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Artikel 24 der BRK - Carsten Zinn

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UN Konvention überdie Rechte von Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungenDossier


InhaltsverzeichnisVorwortvon Dr. Gregor Gysi 3Die Politik <strong>der</strong> BundestagsfraktionDIE LINKE mit und für Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen im Überblick 4Schattenübersetzung <strong>der</strong>UN-Konvention über die Rechtevon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungendes NETZWERK ARTIKEL 3 e.V. 6Rede von Dr. Ilja Seifertzum Gesetzentwurfzur Ratifizierung <strong>der</strong> UN-Konvention12. November 2008 25Entschließungsantrag<strong>der</strong> BundestagsfraktionDIE LINKE zum Gesetzentwurf3. Dezember 2008(BT-Drs. 16/11<strong>24</strong>4) 26Rede von Dr. Ilja Seifertzur zweiten Lesung des Gesetzentwurfszur Ratifizierung <strong>der</strong> UN-Konvention4. Dezember 2008 29Kleine Anfrage <strong>der</strong> BundestagsfraktionDIE LINKE zur Umsetzung<strong>der</strong> UN-Konvention23. September 2009(BT-Drs.16/14074) 31Auszug aus dem Koalitionsvertragzwischen CDU, CSU und FDP17. Legislaturperiode 35Antrag <strong>der</strong> BundestagsfraktionDIE LINKE für einen Aktionsplanzur Umsetzung <strong>der</strong> UN-Konvention4. Mai 2010(BT-Drs. 17/1578) 36Reden von Dr. Ilja Seifertzur For<strong>der</strong>ung nach einem Aktionsplanzur Umsetzung <strong>der</strong> UN-Konvention20. Mai und 8. Juli 2010 43Gesetzentwurf <strong>der</strong> BundestagsfraktionDIE LINKE zur Ausweitung <strong>der</strong>Assistenzpflege auf Einrichtungen<strong>der</strong> stationären Vorsorgeund Rehabilitation11. November 2010(BT-Drs. 17/3746) 45Antrag <strong>der</strong> Bundestagsfraktion DIE LINKEKosten vorbehalt in § 13des Zwölften Buches Sozial gesetzbuchstreichen – Selbstbestimmtes Lebenfür Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungengewährleisten<strong>24</strong>. Februar 2011(BT-Drs. 17/4911) 50Antrag <strong>der</strong> Bundestagsfraktion DIE LINKEEuropäische Strategie zugunstenvon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen2010–2020 unterstützen16. März 2011(BT-Drs. 17/5043) 52Rede von Dr. Martina Bungezur Umsetzung <strong>der</strong> UN-Konventionund zur For<strong>der</strong>ung nach einem Aktionsplan<strong>der</strong> Bundesregierung18. März 2011 54Rede von Dr. Ilja Seifertzu den Anträgen <strong>der</strong> Fraktion DIE LINKE„Kostenvorbehalt streichen“ und„EU-Strategie umsetzen“8. Juli 2011 55Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion DIE LINKEEntwurf eines Gesetzeszur Än<strong>der</strong>ung des Neunten BuchesSozialgesetzbuch – Gesetzliche Fristenfür die Feststellung <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ungund die Erteilung des Ausweises14. Juli 2011(BT-Drs. 17/6586) 57Dr. Ilja Seifert zur Unterrichtung über denErsten Staatenbericht<strong>der</strong> BundesrepublikDeutschland zum Übereinkommen<strong>der</strong> Vereinten Nationenüber die Rechte von Menschenmit Behin<strong>der</strong>ung5. August 2011 61Übersicht über ausgewählteweitere parlamentarische Initiativen<strong>der</strong> Fraktion DIE LINKE 621


Fraktion DIE LINKE. im BundestagPlatz <strong>der</strong> Republik‚ 11011 BerlinTelefon: 030/22751170, Fax: 030/22756128E-Mail: fraktion@linksfraktion.deV.i.S.d.P. Ulrich Maurer, MdB,Stellvertreten<strong>der</strong> Fraktionsvorsitzen<strong>der</strong>Redaktion: Jörg Bechtold, Sonja Kemnitz, Melanie Wehrheim3. aktualisierte Auflage, September 2011Dieses Material darf nicht zu Wahlkampfzweckenverwendet werden!Mehr Informationen zu unseren parlamentarischenInitiativen finden Sie unter: www.linksfraktion.de2


VorwortEbene sind behin<strong>der</strong>ungsbedingte Nachteile bedarfsdeckendauszugleichen und zugleich auf kollektiverEbene jegliche Barrieren zu beseitigen, die die freieund selbstbestimmte Teilhabe einschränken.Die Konvention überwindet die medizinische Sichtauf Behin<strong>der</strong>ung: Menschen müssen nicht „repariert“werden. Sie hebt die soziale Dimension hervor undstellt die Ermöglichung voller Teilhabe und freierEntfaltung <strong>der</strong> Persönlichkeit auf die Ebene <strong>der</strong>Menschenrechte. DIE LINKE findet sich hier in ihremGrundverständnis emanzipatorischer Politik bestätigt.Denn die UN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention umzusetzenerfor<strong>der</strong>t eine an<strong>der</strong>e Art von Politik: konsensuale,demokratische Willensbildungsprozesse an Stellehierarchischer Machtstrukturen.Liebe Leserin, lieber Leser,Menschenrechte gehören für DIE LINKE zu denGrundwerten ihrer Politik. Das gilt für aktuelle, kurzfristigerfor<strong>der</strong>liche Entscheidungen ebenso wie fürlangfristige Konzeptionen. So war es für uns selbstverständlich,am 4. Dezember 2008 im Bundestag<strong>der</strong> Ratifizierung <strong>der</strong> UN-Konvention über die Rechtevon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zuzustimmen. Seitdem 26. März 2009 ist diese erste Menschenrechtskonventiondes 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts bei uns geltendesinnerstaatliches Recht.In <strong>der</strong> Konvention gilt das Prinzip des Dazugehörens.Sie for<strong>der</strong>t uns auf, politische Entscheidungen zutreffen, die „Son<strong>der</strong>lösungen“ für bestimmte Bevölkerungsgruppenvermeiden. Denn selbst dann, wennsie als „beson<strong>der</strong>e Schutz- o<strong>der</strong> Fürsorgemaßnahme“gedacht sein sollten, son<strong>der</strong>n sie aus. Häufig verhin<strong>der</strong>nsie sogar, gemeinsame Interessen und einan<strong>der</strong>ergänzende Fähigkeiten zu erkennen. Nicht Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen müssen sich anpassen, son<strong>der</strong>ndie Gesellschaft muss sich verpflichten, alle Voraussetzungenfür die volle und selbstbestimmte Teilhabeall ihrer Mitglie<strong>der</strong>, also auch <strong>der</strong>er mit schwerstenBeeinträchtigungen, zu ermöglichen. Für DIE LINKEheißt das, sowohl die erfor<strong>der</strong>lichen rechtlichen Voraussetzungenals auch die materiellen Bedingungenzur Realisierung zu schaffen. Jegliche Diskriminierungist zu ächten und zu beseitigen. Auf <strong>der</strong> individuellenDavon ist die Bundesregierung weit entfernt. Sowohlihr Aktionsplan als auch <strong>der</strong> Erste Staatenberichtzur Umsetzung <strong>der</strong> Konvention wurden in <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenbewegungeinhellig kritisiert. Dem eklatantenWi<strong>der</strong>spruch zwischen rechtlichen Möglichkeiten– selbst wenn diese unzureichend sind – und ihrertatsächlichen Verweigerung für viele Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen stellt sich die Bundesregierung nicht.Die Bundestagsfraktion DIE LINKE stellt dem einvielseitiges Politikangebot gegenüber. Hier ist esdokumentiert. Wir legen diese Übersicht wegen <strong>der</strong>großen Nachfrage in einer aktualisierten Fassung auf.Es enthält die korrigierte „Schattenübersetzung“ <strong>der</strong>UN-Konvention und gibt einen breiten Überblick überunsere parlamentarischen Initiativen zur Umsetzungihres Geistes und ihrer Buchstaben in das Alltagslebenin Deutschland. Das betrifft alle Politikfel<strong>der</strong> aufBundes-, Landes- und kommunaler Ebene sowie invielen Bereichen <strong>der</strong> Gesellschaft, wie DIE LINKE undinsbeson<strong>der</strong>e ihr Behin<strong>der</strong>tenpolitischer Sprecher IljaSeifert es seit Jahren betonen.Auf diesem Weg legt die Fraktion hiermit ein aktuellesDiskussionsangebot und Arbeitsmittel vor.Ihr Dr. Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzen<strong>der</strong>3


Die Politik <strong>der</strong> Bundestagsfraktion DIE LINKEmit und für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen im ÜberblickEs geht um den Schutz <strong>der</strong> Würde und Gerechtigkeit,um Autonomie und bürgerliche Freiheitsrechte, umden Abbau von Vorurteilen, und es geht um gelebteVielfalt. Dem neoliberalen Zeitgeist setzen wir konstruktiveAufgeschlossenheit entgegen, die am Endeallen nützt. Denn: Behin<strong>der</strong>tenpolitik ist Menschenrechtspolitik!Selbstbestimmte Teilhabe ermöglichen!Noch immer sind viele Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenausgeson<strong>der</strong>t: Sie lernen in sogenannten Son<strong>der</strong>schulen,arbeiten in speziellen Werkstätten, reisen inBehin<strong>der</strong>tengruppen o<strong>der</strong> fristen ihr Leben in Heimen.Das ist nicht nur diskriminierend für die Betroffenen,es ist auch eine verpasste Chance für die Gesellschaftals Ganzes.Dr. Ilja Seifert ist Behin<strong>der</strong>tenpolitischer Sprecher<strong>der</strong> Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag»Nichts über uns ohne uns« ist die For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong>emanzipatorischen Behin<strong>der</strong>tenbewegung.Für die Bundestagsfraktion DIE LINKE ist Selbstvertretungselbstverständlich!In <strong>der</strong> Präambel <strong>der</strong> UN-Konvention über die Rechtevon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen, für <strong>der</strong>en konsequenteUmsetzung wir uns einsetzen, steht, »dass dieFör<strong>der</strong>ung des vollen Genusses <strong>der</strong> Menschenrechteund Grundfreiheiten durch Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungensowie ihrer uneingeschränkten Teilhabe ihrZugehörigkeitsgefühl verstärken und zu erheblichenFortschritten in <strong>der</strong> menschlichen, sozialen und wirtschaftlichenEntwicklung <strong>der</strong> Gesellschaft und bei <strong>der</strong>Beseitigung <strong>der</strong> Armut führen wird«.Die Linksfraktion for<strong>der</strong>t, die Behin<strong>der</strong>tenthematik inallen Politikfel<strong>der</strong>n und bei allen Planungen als bereicherndeQuerschnittsaufgabe zu berücksichtigen. Esgeht dabei nicht nur um geeignete Maßnahmen <strong>der</strong>Gesetzgebung zur Herstellung von Chancengerechtigkeit,die Schaffung umfassen<strong>der</strong> Barrierefreiheit,den bedarfsgerechten Ausgleich von Nachteilen o<strong>der</strong>eine aktive Antidiskriminierungspolitik. Wir wollen zueiner positiven Bewusstseinsbildung beitragen, diebeson<strong>der</strong>e Stärken und Kompetenzen schätzt sowierespektvollen Umgang im Miteinan<strong>der</strong> för<strong>der</strong>t.Je<strong>der</strong> Mensch hat das Recht auf volle Teilhabe und einenangemessenen Lebensstandard. Das schließt dieBereiche Bildung, Arbeitsleben und selbstbestimmtesWohnen in <strong>der</strong> Gemeinde ebenso ein wie Erholung,Freizeitaktivitäten, Reisen und Sport. Grundlage undMaßstab bildet die UN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention.Der darin festgeschriebene Inklusionsgedanke meintim Gegensatz zu Integration nicht die Einglie<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> „Aussortierten“, son<strong>der</strong>n Verhältnisse, in denenalle Menschen – mit o<strong>der</strong> ohne Behin<strong>der</strong>ungen – amgesamtgesellschaftlichen Leben gleichberechtigt undvollständig teilhaben können.Eine humane Wohlstandsgesellschaft muss auchMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen die ganze Vielfalt <strong>der</strong>Bildungsinstitutionen eröffnen und ihnen eine freieBerufswahl ermöglichen, wie das im Grundgesetz(<strong>Artikel</strong> 12 des Grundgesetzes) garantiert wird.Auch im Freizeitbereich und in <strong>der</strong> privaten Lebensführunghat je<strong>der</strong> Mensch das Recht auf freie Entfaltung<strong>der</strong> Persönlichkeit (<strong>Artikel</strong> 2 des Grundgesetzes).Es ist daher wichtig, für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenWege zu öffnen, ihr Leben inmitten <strong>der</strong> Gesellschaftzu führen.Jede Schule für alleSelbst die beste Son<strong>der</strong>schule son<strong>der</strong>t aus. In Behin<strong>der</strong>tenwerkstättenund Heimen werden „Behin<strong>der</strong>te“zwar von engagierten und professionellen Menschenumsorgt und betreut. Sie werden aber auch von <strong>der</strong>Gesellschaft abgeschirmt. Eine Gesellschaft, <strong>der</strong>es um echte Teilhabeermöglichung geht, stellt diefinanziellen und organisatorischen Ressourcen bereit,um persönliche Alltagsassistenz zu gewährleisten, diees diesen Menschen ermöglicht, inmitten <strong>der</strong> Gesellschaftzu leben.4


Selbstvertretung und politische Teilhabegewährleisten!Wichtig sind die aktive Beteiligung von Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen an politischen Entscheidungsprozessensowie die Selbstvertretung in öffentlichen Angelegenheitenals Expertinnen und Experten in eigener Sache.Wir wollen:täten— Kin<strong>der</strong> und Jugendliche mit und ohne Beeinträchtigungenlernen gemeinsam!mit und ohne Behin<strong>der</strong>ung!markt!berufliche Aufstiegschancen!Barrieren abbauen!Rund zehn Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung lebt mit Behin<strong>der</strong>ungen.Durch vielfältige Barrieren im Alltag, inGebäuden, Verkehrsmitteln, Wohnhäusern, Arbeitsstätten,Schulen, Dienstleistungseinrichtungen undim Bereich <strong>der</strong> Technologien ist Teilhabe für sie nureingeschränkt möglich.Ziel ist es, größtmögliche Unabhängigkeit im Bereich<strong>der</strong> persönlichen Mobilität zu erreichen. Dabei sindHürden im kommunikativen, rechtlichen und administrativenBereich sowie Blockaden in den Köpfen zuüberwinden.Wir wollen:dem »Nutzen-für-Alle-Konzept«Vorschriften <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tengleichstellungsgesetzeund <strong>der</strong> UN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention!(Gebärdensprache, Brailleschrift, leichte Sprache fürMenschen mit Lernschwierigkeiten etc.)!Technologien und Dienstleistungen!für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen!Teilhabe sichern!Eine Voraussetzung für Chancengerechtigkeit ist <strong>der</strong>Ausgleich behin<strong>der</strong>ungsbedingter Nachteile. Es darfnicht sein, dass Menschen aufgrund einer körperlichen,geistigen o<strong>der</strong> Sinnes-Beeinträchtigung in Armuto<strong>der</strong> Isolation geraten. Die Linksfraktion for<strong>der</strong>tdaher die Errichtung einer sozialen, flächendeckendenwie inklusiv ausgestalteten Infrastruktur und einkommens-und vermögensunabhängige Regelungen,die ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen sichern. Genauso unabdingbar ist es,persönliche Assistenz und Pflege bedarfsdeckend zuermöglichen.weitere Informationen: www.linksfraktion.de5


Schattenübersetzung des NETZWERK ARTIKEL 3 e.V.Korrigierte Fassung <strong>der</strong> zwischen Deutschland,Liechtenstein, Österreich und <strong>der</strong> Schweiz abgestimmtenÜbersetzungÜbereinkommen über die Rechte vonMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungenPräambelDie Vertragsstaaten dieses Übereinkommens -a) unter Hinweis auf die in <strong>der</strong> Charta <strong>der</strong> VereintenNationen verkündeten Grundsätze, denen zufolge dieAnerkennung <strong>der</strong> Würde und des Wertes, die allenMitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> menschlichen Gesellschaft innewohnen,sowie ihrer gleichen und unveräußerlichenRechte die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit undFrieden in <strong>der</strong> Welt bildet,b) in <strong>der</strong> Erkenntnis, dass die Vereinten Nationen in<strong>der</strong> Allgemeinen Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechte undin den Internationalen Menschenrechtspakten verkündethaben und übereingekommen sind, dass je<strong>der</strong>Mensch ohne jeglichen Unterschied Anspruch aufalle darin aufgeführten Rechte und Freiheiten hat,c) bekräftigend, dass alle Menschenrechte und Grundfreiheitenallgemein gültig und unteilbar sind, einan<strong>der</strong>bedingen und miteinan<strong>der</strong> verknüpft sind unddass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> volle Genussdieser Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierunggarantiert werden muss,d) unter Hinweis auf den Internationalen Pakt überwirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, denInternationalen Pakt über bürgerliche und politischeRechte, das Internatio-nale Übereinkommen zurBeseitigung je<strong>der</strong> Form von Rassendiskriminierung,das Übereinkommen zur Beseitigung je<strong>der</strong> Form vonDiskriminierung <strong>der</strong> Frau, das Übereinkommen gegenFolter und an<strong>der</strong>e grausame, unmenschliche o<strong>der</strong>erniedrigende Behandlung o<strong>der</strong> Strafe, das Übereinkommenüber die Rechte des Kindes und das InternationaleÜbereinkommen zum Schutz <strong>der</strong> Rechte allerWan<strong>der</strong>arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen,e) in <strong>der</strong> Erkenntnis, dass das Verständnis von Behin<strong>der</strong>ungsich ständig weiterentwickelt und dass Behin<strong>der</strong>ungaus <strong>der</strong> Wechselwirkung zwischen Menschenmit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingtenBarrieren entsteht, die sie an <strong>der</strong> vollenund wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe auf<strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Gleichberechtigung mit an<strong>der</strong>enan <strong>der</strong> Gesellschaft hin<strong>der</strong>n,f) in <strong>der</strong> Erkenntnis, dass die in dem Weltaktionsprogrammfür Behin<strong>der</strong>te und den Rahmenbestimmungenfür die Herstellung <strong>der</strong> Chancengleichheit fürBehin<strong>der</strong>te enthaltenen Grundsätze und politischeLeitlinien einen wichtigen Einfluss auf die För<strong>der</strong>ung,Ausarbeitung und Bewertung von politischen Konzepten,Plänen, Programmen und Maßnahmen auf einzelstaatlicher,regionaler und internationaler Ebene zurVerbesserung <strong>der</strong> Chancengleichheit für Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen haben,g) nachdrücklich darauf hinweisend, wie wichtig esist, die Behin<strong>der</strong>ungsthematik disability mainstreamingzu einem festen Bestandteil <strong>der</strong> einschlägigenStrategien <strong>der</strong> nachhaltigen Entwicklung zu machen,h) ebenso in <strong>der</strong> Erkenntnis, dass jede Diskriminierungaufgrund von Behin<strong>der</strong>ung eine Verletzung <strong>der</strong>Würde und des Wertes darstellt, die jedem Menscheninnewohnen,i) ferner in <strong>der</strong> Erkenntnis <strong>der</strong> Vielfalt <strong>der</strong> Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen,j) in Anerkennung <strong>der</strong> Notwendigkeit, die Menschenrechtealler Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen, einschließlich<strong>der</strong>jenigen, die intensivere Unterstützung benötigen,zu för<strong>der</strong>n und zu schützen,k) besorgt darüber, dass sich Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungentrotz dieser verschiedenen Dokumente undVerpflichtungen in allen Teilen <strong>der</strong> Welt nach wie vorHin<strong>der</strong>nissen für ihre Teilhabe als gleichberechtigteMitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft sowie Verletzungen ihrerMenschenrechte gegenübersehen,l) in Anerkennung <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> internationalenZusammenarbeit für die Verbesserung <strong>der</strong> Lebensbedingungen<strong>der</strong> Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen in allenLän<strong>der</strong>n, insbeson<strong>der</strong>e den Entwicklungslän<strong>der</strong>n,m) in Anerkennung des wertvollen Beitrags, den Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen zum allgemeinen Wohl und zurVielfalt ihrer Gemeinschaften leisten und leisten können,und in <strong>der</strong> Erkenntnis, dass die För<strong>der</strong>ung des vollen Genusses<strong>der</strong> Menschenrechte und Grundfreiheiten durchMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen sowie ihrer uneingeschränktenTeilhabe ihr Zugehörigkeitsgefühl verstärkenund zu erheblichen Fortschritten in <strong>der</strong> menschlichen,sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung <strong>der</strong> Gesellschaftund bei <strong>der</strong> Beseitigung <strong>der</strong> Armut führen wird,n) in <strong>der</strong> Erkenntnis, wie wichtig die individuelle Autonomieund Unabhängigkeit Selbstbestimmung fürMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen ist, einschließlich <strong>der</strong>Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen,o) in <strong>der</strong> Erwägung, dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungendie Möglichkeit haben sollen, aktiv an Entscheidungsprozessenüber politische Konzepte und überProgramme mitzuwirken, insbeson<strong>der</strong>e wenn dieseeinschließlich solcher, die sie unmittelbar betreffen,6


p) besorgt über die schwierigen Bedingungen, denensich Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen gegenübersehen,die mehrfachen o<strong>der</strong> verschärften Formen <strong>der</strong>Diskriminierung aufgrund <strong>der</strong> Rasse, <strong>der</strong> Hautfarbe,des Geschlechts, <strong>der</strong> Sprache, <strong>der</strong> Religion, <strong>der</strong> politischeno<strong>der</strong> sonstigen Anschauung, <strong>der</strong> nationalen,ethnischen, indigenen o<strong>der</strong> sozialen Herkunft, desVermögens, <strong>der</strong> Geburt, des Alters o<strong>der</strong> des sonstigenStatus ausgesetzt sind,q) in <strong>der</strong> Erkenntnis, dass Frauen und Mädchen mitBehin<strong>der</strong>ungen sowohl innerhalb als auch außerhalbihres häuslichen Umfelds oft in stärkerem Maße durchGewalt, Verletzung o<strong>der</strong> Missbrauch, Nichtbeachtungo<strong>der</strong> Vernachlässigung, Misshandlung o<strong>der</strong> Ausbeutunggefährdet sind,r) in <strong>der</strong> Erkenntnis, dass Kin<strong>der</strong> mit Behin<strong>der</strong>ungengleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong>n alle Menschenrechteund Grundfreiheiten in vollem Umfanggenießen sollen, und unter Hinweis auf die zu diesemZweck von den Vertragsstaaten des Übereinkommensüber die Rechte des Kindes eingegangenen Verpflichtungen,s) nachdrücklich darauf hinweisend, dass es notwendigist, bei allen Anstrengungen zur För<strong>der</strong>ung desvollen Genusses <strong>der</strong> Menschenrechte und Grundfreiheitendurch Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen dieGeschlechterperspektive einzubeziehen,t) unter beson<strong>der</strong>em Hinweis darauf auf die Tatsache,dass die Mehrzahl <strong>der</strong> Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenin einem Zustand <strong>der</strong> Armut lebt, und diesbezüglichin <strong>der</strong> Erkenntnis, dass die nachteiligen Auswirkungen<strong>der</strong> Armut auf Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen dringendangegangen werden müssen,u) in dem Bewusstsein, dass Frieden und Sicherheitauf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> uneingeschränkten Achtung <strong>der</strong>in <strong>der</strong> Charta <strong>der</strong> Vereinten Nationen enthaltenen Zieleund Grundsätze sowie <strong>der</strong> Einhaltung <strong>der</strong> anwendbarenÜbereinkünfte auf dem Gebiet <strong>der</strong> Menschenrechteunabdingbar sind für den umfassenden Schutzvon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen, insbeson<strong>der</strong>e inbewaffneten Konflikten o<strong>der</strong> während ausländischerBesetzung,v) in <strong>der</strong> Erkenntnis, wie wichtig es ist, dass Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen vollen Zugang zur physischen,sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Umwelt,zu Gesundheit und Bildung sowie zu Informationund Kommunikation haben, damit sie alle Menschenrechteund Grundfreiheiten voll genießen können,w) im Hinblick darauf, dass <strong>der</strong> Einzelne gegenüberseinen Mitmenschen und <strong>der</strong> Gemeinschaft, <strong>der</strong> erangehört, Pflichten hat und gehalten ist, für die För<strong>der</strong>ungund Achtung <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Internationalen Menschenrechtschartaanerkannten Rechte einzutreten,x) in <strong>der</strong> Überzeugung, dass die Familie die natürlicheKernzelle <strong>der</strong> Gesellschaft ist und Anspruch aufSchutz durch Gesellschaft und Staat hat und dassMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen und ihre Familienangehörigenden erfor<strong>der</strong>lichen Schutz und die notwendigeUnterstützung erhalten sollen, um es den Familienzu ermöglichen, zum vollen und gleichberechtigtenGenuss <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong> Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenbeizutragen,y) in <strong>der</strong> Überzeugung, dass ein umfassendes und insich geschlossenes internationales Übereinkommenzur För<strong>der</strong>ung und zum Schutz <strong>der</strong> Rechte und <strong>der</strong>Würde von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen sowohl inden Entwicklungslän<strong>der</strong>n als auch in den entwickeltenLän<strong>der</strong>n einen maßgeblichen Beitrag zur Beseitigung<strong>der</strong> tiefgreifenden sozialen Benachteiligung von Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen leisten und ihre Teilhabe ambürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialenund kulturellen Leben auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Chancengleichheitför<strong>der</strong>n wird - haben Folgendes vereinbart:<strong>Artikel</strong> 1ZweckZweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen undgleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte undGrundfreiheiten durch alle Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenzu för<strong>der</strong>n, zu schützen und zu gewährleistenund die Achtung <strong>der</strong> ihnen innewohnenden Würde zuför<strong>der</strong>n.Zu den Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zählen Menschen,die langfristige körperliche, seelische, geistigeo<strong>der</strong> Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie inWechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an <strong>der</strong>vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an<strong>der</strong> Gesellschaft hin<strong>der</strong>n können die in Wechselwirkungmit verschiedenen Barrieren ihre volle undwirksame Teilhabe gleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en an<strong>der</strong> Gesellschaft behin<strong>der</strong>n können.<strong>Artikel</strong> 2BegriffsbestimmungenIm Sinne dieses Übereinkommensschließt „Kommunikation“ Sprachen, Textdarstellung,Brailleschrift, taktile Kommunikation, Großdruck,leicht zugängliches barrierefreies Multimedia sowieschriftliche, auditive, in einfache Sprache übersetzte,durch Vorleser zugänglich gemachte sowie ergänzendeund alternative Formen, Mittel und Formate <strong>der</strong>Kommunikation, einschließlich leicht zugänglicherbarrierefreier Informations- und Kommunikationstechnologie,ein;schließt „Sprache“ gesprochene Sprachen sowieGebärdensprachen und an<strong>der</strong>e nicht gesprocheneSprachen ein;bedeutet „Diskriminierung aufgrund von Behin<strong>der</strong>ung“jede Unterscheidung, Ausschließung o<strong>der</strong> Beschränkungaufgrund von Behin<strong>der</strong>ung, die zum Ziel o<strong>der</strong>zur Folge hat, dass das auf die Gleichberechtigungmit an<strong>der</strong>en gegründete Anerkennen, Genießen o<strong>der</strong>7


