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Neue Wohnung! - Zentrale Universitätsverwaltung - Martin-Luther ...

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3 2012<br />

„Vier gewinnt“:<br />

Die Uni in Stadt und Raum<br />

Afrika: Forschen zwischen Krieg und Krise<br />

Tutorien: Begehrte Rädchen im Lehrgetriebe<br />

Prof mit E-Gitarre: Zwischen Biokohle und Heavy Metal<br />

www.magazin.uni-halle.de<br />

D A S M A G A Z I N D E R M A R T I N� L U T H E R� U N I V E R S I T Ä T H A L L E� W I T T E N B E R G


2 forschen<br />

www.barner-event.de<br />

und publizieren scientia halensis 3/2012<br />

Von der Suche nach der idealen Location bis zum Morgenkaffee nach dem Event –<br />

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Wir stehen für Sie Kopf !


Liebe Leserinnen,<br />

liebe Leser,<br />

wenn in diesem Jahr von „Wissenschaft in Halle“ die<br />

Rede ist, dann geht es nicht allein um große Denker<br />

und ihre Entdeckungen. Denn selbst der hellste Kopf<br />

braucht ein Labor zum Experimentieren, ein Archiv<br />

zum Recherchieren, Räume für Kommunikation<br />

oder Ruhe für kreative Gedanken. Universitätsbauten<br />

sollen Wissenschaftlern und Nachwuchsforschern<br />

solche Räume bieten – in Halle schon seit<br />

Jahrhunderten.<br />

Viel wurde und wird hier für die Wissenschaft gebaut:<br />

Die Leopoldina feierte die Eröffnung ihres<br />

Hauptgebäudes und auch das Internationale Begegnungszentrum<br />

wird noch in diesem Jahr eingeweiht.<br />

Der Steintor Campus entsteht und die Bauplanung<br />

für das nächste Großprojekt – das Proteinzentrum<br />

am Weinberg Campus – hat bereits begonnen. Genug<br />

Anlässe also für einen Themenschwerpunkt<br />

zum Bauen und zu den Bauten der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<br />

Universität. Wie die Hochschule in Stadt und Raum<br />

vertreten ist, lässt sich in einer Ausgabe des Unimagazins<br />

zwar kaum zusammenfassen. Die Vielfalt<br />

der Universitätsgebäude aber hat die Illustratorin<br />

Anka Büchler auf den Seiten 16 und 17 eindrucksvoll<br />

festgehalten. Die Vielfalt der Architektur, die<br />

am Weinberg Campus anzutreffen ist, beschreibt<br />

der Architekturkritiker Günter Kowa für scientia<br />

halensis nach einem langen Spaziergang über den<br />

IMPRESSUM<br />

scientia halensis<br />

Magazin der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität<br />

Halle-Wittenberg (MLU)<br />

Ausgabe 3/12, 20. Jahrgang<br />

Auflage 6.500 Expl.<br />

ISSN 0945-9529<br />

erscheint viermal im Jahr<br />

sowie im Internet:<br />

www.magazin.uni-halle.de<br />

Herausgeber:<br />

Rektor der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität<br />

Halle-Wittenberg<br />

Redaktion:<br />

Corinna Bertz (red. Koordinierung),<br />

Carsten Heckmann (V.i.S.d.P.),<br />

Christian Günther, Tom Leonhardt,<br />

Claudia Misch, Ute Olbertz, Maria<br />

Preußmann, Melanie Zimmermann<br />

Kontakt:<br />

<strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität<br />

Halle-Wittenberg<br />

Stabsstelle des Rektors / Pressestelle<br />

Universitätsplatz 9, 06108 Halle (S.)<br />

Telefon: 0345 55 21004<br />

Fax: 0345 55 27066<br />

E-Mail: magazin@uni-halle.de<br />

Campus in dieser und in der nächsten Ausgabe.<br />

Und die Vielfalt der Themen zwischen Bauplanung<br />

und Flächenentwicklung wird in fünf Fragen und<br />

Antworten dargestellt.<br />

Über die Jahrhunderte ist die Universität eng mit<br />

der Stadt verwachsen. Überall begegnet man den<br />

dunkelgrünen Plaketten, auf denen in gelben Lettern<br />

die Namen der Institute oder Einrichtungen<br />

geschrieben sind. In den nächsten Jahren werden<br />

einige davon allmählich verschwinden. Denn mit<br />

dem Umzug vieler Institute der Philosophischen Fakultäten<br />

I und II an den neu entstehenden Steintor<br />

Campus wird sich die MLU zukünftig stark auf die<br />

vier Standorte konzentrieren, die das Titelbild zeigt.<br />

Über diese Standortentwicklung spricht Kanzler Dr.<br />

<strong>Martin</strong> Hecht im Heft und ausführlicher in einem<br />

Interview im Onlinemagazin unter www.magazin.<br />

uni-halle.de.<br />

Außerdem im Heft: Forscher in Krisenregionen, eine<br />

Auseinandersetzung mit der Lehrform Tutorium<br />

sowie ein E-Gitarre spielender Geologieprofessor<br />

mit einer Vorliebe für Heavy Metal und vieles mehr.<br />

Viel Spaß beim Lesen und Entdecken wünscht<br />

Corinna Bertz<br />

Redakteurin<br />

Grafik-Design:<br />

Sisters of Design<br />

www.sistersofdesign.de<br />

Designkoordinierung:<br />

Christian Günther<br />

Mediadaten:<br />

www.pr.uni-halle.de/mediadaten<br />

Anzeigen / Satz / Gesamtherstellung:<br />

Digital Druckservice Halle GmbH<br />

Telefon: 0345 47 88 601<br />

www.digitaldruck-halle.de<br />

E-Mail: info@digitaldruck-halle.de<br />

scientia halensis 3/2012 editorial<br />

Druck:<br />

IMPRESS Druckerei Halbritter KG<br />

www.impressonline.de<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge<br />

geben die Meinung der Autoren<br />

wieder. Bei unverlangt eingesandten<br />

Texten/Fotos besteht keine Gewähr für<br />

einen Abdruck.<br />

Die Redaktion behält sich Änderungen<br />

eingesandter Texte vor. Der Nachdruck<br />

von Artikeln ist bei Angabe der Quelle<br />

gestattet. Die Redaktion bittet um ein<br />

Belegexemplar.<br />

Corinna Bertz<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

scientia halensis erscheint mit freundlicher<br />

Unterstützung der Vereinigung<br />

der Freunde und Förderer der <strong>Martin</strong>-<br />

<strong>Luther</strong>-Universität Halle-Wittenberg<br />

e. V. (VFF)<br />

Titelbild:<br />

Zu sehen sind die künftigen vier Hauptstandorte<br />

der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität.<br />

Mehr dazu auf Seite 15.<br />

(Grafik: Anka Büchler, Bilder: Falko<br />

Seidel, N-Media-Images, Pakhnyushchyy<br />

/ Fotolia)<br />

3


4 inhaltsverzeichnis scientia halensis 3/2012<br />

Karriereknick in 1:30? {8}<br />

Frauen ernähren sich klimafreundlicher<br />

– die Studie zweier MLU-<br />

Forscher sorgte in den Medien<br />

bundesweit für Aufsehen. Kann<br />

Medienpräsenz der Wissenschaftler-Karriere<br />

schaden? Zwei Professoren<br />

diskutieren.<br />

(Bild: RTL Nachjournal)<br />

Begehrte Rädchen im<br />

Lehrgetriebe {20}<br />

Praxisstunde, Zusatzseminar oder<br />

Diskussionsrunde – es gibt viele<br />

Formen des Tutoriums. Aber was<br />

bringt es wirklich und wem? Tutoren<br />

und Tutanden aus drei verschiedenen<br />

Tutorien berichten.<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

Die Universität in Stadt und Raum<br />

{12}<br />

Schrumpft die Uni? Wo wird gerade was gebaut? Und wer<br />

bringt die Wissenschaft in ein Gebäude? Antworten auf fünf<br />

Fragen rund um die MLU in Stadt und Raum finden Sie<br />

ab Seite 12. Der heißeste Ort der Hochschule, die kleinste Fakultät,<br />

die größte Bibliothek und viele Zahlen und Fakten<br />

rund um Universitätsbauten hat Anka Büchler auf S. 16 und<br />

17grafisch dargestellt. Mehr zur Architektur und Geschichte<br />

des Weinberg Campus ab Seite 18. (Bild: Biologicum, Foto: Michael Deutsch)


inhalt<br />

varia<br />

6 Elefantastisch:<br />

Dalí und Co. kommen nach Halle<br />

8 Karriereknick in 1:30?<br />

Zwei Medienprofis im Interview<br />

10 Sprachsalat / Bilderrätsel<br />

11 Siedesalz, Kulturprogramm – und<br />

ein wenig Finanzabwicklung:<br />

Aktivitäten der Vereinigung der<br />

Freunde und Förderer der MLU<br />

titelthema<br />

12 Räume, Flächen, Wissen schaffen:<br />

Die Universität in Stadt und Raum<br />

16 Nachgezählt und aufgezeichnet:<br />

10 Infografiken rund um Gebäude<br />

der MLU<br />

18 Wider das Symmetriediktat:<br />

Ein Architekturkritiker am<br />

Weinberg Campus<br />

studieren,<br />

lehren, leben<br />

20 Begehrte Rädchen im<br />

Lehrgetriebe:<br />

Tutoren, Tutanden und Tutorien<br />

auf der Spur<br />

QR-Codes und Webcodes im Heft<br />

Some stories are also available in English:<br />

www.international.uni-halle.de/magazine Please look for the flag!<br />

24 <strong>Neue</strong>r Master: Erneuerbare<br />

Energien / Erasmusfotowettbewerb:<br />

Berge, Gletscher, Fjorde<br />

25 Per Tandem über Sprachbarrieren:<br />

Ein deutsch-chinesisches<br />

Studentenquartett<br />

26 Musizierende Professoren:<br />

„Für Elise? Aber nur mit Heavy<br />

Distortion!“<br />

Forschen und<br />

publizieren<br />

28 Forschen zwischen Krieg<br />

und Krise:<br />

Regionalforschung in Afrika<br />

31 In Sierra Leone unterwegs /<br />

Zuschlag für mitteldeutsches<br />

Biodiversitätszentrum<br />

32 Fachliteraturfabrik<br />

33 Mode und Sex in der DDR:<br />

Lebte man im Osten anders?<br />

Personalia<br />

34 Mehr als Omas Hühnersuppe:<br />

Porträt einer Apothekerin<br />

37 Olympia 2012: Auch MLU-Absol-<br />

venten dabei / Zwei Christian-<br />

Wolff-Professoren in Halle zu Gast<br />

38 20 Fragen an Andrea Ritschel<br />

40 Neuberufungen<br />

42 Dr. Usus Zeitgeist<br />

Unter www.magazin.uni-halle.de ist das Unimagazin im Internet zu finden. Mit Hilfe der QR- und Webcodes<br />

neben den Beiträgen gelangen Sie direkt zur entsprechenden Internetseite. QR-Codes funktionieren ähnlich<br />

wie Barcodes. Mit einem Tastendruck bzw. einer Fotoaufnahme des Mobiltelefons können Sie die verlinkte Webseite<br />

aufrufen. Für die Eingabe der Webcodes nutzen Sie einfach die Internetseite www.uni-halle.de/webcode.<br />

scientia halensis 3/2012 inhaltsverzeichnis<br />

Forschen zwischen Krieg und<br />

Krise {28}<br />

Wo Gewalt oder kriegerische Konflikte<br />

drohen, wird die wissenschaftliche<br />

Arbeit schwer. Ein Ethnologe<br />

und ein Geologe erzählen von den<br />

besonderen Bedingungen, unter<br />

denen sie im Sudan und in Ägypten<br />

forschen. (Foto: Peter Wycisk)<br />

Mehr als Omas Hühnersuppe<br />

{34}<br />

Eigentlich wollte Barbara Langhans<br />

Kunst studieren. Doch dann<br />

entschied sie sich für Pharmazie.<br />

Heute führt sie drei Apotheken.<br />

Wie gut hat ihr Studium sie auf ihren<br />

Beruf vorbereitet? Die leidenschaftliche<br />

Apothekerin im Porträt.<br />

(Foto: Cordula Langhans)<br />

5


6 varia scientia halensis 3/2012<br />

varia<br />

Elefantastisch:<br />

Dalí und Co. kommen nach Halle<br />

„Der himmlische Elefant“ – auf diesen Namen taufte Salvador Dalí einst eine seiner bizarren Grafiken. In<br />

Abwandlung dieses Titels scheint es nicht übertrieben, von einem ausgesprochen himmlischen Tag zu sprechen,<br />

den die <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität kürzlich erlebte: Als nämlich der Absolvent Dr. Karl Werner Hök seiner<br />

einstigen Alma Mater rund 200 kostbare Kunstwerke anvertraute, darunter eben jenen Dalí-Elefanten.<br />

Bild: Alumnus Dr. Karl<br />

Werner Hök und Dr. Ralf-<br />

Torsten Speler (Foto: Michael<br />

Deutsch)<br />

Die Werke von so namhaften Künstlern wie Picasso,<br />

Miró, Beuys und anderen stehen der Universität für<br />

eine Ausstellung als Leihgabe zur Verfügung, später<br />

gehen sie in ihren Besitz über. „Einen Glücksfall für<br />

die Universität“ nennt Dr. Ralf-Torsten Speler von<br />

der <strong>Zentrale</strong>n Kustodie die umfangreiche Sammlung.<br />

Speler, selbst leidenschaftlicher Kunstsamm-<br />

ler, weiß um ihren Wert. „In unserem Bestand<br />

haben wir viel Kunst aus dem 19. Jahrhundert.<br />

Mit der Hökschen Sammlung realisieren wir nun<br />

den Anschluss an die Gegenwartskunst“, sagt er.<br />

Das eröffne auch völlig neue Möglichkeiten für die<br />

Studenten der Kunstgeschichte, die damit facettenreiches<br />

Anschauungsmaterial erhielten. Die wert-


volle Kollektion enthält nicht nur Druckgrafiken aus<br />

dem 20. Jahrhundert. Sie umfasst auch Gemälde,<br />

Kunsthandwerk, Porzellan, vieles davon aus dem 18.<br />

Jahrhundert. Hök hat notariell festgelegt, dass nach<br />

seinem und dem Tod seiner Frau alles in den Besitz<br />

der Uni Halle übergeht. Bedingung: Die Sammlung<br />

solle zusammenbleiben. Denn, so der Spender: „Ich<br />

liebe jedes einzelne Stück“.<br />

Zuvor habe er lange überlegt, was mit all den<br />

Werken geschehen solle, die er über viele Jahre in<br />

seinem Haus in Brackenheim in der Nähe von Heilbronn<br />

zusammengetragen hat. Die Entscheidung für<br />

die Uni Halle sei schließlich auch gefallen, weil Hök<br />

hier den Grundstein für sein späteres Leben legen<br />

konnte. „Hier habe ich das Rüstzeug bekommen, um<br />

in meinem Beruf als Mediziner Geld zu verdienen.<br />

Ohne das hätte ich meinen Weg nicht so gehen<br />

können, wie es mir gelungen ist“, sagt der gebürtige<br />

Berliner, der inzwischen 80 Jahre alt ist, allerdings<br />

deutlich jünger wirkt. Er selbst spricht ganz bescheiden<br />

von einem „kleinen Dank“. Angesichts des<br />

Werts der Sammlung ist das freilich untertrieben.<br />

Nach Halle kam Hök als 13-Jähriger. Ein kleines Zimmer<br />

in der Reilstraße war 1945 sein erstes Domizil.<br />

Später zog er mit seinen Eltern in die <strong>Wohnung</strong><br />

eines geflüchteten Uni-Professors. „Dort gab es eine<br />

umfangreiche Kunstbibliothek“, erinnert er sich. Es<br />

war seine erste Begegnung mit Malerei und Grafik.<br />

Und zugleich eine sehr prägende, denn fortan ließ<br />

ihn die Kunst nicht mehr los. 1951 machte er an der<br />

Thomas-Müntzer-Schule sein Abitur und begann an<br />

der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität ein Medizinstudium,<br />

das er 1956 erfolgreich abschloss. In den Folgejahren<br />

nahm der politische Druck in der DDR zu, so dass<br />

auch Hök sich 1960 zur Ausreise entschloss. Nach<br />

einer Zwischenstation in Osnabrück wechselte er<br />

1969 ins baden-württembergische Brackenheim,<br />

der Geburtstadt des ersten Bundespräsidenten,<br />

Theodor Heuss. Dort lebt er inzwischen mit seiner<br />

Frau Brigitte, die nicht minder agil ist als er. Der<br />

Kontakt nach Halle ist indes niemals abgebrochen.<br />

So fuhr Hök einmal im Jahr zum Klassentreffen in<br />

die Saalestadt. Auch zu einstigen Studienfreunden<br />

hielt er die Verbindung. „Außerdem habe ich mich<br />

sehr gefreut, als zu meinem 50. Doktorjubiläum<br />

eine Einladung von der Uni kam“, sagt Hök, der in<br />

Halle übrigens vor zwei Jahren das Teppichweben<br />

gelernt hat. Dazu hat er eigens an der Burg einen<br />

Kurs belegt. Der Grund: Der Kunstsammler ist selbst<br />

künstlerisch begabt. Seit geraumer Zeit webt er die<br />

schönsten Stücke aus seiner Sammlung nach.<br />

Ein Teil der Werke aus der Hök-Kollektion wurde von<br />

Mai bis Anfang Juli diesen Jahres gezeigt. Insgesamt<br />

hatte die Kustodie der MLU 60 Grafiken von 31<br />

Künstlern aus sechs europäischen Ländern für die<br />

Schau ausgewählt. Anschließend reisten sie zurück<br />

nach Brackenheim. „In vielen Werken steckt Erinnerung“,<br />

sagt Hök, „ich möchte sie täglich sehen“.<br />

Wenn die Werke eines Tages ihren festen Platz in<br />

Halle finden werden, dann schließt sich zumindest<br />

für einige von ihnen auch ein Kreis. So etwa für ein<br />

Bild, das Hök in früheren Jahren in einer halleschen<br />

Kunstsammlung erworben hatte, über dessen Ursprung<br />

er jedoch bisher nichts wusste. Inzwischen<br />

hat sich Speler der Sache angenommen. Er recherchierte<br />

in alten Werkkatalogen und wurde fündig:<br />

Bei besagtem Bild handelt es sich um ein Selbstporträt<br />

des einstigen Burgprofessors Erwin Hahs,<br />

gemalt 1924. Speler: „Es ist schön zu wissen, dass es<br />

zurück nach Halle kommt.“ Ines Godazgar<br />

Ausstellung: „Cicadas“ - Klänge der Evolution<br />

Kunst – im Einklang mit Natur und Technik – ist seit 22. Juni 2012 im ehemaligen Institut für Physik<br />

am Friedemann-Bach-Platz 6 zu erleben. Die Installation „Cicadas“ des Klangkünstlers Edgardo<br />

