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Spinale Muskelatrophien (SMA) - Kennedy-Syndrom

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<strong>Spinale</strong> <strong>Muskelatrophien</strong>(<strong>SMA</strong>)


Eine Broschüre der Schweizerischen Gesellschaft für Muskelkranke SGMKCopyright 2. Auflage (11/2009)Herzlichen Dank der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke DGM e.V. fürdie Kooperation und Prof. Dr. med. Maja Steinlin für die wissenschaftlicheÜberarbeitung.3<strong>Spinale</strong> <strong>Muskelatrophien</strong> (<strong>SMA</strong>)Was ist sind <strong>Spinale</strong> <strong>Muskelatrophien</strong>?Unter dem Begriff «<strong>Spinale</strong> <strong>Muskelatrophien</strong>» wird eine klinischund genetisch heterogene Gruppe von Krankheiten zusammengefasst,denen ein fortschreitender Untergang von motorischenVorderhornzellen im Rückenmark gemeinsam ist. Damit könnendie Impulse vom Gehirn nicht mehr via Vorderhornzellen überdie Nerven (Axone) an die angeschlossenen Muskeln weitergeleitetwerden, woraus Muskelschwund (Muskelatrophie), Lähmungen(Paresen) und verminderte Muskelspannungen (Muskelhypotonie)resultieren.Somit entsteht durch ein Nevenzelluntergang (Vorderhornzellen)im Rückenmark (spina) eine Muskelstörung, deshalb derName <strong>Spinale</strong> Muskelatrophie. Einige Hirnnerven im Bereichdes Hirnstammes sind von der Entwicklung her den Vorderhornzellenim Rückenmark gleichzusetzen, wenn diese Neuronedes Hirnstammes mitbetroffen sind, kommt es ausserdemzu Einschränkungen der Sprech-, Kau- und Schluckfunktionen.Da andere Organsysteme im Allgemeinen nicht beteiligt sind,gibt es keine weiteren Veränderungen wie zum Beispiel Empfindungsstörungen,Probleme mit dem Sehen oder Hören. Auchdie Funktion der inneren Organe sowie von Blase und Darmbleibt erhalten. Die geistige Leistungsfähigkeit wird ebenfallsnicht beeinträchtigt, es gibt sogar Hinweise, dass Patienten mitspinaler Muskelatrophie als Gruppe leicht überdurchschnittlichekognitive Leistungen erbringen. Es gibt jedoch zahlreiche, meistsehr seltene Formen, die teilweise mit zusätzlichen Funktionsstörungeneinhergehen.Verschiedene Formen der <strong>SMA</strong>/ SymptomeDie einzelnen Formen der spinalen <strong>Muskelatrophien</strong> werdennach Verteilungsmuster, Erkrankungsbeginn, Schweregrad undVererbungsmuster unterschieden und in der Regel nach denhauptsächlich betroffenen Muskelgruppen bezeichnet. Es gibtzahlreiche, meist sehr seltene Formen, die teilweise mit zusätz-


4 <strong>Spinale</strong> <strong>Muskelatrophien</strong> 5lichen Funktionsstörungen einhergehen und hier nicht im Einzelnenvorgestellt werden können. Grundsätzlich können zweiGruppen unterschieden werden, die sich in den zuerst betroffenenMuskelpartien unterscheiden, die proximale und die nichtproximale<strong>SMA</strong>:Die proximale <strong>SMA</strong>Die grosse Mehrzahl (zirka 90 Prozent) der spinalen <strong>Muskelatrophien</strong>bildet die Gruppe der proximalen <strong>SMA</strong>, die durch einenBeginn der Muskelschwäche in rumpfnahen, d.h. proximalenMuskelgruppen, vor allem Oberschenkel-, Hüftmuskeln, späterauch Arm- und Schultergürtelbeteiligung, charakterisiert ist.Die proximale <strong>SMA</strong> wird in verschiedene Untertypen eingeteilt,die in erster Linie nach dem Erkrankungsbeginn, den erlerntenmotorischen Fähigkeiten und der Lebenserwartung definiertsind.Die verschiedenen