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Kapitel Friaul, Collio Bianco und Friulano - Steffenmaus.com

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<strong>Friaul</strong>


friulano aus dem friaulcollio bianco135


Am Rand <strong>und</strong> obenaufim collio gibt es den feinsten schinken <strong>und</strong> den raffiniertesten weißweinitaliens. da sind sich experten einig, auch wenn nur wenige den landstrichzwischen österreich, slowenien <strong>und</strong> dem mittelmeer bereist haben. die menschenim friaul kehren ihre qualitäten selten nach außen. genauso ist es mit ihrenweinen. wer aber einmal mit land <strong>und</strong> leuten fre<strong>und</strong>schaft geschlossen hat,gewinnt eine region italiens für sich, die sich immer treu geblieben ist.Wer spätnachmittags im Caffè Urbanis in Triest seinenEspresso verschüttet, tut sich damit in mehrfacher Hinsichtnichts Gutes. Nicht nur nimmt er sich den Kaffeegenuss,weil das Heißgetränk dort in bester Qualität serviert wird,sondern gefährdet auch die Business outfits seiner Nachbarn.Triest ist Hauptsitz des Kaffeerösters Illy <strong>und</strong> seinerUniversità del Caffè. In den Apero-Bars um die Piazzadell’Unità stehen die Gäste nach Feierabend dicht gedrängt,<strong>und</strong> dabei verhaken sich schon mal Gucci-Embleme inBulgari-Manschettenknöpfen. Deren Träger liefen noch biseben durch die Büroetagen von Unternehmen wie Generali.Der Versicherungs-Multi hat sich hier schon vor100 Jahren mit einem klassizistischen Prachtbau sein Denkmalgesetzt <strong>und</strong> reichlich Nachahmer gef<strong>und</strong>en. Regierung<strong>und</strong> Stadt leisteten sich je einen Palazzo, ebenso der KonzernLloyd Triest. Deshalb sind die Straßen um den Platzheute gesäumt von ornamentverzierten Fassaden. Währenddie Sonne langsam in der Adria versinkt – die vierte Seiteder Piazza ist offen zum Meer –, glühen die mit Goldintarsienverzehenen Sandsteinmauern mit ihren Skulpturen, alswollten sie das ganze Haus in Gold verwandeln.Triest ist die Bilderbuchversion einer reichen Handelsstadt.Ab 1382 hatte es zu Österreich gehört, das esfür lange Zeit zu seinem wichtigsten Handelshafen <strong>und</strong>Marinestützpunkt ausbaute. Der Kalte Krieg drängteTriest <strong>und</strong> die gesamte Region zwar in eine Randposition.Doch innerhalb der EU der 27 Mitgliedsstaaten liegt dieStadt im extremen Nordostzipfel Italiens wieder mittendrin.Innenstadt <strong>und</strong> Canale Grande sind herausgeputzt;<strong>und</strong> nicht wenige der Bohnen für sechs Millionen TassenIlly-Kaffee, die täglich getrunken werden, werden in demgeschäftigen Adriahafen verladen. In den letzten Jahren istauch eine ganze Menge Wein aus <strong>Friaul</strong> dazugekommen.Viele der Frachtschiffe nehmen Kurs auf New York, wosich die Weißweine eine gute Reputation erarbeitet haben.Doch anders als die Herkunftsorte anderer weltweitbekannter Weine wie des Chianti kennt kaum jemand dasentlegene Grenzland, aus dem die Tropfen stammen. Werdie Hauptstraße von Triest Richtung Norden entlang derslowenischen Grenze in die Berge fährt, erlebt auch keinKlischee-Italien. Keine Zypressen, keine Oliven – wenigwürde sich hier als Motiv für ein Weinetikett anbieten, mitdem Winzer die Anmut der Landschaft auf ihren Weinübertragen wollen.Wer die Weine sucht, reist in eine Weltohne Glamour, dahin, wo Triest Trst heißt, weil die Einwohnerzu Hause italienisch <strong>und</strong> slowenisch sprechen <strong>und</strong>wo viele finden, dass sie für die reichen Städter Menschenzweiter Klasse sind. Andererseits laufen die Städtchen wieGorizia oder Cormòns kaum Gefahr, als der unvermeidlicheGeheimtipp im nächsten Webportal aufzutauchen,um sich dann bei näherem Hinsehen doch nur als weiteresTouristendorf zu entpuppen, in dem Leute ihr Geld mitGipsmadonnen <strong>und</strong> Schlüsselanhängern verdienen.Stattdessen bekommt man in den hübschen Orten das,was man so selten bekommt, wenn man es sucht: authentischesLeben. Die Leute trinken ihren Espresso in uraltenBars mit dunkler Holzvertäfelung. Und wer sich für eineSt<strong>und</strong>e vor das Longobardo am Marktplatz von Cividaledel Friuli setzt, bekommt 60 Minuten echten italienischenSeite 134 − 135: Im <strong>Friaul</strong> helfen noch die alten Leute aus demDorf bei der Lese, andernorts heutzutage eine Seltenheit.Seite 136: Klassizistische Fassaden an der Piazza dell’Unità.Romantischer Sonnenuntergang mitten in der City. Die Piazzadell’Unità ist offen zum Meer.friaul137


Das Ristorante Aquila D’Oro im Castello di Trussio führt einen der begehrten Michelin-Sterne.Lifestyle vorgeführt. In aller Regel ohne Digitalkameras<strong>und</strong> Stadtplan wälzende Kulturtouristen.Dabei hätten die genug zu sehen, so wie das über1.000 Jahre alte dreieckige Kloster Santa Maria in Vallesüdlich des Marktplatzes. Von dessen ebenfalls dreieckigemInnenhof mit dem zauberhaften Säulengang <strong>und</strong> demBrunnen tritt man in die kleine Kapelle. Darin wölbt sichein romanischer Fries, auf dem rankende Reben <strong>und</strong> dickereife Trauben aus dem Stein gearbeitet sind. Das gibt es keinzweites Mal auf der Welt. Um das Jahr 1200 entstand inCividale ein silberner Altaraufsatz mit lateinischer Inschrift.Die Buchstaben wurden mit vorgefertigten Werkzeugeneingeschlagen, mehr als 200 Jahre bevor Johannes Gutenbergden Buchdruck erfand. Palazzi, Kirchen <strong>und</strong> Klöstermachen aus vielen Plätzen historische Schmuckstücke.Nicht nur Triest, erst recht das Anbaugebiet <strong>Collio</strong>ist nicht ohne Wenn <strong>und</strong> Aber italienisch. Die rätselhafterscheinenden Begriffe auf vielen Weinetiketten wie Klin,Col Disôre, Pomédes oder Segrè sind Furlan, die lokaleSprache, die dem Katalanischen fast mehr ähnelt als demItalienischen. Auf den Straßen sind die Ortsnamen zweisprachigangegeben. Und der größere Teil des <strong>Collio</strong> liegtin Slowenien. Der Austausch unter den Winzern diesseits<strong>und</strong> jenseits der Grenze ist lebhaft.Wechselnde Herrschaften <strong>und</strong> Einflüsse gab es in fastallen europäischen Regionen. Allzu oft sind die historischenBeschreibungen nicht viel mehr als Allgemeinplätze.Im <strong>Collio</strong> standen sich nicht nur Römer <strong>und</strong> Barbaren,Katholiken <strong>und</strong> Protestanten gegenüber. Mindestens seitder Antike ist die Region an der Grenze zwischen Alpen<strong>und</strong> Adria begehrt. Eroberer aus dem Norden suchten denMittelmeerzugang; wer aus dem Süden kam, wollte sich diePassage auf den Balkan sichern. Deshalb waren hier nichtnur Julius Caesar <strong>und</strong> Karl der Große. Zu den Invasorenzählten bereits der Patriarch von Aquileia oder der Königvon Illyrien, die längst niemand mehr kennt.Unvergleichbar heftig trafen die Region aber dieAuseinandersetzungen des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts. Im I. Weltkriegtobten hier zwölf der blutigsten Materialschlachten.Mehrere 100.000 Soldaten starben bei den Kämpfenzwischen Italien <strong>und</strong> Österreich-Ungarn im Trommelfeuer,bei Giftgasangriffen, durch Minenwerfer <strong>und</strong> an Typhus.Knochen, verrostete Koppeln <strong>und</strong> Bajonette dieser armenTeufel findet man noch heute an einigen Stellen. In diesen138


