11.07.2015 Aufrufe

Armut und soziale Ausgrenzung als Handlungsfeld von ... - Telesozial

Armut und soziale Ausgrenzung als Handlungsfeld von ... - Telesozial

Armut und soziale Ausgrenzung als Handlungsfeld von ... - Telesozial

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Mag. Dsa Elisabeth Hammer, Sozpol<strong>Armut</strong> u. <strong>soziale</strong> <strong>Ausgrenzung</strong> <strong>als</strong> Hf <strong>von</strong> SozpolVerarbeitungsstufe <strong>von</strong> Produkten in die Berechnung einbezogen werdensollen 6 . Der Vorteil dieser Methode liegt in der Offenlegung dertatsächlichen Kosten für die Sicherstellung bestimmter Mindeststandards.Bei den Einkommensverteilungsmaßen kommt das Konzept der relativen<strong>Armut</strong> zur Anwendung. Als arm gelten Personen oder Haushalte, derengewichtetes 7 Einkommen pro Kopf unterhalb einer Einkommensgrenzeliegt. Diese Einkommensgrenze wird meist in Relation zum durchschnittlichverfügbaren Pro-Kopf-Einkommen festgelegt (z.B. 40% desDurchschnittseinkommens). Diese Methode geht <strong>als</strong>o nicht mehr <strong>von</strong> derBestimmung minimaler Erfordernisse aus, sondern bringt primärVorstellungen über die Verteilungsgerechtigkeit zum Ausdruck.Die verhältnismäßig leichte Verfügbarkeit der erforderlichen Daten ist einbedeutender Vorteil dieser Methode. Als Problem stellt sich vor allem dieWahl der Einkommensgrenze.8.1.3. Zur Äquivalenzzahlenproblematik 8Bei einer Analyse der Einkommensverteilung nach Gruppen ist darauf zuachten, dass Familien oder Haushalte unterschiedlicherZusammensetzung auch unterschiedliche Ausgabenstruktur aufweisen.Für die praktische Sozialpolitik wie für die wissenschaftliche Analyse stelltsich daher die Frage, welche finanziellen Ressourcen Haushalteunterschiedlicher Struktur benötigen, um dasselbe Wohlfahrtsniveauzu erreichen.In der Praxis geht es dann z.B. darum, ein Vergleichsmaß zu finden,welches Einkommen eine vierköpfige Familie mit Kindern in einembestimmten Alter haben muss, um sich am selben Wohlfahrtsniveau wie einHaushalt zu befinden, in dem zwei Erwachsene ohne Kinder mit einemEinkommen <strong>von</strong> € 2000 leben. Dabei kann in der Regel nicht <strong>von</strong> einerlinearen Beziehung zwischen der Zahl der Personen <strong>und</strong> den finanziellenErfordernissen ausgegangen werden, da sowohl sinkendeDurchschnittskosten <strong>als</strong> auch Bedarfsunterschiede wirksam werden. 9 Ausdiesem Gr<strong>und</strong> werden so genannte Äquivalenzzahlen definiert.6 Erfolgt die Berechnung der Mindestbedürfnisse im Bereich der Ernährung unter anderem beispielweise aufBasis der Kosten <strong>von</strong> Industriekartoffeln, Biokartoffeln oder Tiefkühlpommesfrits?! Welche Produkteermöglichen eine „würdevolle“ Lebensführung?!7 Zur Problematik der Gewichtung siehe das Kapitel zu den Äquivalenzzahlen.8 Dieses Kapitel ist nicht ganz einfach, aber es gibt einen guten Einblick in statistische Probleme allgemein <strong>und</strong>zeigt erstens auf, wie schwer es ist wirklich „objektive“ Ergebnisse in der Wissenschaft zu produzieren <strong>und</strong>zweitens inwiefern die Ergebnisse <strong>von</strong> Wissenschaft immer eng verknüpft sind mit gesellschaftlichenEntscheidungen (beispielsweise im Hinblick auf