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Manfred Hochwald, Deutsche Welthungerhilfe, Bonn - HEA

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Klimaschutz und Ethik – Kein Widerspruch im globalen Umfeld<br />

Festvortrag <strong>Manfred</strong> <strong>Hochwald</strong>, <strong>Deutsche</strong> <strong>Welthungerhilfe</strong>, <strong>Bonn</strong><br />

<strong>HEA</strong>-Jahrestagung 2008<br />

31.Oktober 2008, Hannover<br />

Abschmelzende Gletscher, Tropennächte in Deutschland, Dürre in Italien und<br />

Griechenland – man kann es drehen und wenden wie man will: Die globale<br />

Erderwärmung lässt sich nicht mehr wegdiskutieren. Al Gore überflutet in einem<br />

Film-Szenario schon einmal vorsorglich New York, andere warnen vor der ganz<br />

großen Klimakatastrophe mit verdörrten Regionen, Artensterben und Hungerkriegen.<br />

Gegner der Katastrophenszenarien sprechen von Hysterie und den Vorzügen<br />

mediterranen Klimas im Rheinland.<br />

Es gibt gegenwärtig weltweit nur einen Konsens: So, wie es seit einiger Zeit und im<br />

Moment läuft, kann und darf es nicht weitergehen. Um maximal 2 Grad darf die<br />

Erderwärmung noch steigen, alles darüber hinaus wäre kritisch und fatal. Die<br />

Menschheit produziert zuviel vom Treibhausgas Kohlendioxid. Das muss sich ändern<br />

– und nach der Meinung vieler Experten ziemlich schleunig. Andernfalls müssen wir<br />

düster in die Zukunft sehen, vielleicht sogar sehr düster.<br />

Die Auswirkungen des Klimawandels werden seit einiger Zeit nicht nur prognostiziert,<br />

sie sind in besonders sensiblen Gebieten bereits spürbar. Die Prognosen gehen<br />

davon aus, dass selbst unter optimalen Bedingungen einschneidende und negative<br />

Veränderungen der Lebensumstände insbesondere in Regionen Asiens, Afrikas und<br />

Lateinamerikas unabwendbar sind. Obwohl Klimaveränderungen im Verlauf der<br />

Menschheitsgeschichte nichts Ungewöhnliches sind und sie die Menschen immer<br />

wieder zwangen, sich an neue Umweltbedingungen anzupassen, haben wir es heute<br />

mit einem wesentlich dynamischeren Prozess zu tun. Die Wellenfrequenzen werden<br />

kürzer. Hitze, Dürre, Stürme und Hochwasser verursachen alljährlich und in<br />

zunehmendem Maße 100.000de von Toten, vernichten unzählige Existenzen,<br />

zerstören die Ernten und bedrohen die Ernährungssicherheit und das Wohlergehen<br />

von vielen Millionen Menschen.<br />

Ausgerechnet in Entwicklungsländern verstärkt der Klimawandel die Dürre- und<br />

Hochwassergefahr. Ohne Klimaschutz und Anpassung an sich verändernde<br />

Wetterbedingungen wird es in den kommenden Jahren vielerorts zu einem<br />

gravierenden Landschaftswandel kommen: Fruchtbare Lebensräume entwickeln<br />

sich zu landwirtschaftlichen Ungunsträumen wie Trockengebiete oder<br />

Überflutungsräume. Der Klimawandel stellt neue Anforderungen an lokale, nationale<br />

und internationale Strategien der Ernährungssicherung und Trinkwasserverfügbarkeit<br />

– und damit an Grundvoraussetzungen für das, was wir als „Entwicklung“<br />

bezeichnen.<br />

Gegenwärtig kann durchaus auch von einem kurzweiligen positiven Effekt<br />

ausgegangen werden: die Klimaerwärmung in Europa und Nordamerika, aber auch<br />

in Ost- und Südostasien, wird sich vielleicht zunächst, aber vorübergehend, positiv


auf die Landwirtschaft auswirken: Bei moderater Klimaerwärmung könnten in<br />

Nordamerika die Erträge aus dem Regenfeldbau durch Zunahme der Niederschläge<br />

um bis zu 20% steigen. In Afrika hingegen drohen die Ernteerträge infolge des<br />

Niederschlagsrückgangs regional bis zum Jahr 2020 um 50% zu sinken; auch für<br />

Zentral- und Südasien sowie für Lateinamerika werden Ernterückgänge von bis zu<br />

30% vorausgesagt. Es ist daher ohne Zweifel so, dass der Klimawandel die Kluft der<br />

Nahrungsmittelverfügbarkeit zwischen Nord und Süd vertiefen und ohne adäquate<br />

Anpassungsmaßnahmen den Hunger in den Entwicklungsländern verstärken wird.<br />

Doch nicht nur das Klima bedroht die Ernährungssicherheit, gleichzeitig steigen auch<br />

die Anforderungen an die Landwirtschaft. Sie muss heute drei große Marktsegmente<br />

bedienen: Nahrungsmittel, Futtermittel und Kraftstoffpflanzen (food, feed, fuel). Die<br />

steigende Nachfrage nach Fleischprodukten allein in Indien und China spielt bei der<br />