Isonzo-Schlachten, die am Ende nicht kriegsentscheidendwaren, wurden Bergen die Gipfel abgesprengt <strong>und</strong> dasprächtige Gorizia schwer zerstört.Auch der II. Weltkrieg brachte verheerende Kämpfe.Und am Ende verlief die Grenze zwischen Italien <strong>und</strong>Jugoslawien mitten durch Gorizia. Am Bahnhofsplatz, derPiazza Transalpina, grenzte jahrelang Nato-Territorium andas des Warschauer Pakts. Erst seit 2004 mit SloweniensEU-Beitritt ist die Teilung endlich Vergangenheit.Die Menschen im <strong>Collio</strong> haben sich mit der Geschichtearrangiert. In Cividale steht eine Statue Julius Caesars, deraus der keltischen Siedlung eine Stadt machte, in Cormònsziert Kaiser Maximilian I. von Habsburg den Dorfplatz.Das <strong>Collio</strong> hat dem Rest der Welt verziehen – <strong>und</strong> vertrautvor allem auf sich selbst. „Mein Weingut ist im italienischenKatasteramt aufgeführt“, sagt etwa Edi Keber,Winzer in dritter Generation. Sein Vater musste sich mitösterreichischen Behörden herumschlagen. Den Großvaterschikanierten slowenische Verwaltungsangestellte. Wennman ihn nach seiner Nationalität fragt, nimmt er seineGäste manchmal mit in den Keller, den sein Großvater inden Berg getrieben hat. Die stabile Struktur hat sich bewährt,<strong>und</strong> ganz hinten, vorbei an uralten Fuderfässern <strong>und</strong>modernen Stahltanks, hat er in einer Nische ein kleinesRegal. Dort zieht er eine Flasche <strong>Bianco</strong> aus dem Jahr 1968hervor. Das war der erste Jahrgang mit der offiziellenDOC-Bezeichnung, an der Umsetzung hatte sein Vatergroßen Anteil. Edi zeigt auf die Banderole mit der Abfüllnummer001. Den würde er nicht für einen Diplomatenpasstauschen.Auf dem Weg von Gorizia nach Udine kommt man anAra Pacis M<strong>und</strong>is vorbei <strong>und</strong> findet die eigene Antwort derMenschen hier auf die Fragen der Geschichte. Das gravitätischeMahnmal steht auf dem Hügel Medea <strong>und</strong> ist denOpfern aller Kriege in aller Welt gewidmet.Weiß-rosa GotikUdine, die zweitgrößte Stadt <strong>Friaul</strong>-Julisch Venetiens,bildet einen krassen Kontrast zum Klassizismus von Triest.Wer vor der Stadtmauer parkt, kann direkt zum Schloss gehen<strong>und</strong> über den parkartigen Vorplatz schlendern, die alteSteintreppe hinunter auf die Piazza della Libertà <strong>und</strong> in einkleines Zauberland eintauchen. Durch den Ortskern führenGassen mit Kopfsteinpflaster, in denen sich die üblichenPalazzi finden. Der schönste unter ihnen ist jedoch wie zumTrotz gotisch, gewagt gestaltet für einen Venezianer inrosa-weiß gestreift. Von den prächtigen Brüstungen derLoggia del Lionello kann man zusehen, was die UdinenserIn Udine gibt es immer etwas zu feiern: die Piazza della Libertà am Abend des Weinfests Friuli DOC im September.


Landwirtschaft <strong>und</strong> frico sind Tradition im <strong>Friaul</strong>. Zumindest bei den köstlichen Käseplätzchen wird daran niemand etwas ändern.auf der Piazza mit der großen Freiheitsstatue so treiben.Oder man lässt sich weiter mitziehen auf der Via Rialto biszur Piazza Matteotti, wo die Bauern des Umlands schonvor über 1.000 Jahren ihre Waren auf dem Markt verkauften.Zwischen Gotik- <strong>und</strong> Renaissancebauten drängen sichnicht nur die für jeden Italiener unentbehrlichen Bekleidungsgeschäfte,sondern auch Bars, die nicht über mangelndenZulauf klagen können. An den Theken <strong>und</strong> unterden Arkaden fließt der vino in Strömen. Kaum jemandbestellt Softdrinks. Ältere Damen <strong>und</strong> Studenten, auchBarflies unter zwanzig nippen glücklich an ihrem Spritz,<strong>Friulano</strong> oder <strong>Collio</strong> <strong>und</strong> diskutieren darüber. In Udinebeobachtet man im Konzentrat, was für die ganze Regiongilt: Hier leben Leute mit Wein – <strong>und</strong> nicht erst, wennsie über fünfzig sind. Am liebsten auf einem der vielenMärkte oder Feste. Dann bummeln Gott <strong>und</strong> die Weltumher, Menschen mit slawischem Gesichtsschnitt beäugenAntiquitäten, luftgetrocknete Schinken oder die Band desFestivals. Meistens hallen dann Polka-Rhythmen durchdie Straßen.Den harten Dialekt, den die Friulaner ihrem Italienischgeben, versteht allerdings nicht jeder, zumal er von Dorf zuDorf anders ist. Viele Leute sprechen ohnehin lieber friulanooder slowenisch oder zimbrisch oder uralte Variantendes Deutschen. Diese verschiedenen Brocken der Vergangenheittauchen auch in der Küche auf. Wie fast immerin bergigen Regionen ist das Essen nahrhaft wie Lasagnemit geräuchertem Käse oder Eintopf mit Sauerkraut: Dazugibt es in manchen Bergdörfern kartuffla. Fricos, Käse-Kartoffelkuchen aus der Pfanne, passen hier nicht nur zujeder Tageszeit, sondern auch zu jedem Wein. San-Daniele-Schinken, sicher das feinste Produkt der Region, harmoniertbestens mit der bodenständigen Rebsorte <strong>Friulano</strong>.Insgesamt changiert die Speisekarte oft zwischenitalienisch <strong>und</strong> deftig österreichisch wie beim Gulasch mitPolenta oder Schweinenacken in salsa bechamela. Vieleskönnte tatsächlich auch in Tschechien oder Deutschlandauf der Karte stehen, manches sogar in der Schinkenstraßeauf Mallorca. Doch aus der Rustikalität der Hausmannskostzu folgern, dass es in den Restaurants des <strong>Collio</strong>140


österreichvenetienTarvisioTagliamentoA23friaulsloveniensüdtirol10 20 30 40 50 kmSan Danieledel FriuliCividaledel FriuliUdine 2IsonzoAnbaugebiete1 Friuli Grave2 Colli Orientali del Friuli3 <strong>Collio</strong>5 10 15 20 25 miA27Pordenone1Cormons3 GoriziaPalmanovaGradiscad’Isonzo54Aquileia4 Friuli Isonzo5 Friuli Aquileia6 CarsoA4GradoTrieste6<strong>Friulano</strong> − in allenAnbaugebietenebenso deftig zugeht, bleibt zum Glück ein Trugschluss.Tatsächlich schaffen <strong>Friaul</strong>er Köche das, was Köche auf derweiten Welt immer gern für sich zum Leitsatz erklären <strong>und</strong>so selten einlösen. In den Restaurants spielen sie souveränmit den lokalen Zutaten, indem sie mit Asino-Käse einenTouch von Wacholderrauch an einen Kürbisflan zaubern.Am Tisch trifft das Gericht dann auf einen blumigen Sekt,<strong>und</strong> beide gehen eine geniale Verbindung ein. SolchesKönnen zahlt sich aus. Acht Restaurants im <strong>Friaul</strong> führenden begehrten Michelin-Stern, der für italienische Köchebesonders schwer zu erkochen ist. Auch Tonino Venicakocht auf hohem Niveau, indem er traditionelle Lebensmittelmit neuen Zubereitungsmethoden variiert. In seinemRestaurant Tavernetta Al Castello, das als Gas tronomieam Rande eines Golfplatzes nicht so richtig ins Auge fällt,nascht man schon zum Apero einen Frico. Doch wo sonsteineKäsebombe im Magen detoniert, sind die Aromen desdeftigen Snacks hier auf einen dünnen Chip aufgebracht.So gebändigt, flirten die Fettprotze mit einem RibollaGialla mit dem feinen Duft von Mandarinenschalen.Wie viele Menschen im <strong>Collio</strong> ist diese ländliche Rebsorteoft verschlossen <strong>und</strong> unzugänglich für einige Zeit, dochdann offenbart sie eine charakterliche Fülle, die man seltenfindet. Es folgen Risotto mit Todestrompeten <strong>und</strong> Speck,in dem sich die intensiven Aromen umkreisen wie Goldfischeim Glas, <strong>und</strong> ein Schmortopf vom Kaninchen mitPflaumen-Zimt-Sauce. Solche gebürtigen Landeier, die oftkaum für steigerungsfähig gehalten werden, katapultiertTonino ins Universum der Haut Cuisine. Die Friulanerhaben dem Rest der Welt nicht nur verziehen, sie steckenihn auch in die Tasche. zigfriaul141


