Bildbesprechung (pdf) - Jochem Roman Schneider
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Worten von einem Waldspaziergang erzählt, von dem er eine Blume mitgebracht hat, die er in seinen Garten pflanzte<br />
– wen mag das wohl bewegen! Kommt dieser Inhalt (inklusive der symbolischen Dimensionen) aber in ästhetischer<br />
Form daher, wandelt sich das Bild: „Ich ging im Walde so vor mich hin …“. Aha. Ästhetik organisiert die Bedeutung,<br />
verleiht der Aussage (hier gern auch: der Bildsprache) Besonderheit, bringt alles erst auf jenen Punkt, der uns zu tieferer<br />
Einsicht führt – vorausgesetzt, wir sind überhaupt dazu bereit. Daß wir das in aller Regel sind, zeigen allerdings<br />
tagtäglich besondere Formen der Sprache, etwa im Rap, wo ganz grundlegende ästhetische Zurüstungen, die die<br />
Avantgarde längst beerdigt glaubte, fröhliche Urständ feiern, nämlich Reim und Rhythmus.<br />
Es ist an der Zeit, von den luftigen Höhen der Theorie in die Anschauung zu wandern, um zu prüfen, wie sich in<br />
den Werken eines zum anderen findet. Es gibt von <strong>Jochem</strong> <strong>Roman</strong> <strong>Schneider</strong> das Blatt (Radierung) „Stillebender Dandy<br />
– Für David Hockney“. In einem Ambiente im englischen Stil sitzt ein Mann mit College-Krawatte im Holzstuhl,<br />
rechts eine Yucca. Links rankt sich Botanik herunter, auf dem Kaminsims Flasche, Glas und Zigarettenschachtel. Der<br />
Mann sitzt locker und entspannt, aber nicht unaufmerksam: mit einer Mischung aus vorsichtigem Mißtrauen und<br />
Selbstsicherheit blickt er, wie leicht von oben, auf den Betrachter.<br />
Das ist nicht schwer zu sehen und einzuordnen, und der Kunstkundige kommt auch durchaus auf die gewollten<br />
Anklänge an David Hockney, den großen Apologeten der besseren Lebensart und Schamanen des modernen Arkadien.<br />
Aber es gibt auch andere Anklänge – wobei es unerheblich ist, wie bewusst oder unbewusst diese ins Bild (Grafiken<br />
sind ja auch Bilder – was sonst?) eingespeist wurden, denn jedes „musée imaginaire“ hat seine eigenen Blickachsen.<br />
Und hier ist es das berühmte Frühwerk von Lucian Freud,„Interior, Paddington, 1951“, das sich mit ins Spiel bringt.<br />
So entsteht ein historischer Halo, der vom Freudschen „angry young man“ der englischen Nachkriegsgeneration bis<br />
zur Kalifornien-Fraktion der hedonistischen Jeunesse dorée der Sechziger bis Achtziger sein mildes Licht verströmt. Es<br />
ist in der Tat nicht der „Mond von Wanne-Eickel“, hier gibt es Champagner statt Pils, hier regiert die lockere Selbstsicherheit<br />
einer Generation, über Bildformeln vermittelt, die sich die Sonnenseite des Lebens erobert hat und bereit ist,<br />
diese mit Hoffart und Härte zu verteidigen. Sie hat das erreicht, wovon der junge Mann mit „Thruppence Haypenny"*<br />
in der Geldkatze in Paddington geträumt hat.<br />
Im Titel – sicher, Titel sind nur Namen von Bildern, die die Katalogisierung erleichtern, aber es gibt auch Künstler,<br />
wie etwa Paul Klee, bei denen Titel integraler Bestandteil des Kunstwerkes werden – im Titel also kommen noch<br />
zwei Begriffe vor die wichtig sind: „Stilleben“ und „Dandy“. Der eine ein kunsthistorischer Gattungsbegriff, der andere<br />
ein Begriff aus der Kulturgeschichte des, nota bene, 19. Jahrhunderts. Die Szene ist nicht die eines Stillebens, aber<br />
dadurch, daß die Person im Bilde „stillebend“ ist, also von stillebenhaften Arrangements umgeben ist und sich wenigstens<br />
teilweise auch durch sie und mit ihnen definiert, kommt eine gewisse Gewolltheit und Künstlichkeit ins Spiel.<br />
Das wird durch die Klassifikation als Dandy vervollkommnet. Ein Dandy ist eine Figur im Gesellschaftsspiel um das<br />
Gentleman-Ideal herum.<br />
William Makepeace Thackeray (1811-1863) hat sich darüber geäußert, wie man statt zum Gentleman zum Snob<br />
wird. Dabei scheint wichtig zu sein, welche Oppositionen es überhaupt zum Gentleman gibt: Da ist einmal eben der<br />
* 3 1 / 2 Pence nach alter britischer Währung, entspricht etwa heutigen 175 Euro-Cent (Quelle: House of Commons; Index: 1:13), also nicht gerade ein berauschender<br />
Betrag. Allein die Krawatte des "Dandy" sieht danach aus, daß sie für unter 60 Euro nicht zu haben sein dürfte…<br />
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