Lehrmeinungen zu den Klassifikationen habensich zum Teil widersprochen und zu langen Diskussionengeführt, so dass vor einigen Jahren eine internationale Arbeitsgemeinschaft(Internationales <strong>SMA</strong> Konsortium) gegründetworden ist, um einerseits die wichtigsten Merkmale einer proximalen<strong>SMA</strong> zu definieren (siehe Diagnosestellung) und andererseitsdie verschiedenen Typen einheitlich festzulegen. DieseTypenfestlegung der internationalen <strong>SMA</strong> Arbeitsgruppe umfasstlediglich die Typen I-III. Die nichtproximalen Formen sowieTyp IV und das <strong>Kennedy</strong> <strong>Syndrom</strong> werden in der Klassifikationals Sonderformen betrachtet (siehe Übersicht Seite 5).Typ Beginn/ Symptomatik GenetikTyp 0Neonatale<strong>SMA</strong>Typ IWerdnigHoffmann;Akute infantile<strong>SMA</strong>Typ IIChronischinfantile <strong>SMA</strong>;Intermediäre<strong>SMA</strong>Typ IVAdulte <strong>SMA</strong>-----------------Bereits nach der GeburtHypotonie, Muskelschwäche,Ateminsuffisienzlerweise innerhalb derersten 6 MonateSitzen ist nie möglichTod in >90% der Fälleinnerhalb 18 MonateErkrankungsbeginn im erstenLebensjahrFreies Sitzen wird erlernt,Gehen ohne Hilfe nie möglichÜberlebensrate >90% nach10 JahrenIII a: Beginn 30 JahreFreier Gang und StandmöglichMilder VerlaufLebenserwartung nichtdeutlich reduziertÜberwiegend MännerbetroffenErkrankungsbeginn >30 JahreUnterschiedlicher VerlaufNormale LebenserwartungAutosomalrezessivAutosomalrezessivAutosomalrezessivErkrankungsbeginn norma-Typ IIIKugelberg-Welander;Juvenile <strong>SMA</strong>Meistautosomalrezessiv;autosomaldominant undX-chromosomalkommenauch vorAutosomaldominantin ca. 70%;autosomalrezessivin ca. 30%(sehr mild)


6 <strong>Spinale</strong> <strong>Muskelatrophien</strong> 7Nichtproximale <strong>SMA</strong>Es gibt ausserdem eine Vielfalt von sehr seltenen weiteren<strong>SMA</strong>, deren Auswirkungen auf die verschiedenen Funktionensehr unterschiedliche sein kann (leichte Beeinträchtigung bisTod im Kleinkindalter). Die Symptome bei den nichtproximalen<strong>SMA</strong> treten nicht zuerst im rumpfnahen Bereich auf. Man unterscheidetdabei Formen wie zum Beispiel die distale <strong>SMA</strong> bei derdie Muskelschwäche im Bereich der Hand- und Fussmuskulaturbeginnt die skapuloperoneale <strong>SMA</strong> mit Betonung der Schulter-und Unterschenkelmuskeln oder auch solche mit Mitbefallder Atemmuskulatur (<strong>SMA</strong> with respiratory distress abgekürzt<strong>SMA</strong>RD).Die meisten Formen sind erblich und folgen entweder einem autosomalrezessiven oder einem autosomal dominanten Erbgang.Daneben gibt es spezielle Untertypen, bei denen vermutlich eineangeborene Veränderung im Rückenmark für die Symptomeverantwortlich ist und die nicht erblich sind.Der Typ <strong>Kennedy</strong>Aufgrund seiner Vererbung - als ausschliesslich X-chromosomalrezessiv vererbte <strong>SMA</strong> - ist der <strong>Kennedy</strong> Typ ein Ausseinseiterunter den spinalen <strong>Muskelatrophien</strong> und wird hier kurzgesondert dargestellt. Das allmähliche Absterben der spinalenVorderhornzellen führt zum Abbau von Muskelfasern, die nichtmehr durch die abgestorbenen motorischen Nerven versorgtwerden. Dabei sind zunächst ebenfalls proximale Bereiche betroffen.Da neben den Vorderhornzellen auch die Hirnnervenbeteiligt sind, schliesst der Muskelabbau Kehlkopf, Kaumuskulatur,die Zunge und die