TIEF IM WESTEN DAS NRW-HEFT - Fluter
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HILFSBEREITSCHAFT<br />
Der liebe Gott<br />
ist nicht so.<br />
Wie sich der Kölner von der Wiege bis<br />
zur Bahre durchs Leben klüngeln kann.<br />
Text: Johannes Nitschmann<br />
Illustration: Ruzi<br />
„Et hätt noch immer jot jejange.“<br />
Der Kölner ist nicht fromm, aber gottesfürchtig. Sicher ist sicher: Bei<br />
der Taufe des Erstgeborenen steht entweder der Präsident des Karnevalsvereins<br />
oder der Vorsitzende des Kegelklubs Pate. Der Täufling<br />
trägt traditionell dessen Vornamen. Bei dieser Vereinsmeierei sterben<br />
Pitter und Jupp nie aus.Im Unterschied zur reinen katholischen Lehre<br />
von Himmel und Hölle glaubt der Kölner schon am Anfang seines<br />
Lebens an ein gutes Ende. „Et hätt noch immer jot jejange.“<br />
„Wat fott es, es fott.“<br />
Im Schatten der Domtürme bemüht sich der Kölner,nach den Zehn<br />
Geboten der römisch-katholischen Kirche zu leben, hat sich sicherheitshalber<br />
aber ein elftes gegeben: „Ausnahmen bestätigen die Regel!“<br />
Dabei beruft er sich auf einen legendären Kirchenführer.In seiner<br />
Silvesterpredigt am 31.12.1946 hat Kardinal Josef Frings „den<br />
Diebstahl zum Überleben“ gerechtfertigt. Seither geht der Kölner<br />
nicht klauen, sondern „fringsen“ – mit dem Segen der Kirche. „Wat<br />
fott es, es fott.“<br />
„Mer kenne uns. Mer helfe uns.“<br />
Karneval, Kölsch und Klüngel – dieses Dreigestirn kennzeichnet die<br />
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kölsche Lebensart.Humorlos hat der Soziologe Erwin K.Scheuch den<br />
Klüngel als „Vorteilsnahme unter Cliquen“ verurteilt.Auch der frühere<br />
Kölner Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes versteht keinen<br />
Spaß. Er rückte den Klüngel sogar in die Nähe der Korruption.<br />
„Eine Hand wäscht die andere zu Ungunsten eines Dritten.“ Aber<br />
Antwerpes ist ein „Imi“. So nennt der Kölner jemanden, der in seiner<br />
Stadt wohnt, aber nicht aus seiner Stadt stammt. Die Eingeborenen<br />
lernen das Klüngeln bereits in der Kinderkrippe. „Mer kenne<br />
uns. Mer helfe uns.“ Mit diesem Zweisatz hat der einstige Kölner<br />
Oberbürgermeister und spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer den<br />
Klüngel definiert. Der Kölner ist sich selbst genug. Hinter der Deutzer<br />
Eisenbahnbrücke zog Adenauer stets die Gardinen der Zugfenster<br />
zu. Sobald er aus der heimeligen Domstadt heraus war, kroch<br />
in dem Alten die Kälte hoch. „Jetzt kommen wir nach Sibirien!“<br />
„Drink doch ene met!“<br />
Köln ist eine Millionenstadt, in der es saust und braust. Aber jeder<br />
schunkelt mit jedem. Eine wahre Wärmestube. Die Kleinen feiern in<br />
den „School- und Veedelszöch“, der karnevalistischen Kaderschmiede<br />
für den Rosenmontagszug. Die Erwachsenen lassen es im „Gürzenich“<br />
krachen,dem Narrentempel der Stadt.„Drink doch ene met,