touristik - Vtours
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<strong>touristik</strong><br />
Der Virtuelle<br />
Achim Schneider, V-Tours<br />
Im Prinzip macht der 38-jährige<br />
ehemalige Produktmanager bei<br />
Meier’s Weltreisen mit seiner<br />
Aschaffenburger Firma V-Tours<br />
nichts anderes als ein klassischer<br />
Veranstalter. Doch<br />
V-Tours kommt mit seiner Geschäftsidee<br />
virtuell daher: Es<br />
gibt keine Kataloge, die Reisen<br />
werden auf Anfrage im Real<br />
Time Packaging zusammengestellt.<br />
Der Neuling will sich nicht<br />
selbst positionieren, sondern<br />
lieber mit Reisebüros und<br />
Reisebüro-Kooperationen zusammenarbeiten.<br />
Beispiel:<br />
Alle Opodo-Pauschalreisen<br />
stammen von V-Tours.<br />
28 FVW 1 7.1.05<br />
Vier Touristiker<br />
wagen den Sprung<br />
in die Selbstständigkeit<br />
– jeder mit<br />
eigenem Konzept<br />
Neugründungen von Veranstaltern<br />
Mit Mut in die Zukunft<br />
Tim Holzapfel<br />
Achim Schneider hat schon als Student<br />
den Blick in die Zukunft gewagt. Seine<br />
These: Die Elektronik wird alle Märkte<br />
nachhaltig beeinflussen – auch den<br />
touristischen. In der Theorie hat er die möglichen<br />
Entwicklungen in seiner Diplomarbeit<br />
für Lufthansa skizziert, die Realität erlebt er<br />
jetzt am eigenen Leib: Der Aschaffenburger<br />
Achim Schneider hat sich im vergangenen Jahr<br />
mit dem virtuellen Veranstalter V-Tours selbstständig<br />
gemacht.<br />
Immer wieder wollen erfahrene Touristiker<br />
ihren Kurs selbst bestimmen – wie Olav Clemens<br />
mit Sarafea, Wolfgang Thaler mit Slow<br />
Dive oder auch Andreas Damson mit T & P.<br />
Nicht alle setzen dabei so konsequent auf die<br />
Macht des Computers wie Schneider. Ganz<br />
ohne Technik spezialisiert sich beispielsweise<br />
Olav Clemens, langjähriger Geschäftsführer<br />
bei Windrose, auf das Zielgebiet Orient. Ex-<br />
Orca-Chef Wolfgang Thaler ist wiederum von<br />
den Vorzügen des Dynamic Packaging so überzeugt,<br />
dass er alle Reisen seines Tauchreiseveranstalters<br />
Slow Dive maßgeschneidert und<br />
in Echtzeit anbieten will. Und Andreas Damson,<br />
ehemaliger Leiter des Reiseleiterreferats<br />
bei Wikinger, legt seine begehrten Persönlichkeitsreisen<br />
lieber selbst auf.<br />
Schreibtischtaucher setzt<br />
auf Dynamic Packaging<br />
„Alle reden vom Dynamic Packaging, aber niemand<br />
setzt es richtig um“, wundert sich Wolfgang<br />
Thaler. Auch bei Orca, dem von Thaler<br />
einst gegründeten marktführenden Tauchreiseveranstalter,<br />
war Dynamic Packaging kein<br />
Thema. Deswegen verkaufte der Rosenheimer<br />
seine Orca-Anteile nach einem – wie er es<br />
nennt – „demokratischen Richtungsstreit“<br />
über die Strategie der Firma. So entstand Slow<br />
Dive. „Wir wollen als einer der ersten Veranstalter<br />
mit Dynamic Packaging arbeiten“, erklärt<br />
der „Schreibtischtaucher“, wie er sich<br />
selbst bezeichnet.<br />
Das neue Konzept ergänzt klassische Tauchkreuzfahrten<br />
mit Reisebausteinen. „Die Nische<br />
in der Nische suchen“ nennt der 46-Jährige<br />
seine Geschäftsidee. Wichtig sei es, Reisen anzubieten,<br />
die kein großer Veranstalter im Pro-<br />
Stolperfalle am Bankschalter<br />
Die Hürden auf dem Weg zur Neugründung<br />
Stolperfallen auf dem Weg<br />
in die Selbstständigkeit?<br />
Die bringen die vier neuen<br />
Veranstalter vor allem<br />