Gesichtsmuskeln ein. Die Krankheitschreitet wie andere <strong>SMA</strong> Typen jedoch schleichend fort und istbisher nicht ursächlich therapierbar.Der Erkrankungsbeginn erfolgt im Erwachsenenalter, meistsind die Betroffenen über 30 Jahre, es gibt jedoch auch andereVorkommnisse zwischen dem 20. und dem 60. Lebensjahr. DieSymptome zeigen sich in einer Muskelschwäche der zunächstproximalen Beinmuskulatur, die sich später auf distale Partienausbreitet. Des Weiteren treten Faszikulationen, Muskelkrämpfe,Lähmungserscheinungen auf. Manche Patienten erleidenauch den Stimmritzenkrampf, wobei es zu einem Verschlussdes Kehlkopfes kommt, durch den das Einatmen vorübergehendunmöglich ist. Bei entsprechendem klinischen Verdacht ist dieDiagnose durch eine genetische Untersuchung relativ leicht zustellen.VererbungAutosomal rezessive <strong>SMA</strong>Die Genveränderungen der fünf Subtypen der proximalen <strong>SMA</strong>sind alle am gleichen Ort auf Chromosom 5 gelagert und es handeltsich mehrheitlich um eine autosomal rezessive Vererbung.Bedingt durch die autosomal rezessive Vererbungsform sind inin vielen Familien vor Bekanntwerden der Diagnose einer <strong>SMA</strong>bei einem Angehörigen keine Hinweise auf Muskelerkrankungenzu finden. Dies trifft insbesondere für die häufige proximale <strong>SMA</strong>des Kindesalters zu, die in mehr als 90 Prozent der Fälle einemso genannt autosomal rezessiven Erbgang folgt. Bei einem autosomalrezessiven Erbgang tragen erkrankte Personen zweiveränderte Anlagen, die sie sowohl von ihrem Vater als auchvon ihrer Mutter geerbt haben. Beide Eltern sind gesund, da sieneben einer veränderten Anlage über eine normale Anlage verfügen,die den Fehler der «ungünstigen» überdeckt.Die Krankheit kommt also nur dann zum Vorschein, wenn einKind von beiden Eltern das veränderte Gen erhalten hat. Beiweiteren Nachkommen können nun die normale und die veränderteAnlage in beliebiger Kombination auftreten, ohne dassman dies beeinflussen könnte. Dies bedeutet statistisch gesehen,dass nach der Geburt eines Kindes mit einer autosomalrezessiven Erkrankung ein Wiederholungsrisiko von 25 Prozent


8 <strong>Spinale</strong> <strong>Muskelatrophien</strong> 9besteht. Die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Kinder erkranken,liegt demnach bei 1:4, unabhängig davon, wie viele Kinderbereits betroffen sind oder wie viele gesunde Kinder in einerFamilie zuvor geboren wurden.Autosomal dominante und andere ErbgängeEs gibt einige Familien, in denen die <strong>SMA</strong> autosomal dominantvererbt wird. Vor allem bei Formen, die erst im Erwachsenenalterbeginnen (Typ IV), liegt häufig ein dominanter Erbgang vor,bei dem eine «ungünstige» Anlage auf einem der Chromosomenausreicht, um die Erkrankung auszulösen. Die Krankheit wird indiesen Fällen von Generation zu Generation weitervererbt, jederBetroffene gibt dann die veränderte Anlage statistisch an dieHälfte seiner Nachkommen weiter. Diejenigen Verwandten, diedie verantwortliche Anlage nicht geerbt haben, können sie auchnicht auf ihre Kinder übertragen.Obwohl autosomal dominante Vererbung bei <strong>SMA</strong>-Formendes Kindesalters äusserst selten ist, kann derzeit noch nichtausgeschlossen werden, dass vor allem ein Teil der milderenVerlaufsformen (<strong>SMA</strong> Typ III) auf dem Boden einer neu entstandenenVeränderung einer Erbanlage (Neumutation) beruht. Insbesonderein denjenigen Fällen, bei denen keine