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Holz <strong>und</strong> Stahl, funktionell angeordnet <strong>und</strong> von kühlem Neonlicht beleuchtet − so sieht ein moderner Keller aus,für dessen Aufbau nicht wenige Euros investiert wurden. In den Holzbottichen wie auch in den Stahltanks wirdder Most vergoren. Absolute Sauberkeit ist in allen Phasen ein wichtiger Faktor − da wird lieber einmal zu viel alseinmal zu wenig der Wasserschlauch benutzt, damit alles blitzeblank ist. 143


friulano aus dem friaulDer Name der Rebeweinfre<strong>und</strong>e schwärmen gern von „terroir“<strong>und</strong> meinen damit, dass ein wein so etwaswie die essenz einer region zu sein hat. eineart flüssiges abbild der landschaft, in derer wächst, soll er sein, nach ihren böden<strong>und</strong> ihren pflanzen duften <strong>und</strong> vielleichtnoch nach der brise eines nahen meeres.von einer rebe, die so heißt wie das gebiet,in dem sie wächst, darf eine ganz besondereheimatverb<strong>und</strong>enheit erwartet werden.insofern ist der friulano ein terroir-weinpar excellence.Der <strong>Friulano</strong> ähnelt den Menschen, die hier leben. Anfangsmögen sie einem wortkarg vorkommen, sie können sprödewirken – aber nach einer Weile, wenn man sie besser kennenlernt, stellt man fest, dass sie sehr verlässliche, ehrlicheZeitgenossen sind, mit Seele <strong>und</strong> Tiefgang. Einer, der dieserAussage zustimmt, gehört selbst zu dem beschriebenenMenschenschlag: Mauro Mauri, Winzer <strong>und</strong> Kellermeister.Sein Weißwein aus der Rebsorte <strong>Friulano</strong> gilt Jahr für Jahrals einer der besten Vertreter seiner Art. Zusammen mitseiner Schwester Alessandra hat der studierte Önologe 1990im Städtchen Cormòns das Weingut Borgo San Danielegegründet. Mit ihrem konsequenten Qualitätsstrebenhaben die Mauri-Geschwister das, was ihnen vielleicht anTradition fehlte, mehr als wettgemacht. Heute gelten ihreWeine <strong>und</strong> insbesondere ihr <strong>Friulano</strong> als beispielhaft für dieRegion Isonzo.Bei der Kultivierung des <strong>Friulano</strong> gibt es sozusagen eineArbeitsteilung zwischen den einzelnen Anbaugebieten: Ausdem weitläufigen, flachen Grave, das mit deutlich über6.000 Hektar die größte Anbaufläche des <strong>Friaul</strong> besitzt,kommen Weine, die unkomplizierten Trinkgenuss versprechen.Ihr Alkoholgehalt ist moderat, ebenso ist es der Preis.Die Weine sind in der Regel leicht zugänglich, man trinktsie nach der Arbeit in den zahlreichen Bars, zur Einstimmungauf den Feierabend. Diese Weine sind frisch, sieduften ansprechend nach weißen Blüten <strong>und</strong> wollen junggetrunken sein.Anders die Weine des sanft gewellten <strong>Collio</strong>, das sichnicht auf italienischen Boden beschränkt, sondern weitnach Slowenien hineinreicht, der Colli Orientali oder deskargen Schwemmlandes Isonzo. Hier nutzen die Winzerden von Natur aus üppigen Wuchs der Rebsorte nicht fürhohe Erträge, sondern beschränken die Lesemengen drastisch,um die Konzentration der Inhaltsstoffe zu erhöhen.Die Weine hier sind gehaltvoller, tiefgründiger <strong>und</strong> langlebiger– <strong>und</strong> sie haben ihren gerechtfertigten Preis.Insofern sind die Mauri-Geschwister mit ihrem WeingutBorgo San Daniele typische Vertreter ihres Gebietes, ZumSich-Verzetteln neigen die beiden nicht, sie beschränkensich radikal: Wo Kollegen sich an der üppigen Auswahlvon Rebsorten der Region bedienen, erzeugen sie nur vierWeine. Einer davon ist selbstredend ein reinsortiger <strong>Friulano</strong>.Er darf als einer der besten Weißweine Italiens gelten.Privatk<strong>und</strong>en erhalten für ca. 14 € Verkaufspreis ab Hofviel Wein für ihr Geld.Sorgfalt <strong>und</strong> BehutsamkeitDer Wein wird von Mauro Mauri auch gehätschelt, wie essich für einen Spitzenwein gehört. Während es sonst üblichist, bereits im März nach der Lese die Weißweine auf dieFlasche zu ziehen, um sie bei Weinmessen zu präsentieren,darf Mauris <strong>Friulano</strong> zu dem Zeitpunkt noch friedlichschlummern wie in den Armen einer Mutter; erst im Sommernach der Lese wird der Wein von der Hefe getrennt.Nach dem Umziehen in die Flasche erholt er sich nochannähernd ein halbes Jahr im heimatlichen Keller, bis er imWinter – fast eineinhalb Jahre nach der Lese – in die Weltentlassen <strong>und</strong> auf den Markt gebracht wird.Die fruchtbetonten Weine des Anbaugebietes Grave sindbis dahin schon großteils ausgetrunken. Das Ergebnis vonso viel Sorgfalt <strong>und</strong> Behutsamkeit ist ein Wein, der nichtszu tun hat mit den leichtfüßigen Gesellen, die für denschnellen, unbekümmerten Konsum gemacht sind, sondernein anspruchsvoller, tiefgründiger Weißwein. Die Mauriselbst trinken ihren <strong>Friulano</strong> am liebsten, wenn er drei oderauch vier Jahre alt ist. „Dann ist er ein perfekter Ausdruckfriaul friulano w145


