REvIEWS - Webseite von Thomas Neumann
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„Die Götter versagen“ oder „Nur noch eine Raste“ für so<br />
manche Gänsehaut sorgen und das Gewand freundlicher<br />
wird, die Texte sind es oftmals nicht. Die KAFKAS wissen,<br />
wer ihre Feinde sind, wen man da draußen in der Welt und<br />
drinnen in den Schlachthöfen und Tiertransporter-Cockpits<br />
nicht mag, nicht mögen muss, nicht mögen darf, und<br />
scheuen sich auch nicht, das offen zu legen, scheuen sich<br />
nicht, auf Angriff zu schalten. Dennoch hat Markus, wie<br />
er auch im Interview in der #85 erzählt, gelernt, über<br />
Gefühle zu schreiben und zu singen, weshalb es auch so<br />
manches Liebeslied auf „Paula“ schafft. „Aber antikapitalistisch,<br />
das war doch klar“, wie es in „Wenn ich mal ein<br />
Tattoo habe“ so treffend heißt. Alles in allem schon jetzt<br />
mein Album 2010. (10) H.C. Roth<br />
KARATE DISCO<br />
Discostress<br />
CD | Rilrec | rilrec.de || Timing ist alles. So bringen die<br />
aus in und um Koblenz stammenden Punkrocker KARATE<br />
DISCO um Sängerin Rici nahezu zeitgleich mit Filmemacher<br />
Tim Burton ihr<br />
aktuelles Werk heraus.<br />
Das passt, denn „Alice im<br />
Wunderland“ in Punkrock,<br />
das ist es im Groben,<br />
was KARATE DISCO<br />
künstlerisch abliefern. Es<br />
wird eben auch an den<br />
Ufern des Rheins gerne<br />
und viel hinter den Spiegel<br />
geschaut ... Eben<br />
jene Tatsache und der<br />
Umstand, dass Schlagzeuger<br />
A. Gräbeldinger<br />
(der Lewis Carroll des Post-Bukowski-Jahrtausends) nun<br />
bereits seit Jahren ein Murmeltierkostüm trägt, untermauern<br />
diese These. Doch nicht auf Wahnsinn, sondern<br />
auf Vielfalt, Farbenpracht und Unterhaltungswert will ich<br />
mit diesen Vergleichen hinweisen. Denn deutschsprachiger<br />
Punkrock in bestmöglicher Bauweise, das ist es, was der<br />
Fan hier einmal mehr bekommt. Sonderlob geht an dieser<br />
Stelle an Rici, die merklich an ihrem Gesang gearbeitet<br />
hat und damit nochmal eine gute Schippe Qualität im<br />
Vergleich zum Vorgängeralbum drauflegt. Die fantastische<br />
Produktion, das seit jeher im Hause KARATE DISCO stilsichere<br />
Artwork und die Kompromisslosigkeit, mit der der<br />
Rest der Band ihre Parts im Studio eingeprügelt haben,<br />
runden den „Discostress“ ab. Wer mehr über die Verknüpfung<br />
zum aktuellen Tim Burton-Film und der Band wissen<br />
möchte, sucht bei YouTube nach dem sehr, sehr coolen<br />
Video der KARATE DISCO – und bedenke, dass diese „ihren<br />
Film“ vor dem Altmeister gedreht haben! Und wer weiß,<br />
dass KNOCHENFABRIK nichts mit Tiernahrung zu tun<br />
haben, und auf deutschen Punkrock steht, muss sich diese<br />
Platte zulegen. Basta. Jörkk Mechenbier<br />
Auf der Ox-CD zu hören.<br />
KATZENSTREIK<br />
Move<br />
CD | Unterm Durchschnitt | unterm-durchschnitt.<br />
com | 39:33 || Was soll man nach gefühlten zehn KAT-<br />
ZENSTREIK-Alben noch groß über die Band schreiben?<br />
Wie wäre es damit, dass sich mit „Move“, ihrem tatsächlich<br />