Rudnitzky spielt Evolutionsabläufe in der Kommunikation von Singzikaden nach. Die mit einem<br />

Motor und Getriebe versehenen Zikaden „musizieren“ in fünf speziell angeordneten Holzkästen.<br />

Selbst auf die anwesenden Besucher reagieren sie, indem sie verstummen, wenn größere Besuchermengen<br />

lange im Raum verweilen. Bis zum 30. Oktober 2012 zeigt das Zentralmagazin Naturwissenschaftlicher<br />

Sammlungen der MLU die Schau im geplanten Naturkundemuseum. Die Schau<br />

läuft dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt beträgt zwei Euro, ermäßigt ein Euro.<br />

scientia halensis 3/2012 varia<br />

Wie motorbetriebene Zikaden<br />

klingen, hören Sie hier:<br />

WEBCODE MAG� 14405<br />

QR� CODE<br />

7


8 varia scientia halensis 3/2012<br />

Karriereknick in 1:30?<br />

Frauen sind besser. Für das Klima. Zumindest, was die Ernährung angeht. So oder ähnlich erfuhren bundesweit<br />

Leser, Hörer und Zuschauer im April von einem Forschungsergebnis zweier MLU-Wissenschaftler. Einer<br />

von ihnen ist Doktorand Toni Meier. Seine Karriere steht jetzt auf dem Spiel – wenn man der These eines<br />

bekannten Medienwissenschaftlers Glauben schenkt. Im Interview werten der Politologe Everhard Holtmann<br />

und der Agrarwissenschaftler Olaf Christen den Medienhype aus – und geben Entwarnung.<br />

Herr Professor Holtmann Sie sind ein sehr gefragter<br />

Interviewpartner. Was macht sie so beliebt?<br />

Holtmann: Als Politikwissenschaftler hat man per<br />

se eine hohe Nachfragefrequenz. Das liegt daran,<br />

dass die Politikwissenschaft viele Lebens- und Forschungsbereiche<br />

betrifft. Und in der Politik hat alles<br />

permanent Erklärungsbedarf. Natürlich muss man<br />

wissen, dass man sich in einer Sphäre bewegt, in<br />

der fünf Minuten eine Marathon-Zeit sind. Da ist<br />

es vonnöten, dass man versucht, sich klar und kurz<br />

auszudrücken, auch zu vereinfachen.<br />

Herr Professor Christen, Sie und Ihr Doktorand Toni<br />

Meier haben vor ein paar Wochen bundesweit<br />

für mediales Aufsehen gesorgt. Wie haben Sie die<br />

Tage nach der MLU-Pressemitteilung zu Ihrer Studie<br />

erlebt?<br />

Christen: Wir haben geschaut, in welchen Medien<br />

das erschienen ist. Und waren erstaunt. Zwar hatten<br />

wir schon vorher Pressearbeit zu anderen Themen<br />

gemacht, aber da war die Resonanz deutlich geringer.<br />

Überraschend waren die Reaktionen von Lesern<br />

in den Online-Medien. Es ist schon erstaunlich, was<br />

Menschen dort in Foren schreiben, wenn sie sich<br />

ihrer Anonymität sicher sind.<br />

In einem Blog hieß es, Sie und Herr Meier hätten<br />

in Ihrer Studie „ein paar schlichte Glaubenssätze“<br />

aufeinander getürmt und das „dank Zuhilfenahme<br />

eines Rechenschiebers“ Wissenschaft genannt.<br />

Andernorts ist zu lesen: „Denkt man das Argument<br />

von Meier und Christen logisch zu Ende, dann<br />

müsste ihr Ziel darin bestehen, eine weitere Belastung<br />

der nachhaltigen Entwicklung durch ein<br />

Verbot der Fortpflanzung positiv zu beeinflussen.“<br />

Starker Tobak.<br />

Christen: In der Tat. Natürlich hat unsere Arbeit<br />

Schwächen, wie jede Arbeit. Die sind den Bloggern


und den Leuten in den Foren aber gar nicht aufgefallen.<br />

Methodisch hätten wir natürlich andere Vergleiche<br />

anstellen können. Jung-alt zum Beispiel. Wir<br />

haben uns eben für Mann-Frau entschieden. Uns<br />

ging es darum, dass es eine Variabilität gibt. Ob man<br />

die dann tatsächlich nutzen kann im Hinblick auf<br />

unterschiedliche Klimabilanzen, da sind wir selbst<br />

in der Studie sehr vorsichtig. Viele Leute haben das<br />

ein Stück weiter gedacht. Nicht wir.<br />

Wie sieht es mit den Reaktionen der Kollegen aus?<br />

Der renommierte Medienwissenschaftler Norbert<br />

Bolz von der TU Berlin behauptet, es gelte als unfein,<br />

sich auf das Niveau von Laien zu begeben.<br />

Wer es dennoch tue, werde geschnitten. Er rät<br />

jungen Wissenschaftlern, die Massenmedien zu<br />

meiden. Ist jetzt Toni Meiers Karriere gefährdet?<br />

Christen: Ich glaube nicht. Er hat eine Reihe von<br />

seriösen Anfragen erhalten. Ich denke, die Gefahr<br />

könnte entstehen, wenn man als Doktorand alle<br />

halbe Jahre mit Themen im Gespräch ist, die in den<br />

Medien in dieser Form breitgetreten werden. Aber<br />

wenn man mit einer Kernthese einer interessanten<br />

Studie in die Öffentlichkeit tritt, muss man zwar mit<br />

kritischen Stimmen rechnen, kann aber vor allem<br />

sich und sein Thema auch mal über den engen Kollegenkreis<br />

hinaus bekannt machen.<br />

Holtmann: Ich wäre gespannt, auf welche empirische<br />

Basis sich Herr Bolz stützt. Natürlich ist eine<br />

gewisse Vereinfachung notwendig, aber die kann<br />

man unter Wahrung der wissenschaftlichen Sorgfalt<br />

vornehmen.<br />

Welche Tipps können Sie jungen Wissenschaftlern<br />

geben, die mit ihren Themen den Weg in die Medien<br />

gehen möchten oder von Journalisten kontaktiert<br />

werden?<br />

Holtmann: Es ist üblich, dass man sich ein Interview<br />

vor der Veröffentlichung nochmal vorlegen lässt.<br />

Und ein grundsätzliches Interesse, Dinge zu vermitteln,<br />

sollte gepaart sein mit Gründlichkeit, Differenzierung,<br />

methodischer Sauberkeit. Da darf man sich<br />

nicht beeindrucken lassen von eventuell geäußerten<br />

Wünschen, etwas flapsiger zu formulieren.<br />

Christen: Der Aufwand ist natürlich beträchtlich. Da<br />

kann schnell mal ein ganzer Nachmittag weg sein für<br />

die berühmten 1:30 Minuten am Abend. Das muss<br />

man wissen. Aber ansonsten sei den jungen Leuten<br />

gesagt: keine Scheu!<br />

Interview: Carsten Heckmann<br />

scientia halensis 3/2012 varia<br />

Everhard Holtmann (l.) und<br />

Olaf Christen plädieren für<br />

einen gelassenen Umgang mit<br />

Journalisten und wollen ihre<br />

Themen weiterhin einer breiten<br />

Öffentlichkeit vermitteln.<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

Mehr über Facebook, FAZ<br />

und „knackig formulierte<br />

Wissenschaft“ in der Langfassung<br />

des Interviews:<br />

WEBCODE MAG� 14406<br />

QR� CODE<br />

9


10 varia scientia halensis 3/2012<br />

bilderrätsel<br />

Was zeigt dieses<br />

Bild?<br />

Des Rätsels Lösung ist<br />

wieder im Unimagazin<br />

versteckt.<br />

Wer der Redaktion als<br />

Erste(r) per Telefon,<br />

E-Mail, Fax oder<br />

(Haus-) Post die richtige<br />

Lösung übermittelt, auf<br />

die oder den wartet ein<br />

Gutschein im Wert von<br />

15 Euro, einzulösen im<br />

Uni-Shop im Marktschlösschen.<br />

Viel Glück!<br />

Das Rätselfoto in der<br />

scientia halensis 2/12,<br />

Seite 8, zeigte einen Fuß<br />

der siamesischen Zwillinge<br />

aus den Meckelschen<br />

Sammlungen im Bild<br />

auf Seite 41. Sven Giese<br />

hat das Rätsel als Erster<br />

gelöst. Er studiert im<br />

vierten Jahr Biochemie<br />

und hatte das Magazin<br />

in der Weinberg-Mensa<br />

mitgenommen. Den Gutschein<br />

für einen Einkauf<br />

im Uni-Shop hat er bereits<br />

erhalten.<br />

Zeichnung: Oliver Weiss<br />

„Bitte einmal gemischten Sprachsalat …“<br />

diesmal mit ziemlich<br />

zusammengewurstelten zutaten<br />

Man wurs(ch)telt sich so durch, Abend für Abend.<br />

Aber ist es der Zunge Wurst, was an ihr vorbeidefiliert?<br />

Und dem neugierigen Sprachfex? Natürlich<br />

nicht – „… weil’s net wurscht ist, woas man isst!“,<br />

wie eine Zillertaler Metzgerei für ihre Produkte<br />

wirbt. Auch die Gesellschaft für deutsche Sprache<br />

nahm sich der Frage an: Dr. Lutz Kuntzsch gab gar<br />

(als Handout zum einschlägigen Vortrag, den er<br />

jüngst vor vollem Saal in der Stadtbibliothek Halle<br />

hielt) ein themenorientiertes „Wurstblatt“ heraus.<br />

Damit der feinschmeckerische Laie oder der linguistisch<br />

interessierte Gourmet nachlesen kann, was<br />

ihm dieser Abend – mit kulinarischen Beispielen<br />

garniert – an Wurstigkeiten bot.<br />

Apropos: „Wurst“ (niederländisch: „Worst“), bereits<br />

im Alt- und Mittelhochdeutschen belegt, hängt wohl<br />

mit drehen/mischen/vermengen zusammen – und<br />

so wird Wurst ja auch gemacht.<br />

Die Namenliste führen Lokalmatadoren an, zum<br />

Beispiel Braunschweiger, Debrecener, Frankfurter,<br />

Halberstädter, Nürnberger, Polnische und Wiener.<br />

Herstellungsart (Brühwurst, Presssack, Kochsalami),<br />

Ingredienzien (Blut-, Leber-, Zungenwurst) oder<br />

Eigenschaften (Streich- oder Dauerwurst) standen<br />

ebenfalls für Wurstnamen Pate. Auch Fantasie und/<br />

oder Geschäftstüchtigkeit mancher Hersteller wirkten<br />

bei der Namengebung mit: Bauernsalami, Jagdwurst,<br />

Landjäger, Touristenwurst wären sonst nur<br />

schwer erklärbar, ebenso wenig die landauf landab<br />

bekannte Bockwurst (= die Wurst zum Bock[bier])<br />

und die wohl bloß hier auftretende „hallesche<br />

Nackte“ (= Bratwurst ohne Darm). Andere regionale<br />

Spezialitäten sind Aale Wurst (Hessen), Halloren-<br />

Schlackwurst und Harzer Blasenwurst (Sachsen-Anhalt);<br />

pfiffige Fleischer der hiesigen Gegend bieten<br />

sogar „DDR-Leberkäse“ an (igittigitt!).<br />

Dass die Deutschen Wurstweltmeister sind, ist bekannt:<br />

mehr als 1500 Sorten soll es geben – Sprüche<br />

und Redensarten nicht ganz so viel. Aber schon<br />

Karl F. W. Wander nahm etliche Einträge zum Wort<br />

Wurst in sein Sprichwörter-Lexikon (fünf Bände,<br />

1867–1880) auf. Und bis heute kennt man: „Wurst<br />

wider Wurst“, „jemandem die Wurst aufs Brot nicht<br />

gönnen“, „das Jahr ist meist länger als die Wurst“,<br />

„ein armes Würstchen sein“, „es geht um die Wurst“<br />

usw. usf. Dass selbst Dichtern Wurst (und Schinken)<br />

nicht Wurst war, belegt der Referent . Lutz Kuntzsch<br />

mit Zitaten u. a. von Busch, Goethe, Heine, Löns,<br />

Jean Paul, Uhland und Storm.<br />

Schließlich ruft die Wurst Witzbolde auf den Plan,<br />

allen voran den „Hanswurst“ (er geht auf Sebastian<br />

Brants „Narrenschiff“ zurück). Seine Nachfolger<br />

nennen sich „City-Metzger“, gründen eine „Wurst-<br />

Manufaktur“ oder streiten über den Verlauf des<br />

„Weißwurschtäquators“, der Deutschland bis heute<br />

teilt. Margarete Wein


scientia halensis 3/2012 varia<br />

Siedesalz, Kulturprogramm –<br />

und ein wenig Finanzabwicklung<br />

Mit neuen Partnern und einer neuen Veranstaltungsreihe rückt die Vereinigung der Freunde und Förderer der<br />

MLU im Jahr 2012 stärker ins Licht der Öffentlichkeit. Auch auf andere Weise zeigt der Verein Präsenz: Als<br />

Unterstützer wissenschaftlicher Tagungen und Kongresse in Halle.<br />

„Halle liest“ oder besser: Halle las im Juni zum<br />

Auftakt einer neuen Veranstaltungsreihe im Kunstforum.<br />

Vier Autoren waren unter dem Motto<br />

„Halle liest“ dazu eingeladen, aus ihren Werken<br />

vorzutragen. Elisabeth Peil, Pianistin am Konservatorium<br />

Halle, steuerte musikalische „Zwischenspiele“<br />

bei. Organisiert wird die neue Kulturreihe<br />

von der Vereinigung der Freunde und Förderer<br />

der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität Halle-Wittenberg<br />