die Wahl der „passenden“ Äquivalenzzahlen). Durchhalten <strong>und</strong>womöglich 2x lesen, es ist nicht soo lang!! Besser verständlich wird es dann auch, wenn man die Empiriemiteinbezieht, <strong>als</strong>o bis Kapitel 8.3.3. vordringt.9 Bei größeren Haushalten verteilen sich beispielsweise bestimmte Fixkosten (z.B. Miete) auf eine größereAnzahl <strong>von</strong> Personen. Ein fünfköpfiger Haushalt braucht <strong>als</strong>o nicht unbedingt fünf Mal so viel Raum wie eineinköpfiger Haushalt. Auch die Bedarfslagen eines Säuglings unterscheiden sich <strong>von</strong> jener <strong>von</strong> StudentInnen.FH-Campus Wien, Studiengang Sozialarbeit Seite 5


Mag. Dsa Elisabeth Hammer, Sozpol<strong>Armut</strong> u. <strong>soziale</strong> <strong>Ausgrenzung</strong> <strong>als</strong> Hf <strong>von</strong> SozpolÄquivalenzzahlen sind ein Weg, unterschiedliche Haushaltsstrukturenhinsichtlich der Wohlfahrtsimplikationen ihrer Einkommenssituationvergleichbar zu machen. Äquivalenzzahlen geben den relativenEinkommensbetrag an, den Haushalte unterschiedlicherZusammensetzung benötigen, um dasselbe Niveau wirtschaftlicherWohlfahrt zu erreichen.Die Feststellung <strong>von</strong> Äquivalenzzahlen kann nach unterschiedlichenAnsätzen erfolgen. In der praktischen Sozialpolitik sind Äquivalenzzahlenhäufig das Ergebnis politischer Entscheidungsprozesse (politischerAnsatz). So legt z.B. eine Landesregierung fest, welche Regeln bei derBerechnung des Einkommens einer mehrköpfigen Familie anzuwendensind, wenn ein Antrag auf Wohnbauförderung gestellt wird. Insgesamtspiegeln Äquivalenzzahlen damit bestimmte Werthaltungen derGesellschaft wider.Nach der Gewichtungsskala der Statistik Austria (ÖSTAT Standard-Variante) wird für der ersten erwachsenen Person in einem Haushalt dieÄquivalenzzahl 1,00 zugewiesen, jeder weiteren erwachsenen Person dieZahl 0,70. Kinder werden unterschiedlich gewichtet – ein Kind im Alter <strong>von</strong>0-3 Jahren hat eine zugewiesene Äquivalenzzahl <strong>von</strong> 0,33, ein Kind imAlter <strong>von</strong> 19-21 Jahren allerdings eine Äquivalenzzahl <strong>von</strong> 0,80. Nimmtman anhand dieser Äquivalenzahlen eine Messung der <strong>Armut</strong>sgefährdungin Österreich vor, so gelten <strong>von</strong> einer einkommensorientierten Perspektiveim Jahr 1993 r<strong>und</strong> 940.000 Personen <strong>als</strong> armutsgefährdet. Die gängige EU-Skala ordnet ebenfalls der ersten erwachsenen Person in einem Haushalt dieÄquivalenzzahl 1,00 zu, jeder weiteren erwachsenen Person allerdings nureine Äquivalenzzahl <strong>von</strong> 0,50. Jedes Kind wird darüber hinaus gleich mit0,30 gewichtet. Aus dieser unterschiedlichen Festlegung derÄquivalenzzahlen ergeben sich auch Unterschiede in der<strong>Armut</strong>sgefährdung. So sind in Österreich aus einer einkommensseitigenPerspektive der EU „nur“ r<strong>und</strong> 770.000 Personen armutsgefährdet – diessind immerhin 170.000 Personen weniger <strong>als</strong> nach der Messmethode derStatistik Austria.Weitere Gewichtungsskalen, Äquivalenzzahlen <strong>und</strong> die dazugehörigenDaten der <strong>Armut</strong>sgefährdung <strong>als</strong> Ergebnis dieser unterschiedlichenGewichtung siehe Abbildung.FH-Campus Wien, Studiengang Sozialarbeit Seite 6


