gesetzt. Die Suche nach dem Erinnerungsgehalt<br />

gestaltet sich aber oft schwierig. Die Band<br />

ler richtet sich gegen staatliche Repression, die Willkür der<br />

Wärter und die Willkür der Rechtsbeugung im Strafsystem.<br />

Dabei spielt es keine Rolle, in welchem Land sich der<br />

Knast befindet. Das Konzept des Samplers erinnert mich an<br />

den im letzten Jahr veröffentlichten Sampler „Out Of Control“<br />

<strong>von</strong> Twisted Chords, nicht zuletzt weil auch einige<br />

Bands des Labels sich hier wieder finden. Beide CDs beinhalten<br />

ein Sammelsurium <strong>von</strong> musikalischen Genres. Im<br />

Vordergrund stehen politische Inhalte. Da ist es egal, ob<br />

man nun HipHop, Punk oder Liedermacher-Musik spielt,<br />

wichtig ist doch, dass aus allen Ecken Leute kommen, die<br />

dieses System hinterfragen und Musik nicht nur als Unterhaltung<br />

betrachten. Jeder Beitrag, ob bekannt oder unbekannt,<br />

zeigt Solidarität für die Menschen, die vorne mit<br />

dabei sind, während die meisten <strong>von</strong> uns doch mittlerweile<br />

satt und passiv geworden sind. Im Booklet schreiben<br />

die Inhaftierten über ihre Erfahrungen im Camp und<br />

aus dem Knast. Eine absolut lohnenswerte Investition. (8)<br />

Simon Brunner<br />

V.A. Soundflat Records<br />

Ballroom Bash Vol. 3<br />

CD | Soundflat | soundflat-records.de || Bereits<br />

zum dritten Mal jährt sich der Soundflat Ballroom Bash<br />

in Leipzig, und auch diesmal gibt es wieder eine entsprechende<br />

Compilation mit allen auf dem Festival spielenden<br />

Bands. Dabei sind die NORVINS, MUCK & THE MIRES,<br />

THE STAGS, PETER BERRY & THE SHAKE SET, DOCTOR<br />

EXPLOSION und KING SALAMI & THE CUMBERLAND<br />

THREE. Jede Band ist mit jeweils vier Songs vertreten, <strong>von</strong><br />

denen fast die Hälfte bisher unveröffentlicht sind. Leider<br />

gibt es nur einen CD-only-Release, der kostet dafür aber<br />

auch nicht die Welt. Das Festival findet übrigens vom 23.<br />

bis 24. Oktober 2010 in McCormacks Ballroom in Leipzig<br />

statt. (7) Finn Quedens<br />

V.A. Take Action Volume 9<br />

CD | Hopeless Records | hopelessrecords.com ||<br />

Auch auf dem neunten Teil des mittlerweile laut Labelinfo<br />

bereits mehrere Million Dollar eingespielt habenden<br />

Benefiz-Samplers des Hopeless Records Unter-Labels Sub<br />

City versammelt sich wieder die Crème de la Crème des<br />

gegenwärtigen HC, Punk und Emos, um mit 35 teilweise<br />

unveröffentlichten Songs für eine gute Sache einzutreten.<br />

Mit dabei sind diesmal unter anderem WE THE KINGS, SET<br />

YOUR GOALS, MAYDAY PARADE, FRANK TURNER, THE<br />

ALMOST, LIGHTS, COBRA STARSHIP und TAKING BACK<br />

SUNDAY. Viel besser kann man so einen Sampler eigentlich<br />

gar nicht mehr machen. (8) David Schumann<br />

V.A. The Taste Of Underground<br />

CD | Antikoerper Export | antikoerper-export.de |<br />

47:05 || „The Taste Of Underground“ ist einer <strong>von</strong> vielen<br />

Sampler, den man in die Kategorie „Nice-Price“ einsortieren<br />

kann. Denn dieser Sampler aus dem Hause Antikoerper-Export<br />

ist ebenfalls für wenige Euros zu erstehen. Insgesamt<br />

neun Bands konnte das DIY-Label zusammentrommeln.<br />

Mit dabei sind NEUE KATASTROPHEN, GOTTKAI-<br />

SER, NI JU SAN, NARCOLAPTIC, DISCO OSLO, ORÄN-<br />

GÄTTÄNG, HOMICIDAL HOUSEPIG, COUCHDRIVERS<br />

und mit GUERILLA POUBELLE auch eine Band aus Frankreich.<br />

Da einige Kapellen ja doch schon einigen Bekanntheitsgrad<br />

besitzen, ist der Samplertitel nicht ganz zutreffend,<br />

aber das wollen wir hier nicht überbewerten. Die<br />

neun Bands kommen aus unterschiedlichen Stilrichtungen.<br />

So findet sich hier eine gute Mischung aus Hardcore,<br />

Punk und roherem Gedöns. Wie auch bei einigen anderen<br />

Samplerreihen darf hier jede Band zwei Mal ran. Insgesamt<br />

ist die Zusammenstellung okay, aber nicht überragend.<br />

Anspieltip: GUERILLA POUBELLE. (7) Sven Grumbach<br />

hat das Potenzial, so richtig im Studentenradio zu zünden<br />

und im Pop-Radio zu Helden stilisiert zu werden. Der<br />

Song „17“ ist allerdings eine gekonnte Ballade. (6)<br />

Markus Kolodziej<br />

KENNETH MINOR<br />

In That They Can’t Help It<br />

CD | Hazelwood | hazelwood.de | 41:01 || Es wird<br />

einem manchmal nicht leicht gemacht. Wenn schon die<br />

Infobeilage lediglich mit so spannenden Erkenntnissen<br />

wie dem Wohnort des Sängers aufwartet, die Band auf der<br />

Netzseite des Labels noch nicht gelistet ist und die versprochene<br />

Homepage nur auf das beschissene MySpace umleitet,<br />

wo sich das Thema Info lediglich auf Nichtigkeiten<br />

beschränkt, dann hilft auch die bestgemeinte Recherche<br />

nichts. Natürlich kann man Musik für sich alleine sprechen<br />

lassen, dennoch wünsche ich mir gerade bei solchen Bands,<br />

die mir sehr gefallen, ein Minimum an Infos. Mich erinnern<br />

KENNETH MINOR, die aus Deutschland sind und die<br />

angenehmen, jedoch nie langweiligen Singer/Songwriter-<br />

Sound machen, streckenweise an die ruhigen Sachen der<br />

EELS, oder auch an dEUS, diese jedoch unplugged, was sich<br />

vor allem in der Stimme des Sängers manifestiert. Dass es<br />

sich um das Debüt der Band handelt, erfreut mich umso<br />

mehr, lässt es doch erwarten und hoffen, dass noch viel<br />

dergleichen folgen wird. (8) Claus Wittwer<br />

MISS MASSIVE SNOWFLAKE<br />

Songs About Music<br />

LP/CD | North Pole | northpolerecords.org | 39:43<br />

|| Hinter MISS MASSIVE SNOWFLAKE steckt der Multimediakünstler<br />

Shane De Leon aus Portland. Nach ausgiebigen<br />

Solotouren durch Europa und die Staaten mit Laptop,<br />

Projektor und Akustikgitarre, hat Shane De Leon für das<br />

zweite MISS MASSIVE SNOWFLAKE-Album diesmal eine<br />

ganze Band zusammengestellt. Die zehn Stücke auf „Songs<br />

About Music“ reichen <strong>von</strong> Glamrock, Pop und Post-Punk<br />

bis hin zu Jazz und Avantgarde. Am meisten Berührungspunkte<br />

gibt es mit Gruppen wie XTC während ihrer<br />

„Oranges & Lemons“-Phase. Ob es sich um die Bläserarrangements<br />

oder um <strong>von</strong> den BEATLES geprägte Pop-Einflüsse<br />

handelt, alles, was XTC auszeichnete trifft auch auf<br />

MISS MASSIVE SNOWFLAKE zu, nur dass diese dabei amerikanischer<br />

klingen. Zeitlose Musik, es handelt sich wirklich<br />

um „Songs About Music“. (7) Kay Werner<br />

THE MIGHTY STEF<br />

100 Midnights<br />

CD | Tonetoaster/Alive | tonetoaster.com | 55:49 ||<br />

Es ist relativ einfach, mich zu vergraulen. Man kann mir<br />

zum Beispiel Britpop oder Irish Folk vorspielen, dann<br />

ist in den meisten Fällen garantiert, dass ich zeitnah das<br />

Weite suche. Und plötzlich kommt dieser Typ daher ... Stefan<br />

Murphy aka THE MIGHTY STEF. Er sieht aus wie ein<br />

unehelicher Bruder der OASIS-Gallaghers und aus Dublin<br />

kommt er auch noch. Eigentlich schlechte Voraussetzungen<br />

dafür, dass wir Freunde werden. Und trotzdem schafft<br />

er es, mich mit meiner Musik in höchste Verzückungszustände<br />

zu versetzen. Okay, wenn ich die Musikstile Britpop<br />

und Irish Folk jetzt alleine stehen lassen würde, dann<br />

würde das im Falle THE MIGHTY STEF viel zu kurz greifen.<br />

Denn Stefan Murphy pickt sich mit seiner Band die<br />

Rosinen aus dem Kuchen. Egal, ob Folk, Punk, Rock, Country,<br />

Blues oder Soul – er beherrscht alles. Und das Ganze<br />

klingt perfekt, wie aus einem Guss! In einem Song setzt<br />

plötzlich ein beschwingter Gospelchor Akzente, bevor<br />

Murphy im nächsten Lied mit seiner beeindruckend vielfältigen<br />

Stimme den zynischen Hafenspelunken-Pianisten<br />

raushängen lässt und wieder zum sentimental-verkaterten<br />

Geschichtenerzähler wird. Trotzdem bilden die 13<br />

Songs ein ausgewogenes Album, das sehr ruhige Momente<br />

hat, aber teilweise auch gewaltig losrocken kann. Mal ehrlich,<br />

ich glaube Leute wie Tom Waits, Nick Cave oder Bruce<br />

Springsteen wären froh, wenn sie solche Nummern im<br />

Programm hätten wie THE MIGHTY STEF. Und mit Cait<br />

O’Riordan und Shane MacGowan (beide ex-POGUES)<br />

geben sich auch noch passende Gaststars die Ehre. Schon<br />

der Vorgänger „The Sins Of Sainte Catherine“ war bei mir<br />

ein Dauerbrenner und „100 Midnights“ knüpft dort nahtlos<br />

an. Mächtig gute Scheibe. (8) Bernd Fischer<br />

MOSKOVSKAYA<br />

20 Jahre Moskovskaya<br />

MCD | ANR Music/Broken Silence | anr-music.org |<br />

23:21 || Es gibt was zu Feiern. Die Tassen hoch: „20 Jahre<br />

Moskovskaya“. Anlässlich ihres Jubiläums gibt es mit dem<br />

neuen Sänger fünf neue Stücke in einem schmucken Digipak.<br />

Zur Band selbst und ihren Aktivitäten verweise ich auf<br />

das Interview in dieser Ausgabe. Die blitzsaubere Produk-<br />

tion beinhaltet angenehmen Ska mit herausragenden Bläser-Arrangements.<br />

Wie ihr in vergangenen Reviews nachlesen<br />

könnt, wussten mich MOSKOVSKAYA musikalisch<br />

bislang nicht zu überzeugen – ganz anders ist das bei dieser<br />

Mini-CD, die es mittlerweile mit dem Niveau der BUS-<br />

TERS, Mark Foggo’s SKASTERS und TOASTERS aufnehmen<br />

kann. Nur eine ganz wesentliche Sache fehlt für meinen<br />

Geschmack all diesen Bands in jüngster Zeit: dem Genre<br />

entsprechend eingängige Melodien zu schreiben, was bei<br />

allem musikalischen Können trotz allem immer noch das<br />

Wichtigste ist. (7) Simon Brunner<br />

MARDI GRAS.BB<br />

Von Humboldt Picnic<br />

CD | Hazelwood/Cargo | hazelwood.de | 43:16 ||<br />

Die zwanzigbeinige Groove-Maschine aus Mannheim<br />

schlägt zurück. Vielseitiger denn je geht das Bläserensemble<br />

auf Weltreise, im Rucksack<br />

das neue Album, auf<br />

dem die Einflüsse global<br />

gesammelt und dann<br />

verwurstet wurden, so<br />

dass es kaum irgendeinem<br />

bestimmten Stil<br />

zuzuordnen wäre. Der<br />

Opener „Delhi morning<br />

raga“ taugt als Bollywood-Soundtrack,<br />

„Blvd. de Clichy“ ist<br />

frankophil angehaucht,<br />

„Ismin Mahmut Altunay“<br />

orientalisch, „Americanos“ ist was für Chickichicki-Latino-Salsa-Tanzkurse,<br />

„Lotterie des Lebens“ bringt<br />

das Flair des PALAST-ORCHESTERs. Insgesamt stellt man<br />

fest, dass New Orleans als Bezugsgröße für die BB immer<br />

nebensächlicher wird. Es klingt so wie eine Band, die sich<br />

WDR-Funkhaus Europa-Musikredakteure am Telefon ausgedacht<br />

haben. Grundsätzlich ist das Picknick eine grundsolide,<br />

handwerklich perfekte, aber dennoch charmante<br />

Platte geworden. Mir fehlt etwas die einheitliche Linie,<br />

außerdem hätte ich gerne noch einen antarktischen Frühlingswalzer<br />

gehört. Aber das wird bestimmt noch ... (7)<br />

Gereon Helmer<br />

MAKEOUTS<br />

In A Strange Land!<br />

LP | Bachelor | bachelorrecords.com || Als die<br />

MAKEOUTS vor ein paar Jährchen in ihrer Garage TEEN-<br />

GENERATE-Sound auf ihren Gitarren schrammelten, hätten<br />

sie wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dieses Jahr<br />

den schwedischen Manifest-Award zu gewinnen. Dies ist<br />

eine <strong>von</strong> Independent-Produzenten organisierte Preisverleihung<br />

mit durchaus okayen Bands, also kein Schrott wie<br />

der Echo oder Comet. Aber da in Schweden Nachwuchsbands<br />

finanziell sogar vom Staat unterstützt werden, wundert<br />

mich das auch nicht sonderlich. Jedenfalls haben die<br />

MAKEOUTS seit ihren ersten (ebenfalls sehr zu empfehlenden)<br />

SUPERCHARGEResken Singles auf Bachelor und<br />

Radio Obligato mit dieser Platte einen großen Schritt in<br />

Richtung BLACK LIPS oder BLACK TIME gemacht und<br />

ihren Sound deutlich poppiger gestaltet. „In a strange<br />

land“ schlägt meiner Meinung nach auch locker die letzte<br />

BLACK LIPS-Platte, die ich mir seit dem letzten mit Vice-<br />

Leserinnen mit Nerdbrillen und Achtziger-Vintage-Ichzieh-mich-so-bescheuert-wie-möglich-an-Modeüberlaufenem<br />

Konzert sowieso nicht mehr antun werde. (9)<br />

Finn Quedens<br />

MEDICATIONS<br />

Completely Removed<br />

CD | Dischord | dischord.com | 39:46 || Seine<br />

Strahlkraft als exzeptionelles Label mit prägender Wirkung<br />

auf die (Post-)Hardcore-Szene hat Dischord eingebüßt,<br />

auch wenn das viele alte Fans nicht wahrhaben<br />

wollen. Dischord ist zu einem Nostalgie-Unternehmen<br />

geworden, das sich vor allem dem Aufbereiten der glorreichen<br />

Vergangenheit widmet, sprich: der Neuauflage remasterter<br />

Klassiker aus den Achtzigern und Neunzigern. Die<br />

Dokumentation der gegenwärtigen Musikszene der US-<br />

Hauptstadt? Das übernehmen andere. 2008 erschien auf<br />

Dischord keine einzige neue Platte, 2009 immerhin drei,<br />

und siehe da, 2010 bislang zumindest eine, das zweite<br />

MEDICATIONS-Album. Deren Debüt kam 2005, und wie<br />

im Hause Dischord üblich, waren/sind hier keine Menschen<br />

aktiv, die man nicht vorher schon mal im Dischord-<br />

Universum verorten konnte: Chad Molter war unter anderem<br />

bei FARAQUET, Devin Ocampo ebenfalls und zudem<br />

bei BEAUTY PILL und SMART WENT CRAZY, und für<br />

den ausgestiegenen Andy Becker kam Mark Cisneros. Das<br />

rEvIEws<br />

Ergebnis ist erneut ein wundervolles Album, das eine<br />

Myriade <strong>von</strong> Einflüssen offenbart und stilistisch zwar ganz<br />

grundsätzlich ins Dischord-Weltbild passt, also im weitesten<br />

Sinne Post-Punk-Rockmusik ist, aber <strong>von</strong> Powerpop<br />

über Psychedelic und „Sophisti-Pop“ (ein Begriff, der<br />

mir bislang unbekannt war und eben über den Weg lief)<br />

ein denkbar weites Spektrum abdeckt. David Bowie, Syd<br />

Barrett, Nick Drake und Ornette Coleman werden <strong>von</strong> der<br />

Band gleichermaßen als Inspiratoren genannt, und das ist<br />

hilfreich und verwirrend zugleich. Für mich ist es höchst<br />

angenehme, zeitlose Musik, die ich jedem ans Herz legen<br />

kann, der mit dem Schaffen der Dischord-Bands seit den<br />

späten Neunzigern vertraut ist. (8) Joachim Hiller<br />

THE MEN<br />

Four Good Men And True<br />

CD | Heptown/Cargo | heptownrecords.com | 37:07<br />

|| Yeah, Beat Baby, Beat, Beat, Beat! Als ob es die Kollegen in<br />

der Redaktion irgendwie gerochen hätten, dass ich mir erst<br />

unlängst einen beinahe maßgeschneiderten Lambretta-<br />

Nadelstreifenanzug für 120 Tacken leistete (Yep, Guido<br />

hat schon recht: Von „Hartz IV“ lässt es sich mitunter doch<br />

ganz vorzüglich leben, har, har ...), bekomme ich doch aus<br />

dem Headquarter eine absolut vorzügliche Retro-Mod-<br />

Scheibe reinsten Wassers zugesandt. Diese vier smarten<br />

Schweden kredenzen hier jedenfalls ein dermaßen soulful<br />

und unwiderstehlich groovendes Zwölf-Gänge-Menü,<br />

dass es eine wahre Wonne ist. Einerseits tief vom Spirit der<br />

„first generation heroes“ à la SMALL FACES, YARDBIRDS<br />

oder auch THE CREATION beseelt, gleichzeitig aber durch<br />

die superknusprige Produktion <strong>von</strong> Christoffer Lundquist<br />

(verdiente sich unter anderem schon seine Meriten bei<br />

keinen Geringeren als ROXETTE oder auch MONEYB-<br />

ROTHER), perfekt in die Jetztzeit transportiert, bekommt<br />

man hier ein Gute-Laune-Manifest der erlesensten Güteklasse<br />

präsentiert. Rhythm & Blues küsst Soul, der Bass<br />

treibt gnadenlos nach vorne, die Gitarren setzen rasiermesserscharfe<br />

Akzente und die dreistimmigen Harmoniegesänge<br />

sitzen mindestens genauso passgenau wie der<br />

feine Zwirn, den die Buben am Leibe tragen. Wobei insbesondere<br />

Frontmann Sven Köhler mit seinem supergeilen,<br />

rauen Gesangsstil fast schon homoerotische Gefühlsaufwallungen<br />

in mir erzeugt ... Exzellente Platte, die mit<br />

jedem erneuten Durchlauf sogar immer noch ein Stückchen<br />

hinzugewinnt – prima! (8) Ben Bauböck<br />

MAINTAIN<br />

Save Yourself<br />

MCD | Break Out | myspace.com/breakoutrecords<br />

|| Diese Band ist nicht zu verwechseln mit den gleichnamigen<br />

deutschen Metalcorelern, obwohl beide Bands sich<br />

ähnlicher Stilmittel bedienen. Die Bostoner MAINTAIN<br />

jedoch legen den Fokus weniger auf Metalcore-Geschrote,<br />

sondern bedienen sich des Newschool-Hardcores der späten<br />

Neunziger Jahre und verpacken diesen in sieben Songs,<br />

die wuchtig in Szene gesetzt wurden und entsprechend<br />

viel Spaß machen. Da freut man sich doch auf das hoffentlich<br />

bald erscheinende Album. (7) Jens Kirsch<br />

MOTHER-UNIT<br />

Brain-Massage<br />

CD | Stickman | stickman-records.de | 45:17 || Was<br />

macht eigentlich 35007, jene niederländische Spacerock-<br />

Band, die ihren Namen LOOSE in alter Taschenrechnermanier<br />

in 35007 umwandelte? 2005 gab es ein letztes Album,<br />

seitdem herrscht Stille. 2003 schon war Bertus Fridael ausgestiegen,<br />

Gründungsmitglied und Gitarrist, und er ist es,<br />

der sich nun mit einem vier laaaaange Stücke umfassenden<br />

Album unter dem Namen MOTHER-UNIT zurückmeldet,<br />

dessen Titel das verspricht, was das Anhören tatsächlich<br />

ist – eine „Brain-Massage“. Mit spitzen, kundigen<br />

Fingern kneten Fridaels instrumentale Kompositionen<br />

einem die grauen Zellen durch, so dass man völlig entspannt<br />

dasitzt, während einem die psychedelischen Sounds<br />

durchs Hirn wabern. Und man stellt fest, das Bertus diese<br />

derzeit so beliebten, flächigen Post-Rock-Sounds schon<br />

drauf hatte, als die noch lange nicht so beliebt waren wie<br />

heute. Ein detailreiches, auch leisen Tönen Raum lassendes<br />

Album, das weniger durch Lautstärke und Monumentalität<br />

als durch Detailreichtum besticht. (7) Joachim Hiller<br />

MURDER BY DEATH<br />

Finch: Performing An Instrumental Soundtrack<br />

To The Book By Jeff Vandermeer<br />

10“/CD | Murder By Death | murderbydeath.com<br />

|| MURDER BY DEATH waren noch nie in der Verlegenheit,<br />

sich ob ihrer „fröhlichen Musik“ rechtfertigen zu<br />

müssen, aber dieser C imaginäre M Y CM Instrumentalsoundtrack<br />

MY CY CMY K<br />

zu dem „Blade Runner“ ähnlichen Buch „Finch“ <strong>von</strong> Jeff<br />

Butterfly Records presents...<br />

LANA LOVELAND (BUT-38)<br />

Fuzztones organist goes solo on her first Butterfly 45!<br />

THE<br />

DIRTY<br />

ROBBERS<br />

(BUT-39)<br />

THE<br />

KONGSMEN<br />

(BUT-36)<br />

THE<br />

MOOMBAS<br />

(BUT-37)<br />

ELS TRONS<br />

2ND PRESSING,<br />

ONLY 200 COPIES!<br />

(BUT-35)<br />

Distributed by<br />

Clearspot & Get Hip!<br />

MAX & THE<br />

TATRAPLAN<br />

(BUT-40)<br />

P.O. BOX 31225 · 08080 BARCELONA (SPAIN) · www.butterfly-records.com<br />

OX-FANZINE 101


EvIEws<br />

Vandermeer bewegt sich auf der ganz finsteren und klaustrophobischen<br />

Seite, zwischen den frühen GODSPEED<br />

YOU! BLACK EMPEROR (man denke als Referenzsong an<br />

deren fulminantes „The dead flag blues“) und den aktuellen<br />

Soundtracks, die Nick Cave gerade mit Warren Ellis<br />

unter anderem für den Film „The Road“ geschrieben hat.<br />

Wunderbar dunkle Cello-Partituren treffen auf eine klirrende<br />

Desperado-Gitarre, die sich an einem WOVEN<br />

HAND-mäßigen Klavier reibt, um dann doch am Ende <strong>von</strong><br />

einem treibenden SWANS-ähnlichen Schlagzeug an die<br />

Wand gedrückt zu werden. Wenn man sich an den wirklich<br />

beängstigenden Soundtrack zu John Hillcoats Gefängnisfilm<br />

„Ghosts Of The Civil Dead“ (1988), geschrieben<br />

<strong>von</strong> Nick Cave, Mick Harvey und Blixa Bargeld, erinnert,<br />

kann man erahnen, wohin die Reise geht – „Angst driven<br />

vision“. Selten wurden Beklemmung, Dunkelheit und<br />

menschliche Abgründe musikalisch so eindrucksvoll und<br />

pechschwarz inszeniert. Es bedarf einer gewissen charakterlichen<br />

Festigung, um alle 14 Stücke komplett und<br />

ohne Pause durchzuhören, ohne den Kopf im Takt gegen<br />

die Wand zu schlagen. MURDER BY DEATH ist die Götterdämmerung<br />

par excellence gelungen – into the abyss. Tiefer<br />

geht nicht. (10) Markus Kolodziej<br />

NAME<br />

Internet Killed The Audio Star<br />

CD | Lifeforce | lifeforcerecords.com | 77:35 ||<br />

Wenn ich ehrlich bin, habe ich die Rezension dieses<br />

Albums so lange aufgeschoben, wie es nur irgendwie ging.<br />

Warum? Weil die Musik nicht gerade dazu einlädt, mehr<br />

als einmal abgespielt zu werden. Nicht unbedingt, weil<br />

alles so schrecklich dissonant und progressiv wäre, denn<br />

dass so was durchaus zu anhörbaren Ergebnissen führen<br />

kann, zeigen THE DILLINGER ESCAPE PLAN schließlich<br />

immer wieder. Nein, NAME klingen einfach nur unglaublich<br />

zerfahren. Allein schon der Opener „Killer whales,<br />

man“ verbindet Mathcore, Techgrind, Stoner- und Classic-<br />

Rock auf unmögliche Art und Weise. Und das geht immer<br />

so weiter. Bisher hielt ich mich eigentlich immer für abgebrüht,<br />

was harte Musik angeht, aber hier muss ich passen.<br />

Irgendwie ist das dann doch mehr Experiment als durchdachte<br />

Musik. Geschweige denn, dass man hier Begriffe<br />

wie „Songwriting“ fallen lassen könnte. Und dann diese<br />

unglaubliche Spieldauer. Ich werd’ bekloppt. Ohne Wertung.<br />

Andreas Kuhlmann<br />

NICE NICE<br />

Extra Wow<br />

CD | Ninja Tune | ninjatune.net | 51:22 || Der bisherige<br />

Output dieses Experimental-Duos aus Portland<br />

erschien bisher auf Temporary Residence und ihr 2003er<br />

Album „Chrome“ wurde <strong>von</strong> einigen Kritikern charmanterweise<br />

als reiner Noise beschrieben, und in diesem Heft<br />

sah die Einordnung des Ganzen als „unbeschreibbar“ schon<br />

etwas differenzierter aus. Das mit dem „Noise“ ist nicht<br />

ganz <strong>von</strong> der Hand zu weisen, allerdings sind NICE NICE<br />

nicht ausschließlich um Dekonstruktion bemüht, sondern<br />

haben ihr anfänglich recht wild anmutendes Gemisch<br />

aus tribalistischer Rhythmik, übereinander geschichteten<br />

Sounds und halbwegs normalem Gesang mit deutlich<br />

erkennbaren Strukturen versehen, und das vor allem wirklich<br />

gekonnt. Das klingt mal nach funkig-kantigem DC-<br />

Post-Punk, lärmendem disharmonischen Industrial oder<br />

entspannt fließendem Krautrock mit starker psychedelischer<br />

Note, oder alles eben gleichzeitig in einem Song, und<br />

AT THE GATES<br />

The Flames Of The End<br />

3DVD | Earache | earache.com | 320:00 || Wohl<br />

keine andere Band aus dem weitläufigen Sektor des melodischen<br />

schwedischen Death Metals war derart inspirierend<br />

und wegweisend<br />

für einen Großteil der<br />

Musikszene wie AT THE<br />

GATES. Noch heute gilt<br />

ihr „Slaughter Of The<br />

Soul“ als absolutes Jahrhundertalbum<br />

und Referenzwerk<br />

für ein komplettes<br />

Genre, der New<br />

Wave Of American Heavy<br />

Metal, sowie einigen<br />

Ausläufern des Metalcores.<br />

Im Jahre 2008<br />

fand sich diese bedeutende<br />

Band noch einmal<br />

im Original-Lineup<br />

zusammen, um einige<br />

ausgewählte Konzerte zu<br />

spielen. Das wohl definitiv<br />

letzte vom Wacken Open Air 2008 fand seinen Weg<br />

auf diese DVD. Dabei ist hervorzuheben, dass die Band ihre<br />

Authentizität bewahren wollte, und daher vollkommen auf<br />

Overdubs und ähnlichen Schnickschnack verzichtete. Dies<br />

ist vor allem dann deutlich auszumachen, wenn eine der<br />

beiden Gitarren pausiert, während die andere sich durch<br />

eine der vielen göttlichen Bridges rifft. Diese eine Gitarre<br />

ist dann nämlich leider meist viel zu leise zu vernehmen.<br />

Sieht man da<strong>von</strong> einmal ab, ist der Sound dennoch hervorragend<br />

und die Bildqualität absolut überragend, <strong>von</strong> den<br />

Bühnenqualitäten des Tomas Lindberg und seinen Kollegen<br />

ganz zu schweigen. Mit „Under A Serpent Sun“ findet<br />

sich zudem eine beeindruckende Dokumentation in diesem<br />

Package, die die Geschichte <strong>von</strong> AT THE GATES aufarbeitet<br />

und dabei nicht nur mir den einen oder anderen<br />

rührseligen Gedanken an die guten alten Zeiten bescherte.<br />

Ihre Vollendung findet diese Veröffentlichung in der dritten<br />

DVD, welche exklusives und teilweise rares Live-Material<br />

enthält. Als Bonus gibt es alle Videos der Truppe obendrauf.<br />

Ein würdiges Vermächtnis einer der großartigsten<br />

Bands aller Zeiten. (10) Jens Kirsch<br />

KISS<br />

Kissology – The Ultimate KISS Collection Vol. 3<br />

5DVD | Eagle Vision | eagle-rock.de | 660:00 || KISS<br />

sind seit Jahrzehnten ein Phänomen und mehr eine absolute<br />

eigenständige Firma, denn eine Band, die <strong>von</strong> Schlabberzunge<br />

Gene Simmons mit beängstigender Unbarmherzigkeit<br />

vorangetrieben wird. Das man dabei sogar neuen<br />

Musikern die altbewährten Alter-Egos auf den Leib schneidert<br />

ist hierbei nur die Spitze des Eisbergs. Da stellt sich<br />

natürlich unweigerlich die Frage nach dem Sinn einer<br />

Veröffentlichung wie der „Kissology“-Reihe, die mit dieser<br />

Fünfer-DVD in die dritte Runde geht. Nun, das Ergebnis<br />

spricht für sich, denn was man hier für sein Geld (verhältnismäßig<br />

günstige 29,90 Euro) geboten bekommt, ist<br />

in der Tat absolut gewaltig. Knapp über elf Stunden Material<br />

aus den Jahren 1992 bis 2000, bestehend aus diversen<br />

Live-Shows, Fernsehauftritten, den legendären „MTV<br />

Unplugged“-Auftritt der Band, diversen Raritäten und<br />

vielem mehr bieten nicht nur beinharten Fans das volle<br />

OX-FANZINE 102<br />

NNN<br />

bleibt in seinem Kern erstaunlicherweise immer irgendwie<br />

Rock, wenn auch mit durchweg aggressiver Note.<br />

Zumal die Basis <strong>von</strong> Jason Buehler und Mark Shirazi für<br />

ihre mächtige Wall of Sound ganz bodenständig immer<br />

Gitarre und Schlagzeug bilden und nicht ausschließlich<br />

der Sequenzer. Wahrlich kosmische Musik, ohne dass<br />

man NICE NICE ausschließlich auf ihren Krautrock-Anteil<br />

reduzieren könnte, dafür passiert hier dann doch zu viel,<br />

was an sich gar nicht zusammen passen dürfte. Sollte das<br />

Duo live auch nur ansatzweise so gut sein wie behauptet,<br />

dürften einem dabei gehörig die Gehörgänge durchgepustet<br />

werden. (9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

NO MORE<br />

Midnight People & Lo-Life Stars<br />

CD | Rent a Dog | rent-a-dog.com | 42:32 || Wäre<br />

man böse, könnte man die 1979 gegründete Kieler Post-<br />

Punk-Elektro-Wave-Formation als „one hit wonder“<br />

bezeichnen, ist ihnen doch mit der „Suicide Commando“-<br />

Single <strong>von</strong> 1981 ein Überhit gelungen, der bis heute in<br />

jeder Goth- und Wave-Disco zum Standard gehört und<br />

sicher einer der besten Songs des Genres ist. Allerdings<br />

hat die Kernbesetzung Andy A. Schwarz und Tina Sanudakura<br />

bis zur Auflösung 1986 viel, viel mehr Songs aufgenommen<br />

als diesen Elektropunk-Klopper – Material, das<br />

zu entdecken sich lohnt. Seit 2006 sind NO MORE in der<br />

Zweierbesetzung Schwarz/Sanudakura wieder aktiv, mit<br />

„Remake/Remodel“ gab es auch einen neuen Release –<br />

und jetzt das erste „richtige“ Studioalbum seit 1986, dem<br />

kürzlich eine Single vorausging. Wer aus naiver Nostalgie<br />

erwartet, hier den Versuch eines Remakes <strong>von</strong> „Suicide<br />

Commando“ in verschiedenen Variationen zu hören<br />

zu bekommen, dürfte enttäuscht werden – im Gegensatz<br />

zu jenen, die zeitlosen Elektro-Pop zu schätzen wissen,<br />

der ohne nervige Dancebeats auskommt. Ganz glücklich<br />

bin ich mit dem folgenden Vergleich nicht, dennoch: Wer<br />

das NEW ORDER-Spätwerk schätzt und mit dem aktuellen<br />

EDITORS-Album einverstanden ist, könnte auch hieran<br />

seinen Spaß haben. Und die alten Fans wissen sowieso,<br />

woran sie sind. (7) Joachim Hiller<br />

NARCOLAPTIC<br />

More Than Noise<br />

CD | Antikörper Export | antikoerper-export.de |<br />

34:58 || NARCOLAPTIC sind eine Band aus Hamburg<br />

und haben seit ihrer Gründung in 2005 massig Gigs abgeliefert.<br />

Der vorläufige Höhepunkt könnte die im Herbst<br />

2010 stattfindende 14-tägige Tour durch Indonesien sein.<br />

Aber auch „auf dem Kontinent“ sind für dieses Jahr schon<br />

wieder reichlich Auftritte „gebucht“. Vor dieser Debüt-LP<br />

auf Antikörper Export wurden bereits zwei EPs und diverse<br />

Sampler-Beiträge veröffentlicht. Musikalisch stehen NAR-<br />

COLAPTIC für krachigen, straighten Punkrock, mit persönlichen<br />

und politischen Texten. Wie es sich für ein Punkrock-Trio<br />

gehört, wird nicht lange gefackelt oder herumexperimentiert.<br />

13 Songs zwischen SNUFF, LIFE BUT<br />

HOW TO LIVE IT, NEIN NEIN NEIN und SO MUCH HATE.<br />

Sympathisch. (6) Zahni Müller<br />

NERVOUS NELLIE<br />

Why Dawn Is Called Mourning<br />

CD | Hazelwood | hazelwood.de | 43:13 || NER-<br />

VOUS NELLIE sind zwei Brüderpaare aus Stockholm,<br />

genau genommen aus dem Künstler- und Musikerviertel<br />

Södermalm. Ob leicht beschwingte Pop-Perlen, rhythmische<br />

Schunkelballaden oder peppige Britpop-Salven, die<br />

elf Songs auf dem dritten Album versprühen eine ungemeine<br />

Leichtigkeit. Alles geht, die BEACH BOYS treffen<br />

Unterhaltungsprogramm. Einziges Manko: Bei der Fülle an<br />

Material wiederholen sich leider viele Songs, was es einem<br />

neben der opulenten Spielzeit erschwert, die DVDs an<br />

einem Stück anzuschauen, da sich hin und wieder Längen<br />

einschleichen könnten. Gemessen am Gesamtprodukt fällt<br />

dieser Umstand jedoch nicht weiter ins Gewicht, denn was<br />

bleibt, ist die ultimative Hard Rock-Vollbedienung. Und<br />

jetzt alle: KISS, KISS, KISS! (10) Jens Kirsch<br />

OBITUARY<br />

Live Xecution<br />

DVD | Regain/Soulfood | regainrecords.com | 78:00<br />

|| Dass ich mir Bands ab einem gewissen Bekanntheitsgrad<br />

nicht mehr live ansehen möchte, ist kein elitäres Verhalten,<br />

sondern Folge der Erkenntnis, dass die wenigsten<br />

auf großen Bühnen funktionieren. OBITUARY, die ich als<br />

gute Live-Band in Erinnerung habe, sind auf diesem Mitschnitt<br />

vom 2008er Party.San Open Air bloß langweilig<br />

anzuschauen. Ein bisschen Auf- und Ablaufen, dabei das<br />

Köpfchen schütteln und kreisen lassen, dazu eine Allerwelts-Lightshow<br />

und eine Songauswahl, die viele Highlights<br />

vermissen lässt, das macht nur Sinn für diejenigen,<br />

die das hier als Erinnerungsstütze an das selbst Erlebte<br />

benutzen. Und das Bonusmaterial hätte man sich auch<br />

schenken können: unwitzige Backstage- und öde Proberaumaufnahmen.<br />

Ich erinnere mich da lieber an ein OBI-<br />

TUARY-Konzert 1992 (oder ’91? ’93?) in Belgien, bei<br />

dem Sänger John Tardy krankheitsbedingt erst durch Barney<br />

<strong>von</strong> NAPALM DEATH und dann durch seinen Bruder<br />

Donald vertreten wurde, der gleichzeitig Schlagzeug spielen<br />

musste: Halsadern können beeindruckend anschwellen,<br />

ohne zu platzen. (5) André Bohnensack<br />

STOMPER 98<br />

10 Years Birthday Bash<br />

DVD+CD | Sunny Bastards | sunnybastards.de |<br />

160:00 || Hoch die Bierflaschen auf gut zehn Jahre<br />

STOMPER 98. Die einst in Göttingen gestartete Band feiert<br />

sich, ihre „Die-Hards“ und den Way of Life sowieso nun<br />

per DVD. Diese sieht schick aus (Fotobooklet) und bietet<br />

zusätzlich zum kompletten Mitschnitt des Geburtstagsgigs<br />

im November 2008 im Leipziger Conne Island und Live-<br />

Aufnahmen vom Punk & Disorderly und With Full Force<br />

Festival (jeweils 2009) noch eine ausführliche Doku über<br />

eben diese zehn, nunmehr zwöf Jahre. Obendrein gibt es<br />

das Leipzig-Konzert als Audio-CD, was eine sehr nette<br />

Geste ist. Ja, die Band ist reinster Pathos und nicht wenigen<br />

ein Dorn im Auge, aber das hatten wir schon, siehe<br />

dazu diverse Reviews und Interviews in vergangenen Ausgaben.<br />

Selbstverständlich startet das Jubiläumspaket mit<br />

dem Leipzig-Gig, der deutlich rüberbringt, warum S98<br />

die(!) Oi!-Band der Stunde ist. Mastermind und Frontsau<br />

Sebi schafft es wie kaum ein anderer des Genres, das<br />

Vorgetragene authentisch zu verkörpern und dabei selber<br />

Spaß zu haben, wobei er auch vor schweißtreibenden<br />

Exkursionen ins Publikum nicht zurückschreckt („Klänge<br />

und Gesänge“). Er sorgt gut für Action, das Publikum war<br />

eh heiß an diesem Abend, und auch die recht professionelle<br />

Aufnahme (acht Kameras) bringt die Atmosphäre gut<br />

rüber. Am spannendsten bei solchen Materialsammlungen,<br />

ist – so auch hier – natürlich der Blick hinter die Kulissen.<br />

Da sollten vor allem die reinschauen, die bei S98 immer<br />

Gespenster sehen! In einer knappen Stunde gibt es zehn<br />

Jahre Bandleben und Skinhead-Kult aus der ersten Reihe,<br />

dazu die Jungs beim entspannten Sofa-Interview. „Aha!“<br />

die BEATLES, aber auch das ist nur eine Momentaufnahme,<br />

denn im nächsten Augenblick sitzt scheinbar Nick Cave bei<br />

den VIOLENT FEMMES an der Orgel. Oder wie lässt sich<br />

sonst ein Stück wie „Smile of your own“ erklären? Butterweicher<br />

Flowerpop voller Hingabe und Herzblut. Der relative<br />

hohe Gesang lässt mich teilweise an Arthur Russel oder<br />

Dent May denken, deren Pop-Alben an dieser Stelle auch<br />

schon ausgiebig gewürdigt wurden. (8) Kay Werner<br />

NINJA GUN<br />

Restless Rubes<br />

CD | Gunner | gunnerrecords.com || Dieses Album<br />

ist nicht neu. Trotzdem wird es das für viele sein. Schade<br />

eigentlich, denn NINJA GUN, die „Restless Rubes“ bereits<br />

im Sommer 2008 über<br />

Virgil Dickersons Suburban<br />

Home-Label in<br />

den USA veröffentlichten,<br />

verdienen es entdeckt<br />

zu werden. Die<br />

vorliegende Version, die<br />

einen Bonus-Song aufweist,<br />

ist die europäische<br />

Linzenzpressung,<br />

die der Band dann hoffentlich<br />

den Durchbruch<br />

über den Umweg<br />

Europa einbringt, ähnlich<br />

wie das schon bei GASLIGHT ANTHEM oder FAKE<br />

PROBLEMS funktionierte: Auch deren Melodien entdeckte<br />

zunächst das kleine Bremer Label Gunner Records<br />

für den europäischen Raum. Und NINJA GUNS hat ebenso<br />

das Zeug dazu, mit einer Mischung aus Indie-Rock, Südstaaten-Americana<br />

und viel Melodie mehr zu erreichen.<br />

In den USA tourte die Band gerade mit Tim Barry (AVAIL)<br />

und AGAINST ME!. Europaerfahrung sammelte man aber<br />

schon letztes Jahr, als einige Bandmitglieder Chris Wollards’<br />

SHIP THIEVES live unterstützten. Die richtige Tour-<br />

Einstellung haben die Jungs demnach. Das letzte musikalische<br />

Lebenszeichen war eine Splitsingle mit FAKE PRO-<br />

BLEMS auf Sabot Productions, auf die demnächst eine<br />

weitere 7“ folgen soll. Bis dahin empfehle ich, sich dieses<br />

großartige Album zuzulegen, damit auf der NINJA GUNS-<br />

Frühjahrstour in Sachen Mitsingen nichts mehr schiefgehen<br />

kann. Bodo Unbroken<br />

NEW SET OF BRUISES<br />

s/t<br />

CD | Boss Tuneage | bosstuneage.com | 25:54 ||<br />

NEW SET OF BRUISES kommen aus London, und Sänger<br />

Nijs Band BLOCKO ist mit an frühe JAWBREAKER und<br />

LEATHERFACE angelehntem rauhen Sound schon über die<br />

eigenen nationalen Grenzen hinaus mit Touren in Japan,<br />

Europa und den USA bekannt geworden. 2008 hat er sich<br />

daran gemacht, mit zwei Mitmusikern ein paar bereits<br />

verworfene Song-Ideen vergangener Projekte zu dieser<br />

6-Song-EP zusammenzuschustern. Und da der Apfel meist<br />

nicht weit vom Stamm fällt, finden sich auch hier melodisch-melancholische<br />

Töne, denen man die Nähe zu den<br />

Helden aus Sunderland natürlich anhört, die sich zudem<br />

stets genügend Spielraum geben und jeden Song über die<br />

4-Minuten-Grenze hieven, was dank der grundsätzlich<br />

aggressiven Stimmung, wirklich schöner Gitarrenarbeit<br />

und teils erstaunlichem Drive zu schönen Songs führt, die<br />

sich ein wenig <strong>von</strong> dem abheben, was man sonst an Klonen<br />

<strong>von</strong> der Insel kennt und Elemente des melancholischen<br />

US-Punks der Neunziger à la FACE TO FACE („Ignorance<br />

Is Bliss“!) oder SAMIAM integriert. Wird zum Ende<br />

wird sich dabei der eine oder andere denken – und was<br />

die Jungs, auch musikalisch für einen Sprung hingelegt<br />

haben, wird ebenfalls recht deutlich. Gut gestompert! (8)<br />

Lars Weigelt<br />

/movIES & DoKUS<br />

Merle Becker<br />

AMERICAN ARTIFACT<br />

The Rise Of American Rock Poster Art<br />

2DVD | Freakfilms | americanartifactmovie.com ||<br />

Erst in den letzten paar Jahren hat sich in Deutschland eine<br />

kleine Szene <strong>von</strong> Siebdruckposter-Aktivisten entwickelt,<br />

die mit den recht simplen<br />

Mitteln des Screenprintings<br />

in Kleinauflagen<br />

meist sehr schöne<br />

Konzertposter nicht nur<br />

selbst entwerfen, sondern<br />

auch oft gleich<br />

selbst drucken. In den<br />

USA existiert diese Tradition<br />

schon seit den<br />

seligen Hippie-Zeiten,<br />

als in San Francisco<br />

die Haight/Ashbury-<br />

Kreuzung Zentrum der<br />

Alternativszene war und<br />

Bands wie GRATEFUL<br />

DEAD ihre Konzerte mit<br />

immer grelleren, psychedelischen<br />

Postern<br />

bewarben. Und wie einer der interviewten Künstler <strong>von</strong><br />

damals in diesem Film erzählt, machte man damit seinerzeit<br />

bewusst alles falsch, was über gute Plakatwerbung<br />

gelehrt wurde. Klar erkennbare Motive? Deutlich lesbare<br />

Schrift? Nur Farben, die sich nicht beißen? Alles für „Normalos“<br />

– es ging darum, Aufmerksamkeit zu erregen, und<br />

so entstanden die knallbunten Neonfarbenposter, deren<br />

Originale heute zu Preisen gehandelt werden, die schon<br />

in den Bereich <strong>von</strong> Galeriekunst hineinreichen. Genau da<br />

aber, so wird in den Interviews deutlich, die Filmemacherin<br />

Merle Becker für ihre 90-Minuten-Doku geführt hat,<br />

woll(t)en all die hier gefeatureten Grafiker nie hin, denn<br />

abgehobene, universitäre „feine“ Kunst war für sie nie<br />

erstrebenswert. Das hat viel damit zu tun, dass Leute wie<br />

Tara McPherson, Derek Hess, COOP, Chuck Sperry, Winston<br />

Smith oder Frank Kozik mit den Idealen der Punkszene im<br />

Kopf aufgewachsen sind, meist nach simplen Wegen suchten,<br />

ihre Bilder in die Welt zu bringen und damit – Kozik<br />

gilt hier als Pionier – auf ein smartes Geschäftsmodell stießen:<br />

„Liebe Band, ich mache dir umsonst ein schönes Postermotiv<br />

und gebe dir auch einige der limitierten Posterdrucke<br />

ab, aber den Rest darf ich auf meine Rechnung<br />

verkaufen.“ Nach diesem Muster arbeiten heute weltweit<br />

unzählige Künstler, wie man als Besucher der Website gigposters.com<br />

weiß, und auch wenn da längst nicht alles<br />

Gold ist, was glänzt, so ist man doch immer wieder <strong>von</strong><br />

der Vielfältigkeit der Stile und Einflüsse beeindruckt, muss<br />

zugeben, dass einen diese Art <strong>von</strong> Kunst mehr anspricht<br />

als vieles, was in irgendwelchen Museen hängt. Genau so<br />

ging es auch Merle Becker, der mit „American Artifact“ ein<br />

exzellentes Portrait der wichtigsten Erfinder jener Kunst-<br />

hin immer spannender (bester Song für mich „Hindsight“)<br />

und auch wenn die LONELY KINGS so was schon vor langer<br />

Zeit besser und druckvoller hinbekommen haben,<br />

wirklich auszusetzen ist daran nichts. (7) Andreas Krinner<br />

NICKS<br />

Armed & Dangerous<br />

CD | the-nicks.de | 37:33 || Die NICKS sind, mit<br />

Unterbrechungen, bereits seit den Achtziger Jahren in<br />

Sachen Ska unterwegs, und nicht nur am Niederrhein. Die<br />

neun Titel auf „Armed & Dangerous“ überraschen mich<br />

in vielfacher Hinsicht: kein Label, der Vertrieb läuft über<br />

die Band-Homepage (10 Euro plus Porto), dann die Produktion,<br />

absolut professionell, und schließlich die Musik,<br />

absolut perfekter 2Tone-Ska, mit einigen erstklassigen und<br />

temporeichen Instrumentals „Crackhouse stomp“ und<br />

„Dirty old ska“. Aber das haben sie ja auch schon auf ihrem<br />

Vorgängeralbum „Say Something More“ bewiesen. Bands<br />

wie SPECIALS oder BAD MANNERS werden im Zusammenhang<br />

mit 2Tone-Ska natürlich gerne als Referenz<br />

genannt, aber hier sind sie wirklich angebracht. Schnörkelloser<br />

2Tone-Ska, um eine solche Band müssten sich doch<br />

die einschlägigen Labels streiten. Egal, die NICKS stehen<br />

jedenfalls für 100% Ska. (8) Kay Werner<br />

ooo<br />

OXXON<br />

Radio Zero<br />

CD | oxxon.de | 31:42 || Tübingen war in der schwäbischen<br />

Provinz schon immer eine Oase in Sachen Punkrock,<br />

und eben dort gründeten sich Mitte der Neunziger<br />

OXXON. Auf fünf Demos folgte 2008 ein erstes Album, und<br />

mit „Radio Zero“ ist nun der zweite Longplayer raus, auf<br />

dem sich elf englischsprachige Songs finden, die immer<br />

aufgelockert werden durch kurze gesprochene Passagen,<br />

hinter denen sich, so schätze ich, ein gewisser aus den USA<br />

stammender Labelbetreiber aus Tübingen versteckt. „Radio<br />

Zero“ ist ein bestens produziertes Album aus einem Guss,<br />

das eingängige Melodien und richtig gut kickenden Punkrock<br />

perfekt kombiniert, und wer immer eine Schwäche<br />

hat für kalifornische Sounds à la SOCIAL DISTORTION,<br />

US BOMBS oder GENERATORS, der ist bei OXXON auch<br />

nicht schlecht beraten. Genug der Worte, selber hören –<br />

„4ME2BE“ gibt’s auf der Ox-CD. (7) Joachim Hiller<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