e.V. (VFF) gemeinsam mit dem Universitätsverlag<br />

Halle-Wittenberg, dem Kulturbüro der Stadt und<br />

der Steuerberatungsgesellschaft Consulere, die als<br />

Sponsor auftritt.<br />

„Wir möchten nicht nur fördern, sondern auch<br />

Menschen zusammenbringen“, sagt VFF-Geschäftsführerin<br />

Ramona Mitsching. Für sie ist es die erste<br />

Kooperation mit Consulere und dem Kulturbüro.<br />

„Mit diesem Kulturangebot suchen wir den Weg in<br />

die Öffentlichkeit und wollen noch mehr Menschen<br />

für die Arbeit der VFF interessieren.“ Eine zweite<br />

Veranstaltung der neuen Partner ist im Advent geplant.<br />

„Der dritte Abend wird dann Anfang 2013 ein<br />

Kaminabend sein – mit einem wissenschaftlichen<br />

Thema!“, verrät Mitsching.<br />

Für die Vereinigung der Freunde und Förderer sucht<br />

sie gezielt den Weg in die Öffentlichkeit. Seit zwei<br />

Jahren zeigt die VFF deshalb auch auf andere Art<br />

und Weise Präsenz: Sie unterstützt Lehrstühle und<br />

Wissenschaftler der MLU bei ihrer Tagungs- und<br />

Kongressorganisation. Ramona Mitsching kümmert<br />

sich insbesondere um die finanzielle Abwicklung,<br />

u.a. auch um den Abschluss von Sponsorenverträgen.<br />

Zuletzt nutzte Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich<br />

das Angebot, als sie im März 2012 die internationale<br />

Tagung der Vereinigung der Zivilprozessrechtslehrer<br />

ausrichtete. Die Professorin für Bürgerliches Recht,<br />

Zivilprozess- und Handelsrecht zeigte sich glücklich<br />

über die helfende Hand: „Frau Mitsching hat<br />

die gesamte Buchführung und Kassenorganisation<br />

übernommen und mich damit entscheidend entlastet.<br />

Die Zusammenarbeit mit der VFF war überaus<br />

erfreulich, hilfreich und konstruktiv.“<br />

Für die Konferenzteilnehmer ließ sich die VFF etwas<br />

Besonderes einfallen: Jeder der Gäste bekam am<br />

Morgen eine Salzmühle mit Willkommensgrußkarte<br />

in die Hand gedrückt. Beim abendlichen Empfang im<br />

Stadthaus folgte die historische Erläuterung dazu.<br />

An Unterstützung interessierte Tagungsveranstalter<br />

können sich bei Ramona Mitsching melden.<br />

Corinna Bertz<br />

Kontakt: Ramona Mitsching<br />

Vereinigung der Freunde und Förderer der MLU e. V.<br />

Telefon: 0345 55 22912<br />

E-Mail: ramona.mitsching@vff.uni-halle.de<br />

Teilnehmer der Zivilprozessrechtstagung<br />

im Gespräch<br />

(Foto: Michael Germann)<br />

11


12 titelthema scientia halensis 3/2012<br />

titelthema<br />

Räume, Flächen, Wissen schaffen<br />

Fünf Fragen und Antworten rund um die MLU in Stadt und Raum<br />

Bild oben: Was macht ein<br />

gutes Wissenschaftsgebäude<br />

aus? „Für einen historisch<br />

arbeitenden Geisteswissenschaftler<br />

ist das El Dorado<br />

dort, wo ein reichhaltiges<br />

Archiv ist“, sagt Rektor Udo<br />

Sträter, hier in der Kulissenbibliothek<br />

der Franckeschen<br />

Stiftungen. (Foto: Maike<br />

Glöckner)<br />

1<br />

Wie kommt die Wissenschaft<br />

ins Gebäude?<br />

Auch Wissenschaftsbauten sind letztlich „nur“ Gebäude,<br />

könnte man meinen. Wer sich jedoch mit<br />

Verantwortlichen der für diese Gebäude zuständigen<br />

Abteilung 4 („Bau, Liegenschaften und Gebäudemanagement<br />

der MLU“) unterhält, wird schnell<br />

eines Besseren belehrt: Da können schon mal die<br />

magnetischen Felder vor einem Labor eine alles<br />

entscheidende Rolle spielen. Oder der Wunsch nach<br />

„erschütterungsfreien Versuchen“ verlangt ein spezielles<br />

Fundament. Und wo stellt man bloß die Bienenstöcke<br />

der Zoologen auf, ohne dass die Bienen<br />

jemanden stechen? „Das sind alles Grenzbereiche,<br />

mit denen man meist nur einmal im Leben zu tun<br />

hat – dafür aber sehr intensiv“, erzählt Horst-Dieter<br />

Foerster, der seit 17 Jahren die Abteilung leitet.<br />

Aus der Vielfalt einer Universität ergibt sich für die<br />

A 4 eine Vielfalt von Herausforderungen. Jeder neu<br />

ausgerichtete Lehrstuhl verlangt neue Lösungen.<br />

„Das ist wie ein Knallbonbon“, sagt Foerster. Die<br />

Interessen der Nutzer müssen mit Gesetzen und<br />

Vorgaben abgestimmt werden. „Wir moderieren<br />

zwischen den verschiedenen Akteuren und müssen<br />

dabei immer wieder Kompromisse machen.“<br />

In vier Referaten kümmert sich die A 4 um den gesamten<br />

Liegenschaftsbetrieb der Universität. Das<br />

Baureferat der Abteilung darf „kleine“ Bau- und<br />

Sanierungsmaßnahmen bis zu 850.000 Euro selbst<br />

durchführen. Kostenaufwändigere Vorhaben, wie


etwa das Geistes- und Sozialwissenschaftliche Zentrum,<br />

übernimmt das Land. Auch die Grundreinigung<br />

leergezogener Uni-Gebäude ist eine Aufgabe<br />

der A4. „Wir müssen sie dem Land besenrein übergeben“,<br />

erklärt Foerster. Das kann auch heißen:<br />

Schadstoffe klassifizieren, eingestaubte Lager entrümpeln<br />

oder Spezialfirmen beauftragen, die wertvolle<br />

Sammlungsschränke auseinander- und wieder<br />

zusammenbauen. „Die A4 macht gute Planungen<br />

und erledigt oft die große Drecksarbeit“, meint<br />

dazu Dr. Frank Steinheimer anerkennend. Als Leiter<br />

des Zentralmagazins der Naturwissenschaftlichen<br />

Sammlungen hat er schon mehrere Sammlungsumzüge<br />

gemeinsam mit der Abteilung bewältigt.<br />

Das Referat Technik kümmert sich u.a. um Heizung,<br />

Energie, Klima- und sanitäre Anlagen der Universität.<br />

Geht irgendwo etwas kaputt, laufen hier in der<br />

„zentralen Störungsannahme“ die Beschwerden auf.<br />

„Aus Sicht der Nutzer dauert es oft zu lange, bis ein<br />

solcher Reparaturauftrag erledigt ist“, gibt Foerster<br />

zu und schiebt zwei Gründe gleich hinterher: „Es<br />

gibt keine Eingreiftruppe, alle im Referat bearbeiten<br />

viele Themen parallel.“ Und wenn zur Schadensbehebung<br />

mehrere Referate gebraucht werden, müsse<br />

erst einmal die Abstimmung organisiert werden.<br />

„Aber manchmal könnte man die Zeit noch reduzieren.<br />

An dieser Organisation arbeiten wir zurzeit.“<br />

2<br />

Wo im Stadtraum steckt die<br />

Wissenschaft?<br />

In Halle kann die Antwort nur lauten: Überall! Sei es<br />

die Universität, die Burg Giebichenstein Kunsthochschule<br />

Halle, die außeruniversitären Forschungseinrichtungen<br />

von Fraunhofer bis zu Max-Planck-<br />

Instituten oder die Leopoldina – die Wissenschaft ist<br />

an vielen markanten Orten der Stadt zu finden. „Genau<br />

darin drückt sich für mich auch die Verbindung<br />

zwischen Stadt und Universität aus“, sagt Rektor<br />

Udo Sträter. „Wir sind keine Campus-Universität im<br />

typischen Sinne, stattdessen sind wir städtebaulich<br />

prägend mitten in Halle vertreten.“<br />

Die lange gemeinsame Geschichte von Wissenschaft<br />

und Saalestadt lässt sich bis zur Gründung<br />

der Universität Halle im Jahr 1694 zurückverfolgen.<br />

Damals fand die Hochschule im städtischen „Hoch-<br />

zeits- und Waagehaus“ neben dem Rathaus Platz.<br />

Hier wurden Marktwaren gewogen, Hochzeiten<br />

besiegelt – und parallel dazu wurde auf einigen<br />

Etagen studiert und gelehrt. „Im 18. Jahrhundert<br />

prägte die Universität das Stadtbild dann vor allem<br />

durch die Stadthäuser der Professoren. Das waren<br />

regelrechte Paläste, in denen sie lehrten und auch<br />

ihre Lehrmittelsammlungen untergebracht hatten“,<br />

erzählt Dr. Ralf-Torsten Speler von der <strong>Zentrale</strong>n<br />

Kustodie. Einige dieser Häuser gehören auch heute<br />

noch zum historischen Erbe der Stadt, etwa das<br />

Christian-Wolff-Haus oder das Riesenhaus am Großen<br />

Berlin, in dem die berühmte Anatomenfamilie<br />

Meckel Medizingeschichte schrieb.<br />

„Die ersten Institutsgebäude entstanden dann mit<br />

der Aufteilung der Lehre in einzelne Fachdisziplinen“,<br />

sagt Speler. Der große Bauboom begann im<br />

19. Jahrhundert, als u.a. das Institut für Physik am<br />

Friedemann-Bach-Platz, das Robertinum und das<br />

Löwengebäude entstanden. Die meisten der heute<br />

von der MLU genutzten Gebäude wurden jedoch<br />

im 20. Jahrhundert gebaut, wie die Grafik auf Seite<br />

17 zeigt. Daneben hat die Universität so einige<br />

städtische Gebäude als Mieter genutzt. Gelehrt<br />

und geforscht wurde z. B. in der <strong>Neue</strong>n Residenz<br />

(Klinik für Geburtshilfe, später Geologie), im neuen<br />

Leopoldina-Hauptgebäude (Geschichte, später<br />

Staatbürgerkunde) und sogar in der Moritzburg<br />

(Institut für Körpererziehung).<br />

3<br />

Wo wird zurzeit gebaut?<br />

Die prominenteste Baustelle für die Wissenschaft<br />

ist derzeit zweifellos das Geistes- und Sozialwissenschaftliche<br />

Zentrum (GSZ) am neu entstehenden<br />

scientia halensis 3/2012 titelthema<br />

Institut für Pharmazie<br />

(Foto: Michael Deutsch)<br />

Die Stephanuskirche ist<br />

für Horst-Dieter Foerster,<br />

Leiter der Abteilung 4, ein<br />

„Schicksalsgebäude“. Zweimal<br />

hat die Kirche voller Uni-<br />

Bibliotheksbücher in seiner<br />

Amtszeit gebrannt.<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

13


14 titelthema scientia halensis 3/2012<br />

Kaum ein Architekt hat<br />

das Stadtbild von Halle<br />

so geprägt wie Wilhelm<br />

Jost. Doktorand Matthias<br />

Homagk forscht über den<br />

Stadtbaurat und berichtet<br />

im Onlinemagazin. An<br />

gleicher Stelle berichten<br />

zwei Bewohnerinnen vom<br />

Harz 42 über das Leben<br />

im neuen Wohnheim.<br />

Mehr unter:<br />

www.magazin.uni-halle.<br />

de/category/titelthema/<br />

Burgstraße 6 | 06114 Halle (Saale)<br />

Tel 0345 68454394<br />

Montag — Freitag 10.00 — 18.30 Uhr<br />

Samstag 10.00 — 13.00 Uhr<br />

Alter Markt 1 —2 | 06108 Halle (Saale)<br />

Telefon 0345 1212491<br />

Montag — Freitag 10.00 — 19.00 Uhr<br />

Samstag 10.00 — 13.00 Uhr<br />

info@surfi n-bikeout.de<br />

www.surfi n-bikeout.de<br />

Steintor Campus. Über zehn Jahre lang war von<br />

einem Campus für Institute der Philosophischen<br />

Fakultäten I und II die Rede. Im April 2012 begann<br />

schließlich der Bau, unter Regie des Landesbetriebs<br />

Bau und Liegenschaftsmanagement Sachsen-Anhalt.<br />

Seitdem stand das Vorhaben häufiger in der<br />

Kritik: Etwa als wegen des Kostendeckels die geplante<br />

Bibliothek verkleinert wurde. Studierende<br />

kritisierten zudem fehlende Räume für Fachschaften<br />

und Institutsgruppen. In diesem Punkt haben<br />

sich Uni-Kanzler und studentische Vertreter im<br />

Dialog geeinigt: Eines der drei Gebäude vor Ort, die<br />

zurzeit saniert werden, baut die MLU nun für eine<br />

Nutzung durch Fachschaftsrat und Studierendenschaft<br />

aus. Im Mai schließlich wiesen die Behindertenvertreterin<br />

der MLU und der Personalrat darauf<br />

hin, dass die geplanten Neubauten gegen technische<br />

Normen der Barrierefreiheit verstießen. Flure und<br />

Treppen waren ursprünglich zu eng ausgelegt, die<br />

Pläne wurden inzwischen entsprechend angepasst.<br />

An allen Baubereichen wird nun parallel gearbeitet.<br />

Für den 18. Juli ist die Grundsteinlegung geplant –<br />

gemeinsam mit einem Sommerfest für alle am Projekt<br />

Beteiligten sowie für die Anwohner. 2014 sollen<br />

die Bauten am Steintor Campus bezugsfertig sein.<br />

Das zweite große Bauprojekt für die Universität<br />

entsteht ab 2013 am Weinberg Campus, in direkter<br />

Nachbarschaft zum Institut für Biochemie und Biotechnologie.<br />

Das Proteinzentrum Halle soll dort<br />

Arbeitsgruppen der Zellbiologie, der Proteinchemie<br />

und der Medizin zukünftig unter einem Dach zusammenführen.<br />

„Ich hoffe, dass wir 2015 die Projekte<br />

GSZ und Proteinzentrum abschließen können und<br />

damit die Flächen vorfinden, die zu unserer Universität<br />

gehören. Es bleiben dann die Sanierungsprojekte<br />

Chemie, Biochemie, Pharmazie, Geobotanik<br />

und Wirtschaftswissenschaften“, sagt Kanzler<br />

<strong>Martin</strong> Hecht. Fast fertiggestellt ist hingegen das<br />

Internationale Begegnungszentrum (IBZ) an der<br />

Emil-Abderhalden-Straße 7a. Gastwissenschaftler<br />

der Universität und aller anderen wissenschaftlichen<br />

Einrichtung in Halle werden hier gemeinsam<br />

mit ihren Familien wohnen und arbeiten können.<br />

Die Einweihung ist noch in diesem Jahr geplant.<br />

Und auch am Weinberg Campus wird gerade fleißig<br />

gebaut: Im März feierte das Fraunhofer-Center für<br />

Silizium-Photovoltaik (CSP) an der Otto-Eißfeldt-<br />

Straße Richtfest. Im kommenden Jahr soll das Forschungsgebäude<br />

bereits bezogen werden.<br />

4<br />

Das Löwengebäude: Vorzeigebau<br />

oder Sorgenkind?<br />

Wer heute das Löwengebäude betritt, den mag es<br />

überraschen, aber damals – 1843, als es eröffnet<br />

wurde – war das Gebäude „eine große Katastrophe“,<br />

sagt Dr. Ralf-Torsten Speler von der <strong>Zentrale</strong>n<br />

Kustodie der MLU. 40.000 Taler wollte der<br />

preußische König Friedrich III. für den ursprünglich<br />

dreiteilig geplanten Bau ausgeben. „Aber schon der<br />

Wir reparieren (fast) alles!


Mittelteil allein – das heutige Löwengebäude – kostete<br />

64.000 Taler!“, erzählt Speler. Das Baugeld war<br />

bereits aufgebraucht, noch bevor der Innenausbau<br />

fertig gestellt war. „Also wurden die Wände nur geweißt<br />

und in die Nischen stellte man schnell noch<br />

ein paar Philosophenbüsten.“ Viel schlimmer noch:<br />

Weder die <strong>Universitätsverwaltung</strong> noch die Toiletten<br />

hatten in dem Gebäude mit dem „unverhältnismäßig<br />

großen Treppenhaus“ Platz. Eine Senatskomission<br />

entschied sich dagegen, den knappen Raum<br />

für Pissoirs zu verschwenden. Die Studenten waren<br />

lange gezwungen, die Büsche im umliegenden Park<br />

zu nutzen. Bis heute hat das Hauptgebäude der<br />

Universität die meisten „Umstände“ gemacht. Es<br />

wurde am häufigsten saniert, ist mit den strengsten<br />

Denkmalschutzvorschriften belegt und muss einer<br />

Unmenge verschiedener Nutzerwünsche gerecht<br />

werden: „Dort läuft der Studentenbetrieb parallel<br />

zu einer Ausstellung und außerhalb der Dienstzeiten<br />

unserer Hausmeister wird eine Orgel betrieben ... Es<br />

ist nun mal das repräsentativste Gebäude der Universität“,<br />

sagt Horst-Dieter Foerster mit ein wenig<br />

Nachsicht in der Stimme. Denn solange der Bau von<br />

Ernst Friedrich Zwirner, dem letzten Architekten des<br />

Kölner Doms, seine Besucher immer wieder aufs<br />

<strong>Neue</strong> in Erstaunen und Entzücken versetzen kann,<br />

solange sei ihm seine kleine Sonderrolle unter den<br />

MLU-Gebäuden gegönnt.<br />

5<br />

Schrumpft die Uni?<br />

Die Uni schrumpft – zumindest in der Fläche: Schon<br />

vor acht Jahren haben Land und Hochschule vereinbart,<br />

die Flächen der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität<br />

um sechs Hektar zu reduzieren. „Wir bewirtschaf-<br />

ten derzeit etwa 210.000 Quadratmeter Fläche<br />

und haben im letzten Jahr in Zusammenarbeit mit<br />

der HIS GmbH auf Basis einer Bedarfsberechnung<br />

festgestellt, dass für unsere Universität die Zielzahl<br />

von 150.000 Quadratmeter mit den erwähnten<br />

Ergänzungen realistisch ist“, sagt Uni-Kanzler Dr.<br />

<strong>Martin</strong> Hecht.<br />

Aber wie passt eine Flächenreduktion zu den steigenden<br />

Studierendenzahlen? „Die Studierendenzahlen<br />

machen sich fachspezifisch unterschiedlich<br />

bemerkbar“, sagt <strong>Martin</strong> Hecht. Für die experimentellen<br />

Naturwissenschaften werde grundsätzlich<br />

ein höherer Flächenbedarf angesetzt. Die Überlast<br />

in geisteswissenschaftlichen Fächern wie Soziologie,<br />

Politik- oder Wirtschaftswissenschaften ist<br />

dem Uni-Kanzler jedoch bewusst. „Die Universität<br />

muss gut überlegen, ob sie die Überlast, die wir<br />

derzeit besonders in den Geisteswissenschaften<br />

fahren und die wir durch die Forderungen aus dem<br />

Hochschulpakt und damit aus dem politischen<br />

Umfeld erhalten, dauerhaft so weiter tragen können.<br />

Wenn, dann müssen wir auch gebäudeseitig<br />

etwas tun.“<br />

Auf zwei Wegen soll die universitäre Fläche bis<br />

2015 verkleinert werden: Ungenutzte Flächen will<br />

die MLU an das Land zurückgeben. Außerdem wird<br />

die Hochschule einen Großteil ihrer über die Stadt<br />

verteilten Institute zusammenführen. „Wir werden<br />

im Wesentlichen an vier Standorten im Stadtgebiet<br />

vertreten sein. Das sind der Universitätsplatz, der<br />

Steintor Campus, die Franckeschen Stiftungen und<br />

der Weinberg Campus.“ Den Vorteil dieser Entwicklung<br />

sieht der Kanzler vor allem in der neu geschaffenen<br />

räumlichen Nähe: „Ich denke, es ist nicht nur<br />

ein Sprichwort, dass gemeinsames Arbeiten beim<br />

Kaffee auf dem Flur beginnt. Räumliche Nähe ist<br />

ein wichtiger Eckpfeiler kooperativer Forschung<br />

und gemeinsam organisierter Lehre“. Corinna Bertz<br />

scientia halensis 3/2012 titelthema<br />

„Gemeinsames<br />

Arbeiten beginnt<br />

beim Kaff ee im Flur.<br />

Räumliche Nähe ist<br />

ein wichtiger Eckpfeiler<br />

kooperativer Forschung<br />

und Lehre“<br />

kanzler<br />

dr. martin hecht<br />

Kanzler <strong>Martin</strong> Hecht in<br />

Heide-Süd (Foto: Maike<br />

Glöckner)<br />

Kanzler <strong>Martin</strong> Hecht im<br />

Interview zu Uni-Bauten<br />

und zur Flächenplanung:<br />

WEBCODE MAG� 14421<br />

QR� CODE<br />

15


16 titelthema scientia halensis 3/2012


scientia halensis 3/2012 titelthema<br />

17


18 titelthema scientia halensis 3/2012<br />

Wider das Symmetriediktat<br />

Am Weinberg Campus wird gelehrt, gelernt, geforscht und gelebt. Aber in welchen Bauten eigentlich?<br />