Futtermittelproduktion eine gewichtige Rolle. Eine bisher ungekannte Dimension in<br />

der Nachfrage nach landwirtschaftlichen Erzeugnissen entwickelt sich derzeit durch<br />

den energie- und klimapolitisch gelenkten Bioenergie-Boom: Kraftstoffe aus öl-,<br />

stärke- und zuckerhaltigen Pflanzen sollen Diesel und Benzin ersetzen. Damit<br />

verstärken gleichzeitig Klimawandel, Bevölkerungswachstum, Bioenergie-Boom und<br />

zunehmende Fleischproduktion den Druck auf die ohnehin prekäre<br />

Ernährungssicherheit – und das nicht nur in Entwicklungsländern.<br />

Es gibt heute sehr deutliche und Besorgnis erregende Signale, die zeigen, dass<br />

durch bisherige Produktionssteigerungen der explodierenden Nachfrage nach<br />

landwirtschaftlichen Grundnahrungsmitteln nicht mehr ohne weiteres begegnet<br />

werden kann. 2007 erreichten die globalen Getreidevorräte einen<br />

Jahrhunderttiefstand von 403 Millionen Tonnen (2000 waren es laut FAO noch 698<br />

Mio. Tonnen). Damit steht die Ernährungssicherheit vor einer neuen<br />

Herausforderung: Ohne Anpassung an den Klimawandel können nicht mehr genug<br />

Nahrungsmittel für alle Menschen produziert werden! In den nächsten 25 Jahren wird<br />

sich der weltweite Bedarf an Nahrungsmitteln im Vergleich zu heute verdoppelt<br />

haben. Die große Frage ist: wie soll und kann es gelingen, diesen gewaltigen Bedarf<br />

zu decken?<br />

Ursachen und Folgen des Klimawandels.<br />

Im Zuge der Industrialisierung kam es zu einem rasanten Anstieg der Emissionen<br />

klimaschädlicher Gase, vor allem von Kohlendioxid, aber auch von Methan, Lachgas<br />

und FCKW. Obwohl lange Zeit kontrovers diskutiert und auch heute noch dem einen<br />

oder anderen Wissenschaftler nicht einsichtig, müssen wir feststellen, dass es<br />

menschliche Tätigkeiten waren, die zu einer signifikanten Erhöhung der<br />

Konzentrationen von Treibhausgasen geführt haben. Dieses verstärkt den ohnehin<br />

vorhandenen natürlichen Treibhauseffekt, wodurch es zu einer zusätzlichen<br />

Erwärmung der Erdoberfläche und der Atmosphäre kommt. Schon ein Anstieg der<br />

globalen Mitteltemperatur um 2° C gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter wird als<br />

gefährlich eingeschätzt. Da die globale Mitteltemperatur seitdem aber bereits um 0,6°<br />

C angestiegen ist, muss dringend gehandelt werden. Denn es drohen verheerende<br />

Folgen für Mensch und Umwelt, die zum Teil schon jetzt messbar sind: Der arktische<br />

Eisschild und die Gebirgsgletscher schrumpfen, die Permafrostgebiete tauen immer<br />

weiter auf, was den Klimawandel noch zusätzlich verstärkt. Der globale mittlere<br />

Meeresspiegel wird bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu 0,88 Meter ansteigen,<br />

verursacht vor allem durch die thermische Ausdehnung der Ozeane, aber auch durch


das Abschmelzen von Festlandeis. Überschwemmungen und extreme<br />

Wetterereignisse, wie Starkniederschläge, Hitze, Dürre und Wirbelstürme, werden<br />

immer häufiger und gravierender in ihren Auswirkungen. Das Artensterben wird<br />

zunehmen, wenn Lebensräume mit bestimmten Klimaeigenschaften von der Erde<br />

verschwinden. Krankheiten wie Malaria und Cholera breiten sich aus. Hinzu kommen<br />

Hunger und Mangelernährung infolge von Ernteverlusten. Soziale Konflikte um<br />

Ressourcen, insbesondere um Trinkwasser und Land, werden zunehmen. Die Zahl<br />

der Menschen, die vor Dürre, Hunger oder Überschwemmung fliehen müssen, wird<br />

steigen. Und die materiellen Schäden werden bis zum Jahr 2050 schätzungsweise<br />

auf über 600 Milliarden Euro jährlich anwachsen.<br />

Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen, müssen aber eingestehen, dass<br />

die Industriestaaten die Hauptverursacher des Klimawandels, die Armen in den<br />

Entwicklungsländern aber besonders von den Auswirkungen betroffen sind. Diese<br />

ungleiche Verteilung verweist auf ein großes Gerechtigkeitsproblem, also ein<br />

ethisches Problem. Eine wichtige Frage wird uns und unsere Kinder mehr und mehr<br />

beschäftigen: Wer darf in Zukunft die Atmosphäre in welchem Umfang nutzen?<br />

Die Entwicklung der Industrieländer war hauptsächlich von der Nutzung von Kohle,<br />