mit Banken und Versicherungen<br />
in Verbindung.<br />
Kreditinstitute betrachten<br />
die Reisebranche seit<br />
einiger Zeit besonders<br />
argwöhnisch: Zu großes<br />
Pleiterisiko, zu wenig<br />
Betriebsvermögen, lautet<br />
ihr Kurzurteil allzu häufig.<br />
Hinzu kommen verschärfte<br />
Kreditrichtlinien (FVW<br />
29/04, S. 54). Bald ordnet<br />
jede Bank ihre gewerblichen<br />
Kunden nach einem<br />
Bonitätsranking. Je kleiner<br />
eine Firma und je dün-<br />
ner ihre Kapitaldecke,<br />
desto höhere Zinsen muss<br />
das Kreditinstitut verlangen,<br />
schreiben die<br />
Bestimmungen vor. Hinzu<br />
kommt eine Besonderheit<br />
für Veranstalter: die Unterlegung<br />
der Sicherungsscheine<br />
durch eine<br />
Bürgschaft. Skeptisch ist<br />
Johannes Zurnieden,<br />
DRV-Vorstand für die konzernungebundenenVeranstalter,<br />
gegenüber öffentlichen<br />
Darlehen und Hilfen.<br />
Er rät Neugründern von<br />
der Annahme solcher Zuschüsse<br />
ab. „Öffentliche<br />
Gelder erweisen sich oft<br />
als Stolperfalle“, sagt er.<br />
gramm hat, glaubt er. Der Clou dabei: Er stellt<br />
jede Reise so zusammen, dass sie ein Unikat ist,<br />
natürlich mit aktuellen Tagespreisen. Maßgeschneiderte<br />
Tauchertrips, nichts von der<br />
Stange – das soll den Erfolg bringen? Von heute<br />
auf morgen lässt sich das Individualangebot<br />
für Unterwasserfans freilich nicht umsetzen,<br />
räumt Thaler ein. Gewissermaßen „in der Not“<br />
bringt Slow Dive zunächst einen herkömmlichen<br />
Katalog ohne Tagespreise heraus.<br />
Real Time Packaging<br />
in der virtuellen Welt<br />
Mit einem ähnlichen System – auch mit tagesaktuellen<br />
Preisen – will V-Tours-Gründer<br />
Schneider an seine Zeit als Produktmanager bei<br />
Meier’s Weltreisen und Terramar anknüpfen.<br />
Real Time Packaging nennt sich das, was<br />
V-Tours als virtueller Veranstalter macht. Das<br />
System kalkuliert erst, wenn jemand nach einer<br />
speziellen Reise fragt. Nur eine bis zwei<br />
Sekunden später spuckt der Computer den<br />
jeweiligen Preis raus.<br />
In Gerhard Ackermanns, dem einstigen<br />
Allkauf-Eigner und Tjaereborg-Deutsch- —<br />
Der Orient-Experte<br />
Olav Clemens, Sarafea<br />
Mit der ägyptischen Holding<br />
Euro International Touristik<br />
– Haupteigner sind die National<br />
Bank of Egypt und Egyptair –<br />
gründete der 48-Jährige den<br />
neuen Reiseveranstalter Sarafea.<br />
Vorher arbeitete Clemens<br />
als Geschäftsführer bei Windrose.<br />
Sarafea konzentriert<br />
sich auf den Orient mit dem<br />
Schwerpunkt Ägypten. Die<br />
Geschäftsidee: verschiedene<br />
Pakete im Orient anbieten, die<br />
andere Veranstalter nicht im<br />
Programm haben. So verbindet<br />
Sarafea Studienreisen mit<br />
Badeurlaub und bietet Extras,<br />
etwa eine Gratismassage.<br />
7.1.05 FVW 1 29
<strong>touristik</strong><br />
Der Taucher<br />
Wolfgang Thaler, Slow Dive<br />
Wie man als Tauchreiseveranstalter<br />
den Geschäftseinstieg<br />
schafft, hat Wolfgang Thaler<br />
bereits als Gründer und ehemaliger<br />
Gesellschafter von Marktführer<br />
Orca bewiesen. Nach<br />
Unstimmigkeiten über den<br />
weiteren Weg von Orca stieg er<br />
im April 2004 dort aus. Jetzt<br />
hat er den Neustart gewagt. Die<br />
Geschäftsidee sieht Thaler in<br />
der „Nische von der Nische“,<br />
wie er seine Tauchkreuzfahrten<br />
beschreibt. Auch Thaler ist vom<br />