OBSKURIA<br />

Burning Sea Of Green<br />

LP | World In Sound | worldinsound.com | 45:54<br />

|| Das 2007 erschienene Debütalbum „Discovery Of Obskuria“<br />

kam mit einem düsteren Background daher, war<br />

fast ein Konzeptalbum, erzählte eine Geschichte, war mit<br />

der Beigabe <strong>von</strong> Peter <strong>Thomas</strong> musikalisch schon vorab<br />

geadelt. Die Aufnahmen für das neue Album „Burning<br />

Sea Of Green“ entstanden kurz vor dem Festival auf der<br />

Burg Herzberg im Juli 2008, wo die Band ihr erstes Konzert<br />

gespielt hat. Das Line-up bestreiten Tom Brehm und<br />

Chino Burga (Gitarren), Carlos Vidal (Bass), am Schlagzeug<br />

Enrique de Vinatea – diese drei sind auch LA IRA DE DIOS<br />

–, Sandra Disterhöft (Organ), Matthias Schäuble und Murielle<br />

Stadelmann (Gesang). Die meisten Stücke auf „Burning<br />

Sea Of Green“ sind „One-takes“. Die Frische der Aufnahmen<br />

resultiert aus dem Sessioncharakter der Aufnahmesituation<br />

und der inspirierten Zusammensetzung der<br />

Band. Diese Mischung wird angereichert durch die spektakulären<br />

Gesangspassagen <strong>von</strong> Murielle Stadelmann, die<br />

/DvDS<br />

richtung sowie ihrer Kinder und Enkel und heutigen Protagonisten<br />

geglückt ist. Ein sehenswerter Film, der auf einer<br />

zweiten DVD durch reichlich Bonusmaterial ergänzt wird.<br />

(10) Joachim Hiller<br />

BLANK GENERATION<br />

DVD | MVD | mvdb2b.com | 78:00 || In der Frühzeit<br />

des Punk entstanden einige Filme, die <strong>von</strong> der Faszination<br />

„normaler“ Regisseure für diese Subkultur zeugen,<br />

und dazu gehört auch „Blank Generation“, ein Film,<br />

in dem Richard Hell die Hauptrolle spielt und der nach<br />

dem 1977er Debüt-Album seiner Band RICHARD HELL<br />

& THE VOIDOIDS benannt ist, bzw. nach dem titelgebenden<br />

Song. Dieser Song ist übrigens auch vielfach im Film<br />

zu hören – so oft, dass man sich fragt, ob Hell keine anderen<br />

Songs geschrieben hat. Die „Handlung“ des Films ist<br />

schnell erzählt: Richard Hell spielt den New Yorker Punkmusiker<br />

Billy, der <strong>von</strong> der komplett überstyleten französischen<br />

TV-Reporterin Nada (gespielt <strong>von</strong> Carole Bouquet,<br />

die kurz darauf als Bond-Girl vor der Kamera stand)<br />

interviewt werden soll. Natürlich werden die beiden ein<br />

Paar, sie hassen und sie lieben sich, und irgendwie sieht<br />

man den beiden bei verschiedenen Aktivitäten zu, es gibt<br />

Dialoge, es gibt Konzertmitschnitte der Voidoids aus dem<br />

CBGB’s, Film-Koproduzent Andy Warhol sitzt in einer<br />

fiktiven Interviewszene vor der Kamera, und man stellt<br />

irgendwann fest, dass in diesem Film wirklich nichts passiert.<br />

Sein Wert liegt in den dokumentarischen Aufnahmen<br />

<strong>von</strong> Hell und den VOIDOIDS, dem schmuddeligen<br />

New York des Jahres 1978, denn auch wenn der deutsche<br />

Regisseur Ulli Lommel in Sachen brauchbarer Handlung<br />

nichts zustande gebracht hat, so stimmen doch die professionelle<br />

gefilmten Bilder. Als Bonus-Feature gibt es ein langes<br />

Interview <strong>von</strong> Luc Sante mit dem mittlerweile 60 Jahre<br />

alten Richard Hell, das sich lohnt. Joachim Hiller<br />

CAN’T TAKE IT WITH YOU WHEN YOU DIE!<br />

DVD | myspace.com/cant-take-it-with-you || Ein<br />

Brief des Filmemachers Nicolas Drolc selbst ist alles, was<br />

mir als Info zu dieser dreiviertelstündigen DVD vorliegt,<br />

und auch das Internet ist keine besonders ergiebige Quelle,<br />

um nähere Hintergrundinformationen zum Schaffen des<br />

in Brüssel beheimateten Drolc zu erhalten. Dies mag daran<br />

liegen, dass der Besagte laut MySpace-Profil gerade mal 23<br />

Jahre jung ist und, abgesehen <strong>von</strong> ersten kleinen Fingerübungen<br />

(Videoclips für Reverend Beat-Man und King<br />

Automatic), bislang noch über eine recht jungfräuliche<br />

Vita zu verfügen scheint. Um so beachtlicher, was Drolc<br />

hier nun als immerhin halbwegs abendfüllendes Erstlingswerk<br />

vorlegt, nämlich eine schicke kleine Dokumentation<br />

über das Werk zweier tief <strong>von</strong> der (Roots-)Countryund<br />

Blues-Kultur inspirierter, miteinander befreundeter<br />

Künstler: des aus Denver stammenden Gospel-Trash-Barden<br />

Reverend Deadeye und der Aachener Illustrator Christoph<br />

Mueller. Als Aufhänger dient hierbei ein <strong>von</strong> Mueller<br />

am 8. Mai 2009 im AZ Aachen für Ersteren arrangiertes<br />

Konzert. Atmosphärisch dichte Live-Mitschnitte der<br />

schweißtreibenden, hochenergetischen Bühnenshow des<br />

Reverends (offensichtlich so etwas wie ein <strong>von</strong> sämtlichen<br />

nur denkbaren unheiligen Dämonen heimgesuchter<br />

Seelenbruder Mojo Nixons) werden kontrastiert <strong>von</strong><br />

den ausgesprochen filigranen, meist ziemlich düster wirkenden<br />

Tuschezeichnungen Muellers. Dazwischen gibt es<br />

immer wieder Interviewsequenzen zu sehen, in welchen<br />

die beiden charismatischen Männer versuchen Parallelen


an Nansi Nevins erinnern, manchmal sogar an Grace Slick.<br />

OBSKURIA erfindet einen Sound, der eine Brücke zwischen<br />

1970 und 2010 schlägt. Zum ersten Album schrieb<br />

ein Metalhead: „Obskuria takes you back to the days when<br />

music was still music!“ Das kann man auch für das neue<br />

Album unterschreiben. Nur doppelt – so gut, so catchy, so<br />

smart. Bei dem Sound wünscht will man eine Fortsetzung.<br />

Ein wirklich spektakuläres Album und ein Must-have! (9)<br />

<strong>Thomas</strong> <strong>Neumann</strong><br />

OKIESON<br />

Cupboard Full Of Things<br />

CD | Elektrograph | elektrographrecords.com |<br />

48:26 || Die Holländer liefern einen schönen Soundtrack,<br />

um sich in einer dezent abgedunkelten Kneipe<br />

gesteigertem Whiskygenuss hinzugeben und dabei <strong>von</strong><br />

weiten, noch unberührten Landschaften zu träumen, in<br />

denen Staub nicht Allergien verursacht, sondern in Wolken<br />

hinter einsamen Männern herzieht. Männer, die sich<br />

nach Geborgenheit sehnen, denen es aber nicht vergönnt<br />

ist, länger als drei Tage an einem Ort zu verweilen. Die deswegen<br />

Herzen brechen, weil ihr eigenes voller Schmerz<br />

und Sehnsucht ist. Sehnsucht nach Dingen, <strong>von</strong> denen sie<br />

wissen, dass sie unerreichbar sind, deren Spur sie aber dennoch<br />

auf ewig folgen werden. Eigentlich eine durchaus<br />

schöne Platte, die einen gekonnten Mix aus melancholischer<br />

Schwermut und Abenteuerlust verbreitet. Wenn die<br />

Songs für sich alleine stehen, gefällt mir das jedoch besser,<br />

als das Album im Gesamtdurchlauf zu hören. In letztem<br />

Falle fehlt es dann doch ein wenig an Abwechslungsreichtum,<br />

– jeder Ansatz, mal ein wenig Tempo in die Angelegenheit<br />

zu bringen, wird leider doch wieder in Whisky<br />

ertränkt. (7) Claus Wittwer<br />

OH NO ONO<br />

Eggs<br />

CD | Leaf Label | theleaflabel.com | 49:58 || Ein<br />

neuer Stern am Pop-Himmel: OH NO ONO aus Dänemark.<br />

Für ihr Debütalbum „Eggs“ haben sich die fünf neun<br />

Monate Zeit gelassen und in einem kleinen Landhaus auf<br />

der Insel Møn alles ausprobiert, Rückwärtsloops, Holzbläser,<br />

Außenaufnahmen aus der Inselumgebung, eine mit<br />

Wasser gefüllte Tonne als Perkussioninstrument oder Choraufnahmen<br />

aus einer Kirche. Lediglich das zehnminütige<br />

Schlussstück „Beelitz“ wurde in dem gleichnamigen ehemaligen<br />

deutschen Militärhospital aufgenommen. Herausgekommen<br />

sind zehn wunderbare Titel zwischen Pop,<br />

Progrock und ziemlich oft klingen OH NO ONO ähnlich<br />

wie die CARDIACS. Zwar sind OH NO ONO nicht ganz<br />

so hektisch und haben auch nicht so viele Tempo- und<br />

Rhythmuswechsel, aber wer das etwas opulente CARDI-<br />

ACS-Album „Heaven Born And Ever Bright“ mag, wird<br />

auch an „Eggs“ gefallen finden, wobei einige orchestrale<br />

Momente gerade noch den PET SHOP BOYS ausweichen<br />

können. Die Erstauflage der CD kommt mit einem<br />

20-seitigen Booklet und einem Pappschuber. Mein Favorit<br />

auf „Eggs“ heißt „Helplessly young“ und klingt wie eine<br />

Mischung aus B-52’s und Billy Idols „White wedding“. (7)<br />

Kay Werner<br />

ppp<br />

PADDY & THE RATS<br />

Rats On Board<br />

CD | Alexandra | alexandra.hu | 47:36 || Celtic-<br />

Rock aus Ungarn und gar nicht mal schlecht. 15 Mal lassen<br />

Paddy und sein Ratten ganz im Sinne der großen Vor-<br />

in dem, was sie antreibt, zu ziehen und sie in charmanter<br />

Manier Auskunft über die ökonomischen und mentalen<br />

Fährnisse geben, die so eine einsame Vagabunden- und<br />

Künstlerexistenz mit sich zu bringen vermag. „Can’t Take<br />

It With You When You Die!“ ist ein sympathisches Wohlfühlfilmlein<br />

eines talentierten Nachwuchsregisseurs, dessen<br />

Namen man sich merken sollte und welches ich jedem<br />

an guter, authentischer „Roots Music“ interessierten Menschen<br />

ans Herz legen mag. Dieses gelungene Debüt wird<br />

übrigens auch im Beisein der beiden Protagonisten am 22.<br />

April im Berliner Eiszeit-Kino aufgeführt. Ben Bauböck<br />

Adam Dubin<br />

DROP DEAD ROCK<br />

DVD | MVD | mvdb2b.com | 93:00 || Es hat auch bei<br />

mir funktioniert: Groß „Adam Ant“ und „Debbie Harry“<br />

aufs Cover schreiben und schon denkt man, so schlecht<br />

könne der Film ja gar nicht sein. Oh doch, kann er. Was<br />

Adam Dubin da 1995 gedreht hat, ist eine zähe 90-Minuten-Rock-Klamotte,<br />

deren Geschichte in der Hälfte der<br />

Zeit hätte erzählt sein können, und dann hätte sie wenigstens<br />

noch etwas Tempo gehabt. Eine mit „erfolglos“ noch<br />

überschwänglich beschriebene Rockband aus Suburbia<br />

namens HINDENBURG kommt auf die grandiose Idee,<br />

ihr Rock-Idol Spazz-O zu entführen, um damit die eigene<br />

Karriere zu erzwingen. Dumm nur, dass Spazz-O, gespielt<br />

<strong>von</strong> Ian Maynard, ein abgehalftertes Arschloch ist, an dessen<br />

Wohlergehen dessen Manager (Adam Ant) nichts mehr<br />

gelegen ist – an seinem Restvermögen aber sehr wohl.<br />

Dummerweise lenkt die Entführung wieder das Medieninteresse<br />

auf Spazz-O, sein Marktwert steigt, BLONDIEs<br />

Deborah Harry darf die skrupellose Medienunternehmerin<br />

Thor Sturmundrang spielen (Merke: Deutsch klingende<br />

Namen wirken immer total evil rocknrollig ...), und<br />

ja ... irgendwie stolpert die Handluung in der Kulisse steriler<br />

New Jersey-Vorort-Einkaufszentren dann so vor sich<br />

hin. Eine „lustige“ Szene jagt die andere, das Ganze wirkt<br />

wie das kopflose Unterfangen einer Laienspielschar, und<br />

einzig und allein Adam Ant und Debbie Harry schaffen es,<br />

so halbwegs ihre Würde zu wahren. Auch der Soundtrack<br />

mit L.E.S. STITCHES, WARRIOR SOUL, BRACKET und<br />

anderen reißt hier nichts raus. (3) Joachim Hiller<br />

JUDAS & JESUS<br />

DVD | Inkartoons | judasandjesus.com | 15:00 ||<br />

Ob „Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und<br />

Medien“ jemals zu sehen bekommen hat, für was für einen<br />

wundervollen Schweinkram er hier Geld locker gemacht<br />

hat? Ich schätze nicht. Besser so, denn jetzt ist dieser laut<br />

seiner Macher Olaf Encke und Claudia Romero „am meisten<br />

illegal downgeloadene Kurzfilm der Welt“ schon in selbiger<br />

und lässt sich nicht mehr vestecken. Die Story, die<br />

hier in bunten Comic-Bildern erzählt wird, ist uralt: Jesus<br />

nervt schon in der Schule, Judas, der kleine Teufel, ist angepisst<br />

<strong>von</strong> dessen Gutmenschelei, auf die auch noch die geile<br />

Maria Magdalena hereinfällt und später auch all die anderen<br />

Schafe, denn ja, in jener Tierrasse sind hier alle Akteure<br />

dargestellt. Aber es kommt der Tag der Rache, Judas darf<br />

Maria poppen und entsorgt Jesus an jenem bekannten<br />

Holzbalken und die blöde Nervensäge hat endlich bekommen,<br />

was ihr zustand. Der nur 15 Minuten laufende Film<br />

ist untermalt mit Musik der METEORS, die ganze Bildsprache<br />

ist recht rocknrollig, die Darstellung der Akteure und<br />

ihrer Sexualorgane sehr explizit, doch so einen Film gleich<br />

als „blasphemisch“ darzustellen, wie das <strong>von</strong> offizieller<br />

Seite aus versucht wird, ist doch etwas übertrieben. Und<br />

vielleicht sollte man ja einfach vorher genauer hinschauen,<br />

wofür man Geld ausgibt. Jetzt ist es zu spät, hihihi. (10)<br />

Joachim Hiller<br />

bilder, den frühen POGUES, dem geneigten Hörer keine<br />

ruhige Minute. Der erste Track „The six rat rovers“ bietet<br />

gleich das gesamte Spektrum der charakteristischen Instrumentierung,<br />

Eingängigkeit und Trinkfestigkeit. Denn<br />

genau diese zieht sich wie ein „blauer“ Faden durch 13<br />

eigene und zwei fremde Kompositionen respektive Traditionals<br />

(„Drunken sailor“, „Bully in the alley“). Das pirateske<br />

Coverdesign spricht die gleiche Sprache, also bester<br />

„Pub’n’Roll“ (Punk!) angereichert mit ein wenig<br />

„Freedom“. Der Opener ist wirklich klasse und bleibt bis<br />

zum Ende hin spannend. Auch im Laufe des Albums blitzen<br />

immer wieder kleine Hits auf. „Fuck you I’m drunk!“<br />

zum Beispiel, das in traditionell balladesker Art, vom seelischen<br />

Zerbrechen historisch überlieferter Kriegserlebnisse<br />

berichtet. Das Fahrwasser der POGUES wird nur selten verlassen,<br />

wer also Aha-Erlebnisse sucht: Fehlanzeige. Hier<br />

ein wenig poppiger Punkrock à la GREEN DAY („Hurry<br />

home“), da etwas Rock’n’Roll („Bang!“) schließlich aber<br />

immer wieder Molly, McKenzies, Murphys. Auch wenn in<br />

diesem Genre keine Überraschungen geschehen werden,<br />

so sehr freut man sich doch über – guten – Zuwachs, zumal<br />

aus östlichen Gefilden. Stießen aus Down Under erst kürzlich<br />

THE GO SET erfolgreich in See, so werden auch Paddys<br />

Rats zum Szene-Inventar avancieren. Die Aufmachung,<br />

inklusive aller Texte, gefällt und live könnte ich mit gut<br />

vorstellen, dass das trinkfreudige Sextett keine Gefangenen<br />

machen wird, oder doch? Piraten! (7) Lars Weigelt<br />

THE PEACOCKS<br />

After All<br />

CD/Digital | People Like You | peoplelikeyourecords.de<br />

| 40:59 || Neues und erfrischendes Material<br />

vom eidgenössischen Zappel-Trio. Erfrischend deshalb,<br />

weil das hier Dargebotene<br />

zum einen eine<br />

unerwartete Steigerung<br />

zu den sehr soliden Vorgängern<br />

(unter anderem<br />

„Gimme More“, Review<br />

#78) darstellt und zum<br />

anderen den Punkabilly-Horizontgehörig<br />

erweitert. Die klassischenPEACOCKS-Stücke<br />

fehlen hier selbstverständlich<br />

nicht („Not listening“,<br />

„Love/trouble“<br />

und „You don’t always want what you get“), aber cleaner<br />

1950er-Rockabilly und Midtempo sorgen für Abwechslung<br />

und schaffen zwischen all den hektischen Standup-<br />

Bass-Attacken, gepaart mit schneidigen Riffs und straighten<br />

Drums, hörenswerte Ruhepausen. Das ergibt auf der<br />

CD-Version 15, auf Vinyl und digital ganze 16 eigene Stücke,<br />

<strong>von</strong> denen mir drei einfach nicht mehr aus dem Ohr<br />

gehen wollen. „Lean on me“ besitzt unglaubliche Hitqualitäten<br />

mit garantierter Dauerrotation in den einschlägigen<br />

Clubs: supermelodiös, schnell und angenehm hektisch,<br />

schöne Hammondorgel, einprägsamer Refrain mit<br />

tollem Background-Gesang. Das darauf folgende „Not<br />

your man“ ist der vielleicht beste Song, den die drei bisher<br />

abgeliefert haben und ist vielmehr Billy als Rock. Das<br />

groovet und schwingt wie Sau! Die eingängige Hookline<br />

und das unwiderstehliche, relaxte Klackern des Standup-<br />

Basses, ergibt hier eine unbedingte Tanzaufforderung. Ganz<br />

andere Qualitäten bietet hingegen „Better times“: Eine<br />

klassische 1950er-Billy-Ballade mit angestaubtem Charme<br />

und schön schnulzigem Gesang. Ab ins Radio damit! Das<br />

Problem,das den Songs der Schweizer bisweilen anhaftete<br />

– Spannungsverlust – ist ab sofort Geschichte, denn die<br />

neuen Songs werden auch nach dem 20. Hören nicht langweilig.<br />

Wer die Jungs bisher nur mochte, wird sie hierfür<br />

lieben, versprochen. (8) Lars Weigelt<br />

PREYING HANDS<br />

Through The Dark<br />

CD | Contraszt! | diyordie.net | 31:25 || Mit Contraszt<br />

aus Köln ist oben nur eines der fünf beteiligten Labels<br />

genannt, die zusammen den Release dieser kanadischen<br />

Band stemmen. Gleichermaßen beteiligt sind Ruin Nation<br />

aus Bremen, Fight For Your Mind aus Frankreich, Trujaca<br />

Fala aus Polen und Inimical aus Seattle, USA. Solche Split-<br />

Releases sind eine alte Tradition in der D.I.Y.- und Crust-<br />

Szene, und gerade in Zeiten, da es auch für kleine Labels<br />

immer schwieriger wird, ist diese Art des Coop-Releases<br />

sicher eine smarte Sache. PREYING HANDS sind die Nachfolgeband<br />

<strong>von</strong> BALLAST, die sich 2006 auflösten und zu<br />

3/5 unter neuem Namen weitermachten. „Through The<br />

Dark“, ihr <strong>von</strong> Mark Lawson produziertes Album, ist eine<br />

höchst angenehme Angelegenheit: Ich mag rauhe, dunkle<br />

Frauenstimmen ja sowieso, und in Kombination mit treibendem,<br />

druckvollem, melodiösem Hardcore-Punk ist<br />

das eine unschlagbare Sache. PREYING HANDS klingen<br />

schwer nach einer Mischung aus DAG NASTY, DOVER,<br />

GITS, BAMBIX, sind musikalisch allerdings etwas giftiger,<br />

und das gefällt. Sehr schön auch die Ausstattung mit Klappbooklet<br />

aus Recycling-Pappe. (8) Joachim Hiller<br />

PATTERNS<br />

Science Piñata<br />

CD | Altin Village | altinvillage.de | 39:25 || Nach<br />

drei Singles und zwei MCs in geringer Auflage haben es<br />

PATTERNS aus Köln mit ihrem Debütalbum letztlich<br />

geschafft, sich <strong>von</strong> der<br />

Masse eigenwilliger,<br />

deutscher Post-Irgendwas-Bands<br />

zu emanzipieren<br />

und sich ihre<br />

eigene Nische zu schaffen;<br />

eine Entwicklung,<br />

die der Song auf<br />

der Splitsingle mit<br />

FUCKUISMYNAME<br />

schon angedeutet hat.<br />

War ich beim Opener<br />

zunächst etwas da<strong>von</strong><br />

enttäuscht, wie sie ihren<br />

einstigen frickeligen Dancepunk-Sound, der gleichzeitig<br />

etwas chaotisch, aber doch nachvollziehbar war und<br />

einen wahnsinnigen Drive hatte, in eine monotone, <strong>von</strong><br />

Afrobeat-Rhythmen durchzogene Weiterführung dessen,<br />

was Q AND NOT U (ein Vergleich, den wahrscheinlich<br />

niemand mehr hören kann, der aber nichtsdestotrotz<br />

auf der Hand liegt) auf ihrem letzten Album angefangen<br />

hatten, umgewandelt haben, bin ich ob der mutigen<br />

musikalischen Entwicklung und Hits wie „Diamond<br />

life“ oder dem großartigen „Principle of touch“ mittlerweile<br />

sehr angetan. So hat man es hier mit reichlich GANG<br />

OF FOUR-Gitarren und -Momenten zu tun, einer teils<br />

sehr hohen Gesangslage und vom Bass gesteuerten Songs,<br />

in denen sich als roter Faden die monotone Rhythmik, der<br />

Willen, den selben – wenn auch teils etwas vertrackteren –<br />

Beat auch mal ein wenig länger als ein paar Takte durchzuhalten<br />

durchzieht. Ein originäres Konzept, konsequent auf<br />

Albumlänge verwirklicht, das eigenwilligen, fast immer<br />

tanzbar bleibenden Partysound beschreibt, der zumindest<br />

hierzulande relativ einzigartig ist und <strong>von</strong> Guido Lucas<br />

vorzüglich in Szene gesetzt wurde – mag man oder mag<br />

man nicht. (8) Andreas Krinner<br />

PULLOUT<br />

Eagles & Vultures<br />

CD | Razorblade | razorblade-music.com | 22:50 ||<br />

Sicher ist es niemals falsch, seine musikalischen Wurzeln zu<br />

zitieren und schnörkelloser HC/Punk, der klingt wie frisch<br />

aus den Achtzigern, ist immer sympathischer als nerviges<br />

Metal-Riffing. Dass technisches Handwerk nicht alles<br />

ist, beweisen PULLOUT aus Kalifornien leider auf diesem<br />

Album, das klingt, als hätte es schon gute 20 Jahre auf<br />

dem Buckel – allerdings ohne besonderen Wiedererkennungswert.<br />

Die zwölf Lieder knüppeln (oder plätschern)<br />

so dahin, klingen nett, aber wirklich gebraucht hat man’s<br />

nicht. (5) Sebastian Banse<br />

EMMA POLLOCK<br />

The Law Of Large Numbers<br />

CD | Chemikal Underground | chemikal.co.uk |<br />

41:26 || Mit „Watch The Fireworks“ hatte Emma Pollock,<br />

Gründungsmitglied und Sängerin der schottischen<br />

Band DELGADOS, vor zwei Jahren ein beachtliches Debüt<br />

abgeliefert. Jetzt ist sie quasi wieder an den heimischen<br />

Herd zurückgekehrt und veröffentlicht ihr zweites Album<br />

beim renommierten Glasgower Label Chemikal Underground,<br />

wo auch das finale DELGADOS-Album erschien.<br />

Von denen hat sie auf jeden Fall das leicht sperrige Songwriting<br />

übernommen, in das sich dann wie in dem tollen<br />

„I could be a saint“ ein wunderschöner Refrain einfügt.<br />

Nicht der einzige Song, der „The Law Of Large Numbers“<br />

insgesamt zu einem durchweg gelungenen Pop-<br />

Album macht, allerdings eines, das nicht um vordergründige<br />

Eingängigkeit bemüht ist, und das deutlich „dunkler“<br />

als „Watch The Fireworks“ ausfällt, aber ähnlich modernisierte<br />

Folk-Tendenzen besitzt. Und auch stilistisch passiert<br />

hier sehr viel, angefangen bei dem instrumentalen Klavier-Intro<br />

oder dem fünften Song „Nine lives“ mit seinem<br />

Dixieland-Jazz-Einfluss, wobei sich Pollock insgesamt eher<br />

einer Neo-Klassik-Instrumentierung mit Streichern und<br />

Klavier bedient. Profaner Indierock ist „The Law Of Large<br />

Numbers“ nicht, was nicht heißt, dass Gitarre und Schlagzeug<br />

nicht auch starke Akzente setzen würden. Eine faszinierende<br />

Stimme hatte Pollock schon immer, aber auch als<br />

Songwriterin wirkt sie diesmal deutlich fokussierter und<br />

selbstsicherer. Man wird in diesem Jahr sicher noch den<br />

einen oder anderen Indierock-Insel-Hype ertragen müssen,<br />

„The Law Of Large Numbers“ ist da mein persönlicher<br />

Fels in der Brandung, ein durchweg gelungenes Album. (8)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

POPPERKLOPPER<br />

Was lange gärt, wird endlich Wut<br />

CD | Nix Gut | nix-gut.de | 42:31 || Mit „Was lange<br />

gärt, wird endlich Wut“ ist den POPPERKLOPPERn ein<br />

ganz großer Wurf gelungen. Die einstige Deutschpunk-<br />

Band hat sich stets weiterentwickelt, was keine Selbstverständlichkeit<br />

ist. Nach 20 Jahren, in denen man so einiges<br />

mitgemacht hat, ist man nun an einem Punkt angelangt,<br />

an dem man ganz oben mitmischen kann. Und das<br />

sogar auch außerhalb des Deutschpunk-Bereichs, denn<br />

auf ihrem aktuellem Album befinden sich beachtliche<br />

zehn Titel in englischer Sprache, nur die restlichen fünf<br />

Deutschpunk. Nicht nur die Band ist in all den Jahren<br />

gereift, sondern auch ihr Sound, sehr abwechslungsreich<br />

gehen POPPERKLOPPER zu Werke. So gibt es einige Songs<br />

im 77er-Gewand, teilweise gespickt mit Rock’n’Roll-Parts.<br />

Aber auch die einfachen und rauhen Deutschpunk-Titel,<br />

wie man sie <strong>von</strong> POPPERKLOPPER kennt, sind vertreten.<br />

Abgerundet wird das Ganze durch ernste und durchdachte<br />

Texte, mit denen jeder Punker etwas anzufangen weiß. Als<br />

Extra wurde auf das Album auch noch ein kleiner Konzertmitschnitt<br />

vom Resist to Exist Festival gepackt. Doch das ist<br />

noch nicht alles, auch das gesamte Artwork und vor allem<br />

das Booklet wissen zu gefallen. Hier heißt es zuschlagen.<br />

(9) Sven Grumbach<br />

PRIESTESS<br />

Prior To The Fire<br />

CD | Tee Pee | teepeerecords.com | 46:21 || Zweites<br />

Album der Kanadier, die sich einem Sound verschrieben<br />

haben, der tief im klassischen Hard Rock der Siebziger<br />

verwurzelt ist. Da bleibt es natürlich nicht aus, dass hin und<br />

wieder starke Erinnerungen an Größen wie BLACK SAB-<br />

BATH und LED ZEPPELIN (inklusive deren hippieesker<br />

Attitüde) aufkommen. Das Ganze wird dermaßen locker<br />

aus der Hüfte geschossen, dass einem vor Begeisterung<br />

beinahe die Luftgitarre aus der Hand fällt. Wer jetzt mutmaßt,<br />

dahinter könnten sich die zweiten BARONESS verstecken,<br />

liegt so falsch sicherlich nicht, allerdings verzichtet<br />

man auf das Schielen in Richtung Doom und Noise, so<br />

dass der puristische Rocksound bleibt, den ganz besonders<br />

die Schlaghosen-Fraktion verehren wird, der wiederum<br />

der Kauf dieser Platte ans Herz gelegt sei. (8) Jens Kirsch<br />

PULL A STAR TRIP<br />

E-Vasion Inn<br />

CD | Playground | playgroundmusic.com || PULL A<br />

STAR TRIP sind eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen<br />

Emo/Pop-Punk-Szene. Wo andere Bands versuchen,<br />

dem klischeereichen US-Emo-Mainstream nachzueifern<br />

oder sich nach und nach einfach in Luft auflösen,<br />

gehen PAST konsequent ihren Weg fernab <strong>von</strong> Trends<br />

und Indie-Hypes. PAST besinnen sich auf das Wesentliche:<br />

Gutes Songwriting und eingängige Melodien. Mit<br />

„E-Vasion Inn“ machen PAST da weiter, wo sie mit ihrem<br />

Debütalbum „An Internship In Optimism“ aufgehört hatten,<br />

nur dass sie in Sachen Gesang und Produktion noch<br />

einen drauflegen. Was bei anderen Bands irgendwie aufgesetzt<br />

wirkt, klingt bei PAST erfrischend echt. Man merkt<br />

ihnen die Spielfreude einfach an. Dass man dabei das Rad<br />

nicht neu erfindet, ist klar und auch gut so: „E-Vasion Inn“,<br />

das ist Akustik-Wohlfühl-Emo/Pop-Punk mit vereinzelten<br />

Screamo-Momenten, der heutzutage schon fast nostalgisch<br />

klingt. Im positiven Sinne, versteht sich. Da kommt es<br />

auch nicht <strong>von</strong> ungefähr, dass sich Jeff Claudill <strong>von</strong> GAME-<br />

FACE/MARCH als Gastsänger auf dem Song „Starvinggeisha.net“<br />

einfindet. Als Gastmusiker ebenfalls mit dabei<br />

sind diesmal Jörg Ahrens und Max Schreiber <strong>von</strong> DAYS IN<br />

GRIEF. Dass PAST dereinst auch schon mal im legendären<br />

CBGB’s gespielt haben, was für eine deutsche Band auch<br />

nicht gerade selbstverständlich ist, sei hier nur als Fußnote<br />

erwähnt. Wer jetzt noch zweifelt, der sollte sich einfach<br />

mal den Song „L.A. travel guide“ anhören. (8)<br />

Robert Buchmann<br />

OX-FANZINE 103


EvIEws<br />

OX-FANZINE 104<br />

THE PICTUREBOOKS<br />

Artificial Tears<br />

CD | Nois-O-Lution | noisolution.de<br />

| 40:25 || Okay, der Plan in Gütersloh<br />

sieht folgendermaßen aus: drei Alben in<br />

drei Jahren. Marketingtechnisch vielleicht<br />

nicht der cleverste Schachzug, aber den Fan<br />

<strong>von</strong> krachorientierter, eruptiver, wütender<br />

aber dennoch smarter Rockmusik, mit<br />

Tendenz zur Tanzfläche, freut es. Besonders<br />

weil „Artificial Tears“ noch einmal ein<br />

ganzer Schritt nach vorne ist. Im Vergleich<br />

zum letztjährigen Debüt „List Of People To<br />

Kill“ ist das neue Album wesentlich ausgefeilter<br />

und durchdachter ausgefallen.<br />

Man könnte sagen, das Songwriting ist reifer<br />

geworden, aber reif ist ein Wort, das nur<br />

gebraucht wird, wenn einem nichts Vernünftiges<br />

einfällt. Es klingt zwar nett und<br />

ist wohlwollend gemeint, aber würde den<br />

elf Songs nicht gerecht werden. Besser wäre<br />

darauf hinzuweisen, dass die drei Musiker<br />

es schaffen, mit den Erwartungen zu spielen,<br />

die der Hörer hat, wenn er das Debütalbum<br />

kennt. Will meinen, hier werden<br />

Spannungen aufgebaut, die nicht zwangsläufig<br />

durch den Krach des Vorgängers aufgelöst<br />

werden. Wozu immer gleich mit der<br />

Tür ins Haus fallen, es geht auch anders.<br />

Zumal „Artificial Tears“ nach wie vor genug<br />

Momente besitzt, die einem den Schmalz<br />

aus den Ohren pusten. Insgesamt weniger<br />

wild, aber im Gegenzug nachhaltiger<br />

und mit einer erschreckenden Ideenvielfalt<br />

bewaffnet. Die PICTUREBOOKS beweisen,<br />

dass man nicht immer geradeaus gehen<br />

muss, um auf den Punkt zu kommen. Man<br />

darf gespannt sein, was uns nächstes Jahr<br />

mit Album Nummer drei erwartet. (9)<br />

Lars Koch<br />

RRR<br />

RADIO CITY ROCKERS<br />

s/t<br />

CD | Rundling | myspace.com/radiocityrockers<br />

| 35:33 || Die RADIO<br />

CITY ROCKERS aus Dresden sind ein Projekt<br />

<strong>von</strong> KALTFRONT-, BOTTLES-, PARA-<br />

NOIA- und Ex-FLAMIN’ FRIDGES Mitgliedern<br />

und Stephan <strong>von</strong> Rundling Records.<br />

Ohne große Ansprüche frönen die fünf auf<br />

„Radio City Rockers“ einfach ihren musikalischen<br />

Vorlieben aus den frühen Achtziger<br />

Jahren. Bands wie SPECIALS, GANG OF<br />

FOUR oder CLASH sind hier nicht zu überhören<br />

und zum Teil werden die Vorbilder<br />

nur minimal verändert, aus „Rat race“ <strong>von</strong><br />

den SPECIALS wird so eine Ska-Coverversion<br />

mit einem neuen Text „Club der einsamen<br />

Seelen“, aus „She’s the one“ <strong>von</strong> den<br />

RAMONES wird „Y<strong>von</strong>ne“ und so weiter.<br />

Mir gefallen jedenfalls diese Querverweise<br />

und durch die deutschen Texte fallen<br />

mir dazu sogar MALE und frühe FEHL-<br />

FARBEN ein. Sympathischerweise wird hier<br />

nichts verleugnet und als Partyband eignen<br />

sich RADIO CITY ROCKERS sicherlich<br />

prima, denn Stücke wie „Dispo Beat“ haben<br />

Hitpotenzial und lassen einen vor allem in<br />

musikalischen Erinnerungen schwelgen.<br />

(7) Kay Werner<br />

RAISE THE HUMAN<br />

s/t<br />

CD | Antstreet | antstreet.de | 30:41<br />

|| RAISE THE HUMAN, aus Udine, Norditalien,<br />

spielen durchaus gelungenen Pop-<br />

Punk, dessen zentrale Bestandteile – Melodien,<br />

Gesangslinien, catchy Parts – <strong>von</strong><br />

NEWFOUNDGLORY, FALL OUT BOY<br />

und BLINK-182 inspiriert sind. Deswegen<br />

wirken die elf Songs etwas beliebig, da<br />

diese Musik <strong>von</strong> so unwahrscheinlich vielen<br />

Band gespielt wird, die alle auch <strong>von</strong><br />

den drei genannten Bands beeinflusst sind.<br />

Unter den Kopisten zählen diese drei aber<br />

sicher zu den besseren. (6) Lauri Wessel<br />

REVOLTING COCKS<br />

Got Cock?<br />

CD | 13th Planet | thirteenthplanet.<br />

com | 53:29 || Nur ein Jahr hat Alan<br />

Jourgensen seit dem Release <strong>von</strong> „Sex-O<br />

Olympic-O“ vergehen lassen – es ist offensichtlich,<br />

dass Jourgensen seit dem Ende<br />

<strong>von</strong> MINISTRY 2008 seine ganze kreative<br />

Energie in das einstige Nebenprojekt fließen<br />

lässt. Bei dem hatte er früher freilich<br />

noch Nebenbuhler wie Paul Barker oder<br />

Luc van Acker, doch mittlerweile ist RevCo<br />

wohl zur regulären Hauptband geworden.<br />

Die Fortführung <strong>von</strong> MINISTRY mit<br />

etwas anderen Mitteln also? Könnte man<br />

so sagen. Oder einfach Jourgensens Solotrip<br />

in der ungefähr 25. Runde? Auch das trifft<br />

es ziemlich genau. Ob ich allerdings diese<br />

krawallige Veranstaltung in der aktuellen<br />

Version ernsthaft gut finden kann, ist eine<br />

andere Sache. Ja, ich mag Jourgensen, seine<br />

provokante Art, sein kompromissloses Vorgehen,<br />

doch im Vergleich zum meisterhaften<br />

„Cocked And Loaded“ <strong>von</strong> 2006 wirkt<br />

„Got Cock?“ ziemlich zusammengeschustert,<br />

haben die Texte <strong>von</strong> „Filthy Senoritas“,<br />

„Juice“ („I’m Scheiße ... You’re Scheiße“)<br />

oder „Fuck money“ eine (unfreiwillig?)<br />

komische Note, sind eher pubertäres Gepöbel<br />

als smarter Kommentar. Und musikalisch<br />

gibt’s auch eher B-Ware – Alan, das<br />

kannst du besser. (5) Joachim Hiller<br />

REVERENDS<br />

s/t<br />

MCD | myspace.com/diereverends |<br />

14:01 || Einigen sind die REVERENDS<br />

vielleicht schon <strong>von</strong> der Ox-Compilation<br />

#86 bekannt, auf der ihr Song „Tribute“<br />

zu hören war. Meiner Meinung nach keine<br />

gute Wahl, da „Tribute“ auf der EP gesanglich<br />

wie instrumental am schlechtesten<br />

abschneidet, auch wenn er dem Punkrock<br />

gewidmet ist, in dem die Ehrwürdigen<br />

ihr zu Hause gefunden haben. Die restlichen<br />

vier Songs kann man sich weitaus besser<br />

anhören. Einfacher Punkrock, Back-up<br />

Vocals, die nach NOFX durchaus radiotauglich<br />

wären, und nette Lyrics machen die<br />

Band aus. Teilweise erinnert ihr Stil stark<br />

an AVAIL. Auf einem Festival mit einem kühlen Bier in der<br />

Hand lohnt es sich bestimmt, die Jungs live zu sehen, mehr<br />

muss es für mich aber auch nicht sein. (6) Judith Richter<br />

RETRIBUTION GOSPEL CHOIR<br />

2<br />

2CD | Sub Pop/Cargo | subpop.com | 33:51 || Das<br />

zweite, simpel als „2“ betitelte Album <strong>von</strong> Alan Sparhawk<br />

unter dem Namen RETRIBUTION GOSPEL CHOIR. Besser<br />

bekannt ist der Herr <strong>von</strong> seiner anderen Band LOW,<br />

mit denen RGC allerdings nicht allzu viele Gemeinsamkeiten<br />

aufweisen. So richtig weiß man allerdings immer<br />

noch nicht, wohin Sparhawk mit RGC eigentlich will, die<br />

auch hier wieder einen fast schon hardrockigen dichten<br />

Gitarrenteppich produzieren, der im ersten Song „Hide it<br />

away“ als U2-Hommage durchgehen könnte (sicherlich<br />

der Hit der Platte), überwiegend aber das Feld <strong>von</strong> 70sund<br />

Roots-Rock beackert. Eine durchaus ansprechende,<br />

atmosphärische Angelegenheit, wenn das Songmaterial<br />

auf „2“ doch etwas mehr Substanz besäße, das oft über<br />

die reine Zelebration mächtiger Gitarrenriffs hinaus nicht<br />

allzu viel zu bieten hat. Mal wieder meckern auf hohem<br />

Niveau, denn an sich gibt es hier einige wirklich herausragende<br />

Songs, bei denen RGC ein recht eigenwilliges<br />

Gemisch aus Stoner-Rock und Powerpop brauen, was bei<br />

den episch ausgewalzten Songs „Electric guitar“ oder „Poor<br />

man’s daughter“ besonders schön zu Geltung kommt. Beim<br />

nächsten Mal vielleicht doch lieber eine EP, dann könnte<br />

man mit ruhigem Gewissen <strong>von</strong> „All killer, no filler“ sprechen.<br />

(6) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

RED SPAROWES<br />

The Fear is Excruciating,<br />

But Therein Lies the Answer<br />

CD | Conspiracy/Cargo | conspiracyrecords.com ||<br />

Ich habe RED SPAROWES früher Unrecht getan, als ich sie<br />

wegen der NEUROSIS/Neurot-Labelmate-Konstellation<br />

und der Position <strong>von</strong><br />

Bryant Clifford Meyer als<br />

Keyboarder <strong>von</strong> ISIS eher<br />

als Band aus der zweiten<br />

Reihe, als eine Art Seitenprojekt<br />

wahrnahm.<br />

Ein unglaublicher, mitreißender<br />

Auftritt auf<br />

dem Roadburn-Festival<br />

war es, der mich da<strong>von</strong><br />

überzeugte, dass diese<br />

Formation den dienstälteren<br />

ISIS und NEURO-<br />

SIS ebenbürtig ist, ja das<br />

Zeug dazu hat, diese zu überrunden. Das dritte Album „The<br />

Fear is Excruciating, But Therein Lies the Answer“ beweist<br />

das nun ungeheuer eindrucksvoll. Man hat in letzter Zeit<br />

nicht wenige Bands mit so einem soundscapehaften Breitwand-Sound<br />

gehört und gesehen, war und ist immer wieder<br />

beeindruckt, doch erkennt auch, dass sich eine gewisse<br />

Ermüdung einstellen kann, wenn nur Standards abgespult<br />

werden zwischen laut und leise. RED SPAROWES<br />

nun beweisen, dass die Unterschiede im Detail liegen, dass<br />

Meyer und seine vier Begleiter es besser als andere beherrschen,<br />

unter die Haut gehende, düstere, monumentale<br />

Klänge zu erzeugen, die dramatisch und doch nicht plump<br />

bombastisch, detailreich, aber nicht frickelig-verspielt<br />

sind. Damit erzeugen sie eine Stimmung, die im Gegensatz<br />

zu Genrenachbarn eher euphorisch ist, wirken ihre Kompositionen<br />

stimmungsaufhellend und nicht wie Downer.<br />

Acht Songs finden sich auf dem Longplayer, und die sollen,<br />

so heißt es, eher als einzelne Werke denn als monolithischer<br />

Albumblock wahrgenommen werden. Ein meisterliches<br />

Album für die Tage, an denen einem nicht nach<br />

simplen Drei-Akkord-Smashern zumute ist. (9)<br />

Joachim Hiller<br />

JACK ROSE<br />

Luck In The Valley<br />

CD | Thrill Jockey | thrilljockey.com | 37:04 || Im<br />

Dezember letzten Jahres starb der Gitarrist Jack Rose mit<br />

38 Jahren an einem Herzinfarkt und die wenigsten werden<br />

wahrscheinlich mitbekommen haben, dass es ihn gab,<br />

auch wenn er mal bei der langlebigen Experimentalband<br />

PELT maßgeblich beteiligt war. „Luck In The Valley“ ist sein<br />

letztes Album und wird ebenfalls kaum ein größeres Publikum<br />

ansprechen. Es ist ein akustisches, rein instrumentales<br />

Neo-Folk-Album, größtenteils <strong>von</strong> Rose im Alleingang<br />

eingespielt, ergänzt durch andere Saiteninstrumente<br />

oder ein wenig Piano, allerdings völlig auf Schlagzeug<br />

verzichtend. Wenn man Folk, Country oder Bluegrass in<br />

einen eher experimentellen Kontext stellen möchte, dann<br />

dürfte „Luck In The Valley“ dafür ein gutes Beispiel sein,<br />

eine grundsätzlich traditionelle Angelegenheit, die aber<br />

ebenfalls durch die monotone Wiederholung bestimmter<br />

Elemente an den Drone-Folk <strong>von</strong> SIX ORGANS OF<br />

ADMITTANCE erinnert oder CURRENT 93. Die Musik<br />

<strong>von</strong> Rose findet dabei in einem seltsamen Zwischenstadium<br />

stat: Einerseits könnte man ihn aufgrund seines zu<br />

den Ursprüngen dieser Gattung zurückgehenden Materials<br />

für einen klassischen Folkgitarristen halten, andererseits<br />

findet hier auch eine dissonante Brechung bestimmter<br />

Traditionsmusik statt. „Luck In The Valley“ ist gleichermaßen<br />

beklemmend düster und verspielt melodisch, ein seltsames,<br />

dennoch sehr schönes Album, dessen großer Reiz<br />

vor allem in seiner oft improvisiert wirkenden stilistischen<br />

Offenheit liegen dürfte. (7) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

REFLECTOR<br />

Pass<br />

CD/LP | Noiseappeal | noiseappeal.com | 40:55 ||<br />

Das österreichische Urgestein REFLECTOR (erstes Demo<br />

kam anno 1998) legt mit „Pass“ sein drittes volles Album<br />

vor. Darauf zu hören gibt es sludgige, stark Metal-infizierte<br />

Musik, die irgendwie noiserockig ist, dabei aber wiederum<br />

zu sauber und zu weitläufig ausfällt, um offensichtlich<br />

Vergleiche mit zum Beispiel THE JESUS LIZARD oder<br />

LIGHTNING BOLT anzuregen. Das Grazer Duo scheint<br />

mit seinem Metal-Sound und der klaren Strukturiertheit<br />

eine eigene kleine Nische im Noise-Kosmos gefunden zu<br />

haben, in dem sie es sich jetzt lautstärkeintensiv gemütlich<br />

machen. Unbarmherzig und wuchtig wühlt sich das<br />

Duo, mit Gitarre und Schlagzeug bestückt, durch acht massiv<br />

schwerfällige Stücke, die zum größten Teil rein instrumental<br />

und höchst repetitiv sind. Der Sound ist ein bisschen<br />

knurrig, aber dick, die Songs sind zäh, aber rund.<br />

Auch obwohl im Gesamtkontext irgendwie der Knackpunkt<br />

fehlt, das intensive Aha-Erlebnis ausbleibt, geht diese<br />

Scheibe im Großen und Ganzen in Ordnung.<br />

Konstantin Hanke<br />

RAGNAROK<br />

Collectors Of The Kings<br />

CD | Regain | regainrecords.com | 38:00 || Mann,<br />

wer raucht denn eigentlich so viel im Regain-Büro in<br />

Schweden? Eure CDs stinken wie die Dorfkneipe um die<br />

Ecke. Aber ich denke, das ist alles Promo, alles Marketing,<br />

um den Live-Charakter der Musik zu unterstützen.<br />

Im Falle RAGNAROK ist eine solche Promo-Idee nicht<br />

nötig, denn laut Info sind sie eine der letzten True-Black-<br />

Metal-Bands – und wie recht sie damit haben. Von der ersten<br />

Sekunde an ist Krieg angesagt, in Szene gesetzt (produziert)<br />

<strong>von</strong> „Devo Andersson“ (MARDUK), der kennt sich<br />

nun mal aus mit Krieg. Ob der neue Mann am Mikrofon<br />

„HansFyrste“ (SVARTTJERN) den übermächtigen „Hoest“<br />

(TAAKE) ersetzen kann? Ja, er kann, es klingt anders, aber<br />

gut. Orthodoxer Black Metal, der am ehesten an WATAIN<br />

oder alte SATYRICON erinnert, aufgelockert mit Gitarrenharmonien<br />

und manchmal kommt sogar so was wie<br />

Rock’n’Roll-Feeling auf. Alter BM in einem modernen<br />

Gewand, ohne jedoch zu glatt oder nicht dunkel genug zu<br />

klingen. Die Platte ist schwarze Magie <strong>von</strong> einer Kapelle,<br />

die mich seit dem Debüt „Nattferd“ fesselt. (8)<br />

Andre Moraweck<br />

ROLLERGIRLS<br />

In Heaven Everything Is Fine<br />

CD/Tape | myspace.com/rollergrrrls || Wie schnell<br />

sich Gegensätze anziehen. Als Screamo-Band gegründet,<br />

entschwand ihnen auf einmal der Schreier und so entschlossen<br />

sich die übrigen drei ohne Barde weiterzumachen.<br />

Ein zweiter Gitarrist stieß dazu und fortan verschrieben<br />

sich die Darmstädter dem fein abgestimmten Instrumental-Post-Rock,<br />

als hätten sie nie etwas anderes in<br />

ihrem Leben getan. Dass dieser satte Sound einer D.I.Y.-<br />

Produktion entspringt, hört man ihm nicht an, ebenso<br />

wenig wie die Tatsache, dass Benno Herz, Christian Junglas,<br />

Christoph Forchheim und Nikolai Hildebrandt alle Anfang<br />

20 sind. Unbedingt anchecken! (9) JeNnY Kracht<br />

RADIO DEAD ONES<br />

Berlin City<br />

10“ | XNO | xno.net || Der Gott der Musik schütze<br />

die RADIO DEAD ONES und ihre Liebe zur stilvollen Verpackung.<br />

Das Auge isst mit und Details sind das Salz in der<br />

Suppe. Natürlich sagt<br />

das noch nichts über<br />

die musikalische Qualität<br />

aus. Auch die Tatsache,<br />

dass das Ding auf<br />

500 Stück limitiert ist,<br />

interessiert wohl eher<br />

die Sammler und Nerds.<br />

Cool ist es trotzdem. Und<br />

mal im Ernst, die zehn<br />

Songs sind sowieso über<br />

jeden Zweifel erhaben,<br />

die Jungs haben es einfach<br />

drauf. Mit dem enthaltenem<br />

„Girl like you“, der ersten Aufnahme der Band<br />

überhaupt, wird sogar bewiesen, dass war <strong>von</strong> Anfang an so.<br />

Und auch sonst kann man nicht meckern. Mit „Through<br />

the urban jungle“ und „Dark urban adventure“ gibt es zwei<br />

instrumentale Nummern, die ich den RADIO DEAD ONES<br />

so nicht zugetraut hätte. Die SWINGIN’ UTTERS-Coverversion<br />

„Last chance“ begeistert sowieso, „Berlin City“ gibt<br />

sowohl in einer englischen wie in einer deutschen Version<br />

(wer hätte gedacht, wie gut der Band ihre Muttersprache<br />

steht) und „So true“, der Ausblick auf Album Nummer<br />

zwei, verspricht Großes. Nach wie vor irgendwo zwischen<br />

Glam und Straße, Dreck und Schönheit beziehungsweise<br />

den alltäglichen Hochs und Tiefs. Die RADIO DEAD ONES<br />

begeistern ein weiteres Mal. (9) Lars Koch<br />

RICH TASTE<br />

Evil Taste<br />

CD | Crazy Love/Cargo | crazyloverecords.de | 34:56<br />

|| „Evil Taste“ ist das Debütalbum der Kieler Band RICH<br />

TASTE. Das Quartett spielt melodischen Oldschool-Psychobilly<br />

und Neo-Rockabilly, mit einigen eigenen Ideen.<br />

Der Klapperkasten geht schön nach vorne und vor allem<br />

das Gitarrenspiel ist schön druckvoll. Der Gesang ist sehr<br />

rauh und derb. Er klingt fast nach dem Gesang <strong>von</strong> Combos<br />

wie MESSERSTECHER HERZENSBRECHER. Einige Stücke<br />

wie „Devil’s train“ oder „Gang war“ haben sogar fast Ohrwurmcharakter.<br />

Aber: Es fehlt einfach noch einiges, um die<br />

Band <strong>von</strong> vielen anderen aus diesem Sektor unterscheiden<br />

zu können. Für ein Debütalbum ist das Ganze nicht<br />

schlecht, aber leider auch nicht mehr. (6) Igor Eberhard<br />

RAVEN<br />

Walk Through Fire<br />

CD | Steamhammer/SPV | spv.de | 57:13 || Wie<br />

die Legionen <strong>von</strong> Mallcore-Bands die Hörgewohnheiten<br />

<strong>von</strong> nach wie vor fest an das Gute im Hardcore Glaubenden<br />

verändern, lässt sich an der schönen Anekdote zeigen,<br />

als Ox-Chef Joachim neulich im Ox-Büro nach dem<br />

Hören diverser solcher Micky-Maus-Metal-Bands im<br />

Anschluss nur Positives über RAVEN sagen konnte, und das<br />

als jemand, der Heavy Metal wirklich nur in absoluten Ausnahmefällen<br />

durchwinkt. Aber er hat ja Recht: nach der<br />

Folter mit Musikabfall, der mit Hardcore nur eine völlig<br />

unverdiente Silbe gemein hat, tut ein Anachronismus wie<br />

„Walk Through Fire“ einfach gut. Die beiden Gallagher-<br />

Brüder und der auch schon seit über 20 Jahre zum Lineup<br />

gehörende Drummer Joe Hasselvander (ex-PENTA-<br />

GRAM) machen auf ihrem zwölften Album und nach zehn<br />

Jahren Pause unbekümmert mit dem weiter, womit sie vor<br />

36 Jahren begannen: NWOBHM, mal an der Grenze zum<br />

Speed Metal, mal ganz klassisch hardrockig. Und wenn<br />

selbst Joachim sich am Eierkneifer-Gesang nicht stört,<br />

dann muss das einfach gut sein. (6) André Bohnensack<br />

RADARE<br />

Infinite Regress<br />

LP | Shark Men | myspace.com/sharkmenrecords ||<br />

Hervorgegangen aus den frisch aufgelösten Chaoscorelern<br />

ACTRESS präsentieren uns RADARE auf ihrem Debütalbum<br />

„Infinite Regress“ eine musikalische 180-Grad-<br />

Wende. Wo bei ACTRESS das gewaltige Chaos und infernalische<br />

Brachialität das Geschehen bestimmten, kosten<br />

RADARE den Moment der Ruhe vollkommen aus. Flirrende<br />

Gitarrenteppiche, unterlegt mit einem Hauch elektronischem<br />

Gebliepe bilden ein Fundament, das aufgelockert<br />

wird durch den Einsatz einer Posaune (auch live<br />

beeindruckend gespielt <strong>von</strong> Bassist Matthias Jurisch) sowie<br />

zwar sporadisch, aber dafür umso wirkungsvoller eingesetzten<br />

Vocals und sich gewaltig auftürmenden Riffwänden.<br />

Eine knappe Dreiviertelstunde nimmt man sich Zeit,<br />

um vier Songs zum Besten zu geben, die zwar durchaus<br />

Ähnlichkeiten zu NEUROSIS, RED SPAROWES und ähnlichen<br />

Bands aufweisen, jedoch diese winzige Nuance<br />

Eigenständigkeit besitzen, die genügt, um die Band und<br />

ihre Platte authentisch erscheinen zu lassen. Großartige<br />

Band, großartige Platte! (9) Jens Kirsch<br />

RAFIKI<br />

Ich bremse nicht für Bosse<br />

CD | Rotlicht | rotlichtrecords.de | 44:59 || Das<br />

Debüt-Album <strong>von</strong> RAFIKI aus dem nördlichsten Zipfel<br />

Bayerns erscheint Ende April, mir liegt nur eine nackte<br />

Vorab-Version vor, weshalb an dieser Stelle nur ein knappe<br />

Vorab-Info stehen soll – eine richtige Besprechung gibt’s<br />

im nächsten Heft. Nur soviel: RAFIKI spielen extrem poppigen<br />

Ska-Pop mit exzellenten Bläsersätzen und einem<br />

gewissen Punkrock/Hardcore-Einfluss, aber irgendwie<br />

auch einem verwirrenden NDW-Einschlag. Definitiv<br />

eine ungewöhnliche, interessante Kombination, und dazu<br />

kommen smarte, kritische Texte – schon der Albumtitel<br />

macht klar, dass man eine klare Meinung zur „Gerechtigkeit“<br />

in diesem Land hat. Mehr demnächst in diesem Programm.<br />

Joachim Hiller<br />

Auf der Ox-CD zu hören.