Ausüben aller Menschenrechte und Grundfreiheitenim politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen,bürgerlichen o<strong>der</strong> jedem an<strong>der</strong>en Bereich beeinträchtigto<strong>der</strong> vereitelt wird. Sie umfasst alle Formen <strong>der</strong>Diskriminierung, einschließlich <strong>der</strong> Versagung angemessenerVorkehrungen;bedeutet „angemessene Vorkehrungen“ notwendigeund geeignete Än<strong>der</strong>ungen und Anpassungen, diekeine unverhältnismäßige o<strong>der</strong> unbillige Belastungdarstellen und die, wenn sie in einem bestimmtenFall erfor<strong>der</strong>lich sind, vorgenommen werden, um zugewährleisten, dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungengleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en alle Menschenrechteund Grundfreiheiten genießen o<strong>der</strong> ausüben können;bedeutet „universelles Design“ ein Design vonProdukten, Umfel<strong>der</strong>n, Programmen und Dienstleistungenin <strong>der</strong> Weise, dass sie von allen Menschenmöglichst weitgehend ohne eine Anpassung o<strong>der</strong> einspezielles Design genutzt werden können. „UniversellesDesign“ schließt Hilfsmittel für bestimmte Gruppenvon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen, soweit siebenötigt werden, nicht aus.<strong>Artikel</strong> 3Allgemeine GrundsätzeDie Grundsätze dieses Übereinkommens sind:a) die Achtung <strong>der</strong> dem Menschen innewohnendenWürde, seiner individuellen Autonomie, einschließlich<strong>der</strong> Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowieseiner Unabhängigkeit Selbstbestimmung;b) die Nichtdiskriminierung;c) die volle und wirksame Teilhabe an <strong>der</strong> Gesellschaftund Einbeziehung in die Gesellschaft;d) die Achtung vor <strong>der</strong> Unterschiedlichkeit von Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen und die Akzeptanz dieserMenschen als Teil <strong>der</strong> menschlichen Vielfalt und <strong>der</strong>Menschheit;e) die Chancengleichheit;f) die Zugänglichkeit Barrierefreiheit;g) die Gleichberechtigung von Mann und Frau;h) die Achtung vor den sich entwickelnden Fähigkeitenvon Kin<strong>der</strong>n mit Behin<strong>der</strong>ungen und die Achtungihres Rechts auf Wahrung ihrer Identität.<strong>Artikel</strong> 4Allgemeine Verpflichtungen(1) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die volleVerwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheitenfür alle Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen ohnejede Diskriminierung aufgrund von Behin<strong>der</strong>ung zugewährleisten und zu för<strong>der</strong>n. Zu diesem Zweck verpflichtensich die Vertragsstaaten,a) alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- undsonstigen Maßnahmen zur Umsetzung <strong>der</strong> in diesemÜbereinkommen anerkannten Rechte zu treffen;b) alle geeigneten Maßnahmen einschließlich gesetzgeberischerMaßnahmen zur Än<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong>Aufhebung bestehen<strong>der</strong> Gesetze, Verordnungen,Gepflogenheiten und Praktiken zu treffen, die eineDiskriminierung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungendarstellen;c) den Schutz und die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Menschenrechtevon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen in allen politischenKonzepten und allen Programmen zu berücksichtigen;d) Handlungen o<strong>der</strong> Praktiken, die mit diesem Übereinkommenunvereinbar sind, zu unterlassen unddafür zu sorgen, dass die staatlichen Behörden dieTräger <strong>der</strong> öffentlichen Gewalt und öffentlichen Einrichtungenim Einklang mit diesem Übereinkommenhandeln;e) alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung <strong>der</strong>Diskriminierung aufgrund von Behin<strong>der</strong>ung durchPersonen, Organisationen o<strong>der</strong> private Unternehmenzu ergreifen;f) Forschung und Entwicklung für Güter, Dienstleistungen,Geräte und Einrichtungen in universellemDesign, wie in <strong>Artikel</strong> 2 definiert, die den beson<strong>der</strong>enBedürfnissen von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen mitmöglichst geringem Anpassungs- und Kostenaufwandgerecht werden, zu betreiben o<strong>der</strong> zu för<strong>der</strong>n, ihreVerfügbarkeit und Nutzung zu för<strong>der</strong>n und sich bei <strong>der</strong>Entwicklung von Normen und Richtlinien für universellesDesign einzusetzen;g) Forschung und Entwicklung für neue Technologien,die für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen geeignet sind,einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien,Mobilitätshilfen, Geräten und unterstützendenTechnologien, zu betreiben o<strong>der</strong> zu för<strong>der</strong>n sowieihre Verfügbarkeit und Nutzung zu för<strong>der</strong>n und dabeiTechnologien zu erschwinglichen Kosten den Vorrangzu geben;h) für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zugänglichebarrierefreie Informationen über Mobilitätshilfen, Geräteund unterstützende Technologien, einschließlichneuer Technologien, sowie an<strong>der</strong>e Formen von HilfeAssistenz, Unterstützungsdiensten und Einrichtungenzur Verfügung zu stellen;i) die Schulung von Fachkräften und an<strong>der</strong>em mitMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen arbeitendem Personalauf dem Gebiet <strong>der</strong> in diesem Übereinkommen anerkanntenRechte zu för<strong>der</strong>n, damit die aufgrund dieserRechte garantierten Hilfen Unterstützungen undDienste besser geleistet werden können.(2) Hinsichtlich <strong>der</strong> wirtschaftlichen, sozialen undkulturellen Rechte verpflichtet sich je<strong>der</strong> Vertragsstaat,unter Ausschöpfung seiner verfügbaren Mittel8


und erfor<strong>der</strong>lichenfalls im Rahmen <strong>der</strong> internationalenZusammenarbeit Maßnahmen zu treffen, um nach undnach die volle Verwirklichung dieser Rechte zu erreichen,unbeschadet <strong>der</strong>jenigen Verpflichtungen ausdiesem Übereinkommen, die nach dem Völkerrechtsofort anwendbar sind.(3) Bei <strong>der</strong> Ausarbeitung und Umsetzung von Rechtsvorschriftenund politischen Konzepten zur Durchführungdieses Übereinkommens und bei an<strong>der</strong>enEntscheidungsprozessen in Fragen, die Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen betreffen, führen die Vertragsstaatenmit den Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen, einschließlichKin<strong>der</strong>n mit Behin<strong>der</strong>ungen, über die sie vertretendenOrganisationen enge Konsultationen und beziehen sieaktiv ein.(4) Dieses Übereinkommen lässt zur Verwirklichung<strong>der</strong> Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen bessergeeignete Bestimmungen, die im Recht eines Vertragsstaatso<strong>der</strong> in dem für diesen Staat geltendenVölkerrecht enthalten sind, unberührt. Die in einemVertragsstaat durch Gesetze, Übereinkommen, Verordnungeno<strong>der</strong> durch Gewohnheitsrecht anerkannteno<strong>der</strong> bestehenden Menschenrechte und Grundfreiheitendürfen nicht unter dem Vorwand beschränkt o<strong>der</strong>außer Kraft gesetzt werden, dass dieses Übereinkommen<strong>der</strong>artige Rechte o<strong>der</strong> Freiheiten nicht o<strong>der</strong> nurin einem geringeren Ausmaß anerkenne.(5) Die Bestimmungen dieses Übereinkommens geltenohne Einschränkung o<strong>der</strong> Ausnahme für alle Teileeines Bundesstaats.<strong>Artikel</strong> 5Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung(1) Die Vertragsstaaten anerkennen, dass alleMenschen vor dem Gesetz gleich sind, vom Gesetzgleich zu behandeln sind und ohne DiskriminierungAnspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz undgleiche Vorteile durch das Gesetz haben.(2) Die Vertragsstaaten verbieten jede Diskriminierungaufgrund von Behin<strong>der</strong>ung und garantieren Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen gleichen und wirksamenrechtlichen Schutz vor Diskriminierung, gleichviel auswelchen Gründen.(3) Zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gleichberechtigung und zurBeseitigung von Diskriminierung unternehmen dieVertragsstaaten alle geeigneten Schritte, um die Bereitstellungangemessener Vorkehrungen zu gewährleisten.(4) Beson<strong>der</strong>e Maßnahmen, die zur Beschleunigungo<strong>der</strong> Herbeiführung <strong>der</strong> tatsächlichen Gleichberechtigungvon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen erfor<strong>der</strong>lichsind, gelten nicht als Diskriminierung im Sinne diesesÜbereinkommens.<strong>Artikel</strong> 6Frauen mit Behin<strong>der</strong>ungen(1) Die Vertragsstaaten anerkennen, dass Frauenund Mädchen mit Behin<strong>der</strong>ungen mehrfacher Diskriminierungausgesetzt sind, und ergreifen in dieserHinsicht Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass siealle Menschenrechte und Grundfreiheiten voll undgleichberechtigt genießen können.(2) Die Vertragsstaaten treffen alle geeignetenMaßnahmen zur Sicherung <strong>der</strong> vollen Entfaltung,<strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung und <strong>der</strong> Stärkung <strong>der</strong> Autonomie <strong>der</strong>des Empowerments von Frauen, um zu garantieren,dass sie die in diesem Übereinkommen genanntenMenschenrechte und Grundfreiheiten ausüben undgenießen können.<strong>Artikel</strong> 7Kin<strong>der</strong> mit Behin<strong>der</strong>ungen(1) Die Vertragsstaaten treffen alle erfor<strong>der</strong>lichenMaßnahmen, um zu gewährleisten, dass Kin<strong>der</strong> mit Behin<strong>der</strong>ungengleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong>n alleMenschenrechte und Grundfreiheiten genießen können.(2) Bei allen Maßnahmen, die Kin<strong>der</strong> mit Behin<strong>der</strong>ungenbetreffen, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt,<strong>der</strong> vorrangig zu berücksichtigen ist.(3) Die Vertragsstaaten gewährleisten, dass Kin<strong>der</strong>mit Behin<strong>der</strong>ungen das Recht haben, ihre Meinung inallen sie berührenden Angelegenheiten gleichberechtigtmit an<strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong>n frei zu äußern, wobei ihreMeinung angemessen und entsprechend ihrem Alterund ihrer Reife berücksichtigt wird, und behin<strong>der</strong>ungsgerechtesowie altersgemäße Hilfe Assistenz zu erhalten,damit sie dieses Recht verwirklichen können.<strong>Artikel</strong> 8Bewusstseinsbildung(1) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, sofortige,wirksame und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, uma) in <strong>der</strong> gesamten Gesellschaft, einschließlich auf <strong>der</strong>Ebene <strong>der</strong> Familien, das Bewusstsein für Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen zu schärfen und die Achtung ihrerRechte und ihrer Würde zu för<strong>der</strong>n;b) Klischees, Vorurteile und schädliche Praktiken gegenüberMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen, einschließlichaufgrund des Geschlechts o<strong>der</strong> des Alters, in allenLebensbereichen zu bekämpfen;c) das Bewusstsein für die Fähigkeiten und den Beitragvon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zu för<strong>der</strong>n.(2) Zu den diesbezüglichen Maßnahmen gehörena) die Einleitung und dauerhafte Durchführung wirksamerKampagnen zur Bewusstseinsbildung in <strong>der</strong>Öffentlichkeit mit dem Ziel,9


i) die Aufgeschlossenheit gegenüber den Rechten vonMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zu erhöhen,ii) eine positive Wahrnehmung von Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen und ein größeres gesellschaftlichesBewusstsein ihnen gegenüber zu för<strong>der</strong>n,iii) die Anerkennung <strong>der</strong> Fertigkeiten, Verdienste undFähigkeiten von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen undihres Beitrags zur Arbeitswelt und zum Arbeitsmarktzu för<strong>der</strong>n;b) die För<strong>der</strong>ung einer respektvollen Einstellung gegenüberden Rechten von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenauf allen Ebenen des Bildungssystems, auch beiallen Kin<strong>der</strong>n von früher Kindheit an;c) die Auffor<strong>der</strong>ung an alle Medienorgane, Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen in einer dem Zweck dieses Übereinkommensentsprechenden Weise darzustellen;d) die För<strong>der</strong>ung von Schulungsprogrammen zurSchärfung des Bewusstseins für in Bezug auf Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen und für <strong>der</strong>en Rechte.<strong>Artikel</strong> 9Zugänglichkeit Barrierefreiheit(1) Um Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen eine unabhängigeLebensführung selbstbestimmtes Leben und dievolle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen,treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmenmit dem Ziel, für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenden gleichberechtigten gleichberechtigt mit an<strong>der</strong>enZugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln,Information und Kommunikation, einschließlichInformations- und Kommunikationstechnologienund -systemen, sowie zu an<strong>der</strong>en Einrichtungen undDiensten, die <strong>der</strong> Öffentlichkeit in städtischen undländlichen Gebieten offenstehen o<strong>der</strong> für sie bereitgestelltwerden, zu gewährleisten. Diese Maßnahmen,welche die Feststellung und Beseitigung von Zugangshin<strong>der</strong>nissenund -barrieren einschließen, gelten unteran<strong>der</strong>em füra) Gebäude, Straßen, Transportmittel sowie an<strong>der</strong>eEinrichtungen in Gebäuden und im Freien, einschließlichSchulen, Wohnhäusern, medizinischer Einrichtungenund Arbeitsstätten;b) Informations-, Kommunikations- und an<strong>der</strong>eDienste, einschließlich elektronischer Dienste undNotdienste.(2) Die Vertragsstaaten treffen außerdem geeigneteMaßnahmen,a) um Mindeststandards und Leitlinien für die ZugänglichkeitBarrierefreiheit von Einrichtungen und Diensten,die <strong>der</strong> Öffentlichkeit offenstehen o<strong>der</strong> für siebereitgestellt werden, auszuarbeiten und zu erlassenund ihre Anwendung zu überwachen;b) um sicherzustellen, dass private Rechtsträger, dieEinrichtungen und Dienste, die <strong>der</strong> Öffentlichkeit offensteheno<strong>der</strong> für sie bereitgestellt werden, anbieten,alle Aspekte <strong>der</strong> Zugänglichkeit Barrierefreiheit fürMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen berücksichtigen;c) um betroffenen Kreisen Schulungen zu Fragen <strong>der</strong>Zugänglichkeit Barrierefreiheit für Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen anzubieten;d) um in Gebäuden und an<strong>der</strong>en Einrichtungen, die<strong>der</strong> Öffentlichkeit offenstehen, Beschil<strong>der</strong>ungen inBrailleschrift und in leicht lesbarer und verständlicherForm anzubringen;e) um menschliche und tierische Hilfe Assistenzsowie Mittelspersonen, unter an<strong>der</strong>em Personen zumFühren und Vorlesen sowie professionelle Gebärdensprachdolmetscherund -dolmetscherinnen, zurVerfügung zu stellen mit dem Ziel, den barrierefreienZugang zu Gebäuden und an<strong>der</strong>en Einrichtungen, die<strong>der</strong> Öffentlichkeit offenstehen, zu erleichtern ermöglichen;f) um an<strong>der</strong>e geeignete Formen <strong>der</strong> Hilfe Assistenzund Unterstützung für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenzu för<strong>der</strong>n, damit ihr Zugang zu Informationen gewährleistetwird;g) um den Zugang von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenzu den neuen Informations- und Kommunikationstechnologienund -systemen, einschließlich des Internets,zu för<strong>der</strong>n;h) um die Gestaltung, die Entwicklung, die Herstellungund den Vertrieb zugänglicher barrierefreier Informations-und Kommunikationstechnologien und -systemein einem frühen Stadium zu för<strong>der</strong>n, sodass <strong>der</strong>enZugänglichkeit Barrierefreiheit mit möglichst geringemKostenaufwand erreicht wird.<strong>Artikel</strong> 10Recht auf LebenDie Vertragsstaaten bekräftigen, dass je<strong>der</strong> Menschein angeborenes innewohnendes Recht auf Lebenhat, und treffen alle erfor<strong>der</strong>lichen Maßnahmen, umden wirksamen und gleichberechtigten Genuss diesesRechts durch Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen gleichberechtigtmit an<strong>der</strong>en zu gewährleisten.<strong>Artikel</strong> 11Gefahrensituationen und humanitäreNotlagenDie Vertragsstaaten ergreifen im Einklang mit ihrenVerpflichtungen nach dem Völkerrecht, einschließlichdes humanitären Völkerrechts und <strong>der</strong> internationalenMenschenrechtsnormen, alle erfor<strong>der</strong>lichen Maßnahmen,um in Gefahrensituationen, einschließlichbewaffneter Konflikte, humanitärer Notlagen undNaturkatastrophen, den Schutz und die Sicherheit vonMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zu gewährleisten.10


<strong>Artikel</strong> 12Gleiche Anerkennung vor dem Recht(1) Die Vertragsstaaten bekräftigen, dass Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen das Recht haben, überall alsRechtssubjekt anerkannt zu werden.(2) Die Vertragsstaaten anerkennen, dass Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen in allen Lebensbereichen gleichberechtigtmit an<strong>der</strong>en Rechts- und Handlungsfähigkeitgenießen.(3) Die Vertragsstaaten treffen geeignete Maßnahmen,um Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen Zugang zu <strong>der</strong>Unterstützung zu verschaffen, die sie bei <strong>der</strong> Ausübungihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit gegebenenfallsbenötigen.(4) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass zu allendie Ausübung <strong>der</strong> Rechts- und Handlungsfähigkeit betreffendenMaßnahmen im Einklang mit den internationalenMenschenrechtsnormen geeignete und wirksameSicherungen vorgesehen werden, um Missbräuchezu verhin<strong>der</strong>n. Diese Sicherungen müssen gewährleisten,dass bei den Maßnahmen betreffend die Ausübung<strong>der</strong> Rechts- und Handlungsfähigkeit die Rechte,<strong>der</strong> Wille und die Präferenzen <strong>der</strong> betreffenden Persongeachtet werden, es nicht zu Interessenkonfliktenund missbräuchlicher Einflussnahme kommt, dass dieMaßnahmen verhältnismäßig und auf die Umstände<strong>der</strong> Person zugeschnitten sind, dass sie von möglichstkurzer Dauer sind und dass sie einer regelmäßigenÜberprüfung durch eine zuständige, unabhängige undunparteiische Behörde o<strong>der</strong> gerichtliche Stelle unterliegen.Die Sicherungen müssen im Hinblick auf dasAusmaß, in dem diese Maßnahmen die Rechte undInteressen <strong>der</strong> Person berühren, verhältnismäßig sein.(5) Vorbehaltlich <strong>der</strong> Bestimmungen dieses <strong>Artikel</strong>streffen die Vertragsstaaten alle geeigneten undwirksamen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dassMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen das gleiche Recht wiean<strong>der</strong>e haben, Eigentum zu besitzen o<strong>der</strong> zu erben,ihre finanziellen Angelegenheiten selbst zu regeln undgleichen Zugang zu Bankdarlehen, Hypotheken undan<strong>der</strong>en Finanzkrediten zu haben, und gewährleisten,dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen nicht willkürlichihr Eigentum entzogen wird.<strong>Artikel</strong> 13Zugang zur Justiz(1) Die Vertragsstaaten gewährleisten stellen sicher,dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen gleichberechtigtmit an<strong>der</strong>en wirksamen Zugang zur Justiz haben, unteran<strong>der</strong>em durch verfahrensbezogene und altersgemäßeVorkehrungen, um ihre wirksame unmittelbareund mittelbare Teilnahme, einschließlich als Zeugenund Zeuginnen, an allen Gerichtsverfahren, auch in<strong>der</strong> Ermittlungsphase und in an<strong>der</strong>en Vorverfahrensphasen,zu erleichtern ermöglichen.(2) Um zur Gewährleistung des wirksamen Zugangsvon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zur Justiz beizutragen,för<strong>der</strong>n die Vertragsstaaten geeignete Schulungenfür die im Justizwesen tätigen Personen, einschließlichdes Personals von Polizei und Strafvollzug.<strong>Artikel</strong> 14Freiheit und Sicherheit <strong>der</strong> Person(1) Die Vertragsstaaten gewährleisten,a) dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen gleichberechtigtmit an<strong>der</strong>en das Recht auf persönliche Freiheitund Sicherheit ihrer Person genießen;b) dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen gleichberechtigtmit an<strong>der</strong>en die Freiheit nicht rechtswidrig o<strong>der</strong>willkürlich entzogen wird, dass jede Freiheitsentziehungim Einklang mit dem Gesetz erfolgt und dassdas Vorliegen einer Behin<strong>der</strong>ung in keinem Fall eineFreiheitsentziehung rechtfertigt.(2) Die Vertragsstaaten gewährleisten, dass Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen, denen aufgrund einesVerfahrens ihre Freiheit entzogen wird, gleichberechtigtengleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en Anspruch aufdie in den internationalen Menschenrechtsnormenvorgesehenen Garantien haben und im Einklang mitden Zielen und Grundsätzen dieses Übereinkommensbehandelt werden, einschließlich durch die Bereitstellungangemessener Vorkehrungen.<strong>Artikel</strong> 15Freiheit von Folter o<strong>der</strong> grausamer,unmenschlicher o<strong>der</strong> erniedrigen<strong>der</strong>Behandlung o<strong>der</strong> Strafe(1) Niemand darf <strong>der</strong> Folter o<strong>der</strong> grausamer, unmenschlichero<strong>der</strong> erniedrigen<strong>der</strong> Behandlung o<strong>der</strong> Strafeunterworfen werden. Insbeson<strong>der</strong>e darf niemand ohneseine freiwillige Zustimmung medizinischen o<strong>der</strong> wissenschaftlichenVersuchen unterworfen werden.(2) Die Vertragsstaaten treffen alle wirksamen gesetzgeberischen,verwaltungsmäßigen, gerichtlichen o<strong>der</strong>sonstigen Maßnahmen, um auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong>Gleichberechtigung mit an<strong>der</strong>en zu verhin<strong>der</strong>n, dassMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Folter o<strong>der</strong> grausamer,unmenschlicher o<strong>der</strong> erniedrigen<strong>der</strong> Behandlungo<strong>der</strong> Strafe unterworfen werden.<strong>Artikel</strong> 16Freiheit von Ausbeutung, Gewalt undMissbrauch(1) Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-,Verwaltungs-, Sozial-, Bildungs- undsonstigen Maßnahmen, um Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungensowohl innerhalb als auch außerhalb <strong>der</strong>Wohnung vor je<strong>der</strong> Form von Ausbeutung, Gewaltund Missbrauch, einschließlich ihrer geschlechtsspezifischenihrer auf <strong>der</strong> Geschlechtszugehörigkeitbasierenden Aspekte, zu schützen.11


(2) Die Vertragsstaaten treffen außerdem alle geeignetenMaßnahmen, um jede Form von Ausbeutung,Gewalt und Missbrauch zu verhin<strong>der</strong>n, indem sieunter an<strong>der</strong>em geeignete Formen von das Geschlechtund das Alter berücksichtigen<strong>der</strong> Hilfe Assistenz undUnterstützung für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen undihre Familien und Betreuungspersonen gewährleisten,einschließlich durch die Bereitstellung von Informationenund Aufklärung darüber, wie Fälle von Ausbeutung,Gewalt und Missbrauch verhin<strong>der</strong>t, erkannt undangezeigt werden können. Die Vertragsstaaten sorgendafür, dass Schutzdienste das Alter, das Geschlechtund die Behin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> betroffenen Personen berücksichtigen.(3) Zur Verhin<strong>der</strong>ung je<strong>der</strong> Form von Ausbeutung,Gewalt und Missbrauch stellen die Vertragsstaaten sicher,dass alle Einrichtungen und Programme, die fürMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen bestimmt sind, wirksamvon unabhängigen Behörden überwacht werden.(4) Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen,um die körperliche, kognitive und psychischeGenesung, die Rehabilitation und die soziale Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ungvon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen,die Opfer irgendeiner Form von Ausbeutung, Gewalto<strong>der</strong> Missbrauch werden, zu för<strong>der</strong>n, auch durch dieBereitstellung von Schutzeinrichtungen. Genesungund Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ung müssen in einer Umgebungstattfinden, die <strong>der</strong> Gesundheit, dem Wohlergehen,<strong>der</strong> Selbstachtung, <strong>der</strong> Würde und <strong>der</strong> Autonomie desMenschen för<strong>der</strong>lich ist und geschlechts- und altersspezifischenBedürfnissen Rechnung trägt.(5) Die Vertragsstaaten schaffen wirksame Rechtsvorschriftenund politische Konzepte, einschließlichsolcher, die auf Frauen und Kin<strong>der</strong> ausgerichtetsind, um sicherzustellen, dass Fälle von Ausbeutung,Gewalt und Missbrauch gegenüber Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenerkannt, untersucht und gegebenenfallsstrafrechtlich verfolgt werden.<strong>Artikel</strong> 17Schutz <strong>der</strong> Unversehrtheit <strong>der</strong> PersonJe<strong>der</strong> Mensch mit Behin<strong>der</strong>ungen hat gleichberechtigtmit an<strong>der</strong>en das Recht auf Achtung seiner körperlichenund seelischen Unversehrtheit.<strong>Artikel</strong> 18Freizügigkeit und Staatsangehörigkeit(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Rechtvon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen auf <strong>der</strong> Grundlage<strong>der</strong> Gleichberechtigung mit an<strong>der</strong>en auf Freizügigkeit,auf freie Wahl ihres Aufenthaltsorts und aufeine Staatsangehörigkeit, indem sie unter an<strong>der</strong>emgewährleisten, dassb) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen nicht aufgrund vonBehin<strong>der</strong>ung die Möglichkeit versagt wird, Dokumentezum Nachweis ihrer Staatsangehörigkeit o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>eIdentitätsdokumente zu erhalten, zu besitzen und zuverwenden o<strong>der</strong> einschlägige Verfahren wie Einwan<strong>der</strong>ungsverfahrenin Anspruch zu nehmen, die gegebenenfallserfor<strong>der</strong>lich sind, um die Ausübung desRechts auf Freizügigkeit zu erleichtern ermöglichen;c) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen die Freiheit haben,jedes Land einschließlich ihres eigenen zu verlassen;d) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen nicht willkürlich o<strong>der</strong>aufgrund von Behin<strong>der</strong>ung das Recht entzogen wird,in ihr eigenes Land einzureisen.(2) Kin<strong>der</strong> mit Behin<strong>der</strong>ungen sind unverzüglich nachihrer Geburt in ein Register einzutragen und habendas Recht auf einen Namen von Geburt an, das Recht,eine Staatsangehörigkeit zu erwerben, und soweitmöglich das Recht, ihre Eltern zu kennen und vonihnen betreut zu werden.<strong>Artikel</strong> 19Unabhängige Lebensführung SelbstbestimmtLeben und Einbeziehung in die GemeinschaftDie Vertragsstaaten dieses Übereinkommens anerkennendas gleiche Recht aller Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen,mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie an<strong>der</strong>eMenschen in <strong>der</strong> Gemeinschaft zu leben, und treffenwirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen den vollen Genuss dieses Rechtsund ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft undTeilhabe an <strong>der</strong> Gemeinschaft zu erleichtern ermöglichen,indem sie unter an<strong>der</strong>em gewährleisten, dassa) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen gleichberechtigt mitan<strong>der</strong>en die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsortzu wählen und zu entscheiden, wo und mit wemsie leben, und nicht verpflichtet sind, in beson<strong>der</strong>enWohnformen zu leben;b) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen Zugang zu einerReihe von gemeindenahen Unterstützungsdienstenzu Hause und in Einrichtungen sowie zu sonstigengemeindenahen Unterstützungsdiensten haben,einschließlich <strong>der</strong> persönlichen Assistenz, die zurUnterstützung des Lebens in <strong>der</strong> Gemeinschaft und<strong>der</strong> Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zurVerhin<strong>der</strong>ung von Isolation und Abson<strong>der</strong>ung von <strong>der</strong>Gemeinschaft notwendig ist;c) gemeindenahe Diensteleistungen und Einrichtungenin <strong>der</strong> Gemeinde für die Allgemeinheit Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Gleichberechtigungzur Verfügung stehen und ihren BedürfnissenRechnung tragen.a) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen das Recht haben, eineStaatsangehörigkeit zu erwerben und ihre Staatsangehörigkeitzu wechseln, und dass ihnen diese nicht willkürlicho<strong>der</strong> aufgrund von Behin<strong>der</strong>ung entzogen wird;12


<strong>Artikel</strong> 20Persönliche MobilitätDie Vertragsstaaten treffen wirksame Maßnahmen,um für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen persönliche Mobilitätmit größtmöglicher Unabhängigkeit Selbstbestimmungsicherzustellen, indem sie unter an<strong>der</strong>ema) die persönliche Mobilität von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenin <strong>der</strong> Art und Weise und zum Zeitpunktihrer Wahl und zu erschwinglichen Kosten erleichternför<strong>der</strong>n;b) den Zugang von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zuhochwertigen Mobilitätshilfen, Geräten, unterstützendenTechnologien und menschlicher und tierischerHilfe Assistenz sowie Mittelspersonen erleichternermöglichen, auch durch <strong>der</strong>en Bereitstellung zuerschwinglichen Kosten;c) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen und Fachkräften, diemit Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen arbeiten, Schulungenin Mobilitätsfertigkeiten anbieten;d) Hersteller von Mobilitätshilfen, Geräten und unterstützendenTechnologien ermutigen, alle Aspekte <strong>der</strong>Mobilität für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zu berücksichtigen.<strong>Artikel</strong> 21Recht <strong>der</strong> freien Meinungsäußerung, Meinungsfreiheitund Zugang zu InformationenDie Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen,um zu gewährleisten, dass Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen das Recht auf freie Meinungsäußerungund Meinungsfreiheit, einschließlich <strong>der</strong> Freiheit, Informationenund Gedankengut sich zu beschaffen, zuempfangen und weiterzugeben, gleichberechtigt mitan<strong>der</strong>en und durch alle von ihnen gewählten Formen<strong>der</strong> Kommunikation im Sinne des <strong>Artikel</strong>s 2 ausübenkönnen, unter an<strong>der</strong>em indem siea) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen für die Allgemeinheitbestimmte Informationen rechtzeitig und ohne zusätzlicheKosten in zugänglichen barrierefreien Formatenund Technologien, die für unterschiedliche Arten <strong>der</strong>Behin<strong>der</strong>ung geeignet sind, zur Verfügung stellen;b) im Umgang mit Behörden die Verwendung vonGebärdensprachen, Brailleschrift, ergänzenden undalternativen Kommunikationsformen und allen sonstigenselbst gewählten zugänglichen barrierefreienMitteln, Formen und Formaten <strong>der</strong> Kommunikationdurch Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen akzeptieren un<strong>der</strong>leichtern för<strong>der</strong>n;c) private Rechtsträger, die, einschließlich durch dasInternet, Dienste für die Allgemeinheit anbieten, dringenddazu auffor<strong>der</strong>n, Informationen und Dienstleistungenin Formaten zur Verfügung zu stellen, die fürMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen barrierefrei zugänglichund nutzbar sind;d) die Massenmedien, einschließlich <strong>der</strong> Anbieter vonInformationen über das Internet, dazu auffor<strong>der</strong>n, ihreDienstleistungen für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenzugänglich barrierefrei zu gestalten;e) die Verwendung von Gebärdensprachen anerkennenund för<strong>der</strong>n.<strong>Artikel</strong> 22Achtung <strong>der</strong> Privatsphäre(1) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen dürfen unabhängigvon ihrem Aufenthaltsort o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Wohnform, in <strong>der</strong>sie leben, keinen willkürlichen o<strong>der</strong> rechtswidrigenEingriffen in ihr Privatleben, ihre Familie, ihre Wohnungo<strong>der</strong> ihren Schriftverkehr o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Arten <strong>der</strong>Kommunikation o<strong>der</strong> rechtswidrigen Beeinträchtigungenihrer Ehre o<strong>der</strong> ihres Rufes ausgesetzt werden.Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen haben Anspruch aufrechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe o<strong>der</strong> Beeinträchtigungen.(2) Die Vertragsstaaten schützen auf <strong>der</strong> Grundlage<strong>der</strong> Gleichberechtigung mit an<strong>der</strong>en die Vertraulichkeitvon Informationen über die Person, die Gesundheitund die Rehabilitation von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen.<strong>Artikel</strong> 23Achtung <strong>der</strong> Wohnung und <strong>der</strong> Familie(1) Die Vertragsstaaten treffen wirksame und geeigneteMaßnahmen zur Beseitigung <strong>der</strong> Diskriminierungvon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen auf <strong>der</strong> Grundlage<strong>der</strong> Gleichberechtigung mit an<strong>der</strong>en in allen Fragen,die Ehe, Familie, Elternschaft und Partnerschaftenbetreffen, um zu gewährleisten, dassa) das Recht aller Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen imheiratsfähigen Alter, auf <strong>der</strong> Grundlage des freienund vollen Einverständnisses <strong>der</strong> künftigen Ehegatteneine Ehe zu schließen und eine Familie zu gründen,anerkannt wird;b) das Recht von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen auffreie und verantwortungsbewusste Entscheidung überdie Anzahl ihrer Kin<strong>der</strong> und die Geburtenabständesowie auf Zugang zu altersgemäßer Information sowieAufklärung über Fortpflanzung und Familienplanunganerkannt wird und ihnen die notwendigen Mittel zurAusübung dieser Rechte zur Verfügung gestellt werden;c) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen, einschließlich Kin<strong>der</strong>n,gleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en ihre Fruchtbarkeitbehalten.(2) Die Vertragsstaaten gewährleisten die Rechte undPflichten von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen in Fragen<strong>der</strong> Vormundschaft, Pflegschaft 1 , Personen- und Vermögenssorge,Adoption von Kin<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> ähnlichen1Schweiz: Beistandschaft13