Mag. Dsa Elisabeth Hammer, Sozpol<strong>Armut</strong> u. <strong>soziale</strong> <strong>Ausgrenzung</strong> <strong>als</strong> Hf <strong>von</strong> Sozpol8.1.4. Mindeststandards in der RechtsordnungDie beschriebenen Ansätze zur Messung <strong>von</strong> <strong>Armut</strong> werden in dersozialwissenschaftlichen Fachliteratur beschrieben <strong>und</strong> diskutiert, sie findensich aber nicht explizit im österreichischen Rechtssystem. Dort sindvielmehr verstreut Mindeststandardregelungen zu finden, die denCharakter <strong>von</strong> politischen <strong>Armut</strong>sgrenzen haben. Meist werden diesedurch Begriffe wie „Bedürftigkeit“ oder „notwendiger Unterhalt“konkretisiert, wodurch ein impliziter oder expliziter Mindeststandardnormiert wird. 10 In der österreichischen Rechtsordnung fehlt eineeinheitliche Regelung solcher Mindeststandards, sie reichen <strong>von</strong>Vorschriften im Unterhaltsrecht zur Sicherung eines bestimmtenEinkommens für Kinder über Formen der Ausgabenminderung (z.B.Wohnbeihilfen <strong>und</strong> Tarifbegünstigungen) zu Regelungen, die bestimmteAusgaben ermöglichen helfen sollen (z.B. die Studienförderung oder dieSozialhilferichtsätze).10 In der Regel werden politische <strong>Armut</strong>sgrenzen nach außen nicht <strong>als</strong> politisch normiert dargelegt. Häufig wirdnatürlich „wissenschaftlich“ <strong>und</strong> „objektiv“ argumentiert....FH-Campus Wien, Studiengang Sozialarbeit Seite 7


Mag. Dsa Elisabeth Hammer, Sozpol<strong>Armut</strong> u. <strong>soziale</strong> <strong>Ausgrenzung</strong> <strong>als</strong> Hf <strong>von</strong> Sozpol8.2. Soziale <strong>Ausgrenzung</strong>Neben dem <strong>Armut</strong>sbegriff wird in der politischen <strong>und</strong> wissenschaftlichenAuseinandersetzung vermehrt der Begriff der <strong>soziale</strong>n <strong>Ausgrenzung</strong>verwendet, ohne dass eine klare oder einheitlich verwendete Definition <strong>und</strong>Abgrenzung dieses Konzepts bestehen würde. Ein wichtiger Motor in derAuseinandersetzung mit Fragen <strong>soziale</strong>r <strong>Ausgrenzung</strong> waren die<strong>Armut</strong>sstudien der Europäischen Union, die sich frühzeitig auch demKonzept der <strong>soziale</strong>n <strong>Ausgrenzung</strong> („Social Exclusion“) angenommenhaben. 118.2.1. Wechselwirkungen zwischen <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> <strong>soziale</strong>r<strong>Ausgrenzung</strong><strong>Armut</strong> <strong>und</strong> <strong>soziale</strong> <strong>Ausgrenzung</strong> berücksichtigen unterschiedlicheDimensionen ähnlicher Phänomene. <strong>Armut</strong> bezeichnet eineBenachteiligung hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Ressourcen.Diese wird in der Regel in dem zur Verfügung stehenden Einkommenausgedrückt. Dem gegenüber beschreibt <strong>soziale</strong> <strong>Ausgrenzung</strong> eineBenachteiligung, die sich aus Desintegration bzw. Nicht-Teilnahme amgesellschaftlichen <strong>und</strong> <strong>soziale</strong>n Leben ergibt.Meist sind da<strong>von</strong> bestimmte Personengruppen, wie Minderheiten,AusländerInnen, Obdachlose, Süchtige oder in auf längerer Dauer in„Anstalten“ lebende Menschen, betroffen. Nicht-Teilnahme