Spiel-Räume10Betrachten dem Klienten zu beschreiben und nach den auftauchendenGefühlen zu fragen; dies hilft dem Klienten, sich in seinemeigenen Weltbild, nicht durch Interpretation, sondern durchgenaues Hinsehen und Hinfühlen zu orientieren.Der „Scenotest“ von Gerhild von StaabsÄhnlich dem Sandspiel dient auch der Scenotest als medizinisch-psychologischeUntersuchungs- und Behandlungsmethodeder Erfassung der seelischen Einstellung des Klienten gegenüberden Menschen und Dingen in der Welt, besonders in ihremBezug auf ihr affektives Leben mit spezieller Berücksichtigungtiefenpsychologischer Faktoren. Gerhild von Staabs machte inihrer kinderpsychotherapeutischen Praxis ähnliche ersteErfahrungen wie Dora Kalff, und zwar mit einem fünfjährigenJungen, der wegen Stotterns zu ihr in Behandlung kam. Dieserbaute sich im geschützten Rahmen des Therapieraumes mit Hilfevon Vorhängen und einer geöffneten Schranktür eine „Wohnung“und begann in dieser eigenen kleinen Welt Familienszenen nachzuspielen.Von Staabs begann, Kindern mit Hilfe ausgewählter Materialieneine Möglichkeit zu geben, alle Bezugspersonen ihrer Umgebungauftreten und durch lebendiges Wechselspiel mehrerer Personenihre Familienkonstellation deutlich werden zu lassen und damitihre Lebenswelt in einer Art „Miniaturwelt“ darzustellen. Miterstaunlicher Bestimmtheit spielen die Kinder - ohne thematischeVorgabe - mit diesen Materialien, die in irgendeiner Weisemit ihrem eigenen Erleben und ihren bewussten und unbewusstenProblemen in Zusammenhang stehen, und vermitteln so einenEinblick in die Art, wie sie selbst (aber auch Erwachsene) dieWelt erleben und dazu bewusst oder unbewusst Stellung nehmen.Da das Spiel mit den Puppenfiguren eine stärkere Distanzierungvom eigenen Erleben bewirkt, wird es möglich, in derdurch Beziehungspersonen und Umgebung dargestellten „häuslichenUmwelt“ Unbewusstes darzustellen. Als Spielfläche dienthier der Innendeckel des Kastens, das Material enthält biegsameFiguren, Bausteine und Zubehör zur Ausgestaltung der Szenerie.Das Zusatzmaterial hat teils Symbolwert, teils dynamischenCharakter, sodass es anregt, Antriebe, Bedürfnisse, Wünscheoder Befürchtungen darzustellen. Auch die Tiere sollen verschiedeneEigenschaften, Wesensarten und Haltungen symbolisieren.Das Wesentlichste des Scenomaterials bleiben aber die biegsamenPuppenfiguren, die die Beziehungsfiguren und die Problematikzwischen ihnen verkörpern können.Die Aufgabe des Therapeuten ist es auch hier, jede Stellungnahmeoder Suggestivfrage zu vermeiden und nicht handelnd indas Geschehen einzugreifen, damit der Klient unbeeinflusst undungestört seine Szene aufbauen kann. Der Therapeut nimmt alsstiller Beobachter am Szenenaufbau teil, er achtet auf die Wahldes Materials und auf den Umgang damit. Haltung und Gebärdensind ebenso von Bedeutung wie die Frage, ob einzelne Figurenund Gegenstände besonders deutlich beiseite gelassen werden.Von Bedeutung ist auch, ob und wie Symbolfiguren in das Spielmiteinbezogen werden. Bei den Puppen ist es von großerBedeutung, mit wem sich der Klient identifiziert, wobei hier ähnlichwie in der Traumdeutung nach Freud davon ausgegangenwird, dass sich Wesensanteile des Erbauers einer Szene in jederseiner Figuren zeigen. Bedeutungsvoll ist es auch hier, wenn zubestimmten Figuren gar keine oder nur ungern Aussagengemacht werden.Im Unterschied zum therapeutischen Sandspiel wird der Klientim Scenotest nach der Gestaltung aufgefordert zu erzählen, waser aufgebaut hat. Dabei wird individuell auf die einzelnen Szenenseines Bildes eingegangen und positive Ansätze, die sich in denverschiedenen Szenen zeigen, können durch beiläufige Bemerkungenangesprochen werden. Die Aufforderung, sich über dasGestaltete zu äußern, sollte dabei stets die Form einer gemeinsamenVertiefung in das Spielerleben und nicht den Charaktereiner schematischen Befragung haben.Fallbeispiel eines therapeutischen SandspielsAnhand eines Fallbeispiels von Christa Lienhardt möchten wireinen kleinen Einblick in die Arbeit mit dem Sandkasten geben:Lisa, ein fünfjähriges Mädchen, wird von ihrer Mutter im<strong>Kinderschutz</strong>zentrum vorgestellt mit der Bitte um therapeutischeUnterstützung nach sexuellen Übergriffen durch den erwachsenenBruder des Mädchens.Eine schwierige Hürde hat Lisa bereits geschafft, indem sie derMutter von den Vorfällen erzählen kann und diese dem Mädchenauch Glauben schenkt. Der Bruder hingegen leugnet hartnäckig.