SSS<br />

SAXON SHORE<br />

It Doesn’t Matter<br />

CD | Broken Factory | saxonshore.com | 54:20 ||<br />

„It Doesn’t Matter“ könnte man etwas freier mit „ist ja<br />

auch egal“ übersetzen, und schon hat man eine treffende<br />

Beschreibung für die Empfindungen, die einen beim<br />

Hören dieses Albums beschleichen. Aufgenommen haben<br />

es fünf Leute aus Philadelphia – keine Anfänger übrigens,<br />

denn das hier ist schon ihr fünftes Werk. SAXON<br />

SHORE nutzen die Fahrrinne, die Bands wie MOGWAI<br />

oder GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR aufgebrochen<br />

haben. Das Problem fast aller Nachzügler: Sie alle greifen<br />

auf bewährte Bausteine zurück, und die geben nun mal<br />

nicht besonders viel her. Schleppendes Tempo, schwebende<br />

Klänge und behäbiges Anschwellen der Intensität bis<br />

zur Lärmorgie – alles schon mal gehört, alles wenig überraschend.<br />

So leid es mir tut, die meisten Bands des Genres<br />

sind absolut austauschbar. SAXON SHORE mögen ihr<br />

Handwerk verstehen, aber auch sie bilden da leider keine<br />

Ausnahme. (6) Christian Meiners<br />

SONGDOG<br />

A Life Eroding<br />

CD | One Little Indian | indian.co.uk || Wehmut<br />

und Vergänglichkeit sind die zentralen Themen des neuen<br />

SONGDOG-Albums. Die Band aus South Wales rund um<br />

Singer/Songwriter Lyndon Morgan, konnte bereits mit<br />

den Vorgängeralben „A Wretched Sinner’s Song“ und „The<br />

Time Of Summer Lightning“ erstaunlich gute Reviews in<br />

der alternativen Musikpresse verzeichnen. Und das, wo<br />

man musikalisch doch sehr einfache und beschauliche<br />

Klanglandschaften erzeugt, fernab vom Mainstream. Bob<br />

Dylan und Leonhard Cohen sind die Vorbilder <strong>von</strong> SONG-<br />

DOG, für mich sind SONGDOG die folkigere und etwas<br />

eintönigere Variante <strong>von</strong> RICHMOND FONTAINE. Zwischen<br />

Streichern und Akustikgitarren wird das schnelle<br />

Vergehen der Zeit melancholisch betrachtet und beklagt.<br />

Schöne, angenehme Musik für die nachdenklicheren<br />

Momente im Leben, und funktioniert überdies auch gut als<br />

Hintergrundmusik beim Lesen. (7) Robert Buchmann<br />

SUPERCHARGER<br />

Handgrenade Blues<br />

CD | Voices Music & Entertainment | vme-group.<br />

com | 50:19 || Achtung, hier handelt es sich nicht um<br />

die Garagenpunker aus San Francisco, sondern um dänische<br />

Schweinrocker, die es wissen wollen. Mit ihrem vorliegenden<br />

Debütalbum konnten SUPERCHARGER bereits<br />

einige Erfolge verbuchen. Unter anderem räumten sie den<br />

Danish Metal Award in der Kategorie „Best Debut Album<br />

of the Year 2009“ ab. Gleich anschließend durfte die Band<br />

bei einigen Europaterminen <strong>von</strong> NASHVILLE PUSSY als<br />

Anheizer dabei sein und ihren Bluesrock- und Stonerbeeinflussten<br />

Rock’n’Roll in ganz Europa präsentierten.<br />

Wenn SUPERCHARGER in diesem Tempo weitermachen,<br />

wird man sicher noch einiges <strong>von</strong> dieser Band hören, denn<br />

diese ersten Erfolge konnte die Band völlig zu Recht feiern.<br />

(7) Simon Dillo<br />

THE STARS’ TENNISBALLS<br />

s/t<br />

MCD | Ampire | ampire-records.com || Zuerst die<br />

schlechte Nachricht: Es fehlen die Hits. Nun die gute: Die<br />

Produktion ist viel versprechend. Ganz bestimmt steckt bei<br />

THE STARS’ TENNISBALLS viel Herzblut mit drin. Dum-<br />

merweise entzünden die vier Songs plus Remix mit ihrem<br />

Indie/Acoucstic Gitarrenpop im Sinne <strong>von</strong> BRIGHT EYES<br />

nicht unbedingt das große Lagerfeuer, das hier vorbereitet<br />

wurde. „Let it go“ klingt wunderbar nach amerikanischem<br />

Indiefolk. Aber das wäre es dann auch schon. Talentiert<br />

sind die Jungs auf jeden Fall. Jetzt fehlt nur noch der<br />

Knaller-Song. Das wird schon. (5) Sebastian Wahle<br />

STONED ALIENS<br />

Moralwaschtag<br />

CD | Alienated But Striving | myspace.com/alienatedbutstriving<br />

| 35:14 || Satte 16 Jahre hat es gedauert,<br />

bis das Debütalbum „Moralwaschtag“ <strong>von</strong> den STONED<br />

ALIENS auf dem Planeten Erde das Licht der Welt erblickte.<br />

Wie heißt es doch so schön, gut Ding will Weile haben.<br />

Und das Ergebnis lohnt sich zu hören. Eine sehr unterhaltende<br />

halbe Stunde mit energiegeladenem Punkrock wird<br />

einem geboten. Überwiegend deutsche, aber auch zwei<br />

englische Titel haben die Jungs im Angebot. Wie es sich an<br />

einem „Moralwaschtag“ gehört, kommt die Politik natürlich<br />

nicht zu kurz („Blutige Freiheit“, „Drei Kriege“). Die<br />

STONED ALIENS bieten durchdachte Texte, die teilweise<br />

rauh, aber immer mit genügend Melodie unterlegt sind.<br />

Soundtechnisch klingt das Ganze nach einer Mischung aus<br />

BOXHAMSTERS, RASTA KNAST und einem Hauch BUT<br />

ALIVE. Insgesamt eine Mischung, die so einiges verspricht<br />

und dies auch halten kann. Die lange Wartezeit hat sich<br />

hier auf jeden Fall gelohnt. (7) Sven Grumbach<br />

SIX GALLERY<br />

Breakthroughs In Modern Art<br />

CD | Superball Music | superballmusic.com || Pop,<br />

Pathos und Fingertapping. SIX GALLERY aus Athens, Ohio<br />

haben sich für ihr Debütalbum viel vorgenommen. Dass<br />

die Band bis vor kurzem noch ohne Sänger reinen, instrumentalen<br />

und progressiven Post-Rock-Sound fabriziert<br />

hat, klingt fast bei jedem Song durch. Man kann schon<br />

sagen, dass das verspielte und vertrackte Gitarrenspiel der<br />

sage und schreibe vier Gitarristen um Sänger Daniel Francis<br />

zum Trademark der Band werden könnte. Sie machen<br />

da weiter, wo Bands wie MONO oder FROM MONUMENT<br />

TO MASSES ohne Sänger stehen bleiben müssen, und das<br />

macht es für den Zuhörer um einiges einfacher und die<br />

Songs greifbarer. Die zehn Tracks <strong>von</strong> „Breaktroughs In<br />

Modern Art“ sind gut, nur entdeckt man ab dem fünften<br />

Song („Eddie & the marble faun“) nicht mehr viel Neues.<br />

Eine EP mit der Hälfte der Songs hätte gute Chancen zur<br />

Veröffentlichung des Monats zu avancieren. Aber es ist<br />

nicht so, dass ab Track sechs alles öde wird. Es bleibt nur<br />

nicht mehr viel hängen. Tip <strong>von</strong> mir: das Album erst ab<br />

„Glaciar de las Lágrimas“ starten lassen. So hat man mehr<br />

da<strong>von</strong>. (6) Sebastian Wahle<br />

SOUL STALKER<br />

A Way Out<br />

CD | Manic Depression | manicdepressionrecords.<br />

com | 39:48 || Im Grunde genommen der beklemmendste<br />

Electro Dark Wave seit SIGLO XX, KLINIK,<br />

SKINNY PUPPY und FRONT 242. Man muss diese Musik<br />

in kleinen Clubs in Paris oder Strasbourg hören. Die Franzosen<br />

haben in diesem Genre schon seit langen ihre geistigen<br />

Überväter aus der belgischen EBM-Szene der Achtziger<br />

Jahre hinter sich gelassen und den Soundtrack zum<br />

maschinellen Untergang bereits vorprogrammiert. Und<br />

wenn DAF dieser Tage auf Tour sind (und Gabi Delgado-<br />

López unterhaltsam die Ausschreitungen bei einem DAF-<br />

Gig in Rom in den frühen Achtzigern resümiert), mag<br />

man auch deshalb vor Ort sein, weil das Vorprogramm <strong>von</strong><br />

NO MORE, die bereits auf Labelpartys <strong>von</strong> Manic Depression<br />

mit SOUL STALKER gespielt haben, bestritten wird,<br />

und deren Stellenwert in der französischen Dark-Wave-<br />

Gemeinde seit ihrer jüngsten Reunion enorm gestiegen ist.<br />

(8) Markus Kolodziej<br />

TONY SLY<br />

12 Song Program<br />

CD | Fat Wreck | fatwreck.com | 32:28 || Wird man<br />

mit dem Alter weiser oder ruhiger oder sucht man nach<br />

neuen Herausforderungen? Vielleicht trifft <strong>von</strong> alledem<br />

etwas auf Tony Sly zu.<br />

Nach mehr als 20 Jahren<br />

als Sänger und Gitarrist<br />

<strong>von</strong> NO USE FOR A<br />

NAME veröffentlicht er<br />

nun sein Solo-Debütalbum.<br />

Bereits vor sechs<br />

Jahren hat er zusammen<br />

mit Joey Cape <strong>von</strong> LAG-<br />

WAGON ein Akustik-<br />

Coveralbum aufgenommen,<br />

auf dem sie Songs<br />

ihrer Bands neu eingespielt<br />

haben. Nun präsentiert<br />

Herr Sly – nomen est omen – zwölf neue Stücke,<br />

die <strong>von</strong> Anfang an wesentlich ruhiger konzipiert waren.<br />

Meist wird auf mehr als eine Akustikgitarre ganz verzichtet,<br />

bei einigen Liedern gibt es dank Karina Denike <strong>von</strong> den<br />

DANCE HALL CRASHERS und Joey Cape gar mehr Sänger<br />

als Instrumente zu hören. Was schon bei NUFAN einen Teil<br />

der Songs ausmacht, wird hier zum Programm: in Akkorde<br />

gehüllte Melancholie vor einer auf- oder untergehenden<br />

kalifornischen Sonne. Damit macht Tony hier nebenbei<br />

auch die Stärke <strong>von</strong> NUFAN ganz deutlich, diese wunderbaren<br />

und fesselnden Melodien, die sowohl in vollem<br />

Punkrock- als eben auch in dünnem Akustikgewand funktionieren.<br />

„It’s all just a passing phase you’ll see“ – man<br />

kann nur hoffen, dass diese Zeile nichts mit der Frage zu<br />

tun hat, ob es weitere Soloalben <strong>von</strong> Tony Sly geben wird.<br />

Mit „Maybe I am no good at this“ liegt er schließlich ja<br />

auch vollkommen daneben. (9) Zoli Pinter<br />

STORY OF THE YEAR<br />

The Constant<br />

CD | Epitah | epitaph.com || STORY OF THE YEAR<br />

waren immer eine dieser Bands, die – ähnlich wie THE<br />

USED oder 30 SECONDS TO MARS – total an mir vorbei<br />

gegangen sind. Zu konstruiert, zu mainstreamig, zu langweilig<br />

klangen die paar Songs, die ich irgendwo gehört<br />

hatte. Stilistisch eben eher Alternative als Emo oder Post-<br />

Hardcore. Und auch das neue Album <strong>von</strong> STORY OF THE<br />

YEAR scheint meine Vorurteile zu bestätigen. Fast übertrieben<br />

hymnisch und perfekt produziert, spielen die<br />

Jungs aus St.Louis rockige Songs im Stile <strong>von</strong> Bands die ich<br />

aus gutem Grund nicht kenne. Gut machen sie das natürlich<br />

trotzdem, keine Frage. Nur halt nicht für mich. (6)<br />

David Schumann<br />

SMOKING HUT ON STONES<br />

Rope Around You<br />

CD | myspace.com/smokinghutonstones | 34:12<br />

|| Rock, baby, rock. SMOKING HUT ON STONES kommen<br />

aus Rostock und spielen heftigen (Stoner-)Rock,<br />

der die musikalische Nähe zu den Nachbarn <strong>von</strong> COO-<br />

GANS BLUFF und TRICKY LOBSTERS gar nicht verbergen<br />

will. Neue Rostocker Schule, würde ich mal sagen. Wie<br />

eine schwere Dampfwalze kommen die zehn Songs der CD<br />

rEvIEws<br />

auf dich zu und versuchen alles niederzuwalzen, was sich<br />

ihnen in den Weg stellt. Leider sind die Songs alle in demselben<br />

– einheitlich niedrigen – Tempo gespielt, so dass sie<br />

dich nicht wirklich erwischen können. Schade, denn der<br />

Sound dieses Debüts ist wirklich heftig und auch das Songwriting<br />

der jungen Norddeutschen ist schon recht überzeugend.<br />

Nur etwas mehr Abwechslung wäre schön gewesen,<br />

denn auf ganzer Länge wirken die Songs der CD doch<br />

etwas ermüdend. (6) Christoph Lampert<br />

SCARY MANSION<br />

Make Me Cry<br />

CD | Talitres | talitres.com | 32:29 || Die New Yorker<br />

Sängerin Leah Hayes, ehemals aus dem Antifolk-Singer/Songwriter-Umfeld<br />

und die zuletzt auch mit TV ON<br />

THE RADIO zusammenarbeitete, hat sich zwei Mitstreiter<br />

mit ins Boot geholt und macht jetzt großartigen und trashigen<br />

Electro No Wave, der wie THE KILLS auf Speed klingt<br />

(oder THE KILLS mit CHICKS ON SPEED). Mitunter wirkt<br />

Hayes wie eine Kopie <strong>von</strong> Alison Mosshart (der sie auch<br />

ähnlich sieht) mit kaputten SUICIDE-Sequenzern. Falls<br />

Mosshart als medial inszenierte Stilikone auf dem internationalen<br />

Catwalk mal schlapp machen sollte (und mal<br />

nicht für Ray-Ban-Brillen wirbt), kann Miss Hayes diesen<br />

Job ohne Zweifel übernehmen. Die Stimmungsfacetten<br />

<strong>von</strong> SCARY MANSION reichen <strong>von</strong> fast fragilen (dann<br />

klingt Hayes wie CAT POWER oder BAT FOR LASHES) bis<br />

hin zu explosiven Parts, in denen sie sich vermutlich live<br />

auf die Bretter wirft. Sie spielt selbst Gitarre, Klavier und<br />

den „Thunderstick“, ein traditionelles Instrument aus den<br />

Appalachen, das man sich als eine Art Banjo mit lediglich<br />

drei Saiten vorstellen muss. Zudem ist sie noch Illustratorin<br />

und gestaltet beispielsweise das Artwork für ein Ryan<br />

Adams-Album und ihre Arbeiten finde sich ebenso im The<br />

New Yorker und der New York Times. SCARY MANSION:<br />

das volle Paket Lifestyle aus der dunklen Ecke des Melting<br />

Pot. (8) Markus Kolodziej<br />

THE SAVANTS<br />

Mosquito Sunrise<br />

CD | Hulk Räckorz | punkrock.de | 35:35 || Das<br />

Info des Tübinger Quartetts liest sich wie folgt: 2 kg Punkrock,<br />

800 g Ska, ein Quentchen Pop, ein Viertel Liter Folk,<br />

eine Prise Klassik und 4 cl Metal. Leider trifft das Sprichwort<br />

„Zu viele Köche verderben den Brei“ manchmal zu.<br />

Die Punkrock-Songs, die mehr als Dreiviertel der Scheibe<br />

ausmachen, zimmern ordentlich rein. Guter, alter Punkrock<br />

im WIZO-Stil, auf deren Label dieses Album erscheint<br />

– jedoch wird hier (mit zwei Ausnahmen) auf Englisch<br />

gesungen. Manche Ska-Einlagen gefallen auf Anhieb,<br />

jedoch versuchen die vier Jungs bei manchen Songs auch<br />

noch die anderen oben genannten Musikgenres in die<br />

Songs einzuarbeiten, was leider ein wenig aufgesetzt wirkt.<br />

Aber da gibt’s ja noch die Songtexte, die dann wieder einiges<br />

wettmachen, da man hier echt auf seine Kosten kommt.<br />

Trotzdem: Jungs, bleibt beim Punkrock, der mir echt gut<br />

gefällt. (8) Peter Nitsche<br />

SPANKIES<br />

End Of Transmissions?<br />

MCD | Strictly Commerical | strictly-commercial.<br />

de | 20:05 || Mit „End Of Transmissions?“ legen SPAN-<br />

KIES aus Italien ihre Debüt-EP vor. Irgendwie klingen die<br />

darauf enthaltenen fünf Songs so, als habe man sie schon<br />

mal irgendwo gehört. Man könnte fast glauben, die SATA-<br />

NIC SURFERS, STRUNG OUT und ANTI-FLAG haben hier<br />

Pate gestanden, während die jungen MILLENCOLIN bei<br />

den Texten behilflich waren. Aber gleichzeitig haben die<br />

OX-FANZINE 105


EvIEws<br />

ELÄKELÄISET – HUMPPABINGO<br />

Die neue neue Best Of Doppel CD CD mit den stärksten<br />

Songs aus ihren Alben, Singles, Beiträge zu<br />

Tribute Samplern plus einer einer neuen Eigen-<br />

komposition. Humppa in ihrer Besten Form!<br />

Eläkeläiset Humppabingo Tour 2010<br />

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17.04.10 Faust, Hannover<br />

18.04.10 JZ Kamp, Bielefeld<br />

21.04.10 Bahnhof Langendreer, Langendreer, Bochum<br />

22.04.10 Kulturspeicher, Kulturspeicher, Regensburg<br />

23.04.10 Backstage, München<br />

24.04.10 E-Werk, Erlangen<br />

25.04.10 Club Neue Menza, Menza, Dresden<br />

26.04.10 F-Haus, F-Haus, Jena<br />

27.04.10 Moritzbastei, Leipzig Leipzig<br />

28.04.10 Astra, Astra, Berlin<br />

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OX-FANZINE 106<br />

Nummern durchaus auch etwas für sich.<br />

Egal, ob aus Kalifornien, Schweden, Italien<br />

oder Japan, Melodycore klingt nun einmal<br />

irgendwie ziemlich ähnlich. Das muss aber<br />

nicht nur negativ sein. Man weiß schließlich,<br />

was man zu hören bekommt, und die<br />

SPANKIES machen ihre Sache soweit ganz<br />

gut. Würde gerne mal ein ganzes Album<br />

<strong>von</strong> ihnen hören. Vielleicht sollten sich die<br />

Jungs das mit der Cheerleader-Unterwäsche<br />

als Bandnamen aber vorher doch noch<br />

einmal durch den Kopf gehen lassen. (6)<br />

Zoli Pinter<br />

STILETTOS<br />

Fuck It Rock It<br />

LP/CD | Tocado | tocado.com | 27:05<br />

|| Die STILETTOS aus den Niederlanden<br />

sind ja mittlerweile auch eine dieser Veteranenbands.<br />

Seit Jahren am Start, zählten<br />

sie dank immer wieder guter Platten<br />

und vor allen Dingen geiler Live-Shows<br />

zur Speerspitze der basslosen Garagencombos<br />

in Europa. Auf dem neuen Album<br />

machen sie zwar grundsätzlich auch nicht<br />

viel falsch, aber so richtig zünden will es<br />

bei mir leider nicht. Zwar redet das Infoblatt<br />

noch fleißig <strong>von</strong> „Garagetrash“, aber<br />

irgendwie sind mir die STILETTOS zu glatt<br />

geworden. Ich werde das Gefühl nicht los,<br />

dass sie sich bei einer breiteren Hörerschaft<br />

etablieren wollen. Da ist natürlich klar, dass<br />

man alte Fans etwas vergrault. Zwar läuft<br />

das Album insgesamt gut rein und bietet<br />

ein paar Ohrwürmer, aber ich hätte es mir<br />

an einigen Stellen weitaus kompromissloser<br />

gewünscht. Saxophon(!)- und Schweinerock-Soli<br />

in allen Ehren, aber in diesem<br />

Kontext kann ich da wenig mit anfangen.<br />

Dieses Album ist nicht wirklich schlecht,<br />

aber auch nichts Besonderes. Die 13 Songs<br />

wirken mir irgendwie aneinander gereiht<br />

und ein bisschen zu farblos und zwischen<br />

den Stühlen. Da sehe ich mir die STILET-<br />

TOS lieber wieder live an, wenn sie demnächst<br />

hoffentlich mal wieder auf Tour<br />

sind. (6) Bernd Fischer<br />

SEX JAMS<br />

Post Teenage Shine<br />

LP | Noise Appeal | noiseappeal.com<br />

|| Nach Veröffentlichung zweier 7“s, beide<br />

auf Fettkakao, die zweite in Kooperation<br />

mit Noise Appeal, erscheint nun auf zweiterem<br />

Label diese 10-Track-12“ der 2008<br />

gegründeten Band. Der Labelname ist Programm,<br />

die vier Wienerinnen krachen sich<br />

in feinster Noiserock-Manier durch ihre<br />

Songs, lassen Spielraum für schön dreckigen<br />

Rock’n’Roll. Frontfrau Katharina<br />

Trenk legt ihre facettenreichen Vocals über<br />

noisige Indierock-Gitarren, singt melodisch,<br />

flüstert, spricht, lässt sich gerne auch<br />

zu hemmungslosem Geschrei hinreißen,<br />

mal verzweifelt, mal fordernd. Doch auch<br />

wenn „Post Teenage Shine“ auf jeden Fall<br />

Klasse hat, so hörenswert wie mitreißend<br />

ist und es immer wieder eingängige Passagen<br />

beziehungsweise Momente gibt, in<br />

denen SEX JAMS – benannt nach einem<br />

nicht minder noiseverliebten MILEMAR-<br />

KER-Song – sich bewusst zurücknehmen,<br />

würde ich mich an manchen Stellen<br />

durchaus über ein paar melodischere, harmonischere<br />

Gitarren freuen. (7) H.C. Roth<br />

DIE STERNE<br />

24/7<br />

CD | Materie | materierecords.de |<br />

60:18 || Doch, es ist gewöhnungsbedürftig<br />

das neue STERNE-Album. Drei Jahre<br />

und Keyboarder Richard <strong>von</strong> der Schulenburg<br />

(am Songwriting teilweise noch<br />

beteiligt) hinter sich lassend, haben sich die<br />

Hamburger vom rauhen Sound des letzten<br />

Albums ab- und der Disko zugewandt. Die<br />

Auszeit dazwischen braucht es auch, um<br />

einen Song wie „Life in Quiz“ (auf meiner<br />

Promo-CD Track Nr. 2, auf dem Kaufalbum<br />

der, wie ich finde, gewagte Opener)<br />

verdauen zu können, einen lupenreinen<br />

Dance-Song, der alleine anhand <strong>von</strong><br />

Frank Spilkers markanter Stimme erahnen<br />

lässt, wer die dafür verantwortliche<br />

Band ist. Aber bei aller anfänglicher Skepsis:<br />

DIE STERNE dürfen so etwas! Klar, mit<br />

House und dergleichen kann man mich<br />

jagen, aber hier passt das, fügt sich in den<br />

bandtypischen Sound, ergänzt diesen.<br />

Bald lassen sich die Songs verinnerlichen,<br />

hat man sie im Kopf, da kann Produzent<br />

Mathias Modica soviel Elektronik reinprogrammieren,<br />

wie ihm Spaß macht. „Deine<br />

Pläne“ hat Ohrwurmqualität, „Depressionen<br />

aus der Hölle“ das Zeug zum Klassiker,<br />

während „Wie ein Schwein“ entspannt<br />

dahingroovet als hätte es „Räuber<br />

und Gedärm“ nie gegeben. Auch das wunderbare<br />

Akustikgitarrenstück „Ein Glück“<br />

findet neben hämmernden Beats seinen<br />

Platz, wenngleich es wie das siebenminütige<br />

„Himmel“ auf der Ladenversion zum<br />

Bonustrack der Limited Edition degradiert<br />

wurde. (9) H.C. Roth<br />

SHELLYCOAT<br />

Tales From The Swamp<br />

CD | shellycoat.de || Eine optisch wirklich<br />

ansprechende CD haben die Hamburger<br />

SHELLYCOAT da veröffentlicht. Und<br />

auch musikalisch bewegt man sich in sieben<br />

Songs stilsicher zwischen den Polen<br />

RISE AGAINST, MY CHEMICAL ROMANCE<br />

und punkigeren BILLY TALENT, wobei vor<br />

allem der für deutsche Verhältnisse überdurchschnittlich<br />

gute Gesang und die streckenweisen<br />

Ausflüge in klassischere Punk<br />

und Hardcore Gefilde positiv auffallen. (7)<br />

David Schumann<br />

SCARLET UTOPIA<br />

Adventures Under Black Light<br />

LP/CD | Nasoni | nasoni-records.com<br />

| 39:44/45:00 || SCARLET UTOPIA sind<br />

aus der Kölner Formation SILVERHEAT<br />

hervorgegangen. Scarlet Rose (Gesang) und<br />

Jean d’Auberlaque (Gitarre) haben zusammen<br />

mit Steven James Tefkey (Bass) und<br />

Peter Sherman am Schlagzeug das neue<br />

Projekt mit musikalischem Schwerpunkt<br />

auf einer Mischung aus Rock, Psychedelic und Gesang,<br />

der manchmal an JEFFERSON AIRPLANE erinnert, an<br />

den Start gebracht. Dazu noch ein wenig Elektronik und<br />

schon ist ein traumwandlerisch gutes Album mit interstellarem<br />

Spacerock und psychedelischen Soundscapes fertig.<br />

Mit diesem Debüt haben sich SCARLET UTOPIA in der<br />

ersten Reihe aufgestellt. Dichter, intensiver Gesang, coole<br />

Gitarren und ein psychedelischer Rock-Sound erwarten<br />

den geneigten Hörer. Hörtip ist „Black sun“. Die Vinylversion<br />

erscheint in einer Auflage <strong>von</strong> 500 Exemplaren, 100<br />

auf farbigem Vinyl. Aber wahrscheinlich ist eh nur noch<br />

die CD erhältlich – auf der übrigens im Unterschied zum<br />

Vinyl noch der Bonustitel „Supernovae“ (5:16) enthalten<br />

ist. Top! (9) <strong>Thomas</strong> <strong>Neumann</strong><br />

SHIT AND SHINE<br />

229-2299 Girls Against Shit!<br />

CD | Riot Season/Cargo | riotseason.com | 79:20 ||<br />

Wem es bei TODD an Noise und Irrsinn mangelt, der hat<br />

zwar was an den Ohren oder am Hirn, für den hat deren<br />

Boss Craig Clouse aber<br />

noch SHIT AND SHINE.<br />

Auf deren keine Ahnung<br />

wievielter Platte fährt<br />

Clouse auf 17 zwischen<br />

knapp zwei und<br />

über zehn Minuten langen<br />

„Songs“ wieder mal<br />

alles auf, was er im Studio<br />

zum Krach machen<br />

in Gang setzen konnte.<br />

Wie viel da<strong>von</strong> er selbst<br />

gemacht hat oder wie<br />

viel Hilfe er dabei <strong>von</strong><br />

wie viel Schlagzeugern gleichzeitig hatte, weiß ich auch<br />

nicht. Eventuell hat er auch bloß diverse Platten aus seiner<br />

Sammlung gleichzeitig durch einen Verzerrer gejagt und<br />

das aufgenommen, dabei Wert darauf legend, dass die auch<br />

bloß aus verschiedenen Genres stammen. Aber wo steht<br />

denn auch geschrieben, dass Noise und Drum’n’Bass, Metal<br />

und Ambient, Punk und Doom sich ausschließen? Auf<br />

meinem Eigentlich-unanhörbar-Meter, dessen Marken ich<br />

daran ablesen kann, wann meine Frau genervt das Zimmer<br />

verlässt, liegt „229-2299 Girls Against Shit!“ jedenfalls weit<br />

oben, respektive unten. Ein brillanter Mann, dieser Clouse,<br />

gerade als SHIT AND SHINE. (8) André Bohnensack<br />

SHINING<br />

Black Jazz<br />

CD | Indie | indierec.no | 57:14 || Eines der verstörendsten<br />

Stücke Musik, die ich je besaß – das Tape ging<br />

kaputt – war eine ewig lange Live-Aufnahme <strong>von</strong> KING<br />

CRIMSONs „21st century schizoid man“; ein Song, der<br />

bekanntlich schon in seiner Studioversion <strong>von</strong> 1969<br />

eine nicht zu fassende Intensität besitzt. Dass die Norweger<br />

SHINING (nicht verwechseln mit der gleichnamigen<br />

schwedischen Black-Metal-Band) ihr fünftes Album<br />

mit diesem Song enden lassen, zeugt <strong>von</strong> Geschmack, stellt<br />

sie aber gleichzeitig bloß. Im Vergleich mit diesem vierzig<br />

Jahre alten Monstrum steht das eigene Songmaterial nämlich<br />

ziemlich schwachbrüstig da. Beeindruckend mögen<br />

SHINING sein, wenn es um Technik und Fingerfertigkeit<br />

geht, auch das Spielen <strong>von</strong> Metal in komplexen und genreuntypischen<br />

Strukturen verdient sicher ein wohlwollendes<br />

Kopfnicken, aber wenn das Ganze unterm Strich<br />

so konstruiert klingt wie das Blendwerk <strong>von</strong> einer Kaspertruppe<br />

wie SYSTEM OF A DOWN, dann fehlt vor allem<br />

eines: Gefühl. Gefühl dafür, seine Musik leben zu lassen.<br />

Auch „Black Jazz“ lässt mich dem überbewerteten Phänomen<br />

SHINING gegenüber kalt. (5) André Bohnensack<br />

STAR FUCKING HIPSTERS<br />

Never Rest In Peace<br />

LP | Alternative Tentacles/Cargo | alternativetentacles.com<br />

|| Las ich über das Debütalbum des CHO-<br />

KING VICTIM-„Nachfolgers“ <strong>von</strong> dreckigem Ska-Punk,<br />

freute ich mich auf den Nachfolger mit Unterstützung<br />

<strong>von</strong> Leuten der einschlägigen Bands BOUNCING SOULS<br />

und CITIZEN FISH. In die Ska-Punk-Kerbe wird leider<br />

sehr selten geschlagen und die Chaos-Attacken à la CHO-<br />

KING VICTIM gibt es gar nicht. Sonst wechselt das Ganze<br />

musikalisch zwischen melodischem Singalong-Punkrock,<br />

Alternative-Rock und metallischem Hardcore. Irgendwie<br />

hat das alles enormes Hitpotenzial, höre ich subtil BLINK-<br />

182, MIGHTY MIGHTY BOSSTONES, RANCID oder<br />

SUGAR raus. Mehr noch habe ich das Gefühl, dass diese<br />

Bands aus den hier vorhandenen Arrangements, auf verschiedenen<br />

Veröffentlichungen allerdings, dem „Rohmaterial“<br />

das i-Tüpfelchen verpasst hätten. (7) Simon Brunner<br />

SONS OF BILL<br />

One Town Away<br />

CD | Blue Rose | bluerose-records.de | 52:13 ||<br />

Es gibt Alben, bei denen man die Lieder nicht auseinander<br />

halten kann, weil sie alle gleich klingen – und es gibt<br />

die seltenen Alben wie „One Town Away“, deren Lieder<br />

man nicht auseinander halten kann, weil sie alle fantastisch<br />

sind. Ein Album voller Anti-Helden als Protagonisten,<br />

sei es Joey, der in „Joey’s arm“ mit der romantisierten Südstaatenwelt<br />

um sich herum nicht viel anfangen kann („The<br />

South ain’t gonna rise again / But we’re holding out for<br />

Jesus / Or so they say on AM radio“) oder der verlassene<br />

Namenlose in „Broken bottles“, der sich in den Alkohol<br />

flüchtet („Hank Williams might be a love sick drinker /<br />

But being a love-sick drunk don’t make you Hank.“). Oder<br />

aber Frank und Johnny in „Never saw it coming“, die „after<br />

sixteen years of getting kicked and laughed at at the gym“<br />

eines Tages in der Schule ein Massaker anrichten – mit der<br />

Moral, dass „you could have been the one who took the<br />

bullet, could have been the one that held the gun.“ Musikalisch<br />

bewegen sich SONS OF BILL sicher zwischen Country<br />

und Folk und vereinen auf „One Town Away“ das Beste aus<br />

beiden Musikrichtungen. Diese Platte ist ein weiteres Beispiel<br />

dafür, wie weit weg vom billigen Hochglanzpatriotismus<br />

sich diese ursprünglichste US-amerikanischen Musik<br />

bewegen kann, und sie ist schon jetzt in der engeren Auswahl<br />

zu meinen Alben des Jahres. (10) Myron Tsakas<br />

SERENA-MANEESH<br />

2: Abyss In B-Minor<br />

CD | 4AD | 4ad.com | 60:34 || Der Titel deutet es an:<br />

Es ist Album Nr. 2 der norwegischen Band, deren Debüt in<br />

ihrer Heimat schon 2005 erschien und erst ein Jahr später<br />

international veröffentlicht wurde. Und auch diesmal<br />

gibt es eine gewisse Verzögerung, datieren die Aufnahmen<br />

bereits auf das Jahr 2008. Und wenn man etwas<br />

genauer nachforscht, findet man erstaunliche Dinge heraus:<br />

Kopf der Band aus Oslo ist Emile Nikolaisen, und der<br />

war einst Kopf einer Band namens ROYAL, die 1999 auf<br />

dem ekelhaften Christenlabel Tooth & Nail veröffentlichte<br />

und eher grungigen Pop-Rock spielte. Jahre später taucht<br />

der Name Emile Nikolaisen wieder auf – als Schlagzeuger<br />

der Glam-Punk-Band SILVER, die ebenfalls einen dubios<br />

christlichen Hintergrund hat(te), und überdies war Emil<br />

Mitte der Neunziger noch in der Metal-Band EXTOL, die<br />

sich offen als Christenband präsentierte. Und nun also<br />

SERENA-MANEESH, deren Mastermind Emil ist. Ja, 4AD ist<br />

ein respektables Label, ja, „Abyss In B-Minor“ ist ein angenehmes,<br />

ätherisches Space-Pop-Album mit Anleihen <strong>von</strong><br />

SONIC YOUTH bis zu MY BLOODY VALENTINE und SPI-<br />

RITUALIZED, doch mit christlichen Bands will ich mich<br />

nicht weiter abgeben, egal wie offen oder versteckt dieser<br />

Aspekt eine Rolle spielt. Joachim Hiller<br />

SEED OF PAIN<br />

Blindfolded & Doomed<br />

CD | Cobra X | myspace.com/cobraxrecords | 60:14<br />

|| Die Intensität, mit der die Schweizer SEED OF PAIN<br />

in ihr Debütalbum einsteigen, lässt mich an „Lektionen<br />

In Demut“ <strong>von</strong> <strong>Thomas</strong><br />

Ds REFLEKTOR-<br />

FALKE denken. Mit im<br />

positiven Sinne schauerlich<br />

intensiver Stimme<br />

wird das Gedicht „Nur<br />

zwei Dinge“ <strong>von</strong> Gottfried<br />

Benn vorgetragen,<br />

untermalt <strong>von</strong> flirrenden<br />

Melodien, die<br />

zu guter Letzt brachial<br />

in den nächsten Track<br />

„Blind masses“ überleiten,<br />

wodurch man schon<br />

mal unter Beweis gestellt hat, dass man sich durchaus zu<br />

präsentieren versteht. Was folgt, ist gewaltig psychotischer<br />

Noisecore, wie ich ihn in jungen Jahren <strong>von</strong> Bands wie<br />

AZURE, DEGARNE und/oder PROFAN kennen und lieben<br />

gelernt habe. Was „Blindfolded & Doomed“ jedoch<br />

noch einen ganzen Schwung interessanter und spannender<br />

gestaltet, ist die Vorliebe <strong>von</strong> SEED OF PAIN für New-<br />

Wave-Elemente, welche die Band immer wieder in ihre<br />

Songs einbaut. Dass man sich allein dadurch vom Gros<br />

ähnlich gearteter Bands abzuheben weiß, ist ein weiterer<br />

positiver Effekt, den man sich hier geschickt zunutze<br />

macht. Die CD-Version enthält zudem drei Bonustracks,<br />

<strong>von</strong> denen insbesondere die beiden Remixe des Songs<br />

„Doomed“ zu gefallen wissen. (8) Jens Kirsch<br />

SONIC SURF CITY / FAST FOOD<br />

Lights Out<br />

MCD | Rumble | myspace.com/rumblerecordsspain<br />

| 13:59 || Bereits im letzten Spätsommer erschien die<br />

<strong>von</strong> mir lang ersehnte Comeback-CD der schwedischen<br />

Surfpunk-Heroen SONIC SURF CITY, und kurz nach Neujahr<br />

lag sie dann auch endlich bei mir im Briefkasten. Nur<br />

so als kurzes Briefing für die zu spät Geborenen: SONIC<br />

SURF CITY, 1988 in Norrköping gegründet und ursprünglich<br />

bis 1997 existierend, kann man wohl ohne zu lügen zu<br />

den am bestgehüteten Geheimnissen, wie auch den meistunterschätzten<br />

Bands des Neunziger-Jahre-Pop-Punks<br />

zählen, wobei das vielleicht aber auch nur auf unsere Breitengrade<br />

wirklich zutrifft, vermochten es die Burschen<br />

doch immerhin, sich im fernen Japan sowie im sonnigen<br />

Spanien einen gewissen Kultstatus zu erspielen. Demzufolge<br />

nicht verwunderlich, dass schließlich einem madrilenischen<br />

Label die Ehre zuteil wurde, die ersten Lebenszeichen<br />

der vier Schweden nach geschlagenen zwölf Jahren<br />

zu veröffentlichen. Und schon ab den ersten Akkorden<br />

des Openers „Vote for summer!“ glaubt man doch<br />

glatt, die Zeit sei stehen geblieben: Eine schlagartig sich in<br />

die Großhirnrinde fräsende Bubblegum-Hymne exquisitester<br />

Manier, die es mühelos schafft die besten Ingredienzien<br />

<strong>von</strong> BARRACUDAS, JAN & DEAN sowie RAMONES<br />

zu einem äußerst schmackhaften Sahnetörtchen zu verbacken.<br />

Der Gitarrensound ist dabei lobenswerter Weise<br />

alles andere als weichgespült und der prägnante, nasale<br />

Gesangsstil <strong>von</strong> Woodie Hermanson hat gleichfalls nichts<br />

<strong>von</strong> seinem knödeligen Charme eingebüßt. Auch das etwas<br />

melancholischere „TV Pop“ sowie die sehr hübsche Ballade<br />

„Spanish sand fleas“ wissen zu begeistern, und so fiebere<br />

bereits jetzt schon mit großer Erregung dem für diesen<br />

Sommer angekündigten Album entgegen. Fein abgerundet<br />

wird die Mini-CD schließlich noch mit vier Stücken<br />

<strong>von</strong> den aus Madrid stammenden FAST FOOD. Diese<br />

drei „latino kids in leather jackets“ können aufgrund<br />

ihres mittlerweile nun auch schon 16-jährigen Bestehens<br />

ebenso getrost einen Veteranenstatus für sich reklamieren<br />

und überzeugen ihrerseits mit einem absolut abgezockten<br />

Neunziger-Jahre Pop-Punk-Sound, bei dem sich die Vergleiche<br />

zu alten No Tomorrow-Bands wie beispielsweise<br />

SHOCK TREATMENT und DEPRESSING CLAIM nicht nur<br />

aufgrund der spanischen Texte aufdrängen ... Als Rausschmeißer<br />

bekommt man dann noch eine hispanisierte<br />

Coverversion <strong>von</strong> „Make up your mind“ der PARASITES<br />

serviert und es bleibt nur zu sagen: Muy bien, jättebra, und<br />

bitte möglichst bald mehr da<strong>von</strong>. (8) Ben Bauböck<br />

SO MANY DYNAMOS<br />

The Loud Wars<br />

CD | Vagrant | vagrant.com || „The right brain wants<br />

the beat played much louder than the left.“ Ganz einfach:<br />

Sie klingen wie eine Mischung aus FOALS, LATE OF THE<br />

PIER sowie PHOENIX und haben eine Menge Hits am Start.<br />

„The Loud Wars“ klingt verdammt gut. Da hat jemand ein<br />

Händchen für zappelige Pop-Songs. Dass dieser Jemand<br />

kein anderer als DEATH CAB FOR CUTIE Gitarrist und<br />

Produzent Chris Walla ist, rundet dieses Album ab. Wenn<br />

die Leute beim Radio ein Herz und ein wenig Gespür für<br />

gute Musik hätten, liefe bald nicht nur „Keep it simple“<br />

rauf und runter. SO MANY DYNAMOS spielen mit dem<br />

Hörer und lassen Parts <strong>von</strong> Songs an anderen Stellen auf<br />

dem Album rückwärts gespielt wieder auftauchen. „The<br />

Loud Wars“ hat das Potenzial, ein Szeneliebling zu werden.<br />

Die richtigen Songs haben sie im Gepäck und auch die<br />

Attitüde stimmt: Irgendwo zwischen Pop und „uns doch<br />

egal“. Mit Hedonismus hat das nur bedingt zu tun. Dafür<br />

eher mit Kunst. „Bodies get what bodies want and bodies<br />

don’t forget.“ (8) Sebastian Wahle<br />

SEVENTYNINERS<br />

Bad Taste Of Life<br />

CD | Part | part-records.de | 35:18 || Rockabilly<br />

erfreut sich weiter uneingeschränkter Beliebtheit und<br />

das ist nicht zuletzt den Walldorfer Labelspezialisten <strong>von</strong><br />

Part Records zu verdanken. Die Verantwortlichen beweisen<br />

wirklich immer wieder ein Händchen für neue Bands<br />

in Sachen Rockabilly, Psychobilly oder Country – so auch<br />

bei den SEVENTYNINERS. „Bad Taste Of Life“ ist bereits das<br />

dritte Album des Trios und das erklärt deutlich warum die<br />

Herren schon <strong>von</strong> für namhafte Acts wie Slim Jim Phantom<br />

oder Bill Haleys COMETS eröffnen durften. Musikalisch<br />

versiert und sauber produziert geht „Bad Taste<br />

Of Life“ ab wie Brian Setzers Katze zu STRAY CATS-Zeiten<br />

und bedient mühelos alle Rockabilly-Facetten, denen<br />

immer ein leichter Psychobilly und Punkunterton zu entnehmen<br />

sind. Rockabilly ist eben mehr als Musik, sondern<br />

eine Herzensangelegenheit, und das hört man hier vom<br />

ersten bis zum letzten Song. Also Augen und Ohren auf,<br />

wenn die SEVENTYNINERS im Lande unterwegs sind. (8)<br />

Carsten Hanke<br />

SATAN TAKES A HOLIDAY<br />

s/t<br />

CD | I Made This | imadethis.se | 33:54 || Wenn<br />

eine Coverversion überhaupt nicht geht, dann ist das „Big<br />

in Japan“, jener andere Song neben „Forever young“, der<br />

ALPHAVILLE Anfang der Achtziger zu Stars machte. Das<br />

GOLDENE ZITRONEN-Cover „Für immer Punk“ war ja<br />

einst lustig, aber entschuldbar ist diese seltsam überdrehte<br />

Rockversion nur mit der Herkunft (Stockholm) und dem


Alter (irgendwo in den Zwanzigern, schätze ich) der Band.<br />

Und es gibt noch mehr Coversongs: Link Wrays „Rumble“<br />

muss dran glauben, ebenso die Johnny Kidd-Nummer<br />

„Shakin’ all over“, die sich hier nach „Rocky Horror<br />

Picture Show“ anhört. Aber es gibt auch noch andere,<br />

eigene Nummern, und mit denen beweisen STAH mehr<br />

Geschmack: THE CRAMPS treffen hier auf JON SPENCER<br />

BLUES EXPLOSION, mit einem Sänger, der sich ähnlich<br />

aufplustert wie Danko Jones. Wer eine coole Garage-Band<br />

erwartet, ist hier falsch: Das ist krawalliger Action-Rock für<br />

ein Publikum, das nach zu viel Kinderpisse (aka Red Bull-<br />

Wodka) auf Ärger aus ist, und ich bin mir nicht sicher, ob<br />

ich daran ernsthaft Spaß habe. Vielleicht erlaubt sich hier<br />

auch nur jemand einen großen Spaß, ist die Band einfach<br />

in Jackass-Manier auf Action aus, aber wer weiß das schon.<br />

Zumindest gibt die Band selbst das Motto aus „Not here to<br />

join the party, here to pick a fight“. (Wetten, dass dieser Satz<br />

in jeder Rezension zitiert wird?) (6) Joachim Hiller<br />

THE STAGS<br />

Do The Ton<br />

LP | Soundflat | soundflat-records.de || Eine Sängerin<br />

mit unter anderem französischen Texten, Orgel, 60s<br />

Beat. Passt also perfekt ins Soundflat-Programm mit CECI-<br />

LIA & DEN SAUERKRAUTS oder CURLEE WURLEE. Leider<br />

bin, war und werde ich nie ein Fan <strong>von</strong> Instrumentals<br />

sein, und da diese hier etwas zu oft vorkommen, kann<br />

die Platte nicht so ganz bei mir punkten. Es entsteht eher<br />

der Eindruck, als ob hier nur möglichst schnell die Platte<br />

voll gemacht werden sollte. Dafür sprechen auch die<br />

fünf Coverversionen. Zieht man die und die Instrumentals<br />

ab, hätte man also auch eine schöne EP daraus machen<br />

können. Nichtsdestotrotz, die Originalversionen kennt<br />

sowieso kaum jemand (ich auch nicht) und wer sonst auf<br />

das Soundflat Programm steht, kann bedenkenlos zugreifen.<br />

Für Liebhaber gibts auch noch eine auf 200 Stück<br />

limitierte Auflage mit Yps-mäßigem Gimmick, nämlich<br />

einem bedrucktem Halstuch. (6) Finn Quedens<br />

THE SOVEREIGNS<br />

Pick It Up<br />

CD | thesovereigns.de | 19:45 || Die siebenköpfige<br />

Band aus Hamburg beschreibt ihre Musik als „PolitReggaeHardcorePopSkaPunk“<br />

– oder eben einfacher als Ska-<br />

Punk. Als ich „Hardcore“ gelesen hatte, dachte ich die<br />

Sache wäre geritzt und ich würde vielleicht einen würdigen<br />

Nachfolger <strong>von</strong> CHOKING VICTIM in den Händen<br />

halten. Leider (oder auch vielleicht besser so?) handelt<br />

es sich hier eher um schnellen Ska gepaart mit ein<br />

wenig Reggae und einer Prise Punk. Das soll die Qualität<br />

des Albums aber nicht schmälern, und SUBLIME haben<br />

gezeigt, wie populär man mit dieser Musik werden kann.<br />

In den Songtexten werden sowohl der Alltag und das Leben<br />

an sich, aber auch Rebellion und der Drang nach Gerechtigkeit<br />

behandelt. Großes Plus für das Album: Man kann es<br />

kostenlos im Internet runterladen und wer mag, kann die<br />

Band mit dem Kauf der gepressten Version auf einem Konzert<br />

unterstützen. (7) Peter Nitsche<br />

SPOON<br />

Transference<br />

CD | Anti- | anti.com | 56:11 || Erst kürzlich war<br />

SPOON-Kopf Britt Daniel in seiner Funktion als Produzent<br />

des aktuellen WHITE RABBITS-Albums „It’s Frightening“<br />

nicht ganz unschuldig daran, dass die Band aus Brooklyn<br />

dadurch in der Vorhölle schicker Indierock-Belanglosigkeit<br />

landeten. Jetzt legt er konsequenterweise ein neues<br />

SPOON-Album nach, das wirklich fantastisch klingt, aber<br />

bei dem Daniel blöderweise vergessen hat, auch ein paar<br />

vernünftige Songs zu schreiben. Ein etwas sinnentleerter,<br />

streberhafter Exkurs im Arrangieren modernisierter Vintage-Sounds<br />

– Motown-Einflüsse der 60er Jahre hatte ja<br />

bereits auf dem großartigen 2007er-Album „Ga Ga Ga Ga<br />

Ga“ eine große Rolle gespielt – und manierierter Instrumentierungs-Exzesse.<br />