erst fünften Album, ein TURBOSTAAT-Vergleich nahezu<br />
aufdrängt? Ähnlich wie die Flensburger spielen die Göttinger<br />
nämlich aufgewühlt-emotionalen Punk, der frühe<br />
HWM und diverse Indie-Einflüsse referiert und der genau<br />
deswegen immer wieder berührt und begeistert („Eat“).<br />
Der Unterschied zwischen TURBOSTAAT und KATZEN-<br />
STREIK ist allerdings, dass Zweitgenannte greifbarere Texte<br />
schreiben, sie sind meist persönlich, wenn auch politisch<br />
konnotiert, und man versteht diverse Bezüge schneller,<br />
weil KATZENSTREIK weniger abstrakt und nicht ganz<br />
so schwafelig schreiben wie TURBOSTAAT. Und das tut<br />
„Move“ wirklich gut. (8) Lauri Wessel<br />
KENAI<br />
Hail The Escapist<br />
CD | Redfield/Cargo | redfield-records.de || Nach<br />
zwei EPs veröffentlichen KENAI nun ihr Debütalbum<br />
über Redfield Records. Musikalisch gibt man Post-Hardcore<br />
mit Screamo- und Punk-Elementen zum Besten, welchen<br />
man mit einer gehörigen Portion Elektronika versehen<br />
hat. Klar, dass man da direkt an ENTER SHIKARI denken<br />
muss, jedoch: Wo ENTER SHIKARI schnell mit ihren<br />
teilweise etwas überspitzten, penetranten Dancefloor-<br />
Sounds nerven können, wissen KENAI dieses Element<br />
deutlich angenehmer einzusetzen. Immer dann, wenn das<br />
Geplucker gerade anfangen möchte, das Nervenkostüm des<br />
Zuhörers auf unangenehme Art und Weise zu penetrieren,<br />
holt die aus Essex stammende Band zum großen Schlag aus<br />
und zerkloppt das Gedudel mit der mächtigen Riffkeule.<br />
Da bekommt das eigentlich überstrapazierte Stilmittel des<br />
Breakdowns eine neue und positive Dimension verliehen,<br />
da diese hier nicht den Testosteronspiegel der beteiligten<br />
Musiker repräsentieren sollen, sondern tatsächlich überaus<br />
songdienlich eingesetzt werden (7) Jens Kirsch<br />
KONGSMEN<br />
On Campus<br />
CD | Soundflat/Broken Silence | soundflat-records.<br />
de | 32:54 || Es wird Zeit für meinen Lebensbeichte:<br />
Ich habe eine Schwäche für Schimpansen in Menschenkleidung.<br />
Einer meiner größten Helden ist Lancelot Link<br />
<strong>von</strong> A.P.E., der „Agency for the Prevention of Evil“. Umso<br />
erfreulicher finde ich, dass mit den KONGSMEN endlich<br />
mal eine Band Charles Darwin Recht gibt. Die ganze<br />
Rock’n’Roll-Evolution begründeten unsere Bananen fressenden<br />
Vorfahren. Soundflat Records springt nun endlich<br />
auch auf den seit Jahrmillionen fahrenden Zug auf<br />
und verkauft „Affenmusik“ als das nächste große Ding.<br />
Zu Recht! Bereits in den frühen Sechziger Jahren konnten<br />
mit dem Sound <strong>von</strong> scheppernden Gitarren, rachitischen<br />
Saxofonen und quiekiger Orgel Highschool-Tanzabende in<br />
wahrhafte Dschungel des Lasters verwandelt werden (seht<br />
euch John Belushis „Animal House“ an, und ihr wisst, was<br />
ich meine ...). Dank unserer behaarten Musikerfreunde<br />
(gerüchteweise schwingen sie sich in Madrid <strong>von</strong> Baum zu<br />
Baum), kann nun der Tanzspaß für Homo Sapiens weitergehen.<br />