Eine Architekturkritik in zwei Teilen.<br />

Das „Symmetriediktat“ der<br />

ehemaligen Heeresschule wird<br />

von der Mensa Heide-Süd<br />

und dem Hörsaalgebäude<br />

durchkreuzt. Beide Neubauten<br />

brechen aus der vorgegebenen<br />

Achse aus. (Foto: Michael<br />

Deutsch)<br />

Von Preußenkönig Friedrich Wilhelm abwärts verschrieb<br />

der hallesche Medizinprofessor Friedrich<br />

Hoffmann seinen Patienten die nach ihm benannten<br />

Tropfen und predigte die „herrliche Kraft“ von Selterswasser.<br />

Er selbst trank lieber Wein vom eigenen<br />

Weinberg. Und der lag dort, wo der „Weinberg Campus“<br />

der naturwissenschaftlichen Fakultäten und<br />

obendrein der Kliniken der halleschen Universität<br />

heute noch seinem Geist verpflichtet ist.<br />

In parkähnlicher Landschaft statt zwischen Rebstöcken<br />

gehen da täglich rund 5.000 und mehr<br />

Studenten und Dozenten in Instituten und Forschungseinrichtungen<br />

ein und aus. Aufstrebende<br />

Technologieschmieden verwerten die Erkenntnisse<br />

gleich weiter. Die rasante Entwicklung des Areals<br />

ist in den Bauten gespiegelt. An der Hausnummer<br />

1 der Straße, die Weinberg heißt, steht sogar noch<br />

Hoffmanns Weinberghäuschen, ein Lustschloss en<br />

miniature aus der Mitte des 18. Jahrhunderts mit<br />

seitlich zum Vorhof gruppierten Pavillons.<br />

In den fünfziger Jahren begann die Universität, ihre<br />

medizinisch-naturwissenschaftliche Forschung in<br />

stadtferne Abgeschiedenheit umzusiedeln. Doch die<br />

war auch ein Grund, dass sich 1844 die „Königlich-<br />

Preußische Provinzial-Irrenanstalt“ nahe dem Dorf<br />

Nietleben niederließ. Es war die Irrenanstalt, die<br />

den Keim zum Wissenschaftsbetrieb im Weinbergviertel<br />

legte. Doch ist seit einigen Jahren so gut wie<br />

nichts mehr von ihr übrig – ein Umstand, auf den<br />

zurückzukommen ist.<br />

Unter anderen Vorzeichen baute 1934 bis 1937<br />

der NS-Staat unweit davon eine symmetriebetonte<br />

Anlage. Die „Heeres- und Luftnachrichtenschule“<br />

diente unverblümt der Kriegsvorbereitung. Der militärische<br />

Geist ist dem Appellhofplatz anzusehen,<br />

an dessen Seiten die dreiflügeligen Schulbauten<br />

angeordnet sind. Das Einschüchterungspathos von<br />

NS-Bauten ist aber von der „Luftwaffenmoderne“<br />

überlagert, mit der Bauherr wie Architekt ihre technokratische<br />

Sonderstellung betonten. Dafür steht<br />

vor allem der Flughafen Berlin Tempelhof, den Ernst<br />

Sagebiel (1892 bis 1970) ein Jahr später entwarf. In<br />

Halle atmen die klassizistische Strenge der Gebäude<br />

und Fassaden, das Pergolamotiv und die symmetrische<br />

Anlage noch den bodenständigen Geist von<br />

Heinrich Tessenows Dresdner Landesschule von


1925, wie der hallesche Denkmalpfleger Holger<br />

Brülls in seinem „Architekturführer Halle“ anmerkt,<br />

dem einzigen, der dem Weinberg Campus architekturkritische<br />

Aufmerksamkeit widmet.<br />

Im Offizierskasino, ebenfalls von Sagebiel, lohnt<br />

im Foyer der Blick auf die geschwungene einhüftige<br />

Treppe. Einem Nachhall davon wird man auf<br />

dem Weinberg Campus noch mehrfach begegnen.<br />

Die denkmalpflegerische Restaurierung der Heeresschule<br />

hat sie ungeachtet ihrer Bestimmung<br />

für verschiedene naturwissenschaftliche Institute<br />

äußerlich in ihren martialischen Urzustand zurückversetzt.<br />

Sagebiels Symmetriediktat wird aber<br />

städtebaulich mit den Neubauten von Mensa (2011,<br />

von Gernot Schulz) und Hörsaalgebäude (2010, von<br />

Hartmann & Helm) durchkreuzt: Westlich vom Hof<br />

brechen sie auf offenem Gelände aus der vorgegebenen<br />

Achse aus. Architektonisch liegen sie in ihrer<br />

Schachtelform im Modetrend, und Schulz zitiert<br />

mit der tief eingeschnittenen, über Eck geführten<br />

Glasfassade sein eigenes Audimax von 1999 am<br />

Universitätsplatz. Nüchternheit ist derzeit Mittel<br />

der Wahl für Bauten der Wissenschaft. In der Walter-Hülse-Straße<br />

haben die Münchner Architekten<br />

Beeg, Geselbrecht, Lemke den reichlich konventionellen<br />

Bürotrakt des 2007 eröffneten Fraunhofer<br />

Instituts für Werkstoffmechanik hinter die Maschinenhalle<br />

gestellt, die als kahler Riegel an die Straße<br />

gerückt ist. Passanten können durch Schaufenster<br />

das Tüfteln der Wissenschaftler an zyklopischen<br />

Gerätschaften beobachten. Was unweit im fensterlosen<br />

Kubus des „Reinstraums“ am Gebäude III<br />

des Technologie- und Gründerzentrums (TGZ) vor<br />

sich geht, ist dagegen nur im Blick auf die flächendeckende<br />

Folie zu erahnen, die die mikroskopische<br />

Vergrößerung einer Oberflächenstruktur zeigt. Die<br />

allumfassende Tätowierung auf der Glasfassade der<br />

Cottbuser Unibibliothek von Herzog und de Meuron<br />

mag bei dieser Idee des halleschen Bildhauers<br />

Bernd Göbel Pate gestanden haben. Baulich steht in<br />

Cottbus immerhin noch die amöbenhafte Form für<br />

gestalterischen Anspruch, der hier durch Siebdruck<br />

ersetzt wird. Für das 2006 eröffnete Nanotechnologiezentrum<br />

des Dortmunder Architekturbüros<br />

Assmann wurde die „Irrenanstalt“ abgerissen. Für<br />

die Entwicklung des Weinberg Campus war dies<br />

eine folgenschwere Entscheidung. Die Leitung des<br />

TGZ setzte sich mit ihren Argumenten gegen den Erhalt<br />

der leer stehenden Gebäude durch, alternative<br />

Standorte wurden verworfen. Für einen Magnet für<br />

die wissenschaftliche Avantgarde wurde der eigenwillige<br />

Reiz der Anstaltsbauten geopfert. Die hätten<br />

das Potential gehabt, dem Campus ein markantes<br />

Herzstück von großer Aufenthaltsqualität für studentisches<br />

Leben zu geben. Ohne Laborwürfel und<br />

Hinweisschild wäre die Architektur des Nanozentrums<br />

kaum als wissenschaftsspezifisch zu erkennen.<br />

Im benachbarten Gebäude II des TGZ nimmt<br />

dagegen das Münsteraner Architektenduo Bolles<br />

und Wilson am Ende der neunziger Jahre noch einmal<br />

die Zeitströmung auf, Gebäude mit technoiden<br />

Details zu beleben. An seiner städtebaulichen Scharnierlage<br />

bietet es dem Auge dann allerdings kein<br />

ausreichend starkes Motiv, was auch die Farbmuster<br />

der Fensterbrüstungen zur Straßenseite nicht zu<br />

retten vermögen. Günter Kowa<br />

scientia halensis 3/2012 titelthema<br />

Im zweiten Teil widmet<br />

sich Günter Kowa u.a.<br />

dem Biologicum, dem<br />

Biotechnikum und den<br />

Instituten für Chemie und<br />

Pharmazie. (Heft 4/2012)<br />

19


20 studieren, lehren, leben scientia halensis 3/2012<br />

studieren, lehren, leben<br />

Begehrte Rädchen<br />

im Lehrgetriebe<br />

Beinahe jeder Studiosus kommt früher oder später in Berührung mit dem Veranstaltungsformat Tutorium.<br />

Die Varietät derartig betitelter Veranstaltungen ist groß – sie werden als Diskussionsrunden, Praxisstunden,<br />

Nachhilfe oder Zusatz-Seminare definiert und lassen sich kaum auf einen Nenner bringen. scientia halensis hat<br />

versucht, dem Chamäleon unter den Lehrveranstaltungen auf die Spur zu kommen.<br />

Im Tonstudio kennt er sich<br />

aus: Audio-Tutor Jörg Langguth<br />

(links im Bild).<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

Freitag, 14.15 Uhr im Mitteldeutschen Multimediazentrum.<br />

Es ist einer von neun Terminen pro Semester,<br />

bei denen Jörg Langguth, Magisterstudent<br />

der Medien- und Kommunikationswissenschaften<br />

(MuK), Psychologie und der Berufsorientierten<br />

Linguistik im interkulturellen Kontext, mit 15 bis 20<br />

Erstsemestern Aufgaben im Bereich „Audio“ behan-<br />

delt. Die Studierenden sitzen an iMacs und folgen<br />

seinen Anweisungen auf der Leinwand. Es gilt, den<br />

Beitrag eines Kindes zu einer wohlgeformten Wortmeldung<br />

zurechtzuschneiden. Jörg Langguth ist seit<br />

sechs Semestern einer von zwei als studentische<br />

Hilfskraft am Department für Medien und Kommunikation<br />

der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität angestellten


Audio-Tutoren. Neben zwei weiteren Tutorien zu<br />

den Themen Video und Multimedia ist das Audio-Tutorium<br />

obligatorischer Teil der medienpraktischen<br />

Ausbildung im Bachelorstudiengang MuK. „In Seminaren<br />

werden theoretische Grundlagen vermittelt,<br />

in Tutorien erlernt man das Handwerkszeug“, erklärt<br />

der 27-Jährige.<br />

Langguth legt vor allem darauf Wert, den Studierenden<br />

auf gleicher Augenhöhe zu begegnen. „Die<br />

Tutanden, die gerade mit ihrem Studium beginnen,<br />

nehmen mich anfangs eher als Dozenten wahr. Ich<br />

bemühe mich stets darum, diese Distanz zu verringern.“<br />

Das gelingt ihm insbesondere dadurch, dass<br />

er persönliche Erfahrungen teilt und Anwendungsbeispiele<br />

aufzeigt. „Das theoretisch Erlernte von der<br />

abstrakten auf eine praktische, lebensnahe Ebene<br />

zu übertragen, liegt mir besonders am Herzen, da<br />

es das ist, was mir im Magisterstudium oft gefehlt<br />

hat. Mir war häufig nicht klar, wozu ich das gerade<br />

lerne – was ich damit später mal machen kann“,<br />

berichtet Langguth.<br />

Das hat einen weiteren positiven Effekt: „Wissen die<br />

Studierenden, wozu sie diese Dinge lernen, erhält<br />

das Studium für den Einzelnen sehr viel mehr Sinn.<br />

Sie sind deutlich motivierter, bringen mehr Eigeninitiative<br />

auf. Dadurch wird auch die Zusammenarbeit<br />

im Tutorium merklich entspannter und effizienter.“<br />

Für Robert Berger, Student der Lebensmittelchemie<br />

an der MLU, sieht es in seinem Fachbereich etwas<br />

anders aus. Gehören Tutorien etwa im Bereich der<br />

Medienwissenschaften fest zum Studienalltag der<br />

Bachelor in spe, sind sie in der Lebensmittelchemie<br />

ein Novum.<br />

Seit dem Wintersemester 2011/2012 ist Berger als<br />

studentische Hilfskraft bei Prof. Dr. Marcus Glomb,<br />

Inhaber des Lehrstuhls für Lebensmittelchemie,<br />

über Fördermittel aus dem MINT-Programm als Tutor<br />

für das Hauptfach Lebensmittelchemie beschäftigt.<br />

Mit den Studierenden wiederholt er die Theorie<br />

aus Seminaren und Vorlesungen und bespricht die<br />

Vorgänge aus den Laborpraktika.<br />

„Das Tutorium ist das erste dieser Art in unserem<br />

Fachbereich, die Nachfrage ist groß“, berichtet der<br />

24-Jährige. Das bestätigen die Zahlen: „80 bis 90<br />

Prozent der Studierenden haben regelmäßig teilgenommen<br />

und eigentlich durchweg ein positives<br />

Feedback gegeben“, so Berger. Auch Professor<br />

Glomb, der die Fördermittel jedes Semester neu<br />

beantragen muss, zeigt sich zufrieden: „Die Erfolgsquote<br />

der Prüfungen ist gestiegen, das Tutorium<br />

scientia halensis 3/2012 studieren, lehren, leben<br />

lohnt sich durchaus.“ Mehrbedarf an Tutorien hat<br />

Berger auch in anderen naturwissenschaftlichen<br />

Bereichen feststellen können. Seit seinem dritten<br />

Fachsemester bietet er Medizin- und Zahnmedizinstudierenden<br />

gegen eine geringe Aufwandsentschädigung<br />

private Nachhilfe-Tutorien in Chemie<br />

und inzwischen auch in Biochemie an – wahlweise<br />

über das ganze Semester oder in Form von “Crashkursen“.<br />

Mit maximal fünf Teilnehmern sind seine<br />

Gruppen sehr klein. „So kann ich gezielt da einsteigen,<br />

wo es brennt, und dialogisch Fragestellungen<br />

mit den Studenten bearbeiten“, sagt der angehende<br />

Examenskandidat.<br />

Selbstzahler-Tutorien – die Zukunft?<br />

Mehr Beteiligung der Studierenden in Tutorien sei<br />

allerdings wünschenswert. „Die Einstellung zum<br />

Selbststudium hat sich gewandelt. Von einzelnen<br />

Studierenden kann weniger gefordert werden wegen<br />

höherer Studierendenzahlen“, glaubt Berger. „In<br />

meinen Tutorien versuche ich, die Studenten dazu<br />

etwas anzukurbeln, indem ich sie Übungsaufgaben,<br />

aber auch ihre eigenen Fragestellungen selbst lösen<br />

lasse.“<br />

Seine Medizin studierenden Tutandinnen sind sehr<br />

froh über das private Angebot. „Seminare sind zum<br />

Aufarbeiten des Stoffes wenig hilfreich. Kleine Tutorien<br />

wie Roberts, die man auch kurz vor der Prüfung<br />

in Anspruch nehmen kann, sind deutlich effizienter“,<br />

findet Constanze Cavalier. „Die Tutorien sind sehr<br />

sinnvoll. Sie haben mir im letzten Semester auch<br />

durch Physik geholfen“, meint Luise Drewas. Außerdem<br />

gefällt es ihr, von Studierenden unterrichtet<br />

zu werden. „Sie haben spezielle Tipps, worauf<br />

gesteigert Wert gelegt wird, und die Atmosphäre<br />

ist entspannter.“<br />

Während beide grundlegend bereit sind, für Nachhilfe<br />

in Form zusätzlicher Tutorien zu zahlen, wünschen<br />

sie sich doch offizielle Anlaufstellen und mehr<br />

Unterstützung vonseiten der Fachschaft: „Es wäre<br />

schön, wenn einem vom Fachschaftsrat zumindest<br />

anteilig etwas von dem Geld zurückerstattet werden<br />

würde, denn manch einer besucht mehrere<br />

Tutorien. Das kann sich ganz schnell summieren“,<br />

so Luise Drewas. Die Chancen, dass dieser Wunsch<br />

in Erfüllung geht, stehen nicht schlecht: Auch Prof.<br />

Dr. Stefan Ebbinghaus vom Institut für Chemie der<br />

MLU, der eine Vorlesung für Medizinstudierende<br />

21


22 studieren, lehren, leben scientia halensis 3/2012<br />

hält, bekommt vermehrt Anfragen von seinen Studierenden<br />

nach Tutorien oder Nachhilfe-Unterricht.<br />

„Ich wandte mich an den Fachschaftsrat Chemie<br />

mit der Frage, ob es möglich wäre, ein Tutorium für<br />

die vielen an meiner Vorlesung teilnehmenden Studenten<br />

zu organisieren. Leider fanden sich in dem<br />

Semester aber nur zwei Tutoren“, so Ebbinghaus.<br />

Daher habe man mit Vertretern aus Medizin und<br />

Physik beschlossen, künftig frühzeitig hinreichend<br />

viele Tutorien in den für Medizinstudierende relevanten<br />

Nebenfächern zu organisieren, da trotz der<br />

zusätzlich zu den Vorlesungen stattfindenden Seminare<br />

der Bedarf groß ist. „Die Studenten sollen bei<br />

Inanspruchnahme vier Euro pro Sitzung an den Tutor<br />

zahlen. Am Ende des Semesters können sie sich<br />

zwei Euro pro besuchter Sitzung vom Fachschaftsrat<br />

zurückerstatten lassen“, erklärt der Professor für<br />

Anorganische Chemie. „Das ist die einfachste Weise,<br />

den Mehrbedarf zu decken für eine nahezu symbolische<br />

Aufwandsentschädigung von zwei Euro.“<br />

So divers Tutorien an der Universität in Erscheinung<br />

treten, gemein ist allen, dass sie von Studierenden<br />

vergleichsweise höherer Semester durchgeführt<br />

werden. Das Format erfreut sich großer Beliebtheit<br />

wegen tendenziell kleinerer Gruppenstärken,<br />

vor allem aber aufgrund der<br />

Begegnung auf gleicher Augenhöhe.<br />

Für Studierende, die zu Tutoren avancieren,<br />

scheint es ein nicht allzu kompliziertes „learning<br />

by doing“ durch die eigene zeitliche<br />

und perspektivische Nähe. Geschenkt sei<br />

es dennoch nicht: „Man sollte ein Tutorium<br />

mindestens zwei oder drei Semester lang<br />

durchführen um herauszufinden, bei was<br />

die Studierenden wirklich Hilfe brauchen“,<br />

empfiehlt Jörg Langguth. Belohnt wird man<br />

für die Lehrtätigkeit nicht nur mit einer Referenz<br />

im Lebenslauf. Für Robert Berger ist die<br />

Wiederholung des Stoffes zugleich eine gute<br />

Vorbereitung auf das Staatsexamen. Aber<br />

mehr noch: „Ich hätte mir früher keineswegs<br />

vorstellen können, nach dem Abschluss an<br />

der Universität oder an anderer Stelle zu<br />

lehren. Durch die Tätigkeit als Tutor habe ich<br />

jedoch festgestellt, dass das sehr viel Freude<br />

bereiten kann.“ Melanie Zimmermann<br />

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Was sind Tutorien überhaupt?<br />

