REvIEWS - Webseite von Thomas Neumann
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men. Die Interviews sind manchmal holperig, schwer zu<br />
verstehen, vor allem aber unterhaltend und erhellend. Man<br />
sollte allerdings den Kontext der Interviews kennen, obwohl<br />
dieser <strong>von</strong> dem Bildband vermittelt wird, denn die<br />
Interviews liefern eine erhebliche Fülle an Detailinformationen.<br />
Zusammengenommen ein schönes Büchlein mit<br />
verblüffend viel Informationen, in hervorragender Ausstattung<br />
und bestens geeignet als Geschenk für einen Plattenliebhaber,<br />
der schon alles hat. <strong>Thomas</strong> <strong>Neumann</strong><br />
Heidi Minx<br />
Home Rockanomics<br />
54 Projects and Recipes for Style on the Edge<br />
Buch | <strong>Thomas</strong> Dunne Books | thomasdunnebooks.com<br />
| 144 S., $16.99 || Heidi Minx aus New York steckt hinter<br />
der Website punkrockdomestics.com, einer englischsprachigenD.I.Y.-Website,<br />
die das Selbermachen<br />
mal über die üblichen<br />
Themenfelder<br />
Konzerte, Flyer, Platten,<br />
T-Shirt-Druck etc. hinaus<br />
ausdehnt und damit<br />
auch eine politische Aussage<br />
macht: Man muss<br />
nicht den Konsumzwängen<br />
der Gesellschaft gehorchen,<br />
sondern kann<br />
sich durch handwerklich<br />
hergestellte Gegenstände<br />
und das Recyclen<br />
bestimmten Verhaltensweisen<br />
entziehen<br />
und wird damit auch noch einem Ur-Anspruch <strong>von</strong> Punk<br />
und Hardcore gerecht, nämlich sich selbst zu verwirklichen<br />
und seiner Individualität Ausdruck zu verleihen. Online<br />
gibt es unzählige Tipps, Ideen und auch (fleischfreie)<br />
Rezepte umsonst, doch in gedruckter Form und schön gestaltet,<br />
mit reichlich Fotos dazu macht das Ganze auch Sinn<br />
und taugt darüber hinaus auch noch als Geschenk. Von der<br />
pinken Farbgebung her habe ich zwar den Eindruck, das<br />
Buch wende sich eher an Frauen als an Männer, doch je<br />
nach handwerklicher Veranlagung taugt das Buch für beide<br />
Geschlechter zur Inspiration. Wohnzimmerkissen aus alten<br />
oder neuen T-Shirts nähen? Einen Nietengürtel aus einem<br />
Fahrradschlauch selber machen? Einen Bilderrahmen<br />
aus einem CD-Case basteln? Mit Sprühschablonen arbeiten?<br />
Kochen mit John Joseph <strong>von</strong> den CRO-MAGS? Gibt es<br />
alles hier. Mit durchschnittlichen englischen Sprachkenntnissen<br />
kommt man hier auf jeden Fall klar und braucht<br />
sich über Geschenkideen für die nächsten Geburtstagspartys<br />
keinen Kopf mehr machen. Joachim Hiller<br />
Oliver Uschmann<br />
FEHLERMELDUNG<br />
Der Mann und seine Krisen<br />
Buch/2CD | Gütersloher Verlagshaus | gtvh.de | 255 S.,<br />
16,95 Euro || Nach der vierteiligen „Hartmut und ich“-<br />
Reihe, begibt sich Uschmann auf ganz neue Gewässer. Mittels<br />
seiner Kenntnisse in der Transaktions- oder in der Psychoanalyse<br />
(oje ...), veröffentlicht er einen Ratgeber für<br />
den modernen, „fehlerhaften“ Mann. In mehreren Kurzgeschichten<br />
stellt er die Laster <strong>von</strong> fünf angeblich prototypischen<br />
Männerfiguren dar. Er hält fest: Männer wollen<br />
ewig Kind bleiben, können nicht mit Geld umgehen,<br />
haben Angst vor Bindung, Beziehung und Verantwortung,<br />