drückt sichnicht nur durch die Nicht-Inanspruchnahme kodifizierter 12 Rechte wie demRecht auf (oder vielfach sogar der Pflicht zur) Bildung aus. Vielmehr gehtes bei <strong>soziale</strong>r <strong>Ausgrenzung</strong> auch um nicht kodifizierte <strong>soziale</strong> Rechte, diedie <strong>soziale</strong> Ordnung einer Gesellschaft ausmachen. Beispiele dafür sindetwa die in Österreich nicht kodifizierten Rechte auf Arbeit <strong>und</strong> Wohnung.Soziale <strong>Ausgrenzung</strong> ist damit nicht unbedingt ein Nebenprodukt <strong>von</strong><strong>Armut</strong>. So sind beispielsweise ethnische Minderheiten in einer Gesellschaftvielfach sozial ausgegrenzt, ohne in einer ökonomischen Betrachtungbenachteiligt bzw. arm zu sein. Gleiches gilt auch in umgekehrter Richtung:Wer <strong>von</strong> <strong>Armut</strong> betroffen ist, wie etwa heute viele kinderreiche Familien,muss dies nicht notwendigerweise auch in <strong>soziale</strong>r Hinsicht sein. AuchStudierende sind vielfach zu armutsgefährdeten Gruppen zu zählen, ohnesozial ausgegrenzt zu sein. Allerdings kann (ökonomische) <strong>Armut</strong> dieEntwicklung <strong>von</strong> <strong>soziale</strong>r <strong>Ausgrenzung</strong> fördern, wenn finanzielle Mitteleine Beteiligung am <strong>soziale</strong>n Leben erschweren. Auch kann <strong>soziale</strong><strong>Ausgrenzung</strong> zu Verarmungstendenzen führen, wenn etwa Arbeitssuchendeauf Gr<strong>und</strong> ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit bei derArbeitsplatzsuche diskriminiert werden.11 Gerade für die Sozialarbeit ist allerdings <strong>soziale</strong> <strong>Ausgrenzung</strong> bzw. die Verknüpfung <strong>von</strong> <strong>soziale</strong>r<strong>Ausgrenzung</strong> <strong>und</strong> <strong>Armut</strong> besonders relevant!12 kodifiziert: rechtlich verbrieftFH-Campus Wien, Studiengang Sozialarbeit Seite 8


Mag. Dsa Elisabeth Hammer, Sozpol<strong>Armut</strong> u. <strong>soziale</strong> <strong>Ausgrenzung</strong> <strong>als</strong> Hf <strong>von</strong> SozpolDem Zusammenwirken <strong>von</strong> <strong>Armut</strong>sgefährdung <strong>und</strong> <strong>soziale</strong>r <strong>Ausgrenzung</strong>wird auch in der <strong>Armut</strong>sdefinition des Europäischen Haushaltspanels(ECHP) 13 Rechnung getragen.Danach liegt <strong>Armut</strong> vor, wenn neben einem Pro-Kopf-Einkommen unter der<strong>Armut</strong>sgefährdungsschwelle (60% des Median-Einkommens) zumindesteine der folgenden Einschränkungen gegeben ist:- Rückstände bei periodischen Zahlungen (Miete, Betriebskosten etc.) oder- Substandardwohnung oder- Probleme beim Beheizen der Wohnung oder der Anschaffung <strong>von</strong>Kleidung oder- es für den Haushalt finanziell nicht möglich ist, zumindest einmal imMonat nach Hause zum Essen einzuladen.8.2.2. <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> <strong>soziale</strong> <strong>Ausgrenzung</strong> im Spiegel alternativerWohlfahrtsstaatskonzepteDie Konzepte <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> <strong>soziale</strong> <strong>Ausgrenzung</strong> spiegeln auchunterschiedliche Positionen zur Rolle des Wohlfahrtsstaates bzw. zu denZielen der Sozialpolitik wider.Eine an individualistischen