REvIEWS - Webseite von Thomas Neumann
REvIEWS - Webseite von Thomas Neumann
REvIEWS - Webseite von Thomas Neumann
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
schen“ Banger, finden sich hier nun vermehrt Acts wieder,<br />
die mit dem ursprünglichen Label-Sound nicht mehr viel<br />
zu tun haben. Auch wenn BARN BURNER beileibe nicht<br />
modern oder neu klingen, erweitern sie das Spektrum<br />
des Labels ungemein. Zwar spielen die vier humorvollen<br />
Kanadier auf ihrem treffend benannten Debütalbum „Bangers“<br />
irgendwie immer noch Metal. Dieser lässt sich aber<br />
hauptsächlich dann finden, wenn ungeniert IRON MAI-<br />
DEN zu Debüt- und „Killers“-Zeiten zitiert werden. Dazu<br />
paaren sich Classic-Rock-Arrangements der Marke THIN<br />
LIZZY. Ansonsten ist „Bangers“ Stoner-Rock der etwas hysterischen<br />
Sorte, sprich: für dieses Genre ungewöhnlich<br />
schnell und mitreißend. Das ist schön krachend gemischt,<br />
dynamisch gespielt und macht die ganzen elf Songs lang<br />
tierischen Spaß. (8) Arndt Aldenhoven<br />
BANANE METALIK<br />
Nice To Meat You<br />
CD | Fiendforce/Cargo | fiendforce.de | 38:57 ||<br />
Im Sommer 2009 sollte dieses Album bereits auf People<br />
Like You erscheinen, doch die Probleme, die PLY zur Neustrukturierung<br />
zwangen,<br />
führten zu einer Absage<br />
des Releases, <strong>von</strong> dem<br />
schon Promo-Exemplare<br />
existierten. Entsprechend<br />
fand sich in Ox #85 die<br />
Besprechung <strong>von</strong> Christoph<br />
Lampert, die wir<br />
angesichts des nun auf<br />
Fiendforce erfolgten<br />
Albumreleases zitieren:<br />
„Die französischen<br />
Psycho-Gore’n’Roller<br />
BANANE METALIK gab<br />
es schon einmal <strong>von</strong> 1992 bis 1995. Dann waren sie zehn<br />
Jahre <strong>von</strong> der Bildfläche verschwunden, um ab 2005 die<br />
Bühnen der Welt wieder mit ihrem bunten Mix aus Horror,<br />
Theater, Punk und Psycho unsicher zu machen. Jetzt legen<br />
sie mit ,Nice To Meat You’ ihr neues Album vor und dieses<br />
gefällt mir überraschend sehr gut. Die Songs sind deutlich<br />
schneller und punkiger, als dies bei Pychobilly-Bands<br />
sonst der Fall ist, und vor allem ist es der Charme des französisch-englischen<br />
Gesangs, der mich bei diesem Werk<br />
begeistern kann. Dazu kommt ein Sänger, der seine typischen<br />
Horrortexte so zwischen den Zähnen hervorschmirgelt,<br />
dass es eine Freude ist, diesem Reibeisen zuzuhören.<br />
Gut gefallen mir sowohl die Mariachi-Trompeten bei<br />
,Santa Muerta’ als auch die Geigen bei ,Maniac’ und die allseits<br />
bekannte Zirkusmelodie bei ,Le cirque des horreurs’.<br />
Diese Songs seien auch denen als Anspieltip empfohlen, die<br />
ansonsten nichts mit geslapten Bässen anfangen können.<br />
Ein rundum gelungenes Album also, das mir deutlich besser<br />
mundet als das letzte Werk der Labelmates DEMENTED<br />
ARE GO!.“ (8) Joachim Hiller<br />
Auf der Ox-CD zu hören.<br />
BUTCHER BIRDS<br />
Set My Bones<br />
CD | Mere Noise | merenoise.net | 42:36 || Nach<br />
der EP „Eat Their Young“ <strong>von</strong> 2005 katapultieren die drei<br />
Frauen und ein Herr am Schlagzeug <strong>von</strong> BUTCHER BIRDS<br />
aus Brisbane, Australien einen zum zweiten Mal mit Wucht<br />
in die Neunziger Jahre zurück. Wie eine gut gemachte und<br />
<strong>von</strong> Herzen kommende Hommage an diese Zeit, in der<br />
Grunge im Begriff war, das große Ding zu werden, hört<br />
sich „Set My Bones“ in gewisser Weise an: hier das SONIC<br />