Öl und Gas getragen. Auch die Entwicklungsländer beanspruchen heute mehr denn<br />

früher das Recht, für ihre wirtschaftliche Entwicklung fossile Energieressourcen<br />

nutzen zu können - und damit ein Recht auf Nutzung der Atmosphäre. Dieser Konflikt<br />

wird vor dem Hintergrund der Globalisierung verschärft durch politische und<br />

wirtschaftliche Faktoren und Entwicklungen, die die Fähigkeit der einzelnen Länder<br />

zur eigenständigen Entwicklung und zur wirksamen Bekämpfung von Hunger und<br />

Armut wesentlich beeinflussen. Das Energiekonzept der Industrieländer - basierend<br />

auf Kohle, Öl und Gas- ist gescheitert und nicht zukunftsfähig. Umso größer ist die<br />

Hoffnung, dass die Entwicklungsländer aus den Fehlern der Industrieländer lernen.<br />

Die Entwicklungsländer haben allerdings ein Recht auf gleiche Emissionen wie die<br />

Industrieländer, das wird niemand bestreiten. Die Industrieländer ihrerseits<br />

versuchen, sich durch Emissionshandel vor dringend benötigten – und teuren -<br />

Veränderungen zu drücken. Dadurch wird die Entwicklung der armen Länder<br />

gebremst bzw. sie müssen auf teure regenerative Technologien ausweichen.<br />

Wichtig ist: Jede Form von Entwicklung vergrößert den ökologischen Fußabdruck -<br />

wenn nicht an anderer Stelle reduziert wird. Das heißt, dass Armutsbekämpfung und<br />

Entwicklung in den Entwicklungsländern auch klimaschädlich sind.<br />

Klimaschutz und Anpassung an die Folgen des Klimawandels sind daher nicht nur<br />

ethische Fragen, deren Beantwortung drängt und unaufschiebbar ist.<br />

Klimaschutz und Ethik – kein Widerspruch!<br />

Zum besseren Verständnis des Begriffes „Ethik“ soll ein Blick in das Lexikon lohnen:<br />

Der Begriff „Ethik“ wurde als Bezeichnung für eine philosophische Disziplin von<br />

Aristoteles (geb. 384 v. Chr.) eingeführt, der damit die wissenschaftliche<br />

Beschäftigung mit menschlichen Gewohnheiten, Sitten und Gebräuchen (ethos)<br />

meinte, wobei allerdings schon seit Sokrates (geb. 469 v.Chr.) die Ethik ins Zentrum<br />

des philosophischen Denkens gerückt war. Hintergrund war dabei die vertretene<br />

Auffassung, dass es für ein Vernunftwesen wie den Menschen unangemessen sei,<br />

wenn dessen Tun und Handeln ausschließlich von Konventionen und Traditionen<br />

geleitet wird.


Die allgemeine Ethik wird heute als eine philosophische Disziplin verstanden, deren<br />

Aufgabe es ist, Kriterien für gutes und schlechtes Handeln und die Bewertung seiner<br />

Motive und Folgen aufzustellen. Die Ethik baut als philosophische Disziplin allein auf<br />

das Prinzip der Vernunft. Darin unterscheidet sie sich vom klassischen<br />

Selbstverständnis der theologischen Ethik, die sittliche Prinzipien als in Gottes Willen<br />

begründet annimmt und insofern im Allgemeinen den Glauben an eine göttliche<br />

Offenbarung voraussetzt. Das Ziel der Ethik ist die Erarbeitung von allgemeingültigen<br />

Normen und Werten. Diese philosophische Disziplin Ethik (die auch als<br />

„Moralphilosophie“ bezeichnet wird) sucht nach Antworten auf die Frage, wie in<br />

bestimmten Situationen gehandelt werden soll. Die einfachste und klassische<br />

Formulierung einer solchen Frage stammt übrigens von Immanuel Kant: „Was soll<br />

ich tun?“ Ihre Ergebnisse bestehen in anwendbaren ethischen bzw. moralischen<br />

Normen, die beinhalten, dass unter bestimmten Bedingungen bestimmte Handlungen<br />

geboten, verboten oder erlaubt sind.<br />

Die Ethik ist von ihrer Zielsetzung her eine praktische Wissenschaft. Es geht ihr nicht<br />

um ein Wissen um seiner selbst willen (Theorie), sondern um eine verantwortbare<br />

Praxis. Sie soll dem Menschen - in einer immer unüberschaubarer werdenden Welt -<br />

Hilfen für seine sittlichen Entscheidungen liefern. Dabei kann die Ethik allerdings nur<br />

allgemeine Prinzipien guten Handelns oder ethischen Urteilens überhaupt oder<br />

Wertvorzugsurteile für bestimmte Typen von Problemsituationen begründen. Die<br />

Anwendung dieser Prinzipien auf den einzelnen Fall ist im Allgemeinen nicht durch<br />

sie leistbar, sondern Aufgabe der praktischen Urteilskraft und des geschulten<br />

Gewissens. Aristoteles vergleicht dies mit der Kunst des Arztes und des<br />

Steuermanns. Diese verfügen über ein theoretisches Wissen, das aber<br />

situationsspezifisch angewendet werden muss. Entsprechend muss auch die<br />

praktische Urteilskraft allgemeine Prinzipien immer wieder auf neue Situationen und<br />

Lebenslagen anwenden. Damit spielt für die richtige sittliche Entscheidung neben der<br />