Rechtsinstituten, soweit das innerstaatliche Rechtsolche kennt; in allen Fällen ist das Wohl des Kindesausschlaggebend. Die Vertragsstaaten unterstützenMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen in angemessener Weisebei <strong>der</strong> Wahrnehmung ihrer elterlichen Verantwortung.(3) Die Vertragsstaaten gewährleisten, dass Kin<strong>der</strong> mitBehin<strong>der</strong>ungen gleiche Rechte in Bezug auf das Familienlebenhaben. Zur Verwirklichung dieser Rechteund mit dem Ziel, das Verbergen, das Aussetzen, dieVernachlässigung und die Abson<strong>der</strong>ung von Kin<strong>der</strong>nmit Behin<strong>der</strong>ungen zu verhin<strong>der</strong>n, verpflichten sich dieVertragsstaaten, Kin<strong>der</strong>n mit Behin<strong>der</strong>ungen und ihrenFamilien frühzeitig umfassende Informationen, Diensteund Unterstützung zur Verfügung zu stellen.(4) Die Vertragsstaaten gewährleisten, dass ein Kindnicht gegen den Willen seiner Eltern von diesengetrennt wird, es sei denn, dass die zuständigenBehörden in einer gerichtlich nachprüfbaren Entscheidungnach den anzuwendenden Rechtsvorschriftenund Verfahren bestimmen, dass diese Trennung zumWohl des Kindes notwendig ist. In keinem Fall darfdas Kind aufgrund einer Behin<strong>der</strong>ung entwe<strong>der</strong> desKindes o<strong>der</strong> eines o<strong>der</strong> bei<strong>der</strong> Elternteile von denEltern getrennt werden.(5) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, in Fällen,in denen die nächsten Familienangehörigen nichtin <strong>der</strong> Lage sind, für ein Kind mit Behin<strong>der</strong>ungen zusorgen, alle Anstrengungen zu unternehmen, uman<strong>der</strong>e Formen <strong>der</strong> Betreuung innerhalb <strong>der</strong> weiterenFamilie und, falls dies nicht möglich ist, innerhalb <strong>der</strong>Gemeinschaft in einem familienähnlichen Umfeld zugewährleisten.<strong>Artikel</strong> <strong>24</strong>Bildung(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht vonMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen auf Bildung. Um diesesRecht ohne Diskriminierung und auf <strong>der</strong> Grundlage<strong>der</strong> Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleistendie Vertragsstaaten ein integratives inklusivesBildungssystem auf allen Ebenen und lebenslangesLernen mit dem Ziel,a) die menschlichen Möglichkeiten sowie das Bewusstsein<strong>der</strong> Würde und das Selbstwertgefühl desMenschen voll zur Entfaltung zu bringen und die Achtungvor den Menschenrechten, den Grundfreiheitenund <strong>der</strong> menschlichen Vielfalt zu stärken;b) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen ihre Persönlichkeit,ihre Begabungen und ihre Kreativität sowie ihre geistigenund körperlichen Fähigkeiten voll zur Entfaltungbringen zu lassen;c) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zur wirklichenwirksamen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zubefähigen.(2) Bei <strong>der</strong> Verwirklichung dieses Rechts stellen dieVertragsstaaten sicher, dassa) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen nicht aufgrund vonBehin<strong>der</strong>ung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossenwerden und dass Kin<strong>der</strong> mit Behin<strong>der</strong>ungennicht aufgrund von Behin<strong>der</strong>ung vom unentgeltlichenund obligatorischenGrundschulunterricht o<strong>der</strong> vom Besuch weiterführen<strong>der</strong>Schulen ausgeschlossen werden;b) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen gleichberechtigt mitan<strong>der</strong>en in <strong>der</strong> Gemeinschaft, in <strong>der</strong> sie leben, Zugangzu einem integrativen inklusiven, hochwertigen undunentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführendenSchulen haben;c) angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnissedes Einzelnen getroffen werden;d) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen innerhalb des allgemeinenBildungssystems die notwendige Unterstützunggeleistet wird, um ihre erfolgreiche wirksameBildung zu erleichtern ermöglichen;e) in Übereinstimmung mit dem Ziel <strong>der</strong> vollständigenIntegration Inklusion wirksame individuell angepassteUnterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, dasdie bestmögliche schulische und soziale Entwicklunggestattet, angeboten werden.(3) Die Vertragsstaaten ermöglichen Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen, lebenspraktische Fertigkeiten undsoziale Kompetenzen zu erwerben, um ihre volle undgleichberechtigte Teilhabe an <strong>der</strong> Bildung und als Mitglie<strong>der</strong><strong>der</strong> Gemeinschaft zu erleichtern för<strong>der</strong>n. Zudiesem Zweck ergreifen die Vertragsstaaten geeigneteMaßnahmen; unter an<strong>der</strong>ema) erleichtern för<strong>der</strong>n sie das Erlernen von Brailleschrift,alternativer Schrift, ergänzenden undalternativen Formen, Mitteln und Formaten <strong>der</strong>Kommunikation, den Erwerb von Orientierungs- undMobilitätsfertigkeiten sowie die Unterstützung durchan<strong>der</strong>e Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen den peer supportund das Mentoring;b) erleichtern ermöglichen sie das Erlernen <strong>der</strong>Gebärdensprache und die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> sprachlichenIdentität <strong>der</strong> Gehörlosen gehörlosen Menschen;c) stellen sie sicher, dass blinden, gehörlosen o<strong>der</strong>taubblinden Menschen, insbeson<strong>der</strong>e Kin<strong>der</strong>n, Bildungin den Sprachen und Kommunikationsformenund mit den Kommunikationsmitteln, die für denEinzelnen am besten geeignet sind, sowie in einemUmfeld vermittelt wird, das die bestmögliche schulischeund soziale Entwicklung gestattet.(4) Um zur Verwirklichung dieses Rechts beizutragen,treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmenzur Einstellung von Lehrkräften, einschließlich solcher14


mit Behin<strong>der</strong>ungen, die in Gebärdensprache o<strong>der</strong>Brailleschrift ausgebildet sind, und zur Schulung vonFachkräften sowie Mitarbeitern und Mitarbeiterinnenauf allen Ebenen des Bildungswesens. Diese Schulungschließt die Schärfung des Bewusstseins für Behin<strong>der</strong>ungenund die Verwendung geeigneter ergänzen<strong>der</strong>und alternativer Formen, Mittel und Formate <strong>der</strong>Kommunikation sowie pädagogische Verfahren undMaterialien zur Unterstützung von Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen ein.(5) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen ohne Diskriminierung undgleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en Zugang zu allgemeinertertiärer Bildung Hochschulbildung, Berufsausbildung,Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernenhaben. Zu diesem Zweck stellen die Vertragsstaatensicher, dass für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen angemesseneVorkehrungen getroffen werden.<strong>Artikel</strong> 25GesundheitDie Vertragsstaaten anerkennen das Recht vonMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen, auf das erreichbareHöchstmaß an Gesundheit ohne Diskriminierungaufgrund von Behin<strong>der</strong>ung zu genießen. Die Vertragsstaatentreffen alle geeigneten Maßnahmen, um zugewährleisten, dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenZugang zu geschlechtsspezifischen gen<strong>der</strong>-sensiblenGesundheitsdiensten, einschließlich gesundheitlicherRehabilitation, haben. Insbeson<strong>der</strong>ea) stellen die Vertragsparteien Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungeneine unentgeltliche o<strong>der</strong> erschwinglicheGesundheitsversorgung in <strong>der</strong>selben Bandbreite, von<strong>der</strong>selben Qualität und auf demselben Standard zurVerfügung wie an<strong>der</strong>en Menschen, einschließlichsexual- und fortpflanzungsmedizinischer Gesundheitsleistungenund <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung zur Verfügungstehen<strong>der</strong> Programme des öffentlichen Gesundheitswesens;b) bieten die Vertragsstaaten die Gesundheitsleistungenan, die von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen speziell wegenihrer Behin<strong>der</strong>ungen benötigt werden, soweit angebracht,einschließlich Früherkennung und Frühintervention,sowie Leistungen, durch die, auch bei Kin<strong>der</strong>n undälteren Menschen, weitere Behin<strong>der</strong>ungen möglichstgering gehalten o<strong>der</strong> vermieden werden sollen;c) bieten die Vertragsstaaten diese Gesundheitsleistungenso gemeindenah wie möglich an, auch inländlichen Gebieten;d) erlegen die Vertragsstaaten den Angehörigen <strong>der</strong>Gesundheitsberufe die Verpflichtung auf, Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen eine Versorgung von gleicher Qualitätwie an<strong>der</strong>en Menschen angedeihen zu lassen,namentlich auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> freien Einwilligungnach vorheriger Aufklärung, indem sie unter an<strong>der</strong>emdurch Schulungen und den Erlass ethischer Normenfür die staatliche öffentliche und private Gesund-heitsversorgung das Bewusstsein für die Menschenrechte,die Würde, die Autonomie und die Bedürfnissevon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen schärfen;e) verbieten die Vertragsstaaten die Diskriminierungvon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Krankenversicherungund in <strong>der</strong> Lebensversicherung, soweiteine solche Versicherung nach innerstaatlichem Rechtzulässig ist; solche Versicherungen sind zu fairen undangemessenen Bedingungen anzubieten;f) verhin<strong>der</strong>n die Vertragsstaaten die diskriminierendeVorenthaltung von Gesundheitsversorgung o<strong>der</strong> -leistungeno<strong>der</strong> von Nahrungsmitteln und Flüssigkeitenaufgrund von Behin<strong>der</strong>ung.<strong>Artikel</strong> 26Habilitation und Rehabilitation(1) Die Vertragsstaaten treffen wirksame und geeigneteMaßnahmen, einschließlich durch die Unterstützungdurch an<strong>der</strong>e Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenpeer support, um Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen indie Lage zu versetzen, ein Höchstmaß an UnabhängigkeitSelbstbestimmung, umfassende körperliche,geistige, soziale und berufliche Fähigkeiten sowie dievolle Einbeziehung in alle Aspekte des Lebens unddie volle Teilhabe an allen Aspekten des Lebens zuerreichen und zu bewahren. Zu diesem Zweck organisieren,stärken und erweitern die Vertragsstaatenumfassende Habilitations- und Rehabilitationsdiensteund -programme, insbeson<strong>der</strong>e auf dem Gebiet <strong>der</strong>Gesundheit, <strong>der</strong> Beschäftigung, <strong>der</strong> Bildung und <strong>der</strong>Sozialdienste, und zwar so, dass diese Leistungen undProgrammea) im frühestmöglichen Stadium einsetzen und aufeiner multidisziplinären Bewertung <strong>der</strong> individuellenBedürfnisse und Stärken beruhen;b) die Einbeziehung in die Gemeinschaft und die Gesellschaftin allen ihren Aspekten sowie die Teilhabedaran unterstützen, freiwillig sind und Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen so gemeindenah wie möglich zur Verfügungstehen, auch in ländlichen Gebieten.(2) Die Vertragsstaaten för<strong>der</strong>n die Entwicklung <strong>der</strong>Aus- und Fortbildung für Fachkräfte und Mitarbeiterund Mitarbeiterinnen in Habilitations- und Rehabilitationsdiensten.(3) Die Vertragsstaaten för<strong>der</strong>n die Verfügbarkeit, dieKenntnis und die Verwendung unterstützen<strong>der</strong> Geräteund Technologien, die für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenbestimmt sind, für die Zwecke <strong>der</strong> Habilitationund Rehabilitation.<strong>Artikel</strong> 27Arbeit und Beschäftigung(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Rechtvon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen auf <strong>der</strong> Grundlage<strong>der</strong> Gleichberechtigung mit an<strong>der</strong>en auf Arbeit;15


dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, denLebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die ineinem offenen, integrativen inklusiven und für Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen zugänglichen Arbeitsmarktund Arbeitsumfeld frei gewählt o<strong>der</strong> angenommenwird. Die Vertragsstaaten sichern und för<strong>der</strong>n dieVerwirklichung des Rechts auf Arbeit, einschließlichfür Menschen, die während <strong>der</strong> Beschäftigung eineBehin<strong>der</strong>ung erwerben, durch geeignete Schritte,einschließlich des Erlasses von Rechtsvorschriften,um unter an<strong>der</strong>ema) Diskriminierung aufgrund von Behin<strong>der</strong>ung in allenAngelegenheiten im Zusammenhang mit einer Beschäftigunggleich welcher Art, einschließlich <strong>der</strong> Auswahl-,Einstellungs- und Beschäftigungsbedingungen,<strong>der</strong> Weiterbeschäftigung, des beruflichen Aufstiegssowie sicherer und gesun<strong>der</strong> Arbeitsbedingungen, zuverbieten;b) das gleiche Recht von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenauf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Gleichberechtigung mit an<strong>der</strong>enauf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen,einschließlich Chancengleichheit und gleichen Entgeltsfür gleichwertige Arbeit, auf sichere und gesundeArbeitsbedingungen, einschließlich Schutz vor Belästigungen,und auf Abhilfe bei Missständen zu schützen;c) zu gewährleisten, dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenihre Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechtegleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en ausüben können;d) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen wirksamen Zugangzu allgemeinen fachlichen und beruflichen Beratungsprogrammen,Stellenvermittlung sowie Berufsausbildungund Weiterbildung zu ermöglichen;e) für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen Beschäftigungsmöglichkeitenund beruflichen Aufstieg auf dem Arbeitsmarktsowie die Unterstützung bei <strong>der</strong> Arbeitssuche,beim Erhalt und <strong>der</strong> Beibehaltung eines Arbeitsplatzesund beim beruflichen Wie<strong>der</strong>einstieg zu för<strong>der</strong>n;f) Möglichkeiten für Selbstständigkeit, Unternehmertum,die Bildung von Genossenschaften und dieGründung eines eigenen Geschäfts zu för<strong>der</strong>n;g) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen im öffentlichen Sektorzu beschäftigen;h) die Beschäftigung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenim privaten Sektor durch geeignete Strategienund Maßnahmen zu för<strong>der</strong>n, wozu auch Programmefür positive Maßnahmen, Anreize und an<strong>der</strong>e Maßnahmengehören können;i) sicherzustellen, dass am Arbeitsplatz angemesseneVorkehrungen für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungengetroffen werden;k) Programme für die berufliche und fachlicheRehabilitation, den Erhalt des Arbeitsplatzes und denberuflichen Wie<strong>der</strong>einstieg von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenzu för<strong>der</strong>n.(2) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen nicht in Sklaverei o<strong>der</strong> Leibeigenschaftgehalten werden und dass sie gleichberechtigtmit an<strong>der</strong>en vor Zwangs- o<strong>der</strong> Pflichtarbeit geschütztwerden.<strong>Artikel</strong> 28Angemessener Lebensstandard und sozialerSchutz(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht vonMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen auf einen angemessenenLebensstandard für sich selbst und ihre Familien,einschließlich angemessener Ernährung, Bekleidungund Wohnung, sowie auf eine stetige Verbesserung<strong>der</strong> Lebensbedingungen und unternehmen geeigneteSchritte zum Schutz und zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verwirklichungdieses Rechts ohne Diskriminierung aufgrundvon Behin<strong>der</strong>ung.(2) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht vonMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen auf sozialen Schutz undden Genuss dieses Rechts ohne Diskriminierung aufgrundvon Behin<strong>der</strong>ung und unternehmen geeigneteSchritte zum Schutz und zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verwirklichungdieses Rechts, einschließlich Maßnahmen, uma) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen gleichberechtigtenZugang zur Versorgung mit sauberem Wasser und denZugang zu geeigneten und erschwinglichen Dienstleistungen,Geräten und an<strong>der</strong>en Hilfen Unterstützungsformenfür Bedürfnisse im Zusammenhang mit ihrerBehin<strong>der</strong>ung zu sichern;b) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen, insbeson<strong>der</strong>e Frauenund Mädchen sowie älteren Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen,den Zugang zu Programmen für sozialenSchutz und Programmen zur Armutsbekämpfung zusichern;c) in Armut lebenden Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenund ihren Familien den Zugang zu staatlicher HilfeFör<strong>der</strong>ung bei behin<strong>der</strong>ungsbedingten Aufwendungen,einschließlich ausreichen<strong>der</strong> Schulung, Beratung,finanzieller Unterstützung sowie Kurzzeitbetreuung, zusichern;d) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen den Zugang zuProgrammen des sozialen Wohnungsbaus öffentlichgeför<strong>der</strong>ten Wohnungsbauprogrammen zu sichern;e) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen gleichberechtigtenZugang zu Leistungen und Programmen <strong>der</strong> Altersversorgungzu sichern.j) das Sammeln von Arbeitserfahrung auf dem allgemeinenArbeitsmarkt durch Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenzu för<strong>der</strong>n;16


<strong>Artikel</strong> 29Teilhabe am politischen und öffentlichen LebenDie Vertragsstaaten garantieren Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungendie politischen Rechte sowie die Möglichkeit,diese gleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en zu genießen,und verpflichten sich,a) sicherzustellen, dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungengleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en wirksam und umfassendam politischen und öffentlichen Leben teilhaben können,sei es unmittelbar o<strong>der</strong> durch frei gewählte Vertretero<strong>der</strong> Vertreterinnen, was auch das Recht unddie Möglichkeit einschließt, zu wählen und gewählt zuwerden; unter an<strong>der</strong>emi) stellen sie sicher, dass die Wahlverfahren, -einrichtungenund -materialien geeignet, zugänglich barrierefreiund leicht zu verstehen und zu handhaben sind;ii) schützen sie das Recht von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen,bei Wahlen und Volksabstimmungen in geheimerAbstimmung ohne Einschüchterung ihre Stimmeabzugeben, bei Wahlen zu kandidieren, ein Amtwirksam innezuhaben und alle öffentlichen Aufgabenauf allen Ebenen staatlicher Tätigkeit wahrzunehmen,indem sie gegebenenfalls die Nutzung unterstützen<strong>der</strong>und neuer Technologien erleichtern ermöglichen;iii) garantieren sie die freie Willensäußerung vonMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen als Wähler und Wählerinnenund erlauben zu diesem Zweck im Bedarfsfallauf ihren Wunsch, dass sie sich bei <strong>der</strong> Stimmabgabedurch eine Person ihrer Wahl unterstützen lassen;b) aktiv ein Umfeld zu för<strong>der</strong>n, in dem Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigtmit an<strong>der</strong>en wirksam und umfassend an <strong>der</strong>Gestaltung <strong>der</strong> öffentlichen Angelegenheiten mitwirkenteilhaben können, und ihre Mitwirkung Teilhabean den öffentlichen Angelegenheiten zu begünstigen,unter an<strong>der</strong>emi) die Mitarbeit Teilhabe in nichtstaatlichen Organisationenund Vereinigungen, die sich mit dem öffentlichenund politischen Leben ihres Landes befassen,und an den Tätigkeiten und <strong>der</strong> Verwaltung politischerParteien;ii) die Bildung von Organisationen von Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen, die sie auf internationaler, nationaler,regionaler und lokaler Ebene vertreten, und denBeitritt zu solchen Organisationen.<strong>Artikel</strong> 30Teilhabe am kulturellen Leben sowie anErholung, Freizeit und Sport(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht vonMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen, gleichberechtigt mitan<strong>der</strong>en am kulturellen Leben teilzunehmen, und treffenalle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen,dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungena) Zugang zu kulturellem Material in zugänglichenbarrierefreien Formaten haben;b) Zugang zu Fernsehprogrammen, Filmen, Theatervorstellungenund an<strong>der</strong>en kulturellen Aktivitäten inzugänglichen barrierefreien Formaten haben;c) Zugang zu Orten kultureller Darbietungen o<strong>der</strong>Dienstleistungen, wie Theatern, Museen, Kinos, Bibliothekenund Tourismusdiensten, sowie, so weit wiemöglich, zu Denkmälern und Stätten von nationalerkultureller Bedeutung haben.(2) Die Vertragsstaaten treffen geeignete Maßnahmen,um Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen die Möglichkeitzu geben, ihr kreatives, künstlerisches undintellektuelles Potenzial zu entfalten und zu nutzen,nicht nur für sich selbst, son<strong>der</strong>n auch zur Bereicherung<strong>der</strong> Gesellschaft.(3) Die Vertragsstaaten unternehmen alle geeignetenSchritte im Einklang mit dem Völkerrecht, um sicherzustellen,dass Gesetze zum Schutz von Rechten desgeistigen Eigentums keine ungerechtfertigte o<strong>der</strong> diskriminierendeBarriere für den Zugang von Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen zu kulturellem Material darstellen.(4) Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen haben gleichberechtigtmit an<strong>der</strong>en Anspruch auf Anerkennung und Unterstützungihrer spezifischen kulturellen und sprachlichenIdentität, einschließlich <strong>der</strong> Gebärdensprachenund <strong>der</strong> Gehörlosenkultur.(5) Mit dem Ziel, Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungengleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en die gleichberechtigteTeilnahme Teilhabe an Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitätenzu ermöglichen, treffen die Vertragsstaatengeeignete Maßnahmen,a) um Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zu ermutigen, soumfassend wie möglich an breitensportlichen Aktivitätenauf allen Ebenen teilzunehmenhaben, und ihreTeilnahme Teilhabe zu för<strong>der</strong>n;b) um sicherzustellen, dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungendie Möglichkeit haben, behin<strong>der</strong>ungsspezifischeSport- und Erholungsaktivitäten zu organisieren,zu entwickeln und an solchen teilzunehmenhaben,und zu diesem Zweck die Bereitstellung eines geeignetenAngebots an Anleitung, Training und Ressourcenauf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Gleichberechtigung mitan<strong>der</strong>en zu för<strong>der</strong>n;c) um sicherzustellen, dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenZugang zu Sport-, Erholungs- und Tourismusstättenhaben;d) um sicherzustellen, dass Kin<strong>der</strong> mit Behin<strong>der</strong>ungengleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong>n an Spiel-,Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten teilnehmenhabenkönnen, einschließlich im schulischen Bereich;17


e) um sicherzustellen, dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenZugang zu Dienstleistungen <strong>der</strong> Organisatorenvon Erholungs-, Tourismus-, Freizeit- und Sportaktivitätenhaben.<strong>Artikel</strong> 31Statistik und Datensammlung(1) Die Vertragsstaaten verpflichten sich zur Sammlunggeeigneter Informationen, einschließlich statistischerAngaben und Forschungsdaten, die ihnenermöglichen, politische Konzepte zur Durchführungdieses Übereinkommens auszuarbeiten und umzusetzen.Das Verfahren zur Sammlung und Aufbewahrungdieser Informationen mussa) mit den gesetzlichen Schutzvorschriften, einschließlich<strong>der</strong> Rechtsvorschriften über den Datenschutz,zur Sicherung <strong>der</strong> Vertraulichkeit und <strong>der</strong>Achtung <strong>der</strong> Privatsphäre von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenim Einklang stehen;b) mit den international anerkannten Normen zumSchutz <strong>der</strong> Menschenrechte und Grundfreiheiten undden ethischen Grundsätzen für die Sammlung undNutzung statistischer Daten im Einklang stehen.(2) Die im Einklang mit diesem <strong>Artikel</strong> gesammeltenInformationen werden, soweit angebracht, aufgeschlüsseltund dazu verwendet, die Umsetzung <strong>der</strong>Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen durchdie Vertragsstaaten zu beurteilen und die Hin<strong>der</strong>nisse,denen sich Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong>Ausübung ihrer Rechte gegenübersehen, zu ermittelnund anzugehen.(3) Die Vertragsstaaten übernehmen die Verantwortungfür die Verbreitung dieser Statistiken und sorgendafür, dass sie für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen undan<strong>der</strong>e barrierefrei zugänglich sind.<strong>Artikel</strong> 32Internationale Zusammenarbeit(1) Die Vertragsstaaten anerkennen die Bedeutung<strong>der</strong> internationalen Zusammenarbeit und <strong>der</strong>en För<strong>der</strong>ungzur Unterstützung <strong>der</strong> einzelstaatlichen Anstrengungenfür die Verwirklichung des Zwecks und <strong>der</strong>Ziele dieses Übereinkommens und treffen diesbezüglichgeeignete und wirksame Maßnahmen, zwischenstaatlichsowie, soweit angebracht, in Partnerschaftmit den einschlägigen internationalen und regionalenOrganisationen und <strong>der</strong> Zivilgesellschaft, insbeson<strong>der</strong>eOrganisationen von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen.Unter an<strong>der</strong>em können sie Maßnahmen ergreifen, uma) sicherzustellen, dass die internationale Zusammenarbeit,einschließlich internationaler Entwicklungsprogramme,Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen einbeziehtund für sie barrierefrei zugänglich ist;b) den Aufbau von Kapazitäten Capacity-building zuerleichtern för<strong>der</strong>n und zu unterstützen, unter an<strong>der</strong>emdurch den Austausch und die Weitergabe vonInformationen, Erfahrungen, Ausbildungsprogrammenund vorbildlichen Praktiken;c) die Forschungszusammenarbeit und den Zugang zuwissenschaftlichen und technischen Kenntnissen zuerleichtern ermöglichen;d) soweit angebracht, technische und wirtschaftlicheHilfe Unterstützung zu leisten, unter an<strong>der</strong>em durchErleichterung För<strong>der</strong>ung des Zugangs zu zugänglichenbarrierefreien und unterstützenden Technologienund ihres Austauschs sowie durch Weitergabe vonTechnologien.(2) Dieser Die Bestimmungen dieses <strong>Artikel</strong>s berührtennicht die Pflicht jedes Vertragsstaats, seine Verpflichtungenaus diesem Übereinkommen zu erfüllen.<strong>Artikel</strong> 33Innerstaatliche Durchführung undÜberwachung(1) Die Vertragsstaaten bestimmen nach Maßgabe ihrerstaatlichen Organisation eine o<strong>der</strong> mehrere staatlicheAnlaufstellen Focal Points für Angelegenheitenim Zusammenhang mit <strong>der</strong> Durchführung diesesÜbereinkommens und prüfen sorgfältig die Schaffungo<strong>der</strong> Bestimmung eines staatlichen Koordinierungsmechanismus,<strong>der</strong> die Durchführung <strong>der</strong> entsprechendenMaßnahmen in verschiedenen Bereichen und aufverschiedenen Ebenen erleichtern ermöglichen soll.(2) Die Vertragsstaaten unterhalten, stärken, bestimmeno<strong>der</strong> schaffen nach Maßgabe ihres Rechts- undVerwaltungssystems auf einzelstaatlicher Ebene fürdie För<strong>der</strong>ung, den Schutz und die Überwachung <strong>der</strong>Durchführung dieses Übereinkommens eine Struktur,die, je nachdem, was angebracht ist, einen o<strong>der</strong>mehrere unabhängige Mechanismen einschließt.Bei <strong>der</strong> Bestimmung o<strong>der</strong> Schaffung eines solchenMechanismus berücksichtigen die Vertragsstaatendie Grundsätze betreffend die Rechtsstellung und dieArbeitsweise <strong>der</strong> einzelstaatlichen Institutionen zumSchutz und zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Menschenrechte.(3) Die Zivilgesellschaft, insbeson<strong>der</strong>e Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen und die sie vertretenden Organisationen,wird in den Überwachungsprozess einbezogenund nimmt hat in vollem Umfang daran teil.<strong>Artikel</strong> 34Ausschuss für die Rechte von Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen(1) Es wird ein Ausschuss für die Rechte von Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen (im Folgenden als „Ausschuss“bezeichnet) eingesetzt, <strong>der</strong> die nachstehendfestgelegten Aufgaben wahrnimmt.18