YOUTH-, da das SEBADOH-Zitat, stimmlich (mit Aus-<br />
mit deren Schaffen im Bereich des knapp und knackig<br />
gehaltenen Punkrocks vertraut ist, bekommt auch bei den<br />
zwei IRRITONES-Songs „Mikado business“ und „Pretentious!“<br />
vertraut-schmackhafte Kost vorgesetzt. Auf der<br />
Flipside sind die ROUGH KIDS aus Los Angeles zu hören:<br />
simpler, mitreißender Punkrock, der seine Wurzeln klar<br />
in den Siebzigern hat – melodiös und kickend zugleich.<br />
(8/7) Joachim Hiller<br />
IMPERIAL SURFERS<br />
Double Shot Of ... 1&2<br />
2x7“ | Soundflat | soundflat-records.de || Soundflat<br />
Records hat beide Läufe der Hit-Flinte durchgeladen.<br />
Label-Zampano Traxel drückt den Abzug und ballert<br />
eine doppelte Ladung Frat-Rock auf heimische Plattenspieler.<br />
Zur Erläuterung: Frat-Rock, das ist der unbekümmerte,<br />
oftmals instrumentale Rock’n’Roll, der Uni-<br />
Sausen und Highschool-Tanzabende in den frühen Sechzigern<br />
zum Beben brachte. KINGSMEN, JOHNNY & THE<br />
HURRICANES, MCCOYS, das waren die Bands, die John<br />
Belushi im Frat-Party-Filmklassiker „Animal House“ so<br />
richtig ausrasten ließ. Und mit diesem stets partykompatiblen<br />
Sound toben sich die Madrider IMPERIAL SUR-<br />
FERS nun aus. Acht swingende Songs auf zwei EPs, darunter<br />
sechs Instros, spielen die Spanier mit unfassbarer Leichtigkeit<br />
und eine Freude am Musizieren, die ihresgleichen<br />
sucht. Die zwei 45er machen einfach nur Spaß und sind für<br />
die erfolgreiche Fete auf dem Wohnheimflur so essentiell<br />
wie unbegrenztes Fassbier, willige Chicks, Kotzelachen im<br />
Treppenhaus und mindestens zwei Polizeieinsätze wegen<br />
Ruhestörung und Erregung öffentlichen Ärgernisses. (8)<br />
Gereon Helmer<br />
GHOSTS RUN WILD /<br />
INVISIBLE MAN’S REVENGE<br />
Split<br />
7“ | Dirty Ugly | myspace.com/dirtyuglyrecords ||<br />
Irgendwie ist es lachhaft, wenn ein Label Gift und Galle<br />
spuckt gegen CDs und Vinyl lobpreist, dann aber nur über<br />
ein Profil bei Fuck-MySpace verfügt und nicht über eine<br />
vernünftige Website. Website = Vinyl, MySpace = Scheiße.<br />
So einfach ist meine Welt. Aber egal, lassen wir das, denn<br />
die Splitsingle aus klarem Vinyl taugt einiges. Auf der einen<br />
Seite sind GHOSTS RUN WILD zu hören, die aus Virginia<br />
kommen und als Boy/Girl-Duo wundervoll spooky<br />
und trashy Psychobilly spielen, mit Kreissägegitarren und<br />
mächtig viel Hall. Auf der anderen Seite „die Rache des<br />
unsichtbaren Mannes“, die aber nicht sonderlich bedrohlich<br />
ausfällt, ist es doch nur die x-te Variation des schraddeligen<br />
One-Man-Band-Schemas. Da hat man schon<br />
schlechtere, aber auch bessere Genre-Vertreter gehört.<br />
(8/5) Joachim Hiller<br />
KEINE ZUKUNFT WAR<br />
GESTERN ROAD CREW<br />
s/t<br />
7“ | Andi’s Friends | myspace.com/andisfriends<br />
|| Wer auf der Lesereise zum Buch zugegen war, hat die<br />
Interpretationen der vier auf dieser EP enthaltenen Klassiker<br />
bereits gehört und wird mir zustimmen, wenn ich<br />
behaupte, dass diese EP mit ihren 350 Exemplaren bei der<br />
Tour längst ausverkauft worden wäre, wenn es sie denn<br />
dort schon gegeben hätte. Klingt definitiv anders als die<br />
Originale, und wenn ich sagen, dass es sich stellenweise wie<br />
eine junge Nina Hagen anhört, dann ist das nicht negativ<br />
gemeint, ganz im Gegenteil. Eine richtig schwere Aufgabe<br />
war’s aber nicht, denn alle Stücke sind ziemlich unkaputtbar.<br />
(7) Kalle Stille<br />
nahme <strong>von</strong> „Amp“) eher an Kim Deal als an die ungezähmten,<br />