Frau Professor Mierendorff, was sind Tutorien?<br />

Welche Bedeutung kommt ihnen zu?<br />

Ein Tutorium ist ein Ort für die Auseinandersetzung<br />

mit Veranstaltungsinhalten, an dem eine kleine<br />

„peer group“ eine freie Diskussion über den Stoff<br />

einer Veranstaltung führen kann. Dabei geht es um<br />

nachvollziehende Verstehensprozesse vor dem Hintergrund<br />

eigener Erfahrungen, die ein wesentlicher<br />

Teil von Selbstbildungsprozessen sind. Es können<br />

relevante Inhalte noch einmal diskutiert, reflektiert<br />

und eingeordnet werden; der Einzelne kann sich<br />

in der Gruppe verstehend, nachvollziehend und<br />

anwendend mit den Themen auseinandersetzen.<br />

Denn das Zuhören in Vorlesungen, das Lesen und<br />

das Üben am eigenen Schreibtisch unterscheiden<br />

sich stark vom Verständnisgewinn in der Gruppe.<br />

Daher haben Tutoriumsgruppen zentrale Bedeutung<br />

im Studium, wenn es um die Frage geht: Wie<br />

erschließt man sich Texte, Theorien, Modelle – also<br />

Wissen? Wie gewinnt man Erkenntnisse, die über<br />

das Auswendiglernen von Fakten hinausgehen?<br />

Welche Rolle spielen dabei die Tutoren, welche die<br />

Dozenten?<br />

Der Tutor ist Teil der Gruppe, der erfahrener und<br />

noch näher an den schwierigen ersten Schritten der<br />

akademischen Wissenserschließung von Studierenden<br />

dran ist. Er ermöglicht vor allem Studierenden,<br />

die sich in großen Gruppen nicht zu sprechen trauen,<br />

eigene Gedanken zu formulieren. Und er steht<br />

in engem Austausch mit dem Dozenten über Inhalte<br />

und Ziele von Veranstaltungen, kann also als Bindeglied<br />

verstanden werden.<br />

Dozenten müssen daher kluge Konzepte der Tutorienbetreuung<br />

entwickeln. Jeder Dozent, der Tutoren<br />

hat, sollte sich mit diesen vorher oder parallel zusammensetzen,<br />

über Inhalte, Ziele und Didaktik<br />

sprechen. Nur so kann eine Integration von Vorlesung<br />

und Tutorium ermöglich werden.<br />

scientia halensis 3/2012 studieren, lehren, leben<br />

Tutorien können vieles sein – Praxisübung, Wiederholungskurs, Diskussionsrunde. Oder geht man mit dem<br />

Begriff zu freizügig um? scientia halensis hat Prof. Dr. Johanna Mierendorff vom Institut für Pädagogik der<br />

MLU befragt.<br />

Wodurch unterscheidet sich ein Tutorium von Formaten<br />

wie Nachhilfe oder Praxisstunden?<br />

Das lässt sich nur inhaltlich bestimmen. Ein Tutorium<br />

ist nicht primär oder ausschließlich auf den<br />

Abschluss einer Prüfung gemünzt, ist also in diesem<br />

Sinne keine Nachhilfe.<br />

Als freie, nachvollziehende, rekonstruierende, verstehende<br />

Diskussion präsentierten Stoffes eröffnet<br />

das Tutorium einen Raum, über Gegenstände nachzudenken,<br />

Fragen zu stellen – und zwar laut mit<br />

Kommilitonen. Das ist eine Voraussetzung für neue<br />

Erkenntnisse, für Bildungsprozesse im Rahmen eines<br />

universitären Studiums.<br />

Interview: Melanie Zimmermann<br />

Kontakt: Prof. Dr. Johanna Mierendorff<br />

Institut für Pädagogik<br />

Telefon: 0345 55 23788<br />

E-Mail: johanna.mierendorff@paedagogik.uni-halle.de<br />

Prof. Dr. Johanna Mierendorff<br />

(Foto: privat)<br />

Tutorien - „ein Raum<br />

für freie Diskussion“ oder<br />

„Prüfungsvorbereitungskurs“?<br />

Sinnvoll oder<br />

unnötig? Diskutieren Sie<br />

mit unter: www.magazin.<br />

uni-halle.de/14407 oder<br />

auf www.facebook.com/<br />

scientiahalensis.<br />

23


24 studieren, lehren, leben scientia halensis 3/2012<br />

Das Interview mit Jacqueline<br />

Kattner und die anderen<br />

Gewinnerfotos online unter:<br />

www.magazin.uni-halle.<br />

de/14238 und /14265<br />

QR� CODE<br />

Berge, Gletscher, Fjorde<br />

„Die meiste Zeit waren wir auf Exkursion“, sagt<br />

Jacqueline Kattner, Gewinnerin des Erasmus-Fotowettbewerbs<br />

2012, über ihr Studium in Norwegen.<br />

Ihr Bild entstand auf dem Jostedalsbreen, dem<br />

größten europäischen Festlandgletscher. Über das<br />

Wandern im Dunkeln, Reisen an den Polarkreis und<br />

andere Erlebnisse ihres Erasmusaufenthalts hat die<br />

Geographie- und Soziologiestudentin im Onlinemagazin<br />

gesprochen. cb<br />

<strong>Neue</strong>r Master<br />

Im Wintersemester 2012/2013 startet der neue<br />

Studiengang „Erneuerbare Energien“ an der MLU.<br />

In dem interdisziplinären Masterstudium sollen pro<br />

Semester 20 Studierende aus verschiedenen naturwissenschaftlichen<br />

Fächern ausgebildet werden. So<br />

können nicht nur Physiker, sondern auch Chemiker<br />

oder Ingenieure den Master belegen. Fehlende<br />

Vorkenntnisse werden innerhalb des Studiums<br />

nachgeholt: „Wir testen die Eignung der Bewerber<br />

anhand von Gesprächen im Vorfeld“, sagt Prof. Dr.<br />

Roland Scheer, der den Studiengang mit konzipiert<br />

hat. Anhand der Gespräche könne man dann die<br />

Vorlesungen nach den Bedürfnissen der Studierenden<br />

ausrichten.<br />

Im Studium lernen sie nicht nur Gebiete der Photovoltaik<br />

kennen, sondern auch andere Bereiche<br />

der erneuerbaren Energien, wie Windenergie oder<br />

Wasserkraft. Nachdem die Studierenden im ersten<br />

Jahr die nötigen Grundkenntnisse erworben haben,<br />

sollen sie im dritten und vierten Semester in die<br />

Forschung einbezogen werden. Vom Konzept des<br />

Studiengangs ist Scheer überzeugt: „Es gibt noch<br />

keinen Studiengang, der die naturwissenschaftlichen<br />

Aspekte der Energieumwandlung derart in<br />

den Fokus stellt. Da wir den Ausgangspunkt in physikalischen<br />

und chemischen Grundlagen nehmen,<br />

haben wir ein Alleinstellungsmerkmal innerhalb der<br />

Bundesrepublik.“ tl


Per Tandem über Sprachbarrieren<br />

Li Shuo, Felix Keitel, Yanling Peng und Clemens Oerding<br />

kennen sich zwar erst seit ein paar Wochen,<br />

doch sind sie bereits ein eingestrampeltes Team. Auf<br />

einem normalen Tandem, mit dem man auf ebenen<br />

Flächen eine größere Geschwindigkeit als mit einem<br />

normalen Rad erreichen kann, heißt der vordere Fahrer<br />

Kapitän, denn er bestimmt die Richtung, und der<br />

hintere Heizer, denn er strampelt stur in die Pedale.<br />

Doch ihr Tandem ist kein gewöhnliches.<br />

Schließlich sitzt beim deutsch-chinesischen Team<br />

keiner vorn oder hinten und eigentlich sind sie auch<br />

noch nie zusammen ein Tandem gefahren. Kennengelernt<br />

haben sich die zwei Deutschen und die zwei<br />

Chinesen Mitte April bei einem vom Internationalen<br />

Büro der MLU organisiertem Stammtisch in der<br />

Evangelischen Studentengemeinde (ESG). „Uns haben<br />

über unsere Deutschkurse hinaus immer wieder<br />

Studenten gefragt, ob wir auch Lernpartner vermitteln.<br />

Daraufhin haben wir das Pilotprojekt gestartet<br />

und unterstützen nun 15 Teams mit Lehrmaterialien<br />

und Hilfe bei Problemen wie unterschiedlichen<br />

Sprachkenntnissen“, erklärt Gritt Eisenkopf vom Internationalen<br />

Büro.<br />

Bei den Studenten kommt das Projekt gut an. Die<br />

erste Veranstaltung wurde von über 70 Interessierten<br />

besucht. Neu ist die Idee jedoch nicht, Tandems<br />

gibt es wahrscheinlich schon so lange wie internationale<br />

Studenten in der Stadt sind. Sprachpatenschaften<br />

vermittelt an der MLU bereits die Onlineplattform<br />

„ContactUs“, eine Service-Webseite für<br />

ausländische Studierende, seit vielen Jahren. Aktuell<br />

gibt es etwa 1600 Internationale und Tandems sind<br />

gefragter denn je. „Wir sind uns jetzt schon sicher,<br />

dass das Projekt im Wintersemester weitergeführt<br />

werden soll“, sagt Elli Mack, die zusammen mit Regine<br />

Brandt, Christiane Hess und Gritt Eisenkopf die<br />

Tandemteams koordiniert.<br />

Für die beiden Medizinstudenten Clemens und<br />

Felix, die seit diesem Semester in der Volkshochschule<br />

Mandarin (Hochchinesisch) lernen, war der<br />

Abend in der ESG die Gelegenheit, mit chinesischen<br />

Muttersprachlern in Kontakt zu kommen und erste<br />

Gespräche in der neu erlernten Sprache zu führen.<br />

Neben Chinesen und Deutschen waren Araber, Slowaken,<br />

Russen, Franzosen und Japaner gekommen,<br />

um einen Lernpartner zu finden. Die Vorteile einer<br />

solchen Verbindung sind genauso vielseitig wie die<br />

scientia halensis 3/2012 studieren, lehren, leben<br />

Nationalitäten der Tandemsuchenden. „Wir lernen<br />

die Kultur kennen und bekommen seitdem endlich<br />

Antwort auf alle Fragen“, nennen die beiden Deutschen<br />

gleich zwei Gründe. Denn nicht nur die deutsche,<br />

auch die chinesische Sprache hat ihre Tücken.<br />

Neben tausenden Schriftzeichen kann man durch<br />

die falsche Betonung leicht in ein Fettnäpfchen treten.<br />

So bedeutet das Wort „ma“ je nach Betonung<br />

Mutter, Pferd, Ärger oder ein Schimpfwort, das hier<br />

nicht genannt werden soll.<br />

Auch für Li, der „Biodemical Engineering“ im zweiten<br />

Semester studiert und nach dem Studium in<br />

Deutschland arbeiten will, und für Yanling, die während<br />

ihrer Promotion mindestens vier Jahre hier<br />

bleiben will, sind die Treffen mit Clemens und Felix<br />

neben ihren Unideutschkursen sehr wichtig, weil<br />

„die Tandempartner eine große Geduld mitbringen<br />

und man mehr Zeit hat zu sprechen, als im Unterricht“.<br />

Und erste Fortschritte sind bereits sichtbar.<br />

„Wir führen einfache Gespräche, lernen die Uhrzeiten<br />

und Wegbeschreibungen. Wir treffen uns<br />

jeden Mittwoch und haben nicht nur sprachlich viel<br />

dazugewonnen, sondern uns auch kennen gelernt“,<br />

sagen die vier Studenten. So traf man sich vor ein<br />

paar Wochen zu einem richtigen Barbecue auf der<br />

Peißnitz. Kurz darauf hatte Yanling zu einem traditionellen<br />

chinesischen Essen eingeladen. Gegessen<br />

wurde natürlich mit Stäbchen. Christopher Braemer<br />

Kontakt: Gritt Eisenkopf / Elli Mack<br />

Internationales Büro<br />

Tel: 0345 55 21537<br />

E-Mail: hkservice@international.uni-halle.de<br />

Ein deutsch-chinesisches<br />

Vierer-Tandem im Einsatz:<br />

Die vier MLU-Studierenden<br />

bei ihrem wöchentlichen<br />

Treffen. (Foto: Christopher<br />

Braemer)<br />

Mehr: www.erasmus.unihalle.de/aktuelles<br />

25


26 studieren, lehren, leben scientia halensis 3/2012<br />

„Für Elise? Aber nur<br />

mit Heavy Distortion!“<br />

Mit den Scorpions hat es einmal angefangen, das Fieber, das Professor Dr. Bruno Glaser bis heute nicht losgelassen<br />

hat. Denn neben der Forschung um Terra Preta-Böden und Biokohle gehört die Leidenschaft des Bodenkundlers<br />

ganz klar Rock und Heavy Metal. Mit seiner Band „Cookies’n’Beer“ hat er einst ganz Bayreuth zum<br />

Toben gebracht. Für scientia halensis hat er sein Fotoalbum und seine CD-Sammlung geöffnet.<br />

Bild rechts:<br />

„Wenn ich könnte, würde<br />

ich wahrscheinlich<br />

den ganzen Tag Gitarre<br />

spielen.“ Professor Bruno<br />

Glaser mit E-Gitarre<br />

im Labor. (Foto: Maike<br />

Glöckner)<br />

Hörproben und Bilder von<br />

Glasers Band Cookies’n’Beer<br />

im Onlinemagazin:<br />

WEBCODE MAG� 14414<br />

QR� CODE<br />

„Ein Faible für Rockmusik hatte ich eigentlich schon<br />

immer“, erinnert sich Bruno Glaser, der seit 2009 in<br />

Halle am Bereich für Bodenbiogeochemie forscht<br />

und lehrt. Sein jüngerer Bruder hat ihn auf den<br />

Geschmack gebracht. Mit einer CD der Scorpions.<br />

„Das war sozusagen mein Einstieg in diese Art von<br />

Musik“, sagt der Bayreuther. „Und bald habe ich<br />

auch Gefallen an härteren Sachen – Heavy Metal<br />

und Alternative Rock – gefunden.“ Metallica, Rage<br />

Against the Machine und Tool sind Glasers Lieblingsbands<br />

– und musikalische Inspiration zugleich.<br />

„Während des Studiums habe ich mit einem Kommilitonen<br />

zusammengewohnt, der E-Gitarre spielte“,<br />

erzählt Glaser. „Er hat mir ein paar Griffe und Songs<br />

gezeigt, da war es um mich geschehen.“ Bald darauf<br />

hat sich Glaser seine erste eigene Gitarre gekauft.<br />

Eine Stratocaster, die bis heute wohl meistgespielte<br />

E-Gitarre der Welt. Er begann, sich Akkorde und<br />

Griffe selbst beizubringen und Songs seiner Lieblingsbands<br />

nachzuspielen. „Denn manchmal dachte<br />

ich mir: Hey, ein cooler Song, aber das geht doch<br />

besser, noch härter“, erzählt Glaser. „Aber natürlich<br />

habe ich auch schon Weihnachtslieder oder ‚Für Elise’<br />

gespielt. Aber nur mit Heavy Distortion!“<br />

Durch Zufall ist er dann auf eine Zeitungsannonce<br />

gestoßen: Gitarrist gesucht. „Begonnen haben<br />

wir, wie der Bandname Cookies’n’Beer schon andeutet,<br />

mehr oder weniger professionell im Keller<br />

bei Bier und Keksen“, berichtet Glaser mit einem<br />

verschmitzten Lächeln. Der Klassiker „Knocking on<br />

Heaven’s Door“ war einer der ersten Songs, bald<br />

folgten eigene Kompositionen. „Vor allem unser<br />

Drummer wollte aber schnell mehr. So kamen wir<br />

zu unserem ersten Gig in der Uni Bayreuth.“<br />

Und der kam so gut beim Publikum an, dass<br />

Cookies’n’Beer bald fast jedes Wochenende die<br />

Kneipen und Bars in Bayreuth unsicher gemacht<br />

haben. „Das hat am Anfang einen Riesenspaß gemacht.<br />

Mit der Zeit wurden die Auftritte aber schon<br />

anstrengend. Aufbau, Soundcheck, Auftritt und<br />

Abbauen nahmen fast das ganze Wochenende in<br />

Anspruch“, erzählt Glaser ein wenig traurig. „Unser<br />

Sänger und ich – über beide Ohren mit der Promotion<br />

beschäftigt – wollten etwas ruhiger treten, der<br />

Rest der Truppe aber hatte Blut geleckt. So trennte<br />

sich die Band leider.“<br />

Seither spielt Glaser meist nur noch für den Hausgebrauch.<br />

„Wenn ich abends von der Uni kam, vom<br />

Labor völlig fertig war und eigentlich nichts mehr<br />

ging, hat das Musikmachen mich befreit“, erklärt<br />

er. Das Prinzip Abschalten funktioniere auch heute<br />

noch. „Wenn ich könnte, würde ich wahrscheinlich<br />

den ganzen Tag nur Gitarre spielen“, scherzt der<br />

Rock- und Metal-Fan, dessen Musiksammlung um<br />

die 500 CDs umfasst. An der nötigen Zeit hapert<br />

es dem Wissenschaftler jedoch oft. „Zwischen Projekten<br />

in Halle und Bayreuth, Lehre und Familie ist<br />

das Musikmachen ins Hintertreffen geraten.“ Aber<br />

es juckt Glaser noch kräftig in den Fingern. Zumal<br />

er jüngst eine neue Musikrichtung für sich entdeckt<br />

hat: Crossover mit Elementen der klassischen Musik,<br />

wie sie etwa die Rocker von Evanescence spielen.<br />

„Die Noten habe ich schon“, frohlockt der Autodidakt,<br />

der sich zum Einstudieren der Songs gern mal<br />

bei Youtube ein paar Griffe abschaut. „Und wenn<br />

man als Rockgitarrist den Verzerrer anschaltet, sind<br />

falsche Töne ja auch nicht mehr so offensichtlich“,<br />

fügt er mit einem Zwinkern hinzu. Claudia Misch


scientia halensis 3/2012 studieren, lehren, leben<br />

27


28 forschen und publizieren scientia halensis 3/2012<br />

forschen und publizieren<br />

Forschen zwischen<br />

Krieg und Krise<br />

Forschung ist nicht immer eine lokale Angelegenheit. Längst sind Wissenschaftler auf allen Kontinenten unterwegs,<br />

wenn es um die Suche nach Erkenntnis geht. Manchmal müssen sie sich dabei auf unsicheres Terrain<br />

begeben. In gefährlichen Regionen wird wissenschaftliche Arbeit schwer. Wo Gewalt oder kriegerische Konflikte<br />

drohen, ist Vorsicht geboten. Ein Geologe und ein Ethnologe der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität berichten über ihre<br />