Die Nummern der Affenmusiker sind zwar auch seit<br />
weit über 40 Jahren bewährte Tanzdielen-Magneten in der<br />
Menschenwelt („King Kong“, „(Go Go) Gorilla“, „Monkey<br />
man“, „I go ape“). Doch nur wer im Affenhaus oder im<br />
afrikanischen Busch aufwuchs, kann diese Songs mit dem<br />
nötigen Biss spielen. Im Übrigen erzählt man sich, dass<br />
Mitglieder der KONGSMEN mit Menschenmasken verkleidet<br />
unter dem Namen „IMPERIAL SURFERS“ auftreten<br />
und, auch für Soundflat natürlich, Schallplatten eingespielt<br />
haben. Näheres dazu in der „Singles“-Rubrik. (8)<br />
Gereon Helmer<br />
KONG<br />
Snake Magnet<br />
CD/DVD | Brew | brewrecords.net | 50:16 || Kratzige,<br />
sich bis zum Erbrechen wiederholende Anti-Gitarrenriffs,<br />
ein gerade noch so im Takt spielendes Schlagzeug<br />
und ein Sänger, der sich scheinbar in einem Zustand<br />
irgendwo zwischen angepisst, gelangweilt und dauerhaft<br />
besoffen befindet: Erstaunlich, mit welchen – im Grunde<br />
genommen recht primitiven – Mitteln KONG auf ihrem<br />
Debüt „Snake Magnet“ verdammt sympathische Musik<br />
machen. An der Grenze zur Unhörbarkeit wird hier sicherlich<br />
das eine oder andere Mal gekratzt, aber das „gewisse<br />
Etwas“ kann man dem groovenden Noisecore der drei Briten<br />
kaum absprechen. Ein Bastard <strong>von</strong> einem Album, dem<br />
man den Einfluss <strong>von</strong> MCLUSKY, SHELLAC und FUGAZI zu<br />
jeder Sekunde anhört. Cool. (8) Marcus Latton<br />
KEELHAUL<br />
Keelhaul’s Triumphant Return To Obscurity<br />
CD | HydraHead | hydrahead.com | 49:26 || Ich bin<br />
zutiefst beeindruckt: Da kommt eine Band nach beinahe<br />
sechs Jahren klammheimlich aus der Versenkung hervor<br />
und liefert ein Album<br />
ab, das nicht nur extrem<br />
frisch klingt, sondern<br />
auch noch locker<br />
der Großzahl des Math/<br />
Noise-Rock-Kollegiums<br />
mindestens Neidesblässe<br />
ins Gesicht treibt.<br />
Was KEELHAUL auf „Triumphant<br />
Return To Obscurity“<br />
veranstalten ist<br />
schlichtweg atemberaubend!<br />
Die vier Herren<br />
aus Cleveland, Ohio<br />
scheren sich einen Dreck um Hörgewohnheiten. Math,<br />
Noise, Metal und Hardcore heißen die vier, den vertrackten,<br />
fummeligen, schrägen Kompositionen zugrunde liegenden<br />
Eckpfeiler; gespielt mit wunderbarer Leichtigkeit,<br />
technischer Finesse sowie routinierter Präzision, was<br />
auf beinahe mysteriöse Art absolut funktioniert. KEEL-<br />
HAUL sind extrem druckvoll und heavy, ohne das Feingefühl<br />
komplett an der Studiotür abgegeben zu haben, verspielt,<br />
ohne sich in angeberischer, sinnfreier Fummelei zu<br />
verlieren, und komplex, ohne „Unhörbarkeit“ zu generieren.<br />
„Triumphant Return To Obscurity“ klingt in etwa so,<br />
als hätten KNUT versucht, die musikalischen Ansätze <strong>von</strong><br />
BOTCH, BATTLES und LIGHTNING BOLT zu fusionieren.<br />
Ganz starkes Album! Konstantin Hanke<br />
KAZUMASA HASHIMOTO<br />
Strangeness<br />
CD | Noble/A-Musik | noble-label.net | 60:54 ||<br />