Christa LienhardtaMag . Sabine NimmervollAls Symptomatik zeigt sich bei Lisa extreme Ängstlichkeitgepaart mit Schlafstörungen und starkem Klammerverhalten. Dieersten Stunden, die ich zunächst mit der Mutter alleine und anschließendgemeinsam mit Lisa vereinbare, dienen ausschließlichder Stabilisierung von Mutter und Tochter.Nach geraumer Zeit ist das Vertrauen von Lisa zu mir so weitgewachsen, dass sie es wagt, auch alleine bei mir zu bleiben.Während sich Lisa in der Gegenwart ihrer Mutter sehr zurückhaltendzeigt, aus den Augenwinkeln ständig deren tränengefüllteAugen beobachtet und sich meinem Eindruck nach in ihremVerhalten stark zensiert, so kann sie nun – alleine mit mir - imSpielzimmer ihrem Temperament und ihren Impulsen freien Lauflassen. Neugierig erkundet sie die verschiedenen Spielangeboteund bleibt schließlich fasziniert vor dem Sandkasten und demFigurenregal stehen. Meine Einladung und Erklärung zur Gestaltungeines Sandbildes nimmt sie freudig und begeistert auf.Zügig und entschlossen wählt sie aus der Fülle des vorhandenenMaterials jene Elemente, die ihrer momentanen Gefühlslage entsprechen.Schlange Ich-Symbole für Lisa darstellen, und auch für Mutterund Bruder jeweils zwei Symbole ausgewählt wurden. Dies gibteinen Hinweis auf die Schwierigkeit, gute und böse Anteile zuintegrieren und auf die Ambivalenzen, die nicht nur bei demMädchen, sondern auch bei Mutter, Bruder und mir als Therapeutinspürbar sind.„Die eifersüchtigen Dinos“Die folgenden drei Stunden wiederholen sich auf ähnliche Weise:Nach den ersten Bewegungssequenzen am Gymnastikball, amKlettergerüst oder beim gemeinsamen Ballspiel, die für mich ihreKraft und Energie offenbaren, zieht es Lisa fast magnetisch zumSandkasten. Lisa gestaltet ihr Bild, ich beschreibe es anschließendfür sie und frage nach ihrer Befindlichkeit. Weitere Interventionenim Sandkasten erscheinen mir momentan nicht angebracht.11So entsteht eine Serie von bislang vier Sandbildern mit sehr ähnlichenElementen und dennoch unterschiedlicher Aussagekraft.„Das Schlangenland“In der gemeinsamen Betrachtung des Bildes äußert Lisa nebenihrer emotionalen Betroffenheit auch verbal, wie sehr sie dieAngst vor den Dinos körperlich spürt: „wie ein Zuschnüren imHals „ oder „ein Drücken beim Herzen und in der Seele - imDarm“. Diese Gefährdungen nimmt Lisa durch die Dinos in derMitte mit dem Kamm am Rücken und dem langen Hals wahr.Laut Lisa wollen diese den Wurm und die eingeringelte Schlangeangreifen und fressen. Es scheint, dass der Wurm und dieDie Bedrohung durch den großen Dino rechts oben und den Dinoin der Mitte ist nach wie vor gegeben, “sie sind eifersüchtig undwollen beide die eingeringelte Schlange angreifen“. Diesmalgelingt es Lisa zwar, ein Schutzelement in Form einer zweiten“giftigen” Würgeschlange zu installieren, dennoch äußert sieauch in dem zweiten Bild ihre Angst „in der Seele - im Darm“.Insgesamt fällt auf, dass sich die Gestaltung wenig veränderthat. Die Hypothese der zweifachen Symbolbesetzung verstärktsich durch ein Gespräch mit der Mutter, in dem deutlich wird,