Kenntnis allgemeiner Prinzipien insbesondere die Schulung der Urteilskraft in<br />

praktischer Erfahrung eine wichtige Rolle.<br />

Zurück zum Klimaschutz: Vor 15 Jahren wurde in Rio de Janeiro die Klimakonvention<br />

unterzeichnet. Darin verpflichten sich die Vertragsparteien, „auf der Grundlage der<br />

Gerechtigkeit“ und entsprechend ihren jeweiligen Verantwortlichkeiten und<br />

Fähigkeiten „das Klimasystem zum Wohl heutiger und künftiger Generationen“ zu<br />

schützen. Inzwischen ist noch deutlicher geworden, dass der Klimawandel kein<br />

zukünftiges Ereignis ist, sondern bereits unumkehrbar begonnen hat. Er stellt die<br />

wohl umfassendste Bedrohung menschenwürdiger Existenz und der natürlichen<br />

Ökosysteme dar. Damit ist er eine zentrale Frage der Gerechtigkeit und eine ernste<br />

Herausforderung für Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Ethik. Klimaschutz und<br />

Anpassung an die Folgen des Klimawandels sind deshalb unaufschiebbare<br />

Aufgaben.<br />

Gibt es eine ausgleichende Gerechtigkeit?<br />

Die These vom Katastrophen-Egalitarismus, nach der der Treibhauseffekt für<br />

ausgleichende Gerechtigkeit sorge, trifft nicht zu. Denn die Lasten des Klimawandels<br />

sind sehr ungleich verteilt. Je ärmer und schwächer die Menschen, Regionen oder<br />

Länder sind, desto geringer sind ihre Möglichkeiten, den Folgen des Klimawandels<br />

auszuweichen, sich anzupassen, zu schützen, zu versichern oder entstandene<br />

reversible Schäden zu beheben. Im Vergleich zu den reichen Industrienationen sind<br />

die Länder des „Südens“, aber auch die Arktis erheblich stärker betroffen, obwohl ihr


Pro-Kopf-Beitrag im Blick auf die Ursachen des Klimawandels (bislang) eher zu<br />

vernachlässigen ist. Ähnliches gilt für die ärmeren Bevölkerungsgruppen, die alten<br />

und kranken Menschen sowie die Kinder auch in den wohlhabenden Ländern.<br />

Aufgrund dieser großen Ungleichheit zwischen Verursachern und Leidtragenden ist<br />

der Klimawandel ein grundlegendes Problem der weltweiten Gerechtigkeit. Die<br />

Ungleichheit hat aber auch eine zeitliche Dimension, denn unser heutiger Mangel an<br />

Klimaschutz wird vor allem in der Zukunft nachteilige Wirkungen entfalten. Dadurch<br />

wird die Gerechtigkeit zwischen den Generationen in Frage gestellt. So werden<br />

grundlegende Menschenrechte der jetzt lebenden und kommenden Generationen<br />

verletzt oder bedroht: das Recht auf Leben, das Recht auf Unversehrtheit sowie<br />

auf Gesundheit, das Recht auf Nahrung, auf soziale Sicherheit und Eigentum sowie<br />

das Recht auf eine intakte Umwelt. Darüber hinaus beeinträchtigt der Klimawandel<br />

die Lebensräume von Fauna und Flora und verstößt damit gegen die<br />

Umweltgerechtigkeit. Die gefährliche von Menschen gemachte Klimaänderung ist<br />

also keine Naturkatastrophe, sondern eine erkannte und bekannte Ungerechtigkeit,<br />

die bestehendes Unrecht noch verschärft. Im Sinne der Gerechtigkeit müssen sich<br />

die Akteure an folgenden Grundsätzen orientieren: Das Verursacherprinzip gebietet,<br />

die Lasten für verursachte Schäden zu übernehmen sowie alle absehbaren Kosten<br />

für Mensch und Umwelt in die Preise einzubeziehen, so dass diese die „ökologische<br />

Wahrheit“ sagen. Das Vorsorgeprinzip zielt auf die Minderung von Risiken und die<br />

Schonung der natürlichen Lebensgrundlagen, auch mit Blick auf die nachrückenden<br />

Generationen. Schließlich besagt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass der<br />

gute Zweck, der Klimaschutz, nicht jedes Mittel heiligt. Vielmehr müssen alle<br />

Maßnahmen der Minderung und Anpassung geeignet, erforderlich und angemessen<br />

sein, um die erkannten Gefahren abzuwenden.<br />

Klima-Protokoll von Kyoto.<br />

Es brauchte mehr als sieben Jahre, bis das Protokoll von Kyoto im Februar 2005 in<br />

Kraft treten konnte. Entgegen den darin vereinbarten, bescheidenen<br />

Reduktionszielen und den darüber hinausgehenden Selbstverpflichtungen stiegen<br />

die Treibhausgas-Emissionen der Industrieländer im Zeitraum 1990 bis 2003 um<br />

12,4 %. Projektionen für die nächsten Jahre deuten auf einen weiteren Anstieg hin.<br />

Kyoto ist also nur ein erster und zaghafter Schritt. Nicht mehr und nicht weniger.<br />

