Ende - Andrea Bottlinger
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Der letzte Auftrag<br />
von Helmut Marischka<br />
Schmerzerfüllt verzog ich mein Gesicht. Das Stechen<br />
in meiner Brust war wieder da. Zwar nur kurz, aber<br />
dafür nachdrücklich. Immer wieder überkam mich die<br />
Angst vor einer Herzattacke, wenn ich solche<br />
Momente durchlitt. Im nächsten Augenblick jedoch<br />
war es vorbei. Tatjana, meine Gefährtin und Geliebte,<br />
deutete nach draußen.<br />
„Sieh nur, Boris! Es hat zu regnen aufgehört, aber nun<br />
scheint es Nebel zu geben.“<br />
Ich blickte ebenfalls aus dem Fenster unseres<br />
Zimmers.<br />
„Ja, der Nebel kommt vom Fluss her. Was für eine<br />
dicke Brühe“, antwortete ich.<br />
Als wir gestern Nachmittag hier, in Ruppenstieg,<br />
angekommen waren, hatte es wie aus Eimern<br />
gegossen. Heute hatte das Wetter sich endlich<br />
aufgeklart, jedoch jetzt, als die Abenddämmerung<br />
einsetzte, kam schwerer, grauer Nebel auf. Wir waren<br />
im Auftrag von Lady Larissa unterwegs, um Arndt,<br />
dem hiesigen Bürgermeister, einen persönlichen Brief<br />
von ihr zu übergeben. Offiziell. Inoffiziell sollten wir<br />
uns hier auch etwas umsehen. Laut Lady Larissa war<br />
es in diesem kleinen Ort, der in einem von felsigen<br />
Hügeln umgebenen Tal direkt am Fluss lag, zu<br />
seltsamen E r eignissen g eko mmen. Leute<br />
verschwanden spurlos – meist Fremde, die hier nur<br />
auf der Durchreise gewesen waren. Wir arbeiteten<br />
als Detektive, die sich auf solche, etwas<br />
außergewöhnlichen Fälle spezialisiert hatten. Es war<br />
nicht der erste Auftrag für Lady Larissa, denn die<br />
Entlohnung fiel immer mehr als angemessen aus.<br />
Gleich nach unserer Ankunft hatten wir dem<br />
Bürgermeister den Brief überbracht. Ein freundlicher<br />
Mann mittleren Alters, der uns zum Tee einlud, als wir<br />
bei ihm vorsprachen. Am Abend speisten wir in<br />
unserer Herberge, froh darüber, dass wir für diesen<br />
12<br />
Helmut Marischka hat bereits zu der<br />
Vampirausgabe von Blah! einen Beitrag<br />
beigesteuert. Die Geschichte, die es diesmal von<br />
ihm zu lesen gibt, hat wenig mit Vampiren zu<br />
tun. Stattdessen belegte sie jedoch bereits beim<br />
Geisterspiegel Platz 2 der besten Beiträge<br />
2007/2008.<br />
Zusätzlich ist Helmut mitlerweile mit der<br />
Geschichte „Blut & Magie“, die er gemeinsam<br />
mit Christaine Gref geschrieben hat, für den<br />
Deutschen Phantastik Preis nominiert.<br />
Natürlich drückt die Redaktion die Daumen,<br />
dass die beiden den Preis auch tatsächlich<br />
gewinnen.<br />
Tag nicht mehr in den strömenden Regen hinaus<br />
mussten. Die Wirtsstube war einfach, aber sauber und<br />
das Essen schmeckte ausgezeichnet. Die wenigen<br />
Einheimischen, die sich ebenfalls in dem Gasthaus<br />
aufhielten, kamen uns allerdings etwas seltsam vor. Die<br />
Gespräche, die wir von draußen noch vernommen<br />
hatten, verstummten schlagartig, als wir die Stube<br />
betraten. Wir wurden ausgiebig gemustert. Als wir<br />
höflich einen guten Abend wünschten, war nur ein<br />
undeutliches Gemurmel zu vernehmen, und fast alle<br />
wandten sich wieder von uns ab. Einige jedoch behielten<br />
uns weiterhin im Auge. Während des Essens bemerkte<br />
ich, dass die meisten der anwesenden Dorfbewohner<br />
einen seltsamen Gesichtsausdruck zur Schau stellten.<br />
Irgendwie geistesabwesend, fast schon so, wie man es oft<br />
bei geistig Behinderten sehen konnte. Auf einige<br />
belanglose Fragen unsererseits erhielten wir entweder gar<br />
keine Antwort oder nur undefinierbares Gebrummel. Da<br />
wir von der Fahrt noch erschöpft waren, begaben wir uns<br />
früh zu Bett. Einmal wachte ich in der Nacht auf. Ich<br />
sprang von meinem Lager und eilte ans Fenster. Hatte ich<br />
geträumt? Nein, da konnte ich es wieder vernehmen. Ein<br />
lang gezogenes Heulen, gefolgt von dumpfen Schlägen<br />
wie von einer Trommel. Dann herrschte wieder Stille.<br />
Lange Zeit konnte ich nicht mehr einschlafen, wollte<br />
Tatjana jedoch nicht aufwecken, die immer noch selig<br />
schlummerte. Erst als der Morgen schon graute, verfiel<br />
ich wieder in unruhigen Schlaf.<br />
Nach dem Frühstück erzählte ich Tatjana von meiner<br />
nächtlichen Wahrnehmung, woraufhin wir beschlossen,<br />
uns bei Einbruch der Dämmerung in diesem Ort etwas<br />
umzusehen. „Ich habe kein gutes Gefühl, Boris.<br />
Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht“, warnte<br />
mich meine Gefährtin. Auf Tatjanas Gefühle konnte<br />
man sich fast immer verlassen, schließlich war sie ein<br />
Medium und hatte sehr feine Sinne. Trotz des harmlosen