(2) Der Ausschuss besteht zum Zeitpunkt des Inkrafttretensdieses Übereinkommens aus zwölf Sachverständigen.Nach sechzig weiteren Ratifikationeno<strong>der</strong> Beitritten zu dem Übereinkommen erhöht sichdie Zahl <strong>der</strong> Ausschussmitglie<strong>der</strong> um sechs auf dieHöchstzahl von achtzehn.(3) Die Ausschussmitglie<strong>der</strong> sind in persönlicherEigenschaft tätig und müssen Persönlichkeiten vonhohem sittlichen Ansehen und anerkannter Sachkenntnisund Erfahrung auf dem von diesem Übereinkommenerfassten Gebiet sein. Die Vertragsstaatensind aufgefor<strong>der</strong>t, bei <strong>der</strong> Benennung ihrer Kandidateno<strong>der</strong> Kandidatinnen <strong>Artikel</strong> 4 Absatz 3 gebührendzu berücksichtigen.(4) Die Ausschussmitglie<strong>der</strong> werden von den Vertragsstaatengewählt, wobei auf eine gerechte geografischeVerteilung, die Vertretung <strong>der</strong> verschiedenenKulturkreise und <strong>der</strong> hauptsächlichen Rechtssysteme,die ausgewogene Vertretung <strong>der</strong> Geschlechter und dieBeteiligung von Sachverständigen mit Behin<strong>der</strong>ungenzu achten ist.(5) Die Ausschussmitglie<strong>der</strong> werden auf Sitzungen<strong>der</strong> Konferenz <strong>der</strong> Vertragsstaaten in geheimer Wahlaus einer Liste von Personen gewählt, die von denVertragsstaaten aus dem Kreis ihrer Staatsangehörigenbenannt worden sind. Auf diesen Sitzungen, diebeschlussfähig sind, wenn zwei Drittel <strong>der</strong> Vertragsstaatenvertreten sind, gelten diejenigen Kandidateno<strong>der</strong> Kandidatinnen als in den Ausschuss gewählt,welche die höchste Stimmenzahl und die absoluteStimmenmehrheit <strong>der</strong> anwesenden und abstimmendenVertreter beziehungsweise Vertreterinnen <strong>der</strong>Vertragsstaaten auf sich vereinigen.(6) Die erste Wahl findet spätestens sechs Monatenach Inkrafttreten dieses Übereinkommens statt.Spätestens vier Monate vor je<strong>der</strong> Wahl for<strong>der</strong>t <strong>der</strong>Generalsekretär <strong>der</strong> Vereinten Nationen die Vertragsstaatenschriftlich auf, innerhalb von zwei Monatenihre Benennungen einzureichen. Der Generalsekretärfertigt sodann eine alphabetische Liste aller auf dieseWeise benannten Personen an, unter Angabe <strong>der</strong> Vertragsstaaten,die sie benannt haben, und übermitteltsie den Vertragsstaaten.(7) Die Ausschussmitglie<strong>der</strong> werden für vier Jahregewählt. Ihre einmalige Wie<strong>der</strong>wahl ist zulässig. DieAmtszeit von sechs <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> ersten Wahl gewähltenMitglie<strong>der</strong> läuft jedoch nach zwei Jahren ab; unmittelbarnach <strong>der</strong> ersten Wahl werden die Namen diesersechs Mitglie<strong>der</strong> von dem o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vorsitzenden <strong>der</strong> inAbsatz 5 genannten Sitzung durch das Los bestimmt.(8) Die Wahl <strong>der</strong> sechs zusätzlichen Ausschussmitglie<strong>der</strong>findet bei den ordentlichen Wahlen im Einklangmit den einschlägigen Bestimmungen dieses <strong>Artikel</strong>sstatt.(9) Wenn ein Ausschussmitglied stirbt o<strong>der</strong> zurücktritto<strong>der</strong> erklärt, dass es aus an<strong>der</strong>en Gründen seineAufgaben nicht mehr wahrnehmen kann, ernennt <strong>der</strong>Vertragsstaat, <strong>der</strong> das Mitglied benannt hat, für dieverbleibende Amtszeit eine an<strong>der</strong>e sachverständigePerson, die über die Befähigungen verfügt und dieVoraussetzungen erfüllt, die in den einschlägigenBestimmungen dieses <strong>Artikel</strong>s beschrieben sind.(10) Der Ausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung.(11) Der Generalsekretär <strong>der</strong> Vereinten Nationen stelltdem Ausschuss das Personal und die Einrichtungenzur Verfügung, die dieser zur wirksamen Wahrnehmungseiner Aufgaben nach diesem Übereinkommenbenötigt, und beruft seine erste Sitzung ein.(12) Die Mitglie<strong>der</strong> des nach diesem Übereinkommeneingesetzten Ausschusses erhalten mit Zustimmung<strong>der</strong> Generalversammlung <strong>der</strong> Vereinten NationenBezüge aus Mitteln <strong>der</strong> Vereinten Nationen zu den von<strong>der</strong> Generalversammlung unter Berücksichtigung <strong>der</strong>Bedeutung <strong>der</strong> Aufgaben des Ausschusses zu beschließendenzeitlichen und sonstigen Bedingungen.(13) Die Ausschussmitglie<strong>der</strong> haben Anspruch aufdie Erleichterungen, Vorrechte und Immunitäten <strong>der</strong>Sachverständigen im Auftrag <strong>der</strong> Vereinten Nationen,die in den einschlägigen Abschnitten des Übereinkommensüber die Vorrechte und Immunitäten <strong>der</strong>Vereinten Nationen vorgesehen sind.<strong>Artikel</strong> 35Berichte <strong>der</strong> Vertragsstaaten(1) Je<strong>der</strong> Vertragsstaat legt dem Ausschuss über denGeneralsekretär <strong>der</strong> Vereinten Nationen innerhalbvon zwei Jahren nach Inkrafttreten dieses Übereinkommensfür den betreffenden Vertragsstaat einenumfassenden Bericht über die Maßnahmen, die er zurErfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Übereinkommengetroffen hat, und über die dabei erzieltenFortschritte vor.(2) Danach legen die Vertragsstaaten mindestens allevier Jahre und darüber hinaus jeweils auf Anfor<strong>der</strong>ungdes Ausschusses Folgeberichte vor.(3) Der Ausschuss beschließt gegebenenfalls Leitlinienfür den Inhalt <strong>der</strong> Berichte.(4) Ein Vertragsstaat, <strong>der</strong> dem Ausschuss einen erstenumfassenden Bericht vorgelegt hat, braucht in seinenFolgeberichten die früher mitgeteilten Angaben nichtzu wie<strong>der</strong>holen. Die Vertragsstaaten sind gebeten,ihre Berichte an den Ausschuss in einem offenen undtransparenten Verfahren zu erstellen und dabei <strong>Artikel</strong>4 Absatz 3 gebührend zu berücksichtigen.(5) In den Berichten kann auf Faktoren und Schwierigkeitenhingewiesen werden, die das Ausmaß <strong>der</strong> Erfüllung<strong>der</strong> Verpflichtungen aus diesem Übereinkommenbeeinflussen.19


<strong>Artikel</strong> 36Prüfung <strong>der</strong> Berichte(1) Der Ausschuss prüft jeden Bericht; er kann ihnmit den ihm geeignet erscheinenden Vorschlägen undallgemeinen Empfehlungen versehen und leitet diesedem betreffenden Vertragsstaat zu. Dieser kann demAusschuss hierauf jede Information übermitteln, dieer zu geben wünscht. Der Ausschuss kann die Vertragsstaatenum weitere Angaben über die Durchführungdieses Übereinkommens ersuchen.(2) Liegt ein Vertragsstaat mit <strong>der</strong> Vorlage eines Berichtsin erheblichem Rückstand, so kann <strong>der</strong> Ausschussdem betreffenden Vertragsstaat notifizieren, dass dieDurchführung dieses Übereinkommens im betreffendenVertragsstaat auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> dem Ausschuss zurVerfügung stehenden zuverlässigen Informationen geprüftwerden muss, falls <strong>der</strong> Bericht nicht innerhalb von dreiMonaten nach dieser Notifikation vorgelegt wird. Der Ausschussfor<strong>der</strong>t den betreffenden Vertragsstaat auf, beidieser Prüfung mitzuwirken. Falls <strong>der</strong> Vertragsstaat daraufhinden Bericht vorlegt, findet Absatz 1 Anwendung.(3) Der Generalsekretär <strong>der</strong> Vereinten Nationen stelltdie Berichte allen Vertragsstaaten zur Verfügung.(4) Die Vertragsstaaten sorgen für eine weite Verbreitungihrer Berichte im eigenen Land und erleichternför<strong>der</strong>n den Zugang zu den Vorschlägen und allgemeinenEmpfehlungen zu diesen Berichten.(5) Der Ausschuss übermittelt, wenn er dies für angebrachthält, den Son<strong>der</strong>organisationen, Fonds undProgrammen <strong>der</strong> Vereinten Nationen und an<strong>der</strong>en zuständigenStellen Berichte <strong>der</strong> Vertragsstaaten, damitein darin enthaltenes Ersuchen um fachliche Beratungo<strong>der</strong> Unterstützung o<strong>der</strong> ein darin enthaltenerHinweis, dass ein diesbezügliches Bedürfnis besteht,aufgegriffen werden kann; etwaige Bemerkungen undEmpfehlungen des Ausschusses zu diesen Ersucheno<strong>der</strong> Hinweisen werden beigefügt.<strong>Artikel</strong> 37 Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaatenund dem Ausschuss(1) Je<strong>der</strong> Vertragsstaat arbeitet mit dem Ausschusszusammen und ist seinen Mitglie<strong>der</strong>n bei <strong>der</strong> Erfüllungihres Mandats behilflich.(2) In seinen Beziehungen zu den Vertragsstaatenprüft <strong>der</strong> Ausschuss gebührend Möglichkeiten zurStärkung <strong>der</strong> einzelstaatlichen Fähigkeiten zur Durchführungdieses Übereinkommens, einschließlich durchinternationale Zusammenarbeit.<strong>Artikel</strong> 38Beziehungen des Ausschusses zu an<strong>der</strong>enOrganenUm die wirksame Durchführung dieses Übereinkommensund die internationale Zusammenarbeit auf demvon dem Übereinkommen erfassten Gebiet zu för<strong>der</strong>n,a) haben die Son<strong>der</strong>organisationen und an<strong>der</strong>e Organe<strong>der</strong> Vereinten Nationen das Recht, bei <strong>der</strong> Erörterung<strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong>jenigen Bestimmungen desÜbereinkommens, die in ihren Aufgabenbereich fallen,vertreten zu sein. Der Ausschuss kann, wenn er diesfür angebracht hält, Son<strong>der</strong>organisationen und an<strong>der</strong>ezuständige Stellen einladen, sachkundige Stellungnahmenzur Durchführung des Übereinkommens aufGebieten abzugeben, die in ihren jeweiligen Aufgabenbereichfallen. Der Ausschuss kann Son<strong>der</strong>organisationenund an<strong>der</strong>e Organe <strong>der</strong> Vereinten Nationeneinladen, ihm Berichte über die Durchführung desÜbereinkommens auf den Gebieten vorzulegen, die inihren Tätigkeitsbereich fallen;b) konsultiert <strong>der</strong> Ausschuss bei <strong>der</strong> Wahrnehmungseines Mandats, soweit angebracht, an<strong>der</strong>e einschlägigeOrgane, die durch internationale Menschenrechtsverträgegeschaffen wurden, mit dem Ziel, dieKohärenz ihrer jeweiligen Berichterstattungsleitlinien,Vorschläge und allgemeinen Empfehlungen zu gewährleistensowie Doppelungen und Überschneidungen bei<strong>der</strong> Durchführung ihrer Aufgaben zu vermeiden.<strong>Artikel</strong> 39Bericht des AusschussesDer Ausschuss berichtet <strong>der</strong> Generalversammlungund dem Wirtschafts- und Sozialrat alle zwei Jahreüber seine Tätigkeit und kann aufgrund <strong>der</strong> Prüfung<strong>der</strong> von den Vertragsstaaten eingegangenen Berichteund Auskünfte Vorschläge machen und allgemeineEmpfehlungen abgeben. Diese werden zusammen mitetwaigen Stellungnahmen <strong>der</strong> Vertragsstaaten in denAusschussbericht aufgenommen.<strong>Artikel</strong> 40Konferenz <strong>der</strong> Vertragsstaaten(1) Die Vertragsstaaten treten regelmäßig in einerKonferenz <strong>der</strong> Vertragsstaaten zusammen, um jedeAngelegenheit im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Durchführungdieses Übereinkommens zu behandeln.(2) Die Konferenz <strong>der</strong> Vertragsstaaten wird vomGeneralsekretär <strong>der</strong> Vereinten Nationen spätestenssechs Monate nach Inkrafttreten dieses Übereinkommenseinberufen. Die folgenden Treffen werden vomGeneralsekretär alle zwei Jahre o<strong>der</strong> auf Beschluss<strong>der</strong> Konferenz <strong>der</strong> Vertragsstaaten einberufen.<strong>Artikel</strong> 41Verwahrer 2Der Generalsekretär <strong>der</strong> Vereinten Nationen istVerwahrer 32Österreich, Schweiz: Depositar3Österreich, Schweiz: Depositar20


<strong>Artikel</strong> 42Unterzeichnung dieses Übereinkommens.Dieses Übereinkommen liegt für alle Staaten und fürOrganisationen <strong>der</strong> regionalen Integration ab dem 30.März 2007 am Sitz <strong>der</strong> Vereinten Nationen in NewYork zur Unterzeichnung auf.<strong>Artikel</strong> 43Zustimmung, gebunden zu seinDieses Übereinkommen bedarf <strong>der</strong> Ratifikation durchdie Unterzeichnerstaaten und <strong>der</strong> förmlichen Bestätigungdurch die unterzeichnenden Organisationen<strong>der</strong> regionalen Integration. Es steht allen Staateno<strong>der</strong> Organisationen <strong>der</strong> regionalen Integration, diedas Übereinkommen nicht unterzeichnet haben, zumBeitritt offen.<strong>Artikel</strong> 44Organisationen <strong>der</strong> regionalen Integration(1) Der Ausdruck „Organisation <strong>der</strong> regionalenIntegration“ bezeichnet eine von souveränen Staateneiner bestimmten Region gebildete Organisation, <strong>der</strong>ihre Mitgliedstaaten die Zuständigkeit für von diesemÜbereinkommen erfasste Angelegenheiten übertragenhaben. In ihren Urkunden <strong>der</strong> förmlichen Bestätigungo<strong>der</strong> Beitrittsurkunden erklären diese Organisationenden Umfang ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf diedurch dieses Übereinkommen erfassten Angelegenheiten.Danach teilen sie dem Verwahrer 4(2) Bezugnahmen auf „Vertragsstaaten“ in diesemÜbereinkommen finden auf solche Organisationen imRahmen ihrer Zuständigkeit Anwendung. jede erheblicheÄn<strong>der</strong>ung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mit.(3) Für die Zwecke des <strong>Artikel</strong>s 45 Absatz 1 unddes <strong>Artikel</strong>s 47 Absätze 2 und 3 wird eine von einerOrganisation <strong>der</strong> regionalen Integration hinterlegteUrkunde nicht mitgezählt.(4) Organisationen <strong>der</strong> regionalen Integration könnenin Angelegenheiten ihrer Zuständigkeit ihr Stimmrechtin <strong>der</strong> Konferenz <strong>der</strong> Vertragsstaaten mit <strong>der</strong> Anzahlvon Stimmen ausüben, die <strong>der</strong> Anzahl ihrer Mitgliedstaatenentspricht, die Vertragsparteiendieses Übereinkommens sind. Diese Organisationenüben ihr Stimmrecht nicht aus, wenn einer ihrer Mitgliedstaatensein Stimmrecht ausübt, und umgekehrt.<strong>Artikel</strong> 45Inkrafttreten(1) Dieses Übereinkommen tritt am dreißigsten Tagnach Hinterlegung <strong>der</strong> zwanzigsten Ratifikations- o<strong>der</strong>Beitrittsurkunde in Kraft.4Österreich, Schweiz: Depositar(2) Für jeden Staat und jede Organisation <strong>der</strong> regionalenIntegration, <strong>der</strong> beziehungsweise die dieses Übereinkommennach Hinterlegung <strong>der</strong> zwanzigsten entsprechendenUrkunde ratifiziert, förmlich bestätigt o<strong>der</strong>ihm beitritt, tritt das Übereinkommen am dreißigstenTag nach Hinterlegung <strong>der</strong> eigenen Urkunde in Kraft.<strong>Artikel</strong> 46Vorbehalte(1) Vorbehalte, die mit Ziel und Zweck dieses Übereinkommensunvereinbar sind, sind nicht zulässig.(2) Vorbehalte können je<strong>der</strong>zeit zurückgenommenwerden.<strong>Artikel</strong> 47Än<strong>der</strong>ungen(1) Je<strong>der</strong> Vertragsstaat kann eine Än<strong>der</strong>ung diesesÜbereinkommens vorschlagen und beim Generalsekretär<strong>der</strong> Vereinten Nationen einreichen. Der Generalsekretärübermittelt jeden Än<strong>der</strong>ungsvorschlag den Vertragsstaatenmit <strong>der</strong> Auffor<strong>der</strong>ung, ihm zu notifizieren,ob sie eine Konferenz <strong>der</strong> Vertragsstaaten zur Beratungund Entscheidung über den Vorschlag befürworten.Befürwortet innerhalb von vier Monaten nach demDatum <strong>der</strong> Übermittlung wenigstens ein Drittel <strong>der</strong>Vertragsstaaten eine solche Konferenz, so beruft <strong>der</strong>Generalsekretär die Konferenz unter <strong>der</strong> Schirmherrschaft<strong>der</strong> Vereinten Nationen ein. Jede Än<strong>der</strong>ung, dievon einer Mehrheit von zwei Dritteln <strong>der</strong> anwesendenund abstimmenden Vertragsstaaten beschlossen wird,wird vom Generalsekretär <strong>der</strong> Generalversammlung<strong>der</strong> Vereinten Nationen zur Genehmigung und danachallen Vertragsstaaten zur Annahme vorgelegt.(2) Eine nach Absatz 1 beschlossene und genehmigteÄn<strong>der</strong>ung tritt am dreißigsten Tag nach dem Zeitpunktin Kraft, zu dem die Anzahl <strong>der</strong> hinterlegten Annahmeurkundenzwei Drittel <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Vertragsstaatenzum Zeitpunkt <strong>der</strong> Beschlussfassung überdie Än<strong>der</strong>ung erreicht. Danach tritt die Än<strong>der</strong>ung fürjeden Vertragsstaat am dreißigsten Tag nach Hinterlegungseiner eigenen Annahmeurkunde in Kraft.Eine Än<strong>der</strong>ung ist nur für die Vertragsstaaten, die sieangenommen haben, verbindlich.(3) Wenn die Konferenz <strong>der</strong> Vertragsstaaten dies imKonsens beschließt, tritt eine nach Absatz 1 beschlosseneund genehmigte Än<strong>der</strong>ung, die ausschließlichdie <strong>Artikel</strong> 34, 38, 39 und 40 betrifft, für alle Vertragsstaatenam dreißigsten Tag nach dem Zeitpunkt inKraft, zu dem die Anzahl <strong>der</strong> hinterlegten Annahmeurkundenzwei Drittel <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Vertragsstaatenzum Zeitpunkt <strong>der</strong> Beschlussfassung über die Än<strong>der</strong>ungerreicht.<strong>Artikel</strong> 48KündigungEin Vertragsstaat kann dieses Übereinkommen durcheine an den Generalsekretär <strong>der</strong> Vereinten Nationen21


gerichtete schriftliche Notifikation kündigen. DieKündigung wird ein Jahr nach Eingang <strong>der</strong> Notifikationbeim Generalsekretär wirksam.<strong>Artikel</strong> 49Zugängliches Barrierefreies FormatDer Wortlaut dieses Übereinkommens wird in zugänglichenbarrierefreien Formaten zur Verfügunggestellt.<strong>Artikel</strong> 50Verbindliche WortlauteDer arabische, <strong>der</strong> chinesische, <strong>der</strong> englische, <strong>der</strong>französische, <strong>der</strong> russische und <strong>der</strong> spanische Wortlautdieses Übereinkommens sind gleichermaßenverbindlich.Zu Urkund dessen haben die unterzeichneten, von ihrenRegierungen hierzu gehörig befugten Bevollmächtigtendieses Übereinkommen unterschrieben.Fakultativprotokollzum Übereinkommen über die Rechtevon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenDie Vertragsstaaten dieses Protokollshaben Folgendes vereinbart:<strong>Artikel</strong> 1(1) Je<strong>der</strong> Vertragsstaat dieses Protokolls („Vertragsstaat“)anerkennt die Zuständigkeit des Ausschussesfür die Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen(„Ausschuss“) für die Entgegennahme und Prüfung vonMitteilungen, die von o<strong>der</strong> im Namen von seiner Hoheitsgewaltunterstehenden Einzelpersonen o<strong>der</strong> Personengruppeneingereicht werden, die behaupten, Opfereiner Verletzung <strong>der</strong> Bestimmungen des Übereinkommensdurch den betreffenden Vertragsstaat zu sein.(2) Der Ausschuss nimmt keine Mitteilung entgegen,die einen Vertragsstaat des Übereinkommens betrifft,<strong>der</strong> nicht Vertragspartei dieses Protokolls ist.<strong>Artikel</strong> 2Der Ausschuss erklärt eine Mitteilung für unzulässig,a) wenn sie anonym ist;b) wenn sie einen Missbrauch des Rechts auf Einreichungsolcher Mitteilungen darstellt o<strong>der</strong> mit denBestimmungen des Übereinkommens unvereinbar ist;c) wenn dieselbe Sache bereits vom Ausschuss untersuchtworden ist o<strong>der</strong> in einem an<strong>der</strong>en internationalenUntersuchungs- o<strong>der</strong> Streitregelungsverfahrengeprüft worden ist o<strong>der</strong> geprüft wird;d) wenn nicht alle zur Verfügung stehenden innerstaatlichenRechtsbehelfe erschöpft worden sind.Dies gilt nicht, wenn das Verfahren bei <strong>der</strong> Anwendungsolcher Rechtsbehelfe unangemessen langedauert o<strong>der</strong> keine wirksame Abhilfe erwarten lässt;e) wenn sie offensichtlich unbegründet ist o<strong>der</strong> nichthinreichend begründet wird o<strong>der</strong>f) wenn die <strong>der</strong> Mitteilung zugrunde liegenden Tatsachenvor dem Inkrafttreten dieses Protokolls für denbetreffenden Vertragsstaat eingetreten sind, es seidenn, dass sie auch nach diesem Zeitpunkt weiterbestehen.<strong>Artikel</strong> 3Vorbehaltlich des <strong>Artikel</strong>s 2 bringt <strong>der</strong> Ausschussjede ihm zugegangene Mitteilung dem Vertragsstaatvertraulich zur Kenntnis. Der betreffende Vertragsstaatübermittelt dem Ausschuss innerhalb von sechsMonaten schriftliche Erklärungen o<strong>der</strong> Darlegungenzur Klärung <strong>der</strong> Sache und <strong>der</strong> gegebenenfalls vonihm getroffenen Abhilfemaßnahmen.<strong>Artikel</strong> 4(1) Der Ausschuss kann je<strong>der</strong>zeit nach Eingangeiner Mitteilung und bevor eine Entscheidung in <strong>der</strong>Sache selbst getroffen worden ist, dem betreffendenVertragsstaat ein Gesuch zur sofortigen Prüfungübermitteln, in dem er aufgefor<strong>der</strong>t wird, die vorläufigenMaßnahmen zu treffen, die gegebenenfallserfor<strong>der</strong>lich sind, um einen möglichen nicht wie<strong>der</strong>gutzumachenden Schaden für das o<strong>der</strong> die Opfer <strong>der</strong>behaupteten Verletzung abzuwenden.(2) Übt <strong>der</strong> Ausschuss sein Ermessen nach Absatz1 aus, so bedeutet das keine Entscheidung über dieZulässigkeit <strong>der</strong> Mitteilung o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Sache selbst.<strong>Artikel</strong> 5Der Ausschuss berät über Mitteilungen aufgrunddieses Protokolls in nichtöffentlicher Sitzung. NachPrüfung einer Mitteilung übermittelt <strong>der</strong> Ausschussdem betreffenden Vertragsstaat und dem Beschwerdeführergegebenenfalls seine Vorschläge und Empfehlungen.<strong>Artikel</strong> 6(1) Erhält <strong>der</strong> Ausschuss zuverlässige Angaben, dieauf schwerwiegende o<strong>der</strong> systematische Verletzungen<strong>der</strong> in dem Übereinkommen nie<strong>der</strong>gelegten Rechtedurch einen Vertragsstaat hinweisen, so for<strong>der</strong>t <strong>der</strong>Ausschuss diesen Vertragsstaat auf, bei <strong>der</strong> Prüfung<strong>der</strong> Angaben mitzuwirken und zu diesen AngabenStellung zu nehmen.(2) Der Ausschuss kann unter Berücksichtigung <strong>der</strong>von dem betreffenden Vertragsstaat abgegebenenStellungnahmen sowie aller sonstigen ihm zur Verfügungstehenden zuverlässigen Angaben eines o<strong>der</strong>mehrere seiner Mitglie<strong>der</strong> beauftragen, eine Unter-22


suchung durchzuführen und ihm sofort zu berichten.Sofern geboten, kann die Untersuchung mit Zustimmungdes Vertragsstaats einen Besuch in seinemHoheitsgebiet einschließen.(3) Nachdem <strong>der</strong> Ausschuss die Ergebnisse einersolchen Untersuchung geprüft hat, übermittelt er siezusammen mit etwaigen Bemerkungen und Empfehlungendem betreffenden Vertragsstaat.(4) Der Vertragsstaat unterbreitet innerhalb von sechsMonaten nach Eingang <strong>der</strong> vom Ausschuss übermitteltenErgebnisse, Bemerkungen und Empfehlungendem Ausschuss seine Stellungnahmen.(5) Eine solche Untersuchung ist vertraulich durchzuführen;die Mitwirkung des Vertragsstaats ist auf allenVerfahrensstufen anzustreben.<strong>Artikel</strong> 7(1) Der Ausschuss kann den betreffenden Vertragsstaatauffor<strong>der</strong>n, in seinen Bericht nach <strong>Artikel</strong> 35des Übereinkommens Einzelheiten über Maßnahmenaufzunehmen, die als Reaktion auf eine nach <strong>Artikel</strong> 6dieses Protokolls durchgeführte Untersuchung getroffenwurden.(2) Sofern erfor<strong>der</strong>lich, kann <strong>der</strong> Ausschuss nach Ablaufdes in <strong>Artikel</strong> 6 Absatz 4 genannten Zeitraums vonsechs Monaten den betreffenden Vertragsstaat auffor<strong>der</strong>n,ihn über die als Reaktion auf eine solche Untersuchunggetroffenen Maßnahmen zu unterrichten.<strong>Artikel</strong> 8Je<strong>der</strong> Vertragsstaat kann zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Unterzeichnungo<strong>der</strong> Ratifikation dieses Protokolls o<strong>der</strong> seinesBeitritts dazu erklären, dass er die in den <strong>Artikel</strong>n6 und 7 vorgesehene Zuständigkeit des Ausschussesnicht anerkennt.<strong>Artikel</strong> 9Der Generalsekretär <strong>der</strong> Vereinten Nationen ist Verwahrer5<strong>Artikel</strong> 10 dieses Protokolls.Dieses Protokoll liegt für die Staaten und die Organisationen<strong>der</strong> regionalen Integration, die das Übereinkommenunterzeichnet haben, ab dem 30. März2007 am Sitz <strong>der</strong> Vereinten Nationen in New York zurUnterzeichnung auf.<strong>Artikel</strong> 11Dieses Protokoll bedarf <strong>der</strong> Ratifikation durch dieUnterzeichnerstaaten des Protokolls, die das Übereinkommenratifiziert haben o<strong>der</strong> ihm beigetreten sind.Es bedarf <strong>der</strong> förmlichen Bestätigung durch die Orga-nisationen <strong>der</strong> regionalen Integration, die das Protokollunterzeichnet haben und das Übereinkommenförmlich bestätigt haben o<strong>der</strong> ihm beigetreten sind.Das Protokoll steht allen Staaten o<strong>der</strong> Organisationen<strong>der</strong> regionalen Integration zum Beitritt offen, die dasÜbereinkommen ratifiziert beziehungsweise förmlichbestätigt haben o<strong>der</strong> ihm beigetreten sind und die dasProtokoll nicht unterzeichnet haben.<strong>Artikel</strong> 12(1) Der Ausdruck „Organisation <strong>der</strong> regionalenIntegration“ bezeichnet eine von souveränen Staateneiner bestimmten Region gebildete Organisation,<strong>der</strong> ihre Mitgliedstaaten die Zuständigkeit für vondem Übereinkommen und diesem Protokoll erfassteAngelegenheiten übertragen haben. In ihren Urkunden<strong>der</strong> förmlichen Bestätigung o<strong>der</strong> Beitrittsurkundenerklären diese Organisationen den Umfang ihrer Zuständigkeitenin Bezug auf die durch das Übereinkommenund dieses Protokoll erfassten Angelegenheiten.Danach teilen sie dem Verwahrer 6 jede maßgeblicheÄn<strong>der</strong>ung des Umfangs ihrer Zustndigkeiten mit.(2) Bezugnahmen auf „Vertragsstaaten“ in diesemProtokoll finden auf solche Organisationen im Rahmenihrer Zuständigkeit Anwendung. jede maßgeblicheÄn<strong>der</strong>ung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mit.(3) Für die Zwecke des <strong>Artikel</strong>s 13 Absatz 1 und des<strong>Artikel</strong>s 15 Absatz 2 wird eine von einer Organisation<strong>der</strong> regionalen Integration hinterlegte Urkunde nichtmitgezählt.(4) Organisationen <strong>der</strong> regionalen Integration könnenin Angelegenheiten ihrer Zuständigkeit ihr Stimmrechtbei dem Treffen <strong>der</strong> Vertragsstaaten mit <strong>der</strong> Anzahlvon Stimmen ausüben, die <strong>der</strong> Anzahl ihrer Mitgliedstaatenentspricht, die Vertragsparteien diesesProtokolls sind. Diese Organisationen üben ihr Stimmrechtnicht aus, wenn einer ihrer Mitgliedstaaten seinStimmrecht ausübt, und umgekehrt.<strong>Artikel</strong> 13(1) Vorbehaltlich des Inkrafttretens des Übereinkommenstritt dieses Protokoll am dreißigsten Tag nachHinterlegung <strong>der</strong> zehnten Ratifikations- o<strong>der</strong> Beitrittsurkundein Kraft.(2) Für jeden Staat und jede Organisation <strong>der</strong> regionalenIntegration, <strong>der</strong> beziehungsweise die diesesProtokoll nach Hinterlegung <strong>der</strong> zehnten entsprechendenUrkunde ratifiziert, förmlich bestätigt o<strong>der</strong> ihmbeitritt, tritt das Protokoll am dreißigsten Tag nachHinterlegung <strong>der</strong> eigenen Urkunde in Kraft.<strong>Artikel</strong> 14(1) Vorbehalte, die mit Ziel und Zweck dieses Protokollsunvereinbar sind, sind nicht zulässig.5Österreich, Schweiz: Depositar6Österreich, Schweiz: Depositar23