Erfahrungen in Afrika.<br />

„Die meisten meiner Freunde<br />

im Sudan sind inzwischen zu<br />

Flüchtlingen geworden“, sagt<br />

der Ethnologe Richard Rottenburg,<br />

hier rechts zu sehen<br />

während eines Forschungsaufenthalts.<br />

(Foto: privat)<br />

Als Professor Richard Rottenburg 1978 erstmals zu<br />

Forschungszwecken für längere Zeit in den Sudan<br />

reiste, wusste er, dass die folgenden Jahre seine<br />

wissenschaftliche Karriere beeinflussen würden.<br />

Er ahnte jedoch nicht, in welcher Weise. Damals<br />

gab es in dem afrikanischen Land eine relativ kur-<br />

ze Periode des Friedens, die ihm letztlich einen<br />

störungsfreien Aufenthalt ermöglichte. Der frisch<br />

examinierte Ethnologe lebte für eine Feldstudie<br />

dreieinhalb Jahre in einem sudanesischen Dorf in<br />

den Nubabergen. Er knüpfte Kontakte zu Einheimischen,<br />

lebte mit und unter ihnen, fast könnte man


sagen, er wurde einer von ihnen. Denn man nahm<br />

ihn auf wie einen Verwandten, zumindest aber wie<br />

einen guten Freund.<br />

Die intensiven Kontakte von damals sind bis heute<br />

nicht abgerissen. Und das, obwohl Rottenburg lange<br />

nicht in den Sudan reisen konnte. Als dort zwischen<br />

1985 und 2003 erneut Krieg herrschte, war es viel<br />

zu gefährlich, in dem Land wissenschaftlicher Arbeit<br />

nachzugehen.<br />

„Die meisten meiner Freunde im Sudan sind inzwischen<br />

zu Flüchtlingen geworden. Viele von ihnen<br />

wissen in der dritten Generation nicht mehr, was<br />

Frieden eigentlich bedeutet“, sagt der Ethnologe.<br />

Zwar habe er sich während seiner vielen Forschungsaufenthalte<br />

nie akut bedroht gefühlt. Das lag allerdings<br />

auch daran, dass er vor Ort über ein stabiles<br />

Informationsnetzwerk verfügte, gute Sprach- und<br />

Landeskenntnisse besaß und er stets wieder ausreisen<br />

konnte, wenn es brenzlig wurde. „Zu sehen, wie<br />

enge Freunde hilflos dem Krieg ausgeliefert waren<br />

und sind, das ist eine Erfahrung, auf die ich gern<br />

verzichtet hätte“, sagt Rottenburg, der seit 2003<br />

wieder regelmäßig im Sudan unterwegs ist.<br />

Als Ethnologe ist er vor allem auf Feldforschung<br />

angewiesen, das bedeutet: Stets hat er bei seiner<br />

Arbeit engen Kontakt zu den Menschen über die<br />

er forscht. Kontakte, die ihn andererseits auch<br />

schützen. „Ich weiß genau, von wem ich sichere<br />

Informationen erhalte“, sagt Rottenburg. Oberstes<br />

Gebot sei es, sich auszukennen. Nur so könne man<br />

einschätzen, was eventuell als nächstes passieren<br />

kann. „Es gibt keine Faustregel“, meint Rottenburg<br />

und bekennt: „In einer unsicheren Gegend ist es<br />

generell sehr schwer, eine klare Unterscheidung<br />

zwischen Krise und Nicht-Krise zu treffen.“<br />

Immer wieder musste er in Kauf nehmen, dass finanzierte<br />

und bewilligte wissenschaftliche Projekte<br />

unterbrochen wurden. Nämlich immer dann, wenn<br />

es die politische Lage erforderte. Und das ist leider<br />

auch in jüngerer Zeit häufiger der Fall. So sorgte<br />

Professor Rottenburg erst im Jahr 2010 dafür, dass<br />

einer seiner Doktoranden in eine andere südsudanesische<br />

Region umziehen konnte, nachdem er an<br />

seinem Ort der Feldforschung wiederholt in Schießereien<br />

geraten war. Und auch Rottenburg selbst<br />

muss seit Juni vergangenen Jahres die Einreise in das<br />

Land vermeiden, nachdem Kämpfe und Bombardierungen<br />

wieder aufgeflammt sind.<br />

Generell empfindet er die Arbeit in einem Land,<br />

in dem Gewalt und Rechtlosigkeit regieren, als<br />

scientia halensis 3/2012 forschen und publizieren<br />

ein Dilemma. „Man fühlt sich ohnmächtig, wenn<br />

man ausreisen kann, aber die Menschen, die einen<br />

aufgenommen haben, in einer extrem schwierigen<br />

Situation zurücklassen muss“.<br />

Geologen im Minengürtel<br />

Doch selbst in Ländern, in denen gerade kein Krieg<br />

tobt, kann es für Wissenschaftler schwierig werden:<br />

Ägypten, Nigeria, Südafrika und Indien sind nur einige<br />

Stationen des bisherigen Forscherlebens von<br />

Professor Peter Wycisk. Nicht alle diese Länder gelten<br />

als Krisenherde. Und dennoch kann es gefährlich<br />

sein, sich dort zu bewegen. „Es ist nicht immer<br />

leicht, die Situation vor Ort richtig einzuschätzen“,<br />

sagt der Hydrogeologe, der kurz vor Beginn der<br />

ägyptischen Revolution im vergangenen Jahr zuletzt<br />

in Ägypten war. Und außerdem: Gewalt ist ein Phänomen,<br />

das weltweit existiert, „Global betrachtet<br />

sind gewaltfreie Zonen doch eher die Ausnahme“,<br />

ergänzt Richard Rottenburg, der über Aspekte<br />

menschlicher Sicherheit forscht.<br />

Genau wie der Ethnologe ist auch Wycisk bei seinen<br />

Forschungen vor Ort darauf angewiesen, auf Tuchfühlung<br />

zu gehen. Anders als viele Geisteswissenschaftler<br />

forscht er nicht in einem abgeschirmten<br />

Institut, sondern tatsächlich im Land. Als Geologe<br />

war er bereits Anfang 1981 erstmals in Ägypten<br />

mit einer Expedition unterwegs, nur drei Wochen,<br />

nachdem Staatspräsident Assad erschossen worden<br />

war. Zur Spezifik des Landes gehörte damals, dass es<br />

zwar nicht von Kriegen beherrscht wurde, es aber<br />

in den südlichen Regionen immer wieder Unruhe<br />

durch Übergriffe bewaffneter Gruppen gab.<br />

„15 Jahre Teilnahme an Expeditionen in dieser Region<br />

haben mich geprägt“, sagt Wycisk. Er habe<br />

sich im Umgang mit Menschen und Behörden stets<br />

möglichst „konfliktminimierend“ verhalten. Und er<br />

habe gelernt, genau hinzuschauen, um Situationen<br />

gut einschätzen zu können. Als Teilnehmer einer<br />

solchen Expedition sei es eine Grundvoraussetzung,<br />

sich ein- und unterzuordnen. Außerdem müsse man<br />

als Leiter einer Gruppe den Druck aushalten können,<br />

mit möglichst vielen brauchbaren wissenschaftlichen<br />

Ergebnissen aller Teammitglieder zurückzukehren<br />

und gleichzeitig – und vor allem – das Team<br />

wieder gesund nach Hause zu bringen. Denn selbst<br />

wenn die Gegend vermeintlich sicher ist, drohen<br />

Gefahren. Schließlich gehört es zum Wesen geolo-<br />

„Man fühlt sich<br />

ohnmächtig, wenn<br />

man die Menschen,<br />

die einen aufgenommen<br />

haben, in einer<br />

schwierigen Situation<br />

zurücklassen<br />

muss.“<br />

prof. dr. richard<br />

rottenburg<br />

29


30 forschen und publizieren scientia halensis 3/2012<br />

Sie mussten ihre Forschung<br />

in Syrien unterbrechen: Zwei<br />

Archäologen berichten im<br />

Interview über ihr Ausgrabungsprojekt:<br />

WEBCODE MAG� 14318<br />

QR� CODE<br />

gischer Exkursionen, dass sie sich nicht an vorgegebene<br />

Straßen halten. „Wenn man viele Tage im<br />

Konvoi off-road durch die offene Wüste fährt, kann<br />

man sich keine Fehler erlauben“, so Wycisk. Einmal<br />

ist ein winziges, aber entscheidendes Teil der Koch-<br />

Ausrüstung vergessen worden, so dass zwei Leute<br />

eine ganze Tagestour unterwegs waren, um es aus<br />

der nächsten Stadt zu besorgen.<br />

Und selbst bei noch so großer Vorsicht könne immer<br />

etwas Unvorhergesehenes passieren. Verursacht<br />

etwa von den Hinterlassenschaften alter oder lediglich<br />

schwelender Konflikte. So gerieten Wycisk<br />

und sein Konvoi in den neunziger Jahren entlang<br />

der libyschen Grenze in einen Minengürtel, den die<br />

ägyptische Armee unvermutet in einem Flusswadi<br />

im Inland ausgelegt hatte. „Bei einem unserer<br />

Begleitfahrzeuge explodierte ein Hinterrad. Der<br />

Expeditionsleiter schaffte es, unseren Pickup-Truck<br />

auf exakt der gleichen Spur rückwärts aus dieser<br />

Gefahrenzone zu lenken. Das war Maßarbeit, die<br />

zum Teil nur wenige Zentimeter an scharfen Minen<br />

vorbei führte“, erinnert sich Wycisk, der noch heute<br />

über diese Situation sagt: „Wir hatten einfach Glück,<br />

dass da nicht mehr passiert ist.“<br />

Doch weit gefehlt, wer angesichts solcher Schilderungen<br />

an Abenteuer in der Wildnis denkt: „Die<br />

Regionalforschung hat mich schon immer fasziniert.<br />

Aber es geht dabei nicht um Abenteuer“, sagt er. „Es<br />

geht darum, ein wissenschaftliches Problem zu lösen<br />

und Verständnis für regionale Zusammenhänge<br />

zu entwickeln.“ Ines Godazgar<br />

Kontakt: Prof. Dr. Richard Rottenburg<br />

Seminar für Ethnologie<br />

Telefon: 0345 55 24200<br />

E-Mail: richard.rottenburg@ethnologie.uni-halle.de<br />

Kontakt: Prof. Dr. Peter Wycisk<br />

Fachgebiet Hydro- und Umweltgeologie<br />

Telefon: 0345 55 26134<br />

E-Mail: peter.wycisk@geo.uni-halle.de


Ein Historiker in Sierra Leone unterwegs<br />

Im Rahmen eines Forschungsprojekts am Seminar<br />

für Ethnologie der MLU reist Sylvanus Spencer durch<br />

Sierra Leone und beobachtet das politische Leben.<br />

Der Historiker beschäftigt sich mit den politischen<br />

und gesellschaftlichen Folgen des brutalen Bürgerkriegs<br />

in Sierra Leone. Seine Arbeit wurde für eine<br />

scientia halensis 3/2012 forschen und publizieren<br />

Bildreportage in einem Fotoband der Volkswagen-<br />

Stiftung festgehalten. Das Bild zeigt Spencer, der einen<br />

analytischen Blick auf die Berichterstattung der<br />

freien Presse wirft. Unter www.volkswagenstiftung-<br />

50-jahre.de/media/jubilaeumsband kann online im<br />

Fotoband geblättert werden. uo<br />

Zuschlag für mitteldeutsches Biodiversitätszentrum<br />

Der Universitätsverbund Halle-Jena-Leipzig richtet<br />

ein nationales Forschungszentrum im Bereich Biodiversität<br />

ein. Ende April erhielt das Uni-Trio von<br />

der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) den<br />

Zuschlag für „iDiv“, das Deutsche Zentrum für Integrative<br />

Biodiversitätsforschung. Die DFG fördert<br />

das Zentrum mit Sitz in Leipzig mit jährlich sieben<br />

Millionen Euro – und das bis zu zwölf Jahre. Die<br />

<strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität wird mit zwei Professuren<br />

