REvIEWS - Webseite von Thomas Neumann
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Und wieso „crazy“? Überwiegend psychedelische Klänge,<br />
die <strong>von</strong> Rock’n’Roll-Einlagen wie „my mama told me“<br />
unterbrochen werden, wirken eher belanglos als verrückt.<br />
Anstatt „crazy“ sind CCWOMR schlicht überschätzt. (7)<br />
Katrin Schneider<br />
CERVELLI STANKI<br />
15 Years ... Old Tunes, New Blood<br />
CD | Violax | myspace.com/cervellistanki || Lassen<br />
wir mal das übliche „Best Of“- und Jubiläumsgeschwafel<br />
weg: Die 15 Jahre Bandgeschichte <strong>von</strong> CERVELLI STANKI<br />
habe ich an einem Stück durchgehört. Hat mir nicht<br />
gereicht, seit langem mal wieder eine CD, bei der ich sofort<br />
die Repeat-Taste am Player betätige und die zweite Runde<br />
einläute. Zwölf neu eingespielte Songs, drei neue Songs<br />
mit der aktuellen Besetzung aus zwei Ex-KLASSE-KRIMI-<br />
NALE-Mitgliedern und dazu noch die geile Coverversion<br />
„Frana“ gibt’s <strong>von</strong> den italienischen Skinheads auf „Old<br />
Tunes, New Blood“ zu hören. (In diesem Fall) Glücklicherweise<br />
kenne ich die ursprünglichen Aufnahmen nicht,<br />
so dass ich mir kein Urteil erlauben kann, ob dem Original<br />
bei der Neueinspielung irgendwas abhanden gekommen<br />
ist! Treibender Oi!/77er-Punk, eingängige Singalongs,<br />
sogar richtig schnell gespielt, teils mit Hardcore-Elementen<br />
versetzt. Bella Italia, verdammt gute Scheibe! (8)<br />
Christian Fischer<br />
JOHNNY CASH<br />
American VI: Ain’t No Grave<br />
CD | American Recordings || Der letzte Bruce Lee-<br />
Film, definitiv! Mit viel Tamtam nachgeschobene sechste<br />
American-Veröffentlichung, nachdem es bei der „V“ schon<br />
hieß, dass es die ultimativ<br />
letzte CD gewesen sein<br />
soll – und nach der dann<br />
die „Unearthed-Box“<br />
kam. Mal sehen, was Rick<br />
Rubin demnächst noch<br />
im Keller findet, vielleicht<br />
sollte er dazu mal<br />
die Bootlegger fragen, die<br />
die „American Outtakes“<br />
auf den Markt geworfen<br />
haben. Musikalisch<br />
nach wie vor über jeden<br />
Zweifel erhaben, aber der<br />
Großteil der besseren Stücke war auf „V“. Dazu fühlt es sich<br />
nicht mehr ganz so ergreifend an, wenn Johnny wie beim<br />
Vorgänger die Stimme aus Schwäche versagt. Trotzdem<br />
kann man sich mit einem einigermaßen funktionierenden<br />
Gehör und Geschmack nicht der Wirkung <strong>von</strong> „Ain’t<br />
no grave“ und ganz besonders „Satisfied mind“ entziehen,<br />
die jemand eingespielt hat, in der Gewissheit, dass jeder<br />
Tag sein letzter sein könnte. Zehn Stücke, die ein sympathisches<br />
Label vier Jahre früher zusammen mit „A Hundred<br />
Highways“ als Doppel-LP beziehungsweise Doppel-CD<br />
veröffentlicht hätte, aber wir sind ja hier leider nicht im<br />
Märchenland. (9) Kalle Stille<br />
CALEYA<br />
These Waves Will Carry Us Home<br />
LP | Sick Man Getting Sick | myspace.com/sickmangettingsick<br />
|| CALEYA kommen aus Hamburg und spielen<br />
Post-Metal. Hinter den Songs ihres Debütalbums steckt<br />
ein musikalisches Kraftpaket, welches sich hinter Bands<br />
wie TEPHRA nicht zu verstecken braucht. Ruhige Intros<br />
münden in wuchtig wogende Rifflandschaften, über welchen<br />
sich markerschütternde Schreie mit cleanen Vokalpassagen<br />
abwechseln. Leider sind Letztere nicht immer<br />
wirklich gelungen, was den positiven Gesamteindruck<br />
jedoch nicht ernsthaft schmälert. Erfreulich ist vor allem,<br />
dass CALEYA auch die Geschwindigkeit nicht scheuen und<br />
ihre gewaltigen Songkolosse häufig durch einen Schuss<br />