Die Eckpunkte für ein Post-Kyoto-Abkommen werden Anfang Dezember 2008 in der<br />

polnischen Stadt Posen gesetzt. Die Verhandlungen unter den UN-Mitgliedsstaaten<br />

kommen nur im Schneckentempo voran. Doch die Zeit drängt: Ende 2009 sollte ein<br />

neuer Klimaschutzvertrag unterzeichnet sein. Im August, am Schluss der letzten<br />

Verhandlungsrunde vor Posen, fehlte es nicht an enttäuschten Stimmen. Die<br />

Verhandlungschefin der Entwicklungsländer brachte es auf den Punkt: die<br />

Klimapolitik der letzten Jahre erinnere sie an den Cha-Cha-Cha-Tanz: Schritte nach<br />

rechts – nach vorne und links – dann einen Hüpfer zurück - …und man steht wieder<br />

dort, wo man angefangen hat. Uns allen dürfte klar sein, dass sich die Welt diesen<br />

Tanz nicht leisten kann.<br />

Handlungsbedarf.<br />

Auf der Grundlage der skizzierten ethischen Maßstäbe müssen die Industrie-,<br />

Transformations- und Schwellenländer sowie die Reichen, die Machthabenden, die<br />

Durchsetzungsstarken in den Entwicklungsländern ihrer eigenen „fossilen“<br />

Entwicklung Grenzen setzen und die Hauptlast der weltweit notwendigen<br />

Maßnahmen übernehmen. Notwendig sind sowohl Strategien zur Minderung der


Treibhausgas-Konzentrationen als auch Strategien zur Anpassung, um die negativen<br />

Folgen des Klimawandels für Menschen, Tiere und Pflanzen abzuschwächen.<br />

Minderung und Anpassung stehen dabei für zwei sich ergänzende, nicht alternative<br />

Maßnahmenbündel, denn selbst im Falle einer äußerst erfolgreichen<br />

Minderungspolitik ist eine Anpassung an die Folgen des Klimawandels<br />

unumgänglich. Zur Minderung können Maßnahmen beitragen wie zum Beispiel:<br />

Energiesparen, Steigerung der Energieeffizienz und die Förderung von erneuerbaren<br />

Energien. Diese erneuerbaren Energiequellen der Zukunft brauchen aber eine<br />

stärkere Akzeptanz und Förderung. Die bestehenden Ökosteuern müssen stärker die<br />

schädlichen Emissionen besteuern und in eine umfassende ökologische Steuer-und<br />

Finanzreform eingebettet werden. Daneben sollten der Handel mit<br />

„Verschmutzungslizenzen“, die Gemeinschaftsprojekte und Mechanismen<br />

für eine wirksame umweltgerechte Entwicklung ausgebaut werden. Die<br />

Kohlenstoffabscheidung und -deponierung hingegen sind allenfalls<br />

Übergangslösungen. Auf politischer Ebene kommt einer nachhaltigen Verkehrs-und<br />

Raumpolitik, aber auch der Umwelterziehung und -bildung eine wichtige Rolle zu.<br />

Dies würde bei den privaten Haushalten den Wandel zu klimaverträglicheren<br />

Lebens-, Mobilitäts- und Konsumstilen begünstigen. Insgesamt gesehen muss die<br />

Politik in der Rahmenordnung die Anreize so setzen, dass klimafreundliches<br />

Verhalten erleichtert und Klima schädigendes Handeln erschwert wird. Die aktuell<br />

wieder debattierte Kernenergie stellt keine tragfähige Lösung dar, da sie bezogen auf<br />

den gesamten Produktionsprozess keineswegs klima-unschädlich ist. Zudem sind<br />

auch die Uran-Vorräte begrenzt. Vor allem aber ist die Kernenergie mit<br />

schwerwiegenden Risiken und ungelösten Folgeproblemen verbunden, die aus<br />

Gründen intergenerationeller Gerechtigkeit nicht den nachfolgenden Generationen<br />

als schlechtes Erbe aufgebürdet werden dürfen.<br />

Um dem Klimawandel zu begegnen und weniger Co2 auszustoßen, haben die EU-<br />

Länder in den letzten Monaten die Bioenergie gefördert. Vor zwei, drei Jahren gab es<br />

in Deutschland eine große Empörung über Bioenergie. "Heizen mit Weizen"<br />

empfanden viele Mitbürger als ethisch verwerflich. Die Diskussion hat sich jetzt ein<br />

wenig beruhigt. Aber: Die Bioenergie kann Hunger auch befördern.<br />

Mehr als 920 Millionen Menschen leiden derzeit unter Hunger. 75 Millionen sind seit<br />

dem letzten Jahr allein durch die drastisch steigenden Nahrungsmittelpreise dazu<br />

gekommen. Die Bioenergie ist zu einem Gutteil für den Preisanstieg verantwortlich.<br />

Die Industrieländer sind schon lange nicht mehr in der Lage, ihren boomenden<br />

Bedarf an Biomasse zur Herstellung von Biokraftstoffen durch eigene<br />

Produktionskapazitäten zu decken. Schon die Erfüllung der deutschen<br />

Beimischungspflicht von 6,75 Prozent ist nicht ausschließlich aus heimischer<br />