überschätzen sich selbst gerne und haben Angst vor Ärzten.<br />
Auf die Fehleranalyse folgen die Ratschläge für die Fehlerbehebung.<br />
Die Tipps bereiten dem modernen Leser gerne<br />
mal Übelkeit: „Werden Sie Unternehmer“, „haben Sie<br />
selber Kinder (dann werden Sie ganz <strong>von</strong> selbst erwachsen<br />
tolle Musik machen, die als NSBM abgestempelt werden, doch<br />
viele sind das nicht. Von so einer Band würde ich nur dann<br />
eine Anfrage akzeptieren, wenn sie sich selbst treu bleibt, und<br />
ich werde nicht zögern, irgendwelche Aufträge abzulehnen, bei<br />
denen eine Band will, dass ich offensichtliche NS-Symbole in<br />
ihr Logo einarbeite. Ich will hier aber auch noch darauf hinweisen,<br />
dass keltische Kreuze oder Sonnenräder <strong>von</strong> einigen<br />
als Nazi-Symbole bezeichnet werden, was aber absolut falsch<br />
ist. Diese Ansicht wird <strong>von</strong> Leuten verbreitet, die sich damit<br />
nicht auskennen. Wissen ist etwas Entscheidendes, man sollte<br />
nie ein Urteil fällen, ohne sich vorher umfassend informiert zu<br />
haben, weshalb ich oft auch einen Kunden erst mal zur Sicherheit<br />
in die Warteschleife stelle, bevor ich entweder loslege oder<br />
die Anfrage ablehne. Bei diesem Thema muss man immer sehr<br />
aufpassen.<br />
Hörst du dir die Musik der jeweiligen Bands dabei an, während<br />
du an ihren Logos arbeitest?<br />
Immer, auf jeden Fall! Jede Band, die auf mich zukommt, muss<br />
mir auch einen Link zukommen lassen. Ich werde immer<br />
Bands vorziehen, deren Musik ich mag, die kommen als Erstes<br />
dran, ich habe schließlich immer mit tonnenweise Anfragen<br />
zu tun und es ist absolut entscheidend, dass die Musik sich<br />
auf meine künstlerische Kreativität überträgt.<br />
Wie man in deinem Buch „Lord of the Logos“ sehen kann,<br />
lassen viele deiner Logos, obwohl sie für verschiedene Bands<br />
gemacht wurden, einen gemeinsamem Stil erkennen. Wie<br />
entscheidest du, was zu welcher Band passt? Oder wird der<br />
eigene Stil einer Band in deinem Kopf quasi <strong>von</strong> ihr selbst<br />
erschaffen?<br />
Ich bestehe mittlerweile darauf, dass eine Band mir soviel<br />
Anweisungen wie möglich gibt und Links schickt, wo ich mir<br />
ansehen kann, was sie sich so ungefähr vorstellt. Es ist mittlerweile<br />
ja zwangsläufig so, dass eine Anfrage sich auf Logos<br />
bezieht, die ich vorher für andere Bands gemacht habe. Ich for-<br />
...)“, „vergessen Sie Ihre Jugend“, etc. Das Buch ist für ein<br />
Sachbuch inhaltlich viel zu schwach und für einen Kurzgeschichtenband<br />
zu einfallslos. Als Ratgeber reiht es sich<br />
ein, in eine unüberschaubare Ansammlung an Veröffentlichungen,<br />
die den Wenigsten nützen. Denn nur eine geringe<br />
Anzahl der „Tipps“ ist annehmbar. Es ist nicht schwer, sich<br />
vorzustellen, wie der ehemalige Open End Fanzine-Herausgeber,<br />
Visions-Schreiber, Punkrocksänger, Blablabla, etc.<br />
mit seiner Frau, den gemeinsamen Katzen und Fischen nun<br />
auf dem Land wohnt und meint, dem seiner Empfindung<br />
nach hilfsbedürftigen Geschlecht wieder auf den richtigen<br />
Weg verhelfen zu müssen. Sorry, „Mission failed“! Abscheulich<br />
konstruierte Storys und Charaktere treffen auf<br />