Prinzipien orientierte Politik sieht die Aufgabedes Staates in der Sozialpolitik darin, ein Mindestniveau an ökonomischenRessourcen zur Verfügung zu stellen <strong>und</strong> damit die Voraussetzungen fürein menschenwürdiges Dasein zu schaffen. Dabei kann diesesMindestniveau in der Form <strong>von</strong> Fürsorgeleistungen (d.h. mit individuellerBedarfsprüfung) oder auch <strong>als</strong> Bürgerrecht in Form einesGr<strong>und</strong>einkommens gestaltet sein. In beiden Fällen bleibt die konkreteNutzung dieser Ressourcen im Verantwortungsbereich des Individuums.Die direkte Bekämpfung <strong>soziale</strong>r Desintegration hat in einem solchenSozialpolitikkonzept keine unmittelbare Relevanz. 14Ziel einer <strong>als</strong> Gesellschaftspolitik konzipierten Sozialpolitik ist es nichtnur, Ressourcen für ökonomische Transaktionen zur Verfügung zu stellenoder Ergebnisse zu korrigieren. Vielmehr wird Sozialpolitik auchunmittelbar gestaltend aktiv, um <strong>soziale</strong> <strong>und</strong> gesellschaftliche Teilhabe zuermöglichen. Die Definition einer weit gehenden Integration <strong>als</strong> Ziel derSozialpolitik – womit das Gegenteil <strong>von</strong> <strong>soziale</strong>r <strong>Ausgrenzung</strong> umschriebenist – wäre in einem individualistisch orientierten Wohlfahrtsstaatskonzeptunpassend.13 Zur Definition des ECHP siehe weiter unten.14 Schon hier werden mögliche Kritikpunkte zur Einführung eines bedingungslosen Gr<strong>und</strong>einkommens implizitherausgearbeitet: Möglicherweise bekämpft eine derartige Leistung Einkommensarmut, aber hilft es auch zurVerringerung <strong>von</strong> <strong>soziale</strong>r <strong>Ausgrenzung</strong>? Daneben kann ein derartiges bedingungsloses Gr<strong>und</strong>einkommen unterUmständen auch <strong>als</strong> individualisierend wahrgenommen werden – nach dem Motto: Jede/r ist seines/ihresGlückes Schmied, wenn du es nicht schaffst, ist es halt dein persönliches Problem.FH-Campus Wien, Studiengang Sozialarbeit Seite 9


Mag. Dsa Elisabeth Hammer, Sozpol<strong>Armut</strong> u. <strong>soziale</strong> <strong>Ausgrenzung</strong> <strong>als</strong> Hf <strong>von</strong> Sozpol8.3. <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> <strong>soziale</strong> <strong>Ausgrenzung</strong> in Österreich8.3.1. InformationsquellenDarstellungen der in Österreich <strong>von</strong> <strong>Armut</strong> betroffenen bzw. gefährdetenPersonen basieren bislang vor allem auf Daten des Mikrozensus <strong>und</strong> derSozialversicherungsstatistik. Seit 1994 steht mit dem „EuropeanCommunity Household Panel“ (ECHP) eine neue Datenbasis zurVerfügung, die europaweit vergleichbare Daten zur <strong>soziale</strong>n Situation derHaushalte enthält.Der Mikrozensus ist eine vierteljährlich durchgeführteStichprobenerhebung der Statistik Austria, die in zweijährigem Abstandeine Sondererhebung zur Einkommenssituation der unselbstständigErwerbstätigen <strong>und</strong> der PensionistInnen vornimmt. Der Mikrozensus beruhtauf der Selbstauskunft der Befragten, wobei in den Zusatzprogrammenkeine Auskunftspflicht vorgesehen ist. Insofern sind die Einkommensdatendes Mikrozensus mit gewisser Vorsicht zu interpretieren, wobei sich vorallem an den Rändern der Einkommensverteilung Verzerrungsgefahrenergeben, da hier häufiger keine oder wenig exakte Auskünfte gegebenwerden. 