Produktion von Biokraftstoffen zu decken: Nach Einschätzung des<br />

Sachverständigenrates für Umweltfragen (2007) müsste hierzu das gesamte<br />

Flächenpotenzial von Deutschland beansprucht werden. Anderen Industrieländern<br />

ergeht es ähnlich. Was bleibt, ist der Import von Agrartreibstoffen bzw. deren<br />

Ausgangsprodukten aus Entwicklungs- und Schwellenländern.<br />

Dabei sind die Folgen der wachsenden Agrarkraftstoffproduktion in<br />

Entwicklungsländern sind bereits heute deutlich. Der Flächenbedarf der zumeist in<br />

Monokulturen angebauten Rohstoffe für die Agrartreibstoffgewinnung ist enorm. Dies<br />

fördert die Konzentration von Landbesitz in wenigen Händen. Auch der Druck auf<br />

knappe Wasserressourcen steigt. Konflikte um Land und Wasser sind die Folge, eine<br />

gravierende Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion ist kaum abwendbar.


Hinzu kommt die verstärkte Nachfrage nach Agrarprodukten auf dem Weltmarkt, die<br />

die Preise für Grundnahrungsmittel in die Höhe schnellen lässt. Wenn wir nun<br />

meinen, dass durch die erhöhte Nachfrage auch die Kleinbauern in den<br />

Entwicklungsländern zu den potenziellen Gewinnern gehören, so ist die Analyse<br />

einfach und ernüchternd: Gerade Kleinbauern in den Ländern des Südens sind<br />

Opfer dieser Entwicklungen. Sie profitieren nicht von der neuen Nachfrage nach<br />

landwirtschaftlichen Produkten.<br />

Klimaschutz muss durch Energieeinsparung und verbesserte Energieeffizienz ganz<br />

wesentlich in den Verursacherländern erfolgen. Klimaschutz in Industrienationen<br />

durch Biokraftstoffe aus Entwicklungsländern geht zu Lasten der<br />

Ernährungssicherheit und bedeutet nicht nur eine gravierende Verletzung des<br />

Menschenrechts auf Nahrung, sondern führt auch zu Konflikten und gewalttätigen<br />

Aufständen. Man kann es nicht oft genug sagen: Biokraftstoffe gehören zu den<br />

wichtigsten Ursachen für die steigenden Nahrungsmittelpreise, die in Haiti, Burkina<br />

Faso oder Kamerun gewalttätige Proteste zur Folge hatten.<br />

Und auch die Produktion von Biokraftstoffen zweiter Generation, die die Nutzung von<br />

Holz oder Pflanzenreste erlauben wird, wird Böden und Wasser beanspruchen, die<br />

für die Ernährungslandwirtschaft dringend benötigt werden. Bis durch<br />

Zertifizierungen und Handelsabkommen garantiert werden kann, dass diese<br />

Szenarien nicht fortgesetzt werden, müssen die ambitionierten Biokraftstoffpläne der<br />

Industrienationen eingefroren werden.<br />

Moderne Bioenergie bietet aber auch durchaus neue Chancen für ländliche Räume,<br />

denn deren Energieversorgung wurde bislang nur wenig Beachtung geschenkt. Zur<br />

Deckung der notwendigsten Bedürfnisse ist Energie aber unentbehrlich: zur<br />

Zubereitung von Nahrung, zur Versorgung mit Wasser, zur Kühlung von<br />

Medikamenten, zum Betrieb von Traktoren und Wasserpumpen sowie für den<br />

Transport. Zwei Milliarden Menschen haben bis heute keinerlei Zugang zu Strom.<br />

Weit über zwei Milliarden Menschen kochen und heizen mit traditioneller Biomasse<br />

wie Holz, Dung oder Ernteresten. Dieses reicht vielfach kaum zum Überleben aus.<br />

Von Entwicklung ganz zu schweigen. Der Transport von fossiler Energie in<br />

abgelegene Regionen ist zu teuer. Bioenergie ist hingegen nicht an eine zentrale<br />

Produktion gebunden, sondern kann dort hergestellt werden, wo sie gebraucht wird:<br />

Im Dorf, weitab von Hauptverkehrsstraßen und nationalen Stromnetzen. Die<br />

Förderung lokaler Bioenergieanlagen verbessert nicht nur die Lebensqualität, sie ist<br />

gleichzeitig auch Anfang und Motor einer – wenn auch bescheidenen - nachhaltigen<br />

lokalen Wirtschaft und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur ländlichen<br />

Entwicklung.<br />

Fazit: Die auf Importen aus Entwicklungsländern basierende Biokraftstoffproduktion<br />

in den Industrieländern muss ausgesetzt und überdacht werden. Energiepflanzen<br />

dürfen angesichts leerer Kornspeicher und steigender Nahrungsmittelpreise nicht in<br />

Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion treten. Die Klimaschutzziele der<br />

Industrienationen müssen vielmehr durch Energiesparen, Effizienzsteigerung und<br />

innovative Verfahren der Energiegewinnung in den Verursacherländern erreicht<br />

werden. Hingegen sollte die sorgsame lokale Nutzung von Bioenergie zur<br />

Armutsreduzierung in ländlichen Räumen gefördert werden.<br />

Es gibt hier einen offensichtlichen Konflikt zwischen dem Recht auf Nahrung und<br />

dem Ziel der gesicherten Energieversorgung zur Wohlfahrtssteigerung (hungern oder


frieren?). Für die <strong>Welthungerhilfe</strong>, die ja auch eine Anwaltsfunktion für ihre<br />