homozygoteDeletion der telomerischen Kopie des SMN-Gens vorliegt, kanneine neu entstandene autosomal dominant erbliche Form nichtausgeschlossen werden. In diesen Fällen ist von einem deutlicherhöhten Erkrankungsrisiko für Kinder auszugehen.Da eine klinische Unterscheidung zwischen den autosomal rezessivenund dominanten Formen praktisch nicht möglich ist,kommt der genetischen Beratung mit Erhebung eines Familienstammbaumessowie molekulargenetischen Untersuchungsbefundeneine erhebliche Bedeutung zu. Für die dominante <strong>SMA</strong>steht uns noch keine DNA-Diagnostik zur Verfügung; der Genortauf Chromosom 5 ist zumindest nicht für die Formen mitBeginn im Erwachsenenalter verantwortlich. Die Diskussionmacht deutlich, dass zur Abschätzung von Erkrankungsrisikenin jedem Falle eine humangenetisch ausgebildete Fachpersonbefragt werden sollte.Ausserdem kommt unter den spinalen Atrophien mit dem <strong>Kennedy</strong><strong>Syndrom</strong> auch die X-chromosomal rezessive Vererbungvor, d.h. es erkranken in aller Regel nur Männer. ErkrankteMänner geben die fehlerhafte Erbinformation auf dem X-Chromosoman ihre Töchter weiter, die ihrerseits aber nicht erkranken.Sie vererben das Gen an ihre Söhne, die in ca. der Hälfteder Fälle die Erbinformation übenehmen.Da eine genetisch bedingte Erkrankung in den Familien meistviele Fragen hervorbringt, ist eine genetische Beratung von Betroffenenund/ oder deren Angehörigen sinnvoll.DiagnosestellungZuständig für die Diagnosestellung sind bei den Formen des Kindesaltersdie KinderärztInnen mit Schwerpunkt im Fachbereichder Neuropädiatrie und im Erwachsenenalter NeurologInnen.Zu Beginn einer weiterführenden Diagnostik steht eine ausführlichekörperliche Untersuchung, bei der unter anderem dieMuskelkraft in den verschiedenen Muskelgruppen, die Muskelspannungund das Vorhandensein der muskeleigenen Reflexegeprüft werden. In jedem Falle sollten Funktionsstörungenanderer Organsysteme ausgeschlossen werden, denn es gibtKrankheiten, die der <strong>SMA</strong> sehr ähnlich sind, aber eine andereUrsache haben. Nach einer Blutabnahme werden schliesslichneben den üblichen Laborwerten auch spezielle Muskelenzymegetestet, hier vor allem die Kreatinkinase CK-Aktivität. Im Unterschiedzu vielen Muskelkrankheiten im eigentlichen Sinne(Muskeldystrophien) finden sich bei den <strong>SMA</strong> meist normaleCK-Werte, sie können jedoch geringfügig erhöht sein (maximalbis zum Zehnfachen der Norm).Wenn der Ort der Funktionsstörung klinisch nicht sicher definiertwerden kann, ob primär der Muskel betroffen ist oder


10 <strong>Spinale</strong> <strong>Muskelatrophien</strong> 11ob die Störung von den zuleitenden Nerven herrührt, kann eineElektromyografie (EMG) und eine Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit(NLG) durchgeführt werden. Oftmals ist esaufgrund dieser Untersuchungen bereits möglich, eine <strong>SMA</strong> vonanderen neuromuskulären Erkrankungen zu unterscheiden.Heute seltener, aber manchmal notwendig, ist eine feingeweblicheUntersuchung des Muskelgewebes (Muskelbiopsie). Beivielen Erkrankungen zeigen sich charakteristische Veränderungenin der Muskelbiopsie, die es im Allgemeinen erlauben,eine <strong>SMA</strong> von primären Muskelkrankheiten abzugrenzen.Molekulargenetische Untersuchungsmethoden (Genotypendiagnostik)ermöglichen bereits heute durch den Nachweis einerspezifischen Veränderung auf dem Chromosom 5 (Stückverlustoder Deletion) im