unserer Region“, findet Alessandra. Der Kommentar istein Ritterschlag für den <strong>Friulano</strong>, bedenkt man, dass vieleSorten in erster Linie ihren Reben-Charakter zum Ausdruckbringen. Ein Sauvignon Blanc beispielsweise duftetfast immer nach Stachelbeeren, einen Cabernet Sauvignonverraten seine Zedernholz- <strong>und</strong> Cassis-Aromen. SolcheReben outen sich weltweit als Vertreter ihrer Art.Nur wenige Rebsorten spiegeln den Boden wider, aufdem sie wachsen. In diese Kategorie gehört der <strong>Friulano</strong>,der nicht mit vorlautem Eigenaroma hervorsticht. Seinetypischen Noten – frische Zitrusfrucht, Brennnessel, Süßmandel,Apfel, weiße Blüten – teilt er mit vielen anderenWeißen. Selbst ausgewiesene Weinkenner werden nicht sagenkönnen: „Riecht nach Apfel <strong>und</strong> Blüten, muss folglich<strong>Friulano</strong> sein.“<strong>Friulano</strong> prunkt nicht mit lauten Aromen, was dazuverleitet, ihn zu unterschätzen. Selbst bei Jancis Robinson,die zu den weltweit führenden Weinkritikern gehört, fandsich die Rebe lange unter ferner liefen. Blumig, frisch <strong>und</strong>jung zu trinken sei der <strong>Friulano</strong>. Doch das ist nur ein Teilder Wahrheit, der ungeduldigere Zugang zum Wein.Zwar erbringt der <strong>Friulano</strong> tatsächlich in der Mehrzahlleichte, schlichte, süffige Zechweine. Doch ehrgeizigeWinzer entlocken der einheimischen Rebe einen Reichtuman Aromen, unter ihren Händen gewinnt die scheinbarschlichte Sorte Strahlkraft <strong>und</strong> verwandelt sich in eineideale Terroir-Rebe. Ein Weinkenner, der mit der Regiongut vertraut ist, wird beim Schnuppern ins Weinglas dannmöglicherweise sagen: „Dieser Weißwein ist kräftig <strong>und</strong>kommt offenbar aus einer südlicheren Region als Deutschlandoder Österreich, vermutlich Italien. Er ist extrem mineralisch,fast meint man, nasse Kieselsteine <strong>und</strong> trockeneErde zu riechen. In dieser Intensität kenne ich das nur ausdem <strong>Friaul</strong>. Der Wein ist dicht <strong>und</strong> hochwertig, also wirdes ein Wein aus Isonzo, dem <strong>Collio</strong> oder den Colli Orientalisein. Er hat kein vorlautes Aroma, also ist es kein SauvignonBlanc. Er hat auch nicht ganz die Geschmeidigkeiteines Pinot Grigio. Er schmeckt einfach nach <strong>Friaul</strong> – musswohl ein <strong>Friulano</strong> sein.“Bis vor Kurzem wurde auf politischer Ebene lebhaft umdie Bezeichnung für die Rebe gerungen. Ungewöhnlich istnämlich die Geschichte des Namens. Eine halbe Ewigkeitfirmierte der Wein aus der ehemaligen k. u. k. Habsburger-Provinz unter dem Namen Tocai <strong>Friulano</strong>, bis ein anderesehemaliges Habsburger Land – Ungarn – sich mit seinemerbitterten Widerstand durchgesetzt hat.Zwar kursieren alte Geschichten von gräflichen Kurieren,die mit Rebstecklingen im Gepäck von <strong>Friaul</strong> nachUngarn – oder andersherum – reisten. Sie sollen belegen,dass beide Reben einen gemeinsamen Ursprung <strong>und</strong> vonBlick vom Weingut Rocca Bernarda auf die Weinbergterrassen. Die Konturpflanzung ist sehr arbeitsintensiv, aber die Weine sindbesonders gut − <strong>und</strong> zusammen mit der einzelnen Zypresse <strong>und</strong> den Voralpen geben die Terrassen ein perfektes Postkarten-Motiv ab.


daher auch ein Anrecht auf denselben Namen haben. Dochmittlerweile haben Ampelographen, Rebsortenk<strong>und</strong>ler,solche Überlieferungen als Legenden enttarnt. Und wennder <strong>Friulano</strong> die Seele des <strong>Friaul</strong> ist, so ist doch der TokajerUngarns Seele, <strong>und</strong> den Alleinanspruch auf diesen Namenverteidigen die Ungarn ebenso nachdrücklich wie Franzosenihr Champagner-Monopol. Mit Erfolg.<strong>Friulano</strong> geht auch extremDie Winzer selbst nennen ihn für sich immer noch Tocai,auch wenn das seit 2008 offiziell untersagt ist. Doch vonden Etiketten ist der Name Tocai inzwischen verschw<strong>und</strong>en.Von allen? Nicht ganz. Ein pfiffiger Winzer nämlichhat den Namen hinterrücks aufs Etikett schmuggelt. Iacot,also Tocai rückwärts buchstabiert, heißt der <strong>Friulano</strong>, denStanko Radikon abfüllt. Er ist in dieser an originellen,kantigen Winzerpersönlichkeiten ohnehin reichen Gegendeiner der extremsten. Sein Weingut in Gorizia im Herzendes <strong>Collio</strong> ist eine spannende Experimentierstätte.Der <strong>Friulano</strong>, den er auf den Tisch stellt, ist auf denersten Blick kaum als Weißwein zu erkennen. Er ist trüb<strong>und</strong> hat die Farbe von hellem Darjeeling-Tee. Deshalb fällter bei den Juroren der staatlichen Prüfkommission auchregelmäßig durch, weil ein Weißwein doch gefälligst strahlend,hell <strong>und</strong> klar zu sein hat. Dabei duftet der Iacot köstlichnach getrockneten Aprikosen <strong>und</strong> Orangenschale, nachTee <strong>und</strong> Gewürzen – <strong>und</strong>, das ist jetzt wirklich typisch fürdie Sorte, nach Äpfeln. Und er ist langlebig: Sieben Jahresteckt er weg wie nichts, er wirkt da gerade mal trinkreif.Das ist umso überraschender, wenn man weiß, wie derWein entsteht.Denn Radikon, ein Original <strong>und</strong> Rebell, hat viel experimentiertim Lauf der Jahre. Mit kleinen neuen Holzfässern<strong>und</strong> großen alten. Mit Edelstahltanks <strong>und</strong> wieder zurückzum großen Holz. Er füllt seine Weine in Halbliter- <strong>und</strong>Literflaschen mit langen dünnen Hälsen, die er selbst entworfenhat. Am ungewöhnlichsten dabei ist: Der Wein, derfür die Ewigkeit gemacht scheint, ist nicht mal mit Schwefelkonserviert, obwohl das doch eigentlich für einen Weißweinunerlässlich ist, damit er nicht sofort verdirbt. Radikonbehandelt das makellose Lesegut, als ginge es um Rotwein,<strong>und</strong> lässt die ausgepressten Traubenschalen samt Kernenwochenlang im Wein. Dadurch gehen jede Menge Gerbstoffein den Wein über. Das verleiht ihm Stabilität, weshalb erihn nicht zu schwefeln braucht. Klar, dass sich das Einsatzgebietsolcher Weißweine nicht auf Fisch <strong>und</strong> Meeresfrüchtebeschränkt. Solche Weißwein-Majestäten gehen nicht malvor einem gebratenen Wildschwein in die Knie.


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Familienangelegenheit! Wie überall in Italien beschäftigen sich auch im <strong>Friaul</strong> ganze Familien mit dem Weinbau.Bei der Familie Zorzettig in Spessa arbeiten die Generationen Hand in Hand, um herausragende Weißweine zuproduzieren. Großvater Giuseppe <strong>und</strong> Großmutter Antonietta widmen sich noch heute mit Leidenschaft derWeinproduktion <strong>und</strong> geben ihre Erfahrungen am großen Tisch der Familie auch an die Enkelin Veronica weiter. 151