unnütze Besserwisserei. Es wäre interessant zu wissen, ob<br />
die Idee, dieses Buch zu schreiben, auf seinem Mist gewachsen<br />
ist, oder auf dem seiner Frau ... Auf der Doppel-<br />
CD des Hörbuchs befindet sich eine Lesung vom 08.09.09<br />
in der Buchhandlung Bindernagel in Butzbach, in welcher<br />
der Autor vor allem die „Shortstories“ vorliest.<br />
Christoph Parkinson<br />
Wenzel Storch<br />
DER BULLDOZER GOTTES<br />
Buch | Ventil Verlag | wenzelstorch.de | 280 Seiten 17,90<br />
Euro || Willkommen in der Welt der Nachzügler. Vor fast<br />
einem Jahr schon erschien dieses Buch des Großmeisters<br />
deutscher Unkultur, der<br />
bis dato eher durch seine<br />
filmischen Werke<br />
wie „Sommer der Liebe“<br />
oder „Der Glanz dieser<br />
Tage“ zwar am Weltruhmvorbeigeschlittert<br />
ist, sich jedoch in der<br />
Subkultur einen großen<br />
Fankreis erworben hat.<br />
Wie auch sein filmisches<br />
Schaffen, so ist auch diese<br />
Ansammlung an Kolumnen,<br />
gesammelten Zeitungsschnipseln,privaten<br />
Zeichnungen, merkwürdigen<br />
Gedichten und<br />
vielem mehr durchzogen<br />
vom Mief der 50er Jahre,<br />
allerschlimmster ländlicher Frömmelei und jugendlicher<br />
Entdeckung der Pornographie, vermischt mit der Kitschigkeit<br />
der 70er Jahre und einem ganz großen Bonbon-Glas<br />
voller psychedelischer Süßigkeiten. Wie alle seine Werke<br />
polarisiert auch dieses Buch. Ich persönlich verbinde mit<br />
Wenzel Storch die Erinnerung an den größten und längsten<br />
und dadurch gleichzeitig schlimmsten Lachanfall meines<br />
gesamten Lebens, der 89 Minuten anhielt und durch den<br />
damaligen Genuss selbstgepflückter Pilze, <strong>von</strong> denen ich<br />
irrtümlich dachte, es handele sich um Champignons, noch<br />
verstärkt wurde, als ich in einem winzigen Programmkino<br />
„Sommer der Liebe“ angesehen, oder besser gesagt, erlebt<br />
habe. Dafür bin ich dem Mann ewig dankbar, nur liegen<br />
diese Zeiten sehr lange zurück, mein Humorverständnis<br />
hat sich seitdem sehr verändert, meine Gepflogenheiten<br />
bezüglich des Genusses jedweder Art <strong>von</strong> Stimulantia<br />
ist komplett zum Erliegen gekommen und vieles in diesem<br />
Buch erinnert mich nunmehr an all die eigenen Zeichnungen<br />
und Textchen, die ich in der Schule gemalt habe.<br />
Man bewahrt sowas gerne auf, aber schaut es sich doch sehr<br />
verwundert an, wenn man es nach einer Ewigkeit in einer<br />
Kiste im Keller findet. Wenzel Storch ist da anders. Er verwahrt<br />
diese Fragmente nicht nur, er bewahrt sie und erstellt<br />
damit ein Gesamtbild, das er mit dem gesammelten<br />
Schrott dieser Gesellschaft zu einer bunten Puppenstube<br />
zusammenzimmert. Einiges da<strong>von</strong> amüsiert mich auch<br />
heute noch, vieles ist mir mittlerweile zu pubertär, was<br />
aber natürlich beabsichtigt ist. Verborgen blieb mir bis dato<br />
die Wortgewandtheit, mit der sich Storch durch seine Kolumnen<br />
schreibt, die gelegentlich an Max Goldt erinnert.<br />
Eigentlich reiht sich Wenzel Storch mit diesem Buch in die<br />
Tradition großer zeitgenössischer Kirchenkritiker ein: Luther,<br />
Voltaire, Feuerbach, Nietzsche, Bonhoeffer, Storch ...<br />
Claus Wittwer<br />
Nora Bendl (Hg.)<br />