Bereich des SMN-Gens die Diagnosestellungeiner klassischen <strong>SMA</strong>. Bei fehlendem Nachweis der typischenVeränderung ist jedoch ein Krankheitsausschluss mit Sicherheitnicht möglich. Des Weiteren wird bei der indirekten Genotypdiagnostikder Bereich, der das Gen für die <strong>SMA</strong> enthält, in einerFamilie mit Hilfe genetischer Marker zurück verfolgt. Diese wirdheute neben der SMN Analyse praktisch ausschliesslich im Rahmeneiner vorgeburtlichen Diagnostik durchgeführt. Voraussetzungfür eine vorgeburtliche Diagnostik ist immer eine vorangehendehumangenetische Beratung der Eltern, bei der unteranderem eine genaue Information über die Möglichkeiten undGrenzen der geplanten Untersuchungen erfolgt. Bei typischenklinischen Symptomen kann so allenfalls direkt die Diagnosegestellt werden.Therapeutische MassnahmenDa die Ursache für die Genveränderungen, die eine <strong>SMA</strong> hervorrufen,nicht bekannt ist, steht uns eine ursächliche Therapieleider nicht zur Verfügung. Es gibt bis heute keine Behandlungsform,die ein Fortschreiten der Muskelschwäche verhindernoder die Krankheit zum Stillstand bringen könnte. Getreu nachdem Motto «Gegen <strong>SMA</strong> kann man nichts machen, aber vieltun» sollte man in jedem Falle die Möglichkeiten der symptomatischenTherapiemassnahmen kennen und nutzen. Im Vordergrundsteht die physiotherapeutische Behandlung, mit der dienoch vorhandene Muskelkraft und die Gelenkbeweglichkeit unterstütztwerden. Die Folgen der zunehmenden Veränderungender Muskulatur können so eingeschränkt, bzw. kompensiertwerden.Durch Physiotherapie können Bewegungsabläufe so verbessertwerden, dass sie möglichst wenig Kraft erfordern. Ebenfallskann die Beweglichkeit durch Verbinden von erschwerendenKontakturen optimiert werden.Wichtig ist auch der sinnvolle Einsatz adäquater Hilfsmittel. Damitsoll grösst mögliche Selbständigkeit und Beweglichkeit fürden Alltag entwickelt und erhalten werden. Aufgrund der unterschiedlichenKrankheitsverläufe gibt es weder eine allgemeingültige Therapieform (Methode) noch verbindliche Therapiepläne.Die Behandlung soll überwiegend dynamisch und funktionellausgerichtet sein.Die Behandlung konzentriert sich auf:Bei schwer eingeschränkten PatientInnen, die aktive Bewegungennicht mehr in grösserem Umfang durchführen können,sind passives Durchbewegen und Dehnungsübungen zur Vorbeugungvon Gelenkversteifungen empfehlenswert. PhysiotherapeutischeÜbungen sollen möglichst täglich während kürzerenZeiten durchgeführt werden. Der Physiotherapeutin kommt vorallem die Rolle zu, die Patienten und Eltern zur Selbstdurchführungder Übungen anzuleiten.Sollte eine Behandlungsform gerade bei kleinen KindernSchmerzen oder Unbehagen erzeugen, ist es nicht sinnvoll, sieum jeden Preis fortzusetzen.Das physiotherapeutische Konzept sollte mit der betreuendenÄrztin abgesprochen werden und auf die individuelle Situation


12 <strong>Spinale</strong> <strong>Muskelatrophien</strong> 13angepasst werden.Eine vermindernde Atemfunktion stellt sich meist schleichendein. Es kommt zu nächtlicher Minderatmung mit ansteigendenCO 2-Werten gegen Morgen und später auch CO 2-Verminderungin der Nacht. Dies führt zu vermehrter Müdigkeit und Leistungsverminderungam Tag, teilweise verbunden mit Kopfschmerzen.Subjektiv wird das langsame Auftreten meist nicht realisiert.Wenn Hinweise auf eine nächtliche Sauerstoffunterversorgungbesteht, sollte in Absprache mit einem