Dynamic Packaging überzeugt.<br />
Ohne Katalogpreis bietet er<br />
maßgeschneiderte Reisen mit<br />
tagesaktuellen Preisen an.<br />
land-Gründer, fanden Schneider und sein Partner<br />
Tobias Wolfshohl einen Investor. Inzwischen<br />
beliefert Schneider alle Traveltainment-<br />
Portale und ist auch in den Bistro-Systemen<br />
mit seinen Angeboten präsent. Für Opodo,<br />
Onlineweg.de und die Reisebüro-Kooperation<br />
TSS stellt er ebenfalls Reisen zusammen. „Wir<br />
machen alles wie ein klassischer Reiseveranstalter<br />
– allerdings ohne Katalog“, stapelt er tief.<br />
So virtuell die Aschaffenburger auch daherkommen,<br />
sie setzen dennoch auf den stationären<br />
Vertrieb. „Wir streben ein Verhältnis<br />
von je 50 Prozent Reisebüros und Online-Portalen<br />
an“, beschreibt Schneider sein Ziel.<br />
Ohne Technik, dafür mit den Reisebüros im<br />
Rücken macht sich Olav Clemens mit Sarafea<br />
selbstständig. Das lohnt sich, denn der 48-<br />
Jährige zahlt als Veranstalter seinen Reisebüro-<br />
Partnern elf Prozent Provision. Der Orient-<br />
Spezialist bietet eine Mischung aus Bade- und<br />
Rundreiseurlaub an. „Ein lukratives Nischengeschäft“,<br />
meint er. Orient-Reisen seien<br />
überhaupt ein Nischenprodukt.<br />
Ägyptische Holding<br />
als finanzstarker Investor<br />
Hinter Sarafea steht ein ägyptisches Konsortium,<br />
darunter mehrere Banken und Versicherungen<br />
sowie die Fluggesellschaft Egyptair.<br />
Der Mischkonzern Misr ist gleich mehrfach<br />
vertreten. Euro International Touristik heißt die<br />
Holding, die mit einer Finanzkraft von rund 40<br />
Mill. Euro weitere Veranstalter in Frankreich,<br />
Italien, Großbritannien und Skandinavien betreibt.<br />
Bereits seit fünf Jahren wollen die Ägypter<br />
den deutschen Markt erobern – vergeblich.<br />
30 FVW 1 7.1.05<br />
Zunächst wollte die Holding über einen hiesigen<br />
Veranstalter ins Geschäft einsteigen und<br />
sondierte verschiedene Kandidaten – unter anderem<br />
Ikarus.<br />
Eine Übernahme scheiterte jedoch, nun<br />
gründen die Ägypter ihr eigenes Unternehmen<br />
und setzen auf Olav Clemens. Als geschäftsführender<br />
Gesellschafter soll der Touristikprofi<br />
die Marke Sarafea in Deutschland als einen Spezialisten<br />
für Orient-Reisen positionieren. „Un-<br />
„Die Power muss da sein“<br />
DRV-Vize Zurnieden gibt Tipps zur Neugründung<br />
Einen guten Zeitpunkt für Neugründungen gebe es<br />
nicht, meint DRV-Vizepräsident Johannes Zurnieden.<br />
„Das Konzept entscheidet, und die Power des Neugründers<br />
muss da sein.“ Zurnieden kennt das noch von seinen<br />
Anfängen mit Phoenix Reisen aus dem Jahr 1973:<br />
„Damals hieß es für mich arbeiten, viel arbeiten,<br />
manchmal auch 24 Stunden<br />
am Tag“, sagt er. Alle bisher<br />
unbekannten Nischen seien<br />
eine gute Basis für den Start<br />
eines eigenen Reiseveranstalters,<br />
denn „nur so kann<br />
man sich schnell etablieren“.<br />
Der bekennende Sparfuchs<br />
rät Neugründern, auf jeden<br />
Euro zu achten. Sein Grundsatz:<br />
„All das Geld sollte ins<br />
Produkt fließen.“<br />
sere Interessen passen ausgezeichnet zueinander“,<br />
sagt Clemens.<br />
Ganz anders verläuft der Werdegang von Ex-<br />
Wikinger-Mitarbeiter Andreas Damson. Er<br />
kennt sich vor allem in der Ausbildung von Reiseleitern<br />
aus. Sein Know-how bündelt er nun in<br />
der eigenen Firma Travel & Personality (T & P).<br />