(2) Vorbehalte können je<strong>der</strong>zeit zurückgenommenwerden.<strong>Artikel</strong> 15(1) Je<strong>der</strong> Vertragsstaat kann eine Än<strong>der</strong>ung diesesProtokolls vorschlagen und beim Generalsekretär <strong>der</strong>Vereinten Nationen einreichen. Der Generalsekretärübermittelt jeden Än<strong>der</strong>ungsvorschlag den Vertragsstaatenmit <strong>der</strong> Auffor<strong>der</strong>ung, ihm zu notifizieren, obsie die Einberufung eines Treffens <strong>der</strong> Vertragsstaatenzur Beratung und Entscheidung über den Vorschlagbefürworten. Befürwortet innerhalb von vier Monatennach dem Datum <strong>der</strong> Übermittlung wenigstensein Drittel <strong>der</strong> Vertragsstaaten die Einberufung einessolchen Treffens, so beruft <strong>der</strong> Generalsekretär dasTreffen unter <strong>der</strong> Schirmherrschaft <strong>der</strong> VereintenNationen ein. Jede Än<strong>der</strong>ung, die von einer Mehrheitvon zwei Dritteln <strong>der</strong> anwesenden und abstimmendenVertragsstaaten beschlossen wird, wird vom Generalsekretär<strong>der</strong>Generalversammlung <strong>der</strong> Vereinten Nationen zurGenehmigung und danach allen Vertragsstaaten zurAnnahme vorgelegt.<strong>Artikel</strong> 16Ein Vertragsstaat kann dieses Protokoll durch eine anden Generalsekretär <strong>der</strong> Vereinten Nationen gerichteteschriftliche Notifikation kündigen. Die Kündigungwird ein Jahr nach Eingang <strong>der</strong> Notifikation beimGeneralsekretär wirksam.<strong>Artikel</strong> 17Der Wortlaut dieses Protokolls wird in zugänglichenbarrierefreien Formaten zur Verfügung gestellt.<strong>Artikel</strong> 18Der arabische, <strong>der</strong> chinesische, <strong>der</strong> englische, <strong>der</strong>französische, <strong>der</strong> russische und <strong>der</strong> spanische Wortlautdieses Protokolls sind gleichermaßen verbindlich.Zu Urkund dessen haben die unterzeichneten, vonihren jeweiligen Regierungen hierzu gehörig befugtenBevollmächtigten dieses Protokoll unterschrieben.(2) Eine nach Absatz 1 beschlossene und genehmigteÄn<strong>der</strong>ung tritt am dreißigsten Tag nach dem Zeitpunktin Kraft, zu dem die Anzahl <strong>der</strong> hinterlegten Annahmeurkundenzwei Drittel <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Vertragsstaatenzum Zeitpunkt <strong>der</strong> Beschlussfassung überdie Än<strong>der</strong>ung erreicht. Danach tritt die Än<strong>der</strong>ung fürjeden Vertragsstaat am dreißigsten Tag nach Hinterlegungseiner eigenen Annahmeurkunde in Kraft.Eine Än<strong>der</strong>ung ist nur für die Vertragsstaaten, die sieangenommen haben, verbindlich.<strong>24</strong>


Rede von Dr. Ilja Seifert zur ersten Lesung desGesetzentwurfs zur Ratifizierung <strong>der</strong> UN-KonventionDeutscher BundestagPlenarprotokoll 16/186, Berlin, Mittwoch,den 12. November 2008, S. 19908Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!Herr Staatssekretär, Sie haben es offenbar immernoch nicht begriffen: Diese Konvention wird nicht nurdas Leben von 600 Millionen Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenauf <strong>der</strong> Welt verän<strong>der</strong>n; diese Konventionhat das Potenzial, die Lebenssituation von uns allen– auch von Ihnen – zu verän<strong>der</strong>n. Das ist nämlich eineMenschenrechtskonvention und kein Behin<strong>der</strong>tenspezialgesetz.Das haben sogar Sie gesagt; aber Siehaben nicht gemerkt, welche Konsequenzen das hat.Das ist <strong>der</strong> unglaublich positive Aspekt daran: Es istdie erste Menschenrechtskonvention des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts.Wir reden hier nicht über Nichtigkeiten,son<strong>der</strong>n über etwas sehr Wichtiges.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN sowie <strong>der</strong> Abg. Silvia Schmidt [Eisleben] [SPD])In dem Zusammenhang muss ich schon einmal sagen:Wenn Sie behaupten, dass das nichts kostet, dannmachen Sie sich entwe<strong>der</strong> etwas vor o<strong>der</strong> Sie belügendie Bevölkerung o<strong>der</strong> – das wäre das Schlimmste – Siewollen es nicht. Wir brauchen nicht nur ein Gesetz,in dem steht, dass die Bundesrepublik Deutschlandmitbekommen hat, dass es diese Konvention gibt,son<strong>der</strong>n wir brauchen Umsetzungs- und Vollzugsgesetze.Nach meinem bisherigen Überblick werden das aufBundes- und Län<strong>der</strong>ebene mindestens ungefähr 300sein. Das ist das, was ich bis jetzt recherchiert habe.Vermutlich werden es am Ende noch mehr werden.Damit Sie wissen, was ich meine: Im § 201 des Strafgesetzbucheszum Beispiel geht es um den Schutz <strong>der</strong>Privatsphäre. Wo ist diese denn in irgendeinem Heimgegeben, wenn je<strong>der</strong> zur Tür hereinkommen kann?Das muss geän<strong>der</strong>t werden, wenn wir diese Konventionernst nehmen. Das war nur ein Beispiel, weilich nicht immer die aufzählen will, die je<strong>der</strong> schontausendmal gehört hat.Wir brauchen nicht nur ein Umsetzungs- und Vollzugsgesetz,son<strong>der</strong>n wir brauchen ein richtiges Konzept fürdie Umsetzung und den Vollzug dieser Konvention. Daskostet ein bisschen, vor allen Dingen natürlich geistigeAnstrengung und dann auch ein bisschen Geld.Ganz klar ist: Wir brauchen auch eine Übersetzung,die dem Geist dieser Konvention gerecht wird. WennSie nicht einmal bereit sind, anzuerkennen – das istmir durch die Antwort auf eine Anfrage gerade erstwie<strong>der</strong> bestätigt worden –, dass es auch an<strong>der</strong>e Übersetzungsmöglichkeitenals die gibt, die Sie uns hierständig vorhalten, dann hat das etwas mit Ignoranz zutun. Es gibt die „Schattenübersetzung“ des „Netzwerks<strong>Artikel</strong> 3“ – ich danke den Kolleginnen undKollegen aus <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenbewegung ausdrücklichdafür, dass sie sich diese Mühe gemacht haben –, inden wenigstens die gröbsten Fehler Ihrer Übersetzungausgemerzt sind.Deshalb werden die Linke und, wie ich hoffe, auch vielean<strong>der</strong>e Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundestagwenigstens darum kämpfen, dass die von Ihnen so abgeschwächteÜbersetzung nicht „als amtlich“ bezeichnetwird, damit sich anschließend niemand auf irgendeinean<strong>der</strong>e Übersetzung berufen kann. Das ist ein Trickvon Ihnen, den wir nicht durchgehen lassen können.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Das Gleiche gilt für die sogenannte Denkschrift. HerrHüppe hat behauptet, sie sei nicht Teil des Ratifizierungsprozesses.Dann verknüpfen Sie sie auch nichtdamit! Dann sollten Sie klipp und klar sagen, dass dieseDenkschrift nichts mit dem richtigen Leben zu tun hat(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hater doch gesagt!)– Entschuldigung, ich will das von <strong>der</strong> Regierunghören – und dass sie im Ratifizierungsprozess keineRelevanz hat. Dann kann nicht später, wenn sich dieRichter damit befassen müssen, vorgebracht werden,dass <strong>der</strong> Gesetzgeber diese Denkschrift einbezogenhat. Das muss raus.Weiterhin ist zu überlegen, wie die Kompetenzen aufBundes- und Län<strong>der</strong>ebene zu regeln sind. Die ganzeKleinstaaterei muss überdacht werden, ob es um dasBaurecht, das Schulrecht o<strong>der</strong> das Heimrecht geht.Das kann man nicht wie in Kleinstaaten jeweils unterschiedlichregeln.Ein weiterer Punkt: Wir können Menschen mit psychischenErkrankungen und Psychiatrieerfahrungen nichtim Regen stehen lassen, wenn sie dagegen kämpfen,zwangseingewiesen zu werden, nicht etwa, weil siesich selbst o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e gefährden, son<strong>der</strong>n nur deshalb,weil sie eine psychische Erkrankung haben.Ich denke, all diese Fragen müssen bedacht werden.Uns liegt ein unglaublich wichtiges Dokument vor.Selbst in <strong>der</strong> abgeschwächten Form ist es eine tolleKonvention. Aber lassen Sie sie in ihrer ursprünglichenForm wirken. Sorgen Sie dafür, dass nicht dieMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen sich <strong>der</strong> Umwelt anpassenmüssen, son<strong>der</strong>n passen Sie die Umwelt denMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen so an, dass sie darinleben können!Ich danke Ihnen.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)25


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11<strong>24</strong>416. Wahlperiode 03. 12. 2008Entschließungsantrag<strong>der</strong> Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, Diana Golze,Katja Kipping, Elke Reinke, Volker Schnei<strong>der</strong> (Saarbrücken), Frank Spieth,Jörn Wun<strong>der</strong>lich und <strong>der</strong> Fraktion DIE LINKE.zu <strong>der</strong> dritten Beratung des Gesetzentwurfs <strong>der</strong> Bundesregierung– Drucksachen 16/10808, 16/11197, 16/11234(neu) –Entwurf eines Gesetzeszu dem Übereinkommen <strong>der</strong> Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006über die Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungensowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006zum Übereinkommen <strong>der</strong> Vereinten Nationenüber die Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenDer Bundestag wolle beschließen:I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:1. Das Zustandekommen des Übereinkommens <strong>der</strong> Vereinten Nationen über dieRechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen (kurz: Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention)darf zweifelsohne als Meilenstein in <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenpolitik bezeichnetwerden, <strong>der</strong> vor allem dem jahrzehntelangen engagierten Kampf von Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen zu verdanken ist. Die Behin<strong>der</strong>tenrechtskonventionhebt die Behin<strong>der</strong>tenpolitik weltweit von <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Fürsorge auf dieEbene <strong>der</strong> Menschenrechtspolitik. Sie bietet hervorragende Möglichkeiten,die allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte dadurch zu stärken, indem sieendlich auch von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen in vollem Umfang geltendgemacht werden können.2. Subjektive Ansprüche für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen ergeben sich erstdurch Überführung <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Konvention benannten Rechte und Pflichten ininnerstaatliches Recht. Genau dieser Herausfor<strong>der</strong>ung stellt sich <strong>der</strong> vorliegendeGesetzentwurf nicht. Regelungen, die <strong>der</strong> Umsetzung des Inhalts <strong>der</strong>Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention auf nationaler Ebene dienen, lässt die Bundesregierungvollständig vermissen. Insbeson<strong>der</strong>e fehlt ein Umsetzungsplan, <strong>der</strong>verbindlich festlegt, wie und in welchem Zeitraum die deutsche Rechtsordnungden inhaltlichen Anfor<strong>der</strong>ungen des Übereinkommens nachkommenwird.3. Der vorliegende Gesetzentwurf schließt den Ratifizierungsprozess ab. Erregelt die Zustimmung und Bekanntmachung des Übereinkommens. Mit26


Drucksache 16/11<strong>24</strong>4 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. WahlperiodeAusnahme <strong>der</strong> Kosten für die Einrichtung einer unabhängigen Monitoringstellesoll es keinen Vollzugsaufwand geben. Im Gesetzentwurf heißt es:„Durch das Gesetz entstehen für Bund, Län<strong>der</strong> und Gemeinden keine weiterenKosten.“ Da die volle Teilhabe von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen aufkostenneutralem Wege realistisch betrachtet nicht erreichbar sein wird, resultierenaus dieser Initiative <strong>der</strong> Bundesregierung zunächst keinerlei Verän<strong>der</strong>ungenbzw. Verbesserungen für diese Personengruppe.4. Die in <strong>Artikel</strong> 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs mit dem Attribut „amtliche“versehene deutsche Übersetzung <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention istnicht mit <strong>der</strong> in New York von den Beteiligten und Betroffenen ausgehandelten(englischen) Originalfassung gleichzusetzen. Aufgrund <strong>der</strong> inadäquatenÜbersetzung von Wörtern mit hohem Bedeutungsgehalt wie „inclusion“ – in<strong>der</strong> vorliegenden Fassung mit Integration statt mit Inklusion übersetzt o<strong>der</strong>„to facilitate“ mit „erleichtern“ statt mit „ermöglichen“ – warnten Fachkreisebereits im Vorfeld erfolglos vor einer inhaltlichen Abschwächung des Konventionstextes.Diese Übersetzungsmängel können weit reichende Auswirkungenauf die Umsetzungspraxis beispielsweise im Hinblick auf die gemeinsameBildung behin<strong>der</strong>ter und nicht behin<strong>der</strong>ter Kin<strong>der</strong> haben. Wennauch das Übereinkommen offiziell nur in den sechs Amtssprachen <strong>der</strong> VereintenNationen rechtlich verbindlich ist, wird in <strong>der</strong> innerstaatlichen Praxisdennoch vorrangig die deutsche Fassung in Verwaltungs- und Gerichtsverfahrenzu Rate gezogen werden.5. Die dem vorliegenden Gesetzentwurf angehängte Denkschrift enthält Erläuterungenund Interpretationen <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Konvention formulierten <strong>Artikel</strong>sowie eine Stellungnahme <strong>der</strong> Bundesregierung zum innerstaatlichen Umsetzungsstand,welche die Realität allerdings verzerrt darstellt. Insbeson<strong>der</strong>ebieten die Rechtsvorschriften im Grundgesetz, Neunten Buch Sozialgesetzbuch,Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und in den Behin<strong>der</strong>tengleichstellungsgesetzenungenügenden Schutz vor Diskriminierung. Sie ermöglichenauch nicht, Chancengleichheit und Teilhabe in <strong>der</strong> Gesellschaft in <strong>der</strong>Praxis vollumfänglich herzustellen. Eine Denkschrift ist zwar rechtlich unverbindlich,dennoch wird sie als Teil des Gesetzentwurfes zu einem historischenArgument. Die Denkschrift erhält dadurch den Status eines Referenzdokumentes/einerAuslegungshilfe – sowohl für nachfolgende Bundesregierungensowie für die Län<strong>der</strong>, Kommunen und weitere für die Umsetzungverantwortlichen Institutionen als auch für Gesetzkommentierungen und Gerichtsprozesse.6. Die Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention enthält zahlreiche Bestimmungen, die bundeseinheitlichesVorgehen bzw. bundeseinheitliche Normen und Standardsanregt für Bereiche, die in <strong>der</strong> Zuständigkeit <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> liegen. Dies betrifftunter an<strong>der</strong>em das Heim- und Baurecht (barrierefreies Bauen) sowie die Bildungspolitik.Insofern ist <strong>der</strong> Bund gefor<strong>der</strong>t, hier initiativ zu werden und gegebenenfallsauch bestehende Zuständigkeiten zwischen Bund und Län<strong>der</strong>nauf den Prüfstand zu stellen.7. Die Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention enthält Bestimmungen, die Verän<strong>der</strong>ungen<strong>der</strong> in den Bundeslän<strong>der</strong>n erlassenen Gesetze über Schutz und Hilfen für psychischkranke Menschen (Psychischkrankengesetz, Unterbringungsgesetz,Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen etc.) notwendigmachen. Dies betrifft insbeson<strong>der</strong>e eingriffsintensive Maßnahmen,welche die Selbstbestimmung und Würde dieser Personengruppe massiv einschränkenbzw. übergehen.27


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11<strong>24</strong>4II. Der Deutsche Bundestag for<strong>der</strong>t die Bundesregierung auf,1. bis zum 30. Juni 2009 ein Umsetzungsgesetz vorzulegen, das einen konkretenUmsetzungsplan sowie den Auftrag an Bund, Län<strong>der</strong> und Kommunenenthält, dem Übereinkommen <strong>der</strong> Vereinten Nationen über die Rechte vonMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen entsprechende gesetzgeberische Än<strong>der</strong>ungenunverzüglich einzuleiten. Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen und sie vertretendeOrganisationen sind dabei aktiv und stetig einzubeziehen;2. in Abstimmung mit den Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen und sie vertretendenOrganisationen eine Übersetzung als zukünftiges Referenzdokument zu erarbeiten,die <strong>der</strong> Zielsetzung des Übereinkommens entspricht und die deutsche– als „amtlich“ bezeichnete – Übersetzung <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenrechtskonventionersetzt. Dabei sollte die von <strong>der</strong> Betroffenenorganisation NETZWERKARTIKEL 3 e. V. vorgelegte „Schattenübersetzung“ als Grundlage dienen;3. unmissverständlich klar zu stellen, dass es sich bei <strong>der</strong> dem Gesetzentwurfanhängenden Denkschrift nicht um ein für die Auslegungspraxis relevantesDokument handelt;4. bestehende Zuständigkeiten zwischen Bund und Län<strong>der</strong>n auf den Prüfstandzu stellen, um den Umsetzungsprozess <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention,insbeson<strong>der</strong>e in den Bereichen Baurecht, Bildungspolitik und Heimrecht,sicherzustellen;5. darauf hinzuwirken, die von den Bundeslän<strong>der</strong>n erlassenen Gesetze überSchutz und Hilfen für psychisch kranke Menschen auf den Prüfstand zu stellenund unter aktiver Einbeziehung von Menschen mit psychischen Krankheitenzu debattieren, inwieweit Freiheitsentziehung zum Zweck <strong>der</strong> Gefahrenabwehr– konkret Selbst- und Fremdgefährdung – erlaubt sein kann.Berlin, den 2. Dezember 2008Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und FraktionGesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 BerlinVertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Amsterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Telefax (02 21) 97 66 83 44ISSN 0722-833328


Rede von Dr. Ilja Seifert zur zweiten Lesung desGesetzentwurfs zur Ratifizierung <strong>der</strong> UN-KonventionDeutscher BundestagPlenarprotokoll 16/193, Berlin, Donnerstag,den 4. Dezember 2008, S. 20964Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen ist ein großer Wurf. Wenn diese ersteMenschenrechtskonvention des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts ihreWirkung voll entfaltet, verän<strong>der</strong>t das nicht nur dasLeben von 600 Millionen Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenauf <strong>der</strong> Welt und über acht Millionen Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen in Deutschland, son<strong>der</strong>n auchdie Gesellschaft im Ganzen und die Lebenssituationvon uns allen, auch von Ihnen, meine Damen undHerren. Daran än<strong>der</strong>n we<strong>der</strong> die kleinlichen Versuche<strong>der</strong> Bundesregierung, die Konvention durch eineinadäquate Übersetzung und eine wirklichkeitsfremdeDenkschrift abzuschwächen, noch die ebenso peinlichePlatzierung <strong>der</strong> Beratungen im Bundestag zumitternächtlicher Stunde durch die Koalitionsfraktionenetwas. Bezeichnend bleibt die Art und Weise <strong>der</strong>Ratifizierung <strong>der</strong> UN-Konvention in unserem Land. Fürmich war die Erarbeitung <strong>der</strong> Konvention unter aktiverMitwirkung <strong>der</strong> Betroffenen am UN-Hauptquartier inNew York beispielhaft. Die Tatsache, dass die BRDzu den Erstunterzeichnern gehörte, hat mich sehrgefreut. Danach begann das fast zwei Jahre dauerndeTrauerspiel, dessen Ergebnis wir heute auf dem Tischhaben. Wenn dann mein geschätzter Kollege HubertHüppe, CDU, in einem Zeitungsinterview sagt: „Mirwäre Genauigkeit lieber gewesen als Schnelligkeit.Viele Selbsthilfeverbände haben darauf gedrängt,mit <strong>der</strong> Ratifikation unbedingt in diesem Jahr fertigzu werden … Ich selbst habe sowohl Probleme mit<strong>der</strong> deutschen Übersetzung wie auch mit <strong>der</strong> sogenanntenDenkschrift <strong>der</strong> Bundesregierung.“ Das istschon sehr unverfroren. Nun schiebt er auch noch<strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenbewegung die Schuld für die skandalöseÜbersetzung und Denkschriftin die Schuhe.Dabei ist die Ursache nicht die fehlende Zeit, son<strong>der</strong>n<strong>der</strong> mangelnde Wille in seiner Partei und bei seinemKoalitionspartner.Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Die UN-Konventionist für uns, die Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen,unsere Angehörigen und die selbstbestimmte Behin<strong>der</strong>tenbewegungals Ganzes ein wichtiges Instrumentim Kampf um unser Recht auf umfassende Teilhabeam Leben in <strong>der</strong> Gesellschaft und um die freie Entfaltungunserer Persönlichkeit. Sie, die Regierungenin Bund und Län<strong>der</strong>n, können uns die Handhabungvielleicht erschweren, aber nicht verhin<strong>der</strong>n. Und dieLinke wird fest an <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> emanzipatorischenBehin<strong>der</strong>tenbewegung stehen.Die Konvention mit ihren 50 <strong>Artikel</strong>n stellt praktischalle Politikbereiche vor neue Herausfor<strong>der</strong>ungen. Ichgreife hier beispielhaft nur vier heraus.In Art. 19 „Selbstbestimmt Leben und Einbeziehungin die Gemeinschaft“ heißt es im Punkt a): DieVertragsstaaten gewährleisten, dass „Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen gleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en dieMöglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählenund zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, undnicht verpflichtet sind, in beson<strong>der</strong>en Wohnformenzu leben“. Dies for<strong>der</strong>t unter an<strong>der</strong>em umfassendeVerän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Wohnungspolitik, ebenso imHeimrecht und in <strong>der</strong> Heimpraxis. Auch muss barrierefreiesBauen in allen Bereichen zur Regel werden.Mit Art. <strong>24</strong> „Bildung“ haben die Vertragsstaatenunter an<strong>der</strong>em sicherzustellen, dass „Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen gleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en in <strong>der</strong>Gemeinschaft, in <strong>der</strong> sie leben, Zugang zu eineminklusiven, hochwertigen und unentgeltlichen Unterrichtan Grundschulen und weiterführenden Schulenhaben“, siehe Abs. 2 b. In Deutschland können <strong>der</strong>zeitgerade einmal 15 Prozent <strong>der</strong> Schülerinnen undSchüler mit Behin<strong>der</strong>ungen an Regelschulen lernen –85 Prozent bleibt dies noch verwehrt.Mit Art. 32 „Internationale Zusammenarbeit“ sind dieStaaten gefor<strong>der</strong>t, dass die internationale Zusammenarbeiteinschließlich internationaler EntwicklungsprogrammeMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen einbeziehtund sie die dazu erfor<strong>der</strong>liche Barrierefreiheit schaffen.Und wenn man Art. 4 „Allgemeine Verpflichtungen“ernst nimmt, darf es zum Beispiel kein För<strong>der</strong>programmvon Trägern <strong>der</strong> öffentlichen Gewalt mehrgeben, welches nicht im Einklang mit <strong>der</strong> Konventionhandelt. Öffentlich geför<strong>der</strong>te Infrastrukturprojekte,kulturelle Aktivitäten o<strong>der</strong> Jugendaustausche, dienicht barrierefrei sind, darf es künftig nicht mehrgeben.„Nichts über uns ohne uns“ – dieses Credo <strong>der</strong>Behin<strong>der</strong>tenbewegung spiegelt sich ebenfalls in Art. 4Abs. 3 wi<strong>der</strong>, in dem es heißt: „Bei <strong>der</strong> Ausarbeitungund Umsetzung von Rechtsvorschriften und politischenKonzepten … bei … Entscheidungsprozessen inFragen, die Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen betreffen,führen die Vertragsstaaten mit den Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen, einschließlich Kin<strong>der</strong> mit Behin<strong>der</strong>ungen,über die sie vertretenden Organisationen engeKonsultationen und beziehen sie aktiv ein.“ DieseVerpflichtung zur aktiven Einbeziehung gilt für nahezualle Politikfel<strong>der</strong> in Bund, Län<strong>der</strong>n und Kommunen.Bei <strong>der</strong> raschen Erarbeitung eines Umsetzungskonzeptes<strong>der</strong> Konvention in das politische und praktischeAlltagsleben könnte das gleich mal praktiziertwerden. Erst gestern erklärten sich die im DeutschenBehin<strong>der</strong>tenrat, DBR, zusammengeschlossenen Organisationendazu abermals ausdrücklich bereit. GreifenSie das Angebot auf!29


Erstaunlich ist, wenn heute Vertreter aller Fraktionenund die gesamte Behin<strong>der</strong>tenbewegung auf diegravierenden Fehler <strong>der</strong> vorliegenden deutschenÜbersetzung mit ihren inhaltlichen Auswirkungenverweisen und die Bundesregierung an<strong>der</strong>erseits imWissen um diese ihre Übersetzung mit dem Gesetzzur „amtlichen“ erklärt. Auf meine Anfrage erläutertsie am 11. November dann auch noch, dass sie„keinen Anlass für eine Modifikation des deutschenTextes“ sieht, Drucksache 16/10945. Deswegen <strong>der</strong>Än<strong>der</strong>ungsantrag <strong>der</strong> Linken, das Wort „amtlich“ zustreichen. Damit gäbe <strong>der</strong> Bundestag ein Signal, dasszum Beispiel unter Einbeziehung <strong>der</strong> „Schattenübersetzung“von Netzwerk Art. 3 – ich verwende sie,auch in dieser Rede – diese Übersetzung noch einmalauf den Prüfstand kommt. Insofern werbe ich hier umZustimmung von allen Fraktionen.Die Linke for<strong>der</strong>t mit ihrem heute auch zur Abstimmungstehenden Entschließungsantrag Korrekturenan <strong>der</strong> vorliegenden Übersetzung, eine klare Distanzierungvon <strong>der</strong> wirklichkeitsverfälschenden Denkschriftund vor allem ein Konzept zur Umsetzung <strong>der</strong>Konvention ins Bundes- und Län<strong>der</strong>recht und ins realeLeben. Ähnliche For<strong>der</strong>ungen finden sich auch in denAnträgen <strong>der</strong> Grünen und <strong>der</strong> Koalition – denen wirdeswegen ebenfalls zustimmen werden. Das betrifftauch den FDP-Antrag, wobei ich hier ausdrücklichPunkt 2 des Antrages wi<strong>der</strong>spreche. Es ist eine Mär,wenn Sie behaupten, dass eine Stärkung <strong>der</strong> Rechtevon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen, zum Beispiel <strong>der</strong>Kündigungsschutz und Zusatzurlaub im Arbeitsrecht,die Ursache für die doppelt so hohe Arbeitslosigkeitvon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen im Vergleich zu den„Schwerstmehrfachnormalen“ seien. Allerdings gebensie damit auch ein klares Signal, was für ein elitäresFreiheitsideal und Menschenbild die FDP vertritt.Abschließend möchte ich mich namens <strong>der</strong> Linkensehr herzlich bei denen bedanken, die als Teil <strong>der</strong>selbstbestimmten Behin<strong>der</strong>tenbewegung maßgeblichenAnteil am Zustandekommen <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenrechtskonventionhaben. Stellvertretend nenne ichhier Professor Theresia Degener, Dr. Sigrid Arnade,Sabine Häfner und Klaus Lachwitz.Wenn man sich nur vor Augen hält, wie weit dieDefinition von Behin<strong>der</strong>ung in <strong>der</strong> UN-Konvention von<strong>der</strong> in einschlägigen deutschen Gesetzen entfernt ist,ahnt man die Größe <strong>der</strong> Aufgabe, die vor uns liegt,und die Kraft, die sich entfalten kann, wenn sie nurwirklich freigesetzt wird: „Das Verständnis von Behin<strong>der</strong>ung(entwickelt) sich ständig weiter und … Behin<strong>der</strong>ung(entsteht) aus <strong>der</strong> Wechselwirkung zwischenMenschen mit Beeinträchtigungen und einstellungsundumweltbedingten Barrieren …, die sie an <strong>der</strong>vollen und wirksamen Teilhabe auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong>Gleichberechtigung mit an<strong>der</strong>en an <strong>der</strong> Gesellschafthin<strong>der</strong>n.“ So heißt es in <strong>der</strong> Präambel, Punkt e. Sicher,mit <strong>der</strong> Ratifizierung <strong>der</strong> Konvention ist zunächst nurein kleines Problem gelöst. Trotzdem haben wir heuteeinen Grund zum Feiern. Morgen beginnt <strong>der</strong> Kampf,um die Umsetzung <strong>der</strong> Konvention ins Alltagsleben.30


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1407416. Wahlperiode 23. 09. 2009Antwort<strong>der</strong> Bundesregierungauf die Kleine Anfrage <strong>der</strong> Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Klaus Ernst,Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und <strong>der</strong> Fraktion DIE LINKE.– Drucksache 16/14008 –Schritte zur Umsetzung <strong>der</strong> UN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention IIVo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e rDie UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen (UN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention) ist nun nach <strong>der</strong>en Ratifikation sowohl innerstaatlichals auch völkerrechtlich verbindlich in Kraft. Zur Einhaltung diesesvölkerrechtlichen Vertrages sind vielfältige Anpassungen im behin<strong>der</strong>tenrechtlichenBereich notwendig. Die Behin<strong>der</strong>tenbeauftragte <strong>der</strong> Bundesregierung,Karin Evers-Meyer, führte zusammen mit Betroffenenverbänden dieVeranstaltungsreihe „alle inklusive!“ durch, bei <strong>der</strong> notwendige Handlungsbedarfein Deutschland diskutiert wurden. Laut Karin Evers-Meyer sind nochviele Maßnahmen notwendig, um die Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Konvention zu erfüllenund Gesetzeslücken zu schließen. Die Ergebnisse <strong>der</strong> Veranstaltungsreihesollen ihrer Ansicht nach in den Aktionsplan <strong>der</strong> Bundesregierung zur Umsetzung<strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention einfließen.1. Ist <strong>der</strong> Meinungsbildungsprozess innerhalb <strong>der</strong> Bundesregierung bezüglich<strong>der</strong> Entwicklung eines Aktionsplans zur Umsetzung <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenrechtskonventionnunmehr positiv abgeschlossen (vgl. Antwort <strong>der</strong> Bundesregierungauf die Kleine Anfrage <strong>der</strong> Fraktion DIE LINKE. vom12. März 2009, Bundestagsdrucksache 16/12<strong>24</strong>0)?Falls ja, wie ist <strong>der</strong> Zeitplan?Falls nein, warum nicht?2. Welche Verbindlichkeit hätte ein Aktionsplan für die Bundeslän<strong>der</strong> bezüglich<strong>der</strong> Politikbereiche, die ausschließlich in <strong>der</strong>en Gesetzgebungskompetenzfallen, und welche Rolle spielen dabei das Lindauer Abkommen sowiedas Wiener Übereinkommen über das Recht <strong>der</strong> Verträge – hier insbeson<strong>der</strong>e<strong>Artikel</strong> 27: „Eine Vertragspartei kann sich nicht auf ihr innerstaat-Die Antwort wurde namens <strong>der</strong> Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom21. September 2009 übermittelt.Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.31