erfahrenen Arzt entsprechendeAbklärung und dann allenfalls eine Heimbeatmung inErwägung gezogen werden.Die Schwäche der Atemmuskulatur begünstigt das Auftretenvon Atemwegsinfektionen, die zu schwerwiegenden Komplikationenführen können. Regelmässige Atemtherapie kann diespositiv beeinflussen. Zum Einsatz können auch spielerischesAtemtraining (zum Beispiel Flöte spielen) oder gezielte Übungenmit einem Atmungsgerät kommen. Eine frühzeitige Behandlungzum Beispiel mit Antibiotika hilft vielfach, schwerwiegende Infektionenzu beherrschen. Zur Vorbeugung ist es sinnvoll, sichgegen Kinderkrankheiten, häufige Erreger von Lungenentzündungensowie Grippe impfen zu lassen. Es gibt keine Hinweisedafür, dass eine Impfung den Krankheitsverlauf nachhaltigungünstig beeinflusst, wogegen die Komplikationen bei durchgemachtenKinderkrankheiten nach Möglichkeit zu vermeidensind.Ein grosses Problem bei der proximalen <strong>SMA</strong> stellt die zunehmendeWirbelsäulenverkrümmung (Skoliose) dar, da sie die Atmungsfunktionzusätzlich einschränkt. Hier ist eine rechtzeitigeBehandlung von grosser Bedeutung, wobei über die Möglichkeiteiner operativen Versteifung der Wirbelsäule zur langfristigenStabilisierung des Rumpfes mit einem Spezialisten gesprochenwerden sollte.Durch die regelmässige Verwendung von Hilfsmitteln kann dienoch vorhandene Muskelkraft wirksam gefördert und die Beweglichkeitbeziehungsweise der Aktionsradius entscheidendverbessert werden. Hier müssen betroffene Familien zusammenmit betreuenden Ärztinnen und Physiotherapeuten überlegen,ob und welche Hilfsmittel eingesetzt werden sollen (zumBeispiel Sitzschale oder Korsett als Sitzhilfen; orthopädischesSchuhwerk, Stehbrett, Schienen, Swivelwalker als Geh- undStehhilfen; Rollstuhl zur Fortbewegung; Lifter, Toiletten- undBadehilfen für die Versorgung zu Hause).Auch wenn eine effektive Therapie zur Heilung der <strong>SMA</strong> derzeitnoch nicht angeboten werden kann, so hängt viel von derLebenseinstellung der betroffenen Person und ihrem Umfeldab, inwieweit sie sich durch die Muskelschwäche eingeschränktfühlt. Trotz vieler Schwierigkeiten, die Körperbehinderten inunserer Gesellschaft begegnen, liegt es vielfach an der Einstellungund der positiven Lebensenergie der PatientInnen, wie sieihren Weg gehen und ihre Fähigkeiten nutzen. Da die geistigeEntwicklung nicht beeinträchtigt ist, sind eine gute schulischeBildung und intellektuelle Förderung von grosser Bedeutung.


14 <strong>Spinale</strong> <strong>Muskelatrophien</strong> 15Die Gesellschaft für MuskelkrankeZieleDie Gesellschaft für Muskelkranke strebt eine Zukunft an, in deralle Menschen mit einer Muskelkrankheit bestmöglich lebenkönnen – selbstbestimmt und gleichgestellt. Sie setzt sich mitBlick auf diese Zukunft überall dort ein, wo die Bedürfnisse vonMenschen mit einer Muskelkrankheit und die ihrer Angehörigennicht oder nur ungenügend abgedeckt sind.ZEWO-GütesiegelDie Schweizerische Gesellschaft für Muskelkranke SGMK istZEWO-zertifiziert. Die Stiftung ZEWO ist die schweizerischeFachstelle für gemeinnützige, Spenden sammelnde Organisationen.Das Gütesiegel wird nur an Organisationen verliehen,welche gewisse Standards erfüllen und gilt damit als Qualitätsausweis.Kernaufgaben- Anlaufstelle, Erstberatung und Information für Menschen miteiner Muskelkrankheit und ihre AngehörigenKontaktDie Mitarbeiter der Geschäftsstelle sind während der üblichenBürozeiten für Sie da.Vermittlung und