15Aus der Sozialversicherungsstatistik liegen zwar exakte Informationen zurEinkommensverteilung vor. Allerdings ist hier die Begrenzung durch dieGeringfügigkeit (2001: € 296,21) nach unten <strong>und</strong> dieHöchstbeitragsgr<strong>und</strong>lage (2001: € 3.197,60) nach oben zu beachten.Außerdem werden in den Statistiken einzelne Versicherungsfällebeschrieben. Dadurch können sich zwei oder mehrere Fälle auf eine Personbeziehen. 16 Haushaltsbezogene Informationen sind ausSozialversicherungsdaten nicht ableitbar. 17Während die genannte Quellen eine gute Datenbasis für die<strong>Armut</strong>sforschung schaffen, sind die Möglichkeiten zur Analyse der<strong>soziale</strong>n <strong>Ausgrenzung</strong> sehr beschränkt.15 Die Armen sagen nicht gern freiwillig, wie arm sie sind <strong>und</strong> auch die Reichen sprechen nicht gern über Geld.16 D.h.: Eine Person mit zwei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen ist weniger/anders arm <strong>als</strong> eine anderePerson mit nur einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis. Aus der Sozialversicherungsstatistik gehen solcheInfos aber nicht hervor.17 Bei unselbständig Beschäftigten werden die Sozialversicherungsbeiträge ja mit der Lohnsteuer einbehalten.Infos über die Haushaltsstruktur bekommt der Hauptverband der Sozialversicherungsträger darüber allerdingsnicht.FH-Campus Wien, Studiengang Sozialarbeit Seite 10


Mag. Dsa Elisabeth Hammer, Sozpol<strong>Armut</strong> u. <strong>soziale</strong> <strong>Ausgrenzung</strong> <strong>als</strong> Hf <strong>von</strong> Sozpol8.3.2. Verteilung der Personeneinkommen 18Das mittlere Bruttoeinkommen (50% verdienen mehr, 50% verdienenweniger) der unselbständig Beschäftigten lag 1999 bei € 1.831,94, wobeijenes der Frauen mit € 1.433,62 deutlich geringer ist <strong>als</strong> jenes der Männermit € 2.099,52. Damit verdienen Männer im Durchschnitt nahezu daseineinhalbfache <strong>von</strong> Frauen. Noch gravierender sind die Unterschiede beiden Niedrigsteinkommen. 10% der unselbständig Beschäftigten verdientenlaut Information des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger 1999brutto weniger <strong>als</strong> € 866,91. Der entsprechende Wert für Frauen beträgt €689,59, für Männer € 1.266,83. Damit verdienen in dieser Gruppe Männerum 84% mehr <strong>als</strong> Frauen.Bereits auf den ersten Blick lässt sich <strong>als</strong>o in diesen Daten die hinsichtlichdes Einkommens benachteiligte Stellung der Frauen erkennen. Dabei istzu beachten, dass diese Daten bereits um die Effekte <strong>von</strong>Teilzeitbeschäftigung (die bei Frauen viel häufiger anzutreffen ist <strong>als</strong> beiMännern) bereinigt sind 19 .Eine rechnerische Ursache für die Einkommensnachteile der Frauen liegt inder überproportionalen Beschäftigung <strong>von</strong> Frauen inNiedrigstlohnbranchen, während in Hochlohnindustriebereichen dieArbeitnehmer dominieren 20 . Allerdings kann darin allein nicht die Ursacheder Benachteiligung der Frauen liegen. Denn auch innerhalb derselbenBranche weisen Frauen deutlich geringere Einkommen auf <strong>als</strong> ihremännlichen Kollegen. Dasselbe