Drucksache 16/14074 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiodeliches Recht berufen, um die Nichterfüllung eines Vertrags zurechtfertigen“?3. Was wird die Bundesregierung tun, um die Län<strong>der</strong> und Kommunen bei <strong>der</strong>Umsetzung <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention zu unterstützen?Die Bundesregierung prüft <strong>der</strong>zeit geeignete Wege zur Umsetzung <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ungdes Übereinkommens, Behin<strong>der</strong>ung als Teil <strong>der</strong> Vielfalt menschlichenLebens wahrzunehmen und behin<strong>der</strong>ten Menschen eine selbstbestimmte unddiskriminierungsfreie Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.Dabei wird auch die Möglichkeit, einen Aktionsplan zu entwickeln, in Betrachtgezogen. Ausgangspunkt für alle <strong>der</strong>zeit stattfindenden Vorüberlegungen vonSeiten des für das Übereinkommen zuständigen Bundesministeriums für Arbeitund Soziales (BMAS) sind die Handreichungen <strong>der</strong> Vereinten Nationen zurEntwicklung von Aktionsplänen im Menschenrechtsbereich (Handbook onNational Human Rights Plans of Action, 2008).Der Meinungsbildungsprozess <strong>der</strong> Bundesregierung soll zu Beginn <strong>der</strong> kommendenLegislaturperiode einen Abschluss finden.Die Bundesregierung wird die wesentlichen Akteure einschließlich <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>,Kommunen und <strong>der</strong> Zivilgesellschaft eng in die Planungen zur Umsetzung desÜbereinkommens einbeziehen. Sie steht darüber hinaus je<strong>der</strong>zeit als AnsprechundKooperationspartner zur Verfügung. Gleichzeitig achtet und wahrt dieBundesregierung die im Grundgesetz vorgesehene Kompetenzverteilungzwischen Bund, Län<strong>der</strong>n und Kommunen.4. Hält es die Bundesregierung im Rahmen des Umsetzungsprozesses für notwendig,einen für alle Sozialgesetzbücher geltenden einheitlichen Behin<strong>der</strong>ungsbegriffzu entwickeln, <strong>der</strong> die dynamische Definition in <strong>der</strong> Präambel<strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention aufgreift?Falls ja, wird dieser Behin<strong>der</strong>ungsbegriff analog dem Pflegebedürftigkeitsbegriffunter Einbindung eines wissenschaftlichen Instituts entwickelt?Falls nein, wie wird die Bundesregierung sonst den <strong>Artikel</strong>n 2 (Begriffsbestimmungen)und 4 (Allgemeine Verpflichtungen) <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenrechtskonventiongerecht werden?Die Bundesregierung sieht <strong>der</strong>zeit keinen Anlass zur Überarbeitung des Begriffes<strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), auf denauch § 19 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) und § 53 des ZwölftenBuches Sozialgesetzbuch (SGB XII) verweisen. Die Notwendigkeit einerNeuformulierung ergibt sich auch nicht aus den <strong>Artikel</strong>n 2 o<strong>der</strong> 4 des VN-Übereinkommens. Beide <strong>Artikel</strong> beinhalten keine Aussage zur Ausgestaltungdes Behin<strong>der</strong>ungsbegriffes.5. Wann wird mit <strong>der</strong> Prüfung begonnen, ob bzw. welche bestehende innerstaatlicheGesetze und Verordnungen mit <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenrechtskonventionkompatibel sind?Wie viel Zeit wird dies nach Einschätzung <strong>der</strong> Bundesregierung in Anspruchnehmen?Die Bundesregierung hat im Vorfeld <strong>der</strong> Ratifikation des VN-Übereinkommensdie Vereinbarkeit <strong>der</strong> deutschen Rechtslage mit dem VN-Übereinkommen geprüft.Das Ergebnis <strong>der</strong> Prüfung ist in <strong>der</strong> Denkschrift zum „Gesetzentwurf fürein Gesetz zum Übereinkommen <strong>der</strong> Vereinten Nationen vom 13. Dezember2006 über die Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen sowie zum Fakultativ-32


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/14074protokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen <strong>der</strong> Vereinten Nationenüber die Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen” festgehalten. Demnachbesteht innerhalb <strong>der</strong> Bundesregierung Einigkeit darüber, dass die deutscheRechtslage grundsätzlich den <strong>der</strong>zeitigen Anfor<strong>der</strong>ungen des VN-Übereinkommensgenügt. Die Denkschrift betont gleichzeitig, dass das VN-Übereinkommendie Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen stärkt und damit wichtigeImpulse für die weiteren Verän<strong>der</strong>ungsprozesse mit dem Ziel <strong>der</strong> vollen Teilhabevon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen an <strong>der</strong> Gesellschaft setzt.6. Wie bewertet die Bundesregierung die folgenden Ergebnisse <strong>der</strong> Veranstaltungsreihe„alle inklusive!“, und wie wird sie zu <strong>der</strong>en Umsetzung beitragena) in Bezug darauf, dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen in allen Belangenzu Ehe, Partnerschaft, Familie o<strong>der</strong> Elternschaft selbst entscheiden undihr Leben mit <strong>der</strong> notwendigen Unterstützung gestalten können sollen,b) in Bezug auf die Schaffung eines vermögens- und einkommensunabhängigenTeilhabesicherungsgesetzes,c) in Bezug auf die Schaffung wirksamer Beschwerdemöglichkeiten,d) in Bezug darauf, ein gut vernetztes differenziertes Angebot an Hilfenund barrierefreier Infrastruktur in allen Lebensbereichen zu schaffen,das den individuellen Bedürfnissen von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung gerechtwird,e) in Bezug darauf, geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen einen angemessenen Lebensstandard und sozialenSchutz zu sichern – unterstützt von gemeindenahen Diensten und persönlichenAssistenzen,f) in Bezug auf den Abbau sozialrechtlicher Barrieren für ambulante Unterstützung,g) in Bezug darauf, Fähigkeiten und individuellen Assistenzbedarf chronischkranker o<strong>der</strong> behin<strong>der</strong>ter Eltern anzuerkennen,h) in Bezug auf die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Schulgesetze, um inklusive Bildung zugewährleisten einschließlich des Elternwahlrechts,i) in Bezug darauf, Mindeststandards und Leitlinien zur Zugänglichkeitvon öffentlichen Einrichtungen und Diensten sowie für private Anbieterzu erarbeiten und <strong>der</strong>en Einhaltung zu überwachen,j) in Bezug darauf, das „Universal Design“ als Gestaltungsprinzip zu etablieren,k) in Bezug darauf, Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen den barrierefreien Zugangzu allen Verkehrsmitteln zu ermöglichen,l) in Bezug darauf, Gewalt gegen behin<strong>der</strong>ten Frauen und Diskriminierungbei <strong>der</strong> Gesundheitsversorgung entgegenzuwirken sowie selbstbestimmteMutterschaft und Erwerbsarbeit von Frauen mit Behin<strong>der</strong>ungenzu för<strong>der</strong>n,m) in Bezug darauf, dass Berufsvorbereitung für junge behin<strong>der</strong>te Menschenschon in <strong>der</strong> Schule beginnen muss und bei den Kommunen undAgenturen für Arbeit in ausreichendem Umfang qualifizierte Beratungs-und Vermittlungsangebote zur Verfügung stehen müssen,n) in Bezug auf die Stärkung <strong>der</strong> Schwerbehin<strong>der</strong>tenvertretungen,o) in Bezug darauf, im Bereich <strong>der</strong> medizinischen Rehabilitation ein ganzheitliches,qualitativ hochwertiges Versorgungskonzept über alle Versorgungsschnittstellenhinweg zu entwickeln,33


Drucksache 16/14074 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiodep) in Bezug darauf, im Bereich <strong>der</strong> sozialen Rehabilitation vermögensunabhängigeLeistungen zu gewährleisten, um Teilhabe am Leben in <strong>der</strong>Gemeinschaft sicherzustellen,q) in Bezug auf die Verankerung des unmissverständlichen Rechts auf geschlechtergleichePflegekräfte?Unter dem Motto „Alle inklusive! Die neue UN-Konvention“ hat die Beauftragte<strong>der</strong> Bundesregierung für die Belange behin<strong>der</strong>ter Menschen Karin Evers-Meyer gemeinsam mit verschiedenen Verbänden behin<strong>der</strong>ter Menschen vonJanuar bis März 2009 acht eintägige Fachkonferenzen zu acht verschiedenenThemenfel<strong>der</strong>n des VN-Übereinkommens durchgeführt. Im Fokus standen dieThemen Bildung, Gesundheit, Gleichstellung/Antidiskriminierung, Freiheit,Schutz und Sicherheit, Rehabilitation und Erwerbsarbeit, Frauen, Barrierefreiheitsowie Selbstbestimmtes Leben und soziale Sicherheit.Die Kampagne verfolgte drei Ziele:●●●Das Motto „Nichts über uns ohne uns!“, unter dem das VN-Übereinkommenverhandelt worden war, sollte durch die Beteiligung <strong>der</strong> Organisationen behin<strong>der</strong>terMenschen weitergeführt werden.Durch einen Vergleich <strong>der</strong> Situation in Deutschland mit den Vorgaben desVN-Übereinkommens sollte <strong>der</strong> legislative und sonstige Handlungsbedarf inDeutschland identifiziert werden.Durch begleitende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sollten die Inhalte desVN-Übereinkommens bekannt gemacht werden.Die Bundesregierung misst den Vorstellungen und Wünschen <strong>der</strong> an <strong>der</strong> Kampagne<strong>der</strong> Beauftragten <strong>der</strong> Bundesregierung für die Belange behin<strong>der</strong>ter Menschenbeteiligten Verbände und ihren als „Expertinnen und Experten in eigenerSache“ abgegebenen Stellungnahmen einen hohen Stellenwert bei.Die Bundesregierung hat zu einzelnen Aspekten bereits in dieser Legislaturperiodedes Deutschen Bundestages Stellung genommen. Darüber hinaus bedarfes weiterer umfassen<strong>der</strong> Diskussionen mit allen Beteiligten einschließlich <strong>der</strong>Län<strong>der</strong>, Kommunen und <strong>der</strong> Zivilgesellschaft. Im Übrigen sollte dem neuenDeutschen Bundestag und <strong>der</strong> neuen Bundesregierung nicht vorgegriffen werden.Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 BerlinVertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Amsterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Telefax (02 21) 97 66 83 44ISSN 0722-833334


Auszug aus dem Koalitionsvertrag»Wachstum. Bildung. Zusammenhalt«zwischen CDU, CSU und FDP.17. Legislaturperiode7.4. Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen»Wir treten für eine tatsächliche Teilhabe von Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen am gesellschaftlichenLeben ein. Unser Ziel ist, die Rahmenbedingungenfür Menschen mit und ohne Behin<strong>der</strong>ungen positiv zugestalten. Voraussetzung hierfür ist u. a. die Barrierefreiheitin allen Bereichen von Schule über Ausbildungbis zum Beruf sowie von Verkehr über Medien undKommunikationstechnik bis hin zum Städtebau.Politische Entscheidungen, die Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungendirekt o<strong>der</strong> indirekt betreffen, müssen sichan den Inhalten <strong>der</strong> UN-Konvention über die Rechte<strong>der</strong> Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen messen lassen.Deshalb werden wir einen Aktionsplan zur Umsetzung<strong>der</strong> UN-Konvention über die Rechte von Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen entwickeln.«Quelle: CDU, CSU und FDP 2009: S 83 f.35


Deutscher Bundestag Drucksache 17/157817. Wahlperiode 04. 05. 2010Antrag<strong>der</strong> Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Martina Bunge, Heidrun Bluhm,Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Jan Korte, Dr. Gesine Lötzsch, Cornelia Möhring,Wolfgang Neskovic, Petra Pau, Jens Petermann, Raju Sharma, Kathrin Senger-Schäfer, Frank Tempel, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak, Harald Weinbergund <strong>der</strong> Fraktion DIE LINKE.Aktionsplan zur Umsetzung <strong>der</strong> UN-Konvention über die Rechte von Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen vorlegenDer Bundestag wolle beschließen:I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:Nach 30 Jahren Engagement <strong>der</strong> internationalen Behin<strong>der</strong>tenbewegung entstanddie UN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention (<strong>BRK</strong>), die für Deutschland am 26. März2009 völkerrechtlich verbindlich wurde.Ziel <strong>der</strong> Konvention ist die volle und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschenmit sichtbaren und/o<strong>der</strong> nicht sichtbaren Behin<strong>der</strong>ungen. Dies setzt die uneingeschränkteGeltung aller Menschen- und Bürgerrechte auch für Frauen undMänner mit Behin<strong>der</strong>ungen voraus. Die <strong>BRK</strong> begründet eine Abkehr vomprimären Ansatz <strong>der</strong> Fürsorge und <strong>der</strong> Definition vermeintlicher Defizite.Behin<strong>der</strong>ung wird in <strong>der</strong> Konvention als Wechselwirkung zwischen Menschenmit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren definiert.Damit ist Behin<strong>der</strong>ung nicht mehr als ein natürliches Faktum zu betrachten,son<strong>der</strong>n als ein Resultat gesellschaftlichen Handelns (sozial konstruiert) zuverstehen. Die aus vermeintlichen „Defiziten“ erwachsenden Behin<strong>der</strong>ungensind demnach gesellschaftlich produziert, weshalb sie auch von Menschen selbstbeseitigt bzw. ausgeglichen werden können und müssen. Weil Beeinträchtigungensomit als sozial konstruiert anerkannt werden, sind sie als strukturelles Unrechtzu identifizieren.Die Konvention hat das Potential, das Leben von Menschen mit und ohneBehin<strong>der</strong>ungen positiv zu verän<strong>der</strong>n: mehr Teilhabe und freiere Persönlichkeitsentfaltungdurch Barrierenbeseitigung, Schaffung diskriminierungsfreierVerhältnisse sowie das Verständnis von Vielfalt als Bereicherung.Die Präambel betont, dass die Bedeutung in <strong>der</strong> Anerkennung des wertvollenBeitrags liegt, den Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zum allgemeinen Wohl undzur Vielfalt ihrer Gemeinschaft leisten. Eine Gesellschaft, die den Fähigkeitenvon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen Raum gibt und Aufmerksamkeit widmet, erfährteinen Zugewinn an Humanität und kultureller Vielfalt. Eine inklusive Gesellschaft,wie sie in <strong>der</strong> <strong>BRK</strong> entworfen wird, integriert nicht, son<strong>der</strong>n schließtBehin<strong>der</strong>ung von vornherein als Bestandteil menschlichen Lebens mit ein. Esgeht um das „Sosein“, nicht um das „An<strong>der</strong>ssein“. Es geht um individuelle Freiheitjenseits von Normierung. Es geht um Ermöglichung statt Kompensierung.36


Drucksache 17/1578 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. WahlperiodeMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen sind in Deutschland benachteiligt und werdendiskriminiert, wie statistische Angaben zur Situation von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenaufzeigen. Mit <strong>der</strong> Ratifizierung <strong>der</strong> <strong>BRK</strong> wird Teilhabe von Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen jedoch als Menschenrecht anerkannt. Aus dieser Situationheraus ist die Umsetzung <strong>der</strong> UN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention umgehendin Angriff zu nehmen. Bei <strong>der</strong> Umsetzung handelt es sich um einen langwierigenProzess auf Bundes-, Län<strong>der</strong>- und Kommunalebene sowie in allen gesellschaftlichenBereichen. Als erster Schritt muss daher zunächst ein nationaler Aktionsplan,wie in <strong>der</strong> Konvention gefor<strong>der</strong>t, erstellt werden.II. Der Deutsche Bundestag for<strong>der</strong>t die Bundesregierung auf,bis zum 30. November 2010 einen Aktionsplan zur Umsetzung <strong>der</strong> UN-Konventionüber die Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen vorzulegen, <strong>der</strong>1. folgende formale und prozessuale Anfor<strong>der</strong>ungen erfüllt:● Die Struktur ist klar, systematisch und logisch gemäß dem „Handbook onNational Human Rights Plans of Action“ (2002: vgl. S. 7 bis 11; 72 ff.) zugestalten.● Frauen und Männer mit Behin<strong>der</strong>ungen, einschließlich Kin<strong>der</strong>, sowie die sievertretenden Organisationen werden in alle Phasen <strong>der</strong> Erarbeitung verantwortlicheinbezogen. Ihnen werden reale Partizipations-, Einfluss- undGestaltungsmöglichkeiten eingeräumt.● Es werden kurz-, mittel- und langfristig zu erreichende Ziele benannt.● Klare Verantwortlichkeiten im Bund, den Län<strong>der</strong>n und Kommunen sowie zubeteiligende zivilgesellschaftliche Gruppen werden festgelegt.● Die für die Umsetzung notwendigen Ressourcen werden zugeteilt und in diekommenden Haushaltsplanungen verbindlich eingebunden.● Die Umsetzung <strong>der</strong> Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen wird als Querschnittsaufgabeaufgefasst, die weit über sozialpolitische Fragen hinausgeht.● Evaluierungs- und Monitoringmechanismen werden für Bund, Län<strong>der</strong> undKommunen festgelegt.● Eine umfassende Berichterstattung an den UN-Ausschuss für die Rechte vonMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen gemäß <strong>Artikel</strong> 35 <strong>BRK</strong> wird vorgesehen.● Für die Nichterfüllung von Umsetzungszielen sind Sanktionsmaßnahmenvorzusehen;2. folgende inhaltliche Anfor<strong>der</strong>ungen (die Reihenfolge hier ist keine priorisierendeRangfolge) umfasst:BegrifflichkeitenBehin<strong>der</strong>ung wird gemäß <strong>BRK</strong> (vgl. Präambel, Buchstabe e) als Wechselwirkungzwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingtenBarrieren verstanden. Erst diese Wechselwirkungen bringen Behin<strong>der</strong>ungenhervor. Auch chronische Erkrankungen sind darunter zu fassen.Dieser Behin<strong>der</strong>ungsbegriff muss in alle bestehenden und künftigen GesetzeEingang finden. Der in <strong>der</strong> Konvention verwendete Begriff <strong>der</strong> „Inklusion“muss für die deutsche Rechtsordnung diskutiert und erschlossen werden. Behin<strong>der</strong>tenpolitikist als Menschenrechtsthema aufzufassen.BewusstseinsbildungEs sind geeignete Maßnahmen, die über den Charakter von Imagekampagnenhinausgehen, zu entwickeln (vgl. <strong>Artikel</strong> 8 <strong>BRK</strong>). Bewusstseinsbildungsprozessesind für viele weitere Vorhaben zugleich Voraussetzung und Begleitmaß-37


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1578nahme. Die unterschiedlichen Maßnahmen müssen langfristig, zielgruppenorientiertund effektiv angelegt werden. Im politischen Prozess wird das Instrumentdes „disability mainstreaming“ installiert. Vorbehalte zwischen Menschenmit und ohne Behin<strong>der</strong>ungen sind bei<strong>der</strong>seitig vorhanden und zur Kenntnis zunehmen. Diese sind als Barrieren zu identifizieren.DiskriminierungsschutzEin menschenrechtlicher Diskriminierungsschutz wird für alle Lebensbereichevorgesehen (vgl. <strong>Artikel</strong> 5 <strong>BRK</strong> „Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung“).Um diesen Schutz zu gewährleisten, insbeson<strong>der</strong>e auch außerhalb desErwerbsarbeitsmarktes, muss die Bundesregierung die EU-Antidiskriminierungsrichtlinievom Juli 2008 unterstützen.Zum Beispiel können nach geltendem Recht Menschen mit psychischen Erkrankungenbei Selbstgefährdung in ihrer Freiheit eingeschränkt bzw. gegen ihrenWillen behandelt werden. Dies stellt eine Diskriminierung gegenüber Menschenohne psychische Erkrankungen dar und eröffnet Möglichkeiten des Missbrauchs.Seitens Bund und Län<strong>der</strong>n gilt es, Wege aufzuzeigen und Zeitpläne zudefinieren, um Diskriminierungen zu überwinden und Missbrauch auszuschließen.TeilhabesicherungHierfür müssen einkommens- und vermögensunabhängige Regelungen getroffenwerden, die ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungensichern. Kern <strong>der</strong> Leistungserbringung sollte eine bedarfsgerechte persönlicheAssistenz in allen Lebenslagen und -phasen sowie gesellschaftlichen Bereichensein (vgl. die <strong>Artikel</strong> 19, 29, 30 <strong>BRK</strong>). Die konkrete Ausgestaltung <strong>der</strong> Leistungserbringungist zu diskutieren, insbeson<strong>der</strong>e ob die Leistungserbringung auseiner Hand erfolgen sollte, für die als eine Form ein optimiertes PersönlichesBudget in Frage käme o<strong>der</strong> alternativ die individuellen Bedarfe durch denAusbau <strong>der</strong> sozialen Infrastruktur gesichert werden. Denkbar wäre auch eineKombination bei<strong>der</strong> Maßnahmen. Die Anspruchsherleitung muss nach demFinalitätsprinzip erfolgen, d. h. ausgehend vom aktuellen Status <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>unganstatt von ihrer Ursache und dem entsprechenden behin<strong>der</strong>ungsbedingtenBedarf.Inklusives BildungssystemBund und Län<strong>der</strong> sollten zügig Maßnahmen ergreifen, um von <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>tagesbetreuungüber die Schule und die Berufsbildung bis zur Hochschule, einschließlich<strong>der</strong> Weiterbildung und des lebenslangen Lernens, ein inklusives Bildungssystemzu schaffen, in dem Menschen mit und ohne Behin<strong>der</strong>ungengemeinsam lernen und individuell geför<strong>der</strong>t werden (<strong>Artikel</strong> <strong>24</strong> <strong>BRK</strong>). Gemeinschaftsschulensollten als Ganztagsschulen ein Lebens- und Erfahrungsraum füralle Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen sein, <strong>der</strong> vielfältige Begegnungen, Anregungen,Dialoge und das Lernen miteinan<strong>der</strong> wie nebeneinan<strong>der</strong> ermöglicht. Sie verbietenKategorisierungen, Etikettierungen, Stigmatisierung und Ausgrenzungvon Kin<strong>der</strong>n und begreifen Vielfalt als wünschenswert und produktiv. DasKooperationsverbot zwischen Bund und Län<strong>der</strong>n nach <strong>Artikel</strong> 104b des Grundgesetzes(GG) muss aufgehoben und eine grundgesetzliche Grundlage dafürmuss geschaffen werden, dass <strong>der</strong> Bund seine Verantwortung für die Herstellungvon Chancengleichheit im Bildungssystem wahrnehmen kann.Umfassende BarrierefreiheitDie Beseitigung von Barrieren aller Art ist eine <strong>der</strong> Grundvoraussetzungen fürdas gleichberechtigte Zusammenleben von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen.Daher ist als eine Sofortmaßnahme die Vermeidung <strong>der</strong> Errichtung38


Drucksache 17/1578 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiodeneuer (baulicher, kommunikativer, kognitiver o<strong>der</strong> sonstiger) Barrieren festzuschreiben.Das geltende Recht bietet dafür Ansätze. Was ihm bisher fehlt, sindspürbare Sanktionen bei Zuwi<strong>der</strong>handlung. Parallel zur Barrierenvermeidungmuss die Beseitigung bestehen<strong>der</strong> Barrieren energischer vorangetrieben werden.Hierfür können sowohl gesetzgeberische Maßnahmen als auch Son<strong>der</strong>programme,För<strong>der</strong>möglichkeiten und sonstige geeigneteMaßnahmenfestgeschriebenwie auch (Übergangs-)Fristen festgelegt werden. (<strong>Artikel</strong> 3 Buchstabe f,<strong>Artikel</strong> 9, 20 <strong>BRK</strong>). Das „universelle Design“ (<strong>Artikel</strong> 2 Absatz 6 <strong>BRK</strong>) wirdzum gestalterischen Grundprinzip erklärt.Berufliche TeilhabeZiel muss die gleichberechtigte berufliche Teilhabe (<strong>Artikel</strong> 27 <strong>BRK</strong> „Arbeitund Beschäftigung“) sein und dabei vor allem das Recht auf die Möglichkeit,durch Erwerbsarbeit ein existenzsicherndes Einkommen in und außerhalb vonWerkstätten für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zu erzielen.Selbstbestimmtes WohnenSelbstbestimmtes Wohnen mitten in <strong>der</strong> Gemeinde (<strong>Artikel</strong> 19, 22, 23 <strong>BRK</strong>) istzu för<strong>der</strong>n. Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen muss die freie Wahl <strong>der</strong> Wohnformohne Wirtschaftlichkeitsnachweis o<strong>der</strong> Zumutbarkeitsprüfung ermöglicht werden.Der Kostenvorbehalt, wie er in den Leistungen <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfevorgesehen ist (§ 9 Absatz 2 SGB XII), wird abgeschafft. Im Falle einer angedachtenNeufassung <strong>der</strong> Heimgesetze, die in Landeshoheit gestaltet werden,sind allgemeingültige Rahmenvorgaben zu finden. Parallel dazu sind ambulanteUnterstützungsdienste flächendeckend zu ermöglichen.SelbstvertretungsanspruchDen Betroffenen und ihren Selbsthilfeorganisationen ist ein sehr hoher Stellenwerteinzuräumen (<strong>Artikel</strong> 4 Absatz 3, <strong>Artikel</strong> 33 <strong>BRK</strong>). Es ist also festzulegen,in welcher Weise Betroffenenverbände ihren Sachverstand verbindlich undinstitutionell abgesichert regelmäßig in jedwede sie betreffende Entscheidungsvorbereitung,Entscheidungsfindung und Entscheidung sowie die anschließendeUmsetzung bzw. Ausführung einbringen können. Diese Festlegung muss für allestaatlichen Institutionen gelten, darüber hinaus aber auch in gesellschaftlichenBereichen (Parteien, Vereine, Gewerkschaften, städtebauliche Planungen, sportlicheo<strong>der</strong> touristische Infrastruktur usw.) wirken. Dies betrifft auch die spätereUmsetzungs- und Überwachungsphase.Geeignete StatistikZurErarbeitung einer geeigneten Statistik (<strong>Artikel</strong> 31<strong>BRK</strong> „StatistikundDatensammlung“)ist die Einrichtung einer interdisziplinär arbeitenden Arbeitsgruppeunter Beteiligung von Betroffenenverbänden, Ministerien, Universitäten, demStatistischen Bundesamt sowie den statistischen Landesämtern vorzusehen. DieDaten müssen geschlechtsspezifisch weiter ausdifferenziert werden und barrierefreizugänglich sein. Die Lebenssituation von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenmit ihren spezifischen Problemlagen wird anhand dieser Informationen sichtbargemacht.GesundheitEs ist aufzuzeigen, wie ein inklusives Gesundheitssystem realisiert werden kannund welche Akteure dafür in erster Linie verantwortlich sind. Das Ziel muss eineadäquate sowie nicht diskriminierende Gesundheitsversorgung sein (vgl. <strong>Artikel</strong>25 <strong>BRK</strong> – „Gesundheit“). Dafür müssen Maßnahmen entwickelt werden, diebarrierefreie und gemeindenahe Versorgungsangebote sowie eine bedarfsgerechteHeil- und Hilfsmittelversorgung ermöglichen. Die Finanzierung dieser39


