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Foto: Toni Richter, Akademie der Künste, Berlin, Hans-Werner-Richter-Archiv, © Hans Werner Richter-stiftung<br />
FoRscHeN<br />
5In der Diskussion:<br />
Joachim Kaiser, Hans<br />
Werner Richter, Jean-Paul<br />
Picaper und Günter<br />
Wallraff (von links).<br />
Richters Tagebücher<br />
spiegeln zeitgeschichtlich<br />
spannende Jahre wie die<br />
der Notstandsgesetze,<br />
des Prager Frühlings,<br />
der Studentenrevolte<br />
oder der Apollo-Mission.<br />
12 forsch 4/2012 <strong>uni</strong>versität<strong>bonn</strong><br />
Sensationeller Fund zu Hans Werner Richter<br />
Die Tagebücher des Gründers der legendären „Gruppe 47“<br />
von Hans Werner Richter (1908-1993), dem Gründer des bekannten<br />
Literaturzirkels „Gruppe 47“, war bislang gänzlich unbekannt, dass er<br />
Tagebuch führte. Ein Zufallsfund brachte das Diarium ans Tageslicht.<br />
Historiker der Universität Bonn editierten nun das Werk.<br />
Im Herbst 1967 feierte die Gruppe<br />
47 ihr zwanzigjähriges Bestehen.<br />
Hans Werner Richter, der Gründervater<br />
des literarischen Zirkels, hatte<br />
anlässlich dieses Jubiläums zu einem<br />
Treffen im Gasthof „Pulvermühle“ in<br />
die Fränkische Schweiz geladen. Im<br />
Vorfeld der Zusammenkunft war immer<br />
wieder in der Presse spekuliert<br />
worden, ob Richter dort das Ende der<br />
Gruppe 47 verkünden werde und der<br />
Name des Veranstaltungsortes lud zu<br />
entsprechenden Wortspielen ein.<br />
„Wird die Gruppe 47 hier pulverisiert<br />
werden?“ fragte sich denn auch<br />
Richter selbst. Den Tagungsort hatte<br />
er nicht zuletzt wegen der vielfältigen<br />
Gedankenverbindungen ausgewählt,<br />
den der Name „Pulvermühle“<br />
hervorrufen konnte. „Geschickte<br />
Selbstinszenierung und Imagepfl ege<br />
waren eine Spezialität Hans Werner<br />
Richters“, sagt Professor Dr. Dominik<br />
Geppert, Historiker an der Universität<br />
Bonn, der das Editionsprojekt<br />
leitet.<br />
Dass mit der Tagung in Oberfranken<br />
das Ende der Gruppe 47 erreicht<br />
war, wusste damals niemand. Richter<br />
plante für 1968 auf Schloss Dobříš in<br />
der Tschechoslowakei die nächste Zusammenkunft.<br />
Diese kam jedoch wegen<br />
der Zerschlagung des Prager<br />
Frühlings nicht zustande. „In den Tagebüchern<br />
zeigt sich, dass Richter<br />
auch noch weitere Treffen in Jugoslawien<br />
und Österreich ins Auge fasste“,<br />
berichtet die wissenschaftliche Projektmitarbeiterin<br />
Nina Schnutz.<br />
Gründung der „Gruppe 47“ in<br />
der Abgeschiedenheit<br />
Angefangen hatte alles mit einer<br />
Zusammenkunft mehrerer Schriftsteller,<br />
die sich auf Richters Einladung hin<br />
am 6. und 7. September 1947 in der<br />
Abgeschiedenheit eines Privathauses<br />
am Bannwaldsee bei Füssen trafen, um<br />
ihre Manuskripte vorzulesen und gemeinsam<br />
darüber zu diskutieren. Ohne<br />
großes Aufsehen war damit – schlicht<br />
nach der Jahreszahl benannt – die<br />
„Gruppe 47“ geboren, durch deren Tagungen<br />
zahlreiche Autoren bekannt<br />
wurden und die den öffentlichen Diskurs<br />
der Bundesrepublik entscheidend<br />
mitprägte. Hans Werner Richter lud<br />
per Postkarte nach seinem Gusto zu<br />
diesen Runden ein. „Mitgliedsausweise<br />
oder einen eingetragenen Verein gab<br />
es nicht“, berichtet Professor Geppert.<br />
„Es handelte sich um einen losen Zusammenschluss,<br />
der jedoch zwei Jahrzehnte<br />
Bestand hatte.“<br />
Die Einladung ging per Postkarte<br />
an ausgewählte Gäste<br />
Zwei bis drei Mal pro Jahr verschickte<br />
Richter seine knappen Einladungen<br />
an Schriftsteller, Kritiker und<br />
sonstige ausgewählte Gäste. Die Treffen<br />
fanden an unterschiedlichen, meist<br />
entlegenen Orten statt. „Die mediale<br />
Aufmerksamkeit an der Gruppe<br />
wuchs, etliche Teilnehmer wurden<br />
bekannte Schriftsteller“, sagt Nina<br />
Schnutz. An den Treffen nahmen so<br />
prominente Autoren wie Günter Grass,<br />
Ilse Aichinger, Alfred Andersch,<br />
Ingeborg Bachmann, Hans Magnus<br />
Enzensberger, Gabriele Wohmann und