Zielgruppen in den Entwicklungsländern hat, ist die Antwort klar: Nahrung vor<br />

Treibstoff („food before fuel“). Nahrung hat nicht nur für uns deshalb den Vorrang vor<br />

Treibstoff, weil sie nicht substituierbar ist, weil sie kaum reduzierbar ist (außer beim<br />

Fleischkonsum) - und weil es keine Alternativen gibt.<br />

Noch einmal: Die Nahrungsmittelnachfrage wird sich in den nächsten 25 Jahren<br />

verdoppeln. Deshalb wird diese letztendlich ethische Frage in den nächsten Jahren<br />

noch heftig diskutiert werden.<br />

Es ist daher höchste Zeit, dass in der Dezember-Konferenz in Posen eine Art<br />

„Klimafahrplan des 21. Jahrhunderts“ verantwortlich und verbindlich festgelegt wird.<br />

Für eine globale zukunftsfähige Klimapolitik muss erreicht werden, dass<br />

• die Beschränkung der Erwärmung um maximal 2 Grad C festgelegt wird;<br />

• konkrete und verbindliche Reduktionsziele für die Industriestaaten einschließlich<br />

der USA um 40% bis 2030 gegenüber 1990 festgeschrieben werden;<br />

• für alle Länder globale Reduktionsziele bis 2050 von deutlich mehr als 50%<br />

akzeptiert werden;<br />

• der Schutz der Wälder verbindlich in das Abkommen aufgenommen wird;<br />

• die Industriestaaten sich verpflichten, die Entwicklungsländer mit<br />

umweltfreundlichen und energieeffizienten Technologien zu unterstützen;<br />

• und dass die Industrieländer sich verpflichten, die für Anpassungsmaßnahmen in<br />

den Entwicklungsländern nötigen Mittel zusätzlich zum Entwicklungsetat<br />

bereitzustellen.<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Welthungerhilfe</strong> und Klimaschutz.<br />

Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Welthungerhilfe</strong> engagiert sich als private Nichtregierungsorganisation<br />

seit 1962 im weltweiten Kampf gegen den Hunger und seine Ursachen. Sie tut<br />

dieses in etwa 50 Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas durch die unmittelbare<br />

und direkte Hilfe in Not- und Krisensituationen, durch Rehabilitierungsmaßnahmen<br />

zur Schaffung der Voraussetzungen für Entwicklung, durch die Unterstützung lokaler<br />

Nichtregierungs- und Selbsthilfeorganisationen zur Förderung langfristig selbst<br />

tragender Entwicklungsprozesse und durch die Förderung sozialer Einrichtungen für<br />

benachteiligte Menschen, bei denen nicht davon ausgegangen werden kann, dass<br />

sie die Mittel zur Lebenssicherung vollständig aus eigenen Kräften aufbringen<br />

können. Bei vielen Mitbürgern herrscht die Meinung vor, die <strong>Welthungerhilfe</strong><br />

engagiere sich ausschließlich in der Not- und Katastrophenhilfe. Dieses tut sie auch.<br />

Es ist uns jedoch ein wichtiges Anliegen, Katastrophenopfern auch nach der ersten<br />

Sicherung des Überlebens Perspektiven für eine eigenständige Entwicklung<br />

aufzuzeigen und sie darin nach Kräften zu unterstützen. Hier steht die Organisation<br />

zunehmend, aber nicht alleine, vor dem Problem, dass Hilfsmöglichkeiten von den<br />

verfügbaren finanziellen Ressourcen abhängen. Und deren Verfügbarkeit hängt<br />

zunehmend vom Medieneinfluss ab. Erfolgt eine ausreichend intensive<br />

Medienberichterstattung im Katastrophenfall, regt dieses die öffentliche Hand, aber<br />

auch die Mitbürger zur Bereitstellung von öffentlichen Geldern und privaten Spenden<br />

an. Das ist wichtig und richtig, um die erste Not zu lindern und Menschenleben zu<br />

retten. Wenn aber die Kameras und die Mikrofone abgeschaltet sind, versiegt der<br />

Geldfluss und es ist hierzulande nichts schwieriger, als Mittel für längerfristige<br />

Entwicklungsmaßnahmen zu bekommen. Das gilt leider für die öffentliche Hand und<br />

die privaten Spenden gleichermaßen. Dabei hat sich in dem Wirken vieler<br />

entwicklungspolitischer Akteure ein Wandel vom philanthropischen Verteilen von


Almosen hin zu einer wichtigen und ernstzunehmenden politischen, wirtschaftlichen<br />

und ethischen Handlung in unserer globalisierten Welt vollzogen.<br />

Für die <strong>Welthungerhilfe</strong> stellen sich in Bezug auf den Klimaschutz und den<br />