Eine Sammlung <strong>von</strong> Songs, die tendenziell<br />

sogar richtig sexy sind und auch dEUS- und FLA-<br />

MING LIPS-Fans erfreuen dürften, dabei aber selten über<br />

das Level unfertiger, überlanger Demos hinauskommen.<br />

Man kann sich „Transference“ deshalb wirklich wunderbar<br />

immer und wieder anhören, kaum eine Platte in diesem<br />

Jahr wird produktionstechnisch auch nur ansatzweise<br />

einen besseren Sound haben, aber wäre da nicht Daniels<br />

markanter Gesang, wüsste ich jetzt schon nicht mehr, wie<br />

der vorherige Song geklungen hat, was dann doch etwas zu<br />

dürftig ist, oder einfach gerade too sophisticated for me.<br />

(5) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

TTT<br />

TRIDENT<br />

World Destruction<br />

CD | Regain | regainrecords.com | 49:00 || Gipfeltreffen<br />

in Schweden, so oder so ähnlich kann man das<br />

Sammelsurium an namhaften Künstlern unter dem Banner<br />

TRIDENT nennen. Die Hälfte <strong>von</strong> NECROPHOBIC und<br />

kein geringerer als „Johan Norman“ (DISSECTION) haben<br />

sich hier zu kleinem Schwarzmalerzirkel zusammengefunden,<br />

und das fetzt so richtig. Von der ersten Sekunde an<br />

brennt die Luft und sie schmeckt nach Leder, Metall und<br />

Bier. Man könnte es sich leicht machen und oben genannte<br />

Kapellen als Vergleich heranziehen, und das würde auch<br />

prima passen, aber ich würde gern noch ein wenig die<br />

Kopfhörer auflassen. Ich kann mich nicht so recht entscheiden,<br />

wann genau TRIDENT ihre besten Momente<br />

haben: Wenn es Black Thrash-mäßig nach vorne geht oder<br />

wenn die schweren Death Metal-mäßigen Parts so richtig<br />

moshen oder die geniale Gitarrenarbeit an glorreiche<br />

Zeiten im Hause DISSECTION erinnern? Und waren das<br />

gerade MORBID ANGEL zu ihren Anfangstagen? Nein es ist<br />

„nur“ ein Gipfeltreffen in Schweden. (8) Andre Moraweck<br />

TO ROCOCO ROT<br />

Speculation<br />

CD | Domino | dominorecordco.com | 44:59 ||<br />

Als ich das Berlin/Düsseldorfer-Trio TO ROCOCO ROT<br />

Mitte der Neunziger das erste Mal wahrnahm, erschienen<br />

sie einem zum damaligen Zeitpunkt wie die intelligente,<br />

humanoide Alternative zu Techno, auf halbem Weg<br />

steckengeblieben zwischen Post-Rock und Elektronikmusik.<br />

2010 gibt es sie immer noch, und und nach Labels wie<br />

Kitty-Yo und City Slang ist man inzwischen bei Domino<br />

unter Vertrag, wo sie 2004 das etwas schwache Album<br />

„Hotel Morgen“ veröffentlichten. Bei „Speculation“ zeigen<br />

sich auf jeden Fall sofort die schon damals ausgeprägten<br />

Stärken des Trios Schneider/Lippok/Lippok, die sehr<br />

„warme“ Klangteppiche erzeugen können, mit pulsierenden<br />

Basslinien, die zu Beginn fast etwas <strong>von</strong> JOY DIVI-<br />

SION haben und dem überwiegend abstrakten Gemisch<br />

aus Sound und Groove den nötigen Zusammenhalt geben.<br />

Und so ist auch „Speculation“ überwiegend eine etwas diffuse<br />

Angelegenheit, aber TO ROCOCO ROT gelingen zwischendurch<br />

immer wieder sehr einprägsame, regelrecht<br />

melodische Momente, eine Meisterschaft, die etwa CLUS-<br />

TER immer noch am besten beherrschen, wie sie auf ihrem<br />

aktuellen Album noch mal beweisen konnten, und die für<br />

diese Art Sound echte Pionierarbeit geleistet haben. Interessant<br />

ist in diesem Zusammenhang auch, dass „Specu-<br />

lation“ im FAUST-Studio in Scheer aufgenommen wurde<br />

und deren Hans Joachim Irmler beim letzten Stück Orgel<br />

spielt. Womit sich der Kreis schließt beziehungsweise einmal<br />

mehr zum Ausdruck gebracht wird, wie wegweisend<br />

die in den Siebzigern in Deutschland entstandene<br />

Musik immer noch ist. Was aber nicht die Leistung <strong>von</strong><br />

TO ROCOCO ROT schmälern soll, die schon immer eine<br />

Klasse für sich waren und hier wieder eine sehr schöne, in<br />

sich stimmige Platte abgeliefert haben. (8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

TEN VOLT SHOCK<br />

78 Hours<br />

LP/CD | X Mist | x-mist.de || Letztes Jahr ein neues<br />

Album <strong>von</strong> CRAVING, dieses Jahr also die neue TEN VOLT<br />

SHOCK: Es spritzt fast Blut, so sehr freue ich mich, und<br />

nichts ist falsch, nein es<br />

wurde gar alles richtig<br />

richtig richtig gemacht.<br />

Alles alles. Die Labelcoop<br />

<strong>von</strong> X-Mist, Salon Alter<br />

Hammer, Bakery Outlet<br />

Records und Screaming<br />

Mimi Records bringt also<br />

DAS Noiserock Album<br />

des noch jungen Jahres<br />

heraus. Von melancholischen<br />

Intermezzi und<br />

disharmonischen Läufen<br />

ist die Rede im Info,<br />

sicher richtig, dennoch hier noch ein Anglizismus obendrauf:<br />

Old-fashioned Noiserock. Wie die Helden des Genres<br />

ihn spielen. Nur jünger, frischer, besser gar an vielen<br />

Stellen. In optimalen Sound gewandet und Abseits <strong>von</strong><br />

Schwingungen und Strömungen erdacht und umgesetzt.<br />

Geil, geil, supergeil. Noiserock ist zurück auf der Karte, wie<br />

es scheint. Und ich freue mich sehr darüber. Und höre aus<br />

diesem Grunde was? Richtig! TEN VOLT SHOCK, „People<br />

get settled“. Immer und immer wieder. Bis mir alle glauben.<br />

Riesending! Jörkk Mechenbier<br />

TURBO FRUITS<br />

Echo Kid<br />

CD | Ark | arkrecordings.com | 39:23 || Was machen<br />

eigentlich BE YOUR OWN PET, die 2007 und 2008 zwei<br />

ganz ordentliche Alben veröffentlichten? Gar nichts mehr,<br />

denn 2008 war auch schon wieder Schluss für die Band<br />

aus Nashville. Aber Gitarrist und Mastermind Jonas Stein<br />

hatte mit TURBO FRUITS schnell wieder ein neues Projekt<br />

am Start, das mit „Echo Kid“ auch schon beim zweiten<br />

Longplayer angelangt ist. Der Opener hat eine Melodie, die<br />

schwer nach <strong>von</strong> SPIZZ ENERGIs „Captain Kirk“ geborgt<br />

klingt, auch der Rest ist nicht wirklich innovativ, sondern<br />

einfach stürmischer, rotziger Rock’n’Roll, der sich nicht<br />

traut Punk zu sein, der zum BLACK LIPS-Epigonentum<br />

wegen fehlender Verschrobenheit nicht taugt, für Garage zu<br />

sauber ist – und dennoch Spaß macht. Hat was <strong>von</strong> einem<br />

Pizza-Taxi-Laden, der neben Italofood auch mexikanisches<br />

und chinesisches Essen anbietet. Kann im Einzelfall<br />

auch mal lecker sein, muss aber nicht und kommt immer<br />

auf den Versuch an. (6) Joachim Hiller<br />

THUS:OWLS<br />

Cardiac Malformations<br />

CD | Hoob/Discograph | hoobrecords.com | 54:41<br />

|| Das Debütalbum „Cardiac Malformations“ <strong>von</strong><br />

THUS:OWLS, einer 5-köpfigen schwedischen Band um<br />

die Sängerin Erika Alexandersson, überrascht mich mit<br />

einem Mix aus Jazz, Experimentalelektronik und den Mög-<br />

rEvIEws<br />

lichkeiten einer gewaltigen Stimme zwischen SIOUXSIE,<br />

Björk und Suzanne Vega. Die Musiker sind, teilweise weltweit,<br />

in diversen anderen Projekten und Bands aktiv, und<br />

THUS:OWLS wurde als Freundschaftsprojekt gegründet.<br />

Die elf Titel schwanken zwischen der Schwermut einer<br />

nordisch interpretierten New Orleans Begräbnismusik,<br />

jazzigen New Wave, Darkpop sowie unter die Haut gehenden<br />

Balladen. Facettenreicher und besser geht es kaum. (8)<br />

Kay Werner<br />

TRUE<br />

Still Life<br />

CD | Geenger | geengerrecords.com | 38:22 || Was<br />

anderes gefällig? Dann ist das Debüt <strong>von</strong> TRUE sicher in die<br />

engere Wahl zu ziehen, mischt dieser Fünfer aus Kroatien<br />

doch Death Metal inklusive Growls mit Oldschool-Grindcore<br />

Marke alte NAPALM DEATH und einer Tambura, was<br />

im Prinzip so etwas ähnliches wie eine Mandoline ist. Aber<br />

es wird nicht nur geshreddert, auch lange atmosphärische<br />

Passagen mit Rhythmusfundament und Tambura als Melodieinstrument<br />

werden integriert und führen zum Teil zu<br />

Songlängen <strong>von</strong> über acht Minuten. Spannende Angelegenheit,<br />

wenn auch die Tambura eigentlich nur die Stellung<br />

der Leadgitarre übernommen hat. Ein Folkloreinstrument<br />

in dieser Musik im Vordergrund ist zwar interessant,<br />

aber auch gewöhnungsbedürftig. (7) Dr. Oliver Fröhlich<br />

TYLA & THE DOGS<br />

Bloody Hell Fire<br />

2CD | King Outlaw/Cargo | myspace.com/tylaandthedogsdamour<br />

|| In den Achtzigern waren die<br />

DOGS D’AMOUR in gewissen Kreisen schon eine große<br />

Nummer, der spätere Nikki Sudden-Sideman Dave Kusworth<br />

schwang dort vor seiner Zeit bei den JACO-<br />

BITES und BOUNTYHUNTERS die Axt. Lange bevor<br />

GUNS N’ ROSES durchstarteten, gaben die Vier die besten<br />

70s-STONES- und FACES-Imitatoren ab, lehnten sich<br />

aber auch stark an den Junkie-Chic eines Johnny Thunders<br />

oder der Glam-Impertinenz der STOOGES-Jünger HANOI<br />

ROCKS an. Tyla, treibende Kraft und personelle Konstante<br />

der DOGS, ist ja ein ziemlich umtriebiger Musiker<br />

und hat schon eine riesige Latte <strong>von</strong> VÖs auf seinen Gürtel<br />

gestickt. Auf der neuen Doppel-CD, komplett im Alleingang<br />

produziert und veröffentlicht, spielt Tyla nun all das,<br />

was er die letzten 30 Jahre immer schon spielte. Sleaze<br />

Rock ist das Zauberwort, gelegentlich mit Country-, Folkoder<br />

Bluestendenzen verfeinert. Bisweilen klingt mir Tylas<br />

Gesang mir zu gequält und auf Whiskey-Timbre gebügelt,<br />

Tom Waits steht manchmal Pate, manchmal allerdings<br />

auch Kermit. Musste es allerdings gleich eine Doppel-CD<br />

sein? Das hat den Vorteil, dass man eine der beiden CDs<br />

guten Gewissens verlegen kann. Denn es klingt doch alles<br />

unheimlich ähnlich und gleichförmig, und ob ich nun elf<br />

oder 22 Mal den gleichen Song im Regal stehen habe, ist<br />

ja doch unerheblich ... Eher langweilig lautet deshalb das<br />

abschließende Urteil. (6) Gereon Helmer<br />

THESE MONSTERS<br />

Call Me Dragon<br />

CD | Brew | brewrecords.net | 38:30 || Durchaus<br />

bemerkenswert, wie die aus Leeds stammenden THESE<br />

MONSTERS den Begriff „progressive“ für sich beanspruchen.<br />

Durch frühere Aktivitäten in der Musikszene längst<br />

keine Unbekannten mehr, legen die beteiligten Protagonisten<br />

hier ihr Debütalbum vor. Mit jenem möchte man<br />

angeblich Bands wie GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR<br />

und MOGWAI zeigen, wie sowas richtig geht – eine Aussage,<br />

die ich mal auf die Unwissenheit des Infozettel-<br />

Schreibers zurückführe, sucht man Ähnlichkeiten zu den<br />

OX-FANZINE 107


EvIEws<br />

genannten Bands doch nahezu vergeblich. Vielmehr handelt<br />

es sich hier um <strong>von</strong> Fuzz-getränkten Gitarren und<br />

einem treibenden Bass vorgetragene Variante <strong>von</strong> epischprogressivem<br />

Rock, bei dem man hin und wieder an Bands<br />

wie BARONESS, RUSSIAN CIRCLES oder OCEANSIZE<br />

denken muss. Eine beeindruckend kurzweilige Platte mit<br />

großer Halbwertzeit. (8) Jens Kirsch<br />

TUBELORD<br />

Our First American Friends<br />

CD | Hassle | hasselrecords.com || „Pop Songs for<br />

Rock Kids“ sagen TUBELORD über ihre Musik, und wenn<br />

man sich ihre Songs so anhört, versteht man, was hiermit<br />

gemeint ist. Wunderschöner, stellenweise fast fragil klingender,<br />

manchmal sogar an alte DASHBOARD CONFESSI-<br />

ONAL erinnernder Gesang trifft auf hochmelodische, verzerrte<br />

Popsongs mit leicht vertrackten Arrangements und<br />

großen Momenten dazwischen. TUBELORD sind für mich<br />

ein weiteres Beispiel dafür, dass die besten (Post-)Emo/<br />

Pop-Punk Bands heutzutage oft aus England kommen. (7)<br />

David Schumann<br />

TETINE<br />

From A Forest Near You<br />

CD | Slum Dunk Music | tetine.net | 48:26 || Das<br />

Duo aus Brasilien nennt seine Musik selbst „Tropical<br />

Mutant Funk“ oder man nennt es, wenn man sich beispielsweise<br />

den Song „Shiva“ (eines der Albumhighlights)<br />

anhört, einen perfekten Hybrid aus der nervösen<br />

Gitarre <strong>von</strong> THE POP GROUP, ESG und dem „To hell with<br />

poverty“-Basslauf <strong>von</strong> GANG OF FOUR. 1995 <strong>von</strong> Sängerin<br />

Eliete Mejorado, die ein wenig an Ari Up <strong>von</strong> THE<br />

SLITS erinnert, und Bruno Verner in São Paulo gegründet,<br />

wecken TETINE ein Empfinden, also ob die Haçienda<br />

in Manchester gerade ihren Zenit hätte, wir das Jahr 1982<br />

schrieben und TETINE für A CERTAIN RATIO eröffnen<br />

würden. Das ist wahrlich mehr Northern Soul der frühen<br />

achtziger Jahre als Tropical Heat mit Crockett und Burnett.<br />

Man kann sich gut vorstellen, wie der Club bebte, als sie<br />

letztes Jahr in Portugal mit den ebenfalls fulminanten und<br />

stilverwandten HERCULES & LOVE AFFAIR spielten. Eliete<br />

Mejorado wirkt mitunter so destruktiv erotisch aufgeladen,<br />

dass sie an die frühe Grace Jones erinnert – und diesen<br />

kühlen Charme versprüht sie auch auf der Bühne. (8)<br />

Markus Kolodziej<br />

TV EYE<br />

Nice People<br />

CD | Hoax | tveye.se | 32:59 || Hahaha, was für eine<br />

herzerfrischend beknackte Superhighspeed-Spasten-<br />

Pop-Punkgranate haben wir hier denn bitteschön?! Ein<br />

Robert Crumb<br />

DAS BUCH GENESIS<br />

Comic | Carlsen | carlsencomics.de | 228 S., 29,90<br />

Euro || Robert Crumb ist seit den Sechzigern einer der<br />

bedeutendsten Künstler im Bereich <strong>von</strong> Undergrounds-<br />

Comics, und über seinen Klassiker FRITZ THE CAT ist<br />

sicher jeder mal gestolpert, der sich auch nur halbwegs<br />

mit diesem Medium beschäftigt – spätestens durch<br />

Ralph Bakshis gleichnamigen, wenn auch nicht werkgetreuen<br />

Animationsfilm. Crumb ist auf jeden Fall bekannt<br />

für seine durch Sex, Gewalt und Drogen geprägten zeichnerischen<br />

Exzesse, eine skurrile Persönlichkeit, wo<strong>von</strong><br />

man sich in der sehenswerten Dokumentation „Crumb“<br />

über ihn selbst ein Bild machen kann. Und auch wenn ich<br />

seine anstrengend schrägen Geschichten immer nur zum<br />

Teil ansprechend fand, seine eigenwilligen Zeichnungen<br />

besaßen auf jeden Fall großen Wiedererkennungswert.<br />

Seit Mitte der Neunziger lebt Crumb in Frankreich<br />

und scheint inzwischen eher um seriöse Kunst bemüht zu<br />

sein, und so präsentiert er uns hier doch allen Ernstes DAS<br />

BUCH GENESIS, und zwar alle 50 Kapitel. Dabei ist er noch<br />

nicht mal der Erste, der sich des „Buches aller Bücher“<br />

angenommen hat, denn etwa auch Ralf König oder MAD-<br />

Zeichner Basil Wolverton hatten bereits Illustrationen mit<br />

Bibel-Hintergrund veröffentlicht. Aber warum auch nicht,<br />

ist die Genesis doch eine unerschöpfliche Quelle für Sex<br />

und Gewalt. Dumm nur, dass Crumb keine Neuinterpretation<br />

im Sinn hatte, sondern eine originalgetreue Wiedergabe<br />

diese hübschen Märchens inklusive des nervigen<br />

Bibel-Textes. Die Erschaffung der Erde und der Menschen<br />

zu Beginn ist eigentlich noch ganz unterhaltsam, aber<br />

irgendwann wird die fortwährende ungezügelte Vermehrung<br />

und das gegenseitige Totschlagen doch etwas ermüdend,<br />

zumal Crumb auch überwiegend nur starre Einzelbilder<br />

produziert, durch die keinerlei echte „Action“ entsteht.<br />

Die Bibel als solche ist sowieso nicht meine präferierte<br />

Literatur, aber was Crumb daraus gemacht hat, wird<br />

über 200 Seiten wirklich zur Qual, wobei ich mir seine<br />

eigenwilligen Zeichnungen jederzeit an die Wand hängen<br />

würde. Und auch im Regal macht sich dieser edel ausgestattete<br />

Prachtband sehr gut. Aber vielleicht wäre ein wenig<br />

LSD bei der Umsetzung ja hilfreich gewesen, denn so bleibt<br />

DAS BUCH GENESIS eine sehr unbefriedigende Erfahrung,<br />

da muss man schon großer Fan <strong>von</strong> Crumbs Schaffen oder<br />

der Materie an sich sein. Wobei es auf gläubige Menschen<br />

vielleicht sogar provokant wirken mag, wie Crumb hier<br />

die Schöpfungsgeschichte bebildert hat, denn wie heißt es<br />

doch noch gleich: Du sollst dir kein Gottesbild machen!<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

THE SURROGATES<br />

Comic | Cross Cult | cross-cult.de | 208 S., 26 Euro<br />

|| Robert Vendittis und Brett Weldeles zwischen 2005 und<br />

2006 entstandene Heftserie THE SURROGATES ist mal<br />

wieder ein schönes Beispiel dafür, wie man eine interessante<br />

Vorlage mit einem Hollywood-Film fürs Massenpublikum<br />

in den Sand setzen kann. Was am Comic „thought<br />

provoking“ war, ist zwar auch noch im Film spürbar, letztendlich<br />

katapultieren die ganzen Verschlimmbesserungen<br />

die Verfilmung aber in ein Niemandsland zwischen<br />

„Blade Runner“, „Minority Report“, „Total Recall“ und<br />

„Strange Days“. Im Comic schreiben wir das Jahr 2054,<br />

also keine allzu weit entfernte Zukunft, in der ein Großteil<br />

der Menschheit nicht mehr die eigenen vier Wände<br />

verlassen muss und das echte Leben <strong>von</strong> menschenähnlichen<br />

Robotern absolvieren lässt, die aus sicherer Entfernung<br />

gesteuert werden. Eine faszinierende Zukunftsperspektive,<br />

dumm nur, wenn sich auch Ehepartner nur noch<br />

in Gestalt der Surrogaten begegnen, denn wer will schon<br />

noch mit Krankheit und Alter konfrontiert werden, und<br />

so ist auch diese vermeintlich perfekte Welt nur eine hübsche<br />

Illusion. Das sehen wohl auch einige andere Leute<br />

so, denn es beginnt eine Anschlagsserie auf die Surrogaten,<br />

die in Folge zwei Polizeibeamten aufklären sollen. Die<br />

aus diesen Ermittlungen gezogenen Erkenntnisse führen<br />

aber vor allem dazu, dass bei einem der beiden Beamten<br />

das bisherige Verhältnis zu seiner Lebensrealität ins Wanken<br />

gerät und er schließlich sogar in Fleisch und Blut dem<br />

Täter auf der Spur ist, als sein Surrogat zerstört wird und er<br />

das Leben wieder <strong>von</strong> einer ungewohnten, in Vergessenheit<br />

geratenen Perspektive betrachten muss. Ein Happy End gibt<br />

OX-FANZINE 108<br />

Feuerwerk <strong>von</strong> nicht weniger als 31 Titeln in gerade mal<br />

33 Minuten wird auf vorliegender CD <strong>von</strong> den schwedischen<br />

Veteranen in allerbester DICKIES-Tradition (auch<br />

der Gesangsstil erinnert an Leonard Phillips) abgebrannt<br />

und es ist mir nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, während<br />

des Verfassens dieser Zeilen einigermaßen ruhig an<br />

meinem Schreibtisch zu verharren! Keine Frage, diese vier<br />

Herren wissen, wie der Hase zu laufen hat, sind sie doch<br />

bereits schon seit den frühesten Anfangstagen am Start und<br />

legen hier nach zwölf Jahren des Bandbestehens nun endlich<br />

ihre Debütscheibe vor. Die Stücke variieren in ihrer<br />

Länge zwischen 36 Sekunden und 1:42, überzeugen aber<br />

dennoch durch verhältnismäßig abwechslungsreiches<br />

Songwriting und insbesondere durch die oft entzückend<br />

hirnverbrannten Texte versteht man es noch zusätzlich zu<br />

punkten. Wer jedenfalls auch immer an einem ausgeprägten<br />

Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom leidet, sich aber dennoch<br />

nicht ständig das Gebolze <strong>von</strong> DEAN DIRG und Konsorten<br />

geben mag, für diesen Menschen stellen TV EYE<br />

definitiv mal die perfekte Pop-Punk-Substitution dar! Ich<br />

find’s klasse. (7) Ben Bauböck<br />

TICKING BOMBS<br />

Crahs Course In Brutality<br />

CD | Concrete Jungle/Broken Silence | concretejunglerecords.com<br />

| 23:57 || Aus Schwedens Einöde,<br />

aus Fagersta, um es genau zu sagen, stammen die TICKING<br />

BOMBS. Sie klingen, wie sie heißen, sind angepisst und<br />

wütend. Wahrscheinlich komplett gelangweilt, haben sie<br />

viel Zeit gehabt sich durch 30 Jahre HC-Punk und Streetpunk<br />

zu hören und genauso los zulegen wie ihre Vorbilder.<br />

In diesem Fall nicht <strong>von</strong> der Hand zu weisen sind da Bands<br />

wie D.O.A., FEAR und BOMBSHELL ROCKS. Die Texte sind<br />

durchgehend rebellisch und rotzen den Hass raus, gegen<br />

den Staat, das System und alles was die vier Jungs so stört<br />

an ihrer Umwelt. Die D.I.Y.-Kante wirkt sich sehr sympathisch<br />

aus, so haben sie tatsächlich drei Alben vorher in<br />

Eigenregie raus gebracht und sind nun beim fränkischen<br />

Label Concrete Jungle Records gelandet. Mir gefällt die<br />

Scheibe, wobei die Spielzeit <strong>von</strong> knapp 24 Minuten eher<br />

kurz ist für einem Longplayer. Aber das komplette Album<br />

findet sich nochmal in mp3-Version auf der CD, damit<br />

kann gleich der Player gefüttert werden. (7)<br />

Sebastian Walkenhorst<br />

TARNGO<br />

Horman<br />

CD | blunoise | bluenoise.de || Solide handgemachter,<br />

mathematisch gefärbter, schwerer Post-Rock, dröhnender<br />

Bass, treibendes Schlagzeug – ja da sind sie wieder, die<br />

Herren aus dem Rheinland. Erneut mit einem gelungenen<br />

es dabei allerdings nicht, denn Venditti und Weldele lassen<br />

am Schluss offen, wie es mit der Gesellschaft an diesem<br />

Punkt weitergehen soll. Philip K. Dick und William Gibson<br />

sind in dieser kritischen Auseinandersetzung mit blinder<br />

Technologiehörigkeit allgegenwärtig – vor allem Dick und<br />

sein fast schon paranoides Infragestellen der uns umgebenden<br />

Vorstellung <strong>von</strong> Realität. Dieser inhaltliche Anspruch<br />

spiegelt sich auch in der betont künstlerischen Umsetzung<br />

<strong>von</strong> THE SURROGATES wider, denn Vendittis und Weldeles<br />

arbeiten hier mit hohem Abstraktionsgrad bei Figuren<br />

und Hintergründen, Photorealismus darf man hier nicht<br />

erwarten, was manchmal an eine digitale Form <strong>von</strong> Aquarellmalerei<br />

beziehungsweise an die manierierten Panels<br />

eines David MacKean erinnert. Ein gelungener, lesenswerter<br />

Science Fiction Graphic Novel, auch wenn das Ganze<br />

vielleicht dann doch nicht so tiefgründig ist, wie es die<br />

Macher gerne gehabt hätten, zumindest im Vergleich mit<br />

der Literatur <strong>von</strong> Dick oder den Robotergeschichten eines<br />

Isaac Asimov. Mit THE SURROGATES: FLESH AND BONE<br />

entstand 2009 noch ein passables Prequel, das 15 Jahre früher<br />

spielt, hierzulande aber bisher noch nicht erschienen<br />

ist. In den Staaten gibt es allerdings eine THE SURROGA-<br />

TES-Komplettausgabe. <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

Frank Miller, Simon Bisley<br />

BAD BOY<br />

Comic | Panini | paninicomics.de | 52 S., 12,95 Euro<br />

|| Diese 1997 entstandene Zusammenarbeit <strong>von</strong> Frank<br />

Miller und Simon Bisley erschien vor zehn Jahren bereits<br />

mal im Verlag Schreiber<br />

& Leser und wurde<br />

jetzt <strong>von</strong> Panini neu aufgelegt,<br />

mit auf SIN CITY<br />

getrimmtem alternativen<br />

Cover und Zusatzmaterial<br />

<strong>von</strong> Bisley.<br />

Über Miller braucht<br />

man wohl nicht mehr<br />

viel sagen, der Zeichner<br />

und Autor ist ja spätestens<br />

seit der Realverfilmung<br />

<strong>von</strong> SIN CITY bei<br />

einem breiteren Publikum<br />

bekannt („leider“,<br />

muss man sagen, wenn<br />

man sich seine miserable<br />

„The Spirit“-Verfilmung<br />

anschaut, Will Eisner wird sicher im Grab rotieren),<br />

während der Brite Bisley bei Verlagen wie DC gut beschäftigt<br />

ist und ebenfalls einen recht eigenwilligen Stil besitzt.<br />

Bei BAD BOY war Miller allerdings nur Autor und ähnlich<br />

wie in seinem zuvor entstandenen HARD BOILED (mit<br />

Geof Darrow als Zeichner) geht es hier um eine bizarre,<br />

gewalttätige Parallelwelt (nennen wir es ruhig Dystopie).<br />

Die Hauptfigur ist ein kleiner Junge, der offenbar in einer<br />

seltsamen Zeitschleife gefangen ist und immer wieder versucht,<br />

vor seinen Eltern zu fliehen, die gar nicht seine richtigen<br />

Eltern sind, aber dabei <strong>von</strong> Robotern im Terminator-Lumpenlook<br />

geschnappt wird. Das Ganze ist eher eine<br />

Fußnote im Schaffen <strong>von</strong> Miller, nicht mehr als eine Kurzgeschichte,<br />

aber aufgrund der düsteren, zeichnerisch originell<br />

umgesetzten Horror-SciFi-Atmosphäre und des zynischen<br />

Humors sehr unterhaltsam. Miller-Komplettisten<br />

werden diesen als gebundenes Hardcover erschienen Band<br />

sicher nicht missen wollen (falls sie ihn nicht schon längst<br />

besitzen), aber BAD BOY ist keine Veröffentlichung, die für<br />

Neueinsteiger ein guter Startpunkt wäre. Nicht übel ist<br />

übrigens der sehenswerte Fake-Trailer für eine nie ernsthaft<br />

angedachte Verfilmung <strong>von</strong> BAD BOY <strong>von</strong> einem Spanier<br />

namens Miguel Mesas, den man auf youtube finden<br />

kann. <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

Kerascoët, Fabien Vehlmann<br />

JENSEITS<br />

Comic | Reprodukt | reprodukt.com | 96 S., 18 Euro<br />

|| Immer schön, wenn sich hinter süß-naiv anmutenden<br />

Zeichnungen erstaunlich morbide Geschichten verbergen,<br />

an denen man sich schnell mal verschlucken kann. Und so<br />

entpuppt sich hier das anfängliche idyllische Kaffeetrinken<br />

mit „Alice im Wunderland“-Flair als heimtückisches Intro<br />

für eine Horrorstory ganz besonderer Art, in der William<br />

Release, aus den heiligen bluenoise-Hallen. Allen Unkenrufen<br />

zum Trotz: dieser Sound ist auch ohne Gesangsgedöns<br />

und Gitarrenschnickschnack mehr als tanzbar und<br />

geht ohne Umschweife durch Mark und Hüfte. Wer NO<br />

MEANS NO und die RUINS mag, wird TARNGO zu schätzen<br />

wissen. (8) JeNnY Kracht<br />

THE TENEBROUS LIAR<br />

Jackknifed & Slaughtered<br />

CD | TV Records | tenebrousliar.com | 42:23 || Der<br />

Musikfotograf Steve Gullick hat in den letzten zwanzig Jahren<br />

so ziemlich jeden vor der Kamera gehabt, angefangen<br />

<strong>von</strong> NIRVANA, Nick<br />

Cave, Lou Reed und Bonnie<br />

„Prince“ Billy, bis hin<br />

zu den WHITE LIES. Vor<br />

einigen Jahren gründete<br />

er dann sein eigene<br />

Band THE TENEBROUS<br />

LIAR, die mit ihrem<br />

Lo-Fi Grunge Blues das<br />

Spannungsfeld zwischen<br />

MUDHONEY einerseits<br />

und gebremsten<br />

THE BIRTHDAY PARTY<br />

oder auch Mark Lanegan<br />

andererseits ziemlich gekonnt beleben. Nicht nur das<br />

Artwork des Albums vermittelt Impressionen <strong>von</strong> dunklen<br />

Wüstenlandschaften, auch der Gitarrensound (Gullick<br />

spielt wie Rowland S. Howard eine Fender Jaguar) weckt<br />

Assoziationen an die Soundscapes <strong>von</strong> SMOG und GAL-<br />

LON DRUNK (es war 2003 kein geringerer als James Johnston<br />

<strong>von</strong> GALLON DRUNK, der Gullick bei seinen ersten<br />

eigenen musikalischen Schritten in dem Projekt BEN-<br />

DER unterstützte). Und wenn er die Motivation, Musik<br />

in diesen Klangfarben zu machen mit „Catharsis is the<br />

prime purpose of making music for me, it’s such a positive<br />

release“ umschreibt, ist klar, dass es hier nicht um the<br />

sunny side of life geht. Gullick singt nicht nur über Insomina,<br />

sondern es hört sich auch so an, also ob Insomina ein<br />

langer und enger Wegbegleiter in seinem Leben ist. Musik<br />

mit Soundtrackqualitäten für verstaubte Wim Wenders-<br />

Filme. Man sollte sich unbedingt auch mit den Arbeiten<br />

Gullicks als Rockfotograf beschäftigen. (9)<br />

Markus Kolodziej<br />

TIMEHASCOME<br />

Disaster Zone<br />

CD | Pee | peerecords.com | 19:36 || Bevor jetzt die<br />

ersten Chaoscore-Fans feuchte Höschen bekommen: Bei<br />

„Caged Inside“ handelt es sich nicht um neues Material<br />

Goldings „Herr der Fliegen“ in einem grausamen Fantasy-<br />

Reich angesiedelt wird. Denn ähnlich wie bei Golding geht<br />

es in JENSEITS um die angeborene Gewaltbereitschaft des<br />

Menschen. In diesem Fall sind die Protagonisten kindliche<br />

Märchen-Wesen, die sich gegen die bedrohliche Natur<br />

behaupten müssen und untereinander Machtkämpfe austragen,<br />

bei der Ausbildung archaischer Gesellschaftsmodelle.<br />

Gesteigert wird das Ganze noch dadurch, dass alles<br />

in der Umgebung einer langsam verwesenden Leiche eines<br />

jungen Mädchens stattfindet, die offenbar auf dem Schulweg<br />

<strong>von</strong> jemand umgebracht wurde, was eine bizarre Verbindung<br />

zur Realität schafft. Denn diese Geschöpfe scheinen<br />

quasi die Inkarnation der entwichenen Seele des Mädchens<br />

darzustellen und scharen sich jetzt wie die Einwohner<br />

<strong>von</strong> Liliput um ihren toten Gulliver. Insofern kann<br />

man viel in JENSEITS hineininterpretieren (oder, wie originell,<br />

mal wieder David Lynch ins Spiel bringen. oder<br />

vielleicht besser eher Tim Burton) oder sich einfach nur an<br />

den niedlichen Zeichnungen <strong>von</strong> Kerascoët erfreuen, die<br />

eine sich stetig steigernde Blutrüstigkeit an den Tag legen.<br />

Eigentlich müsste JENSEITS mit einem Warnhinweis versehen<br />

werden, damit niemand auf die Idee kommt, so was<br />

aufgrund des hübschen Covers einem Kind in die Hände<br />

zu geben. Denn selbst zartbesaiteten Erwachsenen dürfte<br />

diese surreale Geschichte über Verfall und Tod noch heftige<br />

Albträume bereiten. Highly recommended, but not for the<br />

faint of heart! <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

Winshluss<br />

PINOCCHIO<br />

Comic | avant-verlag | avant-verlag.de | 192 S., 29,95<br />

Euro || Die edle Aufmachung und der entsprechend<br />

hohe Preis dieses Comics des Franzosen Winshluss macht<br />

bereits deutlich, dass wir<br />

uns in Grenzbereichen<br />

<strong>von</strong> echter Kunst befinden,<br />

wobei es sowohl der<br />

Preis als auch der extreme<br />

Inhalt sein werden,<br />

die eine größere Verbreitung<br />

<strong>von</strong> PINOCCHIO<br />

verhindern wird. Bedauerlich,<br />

denn PINOC-<br />

CHIO ist sicherlich eine<br />

der abgefahrensten und<br />

gleichzeitig auch zeichnerischumwerfendsten<br />

Graphik Novels (ein<br />

Begriff, der mir langsam<br />

aber sicher auf die Nerven<br />

geht, aber sich ja leider<br />

eingebürgert hat), die mir in letzter Zeit untergekommen<br />

ist, ein Interesse an abseitigeren Inhalten allerdings<br />

vorausgesetzt. Zu Beginn wird kurz darauf hingewiesen,<br />

dass es sich hier um „eine sehr freie Adaption <strong>von</strong> Carlo<br />

Collodis Roman“ handelt, aber das merkt man auch selbst<br />

sehr schnell, denn Winshluss macht aus Collodis ebenfalls<br />

nicht sonderlich fröhlichen Geschichte einen albtraumhaften,<br />

apokalyptischen und schwarzhumorigen Horror-<br />

Trip, den man durchaus auf den übermäßigen Konsum<br />

<strong>von</strong> Drogen schieben könnte, aber wahrscheinlich hat der<br />

Franzose einfach nur eine beängstigend lebhafte Fantasie.<br />

Eigentlich heißt Winshluss ja Vincent Paronnaud und war<br />

mit seinem auf dem Comic <strong>von</strong> Marjane Satrapi basierenden<br />

Animationsfilm „Persepolis“ 2007 sogar für den Oscar<br />

nominiert, und im letzten Jahr hat er dann mit „Villemolle<br />

81“ einen Horror-Realfilm gedreht. Aus der eigentlich<br />

ganz süßen Holzpuppe (zumindest in der Version <strong>von</strong> Disney)<br />

wird in seinem PINOCCHIO ein Roboter mit ähnlicher<br />

Gestalt und Flammenwerfer in der langen Nase, den<br />

ein durchtriebener Erfinder als neue Superwaffe ans Militär<br />

verhökern will. Doch bevor es dazu kommt, ist sein<br />

außer Kontrolle geratener Pinocchio bereits unterwegs<br />

auf einer Odyssee, die dann doch etwas anders als bei Collodi<br />

aussieht, vor allem was den Gehalt an Sex und Gewalt<br />

angeht, aber dennoch immer noch gewisse Parallelen zu<br />

dem Buch-Klassiker aufweist. Aus der sprechenden Grille<br />

wird etwa eine verwahrloste Wanze, eine Art Insekten-<br />

Bukowski, die sich in Pinocchios Kopf einnistet. Irgendwie<br />

gelingt es Winshluss sogar, noch Schneewittchen einzubauen,<br />

die sich hier sadomasochistisch veranlagter Zwerge<br />

der deutschen Vorzeige-Frickler TIME HAS COME, sondern<br />

um eine australische Moshcore-Band (fast) gleichen<br />

Namens. Schlecht machen die ihre Sache allerdings<br />

ebenfalls nicht gerade. Für so Breakdown-lastige Musik<br />

sind Sound und Machart recht nah an der Perfektion. Wer<br />

allerdings Abwechslung und so was wie Melodie erwartet,<br />

wird bitter enttäuscht. Alles in allem eine nette EP, aber<br />

ich wüsste jetzt auch nicht, warum das jemand (mangels<br />

deutschem Vertrieb) aus Australien importieren sollte, wo<br />

gerade der Ruhrpott doch voll mit Bands gleichen Kalibers<br />

ist. (6) Andreas Kuhlmann<br />

TEAMKILLER<br />

No More Fears, No More Darkness,<br />

No More Delusions<br />

MCD | Cobra X | myspace.com/cobraxrecords |<br />

20:06 || TEAMKILLER machen den nächsten, beinahe<br />

absehbaren Schritt. Nachdem die Texte schon immer<br />

recht spirituell und philosophisch angehaucht waren,<br />

nimmt man sich nun auch bei den Vocals John Joseph <strong>von</strong><br />

den CRO-MAGS zum Vorbild und schließt den Kreis zwischen<br />

textlichem Inhalt und Gesangsstil. Das macht Sinn<br />

und wird besonders bei den älteren Semestern gut ankommen.<br />

Durch die neuen Vocals haben die Stuttgarter auch<br />

einen Schritt weg vom Riff, hin zum Song gemacht und<br />

sich selbst neu erfunden. Besser hätten sie es nicht machen<br />

können. Die Powerchords des Sechssaiters sind eine gute<br />

Erdung bei Texten über Wiedergeburt, Wahrheit und<br />

den Kreislauf des Leids. Aber keine Angst, die Band bleibt<br />

immer auf Distanz zur organisierten Religion. Rein inhaltlich<br />

muss man natürlich an CRO-MAGS, SHELTER oder<br />

108 denken. Rund wird das Ganze durch den Groove, der<br />

auch diesmal wieder gigantisch ist. „Spiritual Relief“ lässt<br />

dann an die BAD BRAINS denken und macht neugierig auf<br />

kommende Liveshows. (8) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

THROATS<br />

s/t<br />

MCD | Holy Roar/Twelve Gauge | holyroarrecords.<br />

com | 17:55 || Ich habe die Band aus England vor ein<br />

paar Wochen live gesehen, sofort die Platte gekauft und<br />

noch in derselben Nacht hat sie, bis zum Morgengrauen,<br />

ihre Runden auf dem Teller gedreht. Was für ein – pardon<br />

– Brett! Und zwar gespickt mit Scherben, Splittern<br />

und rostigen Nägeln. Chaos, Zerstörung, Metal, HC-Punk<br />

und Rock’n’Roll, die Band hat alles gefressen, um es dir gut<br />

durchgekaut wieder vor die Füße zu kotzen. Technisch versiert,<br />

aber schön fies und dreckig kommen die sechs Songs<br />

dieser EP daher und wer mit Bands wie CONVERGE etwas<br />

anfangen kann, sollte auch bei dieser guten Viertelstunde<br />

/comIcS<br />

erwehren muss, während Pinocchio selbst im Spielzeugland<br />

eines diktatorischen Clowns an einer Zuckerstange<br />

aufgehängt wird. Das hat schon was <strong>von</strong> dem kranken Ideenreichtum<br />

eines Robert Crumb, an den der Franzose stilistisch<br />

teilweise durchaus erinnert, und ist auf jeden<br />

Fall ein Beweis dafür, dass auch heutzutage noch radikale<br />

Underground-Comics entstehen können. Nur dass inzwischen<br />

die Hemmschwelle gesunken ist, sich damit auch im<br />

Feuilleton auseinanderzusetzen, was nichts daran ändert,<br />

dass PINOCCHIO vielen in geschmacklicher Hinsicht<br />

etwas zu weit gehen wird. Aber das macht eben die Qualität<br />

<strong>von</strong> Paronnauds beeindruckend wildem Extrem-Kunstwerk<br />

aus, bei dem man versucht ist, es als kleines, abgründiges<br />

Meisterwerk zu bezeichnen. <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

Ulli Lust<br />

HEUTE IST DER LETZTE TAG VOM REST<br />

DEINES LEBENS<br />

Comic | avant-verlag | avant-verlag.de | 464 S., 29,95<br />

Euro || Autobiographische Comics können sehr oft<br />

Garanten für schlechte Zeichnungen und öde Geschichten<br />

sein, sind also mit<br />

Vorsicht zu genießen, vor<br />

allem, wenn es sich in<br />

einem solchen Umfang<br />

wie hier abspielt. Die in<br />

Berlin lebende österreichischeZeichnerin<br />

Ulli Lust erzählt in<br />

HEUTE IST DER LETZTE<br />

TAG ... <strong>von</strong> ihrer wilden<br />

zweimonatigen Odyssee<br />

durch Italien, inklusive<br />

Begegnungen mit der<br />

Mafia und harten Drogen,<br />

die sich Ende 1984<br />

zutrug, als die Autorin<br />

sich zusammen mit ihrer<br />

nymphomanischen Freundin Edith <strong>von</strong> Wien per Auto-<br />

Stopp in den Süden aufmachte und illegal die italienische<br />

Grenze überquerte. Dass sich Lust zu dieser Zeit der Punkszene<br />

zugehörig fühlte, spielt eigentlich nur am Rande eine<br />

Rolle und spiegelt sich eher in ihrer allgemeinen Lebenseinstellung<br />

wider, also klassisches Aussteigertum und Aufbegehren<br />

gegen die spießige Gesellschaft und die sie einengenden<br />

Eltern. Eine recht abenteuerliche Reise, vor<br />

allem für eine Frau, die in Italien mit einem völlig anderen<br />

Geschlechterrollen-Verständnis konfrontiert wird und<br />

hier vor allem allzeit bereites Lustobjekt ist, weshalb die<br />

Punkerin in Folge mit einigen Beinahe-Vergewaltigungen<br />

konfrontiert wird und generell das Erleben ihrer Sexualität<br />

als extrem traumatisch erfährt. Und man wundert sich<br />

schon ein bisschen (als Mann), wieso sie manche Sachen<br />

überhaupt so gelassen über sich ergehen lässt. Insofern<br />

wiederholen sich einige der Erfahrungen, die Lust macht,<br />

in gewisser Weise immer wieder, vor allem was den extremen<br />

Machismo der Italiener angeht. Wobei sie auf ihrer<br />

Reise auch jede Menge anderer Aussteiger kennen lernt,<br />

die nach einem gesellschaftlichen Gegenentwurf suchen,<br />

was HEUTE IST DER LETZTE TAG ... über die autobiografische<br />

Ebene hinaus auch zu einem sehr lebendigen zeitgeschichtlichen<br />

Dokument beziehungsweise einer Reportage<br />

werden lässt, was den Aufeinanderprall unterschiedlicher<br />

Kulturen und Lebensmodelle angeht. Zeichnerisch hat die<br />

Grafik-Designerin für die Umsetzung einen bewusst naiven,<br />

etwas dilettantisch anmutenden Stil gewählt, der aber<br />

gut mit ihrer Geschichte über jugendlichen Leichtsinn<br />

und Selbstfindung korrespondiert und in einer sehr direkten<br />

Bildsprache resultiert, ohne dass dabei Hintergründe,<br />

also Landschaft und Architektur, weniger atmosphärisch<br />

wären. Ein echtes Mammutwerk, in das Lust mehrere Jahre<br />

Arbeit gesteckt hat und HEUTE IST DER LETZTE TAG ...<br />

mit Abstand zu einem der besten deutschsprachigen autobiografischen<br />

Comics macht, der sich durchaus mit Craig<br />

Thompsons BLANKETS oder Marjane Satrapis PERSEPO-<br />

LIS messen kann, was die erzählerische Tiefe angeht. Der<br />

hohe Preis mag im ersten Moment abschreckend wirken,<br />

aber dafür bekommt man einen Comic geliefert, der schon<br />

fast die Dimension eines Buches besitzt und auch Menschen<br />

ansprechen dürfte, die nicht unbedingt ausgesprochene<br />

Fans dieses Mediums sind. <strong>Thomas</strong> Kerpen


hingerotzten Hasses auf seine Kosten kommen. Im April<br />

kommen THROATS mit ROLO TOMASSI und TRASH TALK<br />

übrigens wieder auf Tour ...(9) Sebastian Diez<br />

UUU<br />

UNDERGROUND RAILROAD<br />

TO CANDYLAND<br />

Bird Roughs<br />

CD | Recess | recessrecords.com | 34:46 || Was<br />

macht eigentlich Todd C, Boss <strong>von</strong> Recess Records und<br />

einst bei TOYS THAT KILL und F.Y.P.? Er ist U-Bahn-Fahrer<br />

geworden und steuert die UNDERGROUND RAILROAD<br />

TO CANDYLAND. Waren die FUCK YOU PEOPLE aber noch<br />

auf Krawall gebürstet und spielten entsprechend zappeligen<br />

Punkrock, sind URTC doch ein ganzes Stück gemäßigter,<br />

spielen poppigen Punkrock mit einem gewissen Sixties-Twang.<br />

Mich erinnert das immer wieder an die CUTE<br />

LEPERS, die ja auch die Fortführung der BRIEFS mit gemäßigteren<br />

Mitteln sind, mit ausgefeilterem Songwriting.<br />

Und so mangelt es auch URTC nicht an Energie und Spielfreude,<br />

aber statt permanent Vollgas zu geben ist die Gitarre<br />

hier auch mal eher akustisch, sind die Harmonien eher<br />

Powerpop. Das Album kommt auf Vinyl sowie auf CD im<br />

selbstgebastelten Papp-Booklet mit ausgesprochen schönem<br />

Artwork – Recess ist und bleibt ein Label für eigenwillige,<br />

außergewöhnliche Releases. (7) Joachim Hiller<br />

UFOMAMMUT<br />

Eve<br />

CD | Supernatural Cat/Cargo | supernaturalcat.com<br />

| 44:41 || „Idolum“ war ein Monster <strong>von</strong> einer Platte,<br />

das ein eigenes Kapitel in dem noch zu schreibenden Lehrbuch<br />

„Wie man Psychedelisches mit Brachialem zu einer<br />

undurchdringlichen Wall of Sound aufbaut“ verdient. So<br />

etwas lässt sich kaum steigern, insofern haben UFOMAM-<br />

MUT es auch gar nicht erst versucht und sind ihr sechstes<br />

Album „Eve“ etwas anders angegangen. Grundlegendes<br />

haben die Italiener dabei nicht verändert, loten sie doch<br />

immer noch die Grenzen der Verbindung <strong>von</strong> monotonem<br />

Doom und der brutalen Variante des Psychedelic aus,<br />

den Distortion-Regler und die Lautstärke aber haben sie<br />

dezent nach links gedreht und den in fünf Kapiteln geteilten,<br />

insgesamt aber nur einen Song auf „Eve“ dynamischer<br />

als „Idolum“ gestaltet. Der Aufbau des Stücks folgt somit<br />

dem textlichen Konzept, das <strong>von</strong> dem christlichen Märchen<br />

der ersten Frau der Erde, ihrem Aufbegehren gegen<br />

ihren Schöpfer und dessen Bestrafung dafür handelt. „Eve“<br />

mag also nicht die beeindruckend mächtige Gitarrenwand<br />

sein wie „Idolum“, heftiger Psychedelisches als UFOMAM-<br />

MUT wird man aber weiterhin woanders kaum finden.(8)<br />

André Bohnensack<br />

UNSPOKEN PROMISES<br />

s/t<br />

MCD | myspace.com/unspokenpromiseshc | 16:15<br />

|| Die relativ neue Band aus dem ostfriesischen Raum<br />

macht grundsätzlich nichts falsch mit ihrem an Bands wie<br />

ANOTHER BREATH oder auch JUST WENT BLACK erinnernden<br />

intensiven Hardcore. Die fünf Lieder klingen wie<br />

aus einem Guss, gehen ordentlich nach vorne, sind aber<br />

trotzdem abwechslungsreich genug und werden teilweise<br />

mit ruhigen akustischen Gitarrenspielereien aufgelockert.<br />

Einziges Manko ist die recht starke Vorhersehbarkeit. Selbst<br />

beim ersten Hören hat man das Gefühl, man könnte mitsingen.<br />

Das macht dann allerdings auch Spaß, denn gut<br />

gemacht sind die Songs allemal. (7) Sebastian Banse<br />

UNVEIL / DEADVERSE<br />

Split<br />

CD | myspace.com/xunveilx | myspace.om/deadverseband<br />

| 24:21|| „We will rebel against every form of<br />

oppression, be it towards humans or non-humans.“ Dieses<br />

Zitat <strong>von</strong> UNVEIL fasst treffend die Inhalte der vier Songs<br />

dieser Split-CD mit DEADVERSE zusammen, die übrigens<br />

auch auf der „Destruction Wherever I Go“ 7“ <strong>von</strong> UNVEIL<br />

enthalten sind. Die Veganer verpacken ihre Standpunkte in<br />

knackigen Hardcore-Songs, die ihren besonderen Wiedererkennungswert<br />

besonders der markanten, kreischend und<br />

heiser klingenden Stimme <strong>von</strong> Shouter Christian zu verdanken<br />

haben. Mein Fazit: kurzweilig, kraftvoll, mit Herz<br />

und Hirn gespielt, machen UNVEIL hier alles richtig. Die<br />

folgenden sieben Songs gehören den befreundeten DEAD-<br />

VERSE, die etwas gemäßigter an ihre Songs herangehen.<br />

Dies hat zwar keinen Einfluss auf die Intensität der Songs,<br />

macht diese aber somit auch für ein breiteres Publikum<br />

attraktiv, werden hier doch allerhand Rockanleihen in den<br />

Sound eingebaut. Mir persönlich sagen UNVEIL zwar eher<br />

zu, insgesamt ist diese Split-CD aber ein rundum gelungener<br />

Release. (8/7) Tobias Ernst<br />

UNBUNNY<br />

Moon Food<br />

CD | Affairs Of The Heart | myspace.com/unbunny |<br />

32:07 || Man muss sich wohl nicht weiter darüber unterhalten,<br />

dass UNBUNNY ein wirklich selten blöder Bandname<br />

ist, den sich der Sänger/Gitarrist Jarid del Deo aus<br />

Seattle da für seinen kreativen Output ausgesucht hat.<br />

Und wenn ich mir die nichtssagende Besprechung zu dessen<br />

letztem Album in diesem Heft so anschaue, wüsste ich<br />

auch nicht, warum man sich mit dessen Musik weiter auseinandersetzen<br />

sollte. Seit Mitte der Neunziger nimmt del<br />

Deo bereits Musik auf und ganz grundsätzlich hat man es<br />

hier mit dem typischen überstrapazierten LoFi-Indierock<br />

für Slacker-Sensibelchen zu tun, die gerne am Lagerfeuer<br />

heulen, wozu auch del Deos dünnes Stimmchen passt. Aber<br />

irgendwas macht der Mann dann doch anders, denn seine<br />

Kompositionen weisen eine angenehme Cleverness und<br />

Verspieltheit auf und bleiben tatsächlich hängen. „Moon<br />

Food“ ist dabei gleichermaßen traditioneller Folk wie eingängiger<br />

Pop, was sich auch in den originell instrumentierten<br />

Songs durchgehend widerspiegelt. Dabei schadet<br />

es auch nicht, dass del Deo permanent an den jungen<br />

Neil Young erinnert, der auf seinen ersten Platten trotz<br />

Rockstar-Status noch ähnlich schüchtern klang. Rockstars<br />

werden UNBUNNY mit Platten wie „Moon Food“ zwar<br />

nicht mehr, aber spielen wirklich sehr schönen, unaufdringlich<br />

melodischen Indierock, bei dem die Gitarren<br />

mal etwas lauter und verzerrter klingen und auf den man<br />

sich wirklich gerne einlässt. (8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