collio biancoDie Sinfonieder wein, der benannt ist nach derlandschaft, in der er wächst, gehört zumbesten, was in italien aus weißen traubengekeltert wird. welche trauben das jeweilssind, darf ein geheimnis bleiben. denn nachder regel für den seit 1968 bestehendencollio bianco doc dürfen winzer unter zwölfweißen rebsorten nach belieben wählen.keinen spielraum gibt es allerdings bei derqualität: da sind die maßstäbe rigoros hoch− mit der folge, dass die weine tiefgründig<strong>und</strong> überraschend langlebig sind.„Wein, der schläft“ steht auf dem Schild in dem WeinortCormons. Eine Neonreklame, wie sie normalerweise fürKaribik-Bars oder Leicht-Bier wirbt, beleuchtet schwachein Stückchen feuchte Felswand, an der sie angebracht ist.Dahinter führt eine steinerne Treppe in einen Weinkeller.Dieser ästhetische Gegensatz spielt gekonnt mit den zweiGesichtern des Weißweins: Auf der einen Seite werden vieleWeiße in Italien üblicherweise so schnell wie möglich inFlaschen gefüllt <strong>und</strong> verkauft, andererseits gibt es Weinewie den <strong>Collio</strong> <strong>Bianco</strong>, bei dem es erst nach viel Zeit imKeller erst richtig losgeht. Dem <strong>Collio</strong> <strong>Bianco</strong> tut es gut,wenn er mehr Zeit im Keller bekommt. Die weißen Cuvéeshaben die außergewöhnliche Fähigkeit, viele Jahre in derFlasche zu reifen <strong>und</strong> dabei immer vielschichtigere Aromenzu entwickeln.Wenn Marco Primosic aus Gorizia einige ältere Jahrgängeseines <strong>Bianco</strong> Klin aufmacht, kann man es schmecken,dass seine Weine mit jedem Jahr etwas reifer <strong>und</strong> komplexerwerden. Die subtilen Fruchtnoten werden feiner,fusionieren zu einem dichten Kern, um den sich Reifearomenwie Mandeln <strong>und</strong> Honig anlagern. Ein neuer oder eineinjähriger Wein deutet das oft noch nicht einmal an. „DieWeine brauchen, bis sie sich öffnen“, weiß Marko Primosic<strong>und</strong> schenkt einen <strong>Collio</strong> <strong>Bianco</strong> aus dem Jahr 1996 ein.Der Wein ist edel gereift <strong>und</strong> hat dabei eine sehr lebendigeSäure <strong>und</strong> feine Frucht bewahrt. So etwas lässt auchlangjährige Weinkenner staunen. Es kommt noch besser:Ein 95er, in dem die bei uns wenig bekannte friulanischeRegionalsorte Ribolla Gialla die erste Geige spielt, schmecktnach Karamell <strong>und</strong> Kamille <strong>und</strong> ist weich wie Butter, währendim Hintergr<strong>und</strong> eine feine Säure dafür sorgt, dass derWein bei aller Reife immer noch frisch wirkt.Wer es unbedingt wissen will, dem verrät Marko auch,welche Rebsorten den Klin ausmachen, obwohl er dieZusammensetzung gar nicht so wichtig findet. Eine Cuvéesoll schließlich eine Art Gesamtkunstwerk sein, bei demdas Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile – eineanspruchsvolle Aufgabe für den Winzer. Erst wenn dieNamen fallen, erkennt man die Fruchtnoten des SauvignonBlanc oder Kraft <strong>und</strong> Säure des Ribolla Gialla. Mehr Erfahrungals die Betreiber des Weinguts Primosic hat keiner mitder <strong>Collio</strong>-Cuvée. Markos Vater Silvestro Primosic wirktemaßgeblich an der Erarbeitung der Gr<strong>und</strong>lagen für dieDOC, das Herkunftsprädikat, mit. Im Hause Primosic istauch die allererste Flasche <strong>Collio</strong> DOC zu bew<strong>und</strong>ern.Sie stammt aus dem Jahr 1967 <strong>und</strong> trägt auf der Banderoledie Ziffer Eins. Sie ist noch immer ungeöffnet.Ein Dutzend Reben für einen WeinMit dem Kauf oder – im Lokal – mit der Bestellung einerCuvée verbinden sich völlig andere Erwartungen als beimOrdern eines rebsortenreinen Weins. Wer einen SauvignonBlanc bestellt, erwartet einen Wein mit knackig-frischer,durchaus auch plakativer Fruchtnote. Nach einem Pinot<strong>Bianco</strong>, das heißt einem Weißburg<strong>und</strong>er fragt, wer es etwasfiligraner mag, nach Ribolla Gialla, wer die herzhafte Säureder Rebsorte zu schätzen weiß. Die <strong>Friaul</strong>er Winzer sinddurchaus erfolgreich mit ihren rebsortenreinen Weinen. BeiTrendweinen wie Pinot Grigio <strong>und</strong> Sauvignon Blanc ist dieNachfrage stetig hoch, <strong>und</strong> man muss nicht viel erklären.Der <strong>Collio</strong> <strong>Bianco</strong> aber ist die Hohe Schule, weil jederWinzer dabei seine ganz persönlichen Vorstellungen einesidealen Weißweins umsetzen kann. Wer danach verlangt,lässt sich auf ein Abenteuer ein: Man vertraut sich ganz <strong>und</strong>gar dem Winzer an <strong>und</strong> seiner Kunst, mehrere Rebsortenso zusammenzuspannen, dass die Eigenschaft der einzelnenfriaul collio w153


Mauro Mauri <strong>und</strong> Schwester Alessandra in ihrem WeingutBorgo San Daniele.Traube nicht dominiert. Vielmehr soll jede, ganz wie in einemguten Orchester, zum Wohlklang, in diesem Fall alsozum Wohlgeschmack des Ganzen beitragen. Dem Winzerkommt dabei die Rolle des Dirigenten zu. Ob die K<strong>und</strong>endiese oder jene Rebe besonders mögen, ist für einen <strong>Collio</strong><strong>Bianco</strong> unerheblich, wichtiger ist, ob einem der Stil desWeinguts liegt.Zwölf weiße Rebsorten sind zugelassen. Wie viel er vonwelcher nimmt, entscheidet jeder Winzer ganz allein. Er darfsie alle nehmen, er kann sich auf einige wenige beschränken,einzelne die erste Geige spielen lassen oder sogar sortenreinaus nur einer Sorte keltern – ganz, wie es ihm gefällt.Reben mit Migrationshintergr<strong>und</strong>In diesem Konzert spielen etliche Rebsorten mit, dieursprünglich aus dem Ausland kamen. Invasions-Armeen,die das <strong>Collio</strong> mehr als einmal in seiner Geschichte ertragenmusste, bedienten sich seiner Weine <strong>und</strong> brachten<strong>Collio</strong>s gewinnen fast immer durch Dekantieren.umgekehrt ihre Reben mit. Wie die meisten französischenSorten kam der erste Chardonnay in der zweiten Hälfte des19. Jahrh<strong>und</strong>erts ins <strong>Collio</strong>. Die aus Burg<strong>und</strong> stammende<strong>und</strong> zur Burg<strong>und</strong>erfamilie gehörende Rebe mit ihremsortentypischen, dezenten Fruchtspektrum <strong>und</strong> den nussigenAromen wird durch die für die Region typischen mineralischenNoten aufs Schönste ergänzt. Auch der SauvignonBlanc mit seinen Noten von Cassis <strong>und</strong> Hol<strong>und</strong>erblütenentwickelt hier einen ganz eigenen Charme.Pinot Grigio, auf Deutsch: Grauburg<strong>und</strong>er, seit Jahrenein Modewein nördlich der Alpen, wird in der gesamtenRegion <strong>Friaul</strong> massenhaft angebaut. Mit seinem verhaltenen,ans Neutrale grenzenden Geschmacksprofil stillt er dieNachfrage nach leicht konsumierbaren Italo-Tropfen indeutschen Bars <strong>und</strong> Restaurants. Im <strong>Collio</strong> gerät er deutlichkraftvoller als in der weitläufigen Schwemmlandebene imWesten des <strong>Friaul</strong>. Und doch sind auch die besten meistnicht so fein <strong>und</strong> duftig wie die Weine des Bruders Pinot<strong>Bianco</strong>, auf deutsch: Weißburg<strong>und</strong>er. Die kamen angeblich1871 im Schaft der Reiterstiefel eines gewissen Theodore154