Klimawandel folgende Herausforderungen: Wie kann unter den gegebenen<br />

Umständen eine gerechtere, umweltschonende Ressourcenverteilung zwischen<br />

entwickelten und weniger entwickelten Regionen und Bevölkerungsgruppen<br />

gewährleistet werden? Wie wird man den Ansprüchen zur Erhaltung des erreichten<br />

Wohlstandes in den Ländern des „Nordens“ aber auch gleichzeitig den Ansprüchen<br />

der Länder des „Südens“ zur Erreichung eines ähnlichen Wohlstands dauerhaft<br />

gerecht, ohne den Klimawandel in einer globalen Katastrophe enden zu lassen? Wie<br />

geht man mit notwendigen Ressourcentransfers um? Wie schaffen wir es, unsere<br />

Landsleute zu interessieren, zu informieren und zu motivieren, einen Beitrag zur<br />

Abhilfe zu schaffen. Wie erreichen wir es, dass Entwicklungsprogramme nachhaltige<br />

Wirkungen zeigen, ohne die zukünftigen äußeren Rahmenbedingungen (klimatische<br />

Einflüsse) genauestens zu kennen? Welche Instrumente sind die geeigneten für<br />

besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen in ihrem Bemühen um Anpassung an<br />

die Folgen des Klimawandels und Vermeidung von Notlagen? Wie kann die<br />

<strong>Welthungerhilfe</strong> ihrer spezifischen Verantwortung für solidarische<br />

Entwicklungszusammenarbeit mit den Armen in den Entwicklungsländern durch die<br />

Mobilisierung von Ressourcen (Finanzen, Know-How, Networking) unter den<br />

Bedingungen sich verschlechternder äußerer Rahmenbedingungen besser gerecht<br />

werden?<br />

Was tut die <strong>Welthungerhilfe</strong>?<br />

In einer Vielzahl von Projekten in einer Vielzahl von Ländern führen wir verstärkt<br />

Maßnahmen zum Management von Wassereinzugsgebieten mit angepasster<br />

Landnutzung durch. Dazu zählen der Einsatz trockenresistenterer,<br />

überflutungsresistenter und stressunempfindlicher Sorten, Windschutz,<br />

Terrassenbau, Waldweidewirtschaft, Aufforstung und Waldbewirtschaftung, Anlage<br />

von Retentionsflächen und Hangschutz. Schutzmaßnahmen zum Erhalt des<br />

Regenwaldes, Energieversorgung mit einfachsten Mitteln, Aufbau einer lokalen<br />

Katastrophenvorsorge und Frühwarnung, die rechtzeitige Umstellung der Produktion<br />

von tierischem Eiweiß für die menschliche Ernährung von der Großvieh- auf die<br />

Kleintierhaltung und vieles mehr.<br />

Um die künftigen Aufgaben im Klimaschutz und im Zusammenhang mit dem<br />

Klimawandel wirkungsvoll erledigen zu können braucht es mehr und dauerhaft an<br />

privaten und öffentlichen Unterstützer, quasi „Klimapatenschaften“ zwischen<br />

Kommunen, Unternehmen, Schulen, Forschungseinrichtungen und staatlichen<br />

Institutionen und Regierungen. Für einen Einzelnen allein ist diese schwere Aufgabe<br />

nicht zu schultern. Und damit kommen wir zu dem problematischen Punkt Theorie<br />

und Praxis in der Ethik.<br />

Ethik- zwischen Theorie und Praxis.<br />

Die praktischen Probleme der Ethik hängen stark zusammen mit dem Wollen und<br />

dem Sollen. Das praktische Hauptproblem der Ethik ist das Durchsetzungsproblem.<br />

Es manifestiert sich sehr häufig dadurch, dass die Einsicht in die Richtigkeit ethischer<br />

Prinzipien zwar vorhanden sein kann, daraus aber nicht automatisch folgt, dass wir<br />

Menschen auch im ethischen Sinne danach handeln. Die Einsicht in das richtige


Handeln bedarf (leider) sehr häufig einer zusätzlichen Motivation oder eines Zwangs.<br />

Warum ist das so? Die Antwort ist einfach: die Ethik einerseits und das menschliche<br />

Eigeninteresse andererseits stehen oft in einem krassen Gegensatz zueinander. Ein<br />

Beispiel zum Thema: Die Tatsache, dass die Menschen im Land X Hunger und<br />

Elend leiden und ihnen geholfen werden sollte, und es moralisch dringend geboten<br />

erscheint ihnen rasch und umfassend zu helfen, wird niemand bestreiten. Die<br />

Einsicht es auch zu tun und einen Teil seiner Barschaft oder seines Vermögens dafür<br />

herzugeben – zu „investieren“ -, wird es im nennenswerten Umfang wahrscheinlich<br />

erst dann geben, wenn eine zusätzliche „Motivation“ auftaucht - etwa wenn die<br />

Gefahr einer Hungermigration ins eigene Land unmittelbar bevorsteht. Ich hoffe und<br />

wünsche, dass unser Handeln in den Fragen des Klimaschutzes und des<br />

Klimawandels und deren facettenreichen Auswirkungen auf unsere Welt und unser<br />

aller Wohlergehen, die uns allen bekannt und bewusst sind, nicht einer zusätzlichen<br />

„Motivation“ der beschriebenen Art bedarf.

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