Sicherstellung benötigter Dienstleistungen-Initiierung und Unterstützung von Kontakt- und Selbsthilfegruppen-Organisation von Ferien- und Freizeitangeboten für Kinder,Jugendliche und Erwachsene mit einer Muskelkrankheit-Unterstützung von Initiativen und Projekten mit Blick auf einselbstbestimmtes Leben-Rasche und unbürokratische Sachhilfe in Notfällen-Informations- und Weiterbildungsangebote für Institutionenund Fachpersonen zu spezifischen Themenbereichenin der Pflege und Betreuung von Menschen mit einerMuskelkrankheitUnterstützung von Forschungsprojekten, die sich primär aufdie Verbesserung der Lebenssituation von Menschen miteiner Muskelkrankheit auswirkenAufklärung und Information der Öffentlichkeit über Muskelkrankheitenund die Anliegen BetroffenerDie Gesellschaft fürMuskelkranke istvon der ZEWO alsgemeinnützig anerkannt.Schweizerische Gesellschaftfür Muskelkranke SGMKKanzleistrasse 80CH-8004 ZürichTelefon +41 (0)44 245 80 30Fax +41 (0)44 245 80 31---Politische Aktivitäten zur Umsetzung der Gleichstellungund Selbstbestimmunginfo@muskelkrank.chwww.muskelkrank.ch-PC-Konto 80-29554-4


Was ist «muskelkrank»?KleinhirnKleinhirnbahnenFriedreich Ataxie (FA)ThymusdrüseMuskel (neuromuskuläre / motorische Endplatte)Myasthenia Gravis (MG)RückenmarkVorderhorn (motorisch)<strong>Spinale</strong> <strong>Muskelatrophien</strong> (<strong>SMA</strong>)1. und 2. MotoneuronAmyotrophe Lateralsklerose (ALS)Peripherie (Nervenfasern)Sensible Nerven (Spürsinn = sensorisch)NeuropathienSchema: nach einer Idee von fm und ebjMotorische Nerven (Bewegung = motorisch)Neurale <strong>Muskelatrophien</strong> (HMSN/CMT)(oft motorisch-sensorisch kombiniert)MuskelMuskelzellenMyopathien (eigentl. Muskelkrankheiten)Myositis (entzündlich)Ausschnitte einer VergrösserungUnter Muskelkrankheiten versteht man alle neuromuskulärenErkrankungen. Nach einer Klassifikation von Walton gibt es800 Formen. Der Volksmund nennt sie Muskelschwund undbeschreibt damit ein wesentliches Krankheitszeichen, das beidiesen sehr unterschiedlich verlaufenden Erkrankungen auftritt.Dieses Symptom kann auf wenige Muskelgruppen begrenzt bleiben,oder auch, je nach Erkrankungsform, die gesamte Muskulaturerfassen. Eine Reihe von Muskelerkrankungen kann sowohlim (früheren) Kindesalter als auch im (späteren) Erwachsenenalterauftreten.Notizen<strong>Spinale</strong> <strong>Muskelatrophien</strong> 17


BeitrittserklärungIch möchte gerne Mitglied der Gesellschaftfür Muskelkranke werden:Ich selbst bin muskelkrank* – Jahresbeitrag 35 Fr.Mein(e) Partner(in) ist muskelkrank* – Jahresbeitrag 35 Fr.Mein Kind ist muskelkrank* – Jahresbeitrag pro Familie 35 Fr.Ich trete als Gönnermitglied bei – Jahresbeitrag 50 Fr.Name */ VornameStrasse / HausnummerPLZ / OrtTelefon privatE-Mail-Adresse* Falls Sie oder ein Familienmitglied muskelkrank sind / ist,bitte Name / Alter / Diagnose angeben.*Unter Muskelkrankheiten versteht man alle neuromuskulären ErkrankungenIch möchte die Gesellschaft für Muskelkranke unterstützen.Bitte senden Sie mir:einen Einzahlungsschein – PC-Konto 80-29554-4Name des / der BetroffenenGeburtsdatumDiagnose/ IV NummerVerwandschaftsverhältnisSchweizerische Gesellschaft für Muskelkranke, Kanzleistrasse 80, 8004 ZürichTelefon 044 245 80 30, Fax 044 245 80 31, info@muskelkrank.ch. Herzlichen Dank für Ihr Interesse!18


Schweizerische Gesellschaftfür Muskelkranke SGMKKanzleistrasse 808004 Zürich

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