schrägen Stimmen SLEATER-KINNEYs oder Kathleen<br />
Hannas erinnernd und zwischen latenter Lärmigkeit und<br />
glasklaren Rocksongs wie dem Opener „The gate“ pendelnd.<br />
Wo manche die knackige Produktion, die Power<br />
und schönen Arrangements loben mögen, ist mir das allerdings<br />
nicht originär genug, so könnte man den über siebenminütigen<br />
Song „Yoko coma“ mit der Titel gebenden<br />
Zeile im Text beispielsweise locker für einen BREEDERS-<br />
Song halten. Zum zweiten blitzen neben all den sicherlich<br />
vorhandenen schönen Momenten (die straighte Rocknummer<br />
„Blood message“ kann einiges!) zu wenig wirkliche<br />
Höhepunkte auf, sind sie nämlich zu knarzig und sperrig<br />
für sweete Rock/Popmusik, und letztendlich noch zu<br />
zahm und hinter Lärm-Avantgardisten wie SONIC YOUTH<br />
oder MUDHONEY zurückbleibend. Sowohl die großen<br />
Melodien als auch das große Chaos bleiben aus – Durchschnitt.<br />
(6) Andreas Krinner<br />
BUNKAANGST<br />
Hamstarad<br />
CD | bunkaangst.de | 19:40 || BUNKAANGST sind<br />
keine Spaßkanonen. Zum einen wird dies durch den Bandnamen<br />
deutlich, und zum anderen durch ihre Musik. Die<br />
nachdenklichen und auch immer nicht ganz verständlichen<br />
Texte stehen hier im Mittelpunkt. Untermalt wird das<br />
Ganze mit einer negativen Grundstimmung, die durch den<br />
relativ cleanen Gitarrensound und dem Gesang entsteht.<br />
Keine CD, die man sich zum gemütlichen Feierabendbier<br />
reinziehen würde. Qualitativ haben BUNKAANGST auf<br />
dieser sechs Titel enthaltenden CD nicht das Schlechteste<br />
fabriziert, jedoch braucht es hier schon einen sehr speziellen<br />
Musikgeschmack. (5) Sven Grumbach<br />
BURNING HOTELS<br />
Novels<br />
CD | Miss Press | misspressrecords.com | 36:19 ||<br />
Schriebe ich hier jetzt was <strong>von</strong> „anspruchsloser, unanstrengender<br />
Wohlfühlmusik“, könnte man das womöglich<br />
als negative Aussage über dieses Album der Band aus<br />
Texas auffassen. Dabei ist es einfach nur das Fazit zu einem<br />
Album, das sich mit relativ wenig eigenständiger kreativer<br />
Leistung seitens der Band im Kielwasser <strong>von</strong> KILLERS, EDI-<br />
TORS und Co. geschmeidig durch den Pop-Ozean schippert.<br />
So belanglos sich das anhört: Kann man sich gut<br />
anhören, braucht man bei genauerer Betrachtung aber<br />
überhaupt nicht. (5) Joachim Hiller<br />
BUZZ ALDRIN<br />
Blaque Dye<br />
CD | Data File Music | datafilemusic.com | 39:55<br />
|| Zweiter ist keiner gern. Die Person Buzz Aldrin, ihres<br />
Zeichen zweiter Mensch auf dem Mond, ist und bleibt<br />
im Schatten Neil Armstrongs. Warum hat sich dann eine<br />
Oldenburger Band nach eben diesem Mann benannt?<br />
Understatement? Oder ist es die Sympathie mit den ewig<br />
Zweiten? Solch eine Interpretation lässt die Band charmant<br />
wirken, für die Qualität des Debüts spricht sie allerdings<br />
nicht. Denn die acht Songs wirken zwar in ihrer<br />
musikalischen Kompromisslosigkeit und Schwere anfangs<br />
anstrengend. Aber schnell wendet sich das Blatt, wenn<br />
man bereit ist, sich <strong>von</strong> der derben Mischung aus Noiseund<br />
Sludgecore mitreißen zu lassen. Die Herangehensweise<br />
erinnert an EISENVATER und das tiefschwarze Artwork<br />
wie auch die Titelbezeichnung repräsentieren den<br />
düsteren Sound optimal. Dabei sei erwähnt, dass die seit<br />
fünf Jahren aktive Band keinerlei Gitarren nutzt. So kommen<br />
die verzerrten Klänge allesamt aus zwei Bässen, womit<br />