Nach seinem eher minimalistischen Soundtrack zu Kiyoshi<br />
Kurosawas Film „Tokyo Sonata“ hat der aus Tokio stammende<br />
Kazumasa Hashimoto ein neues Album namens<br />
„Strangeness“ aufgenommen, das allerdings im ersten<br />
Moment nicht unbedingt in diese Kategorie fällt. Bereits<br />
auf seinem 2007er Album „Euphoriam“ hatte Hashimoto<br />
recht konventionelle poppige Töne angeschlagen und seine<br />
fließenden, sehr melodischen Elektroniksounds, die durch<br />
die Integration akustischer Klänge und einer Klassik-Instrumentierung<br />
aber nichts mit irgendwelchen sterilen Laptop-Spielereien<br />
gemein hatten, in überraschend songorientierte<br />
Bahnen gelenkt. „Strangeness“ basiert zwar immer<br />
auf noch auf einer Art Kammerpop-Elektronik, die nicht<br />
immer auf direktem Weg ans Ziel kommt, aber durch die<br />
Hinzunahme <strong>von</strong> Hirono Nishiyamas (aka Gutevolk)<br />
wundervoll unirdischer Stimme (man fühlt sich ein wenig<br />
an Lætitia Sadier <strong>von</strong> STEREOLAB erinnert) bei den ersten<br />
Stücken entsteht bisweilen der Eindruck, es mit klassischer<br />
Popmusik zu tun zu haben. Letztendlich passt der Titel<br />
„Strangeness“ dann doch wieder – vor allem beim großartigen<br />
20-minütigen instrumentalen Titleltrack –, denn<br />
Hashimotos vielschichtige Kompositionen scheinen ein<br />
musikalische Äquivalent zu „Alice im Wunderland“ dazustellen,<br />
eine traumartige Klangwelt, die einer ganz eigenen<br />
Logik gehorcht, mit Hashimoto als Grinsekatze, dem man<br />
schon aufmerksam zuhören muss, um die Gesetzmäßigkeiten<br />
seiner Platte zu verstehen, die dann zu einem Füllhorn<br />
herrlicher Melodien, Emotionen und Sounds wird. (9)<br />
<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
KAZIMIR<br />
Brokenlande<br />
MCD | myspace.com/kazimir | 19:09 || „Junge verliebt<br />
sich in Mädchen (Mädchen sagt Nein)“. Acht kleine<br />
Worte, klare Aussage und der volle Text des gleichnamigen<br />
Songs. Aber mehr braucht es auch nicht, um vier atmosphärische<br />
Minuten zu gestalten, mit Stimmensample und<br />
Geige am Schluss, wunderbar. Die anderen vier Stücke<br />
haben deutlich mehr Text zu bieten, eingebettet in krachigdreckigem<br />
Indie-Rock mit Hang zu Noise und Emo. Absolut<br />
runde Sache das, kraftvoll produziert und mit gegebenem<br />
Wiedererkennungswert. Ach ja, zu kaufen bekommt<br />
man „Brokenlande“ auf den Konzerten der Band oder<br />
online. (8) H.C. Roth<br />
LLL<br />
LOKALMATADORE<br />
Punk Weihnacht<br />
CD | Teenage Rebel | teenage-rebel.de | 65:52 || In<br />
270 Tagen ist Weihnachten! Jetzt gilt es sich zu sputen, noch<br />
rechtzeitig ein paar Geschenke für die Lieben zu erstehen,<br />
denn wer will zum Fest der Liebe ohne Präsente dazustehen?<br />
Und warum nicht die gute, alte Tradition der Weihnachtsplatte<br />
wiederbeleben? Wer als schon die entsprechenden<br />
Scheiben <strong>von</strong> Billy Idol und Bing Crosby sein<br />
eigen nennt, ist auch prädestiniert dafür, an „Punk Weihnacht“<br />
der LOKALMATADORE (aus Mülheim an der Ruhr)<br />