URAL UMBO<br />

s/t / Latent Defects<br />

CD/MCD | Utech | utechrecords.com | 46:49/33:48<br />

|| Als Vierjähriger habe ich zusammen mit meinen Eltern<br />

die Katakomben unter Rom besichtigt, und im Gedächtnis<br />

geblieben ist mir die Angst, durch einen Unfall dort alleine<br />

zurück gelassen zu werden, im Dunkeln, in der Enge und<br />

unter den ganzen dort liegenden Toten. Spielte ich diesen<br />

Gedanken nun weiter und setzte voraus, dass ein Verhungern,<br />

aus irgendeinem eigenartigen Grund unmöglich<br />

wäre, wie hörte sich der mit Sicherheit irgendwann einsetzende<br />

Wahnsinn im eigenen Kopf an, auch gespeist <strong>von</strong><br />

Geräuschen aus der sonst einsamen Umgebung? Das aus<br />

dem Schweizer Reto Mäder (RM74, SUM OF R) und dem<br />

in Chicago lebenden Steven Hess (ON, HAPTIC, PAN AME-<br />

RICAN) bestehende Projekt URAL UMBO ist nun sicherlich<br />

nicht das erste, das mit seiner Musik eine Art Grusel<br />

erzeugen möchte, ihr organischer Dark Ambient mit vielen<br />

düsteren Klangflächen als auch klar zu identifizierenden<br />

und den Song dominierenden Instrumenten hat aber<br />

zumindest diese lang vergessene Kindheitserinnerung hervor<br />

geholt, selbst bei dezentem Licht am Schreibtisch vor<br />

dem Bildschirm. „Ural Umbo“ sowie die das Debütalbum<br />

begleitende EP „Latent Defects“, deren Songs aus den selben<br />

Aufnahmen gebildet wurden, sind beeindruckend<br />

bedrückende Stücke Horror-Klangkunst, obwohl subtil<br />

und zurückhaltend. Ich gehe jetzt mal vor die Tür an die<br />

frische Luft ... (8) André Bohnensack<br />

vvv<br />

VEGAS KINGS<br />

You’ll Never Work In This Town Again<br />

CD | Mere Noise | merenoise.net | 34:27 || Mit dem<br />

dritten Album im Gepäck werden die VEGAS KINGS aus<br />

Brisbane, Australien im Mai 2010 ein zweites Mal durch<br />

Europa touren, und ich<br />

bin mir sicher, wer die<br />

Band bei der ersten Tour<br />

gesehen hat, das Debüt<br />

„For Those Who Came In<br />

Late“ (2003) oder „Dead<br />

Money“ (2007) kennt,<br />

wird auch diesmal dabei<br />

sein. Ein guter Vorgeschmack<br />

darauf ist der<br />

dritte Longplayer „You’ll<br />

Never Work In This Town<br />

Again“, das im Herbst<br />

2009, auf Mere Noise<br />

Records, erschien (dem Label <strong>von</strong> Sänger und Gitarrist<br />

Pete Collins) und das <strong>von</strong> Jim Diamond abgemischt wurde.<br />

Die VEGAS KINGS erweisen sich schon auf Platte als ungeheuer<br />

spielfreudige, mitreißende Band, die so unterschiedliche<br />

Bands wie die MONSTERS (und ganz allgemein Voodoo<br />

Rhythm Records), SCIENTISTS, GUN CLUB, OBLIVI-<br />

ANS, GORIES oder ONYAS als Einflüsse anführt, und in der<br />

Ausführung dieser Verehrung <strong>von</strong> eher trashigem Garage-<br />

Punk dann doch diesen gewissen rauhen, lauten Aussie-<br />

Touch an den Tag legt. Denn wer so ungestüm wie BORED!<br />

loslegt, wer die Kantigkeit <strong>von</strong> BEASTS OF BOURBON aufweist,<br />

der scheint auch deren Alben zu schätzen. Erstklassiger<br />

Stoff, ich bin rundum begeistert. (9) Joachim Hiller<br />

ROCKY VOTOLATO<br />

True Devotion<br />

CD | Defiance/Cargo | defiancerecords.de | 34:15 ||<br />

Das neue Album des Barden aus Seattle fängt verdammt<br />

stark an, denn der Opener „Lucky clover coin“ sowie sein<br />

Folgetrack „Fragments“ zeigen sich im Bandgewandt, was<br />

den Songs viel mehr Wärme und Fülle verleiht als Votolatos<br />

Solovorstellungen. Trotzdem vermag das reduzierte<br />

„Red river“ dem starken Prolog das Wasser zu reichen, da<br />

Rocky eine Geschichte erzählt, die einfach fesselt. Danach<br />

ist er wieder ganz der Alte, ein melancholisch-verzweifelter<br />

Songwriter, der durch sein Fingerpicking glänzt und<br />

ein überzeugter Einzelkämpfer ist, was seine Musik angeht.<br />

„Sparklers“ überrascht mit ein paar Elliott Smith-Harmonien<br />

und das darauffolgende „Instrument“ wird <strong>von</strong><br />

einer Mundharmonika eröffnet, während Votolato herzzerreißend<br />

das Heimweh besingt. Zum Heulen schön, aber<br />

zugleich auch sehr depressiv. Inzwischen klingt Votolato<br />

beinahe so erhaben wie der Man In Black, wenn da nicht<br />

die recht unspektakulären Songs gegen Ende des Albums<br />

wären. Diese erinnern doch etwas zu sehr an sein selbstbe-<br />

titeltes Debüt <strong>von</strong> 1999. Trotzdem ein Album, welches ich<br />

nicht missen möchte, selbst wenn es die hohe Messlatte der<br />

ersten Tracks nicht ganz zu halten vermag. Eine kleine Entschädigung<br />

ist da mit Sicherheit das Artwork mit Illustrationen<br />

<strong>von</strong> Rachael Peacock und die Gewissheit, dass Votolato<br />

auf dem besten Weg zu einem Klassikeralbum ist und<br />

dieses bestimmt bald vorlegen wird. (8) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

VANDAVEER<br />

Divide & Conquer<br />

CD | alter. k records | alter-k.com | 42:21 || Es ist<br />

nicht leicht, „Divide & Conquer“ zu kategorisieren. Der<br />

Opener „Fistful of swoon“ gibt eine dunkle Richtung<br />

vor: die minimalistischen Intrumente, der sich in einen<br />

Abgrund steigernde zweistimmige Gesang <strong>von</strong> Mark Heidinger<br />

und Rose Guerin, der in der abschließenden Textzeile<br />

„a kingdom you did lead from heaven to hell“ kulminert<br />

– das könnte <strong>von</strong> Leonard Cohen stammen. Dann wiederum<br />

gibt es mit „A mighty Leviathan of gold“ ein Lied,<br />

das sich anhört wie ein BRACKET-Akustik-Stück, und auf<br />

das dann das düstere Piano-Intro <strong>von</strong> „Turpentine“ folgt.<br />

Auch hier tauchen wieder die Leitmotive <strong>von</strong> Himmel und<br />

Hölle auf, auch hier steht der Protagonist am Rande eines<br />

seelischen Abgrunds, was in der großartigen Zeile „I’ll see<br />

the light in a different shade, I won’t fear the night when<br />

it’s black as day“ artikuliert wird. „Divide & Conquer“ ist<br />

ein Album voller Stimmungsschwankungen, das hohe<br />

Ansprüche an den Zuhörer stellt. Die Geduld, die man<br />

wegen seiner Vielschichtigkeit mit ihm haben muss, zahlt<br />

sich jedoch aus. (7) Myron Tsakas<br />

VELVETEEN<br />

27<br />

CD | Fuego | fuego.de | 40:14 || Die erste Assoziation<br />

beim Hören dieses einheimischen Vierers ist DEATH CAB<br />

FOR CUTIE und so recht wird man diese Referenz nicht<br />

mehr los. Elektronische Beats, Ben Gibbard-Habitus bei<br />

den Vocals, eingängige Indiesongs mit Rhodes-Orgel, mal<br />

Uptempo, dann wieder sehr bedächtig und atmosphärisch<br />

arrangiert. Das schöne Artwork erinnert an „Our Love To<br />

Admire“ <strong>von</strong> INTERPOL und würde die zweite Plagiatsklage<br />

wohl rechtfertigen, aber durch die vielen elektronischen<br />

Sprengsel im Sound der Band haben die elf Songs<br />

schon ihren eigenen Charakter. Wenn DCFC mal nicht in<br />

der Stadt sein sollten, oder man deren Alben schon zu oft<br />

hat rotieren lassen, sind VELVETEEN und ihr vierter Longplayer<br />

eine dankbare Alternative. (7) <strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

VIOLENT ARREST<br />

Minute Manifestos<br />

CD | Boss Tuneage/Cargo | bosstuneage.com | 27:14<br />

|| Was machen eigentlich RIPCORD, einst neben HERESY,<br />

CHAOS UK und NAPALM DEATH die Helden des Achtziger-UK-Hardcore?<br />

75% <strong>von</strong> RIPCORD machen seit einer<br />

Weile unter dem Namen VIOLENT ARREST genau da weiter,<br />

wo sie vor 25 Jahren schon waren, ballern also Song-<br />

Granaten zwischen ein und maximal zwei Minuten Dauer<br />

in die Welt hinaus und lassen nicht den Eindruck entstehen,<br />

als seien sie in den vergangenen zwanzig Jahren ruhiger<br />

oder entspannter geworden. Schnarrender Oldschool-<br />

Hardcore mit rauhem, aber durchaus melodie-orientiertem<br />

Gesang, der auch 2010 noch frisch klingt und<br />

nicht nach alten Männern, die es nochmal wissen wollen.<br />

Schnörkellos, immer voll auf die Zwölf, engagierte Texte –<br />

musikalisch würden die bei einem Konzert mit FUCKED<br />

UP und SNIFFING GLUE gut als „Zwischenband“ passen.<br />

Auf der CD finden sich zehn ganz neue Songs plus zwölf<br />

<strong>von</strong> der 2009er Do-7“ plus zwei Compilation-Tracks.<br />

rEvIEws<br />

Ein Rundum-glücklich-Paket, das man sich aber angesichts<br />

der recht geringen Spielzeit statt auf CD lieber auf LP<br />

gewünscht hätte. (8) Joachim Hiller<br />

VERMIN POETS<br />

Poets Of England<br />

CD | Damaged Goods/Cargo | damagedgoods.co.uk<br />

| 35:43 || Billy Childish hat eine neue Band. Der Nachrichtenwert<br />

dieses Satzes geht gegen Null, das ist so alltäglich<br />

wie die Tatsache, dass<br />

im Herbst die Blätter<br />

<strong>von</strong> den Bäumen fallen.<br />

Wirklich überraschend<br />

ist allerdings, das man<br />

bei den VERMIN POETS<br />

den schnauzbärtigen<br />

Fließbandsongschreiber<br />

nicht an Gitarre<br />

und Gesang erlebt. Diesen<br />

Part übernimmt nun<br />

Neil Palmer, vormals<br />

Kopf der begnadeten,<br />

aber verkannten Cambridger<br />

Garagepsych-Band FIRE DEPT. Childish zupft nur<br />

den Bass und schmettert gelegentliche Backing-Vocals.<br />

Erstaunlich jedenfalls ist, dass die Band völlig Childishuntypisch<br />

klingt. TELEVISION PERSONALITIES und THE<br />

WHO stehen Pate für den Sound, allerdings ist durchaus<br />

die schepperige Childish-Lofi-Handschrift zu spüren. Leider,<br />

und das ist quasi der roter Faden hier, ist der Gesang<br />

noch schräger als bei den meisten Childish-Bands zuvor,<br />

und manchmal ist es echt anstrengend mitzuhören, wie<br />

sich Palmer durch die stellenweise abenteuerlichen Melodiebögen<br />

quält. Lobenswert allerdings ist, dass mal wieder<br />

eine komplett neue Ideologie hinter dem Projekt steckt,<br />

die Palmer und Childish mit Feuer und Flamme umsetzen.<br />

(7) Gereon Helmer<br />

VENOMOUS<br />

Preserved Emergencies<br />

MCD | DC-Jam | dcjamrecords.com | 21:55 || Ja,<br />

der Bandname stimmt – das hier sind nicht VENOMOUS<br />

CONCEPT minus ein Wort, sondern VENOMOUS aus West<br />

Chester, PA, deren Album bereits 2007 auf Creep Records<br />

erschienen ist, jetzt aber auf DC-Jam „umgeflaggt“ wurde.<br />

Drei Jahre sind eine lange Zeit, entsprechend finden sich<br />

im Netz auch ein paar neuere Songs und ich schätze, ein<br />

weiterer Release steht in Kürze an. Ich bin gespannt, denn<br />

schon die neun Tracks dieser EP sind wirklich begeisternd,<br />

zumindest wenn man auf fiebrigen Wave-Punk steht, der<br />

mehr nach 1985 als 2007 oder 2010 klingt. Treibend, düster,<br />

dicht und melodiös, so kann man die Songs beschreiben,<br />

die mich etwas an GENE LOVES JEZEBEL erinnern,<br />

oder auch an THEATRE OF HATE, jedoch ohne deren<br />

gewisse Theatralik. Ein gewisser psychedelischer Touch ist<br />

auch vorhanden, hier und da wird vorsichtig ein Synthesizer<br />

eingesetzt – wer Gothpunk schätzt, ist hier genau richtig.<br />

(7) Joachim Hiller<br />

WWW<br />

WE ARE THE OCEAN<br />

Cutting Our Teeth<br />

CD | Hassle | hasslerecords.com || Ob WE ARE THE<br />

OCEAN an Schizophrenie oder Größenwahn leiden, kann<br />

ob des Bandnamens zwar angenommen, allerdings nicht<br />

bewiesen werden. Fakt ist hingegen, dass die Jungs aus Lon-<br />

NO IDEA BANDS ON TOUR!<br />

YOUNG LIVERS<br />

“Of Misery and Toil” LP/CD<br />

&<br />

APRIL 8 - MAY 1<br />

BRIDGE AND TUNNEL<br />

“Indoor Voices” 10”<br />

DEAR LANDLORD<br />

“Dream Homes” LP/CD<br />

MAY<br />

5 -26<br />

�THOUSANDS OF UNDERGROUND PUNK RECORDS, CDS, SHIRTS, AND OTHER FUN STUFF ONLINE �<br />

OX-FANZINE 109


EvIEws<br />

don verdammt routinierten Emo/Post-Hardcore spielen,<br />

der an den besten Stellen seiner hymnenhaften Refrains<br />

teilweise sogar an MUSE erinnert. Ansonsten wären FUNE-<br />

RAL FOR A FRIEND oder LOSTPROPHETS wohl die musikalischen<br />

Eckpunkte, zwischen denen WE ARE THE OCEAN<br />

sich äußerst gekonnt bewegen. (7) David Schumann<br />

WHITE HILLS<br />

s/t<br />

CD | Thrill Jockey | thrilljockey.com | 59:09 ||<br />

Genau so oft wie alte Krautrockbands werden im Bereich<br />

Neo-Psychedelic, inklusive irgendwelcher Grenzgänger in<br />

Richtung Ambient und Metal, in letzter Zeit auch gerne<br />

wieder HAWKWIND als Inspirationsquelle angeführt,<br />

als eine der ersten Band, die trippigen Artrock und Heavy<br />

Metal verschmolzen und wiederum Bands wie MUDHO-<br />

NEY beeinflussten. Der Spacerock dieses New Yorker Trios<br />

macht auf jeden Fall keinen Hehl daraus, das seine Erzeuger<br />

schon mal was <strong>von</strong> HAWKWIND gehört haben. Mit ihren<br />

ersten Veröffentlichungen auf CD-R zogen sie die Aufmerksamkeit<br />

<strong>von</strong> Julian Cope auf sich, der 2005 das erste<br />

Album veröffentlichte. 2007 erschien dann mit „Heads On<br />

Fire“ eine inzwischen vergriffene Platte auf Thrill Jockey.<br />

Spacerock ist wie so vieles eine recht abgenutzte Kategorie,<br />

beschreibt aber recht passend den fuzzigen Drone-Rock<br />

<strong>von</strong> WHITE HILLS, der sich nach anfänglich eher rockigen<br />

Parts immer mehr in einer hypnotischen, sich in monotonen<br />

Loops bewegenden Jam-Session verliert, ein mächtiger<br />

Wall Of Sound mit vereinzelten fast ambientartigen Einschüben.<br />

Man nehme die psychedelischeren Momente <strong>von</strong><br />

BORIS oder noch besser MONSTER MAGNETs in dieser<br />

Hinsicht wegweisendes Album „Tab“, und man bekommt<br />

eine ungefähre Vorstellung <strong>von</strong> dem, was einen hier erwartet.<br />

Ein besonderer Höhepunkt dabei ist auf das 13-minütige,<br />

beschwörende „Let the right one in“ – manche Songs<br />

sollten einfach niemals aufhören. Musik wie gemacht fürs<br />

Roadburn-Festival, wo sie 2009 auch gespielt haben. (8)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

WHITE HINTERLAND<br />

Kairos<br />

CD | Dead Oceans/Cargo | deadoceans.com | 41:36<br />

|| Hinter dem Duo WHITE HINTERLAND stehen die<br />

Sängerin Casey Dienel und Shawn Creeden. Auf ihrem<br />

dritten Album „Kairos“ dominieren die elektronischen<br />

Soundtüfteleien. WHITE HINTERLAND arbeiten mit<br />

Perkussion, E-Drums, Synthesizern, Loops und sonstigen<br />

Soundfetzen, allerdings alles in einer wohl dosierten<br />

Form, denn im Ohr bleiben eher die tiefen, dahinwummernden<br />

Bass-Spuren hängen. Ganz besonders fällt vor<br />

allem die teilweise an Siouxsie Sioux erinnernde Stimme<br />

auf. Die zehn Stücke auf „Kairos“ wirken so teilweise kühl<br />

und etwas verhalten, aber das passt durchaus und ist angenehm.<br />

(6) Kay Werner<br />

WHITE WIZZARD<br />

Over The Top<br />

CD | Earache | earache.com | 46:51 || Nach zwei EPs<br />

veröffentlichen die Briten WHITE WIZZARD mit „Over<br />

The Top“ ihr erstes vollständiges Album, welches dank seiner<br />

musikalischen Ausrichtung knietief in den Achtzigern<br />

steckt. Was seinerzeit JUDAS PRIEST und IRON MAIDEN<br />

vorgemacht haben soll nun offensichtlich fortgesetzt werden,<br />

was im Grunde auch ganz passabel gelingt. Angefangen<br />

bei den knackigen Riffs, die denen der Vorbilder in<br />

Nichts nachstehen, über den ausdruckstarken Gesang, bis<br />

hin zur druckvollen, authentischen Produktion, bei der<br />

vor allem der Bass so deutlich durchkommt, wie es leider<br />

viel zu selten der Fall ist, präsentieren uns WHITE WIZ-<br />

ZARD ihre Version der NWOBHM. Einziger Wermutstropfen<br />

ist die Tatsache, dass man sich in punkto Arrangements<br />

zuweilen etwas zu offensichtlich bei den „eisernen Jungfrauen“<br />

bedient. Hier wäre etwas mehr Eigeninitiative<br />

wünschenswert, denn die musikalischen Fußstapfen des<br />

DADAJUGEND<br />

Polyform<br />

MCD | Audiolith | audiolith.net | 42:07 || Das nenne<br />

ich doch mal Einsatz und eine volle wie tolle Leistung.<br />

Pralle gefüllt dröhnt mir die neue DADAJUGEND-Maxi-<br />

CD entgegen. Was andere an Spieldauer noch nicht mal<br />

für eine LP zusammenbekommen, wird hier gnadenlos<br />

als Maxi supportet. Okay, ein Song und fünf dazugehörige<br />

Remixe, Versionen, Video und Visionen. Wie auch immer:<br />

Es lohnt sich. Auf jeden Fall wundere ich mich, wie schnell<br />

ich mich auf diesen aktuellen Sound eingetanzt habe. Das<br />

hört sich <strong>von</strong> der reinen Klangästhetik an wie gepimptes<br />

Jugendheim: Italo-Disco, frühes House, wilder Wave und<br />

obskure B-Side-Elektrotechnik für Spinner. Sehr unterhaltsam<br />

und gnadenlos verstrahlt. Der unwiderstehliche<br />

Charme <strong>von</strong> verschmiertem Eyeliner und der süße<br />

Geschmack <strong>von</strong> aufgelecktem Dancefloor-Schweiß. Welche<br />

Pillen muss ich montags nehmen? (7)<br />

BOB BLANK<br />

The Blank Generation –<br />

Blank Tapes NYC 1975-85<br />

CD | Strut/K7 | strut-records.de | 77:04 || Wenn<br />

man über elektronische Musik und speziell über House<br />

oder Clubsounds spricht, wird eigentlich immer die komplette<br />

Palette an Wegbereitern in den Siebziger Jahren vergessen,<br />

und da speziell die Produzenten, die ein Händchen<br />

für frische und aufregende Sounds hatten und das, was<br />

außerdem am nötigsten war: das richtige Equipment. Das<br />

gilt erst recht für Ur-Formen der schwarzen Clubmusik,<br />

also Funk, Soul und „Disco“. Okay, George Clinton kennt<br />

inzwischen jeder, aber wer fällt euch ansonsten noch ein?<br />

Wer hat denn das Detroit-House „erfunden“? Da hört es<br />

schon auf und so ist mir Bob Blank auch erst mit dieser<br />

Zusammenstellung bewusst untergekommen. Wunderbare<br />

fette Bläser und Grooves, die einen überrollen, endlose<br />

Studio54er-Disco-Visionen oder perlender Soul.<br />

Streicher zwitschern verführerisch, extrem luftig, leichte<br />

Melodien und flirrende Gitarren. Natürlich dürfen auch<br />

die obligatorischen Handclaps mit G-Funk-Bass nicht fehlen.<br />

Eine wunderbare Reise quer durch sein Schaffen und<br />

damit immer genau am Puls einer Stadt, die nie schläft. (7)<br />

PHILIPP QUEHENBERGER<br />

Hazard<br />

CD | Laton/Trost | laton.at | 36:24 || Lebendige<br />

Elektronik so und in dieser Güte hinzubekommen, ist<br />

schon eine kleine Meisterleistung, aber dafür ist Mr. Quehenberger<br />

ja auch schon einiges an Weltzeit unterwegs.<br />

Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen beherrscht er die<br />

Technik und nicht umgekehrt. Aus Improvisationen heraus<br />

werden allerhand obskure Soundlabyrinthe auf- und<br />

abgebaut, die eigentlich in ihrer ersten Anlage sehr schlicht<br />

und spröde wirken. Das Magische aber an ihnen ist ihre<br />

unglaubliche Energie und eben die Lebendigkeit, die ja<br />

elektronischer Musik meistens abgesprochen wird. Wahrscheinlich<br />

ist es der menschliche, immer neugierige und<br />

improvisierende Faktor, der einen tiefer und tiefer hineinzieht.<br />

Das ist in etwa so, als würde der Track ins eine Ohr<br />

OX-FANZINE 110<br />

Herrn Dickinson und Kollegen sind bei aller spieltechnischen<br />

Finesse <strong>von</strong> WHITE WIZZARD definitiv zu groß, um<br />

sie würdig ausfüllen zu können. (7) Jens Kirsch<br />

WHOREHOUSE<br />

Execution Of Humanity<br />

CD | Mad Lion/Twilight | madlion.eu | 45:02 ||<br />

Was ist denn im Moment in Polen los? Bay-Area-Thrash<br />

scheint ja gerade hoch im Kurs zu stehen, und neben der<br />

grandiosen VIRGIN SNATCH-LP (okay bis auf den Bandnamen)<br />

ist auch „Execution Of Humanity“ ein beachtliches<br />

Werk im Fahrwasser <strong>von</strong> TESTAMENT und EXODUS<br />

geworden, mit viel Midtempo und Groove, gelegentlich<br />

mal eine Melodie eingestreut und der Gesang genretypisch.<br />

Obige Bands werden aber nicht geblaupaust, sondern ihre<br />

Art und ihr Gefühl übernommen und in durchaus eigene<br />

Ideen gesteckt. Wirklich Neues ist da natürlich nicht zu<br />

erwarten, aber WHOREHOUSE sind grundsolide und als<br />

Alternative zu bekannten Bands durchaus in Betracht zu<br />

ziehen. (6) Dr. Oliver Fröhlich<br />

WILDEBEESTS<br />

The Gnus Of Gnavarone<br />

CD | Dirty Water | dirtywaterclub.com | 38:19 ||<br />

Ein lustiges Wortspiel: Aus dem Buch- und Filmtitel „The<br />

Guns of Navarone“ wird hier die die Verballhornung „The<br />

Gnus Of Gnavarone“ – ein Spaß, der sich auf den Bandnamen<br />

zurückführen lässt, bezeichnet das niederländische<br />

Wort Wildebeest nicht nur ein „wildes Biest“, sondern<br />

ist ein anderes Wort für Gnu. There you go. 1998 erschien<br />

das erste Album der Briten, damals noch auf Sympathy For<br />

The Record Industry, und auf dem neuen Werk, das <strong>von</strong><br />

Jorge <strong>von</strong> DOCTOR EXPLOSION in Spanien aufgenommen<br />

wurde, erweist sich das Trio, bestehend aus John Gibbs<br />

(THE KAISERS, THE MASONICS, Holly Golightly), Lenny<br />

Helsing (THANES, GREEN TELESCOPE) und Russ Wilkins<br />

(POP RIVETS, MILKSHAKES, DELMONAS) erwartungsgemäß<br />

als Traditionalisten im Sinne ihres bisherigen Schaffens.<br />

Das puristische Auflebenlassen <strong>von</strong> Sixties-Garage-<br />

Beat erledigen die Herren genauso professionell wie mitreißend,<br />

brechen die erfreuliche, höchst unterhaltsame<br />

Routine aber auch mal durch eine überraschende Coverversion<br />

auf und würdigen die RAMONES mit einem exzellenten<br />

Cover <strong>von</strong> „I remember you“ – und auch eine psychedelische<br />

Shoegazer-Nummer darf nicht fehlen. Große<br />

Klasse, da die alten Herren hier und da auch mal die<br />

Genre-Grenzen überschreiten. (8) Joachim Hiller<br />

xxx<br />

XENO & OAKLANDER<br />

Sentinelle<br />

CD | Wierd Records | wierdrecords.com | 39:48 ||<br />

Das kleine Label Wierd Records aus Brooklyn, New York,<br />

gehört zum Besten, was die USA in Sachen Cold/Minimal<br />

Wave und Minimal Synth zu bieten hat. Betreiber ist<br />

der New Yorker DJ Pieter Schoolwerth, der seit 2003 die<br />

legendären Wierd Clubnights beschallt. Neben Bands wie<br />

BLACKLIST (in guten Momenten so etwas wie die US-<br />

Ausgabe <strong>von</strong> THE COMSAT ANGELS) zählen das Duo XENO<br />

& OAKLANDER um die Halbfranzösin Liz Wendelbo und<br />

den Amerikaner Sean McBread zu den wirklich außergewöhnlichen<br />

Acts des Labels. Auf ihrem Debütalbum gibt es<br />

wunderbaren sphärischen Achtziger Jahre-Minimal Wave<br />

und moody Electronic Pop, der ab und an so klingt, als<br />

ob das Album 1982 in einem schlecht beleuchteten Berliner<br />

Keller aufgenommen wurde und sie bereits im Vorprogramm<br />

<strong>von</strong> NO MORE gespielt hätten. Die entrückte,<br />

fast elegische Stimme <strong>von</strong> Liz Wendelbo, mit dem Lieblichkeitsfaktor<br />

einer Charlotte Gainsbourgh versehen, harmoniert<br />

mit dem narrativen und trockenen Gesangsstil <strong>von</strong><br />

McBread, wobei beide schon mal auf Französisch singen.<br />

Mitunter klingen die Songs wie eine frankophile und ver-<br />

/WILLKommEN IN DER ELEKTRISchEN ZoNE<br />

eingespeist, und wenn er das Gehirn durch das andere Ohr<br />

wieder verlässt, hinterlässt er nichts außer den sehnsüchtigen<br />

Wunsch, diese Produktion im Dauerbetrieb laufen<br />

zu lassen. Bizarr. Verführerisch. Modern. Düster. Besitzergreifend.<br />

Genial! Eine solch intensive Erfahrung habe<br />

ich bisher nur bei alten THE KLINIK-Veröffentlichungen<br />

gemacht, die <strong>von</strong> der Strukturierung her ähnlich aufgebaut<br />

sind. (10)<br />

CEEPHAX ACID CREW<br />

United Acid Emirates<br />

CD | Planet Mu | planet.mu | 56:12 || Wer ein Herz<br />

für Spinner hat, wird diese Platte lieben. Darf ich mal wieder<br />

die totale Kaufempfehlung aussprechen? Ja – Aaaaaaaaacid!<br />

Kein „War“, sondern einfach nur pralle und glücklich<br />

grinsende Gesichter. Die Musik ist so schön bunt, wirr<br />

und durcheinander, wie es sich gehört. Es britzelt, bratzelt,<br />

knistert und scheppert gehörig aus allen Lautsprechern.<br />

Arme in die Höhe und an der puren, analogen Wunderwelt<br />

reiben. Pling und Plong zu Besuch im Elektriktrick-<br />

Universum. Happy-Hardcore-Gekloppe meets Videospiel.<br />

Schraub‘ mir bitte deinen Multiple-Trig-Out direkt bis in<br />

mein Gehirn. (9)<br />

NOTIC NASTIC<br />

It’s Dark But It‘’s Ok<br />

CD | Shitkatapult | shitkatapult.com | 49:05 ||<br />

Wenn man mit einem Bus durch die Wand fahren will, darf<br />

man nicht mit angezogener Handbremse anfahren, und<br />

wenn man einen Frontalangriff auf das elektronische Leitsystem<br />

startet, sollte man sich nicht nur auf den modernen<br />

Beat verlassen. Reduktion und Konstruktion in allen<br />

Ehren, und ich habe nichts gegen kalte, gebrochene Sounds<br />

und Strukturen, nur irgendwie fühle ich mich gerade wie<br />

bei „Germany’s Next Top Model“: lauter schöne Hüllen, die<br />

hübsch anzuhören und auch ansonsten überlebensfähig<br />

sind, aber nur ein Glamorama veranstalten. Das ist mir zu<br />

viel greller Style und neue digitale Kompression. Da werde<br />

ich nicht <strong>von</strong> alleine heiß, da brauche ich Eiswürfel, damit<br />

die Nippel richtig hart werden. (6)<br />

PASCAL FUHLBRÜGGE<br />

Enthusiasm<br />

CD | Hand11/Indigo | fuhlbruegge.net | 43:08 ||<br />

Vorschusslorbeeren: Gründer des L’Age d’Or Labels und<br />

Mitglied <strong>von</strong> SAND 11. Okay, also irgendwie kein Unbekannter.<br />

Diese Mischung aus Innovationselektronik<br />

und einer sich ständig erweiternden Singer/Songwriter-Begrifflichkeit<br />

ist nicht neu und seit der unbegrenzten<br />

MySpace-Möglichkeit, neue Musik direkt gegenzuhören,<br />

tummeln sich viele auf diesem Schlachtfeld. Pascal<br />

Fuhlbrügge weiß zwar genau, was er da macht, und<br />

sicher auch warum, aber mehr als zusammenhanglose<br />

Skizzen sind das für mich nicht. Eine nette Zusammenstellung<br />

für Entdecker. Das genau ist immer das Problem:<br />

Auf verschiedenen Hochzeiten zu tanzen, ist ein Wunschgedanke<br />

und sicher ist auch das künstlerische Verlangen da,<br />

sich nicht einschränken zu lassen, aber zu welchem Preis?<br />

niedlichte Version <strong>von</strong> DAF. Allerdings sind die Songs oft<br />

einem engen stilistischen Korsett gefangen. (7)<br />

Markus Kolodziej<br />

XIU XIU<br />

Dear God, I Hate Myself<br />

CD | Kill Rock Stars/Cargo | killrockstars.com |<br />

37:09 || Kürzlich bei der Rezension des Albums <strong>von</strong><br />

FORMER GHOSTS, an dem XIU XIUs Kopf Jamie Stewart<br />

maßgeblich beteiligt<br />

war, war ich noch<br />

etwas im Unklaren darüber,<br />

inwieweit man<br />

das mit seiner Hauptband<br />

in Einklang bringen<br />

konnte. Beim Hören<br />

<strong>von</strong> „Dear God, I Hate<br />

Myself“, dem mittlerweile<br />

siebten Longplayer<br />

dieser äußerst seltsamen<br />

Formation aus Kalifornien,<br />

liegen die Parallelen<br />

deutlich auf der<br />

Hand. Kategorisieren kann man XIU XIU nach wie vor<br />

nur sehr schwer. Grundsätzlich sind XIU XIU wohl eine<br />

Popband, die Leuten mit einer recht beschränkten Definition<br />

dieses Begriffes wie eine fürchterliche Missgeburt<br />

erscheinen dürfte, die man am besten im nächsten Wassereimer<br />

ertränkt. Denn vor allem Stewarts Gesang zerrt<br />

an den Nerven, ist der doch eine bewusst schräg klingende<br />

Karikatur <strong>von</strong> Marc Almond, wobei auch die Melodramatik<br />

seiner billig klingende LoFi-Kompositionen viel<br />

mit dem barocken Synthiepop <strong>von</strong> SOFT CELL gemeinsam<br />

hat. Bemerkenswert an dieser oft sehr anstrengenden<br />

„Katzenmusik“ ist, dass sich aus Stewarts Geheule und<br />

dem skurrilen musikalischen Spielzeuginstrumentenland<br />

<strong>von</strong> XIU XIU immer wieder ganz wundervolle Melodien<br />

herausschälen, und man müsste schon taub sein, um<br />

nicht zu erkennen, dass der Typ doch irgendwie ein kleines<br />

Genie ist. XIU XIU ist einfach sympathische Spinnermusik,<br />

Lichtjahre <strong>von</strong> irgendwelchem Massengeschmack entfernt,<br />

ein abseitiger, experimenteller Folk-Elektronik-Pop,<br />

hinter dessen süßlich-naiven Melodien und den filigranen<br />

Arrangements eine extrem subversive Systematik steckt,<br />

auch hinsichtlich <strong>von</strong> Stewarts Texten. (8) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

ZZZ<br />

ZWAKKELMANN<br />

Kulturbeutel 2010<br />

CD | Rilrec/Broken Silence | rilrec.de | 41:16 ||<br />

ZWAKKELMANN schlägt wieder zu, und das bereits zum<br />

vierten Mal. Das nenne ich mal konsequentes Verfolgen<br />

der eigenen Mission. Aber das Komponieren, Texten, Einstudieren<br />

und Aufnehmen kleiner, feiner Pop-Songs – in<br />

diesem Falle „16 hübsche HiFi-Hits“ – ersetzt nun einmal<br />

wunderbar den überteuerten Psychiater. Und wenn<br />

man sich mit ZWAKKELMANNs Texten wie „Kontrolliertes<br />

Trinken“, „Onanie“ oder „Ja – vielleicht bin ich asozial“<br />

beschäftigt, drängt sich schon der Verdacht auf, dass<br />

dieser <strong>von</strong> Nöten wäre. Aber zum Glück gibt es eben das<br />

Ventil des Musizierens. Was auch noch den Vorteil hat, dass<br />

die Welt da draußen in den Genuss immer wieder wunderbarer<br />

Lieder aus Schlaffkes Feder kommt. Diesmal<br />

unterstützt <strong>von</strong> Schlagzeug und Bass, ist inzwischen endgültig<br />

aus der Ein-Mann-Band ein regelrechtes Rocktrio<br />

geworden, das aber natürlich nach wie vor ganz klar durch<br />

Schlaffkes Handschrift geprägt ist. So kommen nicht nur<br />

alte SCHLIESSMUSKEL-Fans auf ihre Kosten, sondern auch<br />

jeder Mensch mit seinem Herz am richtigen Fleck, denn<br />

etwas Herzliches, Zerbrechliches und durch und durch<br />

Menschliches umgibt jeden einzelnen Song <strong>von</strong> „Kulturbeutel<br />

2010“. (9) Abel Gebhardt<br />

Der Versuch, irgendwas einfach mal ganz bewusst zu verpassen,<br />

scheint für viele Musiker oder Kreative nicht mehr<br />

attraktiv zu sein. Stattdessen Stagnation in alle Richtungen.<br />

Wann findet endlich die eine erfolgreiche Gehirnimplosion<br />

statt? (5)<br />

KONRAD SPRENGER<br />

Versprochen<br />

CD | Schoolmap/A-Musik | schoolmap-records.<br />

com | 35:45 || Komponisten haben es in der heutigen<br />

Zeit sehr schwer. Da sitzen sie jahrelang in ihren Studios<br />

und basteln so lange an ihren Aufnahmen herum, bis auch<br />

wirklich jedes Detail so ist, wie sie es wollen, und dann<br />

wird die Platte endlich auf edlem Vinyl und in einer 300er<br />

Auflage <strong>von</strong> einem italienischen Label veröffentlicht und<br />

der Rezensent hat nix Besseres zu tun, als sich in der Nase<br />

zu popeln, gleichzeitig seine Wäsche zu falten und auch<br />

noch eMails zu beantworten. Begeisterung sieht anders aus.<br />

Aber was soll ich machen, rein gar nichts inspiriert mich<br />

zu einem Höhenflug oder auf der anderen Seite zum Veriss.<br />

Die Platte kommt einfach 40 Jahre zu spät. Ein bisschen<br />

<strong>von</strong> allem. Zögernd. Unentschlossen. Brillant. Kristallklar.<br />

Durchproduziert. Die neue CLUSTER kommt mir in<br />

den Sinn. Ansatzweise. Nur der entscheidende Funke fehlt.<br />

Mögen andere ihn finden und weitertragen. Ich werde sie<br />

nicht aufhalten. Versprochen. (6)<br />

BRATZE<br />

Korrektur nach unten<br />

& die Notwendigkeit einer Übersetzung<br />

CD | Audiolith | audiolith.net | 39:34 || Was soll<br />

man bei so einem entwaffnenden Titel noch denken,<br />

schreiben oder mehr wollen? Da erliegt man doch lieber<br />

gleich dem Charme <strong>von</strong> CLICKCLICKDECKER und<br />

DER TANTE RENATE, die mit ihrem neuen Album gleich<br />

einen kompletten Überblick über die aktuelle Möglichkeiten<br />

des deutschen E-Clash geben. „Erwachsen“ sind sie<br />

geworden, hört sich doch eher spießig an und das wollen<br />

wir garantiert nicht sein. „Reifer“ (?). Okay, das ist eine<br />

nette Umschreibung für Weiterentwicklung und austoben<br />

werden sie sich sicher wieder auf der anstehenden<br />

Tour. Die Produktion ist angenehm und glasklar durchkonzipiert.<br />

Ecken, Eigenwilligkeiten und Kanten sind weiterhin<br />

vorhanden und an den passenden Stellen wohlplatziert.<br />

Hochklassig. Erstklassig. Ausgewogenheit. Präferenzklasse.<br />

(8)<br />

MASAYOSHI FUJITA & JAN JELINEK<br />

Bird, Lake, Objects<br />

LP | Faitiche | faitiche.de || Ein präpariertes Vibraphon<br />

ist wohl auch nicht eines der handelsüblichen Klangerzeuger<br />

und der Japaner Masayoshi Fujita, übrigens<br />

bekennender BON JOVI-Fan, spielt es mit Bravour. Begleitet<br />

wird er sehr zurückhaltend <strong>von</strong> Jan Jelinek mit ausgewählter<br />