LIES FEED THE MACHINE<br />
Gallows<br />
7“ | Contraszt | diyordie.net | Neuestes Release der<br />
in Berlin beheimateten LIES FEED THE MACHINE, die sich<br />
hier durch vier <strong>von</strong> D-Beat-Drumming und punkig krachenden<br />
Riffs geprägte Songs prügeln. Erinnerungen an<br />
eine punkigere Version <strong>von</strong> FROM ASHES RISE und HIS<br />
HERO IS GONE sind nicht <strong>von</strong> der Hand zu weisen und<br />
sprechen für die Qualität der Platte. (8) Jens Kirsch<br />
MIO / DUCT HEARTS<br />
Split<br />
7“ | Lala Schallplatten | myspace.com/lalalabel ||<br />
Das Leipziger-Duo MIO geht bei dieser Split-7“ mit dem<br />
Song „Möglichkeit“ an den Start und präsentiert ein fünfminütiges<br />
Semi-Instrumentalstück, bei dem der Gesangsanteil<br />
auf wenige Sekunden reduziert ist. Gut gemachter,<br />
atmosphärischer Nineties Screamo beziehungsweise Emo<br />
mit leider relativ wenig Wiedererkennungswert, aber daran<br />
kann man sicher arbeiten. Auf der anderen Seite gibt es<br />
einen Track <strong>von</strong> DUCT HEARTS zu hören, der mich stark<br />
an ELLIOTTs grandioses „Song In The Air“-Album erinnert<br />
und damit dick punktet. Lediglich das Ende des durch Hall,<br />
Delay-Gitarren und vor allem durch den wunderbar einfühlsamen,<br />
stark an Chris Higdons Stimme erinnernden<br />
Gesang sich langsam aufbauenden Songs kommt mir nach<br />
über sechseinhalb Minuten fast etwas zu abrupt. Trotzdem<br />
bleibt „Schlafen“ ein absolut schöner Song. Da<strong>von</strong> bitte<br />
mehr! Tim Masson<br />
MYELIN SHEATHS<br />
Stackticon<br />
7“ | Bachelor | bachelorrecords.com || Bandname<br />
und Songtitel legen zwar einen wissenschaftlichen<br />
Ansatz nahe, aber zum Glück versuchen sich die MYELIN<br />
SHEATHS nicht an pseudointellektueller Studentenmusik.<br />
Die vier Songs (inklusive einem Instrumental) rumpeln<br />
munter vor sich hin, irgendwo im Spannungsfeld zwischen<br />
BLACK LIPS, GORIES und CHEAP TIME. Ich vermisse<br />
zwar manchmal ein wenig Durchschlagskraft, aber insgesamt<br />
stimmt das Gesamtbild. Da die MYELIN SHEATHS<br />
bald auch eine Single auf HoZac veröffentlichen, sollte das<br />
Newcomer-Radar bei gestandenen Garage-Rock-Adepten<br />
ohnehin ordentlich ausschlagen. (7) Bernd Fischer<br />
POWERCHORDS<br />
More Than Me<br />
7“ | Bachelor | bachelorrecords.com || Nach dem<br />
Album 2008 auf Screaming Apple melden sich die POW-<br />
ERCHORDS aus Chula Vista im südlichsten Zipfel <strong>von</strong> Kalifornien<br />
mit einer 2-Song-7“ zurück und erfreuen erneut<br />
mit wundervollem Pop-Punk, der eine Sahnehaube aus<br />
Powerpop mit bunten Zuckerperlen obendrauf trägt. Auch<br />
diesmal höre ich die DICKIES deutlich heraus, BUZZ-<br />
COCKS und UNDERTONES ebenso, wer also auf Süßes<br />
steht und seine Punk-Platten vorzugsweise in der Konditorei<br />
kauft, der bekommt hier eine extragroße Kalorienbombe.<br />
Lecker! (8) Joachim Hiller<br />
JAMES PANTS<br />
I Live Inside An Egg<br />
7“ | Stones Throw US | stonesthrow.com || Mr. Pants<br />
schafft hier einen wirklich staubtrocknen und gekonnten<br />
Spagat zwischen unterschiedlichen Stilrichtungen wie<br />
Electro-Boogie, Synth/Minimal Wave und Punk-Disco<br />
und ist locker in der Lage, die Hardliner aus der TUBEWAY<br />
ARMY/Gary Numan-Fraktion mit den obskuren CAMEO-<br />
Anhängern (Pants adaptiert hier eine reduzierte „She’s<br />
strange“-Hookline) und der Italo-Disco zu verbinden. Der<br />
sich die Band einen zusätzlichen Exotenbonus in diesem<br />
