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April 2013/Mai 2013

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„Ausgerechnet in der Marktwirtschaftgibt es Probleme mit den Jeanswesten“Am 5. März wurde Christian Führer, von 1980 – 2008 Pfarrer an der LeipzigerNikolaikirche, 70 Jahre alt.In einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung vom 2./3. März blickt er zurückauf die friedliche Revolution und deren noch ausstehenden zweiten Teil.Fünf Jahre im Ruhestand: Wie hat sich Ihr Leben seitdemverändert?Als ich im März 2008 das Pfarramt verließ, habe ich diesohne große Pläne für den neuen Lebensabschnitt getan.Wie von selber ist dann einiges auf mich zugekommen:Noch im selben Jahr bat mich der Ullstein-Verlag, einBuch zu schreiben, das 2009 zur Leipziger Buchmesseauch pünktlich erschienen ist. In der Folge hat es viele,viele Einladungen zu Vorträgen über die Friedliche Revolutionin ganz Deutschland und in Österreich gegeben,zu Predigten, zu Schülerprojekten. Die Zeit war sehrausgefüllt, so richtig zum Ruhestand bin ich noch nicht gekommen.Wenn Sie in westdeutschen Landen von der Wende in der DDR erzählen,auf wie viel Verständnis stoßen Sie? Um den deutsch-deutschen Zustand istes ja nicht zum Besten bestellt.Ich spreche ja nicht vor Stammtisch-Publikum, sondern vor wirklich interessiertenLeuten. Vier Fünftel aller Vorträge halte ich außerhalb der neuen Bundesländer.Überall höre ich die Reaktion: „Das wussten wir ja alles gar nicht.“Der Aufklärungsbedarf ist hoch, weil niemand unter den Zuhörern je zuvor ineiner Weltanschauungsdiktatur gelebt hat.Aus „Wir sind das Volk“ wurde bald: „Wir sind ein Volk“. Ist der Lauf der deutschenGeschichte seit 1989 für Sie mehr Segen oder mehr Ärgernis?Ein Ärgernis auf keinen Fall. Die Befreiung vom brutalen Gesinnungsterror,der seit 1933 auf unterschiedliche Weise in unserem Land praktiziert wurde,ist eine ungeheuer wichtige Erfahrung. Natürlich war klar, dass das Zusammengehenvon Ost und West aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungen,die die alte Bundesrepublik und die DDR vorher genommen hatten, nichtleicht werden würde. Etwas dürfen wir nicht vergessen: Wir einstigen DDR-Bürger tragen zwei schwere Erbstücke mit uns herum: Den Gewohnheitsatheismus,ähnlich dem Wohlstandsatheismus drüben, und die Entmündigungdurch 40 Jahre SED-Indoktrination. Das permanente Sich-Anpassen undSich-Wegducken hat Haltungsschäden verursacht. Die meisten von unswaren zunächst völlig untauglich für eine plurale, offene Gesellschaft. Dassder Kapitalismus sehr viel Schatten mit sich bringt, lag erst einmal außerhalbunserer Vorstellungskraft.12 <strong>April</strong>/ <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>

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