Live-Elektronik. Überhaupt ist hier alles sehr<br />

lebendig und unwiderruflich dokumentiert. Raummikrofone<br />

fingen jede Bewegung, jede Aktion dieses Duos<br />

ein und natürlich auch alle Nebengeräusche. Was elektronisch<br />

erzeugt wurde und was auf dem schon angesproche-<br />

ZU<br />

The Way Of The Animal Powers<br />

LP | Public Guilt | publicguilt.com || Endlich<br />

erscheint dieses längst vergriffene Album in einer Luxusversion<br />

auf dem sympathischen Label Public Guilt. Im<br />

Jahre 2005 auf Xeng veröffentlicht, war es in Handumdrehen<br />

vergriffen. Das Spektrum der enthaltenen metalisch<br />

jazzigen Improvisationen der drei Römer erstreckt sich<br />

<strong>von</strong> treibend bis düster, <strong>von</strong> progressiv bis aggressiv, aber<br />

immer mit einer großen unterschwelligen Portion Humor.<br />

ZU sind selten allein auf ihren Tonträgern anzutreffen, so<br />

reihen sich Gäste wie NO MEANS NO, Mats Gustafsson,<br />

Peter Brötzmann, Nobukazu Takemura, Ken Vandermark,<br />

THE MELVINS oder Mike Patton in eine gediegene Riege<br />

an Spielpartnern ein. Auf diesem Album wird die Combo<br />

ergänzt <strong>von</strong> dem Cellisten Fred Lonberg-Holm, welcher<br />

bereits mit Anthony Braxtons CREATIVE ORCHESTRA<br />

oder John Zorn auf der Bühne stand. Den finalen Schliff<br />

erhält dieses Prachtstück durch Produzent und Tonmaître<br />

James Plotkin, der soundtechnisch untrennbar mit SUNN<br />

O))), ISIS, PELICAN und EARTH verwoben ist und unter<br />

anderem für Mick Harris’ SCORN in die Saiten und Trickkisten<br />

greift. Sein Schaffen verdeutlicht sich eindrucksvoll,<br />

wenn man sich dieses gute Stück über Kopfhörer einverleibt.<br />

Dieses Album erscheint in Form einer 180 Gramm<br />

Langspielplatte, in schwarz/weiß gemischtem Vinyl. (10)<br />

JeNnY Kracht<br />

ZOO<br />

Trilogi Peradaban<br />

CD | Dual Plover/Metamkine | dualplover.com ||<br />

Im ersten Moment habe ich den Eindruck, den Jungs aus<br />

Indonesien würde eine Runde Baldrian im morgendlichen<br />

Tee verdammt gut tun. Hektisches Gekreische, dissonantes<br />

Geflöte und schiefes Gefiedel trifft auf ein herrlich<br />

chaotisches Schlagzeuggeknüppel. Dabei verbinden sie<br />

ihre Punkrock-Wurzeln mit traditionellen indonesischen<br />

Musiksequenzen, experimentellem Math-Rock, Lo-Fi,<br />

Noise und Neofolk. MELT BANANA und MR BUNGLE tanzen<br />

mit den RUINS indonesische Volkstänze. Hoffentlich<br />

kommen die Jungs mal auf Tour. (8) JeNnY Kracht<br />

ZENI GEVA<br />

Alive And Rising<br />

CD | Hello From The Gutter | kknull.com | 52:47 ||<br />

Aus dem Deutschen stammende Fremd- oder Lehnwörter<br />

in anderen Sprachen finde ich immer höchst interessant,<br />

vor allem wenn man darüber spekuliert, warum es in<br />

der jeweiligen Sprache kein eigenes Wort dafür gibt – man<br />

nehme nur „angst“ im Englischen. Genauso interessant ist<br />

„Geva“ im Japanischen, das auf das deutsche Wort „Gewalt“<br />

zurückgeht. „Zeni“ übrigens bedeutet „Geld“. ZENI GEVA<br />

wiederum gibt es schon seit 1987, als Bandmastermind KK<br />

Null die Formation in Tokyo ins Leben rief. Seitdem veröffentlichen<br />

sie regelmäßig Alben, und im Gegensatz zu vielen<br />

Landsleuten tun sie das auch im Ausland, können auf<br />

Releases auf Alternative Tentacles und Skin Graft verweisen.<br />

Speziell waren die Musik und die Konzerte <strong>von</strong> ZENI GEVA<br />

schon immer (im Frühjahr 2010 steht mal wieder eine<br />

Deutschland-Tour an): Ein massiver Angriff auf die Sinne,<br />

eine anstrengende Mixtur aus Hardcore-Blasts, metallischen<br />

Riffs, komplexem Schlagzeugspiel und und jazziger<br />

Verspieltheit. Eigentlich seltsam, dass diese Musik sich eher<br />

bei Experimental-Fans und Moers-Festival-Besuchern<br />

einer gewissen Beliebtheit erfreut als bei jenen, die DIL-<br />

LINGER ESCAPE PLAN und ähnliche Mathcore-Chaoten<br />

abfeiern, obwohl die Parallelen doch unverkennbar sind.<br />

Anderseits wissen Liebhaber der mit ZENI GEVA auch personell<br />

hier und da verbundenen BOREDOMS und RUINS<br />

die Soundeskapaden <strong>von</strong> KK Null zu schätzen, denen man<br />

im Falle dieses Livealbums anhand <strong>von</strong> Mitschnitten aus<br />

Kobe und Kyoto im September 2009 folgen kann. Anstrengend,<br />

aber wie sagt man so schön? No pain, no gain. (7)<br />

Joachim Hiller<br />

nen, ähnlich dem bekannten präparierten Klavier (man<br />

nehme: Schrauben, Pappe, Klebeband, Metall, Stöcke und<br />

Ähnliches) bearbeiteten Vibraphon, lässt sich nicht wirklich<br />

herauszuhören. Natürlich werden die wunderschönen,<br />

leicht flirrenden, schwebenden und zerbrechlichen<br />

Klänge sofort diesem Instrument zugeordnet, aber wer<br />

weiß? So manchen fremdartig gebrochenen und perkussiven<br />

Klang würde ich dem auch zuordnen. Es ist wie immer<br />

und eigentlich ganz egal. Die Stimmung ist einmalig und<br />

nimmt den Hörer direkt gefangen, wenn er die Konzentration<br />

und Ruhe dazu hat. Sicher keine Musik für Nebenbei,<br />

sondern man sollte sich schon Zeit nehmen und zum<br />

bewussten Hören zurückkehren wollen. (7)<br />

VEX’D<br />

Cloud Seed<br />

CD | Planet Mu/Groove Attack | planet.mu | 59:26<br />

|| Erste Assoziation: In einer alten Schwarz/Weiß-Kulisse<br />

<strong>von</strong> David Lynch wird ein endloser Progressiv-Rave gestartet<br />

und Björk gibt die MC. Verhallte und verschmierte, extrem<br />

morbide-düstere Klanglandschaften werden <strong>von</strong> verdrehten<br />

und verzerrten Rhythmusgittern durchdrungen.<br />

Selektion. Reduktion. Vivisektionen. Kalt bis auf<br />

die Knochen, aber immer noch unsicher bei der mühsamen<br />

Wanderung durch die Antimaterie. Der Cyberspace<br />

kurz vor dem Blackout. Martialisch, funktional und berechenbar.<br />

Aussterbende Industrieromantik. Ein wichtiger<br />

Schritt, aber eben nur ein wiederhergestellter Übergang.<br />

Immer noch mehr <strong>von</strong> dieser Energie in den Maschinenraum<br />

pumpen! Wahrscheinlich sind sie sich, wie so oft, der<br />

Anfänge noch nicht einmal bewusst. Wir müssen nur wieder<br />

beginnen, die jungen, gierigen Hunde zu füttern, und<br />

schon liegt das Neuland wieder offen vor uns. It’s Time For<br />

Da Second Edition Ov Da Industrial Revolution! (8)<br />

MINAMO<br />

Durée<br />

CD | 12k/A-Musik | 12k.com | 45:17 || Das Verlangen,<br />

klassische, akustische Instrumente mit puren elektronischen<br />

Klängen zu verbinden, ist schon immer das Bestreben<br />

innovativer Künstler gewesen und sei es nur, um eine<br />

grenzenlose Klangvielfalt und Ausdrucksmöglichkeiten<br />

zu haben. In Japan hat man sich dieser Sache sehr intensiv<br />

gewidmet und ein Label wie Noble mit seinen Veröffentlichungen<br />

stellt wohl das Optimum dar, was zur Zeit<br />

möglich ist. Natürlich gibt es zu jeder Bewegung auch<br />

Bands/Projekte, die die Position <strong>von</strong> „Vorreitern“ inne<br />

haben, so wie hier MINAMO, die schon im letzten Jahrtausend<br />

damit begannen, diese musikalische Idee konsequent<br />

umzusetzen ständig weiterzuentwickeln. Da fast alle<br />

Tracks live eingespielt wurden und auf Improvisationen<br />

beruhen, gibt es natürlich auch einige hörbare Schwächen<br />

und eher langweilige, zähe Passagen ,die mit nichts sagenden<br />

Standards aufgefüllt und überbrückt werden. Insgesamt<br />

also eher eine durchwachsene Angelegenheit, die nur<br />

Leuten zu empfehlen ist, die sich eingehender mit diesem<br />

Stil beschäftigen oder beschäftigen möchten. (6)<br />

Carsten Vollmer


VA- Appetite For Deconstruction!<br />

(2004/2005) / DVD / DestinyRec.<br />

KAFKAS - Paula / CD / Domcore<br />

THE MOVEMENT -<br />

Revolutionary Sympathies / Destiny Rec.<br />

ZWAKKELMANN<br />

Kulturbeutel 2010 / CD / RilRec<br />

NÖTIGUNG<br />

Bunkersinfonien In Arsch Voll<br />

CD / Impact<br />

EGOTRONIC - Ausflug Mit Freunden<br />

CD / LP+CD / Audiolith<br />

ADOLAR - Schwörende Seen, Ihr Schick-<br />

salsjahre / CD / LP / unterm durchschnitt<br />

RIOT BRIGADE<br />

Go On! / CD / LP / Concrete Jungle Rec.<br />

HÖRINFARKT - Popp- Und Blasmusik<br />

CD / Puke Music<br />

BRATZE - Korrektur Nach Unten<br />

CD / LP+CD / Audiolith<br />

KARATE DISCO - Discostress<br />

CD / LP / RilRec<br />

THE LAZY BOYS<br />

Shadows / CD / Part Rec.<br />

AUXES - Ichkannnichtmehr<br />

CD / LP+Downl. / Gunner Rec.<br />

THE TITTY TWISTERS ORCHESTRA<br />

Gorf Pow Bang Tump! / CD / LP /Soundflat<br />

JAMES CHANCE & TERMINAL CITY<br />

The Fix Is In / CD+DVD / CD / Le Son du Maquis<br />

NINJA GUN - Restless Rubes<br />

CD / LP+Downl. / Gunner Rec.<br />

TRIBUTE TO NOTHING - How Many Times<br />

Did We Live? / CD / Destiny Rec.<br />

RASTA KNAST - Die Katze Beißt In Draht<br />

CD / Destiny Rec.<br />

CRAZY ARM - Born To Ruin<br />

CD / LP+Downl. / Gunner Rec.<br />

ASHES OF A LIFETIME - When All Goes<br />

Up In Flames / CD / European Label Group<br />

rEvIEws<br />

OX-FANZINE 111


Reviews<br />

FANZINEMACHER!<br />

Schickt uns eure Hefte zum Besprechen! Im Tausch schicken wir euch natürlich das Ox. Also ab in die Post mit eurem Meister-<br />

oder auch Machwerk: Ox-Fanzine, Postfach 110420, 42664 Solingen<br />

ALLEINER THREAT<br />

Zine | mikareckinnen@gmx.de | alleinerthreat.<br />

blogsport.de | A6, 64 S., 1 Euro + Porto || Ein neues Egozine<br />

im Hosentaschenquerformat stammt <strong>von</strong> Mika Reckinnen,<br />

der lange Zeit das Strafraumpogo-Zine gemacht<br />

sowie schon für etliche andere Fanzines geschrieben hat,<br />

vom Drachenmädchen über Plastic Bomb bis zum Trust,<br />

vor allem aber den Pankerknacker. Inhaltlich geht es in der<br />

ersten Ausgabe hauptsächlich um den Umgang mit geistigen<br />

Eigentumsrechten, wobei er sich im ersten Beitrag<br />

(„Das Ox zum Berge führen“) auf eine Kolumne <strong>von</strong> Joachim<br />

Hiller in Ox #82 bezieht und dabei – trotz scharfer<br />

Kritik – angenehm sachlich bleibt, im Unterschied zu<br />

seinem Fanzine-Kollegen „Stefan Stiletti“ im Pankerknacker,<br />

<strong>von</strong> dem sich Mika hier aber nur drei Fragen zur eigenen<br />

Person stellen lässt. In „Die Musikindustrie und die<br />

Verfolgung ihrer Kunden/innen“ und „Those Major Punks<br />

are Mysterious“ geht es wieder um das Schwerpunktthema.<br />

Mikas wahre Stärke aber ist die Short-Story, etwa seine<br />

Vision einer nahen Zukunft in „Patentierter Gewinner“<br />

oder der U-Bahn-Horror „Als Hitler geht Gott an Karneval“.<br />

Außer einigen Konzert- und Alltagsfotos aus Thailand<br />

und den Philippinen gibt es dann noch zwei Rubriken:<br />

Live-Berichte aus dem Großraum Essen sowie die Fanzine-<br />

Reviews. Okay, das ist Punkrock 2010. Ute Borchardt<br />

HUMAN PARASIT #9<br />

Zine | Philipp Bäppler, Norderstr. 35, 24939 Flensburg |<br />

humanparasit.blogspot.com | A5, 60 S., 2 Euro (inkl. MC<br />

4,-) || „Chaos, Panik, Tohuwabohu ...“Am letzten Aprilwochenende<br />

veranstaltet Bäppi ein dreitägiges Punk-Festival<br />

im Flensburger Hafermarkt, angekündigt sind „10<br />

Ausgaben Human Parasit Fanzine – 20 Kisten Freibier –<br />

30 Jahre Bäppi“. Vor der Jubiläumsausgabe, die es exklusiv<br />

bei dem Festival geben soll, musste natürlich erst HP #9<br />

erscheinen und wahrscheinlich ist das Heft deswegen ein<br />

kleines bisschen dünner ausgefallen. Genug ist trotzdem<br />

drin, zum Beispiel lange Interviews mit Niklas, dem Sänger<br />

<strong>von</strong> ALERT aus Kiel, und Clara <strong>von</strong> der schwedischen All-<br />

Girl-Band BEYOND PINK, die auch beide beim HP-Fest<br />

auftreten werden. Erfahrungen anderer Veranstalter sind da<br />

natürlich nicht uninteressant, zu Wort kommen daher Bollo/Break<br />

The Silence Festival und Jens <strong>von</strong> der Destruction<br />

Crew, eine Konzertgruppe in der Alten Meierei Kiel. Viel zu<br />

erzählen hat auch Micha, „Ururalt-Punk“ aus Hannover,<br />

etwa über die Chaostage, WOHLSTANDSMÜLL, Nasty Vinyl,<br />

„Höhnblöd“ und – die Bäckerehre. Ach ja, Bäppi wird<br />

jetzt Bäcker und somit „ein Eckpfeiler der Gesellschaft“,<br />

was ihm beim Quizshow-Casting leider auch nicht geholfen<br />

hat, aber die Story ist ein echtes Highlight. Statt also<br />

bei Pilawa aufzutreten, veranstaltet Bäppi hier sein eigenes<br />

Quiz, Hauptgewinn: Human Parasit #10, denn „... der Parasit<br />

bist du!“ Ute Borchardt<br />

IN THE STREETS OF HAMBURG #9<br />

Zine | Fanladen FC St. Pauli | streetsofHH@yahoo.de |<br />

A5, 66 S., 1 Euro || Ausgabe #9 des Fanzines der St. Pauli<br />

Skinheads: inhaltlich eine runde Sache, mit vielen Berichten<br />

über Fußball und Musik, die uns Kurzhaarigen am Herzen<br />

liegt. Gegenkultur wird hier groß geschrieben, allerdings<br />

kann ich mit dem meisten Zeug nix anfangen, denn<br />

Fanzines im Portrait, teil 1<br />

PunKrocK!<br />

Die erste Nummer des Mannheimer Fanzines erschien<br />

2005. Gegründet wurde das Heft <strong>von</strong> Bocky,<br />

zuvor Pogopresse, und Oli Obnoxious und<br />

Richard, zuvor Punkrock Guide. Heute wird das<br />

Heft gemacht <strong>von</strong> Bocky, Oli Obnoxious und<br />

Dennis Degenerate. Die bevorzugten Stilrichtungen:<br />

Streetpunk, Anarcho-Punk, Hardcore,<br />

und etwas Oi! – aber eigentlich alles, was sich mit<br />

Punk in Verbindung bringen lässt.<br />

Was mich seit gut zehn Jahren antreibt, Fanzines<br />

herauszubringen, ist wohl derselbe Grund, weshalb<br />

andere Leute eine Band gründen. Aber da ich<br />

eben zu schlecht an einem Instrument bin, habe<br />

ich mich für den Stift und die Tastatur entschieden.<br />

Doch nicht nur deshalb, sondern weil Schreiben<br />

das Medium ist, in dem ich mich am besten<br />

ausdrücken kann. Zudem verstehe ich dieses<br />

halbwegs kreative Nach-außen-Gehen als unglaubliche<br />

Bereicherung und extrem hilfreich<br />

für eine Art der persönlichen Weiterentwick-<br />

OX-FANZiNe 112<br />

der FC St. Pauli ist nicht mein Club und geht mir heftigst<br />

am Allerwertesten vorbei. Als Rautenträger schlägt mein<br />

Herz für den anderen Verein in Hamburg. In Sachen Musik<br />

sieht es da anders aus, denn mit dem SHAM 69 vs. 4<br />

SKINS ist eine richtig gelungene Kolumne am Start, und<br />

die Berichte über GONNA GET YOURS und PRODUZEN-<br />

TEN DER FROIDE stimmen mich versöhnlich. Gute Bands<br />

! Also, wer auf Bootboy-Fanzines und Fußball steht, sollte<br />

zugreifen. Ich halte es da frei nach Mark Twain: „Bevor ich<br />

die Leute, die mich hassen, liebe, fange ich lieber an, meine<br />

Freunde besser zu behandeln.“ – Hart & Smart.<br />

Sebastian Walkenhorst<br />

MONKEY BUSINESS #3<br />

Zine | Brigade Nord 1516 c/o Jörn Drees, Hellkamp 13,<br />

20255 Hamburg | BN1516@gmx.de | A5, 76 S. || Beim<br />

ersten Heft ging’s um den Klassenerhalt des VfL Osnabrück<br />

in der zweiten Fußballbundesliga. Der Fußballgott hatte<br />

kein Erbarmen und sagte sich „Lass’ die in der kommenden<br />

Saison in der dritten Liga verweilen und dann mal sehen,<br />

ob die Mannschaft und die Fans das Zeug für den Wiederaufstieg<br />

haben.“ Derzeit sieht es gar nicht schlecht aus,<br />

der Verein bewegt sich immer in der Aufstiegszone. Also<br />

mal sehen, auf welchem Tabellenplatz man am Ende der<br />

Saison steht. Bis dahin kann man sich das Fußball-Fanzine<br />

des Fanclubs Brigade Nord 1516 zu Gemüte führen. Neben<br />

diversen Auswärts- und Heimspielbesprechungen des VfL<br />

gibt es wieder Konzertberichte und Tonträgerbesprechungen<br />

und einige Insiderinfos in Sachen Fußball- und Fankultur,<br />

gemäß dem Motto: Fußball muss dreckig bleiben<br />

für den fußballbegeisterte Punk und Skin. Und auch dieses<br />

Mal gilt es Daumendrücken für den VfL Osnabrück, dass es<br />

mindestens der Relegationsplatz um den Aufstieg wird. In<br />

der Saison 2010/2011 sehen wir uns wieder in der zweiten<br />

Bundesliga! Simon Brunner<br />

PROUD TO BE PUNK #13<br />

Zine | Jan Sobe, Stockartstr. 15HH, 04277 Leipzig | jan.<br />

sobe@t-online.de | A5, 80 S., 1,50 Euro + Porto || „Punk<br />

is resistance“ steht hier fett auf der Rückseite, und also per<br />

se politisch, ansonsten wäre es wohl kaum etwas, auf das<br />

einer wie der Jan aus Leipzig stolz sein könnte. Ein hoher<br />

Anspruch geht oft mit Enttäuschungen einher, da ist verständlich,<br />

dass Jan manchmal Lust hätte, die Brocken einfach<br />

hinzuwerfen – stattdessen ist sein Fanzine schon wieder<br />

eine ganze Ecke umfangreicher geworden. 80 engbedruckte<br />

Seiten und keine Inhaltsangabe, es ist ein bisschen<br />

wie eine Wundertüte, und immer wenn ich es aufschlage,<br />

gibt es etwas anderes zu entdecken: hier das lange<br />

Interview mit den Machern des Luzerner Romp-Fanzines,<br />

dort die Vorstellung einer überregionalen Kampagne<br />

„Wir bleiben alle!“ mit dem Ziel, selbstorganisierte Räume<br />

zu erkämpfen und verteidigen, dann der wie üblich überraschend<br />

umfangreiche Sachsen-Szene-Report. Und immer<br />

wieder das A im Kreis – ob im Gespräch mit dem AutorInnenkollektiv<br />

<strong>von</strong> „Libertad para todos“, einem „Medium<br />

Thüringer AnarchistInnen“, oder der Band STURZ-<br />

FLUG und ihr „Anarchist Raw Punk Terror“. Ausführlich<br />

vorgestellt werden auch die israelischen Aktivisten „Anarchists<br />

Against The Wall“, dazu passend an anderer Stelle die<br />

Filmdoku „Jericho’s Echo – Punk Rock in the Holy Land“<br />

lung. Durch das ständige Angetriebensein, Dinge<br />

und/oder Tatsachen offensiv nachzufragen oder<br />

zu hinterfragen, eröffnen sich oft viele verschiedene<br />

Sichtweisen. Dadurch entwickeln sich gefestigte<br />

Meinungen, können aber solche auch gerne<br />

mal wieder ins Wanken bringen. So verarbeitet<br />

jeder unserer Schreiber seine Gedanken, Gefühle<br />

und Erlebtes in Texten oder Interviews. Dieser<br />

Mix ist ein Punkt, der meiner Meinung nach unser<br />

Fanzine ausmacht.<br />

Wir sind kein reines Musik-Fanzine, obwohl dieser<br />

Teil den überwiegenden Platz einnimmt. Wir<br />

achten darauf, dass wir nicht nur Bands präsentieren,<br />

die wir klasse finden. Mindestens genauso<br />

wichtig ist es uns aufzuzeigen, dass es neben der<br />

großen Leidenschaft zur Musik noch bedeutend<br />

mehr zu entdecken gibt. Da kommt dann gerne<br />

mal ein Zeichner oder Filmemacher zu Wort,<br />

ebenso gerne werden Wohnalternativen, kulturelle<br />

Projekte oder Personen vorgestellt, die nicht<br />

auf den ersten Blick Punkrock sind. Ich persönlich<br />

definiere Punk als eigenständige Kultur, die<br />

sich leider viel zu oft an der vorherrschenden<br />

Kultur orientiert und diese anprangert, anstatt<br />

selbst was auf die Beine zu stellen, um damit eine<br />

Alternative anzubieten. Punk bedeutet für mich,<br />

eine eigene Kultur zu schaffen und diese mit<br />

möglichst wenigen Kompromissen abseits dieses<br />

schrägen Systems zu leben. Um es noch einmal zu<br />

verdeutlichen: Punk ist für mich keine Gegenkultur,<br />

sondern schlicht eine andere Kultur!<br />

Ein weiterer Teilaspekt, der das Punkrock!-Fanzine<br />

ausmacht ist die Qualität der ausgewählten<br />

Themen. Diese finde ich im Informationsoverkill<br />

des Internetzeitalters extrem wichtig. Damit<br />

behaupte ich einfach mal, dass wir essentielle<br />

Berichte für unsere Subkultur machen. Das<br />

meiste darüber hinaus ist einfach bloß Masse und<br />

hat wahrscheinlich alles, bloß keine Klasse. Diese<br />

Aussage ist ganz bewusst provozierend und kontrovers,<br />

womit wir bei einem weiteren ganz wichtigen<br />

Teil unseres Fanzines sind: Wir hauen auf die<br />

Kacke, treten gerne verbal in die Eier und fühlen<br />

mit Alufolie auf verplombte Zähne. Denn nichts<br />

ist langweiliger als eine nüchterne Berichterstattung.<br />

Und da es keine Objektivität gibt, ziehen wir<br />

liebreizender Diplomatie den blutverschmierten<br />

Baseballschläger vor! Unser Heft steht ebenso für<br />

Unverbohrtheit und dennoch Ernsthaftigkeit wie<br />

für heitere Ausgelassenheit und die Unterstützung<br />

des D.I.Y.-Gedankens.<br />

Bocky punkrock-fanzine.de<br />

... Angemerkt sei noch, dass sich Jan bei alldem hier nun<br />

keinesfalls zum Szenepolizisten aufspielt, was nicht zuletzt<br />

sein Artikel „Political Correctness – Fluch oder Segen?“ beweist.<br />

Ute Borchardt<br />

PLASTIC BOMB #70<br />

Zine+CD | plastic-bomb.de | A4, 80 S., 3,50 Euro || Der<br />

Herr auf dem Cover, der nur ab unterhalb der Brust abgebildet<br />

ist und dessen haarige Beine aus knappen Shorts<br />

ragen, macht deutlich, worum es in einem Heft-Special<br />

geht: Um schwule Punks, um „Gay Punks“. Ein interessantes<br />

Thema, fallen Sätze wie „Ey, bist du schwul oder was?!“<br />

oder „Du Schwuchtel“ doch auch unter Punks in klar abfällig<br />

gemeinter Weise. Gleich am Anfang aber geht es um<br />

das Kennenlernportal „Abgefuckt liebt Dich!“, das ein<br />

durchaus interessantes Phänomen darstellt, bevor zu TE-<br />

LEMARK umgeschaltet wird, gefolgt <strong>von</strong> DISTEMPER und<br />

MOSKOVSKAYA im Doppelpack. OI POLLOI haben fürs PB<br />

ihre Tourerlebnisse protokolliert, MDC kommen mal wieder<br />

zu Wort, die Hardcore-Band OVERKILL FOR PROFIT<br />

erzählt über das Leben in Aserbaidschan (Timur bleibt vorsichtig,<br />

denn die Regierung liest mit ...), und Ronja fügt<br />

der „Herstory of Punk“-Serie mit Lizal <strong>von</strong> den DORKS<br />

aus Bayern eine weitere Folge hinzu. Inhaltlich wie immer<br />

eine bunte, sehr interessante Mischung, die unter dem in<br />

letzter Zeit wieder sehr chaotisch gewordenen Layout leidet.<br />

Joachim Hiller<br />

PUNKROCK! #11<br />

Zine | punkrock-fanzine.de | P.O. Box 10 05 23, 68005<br />

Mannheim | A5, 100 S., 3 Euro || Auch die elfte Ausgabe<br />

<strong>von</strong> Bockys Heft ist sehr lesenswert und unterhaltsam<br />

– und das fängt schon bei Bockys Kolumne an, in der er<br />

die Scheinheiligkeit <strong>von</strong> Pankerkacker-Kollege Stefan Uhl<br />

sowie <strong>von</strong> Ben und ANR Records thematisiert, was ihre<br />

„Holier than thou“-Attitüde im Umgang mit der so genannten<br />

„Grauzone“ anbelangt. Klare, aber unpolemische<br />

Worte, auf die der Pankerknacker-Mann nur mit stumpfem<br />

verbalem bzw. illustratorischem Hooliganismus zu reagieren<br />

wusste. Lesenswert: Der Australien-Tourbericht der<br />

SPERMBIRDS, die Lied-für-Lied-Kommentierung ihres<br />

Albums seitens EISENPIMMEL, Grundsätzliches in Sachen<br />

Skinhead-Kult, Chuck Ragan wurde ausgefragt, eine, die es<br />

wissen muss, berichtet vom Überlebenskampf der Kreuzberger<br />

Institution SO36, und es gibt Nachdenkliches zum<br />

Ende <strong>von</strong> MUFF POTTER. Dazu die Standards: Liveberichte,<br />

Fanzine-, Buch- und Plattenreviews, allesamt kompetent<br />

und scharfzüngig. Positiv auch das klare, aufgeräumte Layout.<br />

Joachim Hiller<br />

PANKERKNACKER #23<br />

Zine || Kleiner Geist plus großes Ego ergeben in der Summe<br />

null. Joachim Hiller<br />

STADTMANDAT #3<br />

Zine | stadtmandat-ol@web.de | A5, 56 S., 1,45 Euro +<br />

Porto || Böller beschreibt in seinem Egozine seine ganz<br />

eigenen Eindrücke <strong>von</strong> seiner Stadt Oldenburg. Oldenburg?<br />

Was fällt mir zur Stadt Oldenburg ein ... Das lässt sich jetzt<br />

also ändern, indem wir uns der Impressionen Böllers annehmen.<br />

Der erste Schwerpunkt in dieser Ausgabe ist das<br />

16. internationale Filmfestival. Da es dort außerdem seit<br />

Jahren einmal wieder zu einer Hausbesetzung kam, wird<br />

ein kleiner Exkurs in die Hausbesetzerszene Deutschlands<br />

gewagt, allerdings meiner Meinung nach sehr oberflächlich.<br />

Und dann gibt es auch noch den VfB Oldenburg, der<br />

Fanzine-KlassiKer im Portrait, teil 1<br />

THinK!?!<br />

fanzines<br />

sich in der Oberliga Niedersachsen-West durchaus einer<br />

aktiven und intakten Fan-Szene erfreuen darf. Der Verein<br />

lugt bereits seit zwei Jahren Richtung Regionalliga, hat den<br />

Sprung in der Relegation immer ganz knapp verpasst. In<br />

diesem Zusammenhang ist der Artikel über Fußball und<br />

Antirassismus vom Bündnis aktiver Fußballfans (B.A.F.F.)<br />

sehr interessant. Musik spielt im Stadtmandat nicht so die<br />

bedeutende Rolle, dennoch ist Böller aber in der Reihe<br />

über Oldenburger Musikgeschichte – in dieser Ausgabe mit<br />

Lutz Pruditsch (Trümmer Kassetten Label/RUDOLFS RA-<br />

CHE) – ein ausgezeichneter Beitrag gelungen. Informatives<br />

Heftchen! Simon Brunner<br />

TRUST #140<br />

Zine | Trust, Postfach 11 07 62 28087 Bremen | trust-zine.de<br />

| A4, 68 S., 2,50 Euro || Nachdem das Boardstein-<br />

Magazin als letzte gedruckte Klammer zwischen Punkrock<br />

und Skateboardfahren mit der Einstellung des Magazins<br />

weggefallen ist, versucht das Trust mit dem aus dem Englischen<br />

übersetzten Artikel <strong>von</strong> David Ensminger diese Verbindung<br />

wieder in Erinnerung zu rufen. Durchaus interessant,<br />

aber neue Erkenntnisse habe ich auch nicht gewonnen.<br />

RITUAL werden interviewt, ebenso NUNSLAUGH-<br />

TER. LIMP WRIST und MAGRUDERGRIND, die Ende der<br />

Achtziger gegründeten Schwarzwald-Grinder CORROSI-<br />

VE, und Rev. Norb <strong>von</strong> BORIS THE SPRINKLER wude auch<br />

ausgegraben, doch irgendwie ist das Interview zwar lang,<br />

aber der „Relevanzfaktor“ ist dann doch eher gering. Das<br />

noch recht neue Label Cobra Records wird vorgestellt, gefolgt<br />

<strong>von</strong> der Reviewstrecke, in der sich eine Frei-Anzeige<br />

für das christlich-fundamentalistische Kinderhilfswerk<br />

World Vision versteckt – ein Versehen des Layouters, wie<br />

Dolf eingesteht. Joachim Hiller<br />

UNDERDOG # 31<br />

Zine+CD | Fred Spenner, Narzissenweg 21, 27793 Wildeshausen<br />

| underdogfanzine.de | A5, 76 S., 2,50 Euro +<br />

0,85 Porto || Im Underdog ist alles feinsäuberlich nach<br />

Rubriken sortiert. Nach dem Vorwort gibt es zum Einstieg<br />

ein paar gute, aber vielleicht nicht ernst gemeinte<br />

Ratschläge, wie man am besten die Polizei verarscht – jedenfalls<br />

mit ausgesuchter Höflichkeit. Nach ein paar Seiten<br />

mit News und Gerüchten finden sich die Kolumnen,<br />

kurze und längere, so verschieden wie ihre Autoren, aber<br />

allesamt lesenswert. Die vom Herausgeber dieses Fanzines<br />

steht unter dem schönen Motto: „Making Punk a Fred<br />

again!“ Danach kommen die politischen Themen: Antifaund<br />

Tierrechtsnews, immer mit Linktips, sowie ein paar<br />

Gedanken über Arbeit und Leistung (Überraschung, Guido<br />

W. kommt auch vor) und ein sehr informativer Artikel<br />

zum Thema HardxLine, der dokumentiert, wie die extreme<br />

Rechte seit den Neunzigern versucht, Straight Edge, HC<br />

und Veganismus für sich zu nutzen. Jetzt zur Abteilung Musik:<br />

Gespräch mit GUTS PIE EARSHOT, Infos zu den Bands<br />

der beigelegten CD – darunter LIPKICK, NEUE KATAST-<br />

ROPHEN, STROM und die mysteriösen MANKU KAPAK<br />

– und ausgesuchte Tonträger-Reviews. Es folgen zwei lange<br />

Interviews, einmal mit Karl Nagel – in jeder Hinsicht ein<br />

Charakterkopf, der ja „nur provozieren“ will – und nach<br />

diesem Szene-Urgestein eins mit dem 15-jährigen Nachwuchspunk<br />

Motte, der mit seinem Fanzine PanXnotdEaD!<br />

schon für einiges Aufsehen gesorgt hat. Zum Abschluss gibt<br />

es ausführliche Buch- und Fanzine-Besprechungen. Und<br />

ich muss sagen, mir gefällt diese Ordnung. Ute Borchardt<br />

Die erste Ausgabe dieses klassischen<br />

DIN A5-Fanzines (Nr. 7) erschien<br />

im Jahr 1987, davor gab es<br />

1983-1986 diverse andere Fanzine-Gehversuche,<br />

wie Abfall-Comics,<br />

Vollsuff und Resistance. Bis<br />

zur letzten Ausgabe (Nr. 25) 1994<br />

erschienen, je nach Zählweise, sieben<br />

oder neun Ausgaben (13+14<br />

sowie 16+17 waren Doppelnummern)<br />

in jeweils 500er-Auflage sowie<br />

ein MISFITS-Fanzine mit insgesamt<br />

1.500 Exemplaren.<br />

Das Think?!! war ein klassisches<br />

„Ego-Fanzine“ <strong>von</strong> mir (Kalle Stille,<br />

Hg.) und „Kiste“ (Olaf Kistenmacher)<br />

mit dem Schwerpunkt auf Satire,<br />

Comics, Geschichten und explizit<br />

wenigen Bandinterviews oder<br />

Szeneberichten aus Hinterdingenskirchen.<br />

Die aufblühende Punk- und Hardcore<br />

Szene der Zeit gab den Rahmen<br />

vor, in dem sich das Heft bewegte,<br />

ohne sich dabei nur auf den<br />

musikalischen Teil zu beschränken.<br />

Statt Bands gab es Märchen, Fotostorys<br />

mit der „Skatebrigade Tengelmann“,<br />

GG Allin-Hampelmännchen,<br />

das „Think Kochstudio“ mit<br />

BLACK FLAG-Fischstäbchen, Anzeigen<br />

für nichtexistente Spezialvertriebe<br />

oder „10 Gründe um Omis zu hassen“ und dergleichen, hauptsächlich Unsinn.<br />

Aus selbsternannter Genialität bekam das Heft ab der zweiten Ausgabe den Untertitel „Kultzine“, was <strong>von</strong><br />

allen Lesern widerstandslos akzeptiert wurde. Unerklärtes Ziel war es, so vielen selbsternannten Szenepäpsten<br />

vor die Füße zu pinkeln, wie irgend möglich. Ein Vorsatz, den wir weitgehend erfüllt haben,<br />

weil die Szene damals noch Ironie <strong>von</strong> Geschäftsschädigung unterscheiden konnte. Ernst genommen haben<br />

wir uns dabei nicht, hatten aber dafür eine Unmenge Spaß.<br />

Das Think!!? bot uns den besonderen Luxus, dass wir mit dem Heft als Plattform tun und lassen konnten,<br />

was wir wollten. Was uns in den Sinn kam und für gut befunden wurde, fand ins Heft, was uns störte,<br />

wurde auf unsere Weise thematisiert, und was uns nicht gefiel, blieb einfach draußen. Aus unerfindlichen<br />

Gründen, Glück, Charme, Wasauchimmer ... gab es genügend Leute, die ihrerseits Gefallen an dem Unfug<br />

fanden, der mit dem Heft produziert wurde.<br />

Nach dem Think?!?: Beiträge in diversen anderen Fanzines, unter anderem Zap, Plot und Ox, in Letzterem<br />

bis heute. Ein Buch mit dem Besten aus 25 Jahren Fanzineverbrechen befindet sich in Arbeit. Website mit<br />

ein paar Hinterlassenschaften wie Comics, Bildern und Storys: bobtorture.de<br />

Kalle Stille bobtorture.de


MR 73<br />

MR 73<br />

DVD | EuroVideo | Frankreich 2008 || Regisseur Olivier<br />

Marchal, ein ehemaliger Polizeibeamter und ebenfalls<br />

gut beschäftigter Darsteller, hatte bereits 2002 mit GANGS-<br />

TERS den nicht wirklich erfolgreichen Versuch unternommen,<br />

einen realistischen Kriminalfilm zu drehen. Das war<br />

ihm zwei Jahre später mit dem extrem düsteren 36 QUAI<br />

DES ORFÈVRES (hierzulande als 36 - TÖDLICHE RIVALEN<br />

veröffentlicht) aber um so eindrucksvoller gelungen, ein<br />

Film, der fast schon die Klasse eines HEAT besaß. Mit dem<br />

noch wesentlich niederschmetternden MR 73 versucht<br />

er vier Jahre später, an dessen Qualitäten anzuknüpfen<br />

und gleichzeitig auch das Erbe eines Jean-Pierre Melville<br />

anzutreten, was den Existentialismus seiner Geschichte<br />

angeht. Visuell regiert hier allerdings wieder der kühle stilisierte<br />

Blick eines Michael Mann. Die Hauptrolle übernahm<br />

erneut Daniel Auteuil, einer <strong>von</strong> Frankreichs besten<br />

aktuellen Darstellern. Der spielt den heruntergekommenen<br />

Marseiller Cop Schneider, der seine persönlichen<br />

Dämonen – seine Tochter starb bei einem Unfall und die<br />

Ehefrau wird seitdem künstlich am Leben erhalten – nur<br />

noch durch Alkohol in den Griff bekommt, wenn überhaupt,<br />

und der aufgrund zahlreicher Entgleisungen auf der<br />

Abschussliste steht. Als er zu Beginn des Films sturzbetrunken<br />

und mit vorgehaltener Waffe einen Linienbus kapert,<br />

wird er aufgrund früherer Verdienste und des besagten<br />

schweren Schicksalsschlages nur zur Strafe in den Innendienst<br />

versetzt. Sein bisheriger Fall, die Suche nach einem<br />

sadistischen Serienmörder, der wohlhabende Frauen foltert,<br />

vergewaltigt und anschließend tötet, wird einem Kollegen<br />

übergeben, den Schneider sowieso schon hasst. Dennoch<br />

lässt Schneider trotz weiterer Saufexzesse nicht <strong>von</strong><br />

dem Fall ab, da er darin eine Verbindung zu den Taten des<br />

<strong>von</strong> ihm vor vielen Jahren zur Strecke gebrachten Serienkillers<br />

Charles Subra (Philippe Nahon, der in HAUTE TEN-<br />

SION einen ähnlich sympathischen Zeitgenossen spielen<br />

durfte) zu erkennen glaubt. Der steht gerade kurz vor seiner<br />

Entlassung und hat offenbar inzwischen zu Gott gefunden,<br />

was ihn wieder zumutbar für die Gesellschaft macht.<br />

Das sieht eine junge Frau namens Justine (Olivia Bonamy<br />

aus ILS) allerdings anders, musste sie doch zusammen mit<br />

ihrer Schwester mit ansehen, wie der Killer ihre Eltern<br />

einst vor ihren Augen abgeschlachtet hat. Und die erinnert<br />

sich an den Cop, der Subra damals geschnappt hatte und<br />

bittet ihn um Hilfe, womit sich der Kreis in Marchals Film<br />

in gewisser Weise wieder schließt. Für Schneider allerdings<br />

eher ein Teufelskreis, dem er nur durch radikale Entscheidungen<br />

entkommt, und der ähnlich wie Harvey Keitel in<br />

Abel Ferraras BAD LIEUTENANT durch eine sehr irdische<br />

Hölle gehen muss, um die Erlösung zu finden. Man hat selten<br />

so viele traumatisierte Menschen auf einem Haufen<br />

gesehen wie in MR 73, fast schon zu viele für einen einzigen<br />

Film, in dem Marchal ein wenig hoffnungsvolles, grausames<br />

Bild der Gesellschaft und der menschlichen Natur<br />

zeichnet. Und selbst Schneider, der die ganze Zeit wie ein<br />

geprügelter Hund durch die Gegend läuft, muss erst mal<br />

amoralisch handeln, damit am Ende vielleicht noch etwas<br />

Gutes dabei herauskommt. MR 73 (die Bezeichnung für<br />

einen Revolver der französischen Firma Manurhin, der im<br />

Polizeidienst eingesetzt wird) überfordert den Zuschauer<br />

dabei sogar eventuell etwas mit dieser Ballung menschlichen<br />

Elends und nicht immer vollkommen glaubwürdiger<br />

Storywendungen. Dabei gelingt Marchal aber letztendlich<br />

immer noch ein sehr packender, kraftvoller Polizei-Thriller<br />

mit Neo-Noir-Tendenzen, der sich angenehm <strong>von</strong> dem<br />

abhebt, was gerade die Amerikaner in dieser Hinsicht produzieren,<br />

und der mehr Drama ist als klassischer Whodunit.<br />

Auf DVD mit einem längeren Making Of versehen.<br />

Wobei man sich selbst einen Gefallen tut, den Film im Original<br />

mit deutschen Untertiteln zu schauen, denn so richtig<br />

überzeugend war die deutsche Synchro nicht.<br />

SEX MISSION<br />

DVD | Ostalgica | Polen 1984 || Wer aufgrund des Titels<br />

und des grenzwertigen Covers dieser DVD einen drittklassigen<br />

Softporno-Schinken erwartet, hat leider eine Fehlinvestition<br />

getätigt. Denn Juliusz Machulskis SEKSMISJA ist<br />

eine sehr amüsante Science Fiction-Farce und gehört zu<br />

den wenigen polnischen Produktionen, die auch über die<br />

Landesgrenzen hinaus einen gewissen Kultstatus erlangte.<br />

Einige sich entblößende attraktive polnische Darstellerinnen<br />

gibt es dabei zwar durchaus, aber das macht SEKS-<br />

MISJA immer noch nicht zu an niedere Instinkte appellierender<br />

Exploitation-Ware. Hierzulande erschien Machuls-<br />

kis Film ebenfalls vor Urzeiten bei UFA auf VHS, vor allem<br />

mit einem schickeren Cover, wobei man anmerken muss,<br />

dass die Gestaltung der polnischen DVD ähnlich daneben<br />

ist. Der Film selbst ist die satirische Variante einer typischen<br />

Dystopie, in der sich die beiden Wissenschaftler Albert<br />

Starski und Maksymilian Paradys zu Forschungszwecken<br />

Mitte der Achtziger für drei Jahre einfrieren lassen.<br />

Ihr Tiefschlaf dauert bedingt durch einen Krieg allerdings<br />

bis 2044, und als die beiden wieder aufgetaut werden, finden<br />

sie eine Gesellschaft vor, in der die Männer ausgestorben<br />

sind und die Frauen sich ausschließlich künstlich fortpflanzen.<br />

Die beiden sind also quasi die Hähne im Korb,<br />

eigentlich eine traumhafte Vorstellung, doch ihre weiblichen<br />

Bewacher sehen in ihnen ausschließlich Forschungsobjekte,<br />

die man am besten ihrer Männlichkeit beraubt.<br />

Natürlich versuchen die beiden Herren der Schöpfung<br />

alles, um ihrem unwirtlichen Gefängnis zu entkommen,<br />

und entdecken dabei auch das gut gehütete Geheimnis der<br />

Herrscherin über diesen Frauenstaat. Sonderlich feministisch<br />

ist SEKSMISJA dabei nicht, denn obwohl die bösen<br />

Männer verschwunden sind, die ja für all die Kriege und<br />

das Elend auf der Welt verantwortlich sind, hat sich stattdessen<br />

nur eine totalitäre Regierungsform mit repressiver<br />

sozialer Kontrolle herausgebildet. In Folge müssen die<br />

beiden leicht trotteligen Chauvi-Typen den Frauen wieder<br />

beibringen, was echte Liebe ist. Hartgesottene Feministinnen<br />

werden sich aufgrund der reaktionären Botschaften<br />

<strong>von</strong> SEKSMISJA sicherlich sofort die Pulsadern aufschneiden,<br />

aber man sollte das nicht so verbissen sehen und<br />

SEX MISSION<br />

sich einfach an diesem sehr amüsanten wie rasant inszenierten<br />

Science Fiction-Trash mit dezenten Erotik-Anteilen<br />

erfreuen, der mit sehr bescheidenen Mitteln seine individuelle<br />

Zukunftsversion umgesetzt hat, ohne dass das<br />

Ganze deshalb lieblos wirken würde. Leider basiert die<br />

aktuelle deutsche DVD auf der ebenfalls nur geschnittenen<br />

polnischen Version, liefert die fehlenden Szenen aber<br />

zumindest als Bonusmaterial mit deutschen Untertiteln.<br />

Der Film selbst ist ausschließlich auf deutsch vorhanden<br />

und besitzt das leicht verwaschene 4:3-Bild, das man <strong>von</strong><br />

allen bekannten DVD-Versionen kennt. Aber was erwartet<br />

man auch <strong>von</strong> einem polnischen Film aus den Achtzigern?<br />

Zumal er in einer für Polen politisch recht aufgewühlten<br />

Zeit entstand. Keine völlig befriedigende Veröffentlichung<br />

eines recht sehenswerten Films also, zumal die in den Staaten<br />

erhältliche DVD <strong>von</strong> Polart die vollständige Fassung mit<br />

englischen Untertiteln enthält, die dadurch noch mal circa<br />

acht Minuten länger läuft.<br />

DIE FAHRTEN DES ODYSSEUS<br />

2DVD | Colosseo | Italien 1954 || Schaut man sich das<br />

Remake <strong>von</strong> CLASH OF THE TITANS an oder PERCY JACK-<br />

SON AND THE OLYMPIANS, scheint griechische Mythologie<br />

wieder im Trend zu liegen. Da kann man sich auch<br />

mal wieder einem vermeintlichen Klassiker zuwenden, in<br />

Gestalt <strong>von</strong> Mario Camerinis ULISSE. Basierend auf den<br />

Werken des Dichters Homer, produziert vom einflussreichen<br />

wie viel geschmähten Dino de Laurentiis, mit Kirk<br />

Douglas und Anthony Quinn in den Hauptrollen. Wir erinnern<br />

uns: Odysseus war der König der kleinen Insel Ithaka,<br />

der nach dem Ende des zehnjährigen Trojanischen Krieges<br />

weitere zehn Jahre umherirrte, während sich seine Frau<br />

Penelope aufdringlichen Freiern erwehren musste, die sie<br />

zwingen wollten, einen <strong>von</strong> ihnen zu heiraten, da ihr Mann<br />

offensichtlich tot sei. Der kehrte dann allerdings irgendwann<br />

unerkannt als Bettler zurück und richtete unter<br />

den Freiern ein hübsches Massaker an. Auch bei Camerini<br />

der Höhepunkt des Films, eine immer noch erstaunlich<br />

gewalttätige Szene für einen Film aus dieser Zeit. Bis es<br />

dazu kommt, stehen natürlich die allseits bekannten Irrfahrten<br />

des Odysseus im Mittelpunkt (das Synonym Odyssee<br />

ist ja im Sprachgebrauch fest verankert), der dabei<br />

mit seinen Gefährten dem menschenfressenden Zyklopen<br />

Polyphem begegnet, den sie durch eine List blenden<br />

können. Danach landet er auf der Insel der Zauberin Kirke<br />

(oder auch Circe), die seine Gefährten in Schweine verwandelt<br />

und Odysseus durch einen Zauber „bezirzt“ (noch<br />

so ein Synonym, was würde man ohne die ollen Griechen<br />

nur machen), ein Jahr bei ihr zu bleiben, bis ihm bei einer<br />

Begegnung im Hades seine verstorbene Mutter wieder auf<br />

den rechten Weg bringt. Und natürlich nicht zu vergessen<br />

die Begegnung mit den Sirenen, die Seefahrer durch<br />

ihren Gesang in den Tod locken. Das ist zwar noch nicht<br />

alles, was bei Homer passierte, aber eine Laufzeit <strong>von</strong> gut<br />

100 Minuten und die damalige Tricktechnik setzten dem<br />

Ganzen natürlich Grenzen, vor allem was diverse Seeun-<br />

geheuer betrifft. Und eigentlich ist der Zyklop mit seinem<br />

ziemlich bescheiden aussehenden Auge das einzige Monster,<br />

was man zu Gesicht bekommt. In der Spezialeffekte-<br />

Abteilung wird einem hier nicht viel geboten, ein THE<br />

7TH VOYAGE OF SINBAD ist ULISSE sicher nicht. Dafür<br />

hat Camerini die verschachtelte Erzählweise Homers beibehalten,<br />

mit ihren Parallelhandlungen und Rückblenden.<br />

Ansonsten ist ULISSE eher ein klassischer Sandalenfilm, in<br />

dem Kirk Douglas mit dezent tragischer Note überwiegend<br />

den großen Zampano raushängen lässt, der nicht gerade<br />

ein Ausbund an Bescheidenheit und Selbstreflexion ist. Es<br />

gibt sicherlich Filme, die besser als ULISSE gealtert sind,<br />

Charme und Atmosphäre besitzt das Ganze aber dennoch,<br />

wenn man in der richtigen Stimmung für nostalgische Filmerlebnisse<br />

dieser Art ist. Interessant ist auf jeden Fall, dass<br />

der große Mario Bava an ULISSE beteiligt war (allerdings<br />

mal wieder uncredited), und ich würde jede Wette eingehen,<br />

dass der die Szenen mit Circe und im Hades inszeniert<br />

hat, denn die surreale Ausleuchtung und Farbgebung zeigt<br />

deutlich dessen typische Handschrift. Vor einigen Jahren<br />

gab es <strong>von</strong> e-m-s bereits zwei DVD-Versionen des Films,<br />

ob die neue <strong>von</strong> Colosseo die definitive ist, sei mal dahingestellt.<br />

Zumindest wird mit „digitally remastered“ geworben<br />

und „ungekürzte Fassung“. Mehrwert schafft auf jeden<br />

Fall eine bessere Ton- und Bildqualität und vor allem die<br />

ungefähr um zehn Minuten längere Version auf der zweiten<br />

Disc, die aufgrund der zusätzlichen Szenen aus einer<br />

irgendwo aufgetauchten alten Kinokopie ein schwankendes<br />

Qualitätsniveau besitzt. Zumindest sieht man sofort,<br />

was neu ist. Zwar nichts wirklich spektakuläres, trotzdem<br />

schön, dass der Film dadurch mal in vollständiger Form<br />

erhältlich ist. Auf Disc 1 befindet sich neben der bekannten<br />

kürzeren Fassung auch noch eine Doku über den Film,<br />

und italienische und englische Tonspuren mit deutschen<br />

Untertiteln sind ebenfalls vorhanden – wie sich das gehört.<br />

BLOOD DINER<br />

DVD | Epix | USA 1987 || BLOOD DINER eröffnet auf<br />

dem Label Epix eine Reihe namens „Twilight Classics“, in<br />

der auch noch WAXWORK und SUNDOWN (siehe unten)<br />

erschienen sind. Ansonsten erwartet uns da in Zukunft<br />

eher mittelmäßiges, wie THE UNHOLY oder der Cyberspace-Thriller<br />

NIRVANA mit Christopher Lambert, der<br />

auch <strong>von</strong> der technischen Umsetzung her enttäuscht und<br />

nur deutschen Ton sowie ein matschiges 4:3-Bild zu bieten<br />

hat. Oder direkt üble „Bottom of the barrel“-Erzeugnisse<br />

wie CONVICT 762, SPOILER und C.H.U.D. II - BUD<br />

THE CHUD. Für Wall Of Voodoo-Fans dürfte C.H.U.D. II<br />

allerdings <strong>von</strong> gewissem Interesse sein, hatte doch deren<br />

zweiter Sänger Andy Prieboy in Erwartung eines fetten<br />

Schecks die Musik für diesen Horror-Schrott gemacht,<br />

wobei das folgende Zitat <strong>von</strong> ihm recht aussagekräftig sein<br />

dürfte: „I worked harder on the handful of porno films I<br />

‚scored‘.“ Auch Jackie Kongs BLOOD DINER ist kein wirklicher<br />

cineastischer Leckerbissen, dennoch handelt es sich<br />

dabei um das Highlight in der ansonsten recht mauen Karriere<br />

dieser Dame. Ursprünglich war BLOOD DINER sogar<br />

mal als Sequel zu Herschell Gordon Lewis’ Splatter-Kultfilm<br />

BLOOD FEAST gedacht, entwickelte sich dann aber<br />

sehr schnell zu einer eigenständigen Horror-Parodie, die<br />

man rückblickend aber durchaus als Hommage an diesen<br />

Pionier des schlechten Geschmacks ansehen kann, zumal<br />

es auch reichlich Verweise auf diesen Film gibt. Und so<br />

schafft schon gleich der Anfang die Verbindung zu BLOOD<br />

FEAST, als die Polizei den blutigen Amoklauf des komplett<br />

verrückt gewordenen Ägypters Anwar vor dem Haus seiner<br />

Enkel Michael und George stoppt. Einige Jahre später<br />

haben die beiden dann ein vegetarisches Restaurant eröffnet<br />

und führen dort die schöne Tradition ihres Onkels fort<br />

(der inzwischen im Einmachglas als Gehirn mit Augen<br />

die Enkel herumkommandiert) und wollen die ägyptische<br />

Göttin Sheetar zum Leben erwecken, was in einer<br />

exzessiven blutigen Zeremonie inklusive Jungfrauenop-<br />

BLOOD DINER<br />

VON THOMAS KERPEN<br />

ferung gipfelt. Dazu benötigt man allerdings zuerst noch<br />

bestimmte Leichenteile, die es zu besorgen gilt, während<br />

die anfallenden Reste den begeisternden Fans vegetarischen<br />

Essens zugeführt werden, ein amüsanter Seitenhieb<br />

auf allzu unreflektierte vegetarische Lebensweise als Folge<br />

modischer Lifestyle-Trends. Dabei darf man sich nichts<br />

vormachen, BLOOD DINER ist übelster, geschmacklosester<br />

Trash, bei dem jede Menge Zuschauer die Flucht ergreifen<br />

werden, doch auch in diesem Bereich gibt es kleine<br />

Perlen, zu denen Kongs Film definitiv gehört. Die Effekte<br />

REVIEWS<br />

MOVIES<br />

sind selbst bei Troma kaum mieser, aber die durchgängige<br />

Unernsthaftigkeit und Überdrehtheit des Ganzen sichert<br />

BLOOD DINER in diesem Bereich einen der obersten Listenplätze.<br />

Es fällt wirklich schwer, seinem völlig beknackten<br />

Charme, den auch die deutsche Synchro nicht beschädigen<br />

kann, nicht zu erliegen. Auf VHS war BLOOD DINER<br />

bisher immer nur in einer um sechs Minuten Splatter massakrierten<br />

Fassung erhältlich (ein Adolf Hitler-Lookalike<br />

flog ebenfalls raus). Von Dragon gab es dann hinsichtlich<br />

der FSK-Freigabe nur eine halblegale, aber dafür ungeschnittene<br />

DVD in recht guter Qualität, und jetzt plötzlich<br />

erscheint eine vollständige, offizielle „ab 16“-DVD,<br />

die damit in jedem Kaufhaus offen erhältlich ist – verstehe<br />

das, wer will. Besitzer der Dragon-DVD müssen sich zwar<br />

nicht unbedingt um ein Update bemühen, zumal die ein<br />

schöneres Cover hatte, denn die Ausstattung hier ist ähnlich<br />

mager, auch wenn das Bild etwas verbessert wurde. Auf<br />

jeden Fall schön, dass man das in Deutschland noch erleben<br />

darf. Inzwischen ist ja sogar ein jahrelang indizierter<br />

Film wie John Carpenters THE THING ungeschnitten „ab<br />

16“ erhältlich.<br />

SUNDOWN - RÜCKZUG DER VAMPIRE<br />

DVD | Epix | USA 1990 || Anthony Hickoxs zweiter<br />

Film, ebenfalls in der „Twilight Classics“-Reihe auf DVD<br />

erschienen, in Widescreen und insgesamt ansprechender<br />

Qualität. Hierzulande bisher nur auf VHS in grässlichem<br />

Vollbild zu haben, ungeschnitten war er trotz „FSK<br />

16“ aber schon immer. Mit dabei die wundervolle Deborah<br />

Foreman (seltsamerweise ihre letzte Rolle in einem Spielfilm),<br />

die man hier fast mit Sheryl Lee verwechseln könnte.<br />

Wobei Bruce Campbell als Robert Van Helsing und David<br />

Carradine als Jozek Mardulak/Count Dracula natürlich die<br />

im Mittelpunkt stehenden Protagonisten sind. Noch deutlicher<br />

eine Horror-Parodie als Hickoxs Regiedebüt WAX-<br />

WORK, zumal er seine Vampirgeschichte in ein Western-<br />

Setting verlegt hat und sich diesmal mehr bei Leone und<br />

Walter Hill bedient als bei klassischem Horror. Plus einiger<br />

popkultureller Anspielungen, wie etwa, dass seine drei<br />

Tankstellen-Vampire mit Strohhüten und langen Bärten<br />

(einer da<strong>von</strong> Schauspiel-Veteran M. Emmet Walsh aus<br />

BLOOD SIMPLE) sehr an ZZ Top erinnern. Der Schauplatz<br />

<strong>von</strong> SUNDOWN ist ein abgelegenes Wüstenkaff, in dem<br />

Vampire inzwischen mit Hilfe spezieller Sonnencreme<br />

auch am Tag aktiv sein können und sich <strong>von</strong> künstlich hergestelltem<br />