sowieso schon exotischen Genre einheimst. Um auf den<br />
Faktor zwei zurückzukommen: Die englische Redewendung<br />
„to do number two“ bedeutet so viel wie „ein großes<br />
Geschäft machen“. Ein großes Geschäft wird die Band<br />
im kommerziellen Sinne nicht machen, ein Griff ins Klo<br />
ist „Blaque Dye“ aber erst recht nicht. Die Nummer eins<br />
wird man mit solch einer brachialen Musik genauso wenig.<br />
Doch das wird kaum das Ziel <strong>von</strong> BUZZ ALDRIN sein. (8)<br />
Arndt Aldenhoven<br />
BLESSURE GRAVE<br />
Judged By Twelve, Carried By Six<br />
CD | Alien8 | alien8recordings.com | 45:14 ||<br />
Warum ist eigentlich immer der Rezensent der Fantasielose,<br />
wenn ihm beispielsweise zum Debütalbum dieses<br />
Boy/Girl-Duos aus San<br />
Diego sofort JOY DIVI-<br />
SION als Referenz in<br />
den Sinn kommen? Nun<br />
will ich keinesfalls BLES-<br />
SURE GRAVE als fantasielose<br />
Band bezeichnen,<br />
aber dass sowohl gesanglich<br />
wie musikalisch JOY<br />
DIVISION eine große<br />
Inspiration darstellen,<br />
darüberhinaus KILLING<br />
JOKE, THE MARCH VIO-<br />
LETS, DEATH IN JUNE<br />
und THE CURE als Einflüsse genannt werden, ist nicht<br />
gerade überraschend. Und mir käme angesichts der soliden<br />
Machart, der gekonnt umgesetzten, wirklich sehr<br />
authentisch nach den späten Siebzigern und frühen Achtzigern<br />
klingenden Songs auch nicht in den Sinn, der Band<br />
irgend etwas anderes als Begeisterung entgegen zu bringen.<br />
In der jüngeren Vergangenheit gibt es nicht wenige Bands,<br />
die sich auf sehr authentische Weise an den Ikonen einer<br />
längst vergangen Zeit orientieren, und das Positive daran<br />
ist, dass sie das sehr stilsicher tun und damit hoffentlich<br />
jenem Kitsch-Goth, der bis heute mittels Zillo & Co. und<br />
durch so peinliche Karnevalsveranstaltungen wie jener in<br />
Leipzig promotet wird, zunehmend das Wasser abgraben.<br />
Parallel zur CD-Version erscheint auch eine Vinyl-Edition<br />
auf Release The Bats, allerdings gibt’s auf der CD noch vier<br />
Bonus-Songs <strong>von</strong> der „Learn To Love The Rope“-12“. (8)<br />
Joachim Hiller<br />
BITTER PILLS<br />
s/t<br />
MCD | Boss Tuneage/Cargo | bosstuneage.com |<br />
19:32 || Beim Abspielen dieser sieben Indie-Gitarrenrock-Stücke<br />
fühle ich mich 15 bis 20 Jahre zurück versetzt.<br />
Kein Wunder, stecken doch hinter BITTER PILLS Greame<br />
Gilmore <strong>von</strong> BROCCOLI und Chris Petty <strong>von</strong> HOOTON<br />
3 CAR, die in den Neunzigern aktiv waren. Ich stelle mir<br />
gerade ein Konzert mit VARSITY DRAG vor – eine geniale<br />
Kombination. Manchmal stört mich der wackelige Gesang.<br />
Aber ansonsten sind das wunderschöne Indierock-Perlen,<br />
irgendwo zwischen BIG STAR, POSIES, TEENAGE FAN-<br />
CLUB, LEMONHEADS und SUGAR. Das Rad wird hier ganz<br />
bestimmt nicht neu erfunden, aber die abwechslungsreichen<br />
Arrangements, das eingängige Songwriting und die<br />
angenehm analoge Produktion stimmen. Vielleicht erfährt<br />
dieses Genre gerade eine Renaissance, was für meinen<br />
Geschmack nicht das Schlechteste wäre. Jetzt fehlt eigentlich<br />
nur noch, dass solche Produktionen auf Vinyl veröffentlicht<br />
werden. (8) Simon Brunner<br />
Titelsong klingt wie die US-amerikanische Version <strong>von</strong><br />
Andreas Doraus „Fred vom Jupiter“ auf New Wave. Kracher!<br />
(8) Markus Kolodziej<br />
ROY ELLIS & THE TEENAGERS<br />
Let Me Take You Higher<br />
7“ | Liquidator | liquidatormusic.com || Allein das<br />