Gefallen zu finden. Allerdings gibt es hier keine weitere<br />
Weihnachtsliedervergewaltigungsplatte, sondern ein vor<br />
nicht allzu langer Zeit kurz vor Weihnachten in Hamburg<br />
aufgenommenes Live-Album, das erste der „Lokalen“ seit<br />
„HimmelAchtungPerkele“ <strong>von</strong> 1994. In okayner, sagen wir<br />
mal „authentischer“ Aufnahmequalität fühlt man sich <strong>von</strong><br />
dem Album in Versuchung geführt, sofort eine Flasche oder<br />
gleich einen ganzen Kasten Bier aufzumachen und dazu<br />
mit sich selbst eine Party zu feiern – mit „König Alkohol“<br />
und „Barbara“ etwa und all den anderen subtilen Hits, die<br />
Fisch (oder „Trocken-Fisch“, wie er seit ein paar Jahren<br />
eigentlich heißt) und Band hier in virtuoser Manier darbieten.<br />
Ein großer Spaß, der allerdings bald getoppt werden<br />
dürfte durch das neue Album, das in den nächsten Monaten<br />
endlich das Licht der Welt erblicken sollte. Und jetzt<br />
erstmal: Frohe Ostern! (7) Joachim Hiller<br />
LES WAD-BILLYS<br />
Hot Brain<br />
MCD | Schnitz Productions | leswadbillys.com |<br />
12:18 || Dass es sich bei diesem Trio aus Metz gewiss um<br />
keine unerfahrenen Greenhorns mehr handelt, hört man<br />
dieser EP schon ab den ersten mächtig treibenden Fuzz-<br />
Akkorden des titelgebenden Openers an. Über die Distanz<br />
<strong>von</strong> vier Dreiminütern, bekommt man hier so richtig<br />
schön fies verzerrten und gewaltig groovenden Garagepunk<br />
der alten Schule serviert, welcher den genannten<br />
Haupteinflüssen FLESHTONES und DIRTBOMBS aber mal<br />
durchaus zur Ehre gereicht. Mein absoluter Favorit ist hierbei<br />
übrigens das französischsprachige „Éclair“: Wer da noch<br />
seine Füße ruhig halten kann, spürt wahrscheinlich auch<br />
ansonsten nicht mehr allzu viel ... (7) Ben Bauböck<br />
LANDMINE MARATHON<br />
Sovereign Descent<br />
CD | Prosthetic | prostheticrecords.com | 39:36 ||<br />
Es ist noch kein halbes Jahr her, seit mir der Vorgänger <strong>von</strong><br />
„Sovereign Descent“ in die Finger gefallen ist. Jetzt laden<br />
die Oldschool-Deather und Grinder zum dritten LAND-<br />
MINE MARATHON. Und die Strecke ist gefährlicher denn<br />
je. Neben dem altbekannten schweren BOLT THROWER-<br />
Beschuss geht es über alte CARCASS in rasende Thrash-<br />
Gefilde und zähe Midtempo-Sümpfe. Und hinter jeder<br />
Ecke lauert ein unfassbares Energiebündel in Gestalt <strong>von</strong><br />
Grace Perry, die ihre nachdenklichen Texte wütend und<br />
frustriert in beeindruckendster Manier herausschreit.<br />
Nein, nicht wie ein Mann, sondern heftiger und härter.<br />
Aber auch das Gesamtkunstwerk hat durch einen harten<br />
organischen Sound und eine formidable Verpackung zugelegt<br />
und lässt hoffen, dass LANDMINE MARATHON ihren<br />
Insider-Status möglichst bald verlieren. Große Band. (8)<br />
Dr. Oliver Fröhlich<br />
LOW VALUE<br />
Recharge<br />
CD | High Speed Flower | hsfr.jp | 44:01 || LOW<br />
VALUE haben ihren Ursprung in Slowenien oder Kroatien,<br />
das wird aus ihrem Info nicht ganz klar. Die Band<br />