Das Konzept: Reisen plus Persönlichkeitsseminare.<br />
„Flipchart am Strand oder in Höhlen“, so<br />
umreißt Damson seinen Ansatz. Um die Persönlichkeit<br />
zu schulen, lässt er seine<br />
Gäste in die Rolle der Reiseleiter<br />
schlüpfen. „So lernen sie Konfliktmanagement,<br />
spüren das<br />
FOTO: MICHAEL DANNENMANN<br />
Gruppengefühl und verbessern<br />
ihre Rhetorik.“ Spirituelles oder<br />
gar Esoterisches habe dabei keine<br />
Chance. „Wir setzen auf die Vermittlung<br />
und Ausbildung von<br />
Soft Skills“, sagt Damson.<br />
Unterschiedliche<br />
Zielvorstellungen<br />
Nicht der ganze Urlaub besteht<br />
aus der reinen Persönlichkeitsschulung.<br />
Die Reisenden verbringen<br />
je ein Drittel ihrer Zeit in Seminaren,<br />
bei praktischen Übungen<br />
oder erholen sich am Strand.<br />
Auch Damson will seine Reisen<br />
über den stationären Vertrieb verkaufen.<br />
Wenn die Expedienten<br />
mit dem etwas exotischen Produkt<br />
ins Stocken geraten, übernimmt<br />
T & P gern die Beratung<br />
des Endkunden via Telefon. „Wir<br />
zahlen dem Reisebüro aber trotzdem zehn Prozent<br />
Provision“, verspricht Damson. So erhofft<br />
er sich im ersten Jahr eine dreistellige Zahl an<br />
Buchungen. Die anderen drei Gründer streben<br />
deutlich höhere Werte an. Clemens und Thaler<br />
peilen eine Zahl im Tausenderbereich an,<br />
Schneider denkt gar an Zehntausende.<br />
Das vorrangige Ziel für 2005 ist bei allen<br />
vier Neulingen zunächst, im Markt Fuß zu fassen.<br />
„Positionieren und dann etablieren“, lautet<br />
Schneiders Credo. Bis 2006 wollen alle Kos-<br />
tendeckend arbeiten,Thaler von Slow Dive will<br />
das Ziel schon in diesem Jahr erreichen. Über<br />
den Erfolg der Neugründungen entscheidet allerdings<br />
nicht nur das eigene Konzept, sondern<br />
auch der Markt, die allgemeine wirtschaftliche<br />
Situation und die Konkurrenz. Und die schläft<br />
nicht. Schneider und Thaler stellen sich darauf<br />
ein, dass die großen Veranstalter in diesem Jahr<br />
mit ihren virtuellen Töchtern und neuen Angeboten<br />
aus dem Wunderbaukasten namens<br />
Dynamic Packaging auf den Markt kommen<br />
Der Reiseleiter<br />
Andreas Damson,T & P<br />
Der 38-Jährige war vor seiner<br />
Selbstständigkeit Leiter des<br />
Reiseleiterreferats bei Wikinger<br />
Reisen. Gemeinsam mit Peter<br />
Bär (36), ebenfalls ein Ex-Wikinger,<br />
hat Damson im Oktober den<br />
Veranstalter Travel & Personality<br />
(T & P) gegründet. Die Geschäftsidee<br />
der Freiburger: eine<br />
Kombination aus Aktivreisen<br />
und Persönlichkeitsseminaren.<br />
Die Urlauber schlüpfen<br />
während der Gruppenreise<br />
selbst in die Rolle des Reiseleiters<br />
und trainieren so<br />
Konfliktmanagement und<br />
Rhetorik. T & P will mit dem<br />
Konzept auch Firmen gewinnen.<br />
werden. „Es gibt deutliche Anzeichen dafür,<br />
dass andere bald auf den Zug aufspringen werden“,<br />
sagt Schneider.<br />
Doch Bange machen gilt nicht. Die vier<br />
Neugründer sind von ihren beruflichen Eigengewächsen<br />
überzeugt. Sie glauben eben an das<br />
Besondere, das sie dank schlanker Strukturen<br />
und genügend Erfahrung in der Touristik kompetent<br />
besetzen können. Und irgendwie denkt<br />
auch jeder der vier Gründer daran, dass 2005<br />
sein Jahr werden könnte. ƒ<br />
Einmalig anders. Club Med<br />
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