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Bauhistorischer Schatz unter Gerümpel<br />
Mitarbeiter fand über 50 Jahre altes Modell des Juridicums<br />
Das Juridicum gilt heute nicht unbedingt als architektonisches Kleinod.<br />
Dass der Wert des 1967 übergebenen Gebäudes wieder erkennbar<br />
wird, ist auch Willi Hunold zu verdanken. Kurz nach seinem Dienstantritt<br />
an der Universität vor 30 Jahren fand der Heizungs- und Lüftungstechniker<br />
ein Modell der Anlage im Keller – wo es zunächst wieder in vergessenheit<br />
geriet. Nun steht es fachmännisch restauriert in einer Glasvitrine<br />
im Foyer, flankiert von einer Dauerausstellung zur Baugeschichte.<br />
Das Juridicum gehöre zu den vorbildlichsten<br />
Bauten der Universität. So<br />
hieß es in einer Schrift von 1969. Über<br />
40 Jahre später erntet dieser Satz eher<br />
Spott. Treppenhaus und Foyer mit Cafeteria<br />
und Schrankwänden sind zwar<br />
farblich ansprechend und modern gestaltet,<br />
aber Studierende und Mitarbeiter<br />
schimpfen über heruntergekommene<br />
Fassaden und verwahrloste Lichthöfe.<br />
Kurz: der Bau sei hässlich. Schade – das<br />
meinen zumindest diejenigen, die sich<br />
intensiver mit dem Sitz der Rechts- und<br />
Staatswissenschaftlichen Fakultät und<br />
seiner Baugeschichte beschäftigen.<br />
Zu ihnen gehört auch Willi Hunold.<br />
Er kennt das Juridicum nicht nur bis in<br />
die „Katakomben“, sein Reich als Heizungs-<br />
und Lüftungstechniker. Er interessiert<br />
sich auch für die Geschichte des<br />
Hauses und der Universitätsgebäude<br />
überhaupt. Als er mit 22 Jahren an die<br />
Uni kam, entdeckte er in einer Ecke des<br />
Heizungskellers ein Modell des Juridicums.<br />
Zusammen mit Gerümpel und<br />
Bauschutt sollte es entsorgt werden.<br />
„Schade, habe ich gedacht“, erzählt der<br />
Hobby-Eisenbahnmodellbauer. „Aber<br />
wenn man ganz neu und noch in der<br />
Probezeit ist, mischt man sich lieber<br />
nicht direkt ein.“ 15 Jahre danach übernahm<br />
er die Verantwortung für die Heizungsanlagen<br />
des Juridicums. Und siehe<br />
da: Das Modell war immer noch da.<br />
Bei einer Entsorgungsaktion tauchte es<br />
unter Unmengen von Staub und Müll<br />
erstaunlich unversehrt wieder auf.<br />
Bei der Ideensammlung für eine<br />
Studentenführung wies Hunold auf das<br />
Modell hin und zeigte Fotos. Der verborgene<br />
Schatz wurde zum „Renner“:<br />
Mitarbeiter recherchierten die Baugeschichte,<br />
trugen Material zusammen<br />
und präsentierten das Modell zum Tag<br />
der Rechtswissenschaft 2009. Die Vogelsperspektive<br />
macht deutlich, wie die<br />
Verbindung von Lehre und Forschung<br />
architektonisch umgesetzt wurde: mit<br />
klar gegliederten Laufwegen, nach<br />
Funktionen getrennten Bereichen und<br />
Erholungsflächen im Grünen. „Das ist<br />
ein vorbildliches Konzept“, sagt Dekan<br />
Professor Dr. Klaus Sandmann. „Fast<br />
50 Jahre nach der Fertigstellung wollen<br />
wir es erhalten und für alle Nutzer lebendig<br />
werden lassen.“<br />
Keine neuen „Baumarkt“-Sünden<br />
Entdecker Willi Hunold freut sich<br />
über die Resonanz auf „sein“ Modell.<br />
Auch die jungen Kunsthistoriker der<br />
Werkstatt Baukultur Bonn, die sich für<br />
die Bonner Nachkriegsarchitektur einsetzen,<br />
sind begeistert. Sie hoffen, gemeinsam<br />
mit der Fakultät einzelne Elemente<br />
renovieren zu können und dabei<br />
weitere „Baumarkt-Sünden“ wie das<br />
Edelstahlgeländer des Treppenhauses<br />
zu vermeiden. Die Fakultät muss aber<br />
auch veränderten Anforderungen an<br />
den Brandschutz folgen – ein ständiger<br />
Spagat zwischen Sicherheit und zeitgemäßem<br />
Erhalt bauhistorischer Ästhetik.<br />
Das Juridicum im Kleinformat jedenfalls<br />
findet im Foyer an der Adenauerallee<br />
viel Interesse. „Ein Original-Modell<br />
restaurieren zu können, ist eine<br />
absolute Seltenheit“, stellt Thomas Halfmann<br />
fest. Er ist Inhaber der Firma für<br />
Architekturmodelle, die das verstaubte<br />
Werk des bildenden Künstlers Hans Boffin<br />
aus Massivholz, Pappe und Papier<br />
wieder präsentabel machte. Das Schwierigste<br />
sei gewesen, den Ton der Originalfarben<br />
zu treffen. Ergänzt wird das Modell<br />
nun durch einen Schaukasten mit<br />
Fotos und Materialien zur Baugeschichte.<br />
Denn nur was man kennt, kann man<br />
schätzen – auch wenn es nicht spontan<br />
„schön“ wirkt. ULRIKE EvA KLoPP/FoRSCH<br />
Geschichte des Juridicum:<br />
www.jura.<strong>uni</strong>-<strong>bonn</strong>.de/index.<br />
php?id=240<br />
Foto: ulrike eva Klopp<br />
5Willi Hunold entdeckte das Modell<br />
des Juridicums im Heizungskeller –<br />
heute steht es restauriert im Foyer und<br />
stärkt ein neues Bewusstsein für das<br />
Gebäude.<br />
KulTuR<br />
forsch 4/2012 <strong>uni</strong>versität<strong>bonn</strong><br />
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