Istriana hat einen sehr eigenen Ausdruck. Sie gibt KebersWeinen Körper <strong>und</strong> einen Pfefferton. Für frische Säure<strong>und</strong> den exotischen Duft von Mandarinenschalen steht dieelegante Ribolla Gialla, die seit r<strong>und</strong> 1.000 Jahren in derGegend heimisch ist. Mit solchen Rebsorten braucht sichdas <strong>Friaul</strong> nicht zu verstecken. Doch obwohl Malvasia <strong>und</strong>Ribolla seit dem Mittelalter in der Region kultiviert werden,sind sie in Spitzenweinen noch nicht selbstverständlich.Allzu lange glaubten die Friulaner, mit französischenRebsorten imponieren zu müssen, <strong>und</strong> unterschätzten dieeigenen kostbaren Rebbestände.Das Geheimnis der ReifeDer Sommelier in der Tavernetta al Castello: Hier wird mithöchster Konzentration dekantiert.de la Tour nach Italien. Der Graf hatte eine österreichischeBaronesse mit Landbesitz im <strong>Friaul</strong> geehelicht. Auch wennan der Geschichte vielleicht nur ein kleiner wahrer Kern ist,Pinot <strong>Bianco</strong> ist im <strong>Friaul</strong> eine Sorte zum Verlieben mitsehr feinen Fruchtaromen, später dem Duft von Honig<strong>und</strong> Akazien.Alte Schätze wiederentdeckenZunehmende Bedeutung gewinnen – wieder – die regionalenSorten. Sie liefern Weine, die sich nicht mit französischenoder neuseeländischen Pendants vergleichen lassenmüssen. Dafür bieten sie ein ganz eigenes Geschmacksbild.„Sie machen den <strong>Collio</strong> <strong>Bianco</strong> einzigartig“, schwärmt EdiKeber, ein Winzer, der sich schon mal als „Taliban des<strong>Friaul</strong>“ bezeichnet.Ganz F<strong>und</strong>amentalist, hat er vor etlichen Jahren alle auswärtigenReben gerodet <strong>und</strong> setzt auf mächtige Stammesfürstenwie den <strong>Friulano</strong>. Auch die lokale Sorte MalvasiaKeber lädt gern zu einem Streifzug in die Vergangenheit ein<strong>und</strong> führt sechs Jahre alte Weine vor, die feine Reifearomenentwickelt haben, aber frisch wie ein Heuriger schmecken.Ein Wein aus dem kühlen Jahr 2004 findet anscheinenderst jetzt seine geschmackliche Erweckung. Seinem zehnJahre alten <strong>Collio</strong> <strong>Bianco</strong> merkt man das Alter noch wenigeran. Wie viele dieser Weine ist er kompakt, ohne herausstechendeSäure oder klebrige Süße, aber mit vielschichtigenAromen, die sich überlagern wie die Noten einer Sinfonie<strong>und</strong> dem Wein eine erstaunliche Tiefe geben.Für die Alterungsfähigkeit von Weinen wird oft dieRebsorte verantwortlich gemacht. Einige wie Chardonnaygelten als sehr lagerfähig, während anderen, wie demebenfalls für <strong>Collio</strong> <strong>Bianco</strong> verwendeten Müller-Thurgau,nachgesagt wird, dass seine Weine rasch ermüden. Da aberfast jede Cuvée potenziell haltbare <strong>und</strong> weniger haltbareReben beinhaltet, kann die Langlebigkeit der Weine darinauch nicht begründet sein. Chemiker verweisen gerne aufdie Säure. Ein hoher Säuregehalt hemmt Oxidations- <strong>und</strong>andere Zerfallsprozesse. <strong>Collio</strong> <strong>Bianco</strong> hat aber vergleichsweisewenig Säure. So wenig, dass Winzer manchmal umdie Klassifikation ihrer Weine fürchten müssen, wenn siedie in den Statuten festgelegten Säurewerte mal wieder nurknapp erreichen. Also wieder Fehlanzeige.Terroir w<strong>und</strong>erbar − Land desWeingottesWas die Weine noch gemeinsam haben, ist der Boden.Vor 50 Millionen Jahren war das <strong>Friaul</strong> ein Meeresbecken,auf dessen Boden sich Lehm <strong>und</strong> Schlick ablagerten,die nach <strong>und</strong> nach die Korallenbänke hochkrochen.Mit der geologischen Formung der Alpen hob sich dieEbene schließlich als Kalkstein über den Meeresspiegel.friaul collio w155


Diese kargen Stein-Schichtungen sieht man überall in derRegion. Die Friulaner nennen sie ponca. Durch den Druckihres Eigengewichts verdichteten sich die kleinteiligen Sändezwar. Aber die Strukturen zerfallen an der Luft wieder zukleinen Steinen, das macht den Boden locker, mineralreich<strong>und</strong> nährstoffarm. Alle drei Eigenschaften sind geradezuideal für Weinreben. Denn sie können ihre Wurzeln leichtins Erdreich schlagen, stehen nicht im Wasser, finden inTrockenphasen Feuchtigkeit, müssen aber die knappenNährstoffe aus der Tiefe saugen. Hätte der Weingott Bacchusdie Welt erschaffen, er hätte mit Ponca nicht gegeizt.Der menschliche FaktorNeben hervorragendem Boden ist da noch der menschlicheFaktor. Die Menschen hier sind eigen. Sie haben gelernt,ungeachtet aller Invasionen <strong>und</strong> politischer Verwerfungenihr eigenes Ding zu machen. Eigentlich ist der <strong>Collio</strong> vielgrößer als das knapp bemessene Weinland um das StädtchenCormòns. Der <strong>Collio</strong> reicht tief nach Slowenien hinein,wo er Brda heißt, was wie <strong>Collio</strong> Hügelland bedeutet.Jahrzehntelang verlief durch die Region die Schnittstellezwischen Ost <strong>und</strong> West. Doch während sich die Großmächtemit Militärparaden, Atom-U-Booten <strong>und</strong> Overkill-Raten zu beeindrucken versuchten, tuckerten Winzer wieder Vater von Edi Keber, Renato, mit ihren Traktoren überdie Todeslinie, um ihre Weinberge zu bearbeiten. JedenAbend mussten sie schwer bewaffneten kalten Kriegernihren Pass zeigen, um hinter den Eisernen Vorhang zurückkehrenzu dürfen.Und auch als die Weinwelt vollständig dem Rotweinverfiel, Barolo, Chianti <strong>und</strong> Supertoskaner en voguewaren <strong>und</strong> das <strong>Friaul</strong> als etwas angestaubt galt, machten


sie weiter ihr Ding, nämlich Weißwein vom Feinsten.Sie setzten auf Innovationen: noch besseres Pflanzgut,penible Weingartenarbeit <strong>und</strong> Kellertechnik auf dem neustenStand. Weine mit viel Frucht waren eine erste Gegenbewegungzum dominierenden Stil Frankreichs, wo solcheprimären Aromen geringschätzig abgetan wurden.Im <strong>Collio</strong> <strong>und</strong> den angrenzenden Anbaugebieten gibt eswenig Großgr<strong>und</strong>besitz <strong>und</strong> nur vereinzelte Genossenschaften.Das Gros der Winzer macht seine Weine auf Familienbesitz,oft seit Generationen. Kompetente Winzer, dieKapital haben <strong>und</strong> die Möglichkeit, unabhängige Entscheidungenzu treffen, sind entscheidend für Innovationenim Weinbau.Heute ist die Liste der Qualitätsfanatiker sehr lang.Namen wie Mario Schiopetto, Josko Gravner <strong>und</strong> MarcoFelluga mit Russiz Superiore im <strong>Collio</strong>, Livio Felluga imColli Orientali werden bis heute mit Ehrfurcht ausgesprochen,weil sie der Region Veränderungen gebracht haben,wie sie andernorts in Jahrh<strong>und</strong>erten nicht passierten.Trotzdem „gab es nie Zeit, sich über Erreichtes zufreuen“, erinnert sich der Vater Primosic <strong>und</strong> bringt damiteins der wichtigsten Qualitätskriterien auf den Punkt.Winzer, die guten <strong>Collio</strong> <strong>Bianco</strong> machen, waren immerselbstkritisch <strong>und</strong> legten sich die Messlatte hoch. Ihnengeht Originalität vor Profit. So bleibt am Ende nur einentscheidender Faktor übrig, der die überragende Qualitätder <strong>Collio</strong>-Weine erklärt. Es sind die Winzer. Denn dieschlafen nicht. zigHier dürfen sich auch Traktoren mal indie Kurve legen: Terrassenweinbau in denHügeln des <strong>Collio</strong>.