REASONS NOT RULES<br />
Buch | Cobra Books | myspace.com/cobraxrecords |<br />
154 S., 21,40 Euro || Konzertfotografie ist in den letzten<br />
Jahren zu einem beliebten Sport geworden, und man<br />
hat schon Shows besucht,<br />
wo mehr Menschen mit<br />
Objektiv als mit Gitarre<br />
und Mikrofon auf der<br />
Bühne standen. Entsprechend<br />
zahlreich auch die<br />
Websites und Blogs mit<br />
der digitalen Beute, doch<br />
Quantität und Qualität<br />
waren und sind auch hier<br />
keine Geschwister. Mit<br />
facetheshow.com und<br />
Fotografen wie Burkhard<br />
Müller, Daniel Malsch<br />
und Paco Weekenstroo<br />
hat sich allerdings ein auf<br />
Qualität und eine eigene<br />
Bildsprache setzendes<br />
Portal etabliert, das handwerkliches Können mit Fan-<br />
Begeisterung kombiniert, und aus diesem Kontext heraus<br />
entstand dieses <strong>von</strong> Nora Bendl herausgegebene Buch, als<br />
dessen Verlag Cobra Records aus dem Ruhrgebiet fungiert.<br />
Auf über 150 Seiten finden sich Konzertfotos <strong>von</strong> BLACK<br />
FRIDAY 29, CHEAP THRILLS, COLD WORLD, CONVERGE,<br />
DENY EVERYTHING, HAVE HEART, JUST WENT BLACK,<br />
JUSTICE, NO TURNING BACK, RISE AND FALL, RITUAL,<br />
TACKLEBERRY, VERSE, ZERO MENTALITY und vielen anderen,<br />
in sehr gelungenem Layout, aufgelockert durch Sätze<br />
aus Songtexten und auch ein paar Interviews und Kolumnen<br />
(TACKLEBERRY, DEATH IS NOT GLAMOROUS,<br />
Hardcore Ink Tattoo, Imperial Shirts, Flint Stelter, Brian<br />
Peterson ...) in englischer Sprache, die versuchen, den Bildern<br />
das an Inhalt zur Seite zu stellen, was sich durch das<br />
Betrachten verschwitzter, euphorisierter Menschen nicht<br />
unbedingt erschließt. Das Verdienst <strong>von</strong> Nora Bendl und all<br />
den an diesem liebevoll gemachten Buch Beteiligten ist es,<br />
eine Teilszene des Hardcore zu dokumentieren, deren Gedächtnis<br />
zu einem großen Teil nur online existiert, doch so<br />
unendlich die Weiten des Internets auch sind, so flüchtig<br />
ist auch alles dort Gespeicherte. Und da ist es gut zu wissen,<br />
dass hiermit einige wertvolle Momente und Gedanken<br />
auf ganz altmodische Art und Weise gesichert wurden.<br />
Joachim Hiller<br />
Jonas Gabler<br />
ULTRAKULTUREN<br />
UND RECHTSEXTREMISMUS<br />
Fußballfans in Deutschland und Italien<br />
Buch | PapyRossa | papyrossa.de | 153 S., 14 Euro || Der<br />
Ultra, das unbekannte, extrem heterogene Wesen. Ihm auf<br />
die Pelle rücken wollte Jonas Gabler mit seiner Diplomarbeit.<br />
Diese hat der linke PapyRossa Verlag aus Köln in der<br />
Reihe Hochschulschriften verlegt. Doch wer nun zuckt<br />
und einen verquasten wissenschaftlichen Textmist erwartet,<br />
kann ruhig noch etwas weiter lesen. Denn auch wenn<br />
es sich um eine wissenschaftliche Arbeit handelt, in weiten<br />
Teilen liest diese sich wenig verkopft und schildert gut les-<br />
dere so viele Angaben wie möglich <strong>von</strong> meinen Kunden, bevor<br />
ich an etwas arbeite. Aber es gibt tatsächlich einige Bands, die<br />
etwas erschaffen, das dazu führt, dass ich einen bestimmten Stil<br />
<strong>von</strong> alleine im Kopf habe. Zum Beispiel CONTAGIION, I SHALT<br />
BECOME, APPARITIA, WEDARD, WHEN MINE EYES BLACKEN,<br />