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/1578vielfältigen Bedarfe wäre mit einer solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherungam besten gesichert.Frauen mit Behin<strong>der</strong>ungenHinsichtlich ihrer spezifischen Bedürfnisse aufgrund ihrer Mehrfachdiskriminierungsind Frauen mit Behin<strong>der</strong>ungen (<strong>Artikel</strong> 6 <strong>BRK</strong>) entsprechend <strong>der</strong>bereits bestehenden Verpflichtung <strong>der</strong> Bundesregierung zur Anwendung des„gen<strong>der</strong> mainstreaming“ beson<strong>der</strong>s zu berücksichtigen. Es werden Maßnahmenformuliert, die ihrer Mehrfachdiskriminierung entgegenwirken.Armut und Behin<strong>der</strong>ungIn einer inklusiven Gesellschaft wäre die Koppelung Behin<strong>der</strong>ung und Armutaufgelöst. Das Armutsrisiko würde zwar für alle Menschen gleichermaßenbestehen, wäre insgesamt aber wesentlich verringert. Es bedarf strategischerAnstrengungen, um die in <strong>Artikel</strong> 28 <strong>BRK</strong> „Angemessener Lebensstandard undsozialer Schutz“ verbrieften Rechte zu gewährleisten. Beson<strong>der</strong>es Augenmerkmuss dabei auf spezifische Bedarfe gelegt werden, die aufgrund von vielfältigenErscheinungen entstehen können und im Sinne eines Nachteilsausgleichs seitensdes Staates gedeckt werden müssen.Berlin, den 4. Mai 2010Dr. Gregor Gysi und FraktionBegründungDie Terminsetzung zum 30. November 2010 ist durch zwei Eckpunkte begründet.Erstens soll <strong>der</strong> Aktionsplan gründlich vorbereitet sein. Das ihn erarbeitendeGremium benötigt einen gewissen Zeitraum dafür. Zweitens sollte aber auchfeststehen, wann die Konzeption ausgearbeitet vorliegt. Wenn <strong>der</strong> Plan bis spätestensEnde November 2010 vorliegt, kann er am Welttag <strong>der</strong> Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen (3. Dezember) öffentlich gewürdigt bzw. kritisch bewertet werden,sowohl vom Deutschen Bundestag als auch von den Selbsthilfeorganisationen<strong>der</strong> Menschen mit den unterschiedlichsten Beeinträchtigungen.Zu Abschnitt II Nummer 1Nach <strong>Artikel</strong> 33 <strong>BRK</strong> „Innerstaatliche Durchführung und Überwachung“ wurdeauf nationaler Ebene das Deutsche Institut für Menschenrechte für die För<strong>der</strong>ung,den Schutz und die Überwachung des Übereinkommens mandatiert.Gleiches ist angesichts <strong>der</strong> fö<strong>der</strong>alen Strukturen <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschlandmit geteilten politischen Verantwortungsbereichen für die Landesebenenachzuholen. Daneben sind Koordinierungsmechanismen einzurichten sowiesogenannte focal points, also staatliche Anlaufstellen für Angelegenheiten imZusammenhang mit <strong>der</strong> Durchführung dieses Übereinkommens.Die nationale Monitoringstelle zur Umsetzung <strong>der</strong> <strong>BRK</strong> weist darauf hin, dassErfahrungen in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n zeigen, dass die systematische und kohärenteUmsetzung menschenrechtlicher Übereinkommen begünstigt wird, wenn diestaatlichen Akteure planerisch und im engen Austausch mit den Betroffenenvorgehen. Ein nationaler Aktionsplan sieht dies vor. Für die Entwicklung undDurchführung einer nationalen Strategie ist zentral, dass diese Prozesse transparentablaufen und Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen und die sie vertretendenOrganisationen verantwortlich einbezogen werden. Ausdrückliches Ziel solcher40


Drucksache 17/1578 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. WahlperiodeMechanismen ist ein nichtkonfrontativer Prozess <strong>der</strong> gemeinsamen Umsetzungunter Einbezug aller Beteiligten.Bisher betrachtet die deutsche Politik das Feld <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenpolitik vorwiegendals ein sozialpolitisches, gelegentlich auch nur als gesundheitspolitischesThema. Dem muss entgegengewirkt werden, da im Sinne eines „disability mainstreamings“jegliche Politikprozesse im Hinblick auf die Auswirkungen aufMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen befragt werden sollten. Behin<strong>der</strong>tenpolitik ist einQuerschnittsthema, das alle Politikfel<strong>der</strong> betrifft und aus <strong>der</strong> Menschen- undBürgerrechtsperspektive zu bearbeiten ist.Zu Abschnitt II Nummer 2Zum 31. Dezember 2007 waren in Deutschland laut Statistischem Bundesamtinsgesamt rund 6,9 Millionen schwerbehin<strong>der</strong>te Menschen registriert (vgl. Mikroszensus2005). Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen mit einem Behin<strong>der</strong>ungsgradvon unter 50 Prozent werden im Mikrozensus nicht erfasst. Die Zahl <strong>der</strong> MenschenmitBehin<strong>der</strong>ungen insgesamt wird aktuell auf ca. 8,6Millionengeschätzt;das entspricht 10,5 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung (vgl. Mikrozensus 2005).Der Konvention liegt ein Verständnis von Behin<strong>der</strong>ung zugrunde, das auchdurch soziale Problemlagen definiert ist:Behin<strong>der</strong>ungen sind in Deutschland ein Armutsrisiko. Menschen mit Schwerbehin<strong>der</strong>ungensind mit einer Arbeitslosenquote von 14,9 Prozent häufigerarbeitslos als Menschen ohne Behin<strong>der</strong>ungen (Bundesagentur fürArbeit –BA –,September 2009). Mindestens die Hälfte <strong>der</strong> beschäftigungspflichtigen Arbeitgeberinnenund Arbeitgeber erfüllen ihre Pflichtquote nicht im vollen Umfang.DerDurchschnittsverdienst einer/eines Werkstattbeschäftigten liegtbei159Euro(2008) (vgl. www.bagwfbm.de).Von 52 009 Jugendlichen mit Behin<strong>der</strong>ungen, die sich 2008 in Ausbildung befanden,wurden lediglich 14 293 in anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet.Die an<strong>der</strong>en starten ihr Berufsleben entwe<strong>der</strong> in einer Werkerausbildungo<strong>der</strong> in einer außerbetrieblichen Ausbildung im Rahmen des „Benachteiligungsprogramms“<strong>der</strong> BA nach § <strong>24</strong>0 SGB III (vgl. Berufsbildungsbericht 2009,S. 18 ff., Bundestagsdrucksache 16/16640).Lernende mit Behin<strong>der</strong>ungen werden zu 84 Prozent in Son<strong>der</strong>schulen (sogenannteFör<strong>der</strong>schulen) unterrichtet, obwohl sowohl das Bundesgleichstellungsgesetz(BGG) von 2002 Barrierefreiheit an Schulen und § 2 Absatz 1 des AllgemeinenGleichstellungsgesetzes (AGG) einen diskriminierungsfreien Zugangzur Bildung für alle for<strong>der</strong>n (vgl. Nationaler Bildungsbericht 2008, Bundestagsdrucksache16/10206). Deutschland ist damit eines <strong>der</strong> Schlusslichter in Europa.Anspruch und Wirklichkeit fallen im deutschen Behin<strong>der</strong>tenrecht nicht nur imBereich Bildung auseinan<strong>der</strong>. Das Benachteiligungsverbot für Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen nach <strong>Artikel</strong> 3 Absatz 3 Satz 2 GG ist nach objektiven Maßstäben,wie es die genannten statistischen Eckdaten aufzeigen, nicht verwirklicht.Deshalb besteht dringen<strong>der</strong> gesetzgeberischer Handlungsbedarf zur Umsetzung<strong>der</strong> <strong>BRK</strong> auf Bundes- und Län<strong>der</strong>ebene.Bewusstseinsbildung soll in dem Aktionsplan einen wichtigen Stellenwert einnehmen,da sie notwendig ist, um den Willen zu Verän<strong>der</strong>ungen zu beför<strong>der</strong>n.Dabei muss stets deutlich werden, dass die Umsetzung <strong>der</strong> Konvention allennützt und keine Klientelpolitik darstellt. Die bewusstseinsbildenden Maßnahmensollen den praktischen Umsetzungsprozess nicht ersetzen, aber imSinne eines Katalysators begleiten. Wir brauchen alle „Einfühlchancen“ in diejeweilig an<strong>der</strong>en.Die Konvention entwickelt einen Diskriminierungsschutz mit Blick auf eine inklusiveund damit barrierefreie Gesellschaft weiter und stuft die Verweigerung41


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/1578angemessener Vorkehrungen als Diskriminierung ein. Die <strong>BRK</strong> for<strong>der</strong>t die Anerkennung<strong>der</strong> wertvollen – bestehenden und potentiellen – Beiträge ein, dieMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen für eine insgesamt positive Entwicklung erbringen.Nach <strong>der</strong> <strong>BRK</strong> ist <strong>der</strong> Wert <strong>der</strong> menschlichen Vielfalt zu achten. In allen gesellschaftlichenBereichen soll Behin<strong>der</strong>ung als Bestandteil menschlichen Zusammenlebensverstanden und anerkannt werden. Mit den Begriffen <strong>der</strong> Inklusionund <strong>der</strong> uneingeschränkten Teilhabe geht die Konvention über die im deutschenRecht verwendeten Termini hinaus.Deshalb sollen z. B. Kin<strong>der</strong> mit und ohne Behin<strong>der</strong>ungen gemeinsam lernenkönnen. Die Konvention verlangt in <strong>Artikel</strong> <strong>24</strong> „Bildung“ die Gewährleistungeines inklusiven Bildungssystems. Einem aktuellen Gutachten von Prof. Dr.Eibe Riedel zufolge besteht bereits schon jetzt, nach Inkrafttreten <strong>der</strong> Konvention,das Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zum System <strong>der</strong> Regelschule(vgl. Riedel 2010, S. 49 bis 55). Die Bundesregierung ist verpflichtet, die entsprechendenVorkehrungen zu treffen. Die Aufnahme von Kin<strong>der</strong>n an einer „allgemeinen“Schule muss in den Landesschulgesetzen unverzüglich als Rechtsanspruchgesetzlich festgeschrieben werden. Hin<strong>der</strong>liche Kostenvorbehaltemüssen abgeschafft werden, damit nicht aus Kostengründen Schülerinnen undSchüler gezwungen werden, ihr Dasein in „Son<strong>der</strong>einrichtungen“ zu fristen.Längerfristig ist das Ziel ins Auge zu fassen, das Son<strong>der</strong>schulsystem überflüssigzu machen. Individuelle För<strong>der</strong>ung muss zum „Normalfall“ werden.Die <strong>BRK</strong> geht davon aus, dass Betroffene als Expertinnen und Experten in eigenerSache nicht nur (gruppen-)egoistische Son<strong>der</strong>interessen vertreten, son<strong>der</strong>ndem Nutzen-für-alle-Prinzip folgend, Lösungsvorschläge bzw. Konzepte unterbreiten,die weit über den engen Kreis <strong>der</strong> unmittelbar Profitierenden hinausgroßen Nutzen stiften.Es geht um das „Sosein“, nicht um das „An<strong>der</strong>ssein“. Es geht um individuelleFreiheit jenseits von Normierung. Es geht um Ermöglichung statt Kompensierung.Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.deVertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.deISSN 0722-833342


Reden von Dr. Ilja Seifert zur For<strong>der</strong>ung nach einemersten Aktionsplan zur Umsetzung <strong>der</strong> UN-KonventionDeutscher Bundestag, Plenarprotokoll 17/34,Berlin, Donnerstag, den 20. Mai 2010, S. 4332 f.„Politische Entscheidungen ... müssen sich an denInhalten <strong>der</strong> UN-Konvention über die Rechte <strong>der</strong> Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen messen lassen.“Das ist ein Zitat aus dem Koalitionsvertrag, Herr Präsident,meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undKollegen. Aber was haben Sie denn bisher politischentschieden? Sie haben die Kriegseinsätze verlängert.Das erhöht höchstens die Zahl <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>ten Menschen,hilft ihnen aber nicht. Sie haben den Haushalt2010 verabschiedet und dort nicht einmal <strong>der</strong> Bundeszentralefür politische Bildung den Auftrag erteilt, wenigstensüber das Vorhandensein <strong>der</strong> UNO-Konvention,geschweige denn über ihre Inhalte, aufzuklären. Außerdemhaben Sie sehr viel Geld für Banken ausgegeben.Dies wie<strong>der</strong>um lässt bei Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungengroße Befürchtungen erwachsen, dass Teilhabesicherungund Nachteilsausgleich o<strong>der</strong> eine Verän<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden. Das alles sind Dinge, dieMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen wirklich helfen würden.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Aber Sie haben es bisher nicht für nötig erachtet,irgendeine Debatte zu führen o<strong>der</strong> gar irgendeine Entscheidungfür Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen und dieWeiterentwicklung <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenpolitik zu treffen.Deshalb bietet die Linke Ihnen heute die Möglichkeit,erstmalig in dieser Legislaturperiode über diesesThema zu reden. Das Thema lautet: Verbesserung <strong>der</strong>Teilhabemöglichkeiten für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen.Bei Ihnen nur Zögern und Zau<strong>der</strong>n!Unsere Initiative, unser Antrag, diese Debatte heutezu führen, will nichts an<strong>der</strong>es als eine Beschleunigungund Verbesserung <strong>der</strong> Arbeit an <strong>der</strong> Umsetzungskonzeptionfür die UNO-Konvention.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)„Wir“ ich zitiere wie<strong>der</strong>um Ihren Koalitionsvertrag „tretenfür eine tatsächliche Teilhabe von Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen am gesellschaftlichen Leben ein.“Ja,wo denn bitte? Wo treten Sie denn dafür ein? Bis jetzthaben Sie dafür noch gar nichts getan.„Unser Ziel ist,“ wie<strong>der</strong>um Zitat Koalitionsvertrag „dieRahmenbedingungen für Menschen mit und ohneBehin<strong>der</strong>ungen positiv zu gestalten.“ Ja, dann tun Siees doch bitte, und lassen Sie Ihr Zögern und Zau<strong>der</strong>n!(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Ich sage Ihnen einmal, was Sie schon hätten tun können:Sie hätten Barrierefreiheit als Kriterium für öffentlicheAusschreibungen verpflichtend einführen können. Dashaben Sie nicht gemacht, genau wie Ihre Vorgängerregierung,die das nicht einmal bei den Konjunkturprogrammengetan hat. Sie hätten eine Optimierung des persönlichenBudgets vornehmen können. Sie hätten die Elternassistenzeinführen können. Sie hätten das habe ich vorhin schoneinmal gesagt die Bundeszentrale für politische Bildungdamit beauftragen können, eine entsprechende Kampagneeinzuleiten. Dies hätte nicht einmal Geld gekostet. Sie hätten,liebe Damen und Herren von <strong>der</strong> Regierung, in je<strong>der</strong>Ihrer Reden erwähnen können, dass es in unserem LandMenschen mit Behin<strong>der</strong>ung gibt, die das Recht haben, vonIhnen wahrgenommen zu werden, und teilhaben wollen.Das hätte überhaupt nichts gekostet, hätte aber gezeigt,dass Sie wissen, dass Sie eine Verpflichtung haben, fürdiese 10 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung etwas zu tun.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Das haben Sie unterlassen. Wir registrieren Zögernund Zau<strong>der</strong>n.Nun setzen Sie endlich eine Arbeitsgruppe ein, dieeinen Aktionsplan erarbeiten soll. Aber über die Ergebnissesoll erst im März nächsten Jahres im Kabinettberaten werden, an<strong>der</strong>thalb Jahre nach <strong>der</strong> Bundestagswahl,zwei Jahre nach Inkrafttreten <strong>der</strong> Konventionals Bundesgesetz. Übrigens findet die Beteiligung <strong>der</strong>Betroffenen an <strong>der</strong> Erarbeitung dieses Aktionsplansauf <strong>der</strong> Spielwiese statt. Der Beauftragte <strong>der</strong> Bundesregierungfür die Belange behin<strong>der</strong>ter Menschendarf mit den Verbänden und <strong>der</strong>en Vertreterinnen undVertretern so tun, als ob irgendeine Beteiligung stattfände.Die eigentliche Arbeitsgruppe ist im Arbeitsministeriumangesiedelt. Das ist alles an<strong>der</strong>e als dieUmsetzung des Mottos „Nicht ohne uns über uns!“.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Die Konvention böte gute Chancen, ein Nutzen-füralle-Konzeptzu etablieren. Lassen Sie es uns gemeinsamtun! Überwinden wir gemeinsam das Zögern undZau<strong>der</strong>n rasch und gut!(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 17/34,Berlin, Donnerstag, den 8. Juli 2010, S. 4332 f.„Ich habe nichts gegen Gründlichkeit.“Wir führen heute eine Debatte zur Umsetzung <strong>der</strong>UN-Konvention über die Rechte von Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen und über den Behin<strong>der</strong>tenbericht <strong>der</strong>Bundesregierung. Zwei Paar Schuhe, die im gleichenRegal stehen und doch verschiedene Farben tragen.DIE LINKE verlangt die Vorlage eines ersten Aktionsplaneszur Umsetzung <strong>der</strong> UN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonventionnoch in diesem Jahr. Es zeichnet sich nämlich ab, dass an<strong>der</strong>thalbJahre nachdem die Konvention in Deutschland inKraft trat, noch lange keiner vorliegen wird. Dieser Schuhdrückt Sie offensichtlich erst, wenn <strong>der</strong> Staatenbericht andie UNO vorliegen muss: im Frühjahr 2011.43


Die Koalition lehnt unseren Antrag mit <strong>der</strong> Begründungab, dass ein „unnötiger Zeitdruck“ kontraproduktivund nicht im Interesse <strong>der</strong> Betroffenen sei. Siesetzen hingegen auf „Gründlichkeit“.Ich habe nichts gegen Gründlichkeit, im Gegenteil.Offenbar haben wir aber verschiedene Vorstellungenvon Gründlichkeit.Wie gründlich die Bundesregierung arbeitet, lässt sicham Bericht über die Lage von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen(Drs. 16/13829) ablesen. Der „aktuelle“ Berichtwurde dem Parlament erst zwei Monate vor <strong>der</strong>Bundestagswahl zugeleitet. Eine Befassung war alsonicht mehr möglich. In <strong>der</strong> gesamten 16. Wahlperiodeschaffte es die Regierung nicht, die Situation vonMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen datenbasiert darzustellenund diskutieren zu lassen. Gründlich!An dieser Stelle drängt sich mir die Vermutung auf,dass mit dem ersten Aktionsplan und dem Staatenberichtan die UNO (<strong>der</strong> Pflicht ist) ähnlich verfahrenwerden soll: beides wird so spät vorgelegt, dass we<strong>der</strong>die betroffene Öffentlichkeit noch das Parlamentauch nur den Hauch einer Chance haben, sich kritischeinzubringen.Damit nicht wie<strong>der</strong> am Parlament vorbei regiert wird,verlangt DIE LINKE, dass <strong>der</strong> nächste Behin<strong>der</strong>tenberichtbis spätestens Ende Oktober 2012 vorliegt.Um das Aneinan<strong>der</strong>-vorbei-Regieren zu stören, setzteDIE LINKE den alten (aktuellen) Bericht <strong>der</strong> vergangenenWahlperiode erneut auf die Agenda. So wurdeer am 3.5.2010 wenigstens in einer öffentlichenAnhörung des Arbeits- und Sozialausschusses breitdiskutiert. Gründlich, o<strong>der</strong>?Nahezu übereinstimmend stellten die Sachverständigenfest, dass <strong>der</strong> Bericht lückenhaft ist, weil dienotwendigen Daten nicht erhoben werden, dass <strong>der</strong>Bericht lückenhaft ist, weil nur einige Lebensbereicheund insbeson<strong>der</strong>e erwerbsarbeitsbezogene dargestelltwerden, dass <strong>der</strong> Bericht einseitig ist, weil er die Situationbeschönigt und dass <strong>der</strong> Bericht unbrauchbar ist,weil er keinerlei Handlungsempfehlungen zur Schaffungvon Teilhabegerechtigkeit hervor bringt. Gründlich!?Und obwohl schon länger angemahnt und immerwie<strong>der</strong> offensichtlich, wenn wir Parlamentarier aufunsere schriftlichen und mündlichen Anfragen dieAntwort erhalten: „Spezifische Daten zu Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen liegen nicht vor.“ sind seitens <strong>der</strong>Bundesregierung keinerlei Maßnahmen zu erkennen,Abhilfe zu schaffen. Im Gegenteil: mit Verweis aufBürokratieabbau wird eine differenziertere Datenerhebungverhin<strong>der</strong>t.Dies steht im Wi<strong>der</strong>spruch zu Art. 31 <strong>der</strong> UN- Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention.Um das zu erkennen, brauchtniemand einen mit allen Ressorts und allen Län<strong>der</strong>n„abgestimmten“ Aktionsplan. Das kann sofort getanwerden, gern auch gründlich.Zurück zur Umsetzung <strong>der</strong> UN-Konvention: DIE LINKEfor<strong>der</strong>t einen guten Aktionsplan, <strong>der</strong> realistische Zieleformuliert, und praxisorientierte Umsetzungsvorhabenbenennt. Aber: ich möchte noch einmal klarstellen:Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen ist eine Konkretisierung <strong>der</strong> universellenMenschenrechte. Gleichberechtigte Teilhabevon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen ist Menschenrecht.Sie ist keine im Nebel schwebende Vision, wie es daszuständige Bundesministerium für Arbeit und Sozialesmit ihrer Veranstaltung am 23. Juni suggerierte.Würden Sie die Konvention gründlich lesen und ernstnehmen, könnten Sie daraus zügig Maßnahmen ableiten.Ich nenne Ihnen ein paar Beispiele:SGB XII, damit Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen frei wählenkönnen, wie, wo und mit wem sie wohnen wollen.nenSie mit wirklichen Elternwahlrecht.seinsbildung.nungvon Einkommen und Vermögen ab.umfassende Barrierefreiheit geschaffen wird.Sie haben in dieser Wahlperiode nichts, aber auchnoch gar nichts unternommen, um für ein Mehr anGleichstellung für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zusorgen. Nichts! Stattdessen basteln Sie Kürzungspakete,von denen Sie – aber auch nur Sie – glauben, dassMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen nicht betroffen seien.Nehmen Sie zur Kenntnis, dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungenüberproportional von <strong>der</strong> Krise betroffensind, nicht zuletzt durch eine überdurchschnittlichhohe Arbeitslosenquote.Im Übrigen: eines erstaunt mich immer wie<strong>der</strong>, wennich die Verantwortlichen höre, sei es StaatssekretärAndreas Storm o<strong>der</strong> auch Bundesministerin Ursulavon <strong>der</strong> Leyen: Sie reden immer wie<strong>der</strong> über inklusiveBildung. Uns, <strong>der</strong> Opposition, erzählen Sie jedoch, sieseien dafür nicht zuständig. Ja, was denn nun? RedenSie doch mal darüber, wofür Sie sich zuständig fühlen.Nehmen sie ihre Verantwortung wahr: gründlich.Sorgen Sie für eine aussagekräftigere Statistik, legenSie rechtzeitig einen ehrlichen Bericht über die Lagevon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen vor, verstecken Siesich nicht hinter Planung, um Taten zu verhin<strong>der</strong>n.Und schließlich: Verwechseln Sie den Staatenberichtnicht mit dem Aktionsplan, verwechseln Sie den Behin<strong>der</strong>tenberichtnicht mit dem Staatenbericht! SeienSie gründlich!44


Deutscher Bundestag Drucksache 17/374617. Wahlperiode 11. 11. 2010Gesetzentwurf<strong>der</strong> Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Martina Bunge, Matthias W. Birkwald,Heidrun Dittrich, Klaus Ernst, Diana Golze, Katja Kipping, Jutta Krellmann,Cornelia Möhring, Kornelia Möller, Kathrin Senger-Schäfer, Kathrin Vogler, HaraldWeinberg, Jörn Wun<strong>der</strong>lich, Sabine Zimmermann und <strong>der</strong> Fraktion DIE LINKE.Entwurf eines Gesetzes zur Ausweitung <strong>der</strong> Assistenzpflege auf Einrichtungen<strong>der</strong> stationären Vorsorge und RehabilitationA. ProblemMit dem Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom30. Juli 2009 (BGBl. I S. <strong>24</strong>95, <strong>24</strong>96) wurde die Möglichkeit geschaffen, dassMenschen mit Behin<strong>der</strong>ung, die ihre Assistenzleistungen nach dem sogenanntenArbeitgebermodell erhalten, diese auch im Falle eines stationären Krankenhausaufenthaltsin Anspruch nehmen können. Die Regelung greift jedoch zu kurz.Ein zentraler Punkt ist die fehlende Berücksichtigung notwendiger Assistenzleistungenfür diese Gruppe von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung auch in VorsorgeundRehabilitationseinrichtungen.B. LösungDer Assistenzanspruch für den leistungsberechtigten Personenkreis sollte auchfür den Bereich Vorsorge und Rehabilitation gelten.C. AlternativenKeine.D. KostenEine genaue Angabe <strong>der</strong> Kosten ist nicht möglich. In <strong>der</strong> Beschlussempfehlungdes Ausschusses für Gesundheit <strong>der</strong> 16. Wahlperiode vom 17. Juni 2009 (Bundestagsdrucksache16/13417, S. 2) wird von jährlichen Mehrausgaben durch„die Neuregelung zum Assistenzpflegebedarf für behin<strong>der</strong>te Pflegebedürftigeim Krankenhaus“ für die soziale Pflegeversicherung von etwa 50 000 Euroausgegangen. Da Maßnahmen zur Vorsorge und insbeson<strong>der</strong>e zur Rehabilitationi. d. R. mehr Zeit in Anspruch nehmen als ein Krankenhausaufenthalt, sindin diesem Bereich Mehraufwendungen in <strong>der</strong> Größenordnung von etwa150 000 Euro zu erwarten.Im Übrigen wird zur Bestimmung weiterer finanzieller Auswirkungen auf dieAusführungen in <strong>der</strong> o. g. Beschlussempfehlung Bezug genommen, da bis zumheutigen Zeitpunkt keine Evaluation <strong>der</strong> Regelungen zum Assistenzpflege-45


Drucksache 17/3746 –2– Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiodebedarf im Krankenhaus stattgefunden hat: Mehraufwendungen <strong>der</strong> gesetzlichenKrankenversicherung infolge <strong>der</strong> Mitaufnahme von Pflegekräften für Versichertemit einem beson<strong>der</strong>en pflegerischen Bedarf in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungensind aufgrund <strong>der</strong> geringen Zahl und <strong>der</strong> nicht bekanntenVerweildauer dieses Personenkreises nicht quantifizierbar. Aussagen zudem Umfang <strong>der</strong> finanziellen Auswirkungen auf die Sozialhilfe sind aufgrund<strong>der</strong> zahlreichen unbekannten Faktoren (Zahl <strong>der</strong> Betroffenen, Verweildauer diesesPersonenkreises in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen) nicht quantifizierbar.Mehrausgaben <strong>der</strong> Sozialhilfeträger, die durch die Weiterleistung<strong>der</strong> Hilfe zur Pflege auch während <strong>der</strong> Dauer <strong>der</strong> stationären Vorsorge- undRehabilitationsmaßnahmen zu erwarten sind, sollen im Ergebnis nicht dieKommunen mit zusätzlichen Kosten belasten.46


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode –3– Drucksache 17/3746Entwurf eines Gesetzes zur Ausweitung <strong>der</strong> Assistenzpflege auf Einrichtungen<strong>der</strong> stationären Vorsorge- und RehabilitationVom …Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates dasfolgende Gesetz beschlossen:<strong>Artikel</strong> 1Än<strong>der</strong>ung des Fünften Buches SozialgesetzbuchIn § 11 Absatz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch –Gesetzliche Krankenversicherung – (<strong>Artikel</strong> 1 des Gesetzesvom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. <strong>24</strong>77, <strong>24</strong>82), das zuletztdurch … (BGBl. I S. …) geän<strong>der</strong>t worden ist, werdendie Wörter „in einem Krankenhaus nach § 108“ durch dieWörter „in Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungennach § 107“ ersetzt.<strong>Artikel</strong> 2Än<strong>der</strong>ung des Elften Buches SozialgesetzbuchIn § 34 Absatz 2 Satz 2 des Elften Buches Sozialgesetzbuch– Soziale Pflegeversicherung – (<strong>Artikel</strong> 1 des Gesetzesvom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014, 1015), das zuletztdurch … (BGBl. I S. …) geän<strong>der</strong>t worden ist, werden nachdem Wort „medizinischen“ die Wörter „Vorsorge und“ eingefügt.<strong>Artikel</strong> 3Än<strong>der</strong>ung des Zwölften Buches SozialgesetzbuchIn § 63 Satz 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch– Sozialhilfe – (<strong>Artikel</strong> 1 des Gesetzes vom 27. Dezember2003, BGBl. I S. 3022, 3023), das zuletzt durch … (BGBl. IS. …) geän<strong>der</strong>t worden ist, werden die Wörter „in einemKrankenhaus nach § 108 des Fünften Buches“ durch dieWörter „in Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungennach § 107 des Fünften Buches“ ersetzt.<strong>Artikel</strong> 4InkrafttretenDieses Gesetz tritt am Tage nach <strong>der</strong> Verkündung inKraft.Berlin, den 11. November 2010Dr. Gregor Gysi und Fraktion47