genusstipp<strong>Collio</strong>-Stile sind sehr unterschiedlich. Die Winzer selbstunterscheiden oft zwischen vini freschi (im Stahltankausgebaut) <strong>und</strong> vini baricati (fassgelagert). SchwereVertreter, die im Barrique Aromen aufgenommen haben,verdienen ein Sonntagsessen wie Kalbskotelett oderähnliches helles Fleisch. Leichtere Varianten passen zueinem Mittagsmahl mit Minestrone oder Risotto, dieseine feinen Nuancen nicht überlagern. Hat man ein Mittelgewichtim Glas, sind gegrillte Scampi ideale Sparring-Partner. Fast alle profitieren davon, wenn man sie einigeZeit vor dem Trinken in eine kleine Karaffe umschüttet.<strong>Collio</strong>-Weine haben seit Langem einen guten Ruf, deshalbfehlen sie weder im Italo-Fachhandel noch auf der Kartedes Edel-Italieners. Beide wollen dafür ihr Geld: im Laden12 bis 30 €, im Restaurant das zwei- bis vierfache.Alle Macht der MischungFast überall auf der Welt setzen Winzer heute auf Rebsortenweine,denn Weintrinker können sich daran leicht orientieren.Historisch sind aber die meisten Weine Cuvées,weil man die unterschiedlichen Rebsorten im Weinbergkaum erkannte. Sie wurden gemeinsam gelesen <strong>und</strong>vergoren. Bis heute enthält fast jeder Wein Anteile einerzweiten Rebsorte, auch wenn sie nur wenig geschmacklichenEinfluss hat. Die eine sorgt für mehr Säure, die anderesteuert vielleicht Farbe bei. Angebaut <strong>und</strong> vinifiziert werdendie Trauben heute getrennt, weil sie meist nicht gleichzeitigreifen. Der Winzer kann dann den jungen Wein verschneidenoder bis kurz vor der Abfüllung warten. Wer aberdrei oder vier eigenständige Rebsorten mischen will, musskomponieren können. Im <strong>Collio</strong> <strong>Bianco</strong> gilt es, die Aromenvon Sauvignon Blanc, <strong>Friulano</strong>, Chardonnay & Co. mitviel Feingefühl auszubalancieren. Eine großartige Leistung.Gute Cuvées bereiten lange Spaß im Glas. Zuerst zeigt sichder Duft der schweren Malvasia, dann kommt nach <strong>und</strong>nach der exotische Sauvignon Blanc zum Vorschein, amGaumen meldet sich der Chardonnay mit seiner Nussigkeit,<strong>und</strong> ganz zum Schluss entdeckt man die angenehmeBitterkeit des <strong>Friulano</strong> … zigMausempfehlungen für facettenreicheWeißweine mit Tiefe<strong>Collio</strong> <strong>Bianco</strong>:Branko info@brankowines.<strong>com</strong>Castello di Spessa www.paliwines.<strong>com</strong>Collavini www.collavini.itColle Duga www.colleduga.<strong>com</strong>Dario Raccaro az.agr.raccaro@alice.itGradisciutta www.gradisciutta.<strong>com</strong>Edi Keber edi.keber@virgilio.itFranco Terpin www.francoterpin.itIsidoro Polencic www.polencic.<strong>com</strong>Livon www.livon.itPrimosic www.primosic.<strong>com</strong>Schiopetto www.schiopetto.itRoberto Picech www.picech.itRonco dei Tassi www.roncodeitassi.itRoncus www.roncus.itVenica & Venica www.venica.itZuani www.zuanivini.it<strong>Bianco</strong> aus dem Colli Orientali, Isonzo <strong>und</strong> Carso:So konsequent wie die Winzer im <strong>Collio</strong> haben die Kollegenin den angrenzenden Gebieten den <strong>Bianco</strong>-Gedanken nichtverfolgt, sie setzen in erster Linie auf die Rebsortenweine.Die klimatischen <strong>und</strong> geologischen Voraussetzungen vorallem in Grenznähe sind vergleichbar, weshalb es keinenGr<strong>und</strong> gibt, ebenso gute Weißweinblends zu kreieren. IhreZahl hat in den letzten Jahren zugenommen.Colli Orientali <strong>Bianco</strong>:La Tunella www.latunella.itLivio Felluga www.liviofelluga.itRoberto Scubla www.scubla.<strong>com</strong>Ronco delle Betulle www.roncodellebetulle.itIsonzo <strong>Bianco</strong>:Jermann www.jermann.itLis Neris www.lisneris.itRenzo Sgubin info@renzosgubin.itCarso <strong>Bianco</strong>:Skerk www.skerk.<strong>com</strong>Zidarich www.zidarich.itVier Sorten für den <strong>Bianco</strong> − Pinot-Grigio-Beeren sinddunkel, weiter im Uhrzeigersinn Chardonnay, Ribolla<strong>und</strong> <strong>Friulano</strong>.158friaul collio w


kurz eingeschenktGesegnet seiest du …Der Weingott meinte es sehr gut mit den Friulanern, denn erschüttete sein Füllhorn besonders großzügig aus <strong>und</strong> schenkteden Winzern viele Weiß- <strong>und</strong> Rotweinsorten. Vielschichtig,tief <strong>und</strong> kraftvoll sind besonders die Weißweine, die alle Komplexität<strong>und</strong> Alterungsfähigkeit besitzen. In den Achtzigernwaren sie bereits die Messlatte für ganz Italien, doch diesist fast in Vergessenheit geraten. Ganz eindeutig definierendie Gebietsvoraussetzungen die Konzentration <strong>und</strong> die Kraftder Weißweine. Es gibt ein Gefälle von Ost nach West − <strong>und</strong>zwar unabhängig von der Rebsorte. Die komplexesten Weinewachsen im Osten, <strong>und</strong> zwar im <strong>Collio</strong>, im Colli Orientali delFriuli (COF) <strong>und</strong> dem angrenzenden Isonzo. Durch Komplexitätüberzeugen auch die Weine der Kleinstwinzer aus demfelsigen Carso-Gebirge, die auf hartem Stein intensive, säurebetonteWeißweine produzieren. Der Westen bedient den gehobenenAlltagsgeschmack. Hier in der ausgedehnten Ebenedes Anbaugebietes Grave entstehen auf den Schwemmlandbödensehr gute Weine, saubere <strong>und</strong> rebsortentypische Weißeebenso wie Rote. Leichtere Weine werden auch zwischenPalmanova <strong>und</strong> Aquileia in Meeresnähe erzeugt, wo sandigeBöden <strong>und</strong> größere Weingüter vorherrschen.Rebsorten-EinmaleinsNeben dem Lokalhelden <strong>Friulano</strong> (siehe Weinkapitel) stehendie weißen Rebsorten Ribolla Gialla <strong>und</strong> Malvasia hoch imKurs. Geschätzt werden die Ribolla-Weine wegen ihrer säurebetonten,zurückhaltend fruchtigen Art. Sie haben sich dankder guten Arbeit einiger Winzer in Gorizia-Oslavia <strong>und</strong> desfinessenreichen Understatements im Geschmack zu kleinenStars der Weinszene entwickelt. Etwas später gestartet istdie Malvasia, die mit ihrer Pfeffrigkeit ein prägnantes Aromenprofil<strong>und</strong> reichlich Körper mitbringt, ein Geheimtipp derSommeliers für ausgefallene Sorten. Pinot Grigio ist in allerM<strong>und</strong>e! Er wird im kompletten Nordosten Italiens erzeugt <strong>und</strong>kommt deshalb zu bescheidenen Preisen auf den Markt, wasihm eine rege Nachfrage beschert. Das heißt aber nicht, dasses nicht auch gute Pinot Grigios gäbe. Denn im östlichen<strong>Friaul</strong> kann dieser Wein in puncto Intensität <strong>und</strong> Charakterzur Bestform auflaufen. Ein genaues Hinschmecken lohntsich übrigens auch beim Pinot <strong>Bianco</strong>. Die Rebsorte wirdzwar ebenfalls in vielen Regionen Italiens angebaut, dochaus dem <strong>Friaul</strong> kommen die Topqualitäten. Die Eleganz <strong>und</strong>Geschmacks tiefe des Pinot <strong>Bianco</strong> aus den Hügelgebietendes <strong>Friaul</strong>s im Osten ist unerreicht! Und ein weiterer Weinkann mit den großen der Welt konkurrieren: der SauvignonBlanc. Er ist komplex, kraftvoll <strong>und</strong> ausdrucksstark im Geschmack.Im <strong>Friaul</strong> beherrschen die Winzer die Königsdisziplin.Denn der Sauvignon Blanc ist ein wahres Biest unter denWeißweinsorten, da er im Weinberg <strong>und</strong> Keller hinsichtlichdes Erhalts der fragilen Aromen vom Winzer alles abverlangt.Und dann gibt es noch eine neue gesetzliche Regelung. Diebesagt, dass der Prosecco nun auch im <strong>Friaul</strong> angebaut werdendarf, weil die Rebsorte ursprünglich aus dem Ort Proseccounweit von Triest stammt. Da sie jetzt ein Gebietsname ist,darf die Rebsorte nicht mehr Prosecco heißen, sondern wirdGlera genannt. Und in ein paar Jahren dürfte dieser PerlweinProsecco aus dem Veneto auch aus dem <strong>Friaul</strong> seine Liebhaberfinden.Ist das <strong>Friaul</strong> ein Rotweinland?Eine Gretchenfrage! Es gibt im <strong>Friaul</strong> mehr Rotwein als allgemeinerwartet, fast die Hälfte der Trauben färbt sich imHerbst rot. Gute Rotweine für den Alltag mit klarem Rebsortencharaktersind die Stärke des Grave-Gebietes. Es ist eineHochburg der Sorten Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon<strong>und</strong> Merlot, der friulanisch Merlott ausgesprochen wird. Das<strong>Friaul</strong> besitzt einige eigenständige Rebsorten, vom Refosco dalpeduncolo rosso (auf Deutsch: mit rotem Stielgerüst) überden Schiopettino bis zum Pignolo, die alle viel gutes Tannin<strong>und</strong> eine lebendige Säure mitbringen. Genau das Richtige fürLeute, die neue Rebsorten <strong>und</strong> Terroirs kennen lernen wollen.Im Reigen der vielen italienischen Rotweine von Weltformatkann das <strong>Friaul</strong> nur in einigen Fällen überzeugen. Wer sichaber im <strong>Friaul</strong> den Kofferraum mit Weinen füllt, der hat dieQual der Wahl zwischen sechs präzise gezeichneten Rotwein<strong>und</strong>acht saftigen Weißweinsorten mit eigenem Charakter.Pinot Grigio, Pinot <strong>Bianco</strong>, Chardonnay, Sauvignon Blanc:Siehe Empfehlungen <strong>Friulano</strong> <strong>und</strong> <strong>Collio</strong> <strong>Bianco</strong>Ribolla Gialla:Gravner www.gravner.itRotweinsorten:Dorigo www.montsclapada.<strong>com</strong>Moschioni www.moschioni.eu160friaul