existiert seit 2000 und hat seitdem viele Gigs, besonders in<br />
eben genannten Balkanländern und Österreich, absolviert.<br />
„Recharge“ ist die zweite Scheibe nach „The Language Of<br />
Stolen Music“ aus dem Jahr 2005. Wie der schon Erstling<br />
erscheint auch dieses Album in Japan. Dort scheint es nach<br />
wie vor großes Interesse an Punk/Hardcore/Emo-Bands<br />
aus Europa und den USA zu geben. LOW VALUE präsentieren<br />
auf zehn Songs eine gute Mischung aus den Komponenten<br />
„Melodic Hardcore“, „Rock“ und „Metal“ – in<br />
Bands ausgedrückt höre ich hier Anleihen bei NO USE FOR<br />
A NAME, STRUNG OUT und TEN FOOT POLE. Der siebeneinhalbminütige<br />
Track „Call to arms“ hat dann tatsächlich<br />
noch was <strong>von</strong> MEGADETH. Grundsätzlich fällt auf, dass fast<br />
rEvIEws<br />
alle Songs annähernd oder über vier Minuten lang sind.<br />
Dennoch verliert sich die Band selten in allzu vertrackten<br />
Breaks oder Parts, sondern kommt zumeist wieder auf<br />
den Punkt. Das ist alles nicht neu, aber in Ordnung. Und<br />
zumeist schnell. (6) Zahni Müller<br />
LAPKO<br />
A New Bohemia<br />
CD | Fullsteam/Pias | fullsteamrecords.com || Die<br />
Finnen LAPKO lassen sich genauso wenig auf einen Stil<br />
festlegen wie BIFFY CLYRO und können dabei sogar schon<br />
aus dem Schatten der Schotten heraustreten. Erstaunlich<br />
wie groß Europa doch letztendlich ist: „A New Bohemia“<br />
ist das vierte Album des Trios und doch das erste, dass es<br />
bis nach Deutschland geschafft hat. Man sollte diese Band<br />
nicht ob ihrer Herkunft unterschätzen oder gar in Exotenschubladen<br />
stecken. Wäre die Popwelt gerecht, stünde<br />
bei LAPKO bald die eine oder andere Welttournee an.<br />
Eben genauso wie bei BIFFY CLYRO, die mit „Only Revolutions“<br />
das Album des letzten Jahren geschrieben haben.<br />
Musikalisch bewegt man sich auf dem gleichen Terrain wie<br />
bereits erwähnte Band und weiß damit zu überzeugen. Die<br />
zehn Songs sind durch die Reihe fantastisch und zu keiner<br />
Sekunde langweilig oder anbiedernd. Wäre die Welt<br />
gerecht, sollte jeder diese Band zumindest einmal angehört<br />
haben. (7) Sebastian Wahle<br />
LEE HARVEY OSMOND<br />
A Quiet Evil<br />
CD | Latent | latentrecordings.com || Es gibt Alben,<br />
bei denen weiß man schon nach wenigen Sekunden des<br />
Hörens, dass man hier etwas Besonderes vor sich hat.<br />
So ging es mir mit „A Quiet Evil“. Der Band aus Toronto<br />
rund um Tom Wilson (JUNKHOUSE/BLACKIE AND THE<br />
RODEO KINGS) und Mitgliedern <strong>von</strong> den COWBOY JUN-<br />
KIES und SKYDIGGERS ist hier ein kleines Americana/<br />
Alternative-Country-Meisterwerk gelungen. Tom Wilsons<br />
düstere Stimme erzeugt Gänsehautstimmung pur. Wenn<br />
Tom Wilson in „Lucifer’s blues“ teils sprechend, teils singend<br />
das Böse in der Welt beschwört, fühlt man sich ein<br />
wenig an Tom Waits erinnert. Die dunklen Seiten des<br />
Lebens sind auch textlich Hauptthema auf „A Quiet Evil“,<br />
das großartig-relaxte „Cuckoo’s nest“ oder die unheimliche<br />