vertreten sein. „Hier wird erstmals eine ganze<br />

Forschungsregion gefördert. Wir sehen in dieser<br />

Form der Zusammenarbeit neue Perspektiven“,<br />

sagt MLU-Prorektorin Prof. Dr. Birgit Dräger. „Jetzt<br />

gilt es, die besten Köpfe für iDiv zu gewinnen“, ergänzt<br />

Geobotanik-Professor Helge Bruelheide, der<br />

im Mai zu einem der stellvertretenden Direktoren<br />

des Forschungszentrums gewählt wurde. „In der<br />

Diversitätsforschung ist das Dreieck Halle-Jena-<br />

Leipzig eine gute Adresse. Unsere Stärke ist vor<br />

allem die funktionelle Biodiversitätsforschung.“<br />

Die MLU koordiniert unter anderem die Aktivitäten<br />

der Forschergruppe „BEF China“, die ein groß angelegtes<br />

Biodiversitätsexperiment mit subtropischen<br />

Baumarten durchführt. ch<br />

(Foto: Erik Zöllner für VolkswagenStiftung)<br />

31


32 forschen und publizieren scientia halensis 3/2012<br />

Lese-Empfehlungen querbeet<br />

Zur ausführlichen Rezension:<br />

WEBCODE MAG� 14408<br />

Zur ausführlichen Rezension:<br />

WEBCODE MAG� 14409<br />

(fach-)literaturfabrik universität<br />

Dessau-Wörlitz: Von Aufklärung und Gartenreich<br />

Wer jemals mit Erhard Hirsch einen Rundgang durch<br />

das Dessau-Wörlitzer Gartenreich genießen durfte,<br />

konnte eine Ahnung davon erhalten, welch enorme<br />

Sachkompetenz da in scheinbar lockerer Form ausgebreitet<br />

wurde.<br />

Diese entstammt einer von früher Jugend an und<br />

mit großer Energie betriebenen Beschäftigung mit<br />

einem Phänomen des 18. Jahrhunderts, das als nahezu<br />

einzigartig zu bezeichnen ist: Ein junger Fürst,<br />

Leopold Friedrich Franz III. von Anhalt-Dessau,<br />

verzichtet auf kriegerischen Ruhm und baut statt<br />

dessen sein Territorium zu einem Muster aufklärerischer<br />

Intentionen um.<br />

Erhard Hirsch hat diesen Prozess in einer unübersehbaren<br />

Fülle von Publikationen engagiert nachvollzogen.<br />

Seine Dissertation zu diesem Thema,<br />

Wie und wozu Menschen (ab)gebildet werden<br />

„Sachsen-Anhalt und das 18. Jahrhundert“ – Band<br />

6 zu dieser Landesinitiative ist da; nicht ganz so<br />

schwer wie die vorigen, doch nicht minder gewichtig.<br />

Er versteht sich als Katalog zum Themenjahr<br />

2010, der in 18 Beiträgen Spuren in Museen und<br />

Archiven des Landes sucht.<br />

In den Kapiteln „Menschenbilder in der Literatur“,<br />

„Bildniskunst und Porträtkultur“, „Selbstbilder in<br />

Briefen, Tagebüchern und autobiografischen Texten“,<br />

„Lebensbilder von Musikern“, „<strong>Neue</strong> Bilder<br />

von Körper und Welt“ und „Museumspädagogische<br />

Annäherung an die philosophische Menschenbild-<br />

Diskussion“ kommen 22 Experten verschiedenster<br />

Provenienz zu Wort; zwei Texte von Lars-Thade<br />

Ulrichs führen in die Problematik ein. Komplettiert<br />

wird das Doppeldutzend der Autoren durch Johann<br />

G. Schnabel. Jedes Kapitel beginnt mit einem Zitat<br />

aus den zuerst von 1731 bis 1743 erschienenen<br />

1969 an der Philosophischen Fakultät der <strong>Martin</strong>-<br />

<strong>Luther</strong>-Universität Halle-Wittenberg verteidigt, erfuhr<br />

erst spät, 2003, befördert und realisiert durch<br />

das Interdisziplinären Zentrum für die Erforschung<br />

der Europäischen Aufklärung, eine Drucklegung.<br />

Die in den Kleinen Schriften versammelten Aufsätze,<br />

die die Jahre 1966 bis 2009 erfassen, vermitteln<br />

einen Eindruck von der Forscherleistung ihres<br />

Autors.<br />

Fotoimpressionen von Janos Stekovics runden die<br />

Recherchen künstlerisch ab. Hans-Joachim Kertscher<br />

Hirsch, Erhard: Kleine Schriften zu Dessau-Wörlitz.<br />

Mit Fotoimpressionen von Janos Stekovics,<br />

Wettin-Löbejün OT Dößel, ����, ��� Seiten mit<br />

Abb., ��,�� Euro<br />

Abenteuern des Eberhard Julius und seiner Gefährten<br />

– in der Heimat wie auf der legendären „Insel<br />

Felsenburg“. Gerd Schuberts „curieuse Lebens-<br />

Geschichte der Personen von mancherley Standes“<br />

beleuchtet die utopische Inselgesellschaft aus literaturhistorischer<br />

Sicht.<br />

Vor dem Leser entfaltet sich anhand der meist<br />

biografisch fokussierten Artikel ein lebendiges Bild<br />

vom Bild des Menschen jener Zeit. Margarete Wein<br />

Dziekan, Katrin / Pfeifer, Ingo / Pott, Ute (Hg.):<br />

Menschenbilder im ��. Jahrhundert. Spurensuche<br />

in Museen und Archiven Sachsen-Anhalts, Halle<br />

����, ��� Seiten, zahlreiche Abbildungen (farbig u.<br />

schwarzweiß), ��,�� Euro


Mode und Sex in der DDR<br />

Zwei Medienwissenschaftlerinnen fragen: Lebte man im Osten anders?<br />

Was wäre, wenn es keine Kleidung gäbe? Nicht allein<br />

der fehlende Schutz vor Wind und Wetter würde uns<br />

Schwierigkeiten bereiten, auch die geheimnisvolle<br />

erotische Ausstrahlung eines verpackten Körpers<br />

ginge verloren. Für Bürger in der DDR hatten Mode<br />

und Sexualität neben der Instrumentalisierung<br />

durch die Politik noch eine andere Bedeutung. „Es<br />

waren zwei sehr private Angelegenheiten, bei denen<br />

jeder sagen konnte: Das bin ich, da kann ich mich<br />

dem Hineinregieren entziehen und abgrenzen“,<br />

erklärt Dr. Cordula Günther, Medienwissenschaftlerin<br />

an der MLU. Die Kleidung der Ostbürger charakterisierte<br />

weniger das Einheitsgrau. Kreativität,<br />

Improvisation und der Wunsch, alle Möglichkeiten<br />

auszuschöpfen, zeichneten ein buntes Bild von<br />

Mode. Für die Ausstellung „Malimo & Co. – Mode<br />

in der DDR zwischen Traum und Wirklichkeit“, die<br />

von August 2011 bis Januar 2012 im Stadtgeschichtlichen<br />

Museum Leipzig zu sehen war, führte Cordula<br />

Günther Interviews mit Zeitzeugen und sammelte<br />

Informationen über die Rolle der Kleidung im Osten.<br />

Die Frage nach den Unterschieden zwischen Ost<br />

und West war für Uta Kolano, Filmemacherin und<br />

wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department für<br />

scientia halensis 3/2012 forschen und publizieren<br />

Medien & Kommunikation, der ausschlaggebende<br />

Grund, vor acht Jahren die ARD-Dokumentation<br />

„Der nackte Osten. Erotik zwischen oben und unten.“<br />

zu drehen. „Der wesentliche Unterschied<br />

liegt in der Rolle der Frau begründet. Sie wurde<br />

vom Staat gebraucht, das veränderte ihr Verhalten<br />

gegenüber Männern und auch zur Sexualität. In<br />

der BRD fand diese Entwicklung viel später statt“,<br />

erklärt Kolano. Aber auch Themen wie Homosexualität,<br />

Prostitution und die Geschichte der Freikörperkultur<br />

(FKK) sind Teil ihrer kulturhistorischen<br />

Betrachtung von Liebe, Sex und Partnerschaft in<br />

der DDR. Mit ihrem kürzlich veröffentlichten Buch<br />

„Kollektiv d'amour“ schließt sie ihre Ost-Studie ab,<br />

um sich stärker auf ihren Forschungsschwerpunkt,<br />

den dokumentarischen Film, zu konzentrieren.<br />

Cordula Günther wird die DDR hingegen noch eine<br />

Weile wissenschaftlich begleiten. Sie will die Ausstellungsinterviews<br />

systematisch auswerten und<br />

einordnen. Über die Vermittlung von Forschungsmethoden<br />

hat sie bisher ihren Studenten die Kulturgeschichte<br />

der DDR nähergebracht und die Mythen<br />

rund um Niethose, Dederon und Lipsi hinterfragt.<br />

Sarah Huke<br />

<strong>Neue</strong> Trends im Jahr 1973:<br />

Ein DDR-Modekatalog aus<br />

dem Fundus von Dr. Cordula<br />

Günther (Foto: Sarah Huke)<br />

33


34 personalia scientia halensis 3/2012<br />

personalia<br />

Mehr als Omas Hühnersuppe<br />

Eigentlich wollte Barbara Langhans Kunst studieren, doch dann wählte sie an der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität<br />

das Fach aus, das am wenigsten mit Kunst zu tun hatte. Heute ist sie leidenschaftliche Apothekerin, ihr Geschäft<br />

am Steintor ist ein stilvoll gestalteter Ort. Acht von zehn Pharmaziestudenten arbeiten nach ihrem Abschluss in<br />

einer Apotheke. Sie beraten Kunden und leiten oft ein kleines Team. Bereitet sie ihr Studium auf diese Arbeit vor?<br />

Bild: Barbara Langhans in<br />

ihrer Apotheke am Steintor.<br />

(Foto: Cordula Langhans)<br />

„Mädchen, geh nicht in die brotlose Kunst“, hatte<br />

ihr Vater gesagt. Sie bedachte seine Worte und<br />

entschied sich für die Pharmazie. „In den ersten<br />

zwei Jahren bestand das Pharmaziestudium hauptsächlich<br />

aus Chemie. Der Praxisbezug fehlte. Ich<br />

habe viel geflucht.“ Formeln und Laborarbeit statt<br />

lebendiger Farbe. Für Kreativität blieb keine Zeit.<br />

Barbara Langhans konnte sich erst im Hauptstudium<br />

mit ihrer Studienwahl anfreunden. Noch heute sind<br />

die Anforderungen im Studiengang Pharmazie sehr<br />

hoch: Nach dem zweijährigen Grundstudium ist die<br />

Famulatur abzuleisten, die einem Betriebspraktikum<br />

ähnelt. Danach folgen zwei Jahre Hauptstudium und<br />

ein praktisches Jahr. Dann kann die Approbation<br />

beantragt werden, die den Pharmazeuten dazu berechtigt,<br />

als Apotheker zu arbeiten.<br />

Barbara Langhans läuft schnell und zielgerichtet.<br />

Um ihre flinken Beine schwingt eine luftige braune


Leinenhose. Den weißen Kittel hat sie in ihrer Apotheke<br />

gelassen, nicht aber ihre wachsamen Augen.<br />

Aus ihnen spricht Begeisterung für den Beruf. Aber<br />

in dem Café am Steintor, in dem sie gerade sitzt,<br />

kneift sie die Augen in manchen Momenten zusammen.<br />

Dann, wenn sie von der liberalisierten Gesundheitspolitik<br />

spricht und davon, dass der Heilberuf<br />

des Apothekers der Ökonomie geopfert werde. Aber<br />

nie, wenn es um ihre Apotheke geht und die Kraft<br />

und Liebe, die sie in deren Qualität steckt.<br />

Die Wände der Steintor-Apotheke sind in einem<br />

kräftigen Blau gestrichen, auf der Theke stehen frische<br />

Blumen und über den Regalen hängen liebevoll<br />

gestaltete Schilder: „Wenn die Haut mich ärgert“<br />

oder „Mit 66 fängt das Leben an“. „Nullachtfünfzehn“<br />

soll ihre Apotheke nicht aussehen. Man sieht,<br />

hier ist ein kreativer Mensch am Werk. Und einer,<br />

der Kranke berät und jungen Menschen Ersatz für<br />

Omas Hühnersuppe bietet. Eine Angelegenheit,<br />

die sich die Diplompharmazeutin und Fachapothekerin<br />

für Allgemeinpharmazie zur Lebensaufgabe<br />

gemacht hat.<br />

In diesem Jahr feiert ihr Betrieb bereits das 20-jährige<br />

Jubiläum. Nach fast 30 Jahren Berufserfahrung<br />

scheint Langhans angekommen zu sein. Sachte<br />

tunkt sie einen Teebeutel in heißes Wasser. Ruhig<br />

erzählt sie, dass zwei Drittel ihrer Kunden weggebrochen<br />

sind, als die Medizinische Fakultät vor neun<br />

Jahren aus der Magdeburger Straße in die Ernst-<br />

Grube-Straße gezogen ist. Kein Grund den weißen<br />

Kittel hinzuwerfen. Stattdessen begann Langhans<br />

nach und nach drei Filialapotheken aufzubauen – in<br />

Halle, Landsberg und Delitzsch.<br />

Eine Apotheke zu eröffnen ist heute keine Selbstverständlichkeit<br />

mehr, sondern wirtschaftliches Risiko.<br />

Doch das spornte die Mutter von zwei Töchtern an.<br />

„Es muss nur gut organisiert sein, dann gibt es keinen<br />

Stress.“ In ihrer Organisation sind eine 70-Stundenwoche,<br />

unregelmäßige Mittagspausen und der<br />

Verzicht auf Urlaub eingeplant. Von ihren Mitarbeitern<br />

verlangt sie das allerdings nicht. „Im Team wird<br />

jeder in seiner Andersartigkeit anerkannt. In einer<br />

entspannten Arbeitsatmosphäre kann man erfolgreicher<br />

arbeiten.“<br />

Ein Team zusammenhalten, vertrauensvoll Kunden<br />

beraten und mit Arzneimitteln zu versorgen, Rezepturen<br />

anfertigen, wirtschaften und Führungsstärke<br />

beweisen – das alles gehört zu den Aufgaben von<br />

Langhans. „Die Arbeit in der öffentlichen Apotheke<br />

hat sich gewandelt“, sagt die Alumna der MLU, die<br />

1981 ihr Diplom erhielt. Heute stehe weniger die<br />

Herstellung von Rezepturen im Vordergrund, sondern<br />

die Beratung der Patienten.<br />

Beraten will gelernt sein<br />

Im Hauptstudium erlernen angehende Pharmazeuten<br />

spezielles Fachwissen. Wie und warum wirkt ein<br />

Arzneimittel im Körper? Welche Nebenwirkungen<br />

können auftreten? Außerdem lernen sie Herstellungstechniken<br />

und Optimierungsverfahren von<br />

Medikamenten. Allerdings arbeiten circa 80 Prozent<br />

der Pharmazieabsolventen später in den Apotheken.<br />

„Ich finde es deshalb ärgerlich, dass die Priorität der<br />

Ausbildung auf der Forschung und nicht näher an<br />

der Praxis liegt. Beratungskompetenz erlangen die<br />

Studierenden erst im praktischen Jahr unter Anleitung<br />

des Apothekers.“<br />

Langhans hat für ihre Apotheke eigene Qualitätsstandards<br />

entwickelt, nach denen ihr Team arbeitet.<br />

„Mit unserer Fragetechnik versuchen wir zuerst<br />

das Problem des Patienten zu erfassen, bevor wir<br />

ein Medikament ausgeben.“ Ihre aufmerksamen<br />

Augen haben durch dieses Prinzip nicht nur falsch<br />

ausgestellte Rezepte, sondern auch zwei Schlaganfallpatienten<br />

entdeckt.<br />

Da neue Forschungsergebnisse in Medizin und Pharmazie<br />

für stetige Änderungen sorgen, sind Fortbildungen<br />

für Apotheker obligatorisch. Vor allem müssen<br />

Soft-Skills geübt werden, zum Beispiel die Beratungskompetenz<br />

für spezielle Erkrankungen. „Die<br />

Mitarbeiter werden auf circa zwei Weiterbildungen<br />

pro Monat geschickt. So werden ihre Talente gefördert<br />

und neues Wissen erlernt.“ Barbara Langhans<br />

setzt sich außerdem ehrenamtlich im Vorstand der<br />

Apothekerkammer Sachsen-Anhalt ein.<br />

„Das Schönste ist letztendlich das soziale Feedback,<br />

das ich als Apothekerin bekomme. Wenn sich ein<br />

Patient für die Empfehlung eines Medikaments bei<br />

mir bedankt, fühle ich mich in meiner Arbeit anerkannt.“<br />

Ihre Energie ist nicht zu erschöpfen. Sie<br />

widmet sich der Pharmazie, obwohl sie nach dem<br />

Schulabschluss genau das Gegenteil wollte. Wenn<br />

sie zur Ruhe kommt, gestaltet sie Linolschnitte und<br />

Collagen, einmal in der Woche singt sie im Konservatorium.<br />

Am liebsten alte Filmmusik oder Jazz.<br />

So hat es Langhans geschafft, auch die „brotlose<br />

Kunst“ zu einem Bestandteil ihres Lebens und ihrer<br />

Arbeit werden zu lassen. Maria Preußmann<br />

scientia halensis 3/2012 personalia<br />

Laut einer Umfrage<br />

des Magazins „Reader’s<br />

Digest“ aus dem Jahr<br />

2011 vertrauen 86 Prozent<br />

der Bundesbürger den<br />

Apothekern. Damit stehen<br />

sie nach Feuerwehrleuten,<br />

Piloten und Krankenschwestern<br />

auf Platz vier.<br />

35


36 anzeigen scientia halensis 3/2012<br />

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Olympia 2012: Auch MLU-Absolventen dabei<br />

Auch zwei Absolventen der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität<br />

gehen ab 27. Juli bei den Olympischen Spielen<br />

in London an den Start: Katja Dieckow qualifizierte<br />

sich für einen der beiden Einzelplätze im Wasserspringen.<br />

Die Diplom-Biologin gewann zuletzt im<br />

Mai zweimal Silber bei den Deutschen Meisterschaften<br />

in Berlin. Kampfsportlerin Claudia Malzahn<br />

tritt in London derweil gegen die weltweit besten<br />

Judoka. Die Diplomsportlehrerin lehrt am Institut<br />

für Sportwissenschaften der MLU Judo. Nicht nur<br />

Sportler aus Halle sind vertreten – auch für einen<br />

Sportlerbetreuer stehen die Chancen gut, erneut<br />

als Sportpsychologe für Olympia nominiert zu werden:<br />

Professor Oliver Stoll steht zumindest auf der<br />

Short-List. Bereits 2008 wurde er vom Deutschen<br />

Olympischen Sportbund nach Peking geschickt. Er<br />

betreute dort das deutsche Nationalteam der Wasserspringer.<br />

cb<br />

Zwei internationale Top-Forscher in Halle zu Gast<br />

Er gehört zu den renommiertesten Aufklärungsforschern<br />

weltweit: Der Historiker Jonathan Israel hat<br />

zum 25. Juni für zwei Wochen die Christian-Wolff-<br />

Professur am Interdisziplinären Zentrum für die<br />

Erforschung der Europäischen Aufklärung (IZEA)<br />

angetreten. Mit seiner Trilogie zur Geschichte der<br />

Aufklärung hatte er 2011 eine wissenschaftliche Diskussion<br />

angestoßen, die er nun auch nach Deutschland<br />

bringen wird.<br />

„Wir gehen davon aus, dass Israels Gastprofessur<br />

auch bei den auswärtigen Kolleginnen und Kollegen<br />

auf lebhaftes Interesse stoßen wird“, sagt Dr. Frank<br />

Grunert vom IZEA. „Deshalb wollen wir sie – genau<br />

wie Studierende und Graduierte – durch Workshops<br />

und ein Symposium aktiv in die Auseinandersetzung<br />

mit Israels Aufklärungsbegriff einbeziehen.“<br />

In seiner Theorie von einer „demokratischen Aufklärung“<br />

vertritt der 66-jährige Israel aus Princton<br />

den Standpunkt, dass die grundlegenden Werte<br />

der modernen westlichen Demokratie auf Impulse<br />

radikaler Denker der Aufklärung zurückzuführen<br />

sind. Ihnen gegenüber stand Israel zufolge eine<br />

moderate, hinter den eigentlichen Ansprüchen zu-<br />

rückbleibende Aufklärung, die durch Locke, Hume<br />

und Voltaire vertreten wurde.<br />

Im Sommersemester 2012 lehrt auch der kanadische<br />

Rechtsphilosoph Prof. Dr. Hillel Steiner als<br />

Christian-Wolff-Professor an der MLU. Er ist auf<br />

Einladung der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Fakultät, der Philosophischen Fakultät I<br />

und der Graduiertenschule „Gesellschaft und Kultur<br />

in Bewegung“ in Halle zu Gast. Steiner ist Emeritus<br />

Professor für Politische Philosophie an der Universität<br />

Manchester. Sein preisgekröntes Werk „An<br />

Essay on Rights“ gilt im englischen Sprachraum als<br />

Klassiker der neueren politischen Philosophie bzw.<br />

Rechtsphilosophie.<br />

Für die Christian-Wolff-Professur werden seit 1999<br />

Wissenschaftler gewonnen, die in ihren Arbeiten<br />

die Grundlagen und methodischen Probleme ihres<br />

Faches auf exemplarische und international beachtete<br />

Weise behandelt haben. Durch die Vorlesungen<br />

und Seminare der Gäste profitieren hallesche Studierende<br />

und Graduierte von den Ergebnissen dieser<br />

Forschungen. cb<br />

scientia halensis 3/2012 personalia<br />

Claudia Malzahn lehrt<br />

Judo an der MLU und<br />

tritt in London gegen die<br />

Besten ihrer Disziplin an.<br />

(Foto: Birgit Arendt)<br />

Einen Bericht über die<br />

Podiumsdiskussion mit<br />

Jonathan Israel lesen<br />

Sie im Onlinemagazin:<br />

www.magazin.uni-halle.<br />

de/14411<br />

37


38 personalia scientia halensis 3/2012<br />

Verbales Porträt einer Zeitgenossin … Unzählige Varianten des Fragebogens, der durch die Antworten von<br />