Ersatz-Blut ernähren. Doch da die beiden dort<br />

lebenden rivalisierenden Vampir-Gruppierungen unterschiedliche<br />

Vorstellungen da<strong>von</strong> haben, wie es mit ihrer<br />

Gattung weitergehen soll („This is no life for a vampire!“),<br />

gipfelt alles in einem blutigen Machtkampf. Daran sieht<br />

SUNDOWN<br />

man gut, dass Autorinnen wie Stephenie Meyer oder Charlaine<br />

Harris offenbar auch irgendwo ihre Ideen herhaben.<br />

An sich eine recht amüsante Angelegenheit, die nur etwas<br />

an ihrer Überlänge leidet und trotz der Vampir-Thematik<br />

relativ blutleer und harmlos ausfällt. Vielleicht liegt es auch<br />

daran, dass Hickox zu viel auf einmal will und diese Reizüberflutung<br />

hinsichtlich der Vermengung unterschiedlicher<br />

Genres allzu verkrampft wirkt. Auch Bruce Campbell,<br />

als unbeholfener Nachfahre des Vampirjägers Van Helsing<br />

(„Once a bloodsucker, always a bloodsucker.“), kann<br />

sein komödiantisches Talent nur begrenzt entfalten und<br />

wird eher zur Nebenfigur degradiert, dafür ist Schmalzlocke<br />

Maxwell Caulfield um sehr präsenter. Insgesamt gibt<br />

es hier sowieso viele zu viele Figuren und Nebenhandlungen,<br />

wodurch der Film immer wieder extrem ausfranst.<br />

Aber Hickox hat es zumindest versucht, und auch<br />

wenn SUNDOWN nicht der heilige Gral der Horrorkomödie<br />

wurde, hat er immer noch genug an Witz und Einfallsreichtum<br />

zu bieten, um ihn aus dem Genre-Mittelmaß<br />

hervorzuheben. Möglicherweise überambitioniert, aber<br />

gerade dadurch neben WAXWORK einer der besseren Einträge<br />

in Hickoxs bisherigem Schaffen.<br />

WAXWORK<br />

DVD | Epix | USA 1988 || Anthony Hickoxs Regiedebüt<br />

WAXWORK hieß bei uns eigentlich REISE ZURÜCK<br />

IN DER ZEIT und war, wie so viele Video-Releases dieser<br />

Zeit, trotz „FSK 18“ erheblich geschnitten. Wie im Fall <strong>von</strong><br />

BLOOD DINER existierte bereits eine ungeprüfte DVD <strong>von</strong><br />

Dragon, inzwischen ist aber auch eine vollständige, offizielle<br />

„ab 16“-DVD erhältlich. Der Brite Anthony Hickox<br />

ist übrigens der Sohn <strong>von</strong> Douglas Hickox, der mit THE-<br />

ATER OF BLOOD einen der herrlichsten Filme mit Vincent<br />

Price gedreht hatte. Der Sohnemann ist dementsprechend<br />

auch nicht völlig untalentiert, dümpelt aber eher im<br />

OX-FANZINE 113


REVIEWS<br />

LIVE AT THE GREEK THEATRE<br />

Passend zum St Patricks Day 2010<br />

kommt die neue Live DVD & CD!<br />

Ein abendfüllendes Live-Konzert der<br />

Irish-Punks vor der beeindruckenden<br />

Kulisse des Greek Theatres<br />

in Los Angeles.<br />

CHUCK RAGAN<br />

11.03. Düsseldorf - Zakk • 12.03. Münster -<br />

Sputnikhalle • 13.03. Bremen - Lagerhalle •<br />

28.03. Karlsruhe - Jubez<br />

NATHEN MAXWELL<br />

Flogging Molly`s Bassist auf Solopfaden<br />

02.04. Hamburg - Hafenklang • 03.04. Berlin -<br />

Cassiopeia • 04.04. Köln - Luxor •<br />

06.04. Wien - Flex • 08.04. Salzburg - Rockhouse<br />

09.04. Zurich - Exil • 10.04. München - 59:1<br />

www.sideonedummy.de<br />

OX-FANZINE 114<br />

B-Lager dahin. Zumindest gelang ihm immer wieder recht<br />

unterhaltsame Genre-Ware wie etwa WARLOCK: THE<br />

ARMAGEDDON. WAXWORK könnte man als einen seinen<br />

besten Filme bezeichnen, eine Hommage an HOUSE<br />

OF WAX und MYSTERY OF THE WAX MUSEUM, ein Crossover<br />

aus angesagtem Splatter- und Teenagerfi lm mit Referenzen<br />

an die klassischen Leinwand-Monster und ebenfalls<br />

sehr deutlichen komödiantischen Momenten. Ein Horrorfi<br />

lm in bester Grand-Guignol-Tradition also. Darin stoßen<br />

sechs Schulfreunde, typische nervige 80er Jahre Teenager,<br />

darunter Zach Galligan (GREMLINS), Deborah Foreman<br />

(VALLEY GIRL) und Dana Ashbrook (der Bobby Briggs aus<br />

TWIN PEAKS) auf ein seltsames Wachsfi gurenkabinett,<br />

betrieben <strong>von</strong> David Warner (THE OMEN, STRAW DOGS),<br />

der einen diabolischen Plan damit verfolgt. Resultierte der<br />

Horror in den klassischen Wachsfi gurenkabinett-Filmen<br />

aus der Tatsache, dass unter dem Wachs ermordete Menschen<br />

steckten, besitzen die wächsernen Horror-Szenarien<br />

in WAXWORK die unangenehme Angewohnheit, allzu<br />

neugierige Menschen in für sie tödliche Parallelwelten zu<br />

transportieren, wo sie mit Zombies, Vampiren, Werwölfen<br />

und anderen bekannten Monstern konfrontiert werden.<br />

Das hat Hickox sehr atmosphärisch und blutig mit durchweg<br />

guten Effekten umgesetzt. Er zitiert dabei so ziemlich<br />

alles, <strong>von</strong> Hammer bis Argento, wodurch sein Film fast zu<br />

einer Horror-Anthologie wird. Ein bisschen zu viel des<br />

Guten ist dann allerdings der turbulente, nicht ganz passende<br />

Wildwest-Showdown im Wachsfi gurenkabinett, der<br />

zumindest keinem Geringeren als Patrick „Mrs. Peel, we’re<br />

needed“ Macnee einen markanten Gastauftritt verschafft.<br />

Ein auf seine Art angenehm origineller Film, der damals<br />

in den Staaten im Kino ziemlich unterging, aber auf VHS<br />

und DVD über die Jahre einen gewissen Kultstatus erlangen<br />

konnte. Sicherlich vor allem wegen seiner interessanten<br />

Darstellung klassischer Filmmonster in einem modernisierten<br />

Kontext. Vier Jahre später drehte Hickox dann die<br />

Fortsetzung WAXWORK II: LOST IN TIME. Nicht mehr<br />

als ein schwacher, billig gemachter Abklatsch des Originals,<br />

der ebenfalls mit reichlich Horrorfi lm-Referenzen<br />

aufwartet, was aber weniger gelungen umgesetzt wurde.<br />

Jedenfalls schön, dass WAXWORK endlich mal ganz offi -<br />

ziell überall erhältlich ist. Leider bekommt man auch hier<br />

nur ein ähnlich verwaschenes 4:3-Bild wie auf der US-<br />

DVD geboten, bedauerlich, dass bei diesem Film weltweit<br />

offenbar kein vernünftiges Master aufzutreiben ist.<br />

DER ELEFANTENMENSCH<br />

DVD | Arthaus | USA 1980 || Was macht eigentlich<br />

David Lynch gerade? Glaubt man dem Dokumentarfi<br />

lm DAVID WANTS TO FLY <strong>von</strong> David Sieveking, offenbar<br />

nichts Gescheites. Sieveking, der eigentlich nur ein<br />

paar Tipps <strong>von</strong> seinem Idol bekommen wollte, wie man<br />

schräge Filme dreht und sich deshalb mit Lynchs Ersatzreligion<br />

„Transzendentale Meditation“ und den Lehren<br />

eines gewissen Maharishi Mahesh Yogi beschäftigte,<br />

wurde in Folge tragischerweise mit einem an fortgeschrittener<br />

Gehirnerweichung leidenden Weltverbesserer konfrontiert.<br />

Lynch, der ja schon immer ein bisschen seltsam<br />

war, hat inzwischen wohl komplett jegliche Bodenhaftung<br />

verloren und konzentriert sich auf den Verkauf <strong>von</strong><br />

Heils- und Glücksversprechen als Leithammel einer sektenartigen<br />

Gruppierung, die auf dem Teufelsberg in Berlin<br />

einen „Turm der Unbesiegbarkeit“ errichten will. Eigentlich<br />

zum Lachen das Ganze, wenn es nicht so traurig wäre,<br />

denn schließlich hat Lynch in seiner Karriere einige wirklich<br />

wegweisende Filme gedreht. Dieser Unfug erklärt vielleicht<br />

auch, warum sein letztes Werk INLAND EMPIRE so<br />

ein katastrophaler Mist war, insofern stehen die Chancen<br />

schlecht, dass der Mann noch mal zu alter Form aufl äuft.<br />

Dann kann er ja demnächst zusammen mit Ken Russell<br />

in dessen Vorgarten mit Aufblas-Dinosauriern im Zustand<br />

vollkommener Glückseligkeit fünfstündige Epen über das<br />

„Yogische Fliegen“ drehen. Muss man sich halt mit seinen<br />

bisherigen Werken begnügen, wie etwa dem großartigen<br />

DER ELEFANTENMENSCH<br />

THE ELEPHANT MAN. Sein zweiter Film direkt nach dem<br />

Underground-Kultstreifen ERASERHEAD, der jetzt noch<br />

mal neu auf DVD veröffentlicht wurde – falls ihn jemand<br />

noch nicht besitzen sollte. Für Lynch war THE ELEPHANT<br />

MAN damals ein echter Glücksfall. Denn hätte er in einem<br />

jungen Produzenten, der für Mel Brooks arbeitete, nicht so<br />

einen starken Fürsprecher gehabt, wäre er wohl niemals<br />

für ein Studio wie Paramount als Regisseur für einen Film<br />

dieser Größe in Frage gekommen, mit renommierten Darstellern<br />

wie Anthony Hopkins, John Hurt, Anne Bancroft<br />

und John Gielgud. Und dann auch noch in schwarzweiß<br />

gedreht. Brooks wusste ebenfalls zu verhindern, dass die<br />

üblichen trotteligen Studiobosse Lynchs Vision irgendwie<br />

verwässern konnten, die die wenigen Dinge in THE ELE-<br />

PHANT MAN eliminieren wollten, die noch an ERASER-<br />

HEAD erinnerten. Der wurde dann sogar für acht Oscars<br />

nominiert, ging aber leider leer aus. Wenn man Lynch glauben<br />

darf, müssen die Dreharbeiten für ihn aber ein fortwährender<br />

Albtraum gewesen sein, was man in Chris Rodleys<br />

äußerst empfehlenswerten Interview-Buch „Lynch On<br />

Lynch“ nachlesen kann – näher kann man diesem ehemals<br />

brillanten Regisseur nicht kommen. Umso bemerkenswerter<br />

ist, dass THE ELEPHANT MAN bis zum heutigen Tage<br />

nichts <strong>von</strong> seiner Intensität eingebüsst hat und zu Recht<br />

als Meisterwerk gilt. Ein düsteres Abbild des Viktorianischen<br />

Zeitalters und der Folgen der Industriellen Revolution,<br />

gekoppelt mit einer menschlichen Tragödie. Was wie<br />

ein klassischer Horrorfi lm beginnt, entwickelt sich immer<br />

mehr zu einem herzzerreißenden Drama über einen fürchterlich<br />

entstellten Menschen, der darum kämpft, mehr als<br />

nur die Attraktion einer Freakshow zu sein, was ihm durch<br />

sein extremes Äußeres aber fast unmöglich gemacht wird<br />

(„I am not an elephant! I am not an animal! I am a human<br />

being! I am a man!“). John Hurt ist unter der beeindruckenden<br />

Maske <strong>von</strong> John Merrick nicht mehr zu erkennen,<br />

und wer diese für übertrieben hält, muss sich nur die Fotografi<br />

en des echten „Elefantenmenschen“ anschauen, <strong>von</strong><br />

dessen Körperteilen noch Gipsabdrücke existierten, die als<br />

Vorlage dienten. Faszinierend ist dabei generell, wie sensibel<br />

sich Lynch dabei seiner Figur annähert, die erst durch<br />

Kleidung komplett verhüllt wird oder im Schatten aus<br />

sicherer Entfernung kaum erkennbar ist, beziehungsweise<br />

<strong>von</strong> einer dünnen Trennwand verdeckt wird, so dass man<br />

nur seine grotesken Umrisse erkennen kann. Bis zum schockierenden<br />

Moment, als man Merrick völlig unmaskiert<br />

sieht, erst nur in der Totalen, um das Publikum langsam an<br />

ihn zu gewöhnen, später dann auch in Großaufnahmen, die<br />

die Menschwerdung des „Monsters“ abschließen, der am<br />

Ende auch noch so etwas wie wahre Zuneigung und Glück<br />

erfahren darf. Ein Film, der sicherlich auch stark durch Tod<br />

Brownings FREAKS <strong>von</strong> 1932 beeinfl usst wurde, einer der<br />

wenigen Horrorfi lme mit humanistischer Botschaft und<br />

unangenehm realistischer Dimension. Denn die Attraktionen<br />

der im Mittelpunkt stehenden Freakshow waren<br />

tatsächlich entstellte Menschen, was Brownings Film nur<br />

am Rande zu einem typischen Horrorfi lm machte. So wie<br />

auch Lynch in THE ELEPHANT MAN vertraute Elemente<br />

des Genres einsetzt, um letztendlich eine wesentlich tiefgründigere<br />

Geschichte zu erzählen. Als Bonus auf der DVD<br />

gibt es zwar nur eine kurzes Feature über den echten Elefantenmenschen,<br />

das aber wirklich informativ ist, ansonsten<br />

steht dieser Film für sich, der auf der Liste meiner Lieblingsfi<br />

lme ganz weit oben zu fi nden ist.<br />

ANTICHRIST<br />

2DVD | MFA+ | Deutschland/Dänemark/Frankreich/Italien/Polen/Schweden<br />

2009 || Zugegeben,<br />

ein großer Fan <strong>von</strong> Lars <strong>von</strong> Triers fi lmischen Schaffen war<br />

ich noch nie, und dieser ganze Dogma-Quatsch war mir<br />

eh immer viel zu suspekt. Denn gerade hinsichtlich des<br />

Aspekts Wirklichkeitsentfremdung des Kinos war ja wohl<br />

gerade der Däne ein Meister auf diesem Gebiet, dessen<br />

Werke ich oft kaum bis zum Ende ertrug. Sein letzter Film,<br />

ANTICHRIST, war dann mal wieder einer dieses vermeintlichen<br />

Cannes-Skandalstreifen, aufgrund seiner expliziten<br />

Darstellung <strong>von</strong> Sexualität und Gewalt. Frauenfeindlich<br />

sollte er gleich auch noch sein, aber wie so oft entpuppt<br />

sich das bei näherer Betrachtung als Sturm im Wasserglas.<br />

Denn was <strong>von</strong> Trier hier als „Shock Value“ zu bie-<br />

ANTICHRIST<br />

ten hat, beschränkt sich auf wenige Einzelszenen. Zumindest<br />

gab es dafür eine „FSK ab 18“-Freigabe, denn normalerweise<br />

kommen Kunstfi lme mit so was ja dennoch ungeschoren<br />

durch. Nach einer wirklich grandios gefi lmten<br />

Eingangssequenz, in der ein kleiner Junge aus einem Fenster<br />

in den Tod stürzt, während die Eltern im Badezimmer<br />

Sex haben (eigentlich müsste man eher „fi cken“ sagen, wie<br />

<strong>von</strong> Trier das inszeniert hat), folgt eine ausgedehnte Therapiesitzung<br />

im verwunschenen Märchenwald („Nature<br />

is Satan’s church.“) zur Verarbeitung dieses Traumas. Denn<br />

der Ehemann, der zufälligerweise Psychologe ist, kommt<br />

auf die Schnapsidee, seine Frau selbst therapieren zu wollen,<br />

die allerdings auf recht drastische Weise darauf reagiert,<br />

was man als zartbesaiteter Mensch dann doch als<br />

ziemlich schockierend empfi nden könnte. ANTICHRIST<br />

ist dabei so eine Art Psycho-Horrorfi lm geworden, was<br />

der Däne damit allerdings genau zum Ausdruck bringen<br />

will, ist mir nicht ganz klar geworden. Zumindest impliziert<br />

<strong>von</strong> Trier, dass der Ursprung des Bösen in der Natur<br />

zu fi nden ist und damit auch in der Frau, die ja <strong>von</strong> dieser<br />

mit der Gabe der Schaffung <strong>von</strong> neuem Leben ausgestattet<br />

wurde. Am besten nicht weiter drüber nachdenken, ebenso<br />

wenig wie über das bräsige Ende <strong>von</strong> ANTICHRIST, und<br />

den Film als einen in den Wald verlegten WENN DIE GON-<br />

DELN TRAUER TRAGEN genießen, denn eine unter die<br />

Haut gehende Atmosphäre besitzt dieser bizarre Psychotrip<br />

auf jeden Fall. Vor allem aufgrund der wirklich surrealen<br />

Szenerie des Waldes, die den Film alleine schon sehenswert<br />

macht, wäre da nicht dieser ganze verquaste tiefenpsychologische<br />

und philosophische Unsinn und die tiefgründige<br />

Symbolik. Womit <strong>von</strong> Trier erneut unter Beweis stellt, dass<br />

er einer dieser die Geduld überstrapazierenden Kunstfi lmer<br />

ist, die gerne mal provozieren, um dann als kontrovers<br />

zu gelten. Damit sollen sich dann irgendwelcher Filmtheoretiker<br />

herumschlagen. Und man kann durchaus verstehen,<br />

wenn jemand den Film deswegen einfach nur für fürchterliche<br />

Kunstkacke hält. Das namenlose Ehepaar wird dabei<br />

<strong>von</strong> Willem Dafoe und Charlotte Gainsbourg gespielt. Und<br />

während ich die Gainsbourg noch nie für eine tolle Darstellerin<br />

hielt, die überwiegend vom Ruf ihrer Eltern zehrt,<br />

ist Dafoe mal wieder ganz ausgezeichnet, der ja bereits in<br />

frühen Rollen wie in PLATOON eine extreme Leinwandpräsenz<br />

entwickeln konnte. Die nett aufgemachte Special<br />

Edition im Schuber und mit Wendecover enthält noch<br />

einige Making of-Featurettes, Interviews mit Lars <strong>von</strong> Trier,<br />

Charlotte Gainsbourg, Willem Dafoe und einen Audiokommentar<br />

des Regisseurs.<br />

FANTASY FILMFEST SHORTS<br />

2DVD | Sunfi lm || Der Kurzfi lm, eigentlich ein schönes<br />

Medium, gerade für junge Filmemacher, oder um generell<br />

interessante Ideen in recht komprimierter Form umzusetzen,<br />

die in einem abendfüllenden Film nicht funktioniert<br />

hätten. Leider setzt sich wie in der Musik auch hier<br />

die Unsitte durch, dass man keine Single mehr aufnimmt,<br />

sondern gleich ein komplettes Album, und so können<br />

neunzigminütige Filme dadurch zur Tortur werden. Letzt-<br />

ARBEIT FÜR ALLE<br />

endlich gibt es aber bis auf Festivals auch kaum noch Programmplätze<br />

für dieses Format, dabei könnte man doch<br />

einfach eine schöne DVD damit voll machen, wie in diesem<br />

Fall. Und so versammeln sich hier insgesamt neun<br />

Kurzfi lme aus Deutschland, Spanien, Australien und den<br />

USA, die wohl alle mal im Programm des alljährlich stattfi<br />

ndenden Fantasy Filmfests gelaufen sind. Eine Institution,<br />

die über die Jahre durch eine schleichende Kommerzialisierung<br />

viel <strong>von</strong> ihrem früheren Reiz verloren hat. Und<br />

so läuft dort zu 90 Prozent nur noch das, was in Deutschland<br />

bereits einen Verleiher für Kino oder DVD gefunden<br />

hat. Dafür kann man die Sachen oft noch ungeschnitten<br />

und im Original erleben, wobei in der Regel die Kurzfi lme<br />

das einzige sind, was man ausschließlich dort zu Gesicht<br />

bekommt. „Nur neun Filme?!“, ist man angesichts dieser<br />

DVD versucht zu sagen. Zumal man dabei Länder wie<br />

Japan, Frankreich, Großbritannien und Neuseeland vermisst,<br />

wo ebenfalls sehr gute Kurzfi lme produziert werden.<br />

Mal wieder Meckern auf hohem Niveau, denn grundsätzlich<br />

ist das hier schon eine sehr unterhaltsame wie<br />

geschmackvolle Zusammenstellung, die ganz auf das<br />

FFF zugeschnitten ist, und so regiert hier vor allem Horror<br />

und Schwarzhumoriges. Den deutschen Film ARBEIT<br />

FÜR ALLE <strong>von</strong> Matthias Vogel und <strong>Thomas</strong> Oberlies könnte<br />

man als Nachfolger <strong>von</strong> STAPLERFAHRER KLAUS ansehen.<br />

Eine Fake-Doku und satirische Refelxion unserer Arbeitswelt,<br />

in der das Rentenalter nach oben gesetzt wurde und<br />

Zivildienstleistende sich jetzt um bedürftige Arbeitnehmer<br />

kümmern. Wobei der besondere Gag hier noch der eigentliche<br />

Job des Mannes im Rollstuhls ist, er dabei im Mittelpunkt<br />

steht. Sehr schön auch der spanische Computeranimationsfi<br />

lm TADEO JONES UND DIE GRUFT DES TODES,<br />

der sich natürlich nicht mit Hollywood-Werken dieser Art<br />

messen kann, aber auf recht liebevolle Art Indiana Jones<br />

persifl iert. Dafür tricktechnisch um so beeindruckender<br />

der amerikanische Film ITSY BITSY, in dem ein junges<br />

Pärchen in ihrem Heim mit einer Spinne in den Ausmaßen<br />

eines mittelgroßen Hunds konfrontiert wird. So richtig<br />

böse wird es eigentlich nur in KILLING TIME, in dem<br />

ein Sniper ein paar Camper aufs Korn nimmt, ansonsten<br />

regiert eine eher makaber-humorige Stimmung. Eine<br />

sehr schöne und sehenswerte Veröffentlichung auf durchweg<br />

hohem Niveau, bei der die Kurzfi lme alle im Original<br />

mit deutschen Untertiteln präsentiert werden. Man muss<br />

allerdings dabei die Fähigkeit besitzen, sich kurzfristig auf<br />

die unterschiedliche thematische Herangehensweise und<br />

Stimmung der Beiträge einzustellen, wobei es natürlich<br />

nicht ausbleibt, dass der eine oder andere Filme vielleicht<br />

nicht den persönlichen Geschmacksnerv trifft. Auf einer<br />

Bonus-DVD gibt es noch einiges an Zusatzmaterial, darunter<br />

auch noch ein zusätzlicher Kurzfi lm, die kanadische<br />

Produktion WARUM DIE ANDERSON KINDER NICHT<br />

ZUM ESSEN KAMEN. Hoffentlich bleibt es nicht bei dieser<br />

einen Veröffentlichung, denn es gibt eigentlich nichts<br />

schöneres als ein paar richtig gelungene Kurzfi lme.<br />

DIE BUCHT - THE COVE<br />

DVD | EuroVideo | USA 2009 || Gut, so besonders ausgeprägt<br />

war mein Fischkonsum noch nie, und Delfi n stand<br />

dabei sowieso nicht auf der Speisekarte. Dennoch kann<br />

einem Louie Psihoyos’ mit einem Oscar ausgezeichneter<br />

Dokumentarfi lm THE COVE ganz gehörig den Appetit<br />

verderben, vor allem, wenn man glaubt, dass der Verzehr<br />

<strong>von</strong> Fisch eine ernsthafte Alternative zu dem <strong>von</strong> Fleisch<br />

wäre. Denn Fakt ist, dass die dramatische Überfi schung<br />

der Meere in diesem Bereich ebenfalls langsam aber sicher<br />

zu einem Kollaps des dortigen Ökosystems führt. Ganz zu<br />

schweigen da<strong>von</strong>, dass man sich in Form einer Thunfi sch-<br />

Pizza auch noch eine gehörige Dosis Quecksilber verabreicht.<br />

Gerade die Japaner sind ja bei der Ausrottung etwa<br />

der Thunfi sch-Bestände ganz vorn dabei, und so führt uns<br />

auch THE COVE nach Japan. Genauer gesagt in das kleine,<br />

idyllische Städtchen Taiji, das laut Ric O’Barry ein düsteres<br />

Geheimnis vor den Augen der Öffentlichkeit zu verbergen<br />

versucht. O’Barry war in den Sechzigern dafür verantwortlich,<br />

dass der lustige Delfi n namens Flipper all diese<br />

tollen Kunststücke machte und damit Kinderherzen auf<br />

der ganzen Welt eroberte („I was young, I had a glamorous<br />

job, I was driving a Porsche and it was easy to do.“).<br />

Eigentlich waren es aber mehrere Flipper, die in der Gefangenschaft<br />

laut O’Barry regelrecht depressiv wurden und<br />

daran zugrunde gingen, was beim ihm dazu führte, dass<br />

er irgendwann vom Delfi n-Trainer zum Delfi n-Aktivisten<br />

mutierte. Ein besonderer Dorn im Auge ist ihm dabei<br />

DIE BUCHT<br />

seit Jahren die Stadt Taiji, vor deren Küste Delfi ne gefangen<br />

und in eine Bucht getrieben werden. Die großen Tümmler<br />

sortiert man dort aus, um sie für viel Geld an Delfi narien<br />

zu verkaufen, während der Rest abgeschlachtet und zu<br />

Nahrung verarbeitet wird. Was man da<strong>von</strong> letztendlich in<br />

THE COVE sieht, ist laut O’Barry allerdings nur die Disney-Version<br />

der tatsächlichen Ereignisse. Aber um da<strong>von</strong><br />

überhaupt mal etwas fi lmen zu können, bedurfte es eines<br />

immensen logistischen Aufwands, der den Film tatsächlich<br />

zur Öko-Thriller-Variante <strong>von</strong> OCEAN’S ELEVEN macht.<br />

Für die Japaner dann wohl eher „O’Barry und seine Spießgesellen“,<br />

denn der ist in Taiji kein gern gesehener Gast<br />

und muss regelrecht um sein Leben fürchten. Im Vordergrund<br />

stehen hier also die Bemühungen <strong>von</strong> O’Barry, diese<br />

Schweinerei aufzudecken, aber genauso spricht der Film<br />

natürlich auch die weitreichenden Folgen hinsichtlich des<br />

generellen Umgangs des Menschen mit dem Lebensraum<br />

Meer an, ohne den Japanern dafür die Kollektivschuld in<br />

die Schuhe zu schieben. Ein sehr nachdenklich stimmender<br />

Film, nicht ohne Unterhaltungswert, soweit das bei so<br />

einer Thematik überhaupt möglich ist. Vielleicht nicht die<br />

beste Doku aller Zeiten, die aber die richtigen Fragen stellt<br />

und sogar ein paar konstruktive Antworten dafür parat hat,<br />

die hoffentlich auch beim Publikum ankommen. Ein Verbrechen<br />

ist allerdings die FSK-Freigabe der DVD, die den<br />

Film allen Ernstes „ab 6“ durchgewunken hat. Ich wage es<br />

zu bezweifeln, ob Kinder zwischen sechs und zwölf den<br />

Inhalt <strong>von</strong> THE COVE auch nur ansatzweise verstehen und<br />

verarbeiten können, ohne da<strong>von</strong> nicht wochenlang Albträume<br />

zu bekommen. Ein weiterer Beweis für den fehlenden<br />

Realitätssinn dieser Institution.<br />

KLASS<br />

DVD | MFA+ | Estland 2007 || Möglicherweise ist<br />

KLASS der erste Film aus Estland, der mir bewusst unterkommt,<br />

aber defi nitiv kein schlechter Startpunkt. Das darin<br />

behandelte Thema ist zwar nicht sonderlich originell, aber<br />

im Zeitalter zunehmender Amokläufe schwerbewaffneter<br />

Schüler natürlich nach wie vor aktuell und wie man sieht<br />

auch länderübergreifend <strong>von</strong> Bedeutung. In den letzten<br />

Jahren gab es ja bereits Filme wie ELEPHANT (der sich auf<br />

eher abstrakte Weise dem „Columbine High School massacre“<br />

annäherte) oder 2002 BANG BANG YOU’RE DEAD,<br />

die sich mit den Amokläufen <strong>von</strong> Schülern und den Ursachen<br />

beschäftigten. Und auch in Ilmar Raags KLASS geht<br />

es um einen Prügelknaben an einer relativ austauschbaren<br />

Schule, dem seine Mitschüler das Leben zur Hölle machen,<br />

ähnlich wie es auch dem Protagonisten in BEN X ergeht.<br />

Besagter Joosep ist der klassische Außenseiter, und wer<br />

zur Gruppe der akzeptierten Schüler gehören will, beteiligt<br />

sich eben an den grausamen Erniedrigungen des hilf-<br />

KLASS


losen Jungen. Wenn man sich allerdings gegen die Gruppe<br />

stellt, also nicht mehr Teil der Peergroup ist, passiert genau<br />

das Gegenteil, wie der an sich bisher gut integrierte Schüler<br />

Kasper auf unangenehme Weise erfahren muss, als er<br />

sich für Joosep einsetzt und selbst zum Opfer <strong>von</strong> extremen<br />

Demütigungen wird. Das Ganze spielt sich innerhalb<br />

<strong>von</strong> nur sieben Tagen ab und zeigt auf eindrucksvolle Weise<br />

eine Gewalteskalation, die schließlich in einem Massaker<br />

gipfelt, als Folge spezieller gruppendynamischer Vorgänge<br />

– und das ganz ohne den Einfluss <strong>von</strong> Computerspielen.<br />

Selbst wenn sich das Ende <strong>von</strong> Raags Film irgendwie falsch<br />

anfühlt, man kann auf einer emotionalen Ebene immer<br />

nachvollziehen, was die beiden Schüler dazu gebracht hat.<br />

Und auch wenn die Übergänge <strong>von</strong> Tag zu Tag zu sehr nach<br />

stylischer MTV-Reality-Show aussehen, besitzt KLASS eine<br />

Unwohlsein bereitende Authentizität, einen ungeschönten<br />

Realismus, durch den der Film unaufhaltsam auf seine<br />

finale Katastrophe zusteuert, ohne dass jemand daran etwas<br />

ändern könnte oder im Nachhinein eine hilfreiche Erklärung<br />

parat hätte. Dazu tragen sicher auch die Fähigkeiten<br />

der jungen Schauspieler bei, die sich angenehm <strong>von</strong> den<br />

allzu makellosen Gesichtern amerikanischer Teenager-<br />

Filme abheben, und viel Identifikationspotential bieten.<br />

Eine sehr intensiver, nachhaltig verstörender Film, dessen<br />

thematische Eindimensionalität und formaler Minimalismus<br />

für seine Konzentration aufs Wesentliche nicht <strong>von</strong><br />

Nachteil sind. Der wurde bei der DVD-Veröffentlichung<br />

leider etwas stiefmütterlich behandelt. Denn es wurde auf<br />

jegliche Extras verzichtet, was zu verschmerzen ist. Aber die<br />

estländische Originaltonspur fehlt ebenfalls, weshalb man<br />

sich mit der nicht immer überzeugenden deutschen Synchro<br />

begnügen muss. KLASS wurde offenbar Opfer einer<br />

kühlen Kosten-Nutzen-Analyse des Labels, was aufgrund<br />

seiner offensichtlichen Qualitäten bedauerlich ist. Gut<br />

anschaubar ist er natürlich dennoch.<br />

SALVADOR<br />

2DVD | Koch Media | USA 1986 || Oliver Stone gilt ja<br />

in der Regel als anspruchsvoller Filmemacher mit kontroversen<br />

Themen, aber wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten.<br />

Und nach einem holperigen Karriere-Start und einer starken<br />

Phase <strong>von</strong> Anfang der Achtziger bis Mitte der Neunziger,<br />

inklusive einiger Geniestreiche als Drehbuchautor<br />

wie bei SCARFACE oder YEAR OF THE DRAGON, kommt in<br />

SALVADOR<br />

letzter Zeit <strong>von</strong> Stone überwiegend nur noch Murks – ob es<br />

an zu viel Koks liegt? SALVADOR hatte ich komischerweise<br />

bisher immer ignoriert – ebenfalls lange unterschätzt hatte<br />

ich auch den im selben Jahr entstandenen PLATOON,<br />

warum auch immer. An sich ein typischer früher Stone, der<br />

provokant Zeitgeschichte mit Unterhaltungskino mischt,<br />

also quasi Messagetainment, woraus hier gerade zu Beginn<br />

ein Art FEAR AND LOATHING IN EL SALVADOR resultiert.<br />

James Woods spielt darin den abgehalfterten amerikanischen<br />

Reporter Richard Boyle, mehr Bukowski als Hunter<br />

S. Thompson, der sich mit seinem ähnlich verlotterten<br />

Kumpel Doctor Rock (James Belushi) nach El Salvador<br />

aufmacht, in der Hoffnung, eine fette Story an Land<br />

zu ziehen (Doctor Rock: „They kill people here, Boyle!“ -<br />

Richard Boyle: „Do you believe everything you read in the<br />

papers?“). Seine Story bekommt Boyle letztendlich dann<br />

auch, da er mitten in den dortigen Bürgerkrieg zwischen<br />

Militärregime und Bevölkerung gerät und unter anderem<br />

erleben muss, wie Erzbischof Óscar Romero, einer der<br />

prominentesten Kritiker der Regierung, ermordet wird.<br />

Er selbst kommt schließlich gerade noch mit dem Leben<br />

da<strong>von</strong> und kann das Land verlassen. Zu Beginn wirkt SAL-<br />

VADOR zwar wenig überzeugend, als Stone seine leichtlebigen<br />

Spaßvögel nach Südamerika schickt, woran auch<br />

die deutsche Synchro nicht ganz unschuldig ist, die Woods<br />

flapsigen Sprüchen („I hope you all get anal herpes!“) eine<br />

komödiantische Dimension verleiht, die diese im Original<br />

nur begrenzt besitzen. Doch ab der Mitte der Films, als<br />

alles wesentlich dramatischer und turbulenter wird, entwickelt<br />

SALVADOR einen erstaunlich mitreißenden Sog,<br />

der ihn auf jeden Fall zu einem der Highlights in Stones<br />

Karriere macht, versehen mit einer deutlich humanistischen<br />

und politischen Botschaft. Ein wilder, sehr packender<br />

Film, „based on a true story“, der auch unter erschwerten<br />

Bedingungen entstand, zumal Stone trotz seines Oscars<br />

für das Drehbuch <strong>von</strong> MIDNIGHT EXPRESS damals noch<br />

relativ unbekannt war. Und auch das Thema des Films stieß<br />

vielen amerikanischen Produzenten in politischer Hinsicht<br />

übel auf („What are the death squads, but the brain<br />

child of the CIA? But you’ll run with them because they’re<br />

anti-Moscow!“). Weshalb Stone für die Finanzierung <strong>von</strong><br />

SALVADOR ordentlich in die eigne Tasche greifen musste,<br />

zumindest aber mit Oscar-Nominierungen in zwei Kategorien<br />

belohnt wurde. Die bereits seit Ende Januar erhältliche<br />

DVD <strong>von</strong> Koch im hübschen Digipack, ist die erste<br />

deutsche Veröffentlichung auf diesem Medium und eine<br />

perfekte Möglichkeit, SALVADOR neu für sich zu entdecken,<br />

da es hier neben einem Audiokommentar <strong>von</strong> Stone<br />

unter anderem auch noch eine spannende einstündige<br />

Doku über die Entstehung des Films gibt und 30 Minuten<br />

geschnittene Material. Ud selbstverständlich auch die Originaltospur,<br />

zur Abwechslung sogar mit deutschen Untertiteln.<br />

Highly recommended!<br />

THE SHOOTIST<br />

DVD | Koch Media | USA 1976 || Vor geraumer Zeit<br />

erschien Don Siegels THE SHOOTIST schon mal bei Euro-<br />

Video, in mäßiger Qualität auf DVD. Jetzt gibt es <strong>von</strong> Koch<br />

eine Neuauflage, die diesem Klassiker des Spät-Westerns in<br />

Bild- und Tonqualität endlich mal halbwegs gerecht wird,<br />

auch wenn es dabei sonst keine großartigen Extras gibt. Ein<br />

Schwanengesang in jeglicher Hinsicht und eine satirische<br />

Demontage der klassischen Mythen des Westerns. Darüber<br />

hinaus auch der letzte Film <strong>von</strong> John Wayne, der dieses<br />

Genre ja wie kein anderer geprägt hat. Und so sieht<br />

man im Vorspann eine Abfolge <strong>von</strong> Szenen aus John Waynes<br />

berühmtesten Western als Biographie seiner Figur im<br />

Schnelldurchlauf und gleichzeitig als ehrfürchtige Verbeugung<br />

vor dieser Schauspiel-Ikone. Wayne spielt in THE<br />

SHOOTIST den legendären, 58-jährigen Revolverhelden<br />

John Bernhard Books, der wegen seiner Beschwerden in<br />

Carson City einen befreundeten Arzt (James Stewart) aufsucht,<br />

der ihm dann mitteilt, dass er Krebs im fortgeschrittenen<br />

Stadium hat und nicht mehr lange am Leben sein<br />

wird. Er mietet sich daraufhin bei der Witwe Bond Rogers<br />

(Lauren Bacall) ein, die nicht besonders erfreut über diesen<br />

gewalttätigen Gast ist („Bond, I don’t believe I ever killed a<br />

man that didn’t deserve it.“). Ganz im Gegensatz zu deren<br />

Sohn (Ron Howard), der in Books eine Art Held und Vorbild<br />

sieht. Books steht jetzt allerdings vor der unangeneh-<br />

men Alternative, entweder unter starken Schmerzen qualvoll<br />

zu krepieren oder sich einen würdigen Abgang zu verschaffen<br />

und damit dem eigenen Mythos gerecht zu werden<br />

(„I’m not going anywhere, Marshal. I’m dying and I<br />

intend to die right here.“). Dabei schwingt nicht allzu viel<br />

Heroisches mit, denn Books Abgang ist ein ziemlich trauriger,<br />

bei dem auch harte Typen mal echte Gefühle zeigen<br />

dürfen. Auch wenn Siegel Wayne genug Gelegenheit<br />

gibt, auch sein humoristisches Talent zu zeigen, ohne dass<br />

seine Figur, die ganz klar ein Relikt der Vergangenheit ist,<br />

gleich zu Rooster Cogburn würde. Mit diesem großartigen<br />

Alterswerk schuf Siegel für Wayne ein würdiges finales<br />

Denkmal, und der hat sichtlich viel Spaß daran, die<br />

eigene Legende mit selbstironischer Distanz zu zerpflücken.<br />

Ein Held, der müde geworden ist und keiner mehr<br />

sein will, und den gewisse Umstände immer wieder dazu<br />

zwingen in diese Rolle zu schlüpfen, da jede Menge Aasgeier<br />

nur darauf warten, ihn endlich zu beerben. Zur allgemeinen<br />

Legendenbildung passt es dann auch, dass immer<br />

behauptet wird, Wayne, der bereits drei Jahre später verstarb,<br />

hätte zu dieser Zeit tatsächlich Krebs gehabt. Dieser<br />

wurde aber erst kurz vor seinem Tod bei ihm diagnostiziert,<br />

nachdem er ihn in den Sechzigern erfolgreich bekämpfen<br />

konnte, allerdings auch einen Lungenflügel dabei einbüsste.<br />

THE SHOOTIST untermauert auch noch mal Siegels<br />

Ruf als großartiger Regisseur, der immer intelligente<br />

Genre-Filme gedreht hat. Gleichzeitig auch ein Wiedersehen<br />

mit Hollywood-Größen wie Stewart und Bacall, die<br />

als Femme Fatale in Howard Hawks’ THE BIG SLEEP in<br />

den Vierzigern ihre Karriere begann. Und der kleine Ron<br />

Howard, der damals sein Idol Books nervte, penetriert uns<br />

heute als Regisseur mit fürchterlichen Dan Brown-Verfilmungen.<br />

So schön der Film ist, so ärgerlich ist allerdings<br />

die deutsche Synchro an manchen Stellen, denn so bald es<br />

etwas heiterer wird, steigern Rainer Brandt und Wayne-<br />

Sprecher Arnold Marquis das Klamauk-Level in wirklich<br />

unpassender Weise. Marquis war sicherlich ein altgedienter<br />

und ausgezeichneter Synchronsprecher, aber sehr häufig<br />

nervt sein übertrieben schlecht gelauntes Gebrummel<br />

ganz fürchterlich, zumal er es offenbar schrecklich witzig<br />

fand, Wayne den Rooster Cogburn-Ton zu verpassen, den<br />

der im Original eben nicht hat. Somit ist THE SHOOTIST<br />

teilweise ein weiteres unangenehmes Beispiel für Brandts<br />

selbstherrliche Umtriebe in diesem Bereich, aber ernsthaft<br />

beschädigen konnte er diesen Klassiker dann glücklicherweise<br />

doch nicht.<br />

GEFÄHRTEN DES TODES<br />

DVD | Koch Media | USA 1961 || Sam Peckinpahs erster<br />

Spielfilm THE DEADLY COMPANIONS – bis dahin hatte<br />

er bereits fürs US-Fernsehen erfolgreich gearbeitet – ist<br />

nicht unbedingt der schlechteste Start, um sich dem Schaffen<br />

dieses Regisseurs zu widmen, auch wenn sein zweites<br />

Werk RIDE THE HIGH COUNTRY (SACRAMENTO)<br />

immer als wesentlich wichtiger und besser erachtet wurde.<br />

Was vielleicht auch daran liegt, dass THE DEADLY COM-<br />

PANIONS bis vor kurzem gar nicht oder nur in grässlichen<br />

Vollbildfassungen erhältlich war und insgesamt wenig<br />

bekannt ist. Inzwischen sind aber offenbar doch noch vernünftige<br />

Master aufgetaucht und so erscheint THE DEADLY<br />

COMPANIONS nach einer Veröffentlichung in Dänemark<br />

auch hierzulande in seinem ursprünglichen Scope-Format,<br />

auf Video gab es ihn bisher noch nie. Obwohl schon<br />

Anfang der Sechziger entstanden, ein eher untypischer<br />

Vertreter des klassischen Westerns, der <strong>von</strong> recht heruntergekommenen<br />

Gestalten bevölkert wird. Die Hauptfigur<br />

ist dabei ein ehemaliger Nordstaaten-Sergeant, der Yel-<br />

lowleg genannt wird, und der nach dem Ende des Bürgerkrieges<br />

ausgerechnet den Südstaatler davor bewahrt, beim<br />

Poker wegen Falschspielens aufgehängt zu werden, der ihn<br />

auf dem Schlachtfeld einst skalpierte. Er tut sich dann mit<br />

diesem und dessen schießwütigen Kumpel zusammen, um<br />

eine Bank zu überfallen, mit der Absicht, sich anschließend<br />

endlich rächen zu können. Dabei kommt ihnen aber<br />

jemand zuvor und bei dem daraus resultierenden Feuergefecht<br />

erschießt der Sergeant im Durcheinander den<br />

Sohn eines Barmädchens (Maureen O’Hara, die Esmeralda<br />

aus THE HUNCHBACK OF NOTRE DAME <strong>von</strong> 1939). Als<br />

VERLOSUNG<br />

THE SHOOTIST<br />

GEFÄHRTEN DES TODES<br />

Diesmal haben wir je drei<br />

DVDs <strong>von</strong> MR 73 (Euro-<br />

Video), KLASS (MFA+), SEX MISSION (Ostalgica) und je zwei<br />

DVDs <strong>von</strong> FANTASY FILMFEST SHORTS (Sunfilm), WAXWORK<br />

(Epix), NIRVANA (Epix), SUNDOWN (Epix), BLOOD DINER<br />

(Epix), GEFÄHRTEN DES TODES (Koch Media), THE SHOOTIST<br />

(Koch Media), ANTICHRIST (MFA+) und DIE FAHRTEN DES<br />

ODYSSEUS (Colosseo) zu verlosen.<br />

Wenn ihr bei der Verlosung dabei sein wollt, müsst ihr folgende<br />

Fragen beantworten.<br />

Antworten an movies@ox-fanzine.de schicken (Adresse nicht vergessen!):<br />

•In welchen Filmen <strong>von</strong> Sam Peckinpah hat David Warner mitgespielt?<br />

• Wie heißt das ebenfalls aus Dänemark stammende Porno-Gegenstück<br />

des Dogma 95-Manifestes?<br />

eine Art Wiedergutmachung begleitet er die Frau zusammen<br />

mit seinen beiden Partnern durch ein Indianergebiet,<br />

da diese ihren Sohn neben dem Vater in der Stadt Siringo<br />

beerdigen will. Eine beschwerliche und lebensgefährliche<br />

Reise, denn zwischenzeitlich setzen sich Yellowlegs Partner<br />

unerwartet ab, dafür sind ihm und dem Barmädchen Indianer<br />

auf den Fersen, bis es dann zu einem eher antiklimaktischen<br />

Showdown kommt. Wirkliche Helden gibt es in<br />

THE DEADLY COMPANIONS nicht, und so ist auch Yellowleg<br />

(<strong>von</strong> Brian Keith exzellent gespielt) nur eine kaputte<br />

Type mit körperlichen Gebrechen, weswegen er kaum<br />

noch seinen Revolver richtig festhalten kann. Und der nur<br />

darauf ist, seine Rache zu bekommen, allerdings dann doch<br />

noch eine Form <strong>von</strong> Läuterung erfährt („Hating is a subject<br />

I know a little something about. You got to be careful<br />

it don’t bite you back.“). Spektakuläre Actionsequenzen<br />

wie in späteren Peckinpah-Filmen sucht man in THE<br />

DEADLY COMPANIONS noch vergeblich, was nicht heißt,<br />

dass es hier nicht auch für das Genre typische Spannungsmomente<br />

geben würde. Vor allem ist THE DEADLY COM-<br />

PANIONS aber ein sehr düsterer und nihilistischer Western<br />

und dementsprechend sehenswert, auch wenn Peckinpah<br />

so gut wie keinen Einfluss auf die Entwicklung des Drehbuchs<br />

und den Endschnitt hatte und hier nur ein besserer<br />

Auftragsregisseur war. Jedenfalls kann man mit dieser DVD<br />

endlich mal eine der letzten Lücken in der Peckinpah-<br />

Sammlung schließen. Wobei auch Fans <strong>von</strong> ungewöhnlichen<br />

Western an diesem Film ihre Freude haben werden,<br />

der bei weitem nicht so eindimensional und wenig bemerkenswert<br />

ist, wie einige Kritiker immer wieder gerne<br />

behaupten. Mike Siegel, <strong>von</strong> dem auch die hervorragende<br />

Peckinpah-Doku PASSION & POETRY stammt, hat hier als<br />

nette Extras noch einen Audiokommentar und ein knapp<br />

30-minütiges Feature beigesteuert.<br />

IN 3 TAGEN BIST DU TOT 2<br />

DVD | Senator | Österreich 2008 || 2006 drehte<br />

Andreas Prochaska mit IN 3 TAGEN BIST DU TOT recht<br />

erfolgreich einen Slasher nach amerikanischem Vorbild,<br />

der seinen besonderen Reiz aus den idyllischen Seen und<br />

Berglandschaften der österreichischen Provinz zog. Das<br />

Ganze war wohl insgesamt recht erfolgreich, und so hieß<br />

es zwei Jahre später IN 3 TAGEN BIST DU TOT 2 und der<br />

Regisseur erneut Prochaska. Nina, die im ersten Teil ihre<br />

Freunde durch einen psychopathischen Killer verloren<br />

hatte, ist inzwischen nach Wien gezogen und glaubt,<br />

die schrecklichen Erlebnisse aus dem ersten Teil verarbeitet<br />

zu haben. Bis eines Abends ihr Handy klingelt und ihre<br />

Freundin Mona sie um Hilfe bittet, wodurch Nina erneut<br />

in einen Albtraum mit ähnlicher Tragweite katapultiert<br />

wird, als sie zurück in die Provinz fährt, ins verschneite<br />

Tirol, um ihre Freundin zu suchen. War der erste Teil die<br />

Entsprechung amerikanischer Slasher, ist IN 3 TAGEN<br />

BIST DU TOT 2 Prochaskas Antwort auf Backwoods-Horror.<br />

Denn Nina bekommt es hier mit einer hübsch degenerierten<br />

Hinterwäldler-Familie zu tun, wodurch der Sicko-<br />

IN 3 TAGEN BIST DU TOT<br />

Faktor des Films gegen Ende drastisch ansteigt und man<br />

sich angesichts dieses intensiven, blutigen Gemetzels fragt,<br />

wieso das die FSK nur „ab 16“ eingestuft hat. Von einer<br />

richtigen Fortsetzung kann man eigentlich gar nicht sprechen,<br />

denn I3TBDT2 schlägt eine ganz andere Richtung ein<br />

und ist für Protagonistin eher die unerfreuliche Verarbeitung<br />

des Traumas aus dem ersten Teil – quasi ein kathartischer<br />

Prozess, den sie da durchmachen muss. Offenbar<br />

lag wohl sogar ein Drehbuch <strong>von</strong> Jörg Buttgereit für den 2.<br />