Mörder-Ballade „Blade of grass“ sind nur zwei Beispiele<br />
dafür. Bei LEE HARVEY OSMOND sind Blues-<br />
Melancholie und Alternative Country-Seligkeit mit einem<br />
düsteren Vorzeichen versehen, das aber oft auch mit einem<br />
Augenzwinkern. Ebenfalls sehr gelungen ist das VELVET<br />
UNDERGROUND-Cover „I can’t stand it“. Von Anfang<br />
bis Ende bis ein großes Album, das ich jedem Alternative-<br />
Country-Fan empfehlen kann. (9) Robert Buchmann<br />
LIGHTHOUSE<br />
Abyssus Abyssum Invocat<br />
CD | Anchors Aweigh | anchorsaweighrecords.com |<br />
19:48 || Nach einem kurzen, das Unheil bereits ankündigende<br />
Intro bollern LIGHTHOUSE aus Augsburg los<br />
und entlassen den Hörer nach einem knapp 20-minütigen<br />
Gewaltausbruch wieder aus ihren Fängen und spendieren<br />
zum Schluss noch eine ordentliche Portion Kopfschmerz,<br />
dank eines fiesen Rauschens, mit dem die CD ein<br />
Ende findet. Der teilweise an BREACH oder RISE AND FALL<br />
erinnernde brachiale Hardcore wechselt zwischen brutal-unkontrollierter<br />
Raserei und vertrackten Dampfwalzenparts.<br />
Die Produktion der Oldenburger Tonmeisterei<br />
ist mal wieder super und rundet die Musik ebenso wie das<br />
düstere Coverdesign hervorragend ab. (8) Sebastian Banse<br />
LOWER THAN ATLANTIS<br />
Far Q<br />
CD | Refield/Cargo | redfield-records.de | 40:36 ||<br />
Nachdem die UK-Band LOWER THAN ATLANTIS mehrere<br />
Drummer und Bassisten verschlissen hat, haben sie<br />
nun ihr komplettes Line-up gefunden und sich sofort ins<br />
Studio begeben. Rausgekommen ist das Album „Far Q“,<br />
das dem UK-Hardcore-Hype mit Bands wie GALLOWS<br />
oder GHOST OF A THOUSAND in nichts nachsteht. Wahrscheinlich<br />
übertreffen LTA ihre beiden Konkurrenten hinsichtlich<br />
der Songtexte. Sänger und Gitarrist Mike Duce<br />
besingt nicht nur typisch englische Themen, die in den<br />
Siebzigern schon aktuell gewesen sind, wie die generationsbedingte<br />
Teilnahmslosigkeit in den Songs „Down with<br />
the kidz“ oder „I’m not bulimic“, er kommentiert auch<br />
das Leben im Internet auf eine ironische Art und Weise<br />
in „A/S/L“ und „Taping songs off the radio“. Musikalisch<br />
ist das Trio auf gleicher Augenhöhe mit Obengenannten.<br />
Punkrockparts sind im gleichmäßig verteilten Verhältnis<br />
mit Metal/Hardcoreparts zu finden. Zudem kommen sie<br />
im Mai auf Tour und können beweisen, dass sie auch live zu<br />
den Großen gehören. (8) Peter Nitsche<br />
mmm<br />
MI AMI<br />
Steal Your Face<br />
CD | Thrill Jockey | thrilljockey.com | 37:30 ||<br />
Daniel Martin-McCormick und Jacob Long waren mal<br />
in den Neunzigern bei der Dischord-Band BLACK EYES<br />
aktiv und machen inzwischen in San Francisco unter<br />
dem Namen MI AMI Musik, die man als durchaus stressig<br />
einstufen darf. Vor allem bedingt durch Daniel Martin-<br />
McCormicks Gesang (oder vielleicht doch besser Gekeife<br />
oder Gekreische?), bei dem man ihn zunächst auch für<br />
eine extrem hysterische Frau halten könnte – Ian Sveno-<br />
OX-FANZINE 99