Post-Hardcore auflockern. Das ist der Halbwertzeit der<br />
Platte sehr dienlich, denn somit ist sicher, dass diese noch<br />
öfter den Weg in meine Anlage finden wird. (7) Jens Kirsch<br />
CRAZY ARM<br />
Born To Run<br />
CD | Gunner/Broken Silence | gunnerrecords.com<br />
|| Die Aufnahmen zum Debüt der Band aus Plymouth<br />
zogen sich etwas in die Länge. Nach drei Jahren und drei<br />
Studioterminen war es dann schließlich soweit. Hinterher<br />
weiß man ja bekanntlich immer alles besser, aber Zeit und<br />
Eifer scheinen sich gelohnt zu haben, denn „Born To Run“<br />
ist ohne Zweifel als gelungen zu bezeichnen, denn die Briten<br />
tragen ihre Mischung aus klassischem Punk und versierter<br />
politischer Einstellung, die hier und da an STRIKE<br />
ANYWHERE-meets-THE CLASH erinnert, äußerst zielgerichtet<br />
vor. Die Songs sind zudem allesamt technisch<br />
anspruchsvoll, mir mitunter vielleicht etwas zu verspielt,<br />
was ihrer Eingängigkeit aber nichts nimmt. Im April sind<br />
CRAZY ARM im Vorprogramm <strong>von</strong> Frank Turner zu sehen<br />
und man darf gespannt sein, wie sich die jungen Briten<br />
dann live schlagen werden. Bodo Unbroken<br />
CITAY<br />
Dream Get Together<br />
CD | Dead Oceans/Cargo | deadoceans.com | 42:34<br />
|| „Little Kingdom“, das letzte Album dieser achtköpfigen<br />
Formation aus San Francisco, war noch überwiegend<br />
instrumental, hatte sich aber bereits auf originelle Art<br />
und Weise Progrock und andere Spielarten <strong>von</strong> Siebziger-<br />
Musik angeeignet. Auf ihrem bisher dritten Album schwelgen<br />
Ezra Feinberg und Tim Green (der erneut Produzent<br />
war) auch diesmal wieder in ausschweifenden progrockigen<br />
Gitarren-Soli und zitieren dabei Robert Fripp oder die<br />
glamrockigeren Momente <strong>von</strong> Brian Enos frühen Soloplatten.<br />
Gleichzeitig scheint auch der Anteil angenehm süßlicher<br />
Melodien zugenommen zu haben, unterstützt durch<br />
den sehr schönen Harmoniegesang der beiden hier beteiligten<br />
Sängerinnen. Das gibt dem Ganzen zwar bisweilen<br />
eine hippieeske 60s-Folk-Räucherstäbchen-Atmosphäre,<br />
was aber nicht heißt, dass CITAY sich nicht auch in diesen<br />
Momenten als Meister eines ungemein atmosphärischen<br />
psychedelischen Geflechts aus virtuos inszeniertem<br />
Improvisationsrock in epischer Breite und faszinierend<br />
konventionellem Pop präsentieren würden, teilweise auch<br />
in friedlicher Koexistenz. Interessant auch, wie sehr Greens<br />
Gitarrenspiel dabei sogar noch an die FUCKING CHAMPS<br />
erinnert, ohne dass man beide Bands irgendwie miteinander<br />
vergleichen könnte. Dabei gelingt CITAY beim Titeltrack<br />
auch noch ganz nebenher ein fantastischer kleiner<br />
Hit. Und wer so verdammt gut und eigenständig ist, der<br />
darf sich auch an den großartigen GALAXIE 500 versuchen,<br />
denen sie mit ihrer Version <strong>von</strong> „Tugboat“, inklusive überraschend<br />
brutalen Gitarrenfeedbacks gegen Ende, sicherlich<br />
keine Gewalt antun, ganz im Gegenteil. (9)<br />
<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
CHASING FOR GLORY<br />
Rookie<br />
CD | FinestNoise/Radar | finestnoise.de | 35:17 ||<br />
Die vier bayrischen Punkrocker präsentieren auf ihrem<br />
zweiten Album feinen Polit-Punk mit dem Soundmix aus<br />
RISE AGAINST und BAD RELIGION. Die vielen Rhythmuswechsel<br />
und Breaks sollen Weckrufe sein, damit die Leute<br />
endlich das Elend sehen. Diese musikalische Unterstützung<br />
der Lyrics ist echt auf hohem Niveau. Besonders die<br />
Texte haben es mir angetan: Ob korrupte Konzerne, nati-<br />