gilt für eine differenzierte Betrachtungnach Schulbildung. Bei gleicher Schulbildung liegen dieEinkommensdifferenzen – <strong>als</strong> Einkommensnachteil der Frauen – zwischen5% bei öffentlich Bediensteten, 25% bei ArbeiterInnen <strong>und</strong> 28% beiAngestellten.Bei einem geschlechtsspezifischen Vergleich nach der Staatsbürgerschaftzeigt sich, dass die Einkommensvorteile der Männer bei Österreichernweit größer sind <strong>als</strong> bei Männern mit nichtösterreichischerStaatsbürgerschaft. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Arbeiter mitnichtösterreichischer Staatsbürgerschaft ebenso wie Frauenüberproportional stark in den Niedriglohnbereichen beschäftigt sind.Zur detaillierteren Info siehe Abbildung.18 Diese Daten dienen zur Veranschaulichung der Problematik. Wichtig ist es nicht, alle Daten genau im Kopf zuhaben, sondern: sich ein paar Eckzahlen zu merken <strong>und</strong> sich <strong>von</strong> dort dann vorzuhanteln. Sich einmal dasDurchschnittseinkommen der Männer zu merken <strong>und</strong> dann gewisse strukturelle Faktoren zu wissen: Frauen dannum eineinhalbmal weniger, Unterschiede je nach Branche, Schulabschluss, Nationalität etc....19 Dies bedeutet, dass jene Einkommen aus Teilzeitbeschäftigung fiktiv auf Einkommen ausVollzeitbeschäftigung hochgerechnet werden.20 Quasi: Frauen arbeiten in der Textil- <strong>und</strong> Männer in der Chemieindustrie.FH-Campus Wien, Studiengang Sozialarbeit Seite 11


Mag. Dsa Elisabeth Hammer, Sozpol<strong>Armut</strong> u. <strong>soziale</strong> <strong>Ausgrenzung</strong> <strong>als</strong> Hf <strong>von</strong> Sozpol8.3.3. Verteilung der HaushaltseinkommenFür eine weitergehende Abschätzung der <strong>Armut</strong>sgefährdung sind diePersoneneinkommen zur Haushaltsstruktur in Beziehung zu setzen, was aufder Basis <strong>von</strong> Äquivalenzzahlen geschieht. Auf der Basis derStandardmethode der Statistik Austria verfügten 1997 50% derArbeiterhaushalte über ein Netto-Äquivalenzeinkommen <strong>von</strong> weniger <strong>als</strong> €915,68. In 25% der Arbeiterhaushalte lag das Netto-Äquivalenzeinkommenbei weniger <strong>als</strong> € 690,39. Bei den Angestellten lagen die entsprechendenWerte bei € 1.140,96 bzw. € 857,54. Eine Weiterführung der auf Haushaltebezogenen Auswertungen zeigt die Einkommenssituation <strong>von</strong> Familien mitunterschiedlicher Größe <strong>und</strong> Zusammensetzung.Für detailliertere Infos siehe AbbildungFH-Campus Wien, Studiengang Sozialarbeit Seite 12


Mag. Dsa Elisabeth Hammer, Sozpol<strong>Armut</strong> u. <strong>soziale</strong> <strong>Ausgrenzung</strong> <strong>als</strong> Hf <strong>von</strong> Sozpol8.3.4. <strong>Armut</strong>sgefährdung nach Ausgaben-, Einkommens- <strong>und</strong>AusstattungsdatenWie erwähnt kommt die empirische <strong>Armut</strong>sforschung je nach dengewählten <strong>Armut</strong>sschwellen, Bezugspunkten (Ausgaben, Einkommen,Ausstattung mit dauerhaften Konsumgütern 21 ) sowie Äquivalenzrelationenzu unterschiedlichen Ergebnissen über den Umfang <strong>und</strong> die Strukturder in Österreich <strong>von</strong> <strong>Armut</strong> bedrohten Bevölkerungsgruppen. Je nachden verwendeten Methoden variiert <strong>als</strong>o nicht