Cover-Foto ist schon grandios. Da kann sich so mancher<br />
jugendliche Freund des rhythmischen Sprechgesangs noch<br />
einiges abgucken in Sachen Pose und dicke Hose. Trotzdem<br />
sollte man wahrscheinlich froh sein, dass musikalisch<br />
weniger extravagante Pfade beschritten werden.<br />
Nein, wir reden nicht <strong>von</strong> Reggae, dem Metier, in dem Ellis<br />
eine Legende ist, sondern <strong>von</strong> klassischem Soul. Der Song<br />
ist ausgesprochen gut und die TEENAGERS ohnehin eine<br />
prima Band. Auf der B-Seite ist dann leider schon wieder<br />
ein (zugegebenermaßen nettes) Instrumental. Warum nur?<br />
Haltet den Mann doch beschäftigt, sonst verbringt er noch<br />
mehr Zeit mit dämlichen Gospel-Konzerten. (7)<br />
Ferdinand Praxl<br />
SHANE MACGOWAN AND FRIENDS<br />
I Put A Spell On You<br />
7“ | Mute | mute.com || Der Sänger und Kopf der<br />
POGUES hat sich einige illustre Gäste für seine Haiti-<br />
Benefiz-Single ins Studio geholt, um den Klassiker <strong>von</strong><br />
Screamin’ Jay Hawkins in einer etwas kuriosen Version<br />
einzuspielen. Keine Geringeren als Mick Jones (THE<br />
CLASH) und Dauerpirat Johnny Depp treffen mit Gitarren<br />
im Studio ein und Nick Cave, Bobby Gillespie (PRI-<br />
MAL SCREAM), Chrissie Hynde (THE PRETENDERS), Glen<br />
Matlock (SEX PISTOLS) sowie die Jazzsängerin Paloma<br />
Faith und einige mehr steuern den Gesang bei. Bob Geldorf<br />
wurde indes nicht gesichtet. Sehr schräg. Sehr karitativ.<br />
Und MacGowan sieht mit langem Haar wieder richtig<br />
frisch aus (für seine Verhältnisse). Bisher nur als Download<br />
erhältlich. (8) Markus Kolodziej<br />
SATÀN<br />
Shit #3<br />
7“ | Shit Music For Shit People | myspace.com/shitmusicforshitpeople<br />
|| Auf einem wunderbaren Label,<br />
dass sich ausschließlich der Veröffentlichung <strong>von</strong> Vinyl und<br />
Kassetten verschrieben hat, erscheint die 4-Track-EP <strong>von</strong><br />
SATÀN, einem italienischen Duo, das sich ganz der experimentellen<br />
Musik verschrieben hat. Zwischen Pop, Punk,<br />
Noise, Postcore, Sixites, Shouts, Screams und Gesang verstecken<br />
sich feine Melodien genauso wie ihre genauen<br />
Gegensätze. Und wer Shetlandponys genauso gerne hat wie<br />
ich, wird Songs wie „More funny than a mini horse“ zu<br />
schätzen wissen. Uneingeschränkte Konsumempfehlung!<br />
(9) Anna Behrendt<br />
SICK MORMONS<br />
Taekwando<br />
7“ | Gummopunx | myspace.com/gummopunxrecords<br />
|| Vier Songs mit der Quintessenz aller guten Zutaten<br />
<strong>von</strong> Bands wie FREEZE oder CHANNEL 3 und der Rotzigkeit,<br />
die AEROBITCH auf dem Höhepunkt ihres Schaffens<br />
erreicht haben. Very Oldschool, very verdammt cool,<br />
ohne Durchhänger. (9) Kalle Stille<br />
SINGLE STATE OF MAN / MEN AS TREES<br />
Split<br />
7“ | Synalgie et al. | synalgie-records.com || SINGLE<br />
STATE OF MAN aus Unterfranken haben sich offensichtlich<br />
gänzlich <strong>von</strong> den auf dem Debüt-Album zu hörenden<br />
Schrei-Emo-Einflüssen frei gemacht, den Gesang<br />
gestrichen und sich stattdessen den wesentlich stärke-<br />
rEvIEws<br />
BEAT BEAT<br />
s/t<br />
LP | Bachelor | bachelorrecords.com || Achtung!<br />
Nicht zu verwechseln mit dem CARBONAS-Ableger BEAT<br />
BEAT BEAT oder den gerade schwer gehypeten Indie-<br />
Nasen BEAT! BEAT! BEAT! Gegründet wurde die Band vom<br />
Drummer der mittlerweile aufgelösten RODRIGUEZ, der<br />
sich aber nach kurzer Zeit als One-Man-Band langweilte<br />
und sich die restlichen Musiker und jetzige Besetzung der<br />