Teil vor, das aber nicht Prochaskas Vorstellungen entsprach.<br />

Sehr schön ist auf jeden Fall die verschneite Berglandschaft<br />

als Kulisse, die das abartige Treiben noch um einiges intensiver<br />

und grausamer wirken lässt. Ebenso wie die exzellente,<br />

innovative Kameraführung, denn gerade Filme aus<br />

dem deutschsprachigen Raum besitzen ja oft die unangenehme<br />

Eigenart, nur wie bessere Fernsehspiele zu wirken.<br />

Und Hauptdarstellerin Sabrina Reiter trägt auf jeden Fall<br />

dazu bei, dass der Film seine Glaubwürdigkeit behält, auch<br />

wenn sie bereits 26 ist, wobei auch der Rest der Darsteller<br />

erfreulich überzeugend ist. Richtig originell mag das zwar<br />

alles nicht sein, aber im Vergleich zur Masse überflüssiger<br />

amerikanischer Horror-Filme beziehungsweise schlechter<br />

Remakes/Sequels besitzt I3TBDT2 dann doch wieder<br />

eine sympathische Eigenständigkeit. Alleine schon aufgrund<br />

seiner visuellen Seite hebt er sich angenehm <strong>von</strong><br />

der Künstlichkeit nichteuropäischer Filme ab, und wesentlich<br />

spannender ist das Ganze auch noch. Klar, auch diesen<br />

Film hätte die Welt nicht unbedingt gebraucht, aber man<br />

hat hier über 100 Minuten zumindest nicht das Gefühl,<br />

komplett seine Zeit verschwendet zu haben. Und wer <strong>von</strong><br />

einem Genrefilm so was wie Autorenkino erwartet, ist<br />

sowieso fehl am Platz. Als Bonus gibt es auf der seit Januar<br />

erhältlichen ungeschnittenen DVD neben einer sehr interessanten<br />

entfallenen Szene einen Audiokommentar <strong>von</strong><br />

Regisseur und Hauptdarstellerin und, ganz wichtig, deutsche<br />

Untertitel, denn wer kann hierzulande schon Österreicher<br />

verstehen.<br />

No Shame<br />

»Ironing Day« Tour<br />

REVIEWS<br />

I Walk The Line<br />

»Language of the Lost«<br />

16.04. Flensburg | 17.04.<br />

Berlin | 18.04. Dresden |<br />

19.04. Chemnitz | 20.04.<br />

Nürnberg | 21.04. Mannheim<br />

| 22.04. Karlsruhe |<br />

23.04. München | 24.04. Rottenburg<br />

| 25.04. Tübingen |<br />

26.04. Solingen | 27.04. Aachen<br />

| 28.04. Erfurt | 29.04.<br />

Leipzig | 30.04. Hamburg<br />

03.04. Düsseldorf |04.04.<br />

Castrop-Rauxel | 05.04.<br />

Rastatt | 07.04. Hildesheim |<br />

08.04. Berlin | 09.04. Brandenburg<br />

| 11.04. Ulm | 12.04.<br />

Marbach | 14.04. Chemnitz |<br />

16.04. Aachen<br />

Genepool<br />

»Lauf! Lauf!« Tour<br />

08.04. Hamburg | 09.04.<br />

Hannover | 10.04. Kiel |<br />

16.04. Chemnitz, | 17.04.<br />

Berlin | 18.04. Potsdam,<br />

Ken FM Radioshow | 21.04.<br />

Wiesbaden *| 22.04. Stuttgart<br />

*| 26.04. Köln *| 27.04.<br />

Dortmund *| 07.05. Bremen<br />

| 08.05. Berlin | 23.05.<br />

Winterberg, Dirtmasters<br />

* w/ KEN<br />

OX-FANZINE 115


Reviews<br />

Stevie Chick<br />

SPRAY PAINT THE WALLS<br />

The Story Of Black Flag<br />

Buch | Omnibus Press | omnibuspress.com | 404 S.,<br />

£16.95 || Wollte man sich bislang in Buchform mit<br />

BLACK FLAG beschäftgen, blieb nur Michael Azzerads<br />

„Our Band Could Be<br />

Your Life“, das die 1976<br />

in Hermosa Beach gegründete<br />

Band um SST-<br />

Labelboss Greg Ginn im<br />

Kontext <strong>von</strong> Freunden<br />

und Zeitgenossen wie<br />

MINUTEMEN, HÜS-<br />

KER DÜ, MINOR TH-<br />

REAT, DINOSAUR JR.<br />

und SONIC YOUTH abhandelt,<br />

sowie „American<br />

Hardcore“. Der<br />

Musikjournalist Stevie<br />

Chick, der zu jung ist,<br />

um die 1986 aufgelöste<br />

Band aktiv begleitet zu<br />

haben, hat sich nach seiner<br />

SONIC YOUTH-Biographie<br />

„Psychic Confusion“<br />

in den Jahren 2008 und 2009 ausgiebig mit dem<br />

Phänomen BLACK FLAG auseinandergesetzt und aus seinen<br />

Recherchen und Interviews ein über 400 Seiten dickes<br />

Monstrum geschaffen. Mit BLACK FLAG geht es hier<br />

sowohl exemplarisch wie im Detail um eine Band, die in<br />

den Vororten <strong>von</strong> Los Angeles mit den Auswirkungen der<br />

Hippie-Nachwehen, Seventies-Rock-Gigantomanie und<br />

Polizeigewalt gleichermaßen zu kämpfen hatte – nicht<br />

zu vergessen die menschlichen Faktoren wie Neid, Missgunst,<br />

Drogen, Alkohol und Adoleszenz. Die Band um Greg<br />

Ginn und Chuck Dukowski schaffte es, abseits der etablierten<br />

Szene <strong>von</strong> Hollywood ihr eigenes Projekt einer an maximaler<br />

Härte orientierten Band durchzuziehen, gegen alle<br />

Widrigkeiten, und neben Bands wie YOUTH BRIGADE in<br />

L.A., DEAD KENNEDYS in San Francisco, MINOR THREAT<br />

in Washington, D.C. und D.O.A. in Vancouver zu Pionieren<br />

des Hardcore zu werden, die für Generationen <strong>von</strong> Bands<br />

nach ihnen jene Touring- und Szene-Strukturen etablierten,<br />

die für sie schlichtweg nicht vorhanden waren. Dazu<br />

gehört auch das <strong>von</strong> Greg Ginn gegründete Label SST, auf<br />

dem fast alle BLACK FLAG-Platten erschienen sind. Stevie<br />

Chick widmet sich in seinem sehr detailreichen Werk jedem<br />

einzelnen Bandmitglied, vor allem aber Greg Ginn,<br />

Chuck Dukowski, Bill Stevenson, Kira Roessler, Chuck Biscuits<br />

und Roberto „Robo“ Valverde“ sowie den Sängern<br />

Keith Morris (1976–1979), Ron Reyes (1979–1980), Dez<br />

Cadena, (1980–1981, 2003) und natürlich Henry Rollins<br />

(1981–1986). Chicks konnte dabei in vielen Fällen auf eigene<br />

Interviews zurückgreifen, oft zitiert er aber auch aus<br />

Interviews anderer, da wohl nicht jeder der damals Beteiligten<br />

übermäßig auskunftsfreudig war. Chicks Verdienst ist<br />

es, einerseits BLACK FLAG in ihrer Rolle als Pioniere und<br />

Stil-Ikonen zu würdigen, andererseits aber auch die Konflikte<br />

und Widersprüche aufzuzeigen. Speziell Band-Diktator<br />

Greg Ginn kommt hier bei genauem Lesen zwischen<br />

den Zeilen nicht wirklich gut weg: Einerseits wird klar, wie<br />

visionär und besessen Ginn seine musikalischen Ziele verfolgte,<br />

wie klar seine Vorstellung <strong>von</strong> seinem Label in der<br />

Frühphase war, aber aus den Aussagen enttäuschter Wegbe-<br />

Was sind die Einflüsse für deine Kunst, speziell wenn es um<br />

das Design <strong>von</strong> Bandlogos geht?<br />

Meistens finde ich etwas in der Natur, oder in Geschichte, Technik,<br />

Architektur, Musik: alles was eine hypnotische Atmosphäre<br />

ausstrahlt. Um Logos zu entwerfen, brauche ich eine ganz<br />

bestimmte Umgebung, die Vision muss klar sein. Manchmal<br />

kritzle ich einfach auf dem Papier herum, manchmal geht es<br />

auch sehr zielstrebig mit dem Zeichnen voran. Mein wichtigster<br />

kreativer Antrieb ist wohl Frustration, das habe ich für mich<br />

herausgefunden ... besonders wenn es um respektlose Kunden<br />

geht, die <strong>von</strong> einem anderen Künstler hinter meinem Rücken<br />

ein tolles Logo bekommen haben.<br />

Kannst du beschreiben, wie du ein Logodesign angehst,<br />

sowohl <strong>von</strong> der technischen Seite her, als auch mental?<br />

Was das Kopfmäßige angeht, muss ich eine Menge Bilder gesehen<br />

haben, durch verschiedene Landschaften gegangen sein<br />

oder harte Zeiten erlebt haben, wie zum Beispiel im Moment<br />

bei meinem „normalen“ Job. Oder ich muss <strong>von</strong> einem Film,<br />

Festival oder Konzert beeindruckt sein. Wenn ich verreise,<br />

OX-FANZiNe 116<br />

gleiter wie Kira Roessler, Chuck Dukowski oder Bill Stevenson<br />

wird auch klar, dass Ginn ein manipulativer Egomane<br />

ist, der BLACK FLAG letztlich auch deshalb auflöste,<br />

weil er mit Henry Rollins eine gleich starke Person in<br />

der Band herangezogen hatte, die seiner Kontrolle entglitten<br />

war – er konnte Rollins nicht mehr feuern. Wer immer<br />

BLACK FLAG sklavisch verehrt, sollte dieses Buch nicht lesen,<br />

denn es zerstört auch ein idealisiertes Bild, macht klar,<br />

wieviel Blut, Schweiss und Tränen in dieser Band steckten.<br />

Chicks ist es überdies gelungen, aus zweiter Hand ein beeindruckendes<br />

Portrait der US-Suburbia-Gesellschaft der<br />

späten Siebziger zu zeichnen, in der so viele Wurzeln der<br />

Punk- und Hardcore-Szene liegen – ohne diese zu kennen,<br />

ist ein Verständnis der aus dieser hervorgehenden Bands aus<br />

europäischer Sicht nicht möglich. Einziger negativer Aspekt<br />

dieses Buches sind die sehr detaillierten Beschreibungen<br />

der Musik <strong>von</strong> BLACK FLAG seitens Chick, bei der er<br />

oftmals zu floskelhaft vorgeht. Deshalb: Essentieller Lesestoff,<br />

sofern man der englischen Sprache halbwegs mächtig<br />

ist. Joachim Hiller<br />

Ray Bradbury, Tim Hamilton<br />

FAHRENHEIT 451<br />

Buch | Eichborn | eichborn.de | 160 S., 22,95 Euro ||<br />

Als ich François Truffauts Verfilmung <strong>von</strong> „Fahrenheit 451“<br />

aus dem Jahr 1966 mit 14 oder 15 das erste Mal sah, stand<br />

uns das „Orwell-Jahr“<br />

1984 noch bevor und<br />

kein Mensch hatte den<br />

Hauch einer Idee da<strong>von</strong>,<br />

dass 25 Jahre später Diskussionen<br />

über den alles<br />

speichernden Internet-<br />

Moloch Google geführt<br />

werden würden. Ich war<br />

jung, aber schon alt genug,<br />

um eine Ahnung<br />

da<strong>von</strong> zu haben, dass in<br />

Zukunft nicht alles besser<br />

sein würde. Truffauts<br />

Film lag Ray Bradburys<br />

Buch aus dem Jahr 1953<br />

zu Grunde, ein dystopischer<br />

Roman <strong>von</strong> zeitloser<br />

Bedeutung, dessen<br />

Geschichte auch heute noch keinesfalls wie eine naive<br />

Beschreibung einer Zukunft wirkt, die <strong>von</strong> der Realität<br />

längst eingeholt oder übetroffen wurde. Dieses Buch<br />

nun wurde 2009 mit Zustimmung des bald neunzigjährigen<br />

Bradbury <strong>von</strong> Tim Hamilton als Graphic Novel umgesetzt,<br />

und scheinbar war Bradbury vom Ergebnis so überzeugt,<br />

dass er bereit war, das Vorwort zu schreiben. Die Geschichte<br />

ist simpel: Montag ist Feuerwehrmann, doch in<br />

jener Gesellschaft – eine deutlich erkennbare Fortschreibung<br />

der heilen US-Vorstadtwelt der boomenden Fünfziger<br />

– hat die Feuerwehr eine ganz andere Aufgabe, denn die<br />

Häuser sind längst feuerfest. Stattdessen rücken die Wehrmänner<br />

mit Kerosinspritzen bewaffnet aus, wenn mal wieder<br />

ein Buchbesitzer entdeckt wurde. Bücher, das ist subversiver<br />

Kram, den es zu beseitigen gilt, und diesen Job<br />

macht Montag mit Leidenschaft. Bis er eines Tages Skrupel<br />

bekommt ... Warum hat sich eine alte Frau mit ihren<br />

Büchern verbrannt, als die Feuerwehr ins Haus kam? Was<br />

ist an diesen Büchern dran, dass jemand bereits ist dafür<br />

zu sterben? Montag nimmt ein zur Verbrennung bestimm-<br />

tes Buch mit nach Hause, und das Verhängnis nimmt seinen<br />

Lauf. Hamiltons bildliche Umsetzung der Geschichte<br />

ist gelungen, die Text-Adaption bei aller Kürzung nicht<br />

verfremdend, man bleibt der Vorlage treu und schuf so einen<br />

wirklich sehens- und lesenswerten Graphic Novel, der<br />

der literarischen Bedeutung des Roman angemessen ist.<br />

Joachim Hiller<br />

Christophe Szpajdel<br />

LORD OF THE LOGOS<br />

Designing The Metal Underground<br />

Buch | Gestalten | gestalten.com | 272 S., 35 Euro || Der<br />

1970 geborene Belgier Christophe Szpajdel begann seine<br />

Karriere als Logo-Zeichner während seines Biologiestudiums<br />

in Leuven, als er Anfang<br />

der Neunziger als<br />

Mitwirkender des Fanzines<br />

„Septicore“ Kontakt<br />

zum späteren EM-<br />

PEROR-Gitarristen Samoth<br />

hatte, denen er<br />

dann das auf jeder Veröffentlichung<br />

der Norweger<br />

verwendete Bandlogo<br />

kreierte. Bis heute hat<br />

Szpajdel hunderte Logos<br />

für Metal-Bands entworfen<br />

und gezeichnet, die<br />

jetzt in diesem Bildband<br />

versammelt und nach<br />

Stil geordnet sind. Dass<br />

er dabei für die Unterteilung der einzelnen Genres, wenn<br />

man denn bei Logos <strong>von</strong> solchen sprechen kann, als jeweiligen<br />

Einstieg ein Naturfoto wählte, zeigt Szpajdels Verbundenheit<br />

zum Black Metal, dementsprechend sind seine Designs<br />

auch oft beinahe unleserliche, künstlerisch aber ansprechende<br />

Schriftzüge, die das Archaische des Genres aufgreifen.<br />

Auf erläuternde Informationen hat Szpajdel verzichtet,<br />

„Lord Of The Logos“ funktioniert dennoch als eine<br />

Art klassischer Bildband, auch wenn uns der Kunstledereinband<br />

eine Bibel vorgaukeln möchte. André Bohnensack<br />

Oliver Uschmann<br />

DAS GEGENTEIL VON OBEN<br />

Roman<br />

Buch | Script 5 | script5.de | 344 S., 12,90 Euro || Nach<br />

der unerfreulich entsetzlichen, letzten Veröffentlichung<br />

(siehe „Fehlermeldung“) war die Angst vor dem, was als<br />

nächstes kommt, berechtigt. Doch das Aufatmen wird gestattet!<br />

Wenn man „Fehlermeldung“ als den bisherigen<br />

Tiefpunkt in der beeindruckend, sich innerhalb kurzer<br />

Zeit verlängernden Liste an Bucherscheinungen <strong>von</strong> Oliver<br />

Uschmann, bezeichnen kann, ist demgemäß „Das Gegenteil<br />

<strong>von</strong> oben“ der bisherige Höhepunkt. So außerordentlich<br />

gelungen dreiviertel der derzeit vierteiligen „Hartmut<br />

und ich“-Reihe auch sind, es war längst an der Zeit, dass<br />

sich der Autor einmal anderen Hauptfiguren in einem seiner<br />

Romane widmet. Und das hat er mit diesem frischen,<br />

unterhaltsamen und spannenden Roman fabelhaft zustande<br />

gebracht. Die Geschichte wird erzählt <strong>von</strong> Dennis, einem<br />

fünfzehnjährigen Jungen, der zusammen mit seiner<br />

Mutter in einer Hochaussiedlung wohnt. Als habe er<br />

nicht schon genug damit zu tun, die üblichen jugendtypischen<br />

Hürden zu überwinden, wird er nun auch noch auf<br />

ein vermutlich grausames Geschehen in seiner Nachbar-<br />

habe ich immer ein Skizzenbuch bei mir, ein paar A4-Blätter<br />

und Stifte, damit ich interessante Dinge direkt zu Papier bringen<br />

kann. „Ah, dieses Art-Déco-Motiv am Schaeffer Building<br />

in Eugene, Oregon zum Beispiel, passt perfekt zu meiner Idee<br />

für dieses oder jenes Logo.“ Das ist die mentale Vorbereitung.<br />

Wenn mein Kopf irgendwann voller Ideen ist, mache ich aus<br />

den guten kleinen Skizzen große Entwürfe, scanne sie auf A4,<br />

schicke sie an die Bands und wir schauen dann, was geändert<br />

werden muss. Meistens ist es so, dass der Kunde sagt: „Es ist<br />

gut, aber noch nicht ganz das, wonach wir suchen.“ Durch<br />

weiteres Fragen, komme ich dann zu weiteren Entwürfen, und<br />

wenn der Kunde zufrieden ist, mache ich mit Tusche weitere.<br />

Erst die Outlines, dann die Fillings und das Ausschmücken. Das<br />

dauert alles so seine Zeit und meine Arbeit an ein paar Logos ist<br />

immer auf einige Wochen ausgelegt. Ein wirklich gutes Logo<br />

kann niemals an nur einem Tag entstehen.<br />

Muss dir die Musik der Bands gefallen, für die du arbeitest,<br />

oder siehst du es „nur“ als Job?<br />

Bis jetzt versuche ich immer, Leidenschaft und Job auf einen<br />

Nenner zu bringen. Ich habe auch noch einen normalen Job<br />

im Management eines Supermarktes, plane aber längerfristig,<br />

mich selbständig zu machen und tue alles erdenklich mögliche,<br />

um <strong>von</strong> der Kunst leben zu können und den anderen Job<br />

an den Nagel zu hängen. Leider bin ich manchmal gezwungen,<br />

Logos für Bands zu machen, die mir überhaupt nicht gefallen,<br />

wenn andere Kunden wegfallen zum Beispiel. Es kam auch<br />

schon vor, dass irgendwelche Metalcore-Bands wegen eines<br />

Logos auf mich zugekommen sind und ich erst abgelehnt habe,<br />

dann aber doch den Auftrag annahm, weil nur wenige interessante<br />

Bands da waren, deren Logo ich unbedingt machen<br />

wollte ... Ich bin auch schon mal frustriert, wenn ich geile<br />

Logos für zweitklassige Bands machen musste.<br />

Hast du auch mal eine Anfrage aus musikalischen, persönlichen<br />

oder sogar politischen Gründen abgelehnt? Letzteres<br />

bezieht sich vor allem auf die NS-Bewegung im Black Metal.<br />

Das ist eine ziemlich schwierige Angelegenheit. Bevor ich eine<br />

Anfrage ablehne, mache ich mich erst mal schlau, frage mich<br />

Literatur<br />

schaft aufmerksam. Die Überforderung nimmt zu, aber er<br />

hat keine Wahl. Er muss Antworten auf einige Fragen finden,<br />

die sein Leben ihm stellt. Die Geschichte wird wunderbar<br />

erzählt und die Charaktere begeistern. Oliver Uschmann<br />

überzeugt nach dem Ausrutscher absolut. Nun kann<br />

man sich auch wieder auf den bald erscheinenden fünften<br />

„Hartmut und ich“-Roman freuen. Christoph Parkinson<br />

Daniel Terek<br />

DER WELTENMAMPFER<br />

Edition The Punchliner Band 3<br />

Buch | Verlag Andreas Reiffer | verlag-reiffer.de | 116 S.,<br />

10 Euro || Oje, wenn einen schon in der dritten Zeile einer<br />

Einleitung ein Tippfehler anlacht und dann im Postskriptum<br />

dieser betont<br />

werden muss, dass<br />

der Autor gegen Sexismus,<br />

gegen Homophobie,<br />

für Vegetarismus und<br />

Straight Edge ist, schlafen<br />

einem bereits fast die<br />

Füße ein. Während dem<br />

Lesen der ersten Storys<br />

beginnen diese dann tatsächlich<br />

unangenehm zu<br />

kribbeln. Daniels Schuleinführung,<br />

die Probleme,<br />

die er beim Erlernen<br />

des Radfahrens hatte oder auch seine „authentische Zeichnung<br />

ländlichen Lebens“, in welcher er das Phänomen der<br />

Dorfdisco darstellt, langweilen sehr – obwohl der Autor<br />

nicht auf den Kopf gefallen ist und sich ganz gut ausdrücken<br />

kann. Aber das Weiterlesen lohnt sich bald. Ein Text,<br />

wie zum Beispiel „Kinderquatsch mit Anne“, trifft das angegangene<br />

Thema auf den Punkt und begeistert besonders<br />

durch eine sehr bissige, gute Schreibe, welche schließlich<br />

in weiteren der insgesamt 26 Texte verzückt. Ebenfalls gefällt<br />

auch „Ganz oben“, in der sehr erheiternd eine Jugendkultur<br />

der „Aristokraten“ erfunden und beschrieben wird.<br />

Also: Nach massiven Startschwierigkeiten, hat der Weltenmampfer<br />

in seinem Debüt die Kurve gekriegt. Mal sehen,<br />

ob er diesen Level in einer zweiten Veröffentlichung<br />

durchgehend halten kann. Christoph Parkinson<br />

Roy Carr<br />

A TALK ON THE WILD SIDE<br />

Buch+4CD | Edel | edel.com | 120 S., 39,95 Euro || Bei<br />

dem Titel schaut man auf und bleibt an der Gestaltung und<br />

dem Wortspiel hängen. Lou Reeds „Walk on the wild side“<br />

fällt einem ein und man ist fast auf der richtigen Spur. Es<br />

geht zwar nicht um VELTVET UNDERGROUND, aber um<br />

die Zeit, in der die Velvets ganz vorne waren: Es beginnt<br />

1972 in New York mit einem Interview Roy Carrs mit John<br />

Lennon. Ein knappes Dutzend Megastars der Siebzigerjahre<br />

– John Lennon, Mick Jagger, Keith Moon, Phil Spector,<br />

Keith Richards, Cat Stevens, John Entwistle, John Bonham,<br />

Pete Townshend und Paul McCartney - äußern sich zum<br />

Musikgeschäft und vermitteln einen seltsam eindringlichen,<br />

manchmal verschrobenen und abwegigen Eindruck<br />

<strong>von</strong> einer Zeit, die man aus der Perspektive des gesprochenen<br />

Tondokuments eher selten kennen lernt. Dazu findet<br />

man im Begleitband eine unterhaltsame Collage an Bildmaterial,<br />

einiges Neues und auch Bekanntes. Aber vor allem<br />

überraschen die Tondokumente aus dem Zeitraum<br />

1972 bis 1978 mit ihrer Frische, wie gestern aufgenom-<br />

CHriStOPHe SZPaJDeL<br />

The Lord of The Logos<br />

Der 1970 geborene Belgier Christophe szpajdel begann seine Karriere als Logo-Zeichner während seines Biologiestudiums<br />

in Leuven, als er Anfang der Neunziger als Mitwirkender des Fanzines „septicore“ Kontakt zum<br />

späteren eMPeROR-Gitarristen samoth hatte, denen er dann das auf jeder veröffentlichung der Norweger verwendete<br />

Bandlogo kreierte. Bis heute hat szpajdel hunderte Logos für Metal-Bands entworfen und gezeichnet,<br />

die er jetzt in dem Bildband „Lord Of The Logos“ versammelt hat.<br />

und auch andere Leute, die eine Band vielleicht persönlich kennen,<br />

ob es der Auftrag wert ist. Wird die Band groß oder ist es<br />

nur ein kurzes Ausrasten <strong>von</strong> irgendwelchen unreifen Kindern,<br />

die demnächst ihre Instrumente wieder verkaufen und auf den<br />

nächsten Trend aufspringen? Da zählt jedes Detail, beginnend<br />

bei der Art und Weise, wie eine Nachricht an mich geschrieben<br />

wird, bis zum persönlichen Hintergrund des Kunden, denn<br />

ich habe absolut keine Lust für irgendwelche Emo-Kinder zu<br />

arbeiten, deren Bandphilisophie ist, ein paar Songs bei MySpace<br />

reinzustellen, um ein paar gelangweilte Freunde zu beeindrucken<br />

oder <strong>von</strong> anderen Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich<br />

will mit Leuten arbeiten, die reifer im Kopf sind und Musik<br />

aus Leidenschaft machen. Ich bin sogar mehr <strong>von</strong> persönlichen<br />

Anfragen begeistert, die nicht unbedingt <strong>von</strong> Bands kommen,<br />

denn da spüre ich häufig ein größeres Interesse, und die Wahrscheinlichkeit<br />

ist auch höher, dass meine Arbeit angemessen<br />

entlohnt wird. Die meisten Typen in den Bands, die ich online<br />

so treffe, haben kein Geld. Seit ich ein Interview für ein Webzine<br />

namens LoveLogoDesign gemacht habe, sehe ich mehr<br />

Interesse <strong>von</strong> Leuten, die Kunst einfach um ihrer selbst willen<br />

lieben. Was diese Nazi-Bewegung angeht, denke ich, dass<br />

sie Black Metal generell in Verruf bringt , und wissend ein Logo<br />

für eine NSBM-Band zu entwerfen, würde meinen guten Ruf<br />

ruinieren, das ist das Letzte, was ich will. Andererseits, versteh<br />

mich nicht falsch, gibt es leider auch gute Bands, die wirklich


men. Die Interviews sind manchmal holperig, schwer zu<br />

verstehen, vor allem aber unterhaltend und erhellend. Man<br />

sollte allerdings den Kontext der Interviews kennen, obwohl<br />

dieser <strong>von</strong> dem Bildband vermittelt wird, denn die<br />

Interviews liefern eine erhebliche Fülle an Detailinformationen.<br />

Zusammengenommen ein schönes Büchlein mit<br />

verblüffend viel Informationen, in hervorragender Ausstattung<br />

und bestens geeignet als Geschenk für einen Plattenliebhaber,<br />

der schon alles hat. <strong>Thomas</strong> <strong>Neumann</strong><br />

Heidi Minx<br />

Home Rockanomics<br />

54 Projects and Recipes for Style on the Edge<br />

Buch | <strong>Thomas</strong> Dunne Books | thomasdunnebooks.com<br />

| 144 S., $16.99 || Heidi Minx aus New York steckt hinter<br />

der Website punkrockdomestics.com, einer englischsprachigenD.I.Y.-Website,<br />

die das Selbermachen<br />

mal über die üblichen<br />

Themenfelder<br />

Konzerte, Flyer, Platten,<br />

T-Shirt-Druck etc. hinaus<br />

ausdehnt und damit<br />

auch eine politische Aussage<br />

macht: Man muss<br />

nicht den Konsumzwängen<br />

der Gesellschaft gehorchen,<br />

sondern kann<br />

sich durch handwerklich<br />

hergestellte Gegenstände<br />

und das Recyclen<br />

bestimmten Verhaltensweisen<br />

entziehen<br />

und wird damit auch noch einem Ur-Anspruch <strong>von</strong> Punk<br />

und Hardcore gerecht, nämlich sich selbst zu verwirklichen<br />

und seiner Individualität Ausdruck zu verleihen. Online<br />

gibt es unzählige Tipps, Ideen und auch (fleischfreie)<br />

Rezepte umsonst, doch in gedruckter Form und schön gestaltet,<br />

mit reichlich Fotos dazu macht das Ganze auch Sinn<br />

und taugt darüber hinaus auch noch als Geschenk. Von der<br />

pinken Farbgebung her habe ich zwar den Eindruck, das<br />

Buch wende sich eher an Frauen als an Männer, doch je<br />

nach handwerklicher Veranlagung taugt das Buch für beide<br />

Geschlechter zur Inspiration. Wohnzimmerkissen aus alten<br />

oder neuen T-Shirts nähen? Einen Nietengürtel aus einem<br />

Fahrradschlauch selber machen? Einen Bilderrahmen<br />

aus einem CD-Case basteln? Mit Sprühschablonen arbeiten?<br />

Kochen mit John Joseph <strong>von</strong> den CRO-MAGS? Gibt es<br />

alles hier. Mit durchschnittlichen englischen Sprachkenntnissen<br />

kommt man hier auf jeden Fall klar und braucht<br />

sich über Geschenkideen für die nächsten Geburtstagspartys<br />

keinen Kopf mehr machen. Joachim Hiller<br />

Oliver Uschmann<br />

FEHLERMELDUNG<br />

Der Mann und seine Krisen<br />

Buch/2CD | Gütersloher Verlagshaus | gtvh.de | 255 S.,<br />

16,95 Euro || Nach der vierteiligen „Hartmut und ich“-<br />

Reihe, begibt sich Uschmann auf ganz neue Gewässer. Mittels<br />

seiner Kenntnisse in der Transaktions- oder in der Psychoanalyse<br />

(oje ...), veröffentlicht er einen Ratgeber für<br />

den modernen, „fehlerhaften“ Mann. In mehreren Kurzgeschichten<br />

stellt er die Laster <strong>von</strong> fünf angeblich prototypischen<br />

Männerfiguren dar. Er hält fest: Männer wollen<br />

ewig Kind bleiben, können nicht mit Geld umgehen,<br />

haben Angst vor Bindung, Beziehung und Verantwortung,<br />

überschätzen sich selbst gerne und haben Angst vor Ärzten.<br />

Auf die Fehleranalyse folgen die Ratschläge für die Fehlerbehebung.<br />

Die Tipps bereiten dem modernen Leser gerne<br />

mal Übelkeit: „Werden Sie Unternehmer“, „haben Sie<br />

selber Kinder (dann werden Sie ganz <strong>von</strong> selbst erwachsen<br />

tolle Musik machen, die als NSBM abgestempelt werden, doch<br />

viele sind das nicht. Von so einer Band würde ich nur dann<br />

eine Anfrage akzeptieren, wenn sie sich selbst treu bleibt, und<br />

ich werde nicht zögern, irgendwelche Aufträge abzulehnen, bei<br />

denen eine Band will, dass ich offensichtliche NS-Symbole in<br />

ihr Logo einarbeite. Ich will hier aber auch noch darauf hinweisen,<br />

dass keltische Kreuze oder Sonnenräder <strong>von</strong> einigen<br />

als Nazi-Symbole bezeichnet werden, was aber absolut falsch<br />

ist. Diese Ansicht wird <strong>von</strong> Leuten verbreitet, die sich damit<br />

nicht auskennen. Wissen ist etwas Entscheidendes, man sollte<br />

nie ein Urteil fällen, ohne sich vorher umfassend informiert zu<br />

haben, weshalb ich oft auch einen Kunden erst mal zur Sicherheit<br />

in die Warteschleife stelle, bevor ich entweder loslege oder<br />

die Anfrage ablehne. Bei diesem Thema muss man immer sehr<br />

aufpassen.<br />

Hörst du dir die Musik der jeweiligen Bands dabei an, während<br />

du an ihren Logos arbeitest?<br />

Immer, auf jeden Fall! Jede Band, die auf mich zukommt, muss<br />

mir auch einen Link zukommen lassen. Ich werde immer<br />

Bands vorziehen, deren Musik ich mag, die kommen als Erstes<br />

dran, ich habe schließlich immer mit tonnenweise Anfragen<br />

zu tun und es ist absolut entscheidend, dass die Musik sich<br />

auf meine künstlerische Kreativität überträgt.<br />

Wie man in deinem Buch „Lord of the Logos“ sehen kann,<br />

lassen viele deiner Logos, obwohl sie für verschiedene Bands<br />

gemacht wurden, einen gemeinsamem Stil erkennen. Wie<br />

entscheidest du, was zu welcher Band passt? Oder wird der<br />

eigene Stil einer Band in deinem Kopf quasi <strong>von</strong> ihr selbst<br />

erschaffen?<br />

Ich bestehe mittlerweile darauf, dass eine Band mir soviel<br />

Anweisungen wie möglich gibt und Links schickt, wo ich mir<br />

ansehen kann, was sie sich so ungefähr vorstellt. Es ist mittlerweile<br />

ja zwangsläufig so, dass eine Anfrage sich auf Logos<br />

bezieht, die ich vorher für andere Bands gemacht habe. Ich for-<br />

...)“, „vergessen Sie Ihre Jugend“, etc. Das Buch ist für ein<br />

Sachbuch inhaltlich viel zu schwach und für einen Kurzgeschichtenband<br />

zu einfallslos. Als Ratgeber reiht es sich<br />

ein, in eine unüberschaubare Ansammlung an Veröffentlichungen,<br />

die den Wenigsten nützen. Denn nur eine geringe<br />

Anzahl der „Tipps“ ist annehmbar. Es ist nicht schwer, sich<br />

vorzustellen, wie der ehemalige Open End Fanzine-Herausgeber,<br />

Visions-Schreiber, Punkrocksänger, Blablabla, etc.<br />

mit seiner Frau, den gemeinsamen Katzen und Fischen nun<br />

auf dem Land wohnt und meint, dem seiner Empfindung<br />

nach hilfsbedürftigen Geschlecht wieder auf den richtigen<br />

Weg verhelfen zu müssen. Sorry, „Mission failed“! Abscheulich<br />

konstruierte Storys und Charaktere treffen auf<br />

unnütze Besserwisserei. Es wäre interessant zu wissen, ob<br />

die Idee, dieses Buch zu schreiben, auf seinem Mist gewachsen<br />

ist, oder auf dem seiner Frau ... Auf der Doppel-<br />

CD des Hörbuchs befindet sich eine Lesung vom 08.09.09<br />

in der Buchhandlung Bindernagel in Butzbach, in welcher<br />

der Autor vor allem die „Shortstories“ vorliest.<br />

Christoph Parkinson<br />

Wenzel Storch<br />

DER BULLDOZER GOTTES<br />

Buch | Ventil Verlag | wenzelstorch.de | 280 Seiten 17,90<br />

Euro || Willkommen in der Welt der Nachzügler. Vor fast<br />

einem Jahr schon erschien dieses Buch des Großmeisters<br />

deutscher Unkultur, der<br />

bis dato eher durch seine<br />

filmischen Werke<br />

wie „Sommer der Liebe“<br />

oder „Der Glanz dieser<br />

Tage“ zwar am Weltruhmvorbeigeschlittert<br />

ist, sich jedoch in der<br />

Subkultur einen großen<br />

Fankreis erworben hat.<br />

Wie auch sein filmisches<br />

Schaffen, so ist auch diese<br />

Ansammlung an Kolumnen,<br />

gesammelten Zeitungsschnipseln,privaten<br />

Zeichnungen, merkwürdigen<br />

Gedichten und<br />

vielem mehr durchzogen<br />

vom Mief der 50er Jahre,<br />

allerschlimmster ländlicher Frömmelei und jugendlicher<br />

Entdeckung der Pornographie, vermischt mit der Kitschigkeit<br />

der 70er Jahre und einem ganz großen Bonbon-Glas<br />

voller psychedelischer Süßigkeiten. Wie alle seine Werke<br />

polarisiert auch dieses Buch. Ich persönlich verbinde mit<br />

Wenzel Storch die Erinnerung an den größten und längsten<br />

und dadurch gleichzeitig schlimmsten Lachanfall meines<br />

gesamten Lebens, der 89 Minuten anhielt und durch den<br />

damaligen Genuss selbstgepflückter Pilze, <strong>von</strong> denen ich<br />

irrtümlich dachte, es handele sich um Champignons, noch<br />

verstärkt wurde, als ich in einem winzigen Programmkino<br />

„Sommer der Liebe“ angesehen, oder besser gesagt, erlebt<br />

habe. Dafür bin ich dem Mann ewig dankbar, nur liegen<br />

diese Zeiten sehr lange zurück, mein Humorverständnis<br />

hat sich seitdem sehr verändert, meine Gepflogenheiten<br />

bezüglich des Genusses jedweder Art <strong>von</strong> Stimulantia<br />

ist komplett zum Erliegen gekommen und vieles in diesem<br />

Buch erinnert mich nunmehr an all die eigenen Zeichnungen<br />

und Textchen, die ich in der Schule gemalt habe.<br />

Man bewahrt sowas gerne auf, aber schaut es sich doch sehr<br />

verwundert an, wenn man es nach einer Ewigkeit in einer<br />

Kiste im Keller findet. Wenzel Storch ist da anders. Er verwahrt<br />

diese Fragmente nicht nur, er bewahrt sie und erstellt<br />

damit ein Gesamtbild, das er mit dem gesammelten<br />

Schrott dieser Gesellschaft zu einer bunten Puppenstube<br />

zusammenzimmert. Einiges da<strong>von</strong> amüsiert mich auch<br />

heute noch, vieles ist mir mittlerweile zu pubertär, was<br />

aber natürlich beabsichtigt ist. Verborgen blieb mir bis dato<br />

die Wortgewandtheit, mit der sich Storch durch seine Kolumnen<br />

schreibt, die gelegentlich an Max Goldt erinnert.<br />

Eigentlich reiht sich Wenzel Storch mit diesem Buch in die<br />

Tradition großer zeitgenössischer Kirchenkritiker ein: Luther,<br />

Voltaire, Feuerbach, Nietzsche, Bonhoeffer, Storch ...<br />

Claus Wittwer<br />

Nora Bendl (Hg.)<br />

REASONS NOT RULES<br />

Buch | Cobra Books | myspace.com/cobraxrecords |<br />

154 S., 21,40 Euro || Konzertfotografie ist in den letzten<br />

Jahren zu einem beliebten Sport geworden, und man<br />

hat schon Shows besucht,<br />

wo mehr Menschen mit<br />

Objektiv als mit Gitarre<br />

und Mikrofon auf der<br />

Bühne standen. Entsprechend<br />

zahlreich auch die<br />

Websites und Blogs mit<br />

der digitalen Beute, doch<br />

Quantität und Qualität<br />

waren und sind auch hier<br />

keine Geschwister. Mit<br />

facetheshow.com und<br />

Fotografen wie Burkhard<br />

Müller, Daniel Malsch<br />

und Paco Weekenstroo<br />

hat sich allerdings ein auf<br />

Qualität und eine eigene<br />

Bildsprache setzendes<br />

Portal etabliert, das handwerkliches Können mit Fan-<br />

Begeisterung kombiniert, und aus diesem Kontext heraus<br />

entstand dieses <strong>von</strong> Nora Bendl herausgegebene Buch, als<br />

dessen Verlag Cobra Records aus dem Ruhrgebiet fungiert.<br />

Auf über 150 Seiten finden sich Konzertfotos <strong>von</strong> BLACK<br />

FRIDAY 29, CHEAP THRILLS, COLD WORLD, CONVERGE,<br />

DENY EVERYTHING, HAVE HEART, JUST WENT BLACK,<br />

JUSTICE, NO TURNING BACK, RISE AND FALL, RITUAL,<br />

TACKLEBERRY, VERSE, ZERO MENTALITY und vielen anderen,<br />

in sehr gelungenem Layout, aufgelockert durch Sätze<br />

aus Songtexten und auch ein paar Interviews und Kolumnen<br />

(TACKLEBERRY, DEATH IS NOT GLAMOROUS,<br />

Hardcore Ink Tattoo, Imperial Shirts, Flint Stelter, Brian<br />

Peterson ...) in englischer Sprache, die versuchen, den Bildern<br />

das an Inhalt zur Seite zu stellen, was sich durch das<br />

Betrachten verschwitzter, euphorisierter Menschen nicht<br />

unbedingt erschließt. Das Verdienst <strong>von</strong> Nora Bendl und all<br />

den an diesem liebevoll gemachten Buch Beteiligten ist es,<br />

eine Teilszene des Hardcore zu dokumentieren, deren Gedächtnis<br />

zu einem großen Teil nur online existiert, doch so<br />

unendlich die Weiten des Internets auch sind, so flüchtig<br />

ist auch alles dort Gespeicherte. Und da ist es gut zu wissen,<br />

dass hiermit einige wertvolle Momente und Gedanken<br />

auf ganz altmodische Art und Weise gesichert wurden.<br />

Joachim Hiller<br />

Jonas Gabler<br />

ULTRAKULTUREN<br />

UND RECHTSEXTREMISMUS<br />

Fußballfans in Deutschland und Italien<br />

Buch | PapyRossa | papyrossa.de | 153 S., 14 Euro || Der<br />

Ultra, das unbekannte, extrem heterogene Wesen. Ihm auf<br />

die Pelle rücken wollte Jonas Gabler mit seiner Diplomarbeit.<br />

Diese hat der linke PapyRossa Verlag aus Köln in der<br />

Reihe Hochschulschriften verlegt. Doch wer nun zuckt<br />

und einen verquasten wissenschaftlichen Textmist erwartet,<br />

kann ruhig noch etwas weiter lesen. Denn auch wenn<br />

es sich um eine wissenschaftliche Arbeit handelt, in weiten<br />

Teilen liest diese sich wenig verkopft und schildert gut les-<br />

dere so viele Angaben wie möglich <strong>von</strong> meinen Kunden, bevor<br />

ich an etwas arbeite. Aber es gibt tatsächlich einige Bands, die<br />

etwas erschaffen, das dazu führt, dass ich einen bestimmten Stil<br />

<strong>von</strong> alleine im Kopf habe. Zum Beispiel CONTAGIION, I SHALT<br />

BECOME, APPARITIA, WEDARD, WHEN MINE EYES BLACKEN,<br />

WINDS OF SORROW, EXILED FROM LIGHT ... Bei dem Verschmelzen<br />

ihrer Kunst mit der Art Déco – inspiriert vor allem<br />

durch die ziemlich einmalige, <strong>von</strong> den Architekten Timothy<br />

Pflueger und Bruce Goffs entworfene Boston Avenue Methodist<br />

Church in Tulsa – habe ich einen ziemlich eigenständigen Stil<br />

entwickelt, dessen Charakteristikum die hohen, geometrischen<br />

Logos sind, mit einer Vielzahl an vertikalen Linien und Schattierungen.<br />

So ist Depressiv’Moderne entstanden. Und dazu<br />

angeregt, meine naturorientierten Logos zu verbessern, haben<br />

mich der Yosemite Valley Park, Mount Shasta und die Cascadian<br />

Mountains in Oregon, die immer <strong>von</strong> unheimlichen Nebeln<br />

umgeben sind. Das hatte großen Anteil bei der Entwicklung<br />

meiner „Winterstil“-Logos, ohne dabei meine Faszination für<br />

Bäume und ihre Zweige im Winter zu vergessen. Ein exzellenter<br />

Ersatz für die Cascadian Mountains ist auch Dartmoor, wo<br />

ich wohne, zwischen November und März ist die beste Zeit.<br />

Es ist generell aber unvermeidbar, Logos zu zeichnen, die sich<br />

irgendwie ähneln, wenn man etwas produktiver ist.<br />

Ein Phänomen im Metal, besonders im Black Metal, ist ja,<br />

dass manche Logos auf den ersten Blick absolut unlesbar<br />

wirken oder nur zu entziffern sind, wenn man den Namen<br />

der Band schon kennt.<br />

Du hast völlig Recht, ich habe schon so viele absichtlich unlesbare<br />

Logos gesehen. Das Problem ist, dass ein so abstraktes<br />

Logo nur sehr schwer im Gedächtnis bleibt. Aber es gibt<br />

schon einen Kompromiss zwischen Unlesbarkeit und Einprägsamkeit<br />

eines Logos. Manche Bands haben ja eine ganze Palette<br />

an Logos und keines ist zu entziffern, was es noch schwerer<br />

macht, sich an ihren Namen zu erinnern. Wenn der Name auch<br />

noch lang ist, so ein Zungenbrecher wie LUGGAIDIMEERAN-<br />

Reviews<br />

bar und informativ die Geschichten der Ultras in Italien<br />

und in Deutschland sowie das Problemfeld des Rechtsextremismus.<br />

In Italien etwa entstanden die Ultras laut Gabler<br />

schon in den 1960er und 1970er Jahren, als in Deutschland<br />

noch die Kuttenträger wie gescheiterte Rockerclubs die<br />

Kurven bevölkerten. Gabler stellt fest, dass in jenen Jahren,<br />

als in Italien sowohl politisch linke wie rechte Strömungen<br />

auf den Straßen aktiv waren, auch die Ultras eine Art<br />

Protestkultur darstellten – die sie indes in die Stadien trugen.<br />

Je nach Sichtweise sind sie also eine soziale, oder asoziale<br />

Bewegung mit einem Faible zur extremen Provokation,<br />

teils einer Vorliebe für Gewalt und besonders in Italien<br />

oft dem Faschismus und Rassismus zugetan. Zuweilen sind<br />

Ultras – dort – in kriminelle Machenschaften verstrickt,<br />

aber – wie in Deutschland – auch aktiv im Kampf gegen<br />

Polizeistaat, Kommerz sowie gelegentlich sogar als scharfe<br />

Kritiker gesellschaftlicher Missstände umtriebig. All jene<br />

Problemfelder schildert der Autor, analysiert sie am Ende<br />

seiner (dann wirklichen) Diplomarbeit und blickt dabei<br />

auch auf die Strategien <strong>von</strong> Fanprojekten oder Initiativen,<br />

die der (provokativen) Menschenfeindlichkeit, dem<br />

(echten) Rassismus und einem (möglichen) Rechtsextremismus<br />

entgegen treten (wollen oder sollen). Es folgen ein<br />

Ausblick und Hinweise auf eine konstruktive Fanarbeit –<br />

etwa mit den Ultras oder anderen Problemfans. Das Buch<br />

schildert also jeweils zur Hälfte Historisches sowie Analytisches<br />

aus der und über die Kurve. Michael Klarmann<br />

Dieter Jüdt (Hg.)<br />

45<br />

A Single Cover Album<br />

Buch | Poste Aérienne | poste-aerienne.blogspot.com |<br />

84 S., 29,00 Euro || Hinter „Poste Aérienne“ verbirgt sich<br />

eine deutsch-belgische Illustratorengruppe, die sich mit<br />

diesem Sammelband einer<br />

nach Meinung vieler<br />

„normaler“ Menschen<br />

längst ausgestorbenen<br />

Gattung widmet:<br />

der Vinyl-Single. Wer<br />

zwischen den Fünfzigern<br />

und den Achtzigern<br />

aufwuchs, der erinnert<br />

sich in der Regel an seine<br />

erste Schallplatte, und<br />

die dürfte eine Single gewesen<br />

sein, doch woran<br />

erinnern sich später Geborene? An ihren ersten Klingelton?<br />

Ihren ersten iTunes-Download? Eine schreckliche<br />

Vorstellung ... Die ZeichnerInnen – unter anderem David<br />

v. Bassewitz, Max Fiedler, Leen Van Hulst, Ib Jorn, Dieter<br />

Jüdt, Frederik Jurk, Juliane Pieper, Felix Scheinberger,<br />

Boris Servais,Tanja Székessy und Michael Zander – waren<br />

für dieses Buch aufgerufen, ihre prägende Single-Veröffentlichung,<br />

ob nun eine aus ihrer Kindheit oder eine späte<br />

Entdeckung war ihnen freigestellt, mittels einer Covergestaltung<br />

zu würdigen. Gefragt waren Zeichnungen, keine<br />

Computergrafiken, und so wird hier den BAD BRAINS<br />

gehuldigt, Stevie Wonder, MOGWAI, NOTWIST, David Bowie,<br />

SIOUXSIE & THE BANSHEES, THIN LIZZY, BLACK<br />

SABBATH, PORTUGAL.THE MAN, Suzanne Vega und vielen<br />

andere, quer durch alle Stile, aber mit einem gewissen<br />

Schwerpunkt im Bereich der „ernsthaften“ Musik – irgendwelcher<br />

Schlager- oder Chart-Trash fehlt fast völlig,<br />

einzig Haddaway kann man wohl letzterer Kategorie zuordnen.<br />

Zu jedem Cover gibt’s einen kurzen englischen<br />

Text zur Motivation des Zeichners sowie zur Band, und natürlich<br />

dürfen diskographische Angaben nicht fehlen. Ein<br />

ausgesprochen hübsches Buch – natürlich im quadratischen<br />

Single-Cover-Format – für den Coffetable im Plattensammler-Haushalt.<br />

Joachim Hiller<br />

KIA, dazu mit einem komplett unlesbaren Logo, dann kann ich<br />

dir garantieren, dass sich niemand den Namen deiner Band<br />

merken kann, egal, wie oft er sie sich angehört oder sich das<br />

Logo angeschaut hat.<br />

Gibt es eine Arbeit <strong>von</strong> dir, auf die du besonders stolz bist?<br />

Es gibt einige, auf die ich ziemlich stolz bin, etwa SATRI-<br />

ARCH, NACHTMYSTIUM, COVENANT, THE GREEN EVENING<br />

REQUIEM, ARTISIAN, DEADLOCKED IN MISERY, CHASMA,<br />

FEEDLING, WOLVES IN THE THRONE ROOM, REVERIE,<br />

EMPEROR, ENTHRONED, BORKNAGAR, WITHERED DREAMS<br />

und PIT FIENDS. Andere finde ich nicht mehr so toll, wie die<br />

für OLD MAN’S CHILD oder die Niederländer MIDIAN. Die<br />

würde ich gerne noch einmal überarbeiten und deutlich verbessern,<br />

wenn ich dazu die Gelegenheit hätte.<br />

André Bohnensack gestalten.com<br />

OX-FANZiNe 117

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