Reiner Wein, ja bitte!in sachen biowein gehört italien indie spitzengruppe. friaul <strong>und</strong> südtirol,die toskana <strong>und</strong> sizilien − lauterhochburgen des bioweinbaus.worum geht es da eigentlich?Im Einklang mit der Natur bewirtschafteten EuropasWeinbauern über Jahrtausende ihre Rebberge. Mineraldüngerwar noch nicht erf<strong>und</strong>en, chemische Herbi-, Fungi-,Pesti- <strong>und</strong> Insektizide ebensowenig. So ging das mehroder weniger gut – bis 1845. Da nahm das Unglück seinenLauf, Europas Winzern macht es bis heute zu schaffen.Zur Ladung eines Schiffs, das damals von der amerikanischenOstküste nach Europa segelte, gehörte nämlichein heimtückischer Krankheitserreger mit Namen Oidiumtuckeri, bekannt als Echter Mehltau. In den Folgejahrenging es Schlag auf Schlag: Nach dem Echten kam derFalsche Mehltau <strong>und</strong>, Höhepunkt des Schreckens, 1863 dieReblaus, die Europas Reben vernichtete. Mit der Reblaushat man sich arrangiert, man propft einfach die europäischenEdelreben auf resistente amerikanische Wurzeln.Gegen den Mehltau, der sich bei feuchtem Wetter breitmacht,gibt es noch immer kein zufriedenstellendes Rezept.Darunter leidet der Bio-Weinbau, denn neben der chemischenKeule, für den Biowinzer tabu, gibt es nur zweiwirksame Mittel: Kupfer <strong>und</strong> Schwefel, Substanzen, dieentschieden weniger Sympathie genießen als niedliche, läusefressendeMarienkäferchen. Mehltau ist also die Schwachstelleim Bio-Weinbau. Er trifft allerdings die einzelnenGebiete in unterschiedlichem Maß. Nur bei Feuchtigkeitdroht Gefahr; wo es trocken <strong>und</strong> windig ist, haben diebösen Pilze keine Chance, dort ist Bio-Weinbau recht unproblematisch.Von daher überrascht es wenig, dass Italien,als der Öko-Anbau in Mode kam, bald die Nase vorn hatte.Zwar waren die ersten Biowinzer in Deutschland <strong>und</strong>Frankreich aktiv, Italien folgte aber bald. Es war der nachdem Zweiten Weltkrieg sprunghaft steigende Einsatz vonChemikalien in der Landwirtschaft, der die grüne Gegenbewegungprovozierte. Öko-Pioniere erfuhren aus einer1913 von Raoul Francé verfassten Schrift Einzelheiten überDas Leben im Ackerboden <strong>und</strong> beschäftigten sich mit RudolfSteiners Gr<strong>und</strong>lagen zum Gedeihen der Landwirtschaft.Ihr Ziel: nicht jedem Problem mit einer Chemikalie zuLeibe zu rücken, sondern Boden <strong>und</strong> Pflanze so zu pflegen,dass beide ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> stark sind <strong>und</strong> von selbst gutenErtrag – <strong>und</strong> beste Qualität! – liefern.Vom ökologisch oder biologisch arbeitenden Betriebüber den biologisch-organischen bis zum biodynamischenreicht heute das Spektrum des naturnahen Weinbaus. Allengemeinsam ist der Verzicht auf Kunstdünger <strong>und</strong> chemischePflanzenschutzmittel. Weglassen von Gift reicht aberlogischerweise nicht. Gegen Schädlinge <strong>und</strong> Krankheitensoll Sud von Brennnessel oder Ackerschachtelhalm helfen,frischer Mist den Boden nähren. Die konsequentesteVariante ist die Biodynamik, <strong>und</strong> viele Winzer, die anfangsbloß ein bisschen weniger Gift im Weinberg haben wollten,landen über kurz oder lang dabei.Es klingt ja schon wie Hokuspokus: Die Rebe wird nichteinfach geschnitten, wenn die Arbeiter gerade Zeit habenoder das Wetter passt – es will auch noch die aktuelleMondphase berücksichtigt sein. Kein gewöhnlicher Mistdüngt den Boden, sondern Hornmist, <strong>und</strong> der geht so:Man fülle ein Kuhhorn mit Mist <strong>und</strong> vergrabe es. Imnächsten Frühjahr verrühre man den Inhalt des Horns mitWasser <strong>und</strong> versprühe dieses dynamisierte Wasser hauchfeinim Weinberg. Hardcore-Vernunftmenschen finden dasalbern. In der deutschen Wein-Uni Geisenheim setzt manauf Empirie <strong>und</strong> hat versuchsweise je ein Drittel eines Feldskonventionell, biologisch-organisch <strong>und</strong> bio-dynamischbearbeitet. Ergebnis: Die mit biodynamischen Präparatentraktierten Böden enthalten mehr Leben, die von dortgelesenen Beeren sind die kleinsten. Klingt schlecht? Vonwegen. Kleine Beeren sind besonders widerstandsfähig <strong>und</strong>haben mehr Geschmack. Vorteil Biodynamik. Unerklärlich?Na <strong>und</strong>, wenn’s schmeckt …So weit, so gut. Doch jetzt die niederschmetterndeBotschaft: Biowein gibt es gar nicht. Auf korrekt etikettiertenFlaschen heißt es nur „Wein aus biologisch erzeugtenTrauben“. Denn was mit den Trauben im Keller zu passierenhat, ist bis jetzt nur unzureichend geregelt. Gentech isttabu, viel weiter reichen die gesetzlichen Vorschriften nicht,an einer Gesetzesnovelle wird gearbeitet. Die einzelnen Verbändestellen höhere Anforderungen an ihre Mitglieder, amstriktesten, wen w<strong>und</strong>ert’s, die Biodynamiker. Der Mondbeispielsweise gebietet nicht nur über die Arbeitsweise imWeinberg, seine Phasen bestimmen auch den Rhythmusder Arbeit im Keller. Wann der fertige Wein in die Flaschekommt, ist ebenfalls sonnenklar: bei abnehmendem Mond.rzexkurs bioweine161


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Helmuth Zozin, Kellermeister im biodynamisch arbeitenden Weingut Manincor in Südtirol, mit einer Handvoll im Kuhhorn gereiftenHornkiesel. Sein Credo: „Man kann die Kräfte der Natur nur stärken <strong>und</strong> nicht dagegen arbeiten.“ Er stärkt sie, indem er feingemahlenenBergkristall in ein Kuhhorn packt, monatelang in der Erde liegen lässt <strong>und</strong> dann mit Wasser verrührt, das er auf die Pflanzensprüht. Klingt irre? Die Antwort geben die Weine, die besonders bekömmlich <strong>und</strong> wohltuend sind. Achten Sie mal darauf! 163

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