Band zusammensuchte. Nach einer Weile folgte dann eine<br />
Single auf Spin the Bottle aus Toronto, eine US-Tour, eine<br />
weitere Single und nun die erste LP. Produziert wurde die<br />
übrigens <strong>von</strong> Matteo <strong>von</strong> den MOJOMATICS, deren Einfluss<br />
man auch etwas heraushört, denn das Album ist schon<br />
etwas poppiger als die Singles. Aber das gefällt mir natürlich<br />
auch. Wer also auf eine Mischung <strong>von</strong> YOLKS und FE<br />
FI FO FUMS steht, sollte nicht lange zögern. Aber hier gilt<br />
besonders: Augen auf beim Plattenkauf! (8) Finn Quedens<br />
BRIGHT EYES & NEVA DINOVA<br />
One Jug Of Wine, Two Vessels<br />
CD | Saddle Creek/Cargo | saddlecreekrecords.com<br />
| 36:10 || Eigentlich ist das hier ein Rerelease, aber<br />
nur ein halber. Denn die Kooperation <strong>von</strong> Conor Oberst<br />
und BRIGHT EYES einerseits und Jake Bellows und NEVA<br />
DINOVA andererseits beginnt 2004 mit der Veröffentlichung<br />
einer 6-Track-Split-7“ und findet ihre Vollendung<br />
2010 mit einer erneuten gemeinsamen Aufnahmesession<br />
der beiden Bands aus Nebraska – im Falle <strong>von</strong> BRIGHT<br />
EYES sind es sogar die ersten neuen Aufnahmen seit 2007.<br />
Vier neue Songs eröffnen so diesen Release, gefolgt <strong>von</strong><br />
denen <strong>von</strong> 2004, so dass der mit insgesamt zehn Stücken<br />
zum Album gewachsen ist. Und man muss ganz klar sagen,<br />
dass die alten Sachen zwar durchaus stimmungsvoll sind,<br />
aber auch nicht wirklich spannend – im Gegensatz zu den<br />
elektrisierenden, mitreißenden neuen Stücken, die am<br />
Anfang der CD zu hören sind. Lohnenswerter neuer Stoff<br />
für Conor Oberst- und BRIGHT EYES-Süchtige! (7)<br />
Joachim Hiller<br />
BRIAN JONESTOWN MASSACRE<br />
Who Killed Sgt. Pepper?<br />
CD | A/Cargo | cargorecords.co.uk | 71:42 || Nach<br />
mehreren Besprechungen <strong>von</strong> Releases <strong>von</strong> Anton Newcombes<br />
Band THE BRIAN JONESTOWN MASSACRE habe<br />
ich immer noch nicht ganz kapiert, wie diese Neo-Psychedelic-Truppe<br />
aus San Francisco genau tickt, und auch<br />
bei „Who Killed Sgt. Pepper?“ wird das nicht unbedingt<br />
durchschaubarer. Klar ist nur, dass Newcombe eine Obsession<br />
für den Psychedelic-Rock der 60er und 70er Jahre hat,<br />
das macht schon der Titel deutlich, ansonsten gibt es oft<br />
montone Rave-artige Elektroniksounds, die erstaunlicherweise<br />
diesmal verstärkt an die späten BUTTHOLE SUR-<br />
FERS erinnern und ihre Alben „Electriclarryland“, „After<br />
The Astronaut“ und „Weird Revolution“. Eine äußerst<br />
rhythmische und elektronische Form eines hypnotisch<br />
groovenden Trance-Rocksounds, wo SPACEMEN 3 und<br />
SPIRITUALIZED ebenfalls nicht weit sind, deren William<br />
Carruthers hier als Bassist beteiligt war. Nicht jeden wird<br />
dieser eigenwillige Umgang mit Sounds und Beats gleichermaßen<br />
glücklich machen, aber „Who Killed Sgt. Pepper?“<br />
ist eine der bisher am besten funktionierenden und<br />
in sich geschlossensten Platten <strong>von</strong> BJM. Gleichermaßen<br />
dreist wie brillant ist dann, wie Newcombe in „This is the<br />
one thing we did not want to have happen“ den Schlagzeugsound<br />
<strong>von</strong> „She’s lost control“ und die Lyrics <strong>von</strong> „I<br />
remember nothing“ zu einer gelungenen JOY DIVISION-<br />
Hommage zusammengebaut und daraus einen ganz neuen<br />
ren, rein instrumentalen Momenten zugewandt: Der auf<br />
Seite A dieser Split-7“ enthaltene Song „Health & history“<br />