WINDS OF SORROW, EXILED FROM LIGHT ... Bei dem Verschmelzen<br />
ihrer Kunst mit der Art Déco – inspiriert vor allem<br />
durch die ziemlich einmalige, <strong>von</strong> den Architekten Timothy<br />
Pflueger und Bruce Goffs entworfene Boston Avenue Methodist<br />
Church in Tulsa – habe ich einen ziemlich eigenständigen Stil<br />
entwickelt, dessen Charakteristikum die hohen, geometrischen<br />
Logos sind, mit einer Vielzahl an vertikalen Linien und Schattierungen.<br />
So ist Depressiv’Moderne entstanden. Und dazu<br />
angeregt, meine naturorientierten Logos zu verbessern, haben<br />
mich der Yosemite Valley Park, Mount Shasta und die Cascadian<br />
Mountains in Oregon, die immer <strong>von</strong> unheimlichen Nebeln<br />
umgeben sind. Das hatte großen Anteil bei der Entwicklung<br />
meiner „Winterstil“-Logos, ohne dabei meine Faszination für<br />
Bäume und ihre Zweige im Winter zu vergessen. Ein exzellenter<br />
Ersatz für die Cascadian Mountains ist auch Dartmoor, wo<br />
ich wohne, zwischen November und März ist die beste Zeit.<br />
Es ist generell aber unvermeidbar, Logos zu zeichnen, die sich<br />
irgendwie ähneln, wenn man etwas produktiver ist.<br />
Ein Phänomen im Metal, besonders im Black Metal, ist ja,<br />
dass manche Logos auf den ersten Blick absolut unlesbar<br />
wirken oder nur zu entziffern sind, wenn man den Namen<br />
der Band schon kennt.<br />
Du hast völlig Recht, ich habe schon so viele absichtlich unlesbare<br />
Logos gesehen. Das Problem ist, dass ein so abstraktes<br />
Logo nur sehr schwer im Gedächtnis bleibt. Aber es gibt<br />
schon einen Kompromiss zwischen Unlesbarkeit und Einprägsamkeit<br />
eines Logos. Manche Bands haben ja eine ganze Palette<br />
an Logos und keines ist zu entziffern, was es noch schwerer<br />
macht, sich an ihren Namen zu erinnern. Wenn der Name auch<br />
noch lang ist, so ein Zungenbrecher wie LUGGAIDIMEERAN-<br />
Reviews<br />
bar und informativ die Geschichten der Ultras in Italien<br />
und in Deutschland sowie das Problemfeld des Rechtsextremismus.<br />
In Italien etwa entstanden die Ultras laut Gabler<br />
schon in den 1960er und 1970er Jahren, als in Deutschland<br />
noch die Kuttenträger wie gescheiterte Rockerclubs die<br />
Kurven bevölkerten. Gabler stellt fest, dass in jenen Jahren,<br />
als in Italien sowohl politisch linke wie rechte Strömungen<br />
auf den Straßen aktiv waren, auch die Ultras eine Art<br />
Protestkultur darstellten – die sie indes in die Stadien trugen.<br />
Je nach Sichtweise sind sie also eine soziale, oder asoziale<br />
Bewegung mit einem Faible zur extremen Provokation,<br />
teils einer Vorliebe für Gewalt und besonders in Italien<br />
oft dem Faschismus und Rassismus zugetan. Zuweilen sind<br />
Ultras – dort – in kriminelle Machenschaften verstrickt,<br />
aber – wie in Deutschland – auch aktiv im Kampf gegen<br />
Polizeistaat, Kommerz sowie gelegentlich sogar als scharfe<br />
Kritiker gesellschaftlicher Missstände umtriebig. All jene<br />
Problemfelder schildert der Autor, analysiert sie am Ende<br />
seiner (dann wirklichen) Diplomarbeit und blickt dabei<br />
auch auf die Strategien <strong>von</strong> Fanprojekten oder Initiativen,<br />
die der (provokativen) Menschenfeindlichkeit, dem<br />