Marcel Proust so berühmt geworden ist, sind in den Medien (FAZ, Forschung & Lehre, UNICUM etc.) zu<br />

finden. scientia halensis spielt ebenfalls mit. Diesmal ist unsere Match-Partnerin Andrea Ritschel, neue Leiterin<br />

des Familienbüros der MLU.<br />

Seit März 2012 leitet<br />

Andrea Ritschel das Familienbüro<br />

der MLU. „Ich möchte<br />

die sehr gute Arbeit meiner<br />

Vorgängerin Dr. Anke Habich<br />

in vielen neuen Projekten<br />

fortsetzen", sagt sie. (Foto:<br />

Maike Glöckner)<br />

Andrea Ritschel<br />

1 | Warum leben Sie in Halle und nicht anderswo?<br />

Halle war bisher Ausgangspunkt für kürzere<br />

und längere Aufenthalte in West- und Südeuropa.<br />

Aber ich bin immer nach Halle zurückgekommen,<br />

weil meine Familie und ein Teil meiner Freunde<br />

hier leben und Halle auch für meine eigene kleine<br />

Familie gute Bedingungen bietet.<br />

2 | Wenn Sie nicht Juristin wären, was wären Sie<br />

dann geworden? Entweder ich hätte Ethnologie<br />

studiert oder ich wäre KFZ-Mechanikerin geworden.<br />

3 | Was war an Ihrer Studienzeit am besten?<br />

Verschiedenste Menschen kennenzulernen. Am<br />

meisten habe ich in dieser Zeit über mich selbst<br />

gelernt.<br />

4 | Welchen Rat fürs Überleben würden Sie Studenten<br />

geben? Im Studium sollten Studierende<br />

die Chance nutzen zu fragen; insbesondere auch<br />

vermitteltes Wissen in Frage zu stellen. Neben<br />

der Konzentration auf das Studium sollte noch ein<br />

wenig Zeit für Blicke nach rechts und nach links<br />

bleiben.<br />

5 | Wenn Sie Rektorin einer Universität wären,<br />

was würden Sie als erstes tun?<br />

Ich würde eine Diskussion über Maßnahmen<br />

initiieren, wie man Wissenschaft in Deutschland<br />

familienfreundlicher gestalten kann.<br />

6 | Was ist für Sie die erste Aufgabe der Wissenschaft?<br />

Wissenschaft dient den Menschen; sie<br />

verfolgt keinen Selbstzweck. Wissenschaftliche<br />

Erkenntnisse sollten das Alltagsleben der Menschen<br />

bereichern.<br />

7 | Was haben Intelligenz und Menschlichkeit<br />

miteinander zu tun? Ich vermute, würde man<br />

zwei Psychologinnen oder Psychologen fragen,<br />

was genau Intelligenz bedeutet, bekäme man<br />

keine einheitliche Aussage. Für mich ist Menschlichkeit<br />

ein Bestandteil der Intelligenz. Dazu zähle<br />

ich auch die Fähigkeiten, eigenes und fremdes<br />

Verhalten sowie eigene und fremde Gefühle einschätzen<br />

und entsprechend reagieren zu können.<br />

Diese Art von Intelligenz zeigt sich im Umgang<br />

mit der eigenen Familie, Freunden, Kommilitonen<br />

oder auch Kollegen.<br />

8 | Worüber ärgern Sie sich am meisten? Oft<br />

nehmen Menschen Situationen als gegeben hin,<br />

ohne diese zu hinterfragen oder den Versuch zu<br />

unternehmen, etwas daran zu ändern.<br />

9 | Was bringt Sie zum Lachen? Bei einem guten<br />

Film kann ich herzlich lachen, zuletzt bei „Ziem-


lich beste Freunde“ oder aber bei einem lustigen<br />

Buch, z.B. von Jan Weiler „Maria, ihm schmeckts<br />

nicht“. Aber auch Alltagssituationen bringen mich<br />

oft zum Lachen.<br />

10 | Was schätzen Sie an Ihren Freunden? Am<br />

meisten schätze ich ihre Ehrlichkeit. Daneben<br />

zeichnet die meisten meiner Freundinnen und<br />

Freunde aus, dass sie ausdauernd und nicht nachtragend<br />

sind. Das schätze ich sehr an ihnen.<br />

11 | Wo sehen Sie Ihre Stärken? Ich bin ein<br />

Teamplayer und eine gute Beobachterin.<br />

12 | Was erwarten Sie von der Zukunft?<br />

Ich wünsche mir, dass es auch für Wissenschaftlerinnen<br />

und Wissenschaftler selbstverständlich<br />

wird, Arbeit und Privatleben miteinander zu<br />

verbinden.<br />

13 | Woran glauben Sie? Ich glaube daran, dass<br />

jeder sein Leben in seine eigenen Hände nehmen<br />

muss und Chancen, die sich bieten, nutzen<br />

sollte.<br />

14 | Welchen bedeutenden Menschen unserer<br />

Zeit hätten Sie gern als Gesprächspartner?<br />

Ich bin eine überzeugte Europäerin, deshalb<br />

würde ich im Augenblick gern ein Gespräch mit<br />

Frau Merkel und Nichi Vendola, dem Präsidenten<br />

der Italienischen Region Apulien, über die Anfor-<br />

derungen an die Transformation in Südeuropa<br />

führen.<br />

15 | Wer war oder ist für Sie der wichtigste<br />

Mensch in Ihrem Leben? Meine Tochter ist der<br />

wichtigste Mensch in meinem Leben.<br />

16 | Welchen Ort der Welt möchten Sie unbedingt<br />

kennen lernen? Ich würde gern nach<br />

Südafrika, vor allem wegen den Menschen, aber<br />

auch wegen der Natur.<br />

17 | Womit verbringen Sie Ihre Freizeit am liebsten?<br />

Im Augenblick spiele ich am liebsten mit<br />

meiner Tochter, solange sie noch mit mir spielt.<br />

18 | Was wären Ihre drei Bücher für die Insel?<br />

Christoph Hein „Der Tangospieler“; David McKee<br />

„Das große Elmar-Buch“; Carl Aderhold „Fische<br />

kennen keinen Ehebruch“<br />

19 | Wenn Sie einen Wunsch frei hätten …?<br />

Ich wünsche mir, dass die <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität<br />

es auch weiterhin schafft engagierte und<br />

mutige Studierende, Wissenschaftlerinnen und<br />

Wissenschaftler für sich zu gewinnen.<br />

20 | Ihr Motto? Eine Sache muss man von beiden<br />

Seiten betrachten, bevor man sie beurteilt. Es ist<br />

schon ein Glück, wenn eine Sache nur zwei Seiten<br />

hat.<br />

scientia halensis 3/2012 personalia<br />

Aus der Vita<br />

Geboren am 9. Juni 1977<br />

in Halle/Saale<br />

1996 – 2002: Studium<br />

der Rechtswissenschaften<br />

an der MLU und der<br />

Université Paris XII Val<br />

de Marne<br />

2002 – 2003 und seit<br />

2005: Wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin am Lehrstuhl<br />

für Bürgerliches<br />

Recht, Deutsches und<br />

Europäisches Arbeits-,<br />

Unternehmens- und Sozialrecht<br />

der MLU<br />

2003 – 2005: Rechtsreferendarin<br />

im Freistaat<br />

Sachsen<br />

Seit 2010: Gleichstellungsbeauftragte<br />

der Juristischen<br />

und Wirtschaftwissenschaftlichen<br />

Fakultät<br />

Seit März 2012: Leiterin<br />

des Familienbüros der<br />

MLU<br />

39


40 personalia scientia halensis 3/2012<br />

Prof. Dr. Annette Zeyner<br />

Institut für Agrar- und<br />

Ernährungswissenschaften<br />

Telefon: 0345 55 22716<br />

E-Mail: annette.zeyner@<br />

landw.uni-halle.de<br />

Prof. Dr. Ulrich Kortenkamp<br />

Institut für Mathematik<br />

Telefon: 0345 55 24612<br />

E-Mail: ulrich.kortenkamp@<br />

mathematik.uni-halle.de<br />

Annette Zeyner erforscht Ernährung der Tiere<br />

Aus Rostock „back to the roots“. Das ist der Weg,<br />

den Annette Zeyner vor einigen Wochen gegangen<br />

ist. Seit dem Sommersemester lehrt und forscht<br />

sie als Professorin für Tierernährung an der Naturwissenschaftlichen<br />

Fakultät III der MLU. „Ich bin in<br />

Wolfen geboren, habe in Leipzig studiert, und ein<br />

Großteil meiner Familie ist hier in der Region beheimatet.<br />

Das verbindet“, sagt die 48-Jährige. „Beruflich<br />

lockten vor allem der mit einer attraktiven<br />

Neugestaltung imponierende Campus, die Hoffnung<br />

auf prosperierende Tierversuchsmöglichkeiten in<br />

Merbitz, die sehr freundliche Aufnahme während<br />

der Zeit der Berufungsverhandlungen und nicht<br />

zuletzt geschätzte alteingesessene Kollegen.“ Sie<br />

wolle noch einmal unter guten Bedingungen „nach<br />

vorn denken und gestalten, dabei auch das eigene<br />

Spektrum erweitern“.<br />

Ein prägnantes Profil wünscht sich die verheiratete<br />

Mutter eines 14-jährigen Sohnes für ihr Fachgebiet.<br />

Die zentrale Stellung der Ernährung „als Mittler zwischen<br />

Umwelt und Tier, dessen Wohlbefinden und<br />

„Mein Fachgebiet liegt an der Schnittstelle zwischen<br />

Mathematik, Informatik und Mathematikdidaktik.<br />

Die Kombination aller drei Wissenschaften<br />

ist nötig, um den Computer sinnvoll im Mathematikunterricht<br />

einzusetzen“, sagt Dr. Ulrich Kortenkamp,<br />

der seit dem 1. April 2012 die Professur für<br />

Didaktik der Mathematik an der MLU inne hat.<br />

1970 in Köln geboren, studierte Ulrich Kortenkamp<br />

Mathematik und Informatik bis 1995 an der Westfälischen<br />

Wilhelms-Universität Münster. 1999 wurde<br />

er an der ETH Zürich promoviert mit einer Arbeit<br />

unter dem Titel „Foundations of Dynamic Geometry“.<br />

Darin legte er die mathematischen Grundlagen<br />

dynamischer Geometriesysteme dar. Er setzte die<br />

Ergebnisse in der gemeinsam mit Prof. Dr. Jürgen<br />

Richter-Gebert (TU München) veröffentlichten<br />

Mathematik-Software „Cinderella“ um.<br />

Diese bahnbrechende Leistung wurde mit dem<br />

„European Academic Software Award 2000“ ausgezeichnet.<br />

Nach einer Gastprofessur und später<br />

einer Juniorprofessur an der TU Berlin, folgten<br />

Leistung“ mache den Reiz aus. Gute Leistungen und<br />

damit verbunden eine gute Innen- und Außenwirkung<br />

sind Annette Zeyner wichtig, „damit wir uns<br />

empfehlen als Heimat für Studierende und attraktive<br />

Kooperationspartner.“<br />

Ihre Freizeit verbringt die Wissenschaftlerin am liebsten<br />

mit ihrer Familie. Sie macht Yoga, liest Bücher,<br />

probiert neue Kochrezepte aus. Und sie reitet. „Ein<br />

aus Zeitgründen leider vernachlässigtes Hobby.“<br />

Den Reitpferden hat sie sich dafür auch während<br />

ihrer Arbeitszeit schon des Öfteren gewidmet.<br />

So beschäftigte sie sich für ihre Habilitation an der<br />

Georg-August-Universität Göttingen mit der Pferdeernährung,<br />

konkret den ernährungsphysiologischen<br />

Wirkungen eines Austauschs von stärkereichen<br />

Komponenten durch Sojaöl.<br />

2004 erhielt sie den Förderpreis der Henneberg-<br />

Lehmann-Stiftung „in Anerkennung der systematischen<br />

und grundlegenden Arbeiten zur Pferdeernährung“<br />

– sowie herausragender Leistungen in der<br />

Lehre. Carsten Heckmann<br />

Ulrich Kortenkamp vermittelt dynamische Geometriesysteme<br />

ab 2006 Professuren (W3) an der Pädagogischen<br />

Hochschule Schwäbisch Gmünd und an der Pädagogischen<br />

Hochschule Karlsruhe.<br />

Besonders reizvoll findet er in Halle die Möglichkeit,<br />

die Lehrerbildung für Sachsen-Anhalt im Bereich<br />

Mathematik gestalten zu können. „Ich möchte gerne,<br />

dass die MLU einmal in allen Phasen der Mathematik-Lehrerbildung<br />

– also Studium, Referendariat,<br />

Lehrerfortbildung – eine Schlüsselrolle einnimmt.“<br />

Sein Anliegen ist es, das Fach insgesamt zu stärken.<br />

Der Vater dreier Kinder Mara (15), Julius (13) und<br />

Lasse (9) kocht gern, musiziert in seiner knapp bemessenen<br />

Freizeit in einer Jazzband in Berlin, spielt<br />

Basketball und fährt viel Fahrrad.<br />

Begeistert von Halle schwärmt Kortenkamp: „Die<br />

Stadt ist wunderschön, ich bin vollkommen begeistert.<br />

Erstaunlich, dass die meisten meiner Bekannten<br />

sie überhaupt nicht kennen. Das werde ich<br />

wohl ändern!“ Ute Olbertz


Dan Rujescu will Psychiatrie in Halle weiter ausbauen<br />

Aus München kam der Psychiatrieprofessor Dr.<br />

Dan Rujescu nach Halle. Seit dem 1. April 2012 ist<br />

er Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie,<br />

Psychotherapie und Psychosomatik der <strong>Martin</strong>-<br />

<strong>Luther</strong>-Universität und trat damit die Nachfolge von<br />

Prof. Dr. Andreas Marneros an.<br />

„Mein Ziel ist es, die Klinik weiterhin so erfolgreich<br />

zu führen und noch um den Schwerpunkt der<br />

biologisch-psychiatrischen Forschungsrichtung zu<br />

erweitern“, erklärt Rujescu.<br />

Die Leitungstätigkeit sieht er als neue Herausforderung.<br />

Er freut sich darauf, eigene Vorstellungen<br />

von Krankenversorgung, Lehre und Forschung umzusetzen.<br />

„Mein Fachgebiet, die Genetik psychiatrischer Erkrankungen,<br />

stellt ein sehr spannendes und sich<br />

rasch entwickelndes Forschungsfeld dar“, so der<br />

Mediziner. Geforscht hat er seit vielen Jahren insbesondere<br />

zu genetischen Risikofaktoren neuropsychiatrischer<br />

Erkrankungen mit Hauptschwerpunkt:<br />

Schizophrenie, suizidales Verhalten und Demenzen.<br />

Der 44-Jährige studierte von 1986 bis 1993 Medizin<br />

an der Universität Essen. 1993 wurde er promoviert<br />

mit einer Arbeit zu Neuropeptiden. Die Facharztausbildung<br />

absolvierte er an der Ludwig-Maximilians-<br />

Universität München und habilitierte sich dort 2004<br />

über die „Molekulargenetik suizidalen Verhaltens“.<br />

Seit 2008 hatte Rujescu an der Klinik für Psychiatrie<br />

und Psychotherapie in München eine Professur für<br />

Psychiatrie mit Schwerpunkt psychiatrische Genomik<br />

und Neurobiologie inne. Außerdem leitete er<br />

dort das Alzheimer Gedächtniszentrum sowie die<br />

Gerontopsychiatrische Station und Gedächtnisambulanz.<br />

Entsprechend will er auch in Halle vor allem die Therapie<br />

altersbedingter psychiatrischer Erkrankungen<br />

interdisziplinär ausbauen und eine regelmäßige<br />

Gedächtnissprechstunde einrichten. „Halle ist eine<br />

wunderschöne Stadt“, sagt Rujescu. „Die Klinik<br />

mit ihren Mitarbeitern hat mich wohlwollend in<br />

Empfang genommen, es herrscht ein sehr positives<br />

Klima.“ Ute Olbertz<br />

scientia halensis 3/2012 personalia<br />

TROTHE OPTIK<br />

Prof. Dr. Dan Rujescu<br />

Klinik und Poliklinik für<br />

Psychiatrie, Psychotherapie<br />

und Psychosomatik<br />

Telefon: 0345 55 73651<br />

E-Mail: dan.rujescu@medizin.uni-halle.de<br />

Große Steinstraße 10 · 06108 Halle<br />

Telefon (03 45) 2029241<br />

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41


42 zeitgeist scientia halensis 3/2012<br />

Der Zeitgeist, Jahrgang<br />

1760, tauchte zuerst bei<br />

Johann Gottfried Herder<br />

auf. Auch Johann Wolfgang<br />

von Goethe setzte<br />

ihm ein Denkmal, indem<br />

er Faust vom „Geist der<br />

Zeiten“ sprechen ließ.<br />

Inzwischen wirkt er -<br />

unübersetzt oder als „spirit<br />

of the times“ - längst auch<br />

in der englischsprachigen<br />

Welt.<br />

Was ist nur aus dem fleißig strebenden Studenten<br />

geworden?<br />

Hat er seine Manieren bei seiner Mutter vergessen<br />

oder warum hausen Tiere in den Bibliotheken unserer<br />

altehrwürdigen Universität? Eitle Hähne und<br />

stolze Löwenmännchen mit frisch gelegter Mähne<br />

flanieren durch die Gänge – sie haben dabei verlernt<br />

zu schleichen. Ohrenbetäubend staksen auch die<br />

Weibchen den Laufsteg der Eitelkeiten entlang zu<br />

ihren Arbeitsplätzen, packen ihre schicken Tablets<br />

aus und präsentieren ihre Auswahl an High-Tech-<br />

Gimmicks.<br />

Probleme beim Suchen geeigneter Arbeitsplätze?<br />

Kennen sie nicht! Wie Hunde streunen sie durch das<br />

Bibliotheksrevier, um gezielt Duftmarken aus Büchern,<br />

Schreibblöcken und Stiften zu setzen: „Mein<br />

Platz, hier bin ich, nur ich!“ Währenddessen kreisen<br />

andere – Geiern gleich – um die gebauten Nester,<br />

auf die Möglichkeit wartend, in lautes Gezeter ausbrechen<br />

zu können. Die Geräuschkulisse zwischen<br />

Bücherregalen und Arbeitstischen ist so reichhaltig,<br />

wie die eines Regenwalds bei Nacht. Das Schmatzen<br />

kaugummikauender Lippen macht dem Geschnatter<br />

der Enten aus der ersten Etage Konkurrenz.<br />

Dr. Usus Zeitgeist<br />

laufsteg der eitelkeiten<br />

Zeichnung: Oliver Weiss<br />

Ohnehin schafft es niemand, länger als 7:58 Minuten<br />

ruhig zu arbeiten. Spätestens nach dieser Zeit<br />

vibrieren Smartphones, leuchten Chats auf oder der<br />

nächste Bibliotheksnutzer durchkreuzt das Revier:<br />

der gefräßige Fuchs. Es ist eine Untugend, den nach<br />

Wissen dürstenden Köpfen Wasser zu versagen,<br />

aber muss das gefräßige Wesen „Student“ denn<br />

kurz nach seiner Ankunft mit Gummibärchentüten<br />

und Schokoriegelverpackungen möglichst langsam<br />

und betont vorsichtig rascheln? Der völlige Kontrollverlust<br />

setzt ein: Zucker, Fett und Kohlehydrate<br />

sollen die Unfähigkeit zum Lernen kompensieren.<br />

Alles verschwindet in ihren Schlünden.<br />

Zeit für den Auftritt der diebischen Elster. Auch<br />

wenn der Bücherbestand der Bibliotheken nicht<br />

gerade ausschöpfend ist, so pickt sich die Elster<br />

dennoch die Perlen heraus und lässt sie verschwinden.<br />

Heimtückisch nutzt sie die Selbstverliebtheit<br />

des restlichen Tierreiches und stellt Brecht zu Mann<br />

– ein folgenschwerer Fall von verlorenem Wissen!<br />

Ich frage mich nun, warum der doch so kluge Student<br />

seine Menschlichkeit vergisst und seine Artgenossen<br />

derart stört, dass selbst aus der weisesten<br />

Eule eine meckernde Ziege wird.


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scientia halensis 3/2012 anzeigen<br />

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43


44 forschen und publizieren scientia halensis 3/2012<br />

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