onalistische Vereinigungen oder einfach nur der bequeme<br />
Mann <strong>von</strong> nebenan – jeder bekommt hier sein Fett weg<br />
und motiviert zum mitmachen. Der Albumtitel geht auf<br />
den titelgebenden Song zurück, bei dem man sich mit<br />
dem Thema Kindersoldaten auseinandersetzt. „Child soldiers<br />
are rookies of war“ – mehr braucht man nicht mehr<br />
dazu zusagen. Zudem gibt’s im Booklet noch einige Aussagen,<br />
die einen zum Nachdenken bewegen. Hier gibt’s feinsten<br />
Punkrock mit intelligenten Lyrics. (8) Peter Nitsche<br />
Auf der Ox-CD zu hören.<br />
DDD<br />
JOHNNY DOWD<br />
Wake Up The Snakes<br />
CD | Munich | munichrecords.com | 62:31 || Mit<br />
Johnny Dowd ist das immer so eine Sache: Durchweg<br />
machen Dowd und seine Band einen guten Job, allein, es<br />
fehlt an Hits. Ich spreche nicht <strong>von</strong> lästigen Ohrwürmern,<br />
sondern Songs dergestalt, welche man hört, die einem<br />
gefallen und viele Stunden später erst, oder am Tag darauf,<br />
sind sie plötzlich wieder da, summen ihre angenehme<br />
Melodie aus der Erinnerung direkt in den Kopf. So werden<br />
jeweils aktuelle Lieblingsstücke geboren, aus der Erinnerung,<br />
und der Erwartung schnell nach Hause zu kommen<br />
und sich eben diesen Song unbedingt nochmals anzuhören.<br />
Johnny Dowd gefällt mir immer exakt so lange, wie<br />
die Platte sich dreht, danach räumt er das Feld, ohne bleibende<br />
Eindrücke zurückgelassen zu haben, außer dem, dass<br />
ich ihn gerne wieder auflege, um mich an seiner verschrobenen<br />
Stilrichtung zu erfreuen. So bin ich immer wieder<br />
angetan, ein neues Werk vorgelegt zu bekommen, habe aber<br />
nie in großer Fiebrigkeit mit den Füßen gescharrt, weil<br />
ich ihn in der Zwischenzeit einfach nicht auf dem Schirm<br />
hatte. (7) Claus Wittwer<br />
DELANEY DAVIDSON<br />
Self Decapitation<br />
CD | Voodoo Rhythm/Cargo | voodoorhythm.com |<br />
37:36 || Obgleich Delaney Davidson mit „Self Decapitation“<br />
sein Solo-Debüt vorlegt, so sollte der 1972 auf der<br />
neuseeländischen Nordinsel<br />
geborene Songwriter<br />
für treue Connaisseure<br />
des Voodoo<br />
Rhythm-Kosmos kein<br />
Unbekannter mehr sein,<br />
war er doch während<br />
der beiden Alben „Flammend’<br />
Herz“ und „Wunderkammer“<br />
Mitglied<br />
des bizarren, schweizerischenBegräbnisorchesters<br />
DEAD BROT-<br />
HERS. Und dass diese<br />
Zeit durchaus gewisse Spuren im Schaffen des Mannes<br />
hinterlassen hat, wird bereits bei dem gewaltigen Opener<br />
„Around the world“ deutlich: Ein Gänsehaut erzeugender<br />
Todeswalzer, der nahezu an die bedrohlichen Qualitäten<br />
der „Murder Ballads“ eines anderen großen Künstlers<br />
<strong>von</strong> Down Under heranreicht. Ausgehend <strong>von</strong> diesem<br />
ohnehin schon hervorragenden Beginn, entfaltet<br />
sich während der folgenden zehn Stücke ein ungemein<br />
packendes Meisterwerk, welches sich stilistisch <strong>von</strong> der<br />
genickbrecherischen Version eines uralten, grob psychedelisch<br />
angehauchten Rhythm & Blues-Traditionals („In<br />
the pines“), über herzerweichende, wunderschöne Folkballaden<br />
(„Little heart“), derwischartige, halbakustische<br />
Gitarrenrocker („Lackie’s men“), ein superfinsteres Cover<br />
<strong>von</strong> Reverend Beat-Mans „Back in hell“, bis hin zu Balkaneinflüssen<br />
(das mit Hilfe des deutsch-rumänischen „Speed<br />
brass“-Ensembles FANFARA KALASHNIKOV aufgenommene<br />
„I slept late“) erstreckt. Und auch wenn Multi-Instrumentalist<br />
Davidson wohl die gesamte Platte genauso gut<br />
alleine hätte einspielen können, so hat er es sich dennoch<br />