(echten) Rassismus und einem (möglichen) Rechtsextremismus<br />
entgegen treten (wollen oder sollen). Es folgen ein<br />
Ausblick und Hinweise auf eine konstruktive Fanarbeit –<br />
etwa mit den Ultras oder anderen Problemfans. Das Buch<br />
schildert also jeweils zur Hälfte Historisches sowie Analytisches<br />
aus der und über die Kurve. Michael Klarmann<br />
Dieter Jüdt (Hg.)<br />
45<br />
A Single Cover Album<br />
Buch | Poste Aérienne | poste-aerienne.blogspot.com |<br />
84 S., 29,00 Euro || Hinter „Poste Aérienne“ verbirgt sich<br />
eine deutsch-belgische Illustratorengruppe, die sich mit<br />
diesem Sammelband einer<br />
nach Meinung vieler<br />
„normaler“ Menschen<br />
längst ausgestorbenen<br />
Gattung widmet:<br />
der Vinyl-Single. Wer<br />
zwischen den Fünfzigern<br />
und den Achtzigern<br />
aufwuchs, der erinnert<br />
sich in der Regel an seine<br />
erste Schallplatte, und<br />
die dürfte eine Single gewesen<br />
sein, doch woran<br />
erinnern sich später Geborene? An ihren ersten Klingelton?<br />
Ihren ersten iTunes-Download? Eine schreckliche<br />
Vorstellung ... Die ZeichnerInnen – unter anderem David<br />
v. Bassewitz, Max Fiedler, Leen Van Hulst, Ib Jorn, Dieter<br />
Jüdt, Frederik Jurk, Juliane Pieper, Felix Scheinberger,<br />
Boris Servais,Tanja Székessy und Michael Zander – waren<br />
für dieses Buch aufgerufen, ihre prägende Single-Veröffentlichung,<br />
ob nun eine aus ihrer Kindheit oder eine späte<br />
Entdeckung war ihnen freigestellt, mittels einer Covergestaltung<br />
zu würdigen. Gefragt waren Zeichnungen, keine<br />
Computergrafiken, und so wird hier den BAD BRAINS<br />
gehuldigt, Stevie Wonder, MOGWAI, NOTWIST, David Bowie,<br />
SIOUXSIE & THE BANSHEES, THIN LIZZY, BLACK<br />
SABBATH, PORTUGAL.THE MAN, Suzanne Vega und vielen<br />
andere, quer durch alle Stile, aber mit einem gewissen<br />
Schwerpunkt im Bereich der „ernsthaften“ Musik – irgendwelcher<br />
Schlager- oder Chart-Trash fehlt fast völlig,<br />
einzig Haddaway kann man wohl letzterer Kategorie zuordnen.<br />
Zu jedem Cover gibt’s einen kurzen englischen<br />
Text zur Motivation des Zeichners sowie zur Band, und natürlich<br />
dürfen diskographische Angaben nicht fehlen. Ein<br />
ausgesprochen hübsches Buch – natürlich im quadratischen<br />
Single-Cover-Format – für den Coffetable im Plattensammler-Haushalt.<br />
Joachim Hiller<br />
KIA, dazu mit einem komplett unlesbaren Logo, dann kann ich<br />
dir garantieren, dass sich niemand den Namen deiner Band<br />
merken kann, egal, wie oft er sie sich angehört oder sich das<br />
Logo angeschaut hat.<br />
Gibt es eine Arbeit <strong>von</strong> dir, auf die du besonders stolz bist?<br />
Es gibt einige, auf die ich ziemlich stolz bin, etwa SATRI-<br />
ARCH, NACHTMYSTIUM, COVENANT, THE GREEN EVENING<br />
REQUIEM, ARTISIAN, DEADLOCKED IN MISERY, CHASMA,<br />
FEEDLING, WOLVES IN THE THRONE ROOM, REVERIE,<br />
EMPEROR, ENTHRONED, BORKNAGAR, WITHERED DREAMS<br />
und PIT FIENDS. Andere finde ich nicht mehr so toll, wie die<br />
für OLD MAN’S CHILD oder die Niederländer MIDIAN. Die<br />
würde ich gerne noch einmal überarbeiten und deutlich verbessern,<br />
wenn ich dazu die Gelegenheit hätte.<br />
André Bohnensack gestalten.com<br />
OX-FANZiNe 117