nur die Zahl der <strong>von</strong> <strong>Armut</strong>betroffenen oder gefährdeten Personen, sondern auch die Zusammensetzungder <strong>Armut</strong>spopulationen.Trotz der unterschiedlichen Beschreibung der <strong>Armut</strong>spopulation je nachgewählter <strong>Armut</strong>skonzeption, lassen sich generelle Aussagen zu einergruppenspezifischen <strong>Armut</strong>sgefährdung machen. Die <strong>von</strong> <strong>Armut</strong>betroffenen Personen verfügen großteils nur über einenPflichtschulabschluss <strong>und</strong> wohnen häufiger im ländlichen Raum. Alsüberproportional <strong>von</strong> <strong>Armut</strong> betroffene bzw. gefährdeteBevölkerungsgruppen kristallisierten sich folgende heraus:21 dauerhaftes Konsumgut: z.B. Auto! Nicht-dauerhaftes Konsumgut: Brot!FH-Campus Wien, Studiengang Sozialarbeit Seite 13


Mag. Dsa Elisabeth Hammer, Sozpol<strong>Armut</strong> u. <strong>soziale</strong> <strong>Ausgrenzung</strong> <strong>als</strong> Hf <strong>von</strong> Sozpol- allein erziehende Frauen (vor allem Arbeiterinnen)- allein stehende Arbeiterinnen <strong>und</strong> Bäuerinnen- allein verdienende Arbeiter- <strong>und</strong> Bauernhaushalte mit drei oder mehrKindern,- Haushalte mit Haushaltsvorstehenden über 60 Jahren, die während ihrerErwerbstätigkeit zu den armutsgefährdeten Gruppen gezählt haben,- Haushalte bei Arbeitslosigkeit jener Personen, die das Haupteinkommendes Haushalts aufbringen, sowie- BezieherInnen <strong>von</strong> Sozialhilfe <strong>und</strong> Haushalte, die wesentlich <strong>von</strong> anderenTransferzahlungen leben.Auf Basis der Österreichdaten des ECHP leben 900.000 Menschen bzw.r<strong>und</strong> 11% der Bevölkerung unter dem Schwellenwert <strong>von</strong> € 624,99 (60%des Median-Pro-Kopf-Einkommens).8.3.5. <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> <strong>soziale</strong> <strong>Ausgrenzung</strong>Soziale <strong>Ausgrenzung</strong> ist thematisch mehr <strong>und</strong> mehr in den Mittelpunkt der<strong>Armut</strong>sforschung gerückt. Demgegenüber sind konkrete empirischeAussagen aber noch Mangelware. Bisherige Forschungen zeigen, dass<strong>Armut</strong> vielfach mit einem Ausschluss aus dem Erwerbsleben einhergeht.Heitzmann (2000) zeigt weiters unterschiedliche Formen <strong>von</strong> Dynamik<strong>von</strong> <strong>Armut</strong> <strong>und</strong> <strong>soziale</strong>r <strong>Ausgrenzung</strong>. Bei Jugendlichen findet ein relativrascher Wechsel <strong>von</strong> <strong>Armut</strong>s- <strong>und</strong> Nichtarmutssituationen statt, etwa beieinem Wechsel <strong>von</strong> einer Ausbildungssituation oder <strong>von</strong> Arbeitslosigkeit ineine Erwerbstätigkeit. Hingegen bleiben vor allem Alleinerzieherinnensowie kranke bzw. pflegebedürftige Personen häufig auf längere Zeit ineiner <strong>Armut</strong>ssituation „hängen“. Dies gilt auch für einen Teil der älterenBevölkerung, insbesondere ältere Frauen, die über keine eigenenPensionsansprüche verfügen. Hier fehlen offensichtlich adäquateInstrumente, den betroffenen Personen dauerhaft aus der benachteiligtenPosition herauszuhelfen.FH-Campus Wien, Studiengang Sozialarbeit Seite 14

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!