klingt stark nach bei EXPLOSIONS IN THE SKY und NEIL<br />
ON IMPRESSION zu findenden Momenten. Er weist also<br />
zwar eine große Nähe zu den Kopiervorlagen auf, funktioniert<br />
aber vortrefflich. Die US-Amerikaner MEN AT<br />
TREES steuern auf der B-Seite mit „Wreckage“ einen Song<br />
zu dieser Split bei, der sich ohne Umschweife am Sound<br />
<strong>von</strong> Screamo-Größen wie ORCHID und RAEIN orientiert.<br />
Erneut eine Synalgie-Platte, die Mensch sich ohne Bedenken<br />
besorgen kann. Konstantin Hanke<br />
KEVIN SECONDS / MIKE SCOTT<br />
Split<br />
7“ | Fond of Life | fondoflife.net || Kevin Seconds,<br />
den man eigentlich als Frontmann <strong>von</strong> 7 SECONDS kennt,<br />
ist ja schon seit vielen Jahren solo unterwegs, als klassischer<br />
Singer/Songwriter, der sich selbst auf der akustischen<br />
Gitarre begleitet und das schon tat, lange bevor andere,<br />
jüngere Punk/Hardcore-Musiker diese Art des Musizierens<br />
für sich entdeckten. Sein aktuellster Release ist diese<br />
Split-7“ in blauem Vinyl, die auf jeder Seite zuerst einen<br />
Song <strong>von</strong> Kevin Seconds enthält, gefolgt <strong>von</strong> einem <strong>von</strong><br />
Mike Scott aus England, der früher mal bei PHINIUS GAGE<br />
war. Beide beherrschen ihr Handwerk, doch Seconds hat<br />
bei mir klar die Nase vorn. (7/6) Joachim Hiller<br />
THE SNAKES<br />
Billy Jack<br />
7“ | Slow Gold Zebra | myspace.com/slowgoldzebra<br />
|| Seltsame Sache: Kopf der SNAKES ist ein gewisser<br />
Billy Jack, Halb-Indianer und früher bei den „Green<br />
Berets“ alias Special Forces, also Ex-Angehöriger jenes Teils<br />
der US-Armee, der in aller Welt die Drecksarbeit erledigt<br />
für die US-Regierung. Halten wir dem Herrn mal das „Ex“<br />
zugute, ich wüsste sonst nicht, worauf man als Angehöriger<br />
jener Killertruppe stolz sein sollte. Wie man so liest, entdeckte<br />
Billy in den letzten Jahren seine indianischen Wurzeln<br />
und machte sich so seine Gedanken über die Menschheit,<br />
was nun in seiner Musik kulminiert. Nun ja, es klingt<br />
sicher besser, als die Beschreibung vermuten lässt, aber mir<br />
geht das mäandernde Gitarrengelärme im LoFi-Gewand<br />
nebst „HiyaHoya“-Gesinge auf die Nerven. (3)<br />
Joachim Hiller<br />
STATE<br />
Excommunicated / Nihil Ex Nihilo<br />
7“ | Statement | statenoillusions.com || Zwei neue<br />
Singles der schon seit Ende der Siebziger aktiven STATE aus<br />
Detroit, die sich in jeweils vier beziehungsweise fünf Songs<br />
die Wut über den Zustand dieser Welt aus dem Leib kotzen.<br />
Textlicher Höhepunkt ist für mich hier „Evangile“, in dem<br />
das religiös-faschistische Protestantengesindel in den USA<br />
sein Fett wegbekommt. Aber auch „Destroyed Rock City“<br />
ist ein Bringer, denn schnell gesungen klingt das wie „Detroit<br />
Rock City“. Und bei „I hate this society“ bleiben einfach<br />
keine Fragen mehr offen. In-die-Fresse-Hardcore der<br />
ganz alten Schule, sowohl alte BLACK FLAG und CIRCLE<br />
JERKS, aber auch TOXIC REASONS und POISON IDEA lassen<br />
grüßen. Dazu klassisches schwarz-weißes Artwork und<br />
Copy/Paste-Layout – kaum zu glauben, dass solche Musik<br />
2009 entstanden ist und nicht 1983. (9) Joachim Hiller<br />
Auf der Ox-CD zu hören.<br />
TISCHLEREI LISCHITZKI / GRIZOU<br />
Split<br />
7“ | Elfenart | elfenart.de || Die Berliner GRIZOU und<br />
TISCHLEREI LISCHITZKI aus „Lüneburg und so“ haben<br />
sich, wie das heute mal so ist, im Internet kennen gelernt,<br />
OX-FANZINE 87