nicht nehmen lassen bei einigen Songs mit solch hochkarätigen<br />
Musikerkollegen wie dem Beat-Man höchstselbst,<br />
Eric McFadden, Dan Elektro <strong>von</strong> den WOGGLES oder auch<br />
dem bayerischen One-Man-Band-Berserker Garage Kid zu<br />
kollaborieren. Resultat: Ein hervorragendes Album mit viel<br />
Tiefgang, Seele und Herzblut, bei dem mir abschließend<br />
eigentlich nur noch mein persönlicher Favorit hervorzuheben<br />
bleibt, nämlich das schmissige Cover <strong>von</strong> Jerry Roll<br />
Mortons mächtig versautem Rock’n’Roll-Klassiker „Dirty<br />
dozen“ – was zur Hölle war denn eigentlich bitte nochmal<br />
Gangsta Rap?! (9) Ben Bauböck<br />
THE DANGEROUS SUMMER<br />
Reach For The Sun<br />
CD | Hopeless | hopelessrecords.com || THE DAN-<br />
GEROUS SUMMER erinnern mich an eine Vielzahl <strong>von</strong> in<br />
letzter Zeit ins Licht der Öffentlichkeit getretenen Bands,<br />
die einen eher zurückgenommenen Post-Emo-Sound<br />
spielen, irgendwo zwischen späteren THE GET UP KIDS<br />
und den aktuellen Releases <strong>von</strong> THE SCENIC oder THE<br />
MORNING LIGHT. Warum auch nicht? Die Songs sind gut<br />
geschrieben, hymnisch und eindringlich, und vor allem<br />
der Sänger klingt so sehr nach Kenny <strong>von</strong> THE STARTING<br />
LINE, dass man teilweise das Gefühl hat, PERSON L wären<br />
nie passiert. Nur fehlt mir ein bisschen der letzte Kick,<br />
der darauf verweist, dass Emo eigentlich <strong>von</strong> Emo-Core<br />
kommt. Trotzdem: Sehr schön. (8) David Schumann<br />
DADFAG<br />
Scenic Abuse<br />
CD | Broken Rekids | brokenrekids.com | 27:56 ||<br />
Seit langem mal wieder ein Release auf Broken Rekids.<br />
DADFAG heißt die Band, und ich habe keine Ahnung, was<br />
der Name bedeutet, ob man ihn in die Worte „dad“ und<br />
„fag“ zerlegen darf. Mike Millett <strong>von</strong> Broken Rekids war<br />
jedenfalls so begeistert <strong>von</strong> den Konzerten der seit einer<br />
Weile in San Francisco ansässigen Band, die mit Eva Hannan<br />
und Danielle Benson (Gitarre und Bass, beide Gesang)<br />
und Alan Miknis (Drums) einen klaren Frauenüberschuss<br />
aufweist, dass er ihr Debütalbum machen musste. Ihre<br />
Liveauftritte, so schreibt Mike, seien geprägt vom Bemühen,<br />
dem Publikum Unwohlsein zu bereiten, auch unter<br />
Einsatz <strong>von</strong> Backutensilien und Dildos. Dabei, so muss ich<br />
allerdings anfügen, reicht es bei manchen Menschen auch<br />
sicher schon aus, wenn hier der spitze, schrille Gesang einsetzt<br />
– ich kann verstehen, dass so was Unwohlsein auslöst,<br />
wenn man nicht eine gewisse Schwäche für atonale,<br />
no-wavige, an Riot-Grrl-Rock erinnernde Female-Vocals-<br />
Ensembles hat. Mike verweist hierzu auf SONIC YOUTH<br />
und Lydia Lunch, was auf der Hand liegt, denn die zwölf<br />
Stücke klingen eher so, als kämen sie aus den frühen Achtzigern<br />
und seien nicht erst 2009 aufgenommen worden.<br />
Sperrig und anstrengend, aber eben nicht ohne Reiz, so<br />
lässt sich „Scenic Abuse“ beschreiben. (7) Joachim Hiller<br />
BABY DEE<br />
A Book Of Songs For Anne Marie<br />
CD | Tin Angel | tinangelrecords.co.uk | 45:15 || An<br />
sich handelt es sich bei „A Book Of Songs For Anne Marie“<br />
um die Neuauflage eines 2004 auf David Tibets Label Durtro<br />
Jnana erschienenen Albums des New Yorker Paradiesvogels<br />
Baby Dee, allerdings damals nur in einer lange vergriffenen<br />
150er-Auflage als nackte CD ohne Cover oder<br />
Sonstiges veröffentlicht. Und aus den ursprünglich sie-<br />
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