Drucksache 17/3746 –4– Deutscher Bundestag – 17. WahlperiodeBegründungA. AllgemeinesMit dem Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfsim Krankenhaus vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. <strong>24</strong>95, <strong>24</strong>96)wurde Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung die Mitnahme von Assistenzkräften,die diese nach dem Arbeitgebermodell beschäftigen,bei stationären Krankenhausaufenthalten ermöglicht.An dieser Regelung ist neben dem zu eng gefassten Berechtigtenkreisdie Tatsache, dass dieser Assistenzanspruchnicht für den Bereich Vorsorge und Rehabilitation gilt, zukritisieren. Der Gesetzentwurf soll den zuletzt beschriebenenSachverhalt sicherstellen.In <strong>der</strong> Praxis mehren sich Hinweise, wonach die betroffenenMenschen mit Behin<strong>der</strong>ung, die ihre Assistenz/Pflege durchvon ihnen gemäß dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch(SGB XII) beschäftigte beson<strong>der</strong>e Pflegekräfte ambulantsicherstellen, notwendige Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmennicht in Anspruch nehmen (können), da dieFragen hinsichtlich <strong>der</strong> Notwendigkeit <strong>der</strong> Assistenz und<strong>der</strong> Finanzierung des notwendigen Assistenzbedarfes nichtproblemlos geklärt werden können.Die Assistenzkräfte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung sindspeziell für diese eingestellt und verrichten jene Tätigkeiten,die die betroffenen Personen behin<strong>der</strong>ungsbedingt nichtselbst ausüben können. Im Falle eines notwendigen, stationärenAufenthaltes in Vorsorge- o<strong>der</strong> Rehabilitationseinrichtungenbedeutet dies für den eng gefassten Personenkreis,<strong>der</strong> aufgrund einer Behin<strong>der</strong>ung für die Verrichtungen imAblauf des täglichen Lebens auf Dauer <strong>der</strong> Hilfe bedarf, dassdieser auf die Pflege durch von ihnen ambulant beschäftigtebeson<strong>der</strong>e Pflegekräfte auch während einer stationären Vorsorge-und Rehabilitationsbehandlung angewiesen ist.Diese Ausdehnung des Assistenzbedarfs erfor<strong>der</strong>t auch dasGesetz zu dem Übereinkommen <strong>der</strong> Vereinten Nationen vom13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungsowiezudemFakultativprotokollvom 13. Dezember2006 zumÜbereinkommen<strong>der</strong>VereintenNationenüber die RechtevonMenschenmitBehin<strong>der</strong>ungvom 21. Dezember2008 (BGBl. I S. 1419 bis 1457). Diese UN-Konventionüber die Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, diemit <strong>der</strong> Ratifikation vom 26. März 2009 auch verbindlich fürdie Bundesrepublik Deutschland wurde, for<strong>der</strong>t in <strong>Artikel</strong> 25(„Gesundheit“) die Vertragsstaaten auf, „zu gewährleisten,dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen Zugang zu geschlechtsspezifischenGesundheitsdiensten, einschließlich gesundheitlicherRehabilitation, haben. Insbeson<strong>der</strong>e … stellen dieVertragsparteien Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen eine unentgeltlicheo<strong>der</strong> erschwingliche Gesundheitsversorgung in<strong>der</strong>selben Bandbreite, von <strong>der</strong>selben Qualität und auf demselbenStandard zur Verfügung wie an<strong>der</strong>en Menschen, einschließlich[…] <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung zur Verfügungstehen<strong>der</strong> Programme des öffentlichen Gesundheitswesens[…]“ (BGBl. 2008 II S. 1438).Aus diesem Grund müssen Assistenzleistungen für Menschenmit Behin<strong>der</strong>ung auch in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungengewährt werden.B. EinzelbegründungZu <strong>Artikel</strong> 1 (Än<strong>der</strong>ung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)In <strong>der</strong> Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes zurRegelung des Assistenzpflegebedarfs wird festgestellt, dassdie Praxis gezeigt habe, „dass die pflegerische Versorgunginsbeson<strong>der</strong>e von pflegebedürftigen Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen,die auf von ihnen beschäftigte persönliche Assistenzkraftangewiesen sind, während eines Krankenhausaufenthaltsnicht ausreichend sichergestellt ist“ (Bundestagsdrucksache16/12855, S. 7).Diese Aussage ist völlig richtig und ist logisch weiterzuführen:Wenn Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, die ihre Assistenzkräftenach dem „Arbeitgebermodell“ beschäftigen, aufdiese im Krankenhaus angewiesen sind, dann trifft diesauch auf Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen zu.Denn auch in diesem Bereich kann das vorhandene Personalnicht die zeitintensive Assistenzleistung in <strong>der</strong> gleichenQualität und im gleichen zeitlichen Umfang erbringen. DiesenBedarf können nur Assistenzkräfte sicher abdecken.Aus diesem Grund wird mit <strong>der</strong> Ergänzung des § 11 Absatz3SGB V die Mitnahme von Assistenzkräften für Menschenmit Behin<strong>der</strong>ung, die diese nach dem „Arbeitgebermodell“beschäftigen, bei stationären Aufenthalten in Vorsorge- undRehabilitationseinrichtungen ermöglicht.Zu <strong>Artikel</strong> 2 (Än<strong>der</strong>ung des Elften Buches Sozialgesetzbuch)Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, die ihre Assistenzleistungennach dem „Arbeitgebermodell“ beziehen, haben die gesamteDauer von vollstationären Krankenhausaufenthaltenzur Akutbehandlung, von häuslicher Krankenpflege undvon stationären Leistungen zur medizinischen RehabilitationAnspruch auf Weiterzahlung des Pflegegeldes. DieserLeistungsanspruch sollte auch für Aufenthalte in Vorsorgeeinrichtungengelten, da nur so sichergestellt werden kann,dass dieser Berechtigtenkreis auch dort die notwendigenAssistenzleistungen erhält. Das vorhandene Personal verfügtnicht über die entsprechenden Qualifikationen und diezeitlichen Ressourcen, um diese Leistungen bedarfsdeckendzu erbringen.In Verbindung mit den Än<strong>der</strong>ungen des § 11 Absatz 3SGB V und des § 63 Satz 4 SGB XII wird sichergestellt,dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung ihre nach dem „Arbeitgebermodell“beschäftigten Assistenzkräfte auch in Vorsorge-und Rehabilitationseinrichtungen problemlos mitnehmenkönnen.Zu <strong>Artikel</strong> 3 (Än<strong>der</strong>ung des Zwölften BuchesSozialgesetzbuch)Die Praxis hat gezeigt, dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung, dieihre Assistenzkräfte nach dem „Arbeitgebermodell“ beschäftigen,diese nicht problemlos in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungenmitnehmen können. Das dort angestelltePersonal verfügt jedoch nicht über die entsprechen-48


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode –5– Drucksache 17/3746den Qualifikationen sowie Kapazitäten, um die behin<strong>der</strong>ungsbedingtenzusätzlichen Aufgaben zu übernehmen.Daher wird mit <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung des § 63 Satz 3 SGB XII dieMöglichkeit geschaffen, dass die leistungsberechtigtenMenschen mit Behin<strong>der</strong>ung auch während des Aufenthaltesin Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen Leistungenzur Hilfe zur Pflege durch den Sozialhilfeträger erhalten.Zu <strong>Artikel</strong> 4 (Inkrafttreten)Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.49


Deutscher Bundestag Drucksache 17/491117. Wahlperiode <strong>24</strong>. 02. 2011Antrag<strong>der</strong> Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Martina Bunge, Diana Golze, Matthias W.Birkwald, Heidrun Dittrich, Klaus Ernst, Katja Kipping, Jutta Krellmann, CorneliaMöhring, Kathrin Senger-Schäfer, Kersten Steinke, Kathrin Vogler, HaraldWeinberg, Jörn Wun<strong>der</strong>lich, Sabine Zimmermann und <strong>der</strong> Fraktion DIE LINKE.Kostenvorbehalt in § 13 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch streichen –Selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen gewährleistenDer Bundestag wolle beschließen:Der Deutsche Bundestag for<strong>der</strong>t die Bundesregierung auf, kurzfristig einen Gesetzentwurfzur Än<strong>der</strong>ung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII)vorzulegen, <strong>der</strong> die Aufhebung des Kostenvorbehalts in § 13 Absatz 1 SGB XIIvorsieht.Berlin, den <strong>24</strong>. Februar 2011Dr. Gregor Gysi und FraktionBegründungAlle Menschen haben nach <strong>Artikel</strong> 13 <strong>der</strong> Allgemeinen Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechtedas Recht auf Freizügigkeit. Darunter fällt auch die freie Wahldes Aufenthaltsortes. Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen werden jedoch aus (imSGB XII gesetzlich verankerten) Kostengründen gegen ihren Willen gezwungen,in einem Heim zu leben, obwohl sie in einer eigenen Wohnung o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>enWohnform leben möchten. Möglich wird das, wenn die Kommune nicht bereitist, ggf. höhere Kosten für Assistenzleistungen in einer eigenen Wohnung imVergleich zu anfallenden Assistenzkosten in einer stationären Einrichtung zu bezahlen.Was dies für die Betroffenen bedeutet, bezeugen eindrucksvoll die Lebens- undLeidensgeschichten von Elke Bartz (siehe Projekt „Marsch aus den Institutionen:Reißt die Mauern nie<strong>der</strong>!“ in www.forsea.de), Matthias Grombach(siehe u. a. „Grombachs Freiheit immer noch bedroht – ZDF berichtet“ inwww.kobinet-nachrichten.org vom 30. April 2010) und viele an<strong>der</strong>e inzwischendokumentierte Berichte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen.Seit dem 26. März 2009 ist die UN-Konvention über die Rechte von Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen (<strong>BRK</strong>) geltendes Recht in <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland.Danach sind die Bundesregierung, Landesregierungen und Kommunen verpflichtet,Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zu ermöglichen, ihren Aufenthaltsort50


Drucksache 17/4911 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiodefrei zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben. Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungensind nicht verpflichtet, in beson<strong>der</strong>en Wohnformen zu leben; ihnenist <strong>der</strong> Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zuHause und in Einrichtungen, einschließlich <strong>der</strong> persönlichen Assistenz, die zurUnterstützung des Lebens in <strong>der</strong> Gemeinschaft und <strong>der</strong> Einbeziehung in dieGemeinschaft sowie zur Verhin<strong>der</strong>ung von Isolation und Abson<strong>der</strong>ung von <strong>der</strong>Gemeinschaft notwendig ist, zu gewähren (vgl. <strong>Artikel</strong> 19 <strong>BRK</strong>).Dem entgegen steht immer noch die Regelung des § 13 Absatz 1 Satz 3SGB XII, wonach Behörden Menschen gegen ihren Willen zwingen können, ineinem Heim zu leben, „wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtungzumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkostenverbunden ist.“ Dabei vermuten die Kommunen ungerechtfertigt einengroßen Ermessensspielraum hinsichtlich <strong>der</strong> Frage, was zumutbar ist. Dochnach <strong>der</strong> <strong>BRK</strong> entfällt grundsätzlich <strong>der</strong> erst 1996 eingeführte Kostenvorbehalt,wenn die betroffene Person eine stationäre Einrichtung für sich als Wohnformausschließt.Zwei Jahre nach Ratifizierung <strong>der</strong> Menschenrechtskonvention ist eine rechtlicheKlarstellung durch Streichung des Kostenvorbehalts folgerichtig und notwendig.Sie gewährleistet, dass Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen in allen Kommunenihren Aufenthaltsort auch ohne langwierigen Rechtsstreit frei wählen könnenund nicht mehr gegen ihren Willen aus Kostengründen gezwungen werden, inBehin<strong>der</strong>ten- und Altenheimen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en stationären Einrichtungen zu leben.Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.deVertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.deISSN 0722-833351


Deutscher Bundestag Drucksache 17/504317. Wahlperiode 16. 03. 2011Antrag<strong>der</strong> Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Martina Bunge, Matthias W. Birkwald,Diana Golze, Jutta Krellmann, Cornelia Möhring, Kathrin Senger-Schäfer,Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Jörn Wun<strong>der</strong>lich und <strong>der</strong> Fraktion DIE LINKE.zu <strong>der</strong> Mitteilung <strong>der</strong> Kommission an das Europäische Parlament, den Rat,den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss<strong>der</strong> RegionenEuropäische Strategie zugunsten von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen 2010–2020:Erneuertes Engagement für ein barrierefreies EuropaKOM(2010) 636 endg.; Ratsdok. 16489/10hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß <strong>Artikel</strong> 23 Absatz 2des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeitvon Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten <strong>der</strong>Europäischen UnionEuropäische Strategie zugunsten von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen2010–2020 unterstützenDer Bundestag wolle beschließen:I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:Am 15. Dezember 2010 unterrichtete die Europäische Kommission die Abgeordnetendes Europäischen Parlaments, den Rat und den Ausschuss <strong>der</strong>Regionen über die „Europäische Strategie zugunsten von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen2010–2020: Erneuertes Engagement für ein barrierefreies Europa“.Darin benennt die EU-Kommission das Ziel, Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen „indie Lage zu versetzen, ihre vollen Rechte wahrzunehmen und uneingeschränktan <strong>der</strong> Gesellschaft und <strong>der</strong> europäischen Wirtschaft teilzuhaben“.In <strong>der</strong> Strategie werden Maßnahmen auf EU-Ebene benannt, mit denen die nationalenMaßnahmen ergänzt werden sollen, und es werden die Mechanismenaufgezeigt, die zur Durchsetzung <strong>der</strong> UN-Konvention über die Rechte von Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen (<strong>BRK</strong>) auf EU-Ebene, auch innerhalb <strong>der</strong> EU-Institutionen,notwendig sind. Außerdem verdeutlicht die Strategie, welche Unterstützungin den Bereichen Bereitstellung von finanziellen Mitteln, Forschung,Bewusstseinsbildung, Statistik und Datensammlung erfor<strong>der</strong>lich ist.52


Drucksache 17/5043 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. WahlperiodeDie EU hat die <strong>BRK</strong> ratifiziert und aktiv an ihrer Umsetzung mitgewirkt. DieRatifizierung <strong>der</strong> Konvention durch die EU ist ein wichtiger Schritt für die künftigeAusrichtung <strong>der</strong> Politik für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen auf europäischerEbene.Das Vorhaben <strong>der</strong> EU-Kommission, einen Rechtsakt über die verbesserte barrierefreieZugänglichkeit von Produkten und Dienstleistungen im Rahmen desBinnenmarkts in Erwägung zu ziehen, ist begrüßenswert.Außerdem ist das angekündigte Bestreben <strong>der</strong> EU-Kommission zu befürworten,den Übergang von institutionellen zu wohnortintegrierten Unterstützungsangebotenfür Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen durch die Nutzung des Strukturfondsund des Fonds zur Entwicklung des ländlichen Raums zu erleichtern.Auch die von <strong>der</strong> EU-Kommission vorgeschlagene Richtlinie des Rates zur Anwendungdes Grundsatzes <strong>der</strong> Gleichbehandlung ungeachtet <strong>der</strong> Religion o<strong>der</strong><strong>der</strong> Weltanschauung, einer Behin<strong>der</strong>ung, des Alters o<strong>der</strong> <strong>der</strong> sexuellen Ausrichtung(KOM(2008) 426 endg.; 5. EU-Antidiskriminierungsrichtlinie) ist einwichtiges Instrument zur Verbesserung <strong>der</strong> Teilhabe und Barrierefreiheit vonMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen. Der Richtlinienvorschlag sieht für Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen die Umsetzung angemessener Vorkehrungen vor, die ihnen dendiskriminierungsfreien Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, Gesundheitsdienstenund Bildungsangeboten gewährleisten.II. Der Deutsche Bundestag for<strong>der</strong>t die Bundesregierung auf,1. die Umsetzung <strong>der</strong> „Europäische[n] Strategie zugunsten von Menschen mitBehin<strong>der</strong>ungen 2010–2020: Erneuertes Engagement für ein barrierefreiesEuropa“ aktiv zu unterstützen;2. vor dem Hintergrund <strong>der</strong> gemeinsamen Aufgabe, die UN-Konvention überdie Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen auch im europäischen Rahmenumzusetzen, konstruktiv an <strong>der</strong> Arbeit zur 5. EU-Antidiskriminierungsrichtliniemitzuwirken und ihre bisherige Blockadehaltung aufzugeben;3. Aktivitäten zu unterstützen, die darauf hinzielen, die Europäische Strategiezugunsten von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen auch durch einen europäischenAktionsplan zur Umsetzung <strong>der</strong> UN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention zu konkretisieren.Dabei ist zu sichern, dass die Interessenvertretungen von Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen eingebunden werden. In einem solchen Aktionsplansollten kurz-, mittel- und langfristige Ziele für die Umsetzung <strong>der</strong>Konvention und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung <strong>der</strong> Teilhabe,Selbstbestimmung und Gleichstellung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen detaillierterfestgelegt werden.Berlin, den 16. März 2011Dr. Gregor Gysi und FraktionGesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.deVertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.deISSN 0722-833353


Rede von Dr. Martina Bunge zur Umsetzung <strong>der</strong>UN-Konvention über die Rechte von Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen und zur For<strong>der</strong>ung nach einemAktionsplan <strong>der</strong> BundesregierungDeutscher Bundestag, Plenarprotokoll17/97 – Berlin, Donnerstag den 18. März2011, S. 11157Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Vor uns liegen drei Anträge rund um die UN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention.Sie haben sicher Ilja Seifertals Redner <strong>der</strong> Linksfraktion in <strong>der</strong> Debatte erwartet.Ich übernehme heute seinen Part, weil mein KollegeDr. Ilja Seifert, zugleich Vorsitzen<strong>der</strong> des AllgemeinenBehin<strong>der</strong>tenverbandes in Deutschland, <strong>der</strong>zeit inThüringen seinem tödlich verunglückten Stellvertreter,Dr. Karl Schran, die letzte Ehre erweist.Der Allgemeine Behin<strong>der</strong>tenverband trägt den Zusatz„Für Selbstbestimmung und Würde“ in seinemNamen; das ist eigentlich das Credo, das auch dieUN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention durchzieht.Fast auf den Tag genau seit zwei Jahren ist die UN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention geltendes Recht inDeutschland. Der anlässlich <strong>der</strong> Ratifizierung eingebrachteAntrag <strong>der</strong> Linksfraktion, einen Aktionsplanzur Umsetzung <strong>der</strong> Konvention aufzustellen – daranmöchte ich erinnern –, wurde von <strong>der</strong> schwarz-rotenMehrheit abgelehnt. Die FDP hat damals gar dieRatifizierung <strong>der</strong> Konvention abgelehnt. Wie fataldiese Entscheidungen waren, zeigt sich heute: Fürdie Umsetzung <strong>der</strong> UN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonventionwurde auf Bundesebene bisher nichts Konkretesgetan, makabererweise mit dem Verweis, dasszunächst ein Aktionsplan erstellt werden müsse. Dasentsprechende Ziel steht seit November 2009 in <strong>der</strong>Koalitionsvereinbarung; aber seither wird seitens <strong>der</strong>Bundesregierung und des Behin<strong>der</strong>tenbeauftragtennur diskutiert. Ihrer Logik folgend, wurde dafür aberkein Geld in den Bundeshaushalt eingestellt, we<strong>der</strong>kurz- noch mittelfristig.Heute liegt uns ein Antrag <strong>der</strong> Koalitions-fraktionenmit dem vielversprechenden Titel „Für eine umfassendeUmsetzung <strong>der</strong> UN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention– Nationaler Aktionsplan als Leitlinie“ vor. Darin heißtes: Der Deutsche Bundestag for<strong>der</strong>t die Bun<strong>der</strong>egierungauf, im Rahmen <strong>der</strong> zur Verfügung stehendenHaushaltsmittel … dieses und jenes zu tun. KönnenSie uns einmal verraten, wie Sie die dort benannten<strong>24</strong> Aktionsfel<strong>der</strong> mit Leben füllen wollen? Wie sollbeispielsweise „eine umfassende Barrierefreiheit“erreicht werden? Vieles wird zu solchen Beteuerungenverkommen wie die, dass „die Bedeutung des Behin<strong>der</strong>tensportszu stärken“ sei.Insbeson<strong>der</strong>e die, die durch Unfall und Krankheitmit Beeinträchtigungen o<strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ungen lebenmüssen, wissen, dass gerade <strong>der</strong> Sport eine völligneue Lebensorientierung geben kann. Paralympicsund Special Games dokumentieren dies. Für denBehin<strong>der</strong>tensport endlich stabile Finanzgrundlagen zuschaffen, lohnte sich.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Wir legen Ihnen heute einen Antrag vor: Wenn Sieihn annehmen würden, könnten Sie Nägel mit Köpfenmachen.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Darin for<strong>der</strong>n wir Sie auf, den Kostenvorbehalt in § 13des SGB XII zu streichen. Wie lange noch sollen Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen aus Kostengründen gezwungenwerden, in Heimen zu leben, obwohl sie in eigenerWohnung o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Wohnformen leben könnten,wenn sie geeignete Assistenz – manche brauchensogar gar keine – hätten? Der Antrag verweist auf zigBeispiele, wo an<strong>der</strong>s gehandelt wird – unvereinbarmit Art. 19 <strong>der</strong> UN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention. Daswollen wir nicht länger hinnehmen.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)In ihrem zweiten Antrag for<strong>der</strong>t Die Linke schon imTitel: „Europäische Strategie zugunsten von Menschenmit Behin<strong>der</strong>ung 2010 bis 2020 unterstützen“!Diese Strategie benennt ergänzende Maßnahmen aufEU-Ebene.Es ist schon makaber, dass die Regierenden inDeutschland gedrängt werden müssen, diese EuropäischeStrategie zu unterstützen.Der Korrektheit halber – um nicht des Plagiats bezichtigtzu werden – möchte ich anmerken, dass wir beidiesem Antrag umfassend auf eine Bundesratsinitiativedes Landes Rheinland-Pfalz zurückgegriffen haben.Sich auf europäischer Ebene einzubringen, bedeutetauch, die bisherige Blockadehaltung gegenüber <strong>der</strong>5. EU-Antidiskriminierungsrichtlinie aufzugeben undkonstruktiv an ihr mitzuwirken. Dazu for<strong>der</strong>n wir Sieauf. (Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Unsere Anträge zeigen: Diese Regierung muss inSachen Umsetzung <strong>der</strong> UN Behin<strong>der</strong>tenrechtskonventionfaktisch zum Jagen getragen werden o<strong>der</strong> – deutlicher– zum Handeln gezwungen werden. Insofernist Ihr heutiger Antrag, meine Damen und Herren vonden Koalitionsfraktionen, scheinheilig.Werden Sie endlich konkret. Eine wirkliche Teilhabevon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen braucht ein inklusivesDeutschland.Danke schön.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)54


Rede von Dr. Ilja Seifert zur Beschlussempfehlungdes Ausschusses für Arbeit und Sozialeszu den Anträgen <strong>der</strong> Fraktion DIE LINKEKostenvorbehalt in § 13 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch streichen – SelbstbestimmtesLeben für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen gewährleisten und„Europäische Strategie zugunsten von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen 2010 – 2020 unterstützen“Deutscher Bundestag – Plenarprotokoll17/12, Berlin, Freitag, den 8. Juli 2011,S. 14334Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren!Es ist erfreulich, dass die Kollegen bislang eine tolleGeneraldebatte über die Behin<strong>der</strong>tenpolitik führen.Aber ich will zum Tagesordnungspunkt zurückkehren.Es liegen drei Anträge vor, über die wir heute zuentscheiden haben. Die Koalition verlangt in ihremAntrag, einen Nationalen Aktionsplan vorzulegen. DieLinke verlangt in ihren beiden Anträgen, einerseitsden Kostenvorbehalt in § 13 des Zwölften BuchesSozialgesetzbuch zu streichen(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)und an<strong>der</strong>erseits die Europäische Strategie zugunstenvon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen zu unterstützen.Ich will Ihnen die Begründung vortragen, warum dieUnion die Anträge <strong>der</strong> Linken ablehnt. Ich zitiere aus<strong>der</strong> Beschlussempfehlung des Ausschusses:„Die Fraktion <strong>der</strong> CDU/CSU lehnte die Anträge alsüberholt ab.“Wahrscheinlich ist mir das entgangen, liebe Frau KolleginMichalk; wenn diese aber überholt wären, dannwun<strong>der</strong>e ich mich, dass noch immer Menschen gegenihren Willen in Heimen leben müssen.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN, <strong>der</strong> SPD und dem BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)Lei<strong>der</strong> ist es mir auch entgangen, dass Sie in Brüsselwie verrückt dafür kämpfen, dass endlich die EuropäischeStrategie zugunsten von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen2010 bis 2020 umgesetzt bzw. erst einmalbeschlossen wird. Weiter heißt es in Ihrer Begründung<strong>der</strong> Ablehnung: „Die Streichung des Kostenvorbehaltsin § 13 desZwölften Buches Sozialgesetzbuch werdesicheventuell durch an<strong>der</strong>e Maßnahmen erledigen.“Das finde ich richtig spannend. Wenn das wirklichso ist, dann ist es mir entgangen, dass Sie heimlichdaran arbeiten, den Kostenvorbehalt zu streichen. MachenSie bitte heimlich weiter, aber irgendwann musses einmal werden. Sie haben es angekündigt, aber eshat noch niemand etwas davon gemerkt.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN und <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Es geht weiter: Insgesamt müsse man – damit lassenSie die Katze aus dem Sack – auch bei <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenpolitikberücksichtigen, dass Steuergel<strong>der</strong> nurbegrenzt verfügbar seien. Das ist eine Binsenweisheit.Wichtig sei auch, keine unerfüllbaren Versprechungenzu geben. Was soll denn das?(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das habe ich gerade inmeiner Rede gesagt!)Gerade haben Sie eine Eloge auf die Menschenrechtsdimension<strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenrechtskonventiongesungen. Gerade haben Sie erzählt, dass es um Menschenrechtegeht, die angeblich unteilbar sind undauf <strong>der</strong> ganzen Welt gleichermaßen Geltung haben,selbstverständlich für Menschen mit und für solcheohne Behin<strong>der</strong>ungen.Welches unerfüllbare Versprechen wecken Sie dennfür Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen, wenn es darumgeht, dass sie voll am Leben teilhaben dürfen?Dann heißt es weiter: Man müsse realistisch bleiben.Der Satz stimmt auch immer.Daher würden die beiden Anträge abgelehnt. Dashaben Sie im Ausschuss zu Protokoll gegeben. Mitsolchen fadenscheinigen Begründungen lehnen Sieunsere guten Anträge ab.Nun wollen wir zu Ihrem Antrag kommen. Er wurde imMärz anstelle des von <strong>der</strong> Regierung angekündigtenAktionsplans ins Parlament eingebracht. Das Positivedaran ist, dass wir wenigstens eine Debatte über Behin<strong>der</strong>tenpolitikführen konnten. Die Regierung hat esnicht einmal zustande gebracht, einen entsprechendenAntrag einzubringen. Also: ein Lob dafür, aber nurdafür.Das Ziel Ihres Antrags bestand darin, <strong>der</strong> BundesregierungHinweise zu geben, was im Aktionsplaneigentlich stehen müsste und was sie beson<strong>der</strong>sberücksichtigen sollte. Wenn Sie das über das Parlamentmachen, ist das Ihre Sache. Okay. Am 15. Juniwie<strong>der</strong>um hat die Bundesregierung ihren Aktionsplanbeschlossen. Dass dieser auf einhellige Kritik aller in<strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenbewegung Aktiven stieß, ist hinlänglichbekannt. Sie haben gerade versucht, das zurückzuweisen.Das än<strong>der</strong>t aber nichts an <strong>der</strong> Tatsache,dass dem so ist. Warum erklärt dann die Koalition,also Sie, ihren eigenen Antrag nicht für erledigt? Denndie Regierung hat doch ihren Nationalen Aktionsplanvorgelegt, was Sie jetzt mit Ihrem Antrag verlangen.55


Sie erklären ihn nicht für erledigt.Dafür gibt es nur eine mögliche Erklärung.(Gabriele Molitor [FDP]: Das sind doch nur Formalismen!)Es könnte sein, dass die Bundesregierung in demAktionsplan, den sie vorgelegt hat, nicht einmalausreichend ihre eigenen For<strong>der</strong>ungen berücksichtigthat. Wenn dem so wäre, würde die Koalition weitergehen als die Regierung – komischerweise macht siees nicht –, und dann könnte man dem Antrag zustimmen.Da dem aber nicht so ist und Ihr Antrag genausoschlecht wie <strong>der</strong> Nationale Aktionsplan <strong>der</strong> Regierungist, tut es mir leid, dass wir Ihren Antrag ablehnenmüssen.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN sowie bei Abgeordneten <strong>der</strong>SPD)56


Deutscher Bundestag Drucksache 17/658617. Wahlperiode 14. 07. 2011Gesetzentwurf<strong>der</strong> Abgeordneten Sabine Zimmermann, Dr. Ilja Seifert, Dr. Martina Bunge, DianaGolze, Matthias W. Birkwald, Heidrun Dittrich, Klaus Ernst, Katja Kipping, JuttaKrellmann, Cornelia Möhring, Yvonne Ploetz, Kathrin Senger-Schäfer, KathrinVogler, Harald Weinberg, Jörn Wun<strong>der</strong>lich und <strong>der</strong> Fraktion DIE LINKE.Entwurf eines Gesetzes zur Än<strong>der</strong>ung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch –Gesetzliche Fristen für die Feststellung <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung und die Erteilung desAusweisesA. ProblemDie Bearbeitung von Anträgen auf Ausstellung eines Ausweises über die Eigenschaftals schwerbehin<strong>der</strong>ter Mensch dauert zu lange. Sie beträgt je nach Bundeslandmehrere Wochen, zum Teil einige Monate und lag nach <strong>der</strong> letztenbundesweiten Erfassung im Dezember 2008 durchschnittlich bei ca. 13 Wochen.Im Einzelfall warten Betroffene mehr als ein Jahr. Das Neunte Buch Sozialgesetzbuch(SGB IX) schreibt keine konkrete Frist vor, innerhalb <strong>der</strong>er <strong>der</strong>Antragsteller bzw. die Antragstellerin nach Eingang des Antrags den Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweiserhalten muss. So gibt es keinen Handlungsdruck für die zuständigenBehörden bzw. für die Politik, entsprechende Einrichtungen personellund technisch besser auszustatten.Festgeschrieben ist lediglich eine Frist für die Feststellung des Versorgungsträgersnach § 69 Absatz 1 SGB IX über die Eigenschaft als schwerbehin<strong>der</strong>terMensch – und das auch nur für Anträge erwerbstätiger Personen. Geregelt istaber nicht, bis wann <strong>der</strong> Antragstellerin bzw. dem Antragsteller <strong>der</strong> Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweisausgestellt werden muss. Das ist aber für die jährlich hun<strong>der</strong>ttausendenBetroffenen in Deutschland letztlich das Entscheidende, schließlichist <strong>der</strong> Zugang zu behin<strong>der</strong>ungsbedingten Nachteilsausgleichen sowie dieInanspruchnahme von Rechten teilweise von <strong>der</strong> Ausstellung des Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweisesabhängig, da dieser dem Nachweis dient.B. LösungIm SGB IX wird die Frist zur Feststellung <strong>der</strong> Schwerbehin<strong>der</strong>teneigenschaftnach § 69 Absatz 1 Satz 2 auf alle Personen und auf alle Feststellungen nach§ 69 Absatz 1 Satz 1 (Schwerbehin<strong>der</strong>teneigenschaft bzw. <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung)ausgeweitet. Dies entspricht <strong>der</strong> ursprünglich im Entwurf einesGesetzes zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ausbildung und Beschäftigung schwerbehin<strong>der</strong>terMenschen (Bundestagsdrucksache 15/1783) vorgesehenen Regelung.Es wird darüber hinaus eine Frist von fünf Wochen festgeschrieben, innerhalb<strong>der</strong>er <strong>der</strong> Antragstellerin bzw. dem Antragsteller auf Grund <strong>der</strong> Feststellung <strong>der</strong>Behin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweis ausgestellt wird. Die Neuregelung57


Drucksache 17/6586 –2– Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiodeorientiert sich dabei an dem Verfahren zur Feststellung <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit(§ 18 SGB XI). Dieses sieht eine Fünfwochenfrist vor, innerhalb <strong>der</strong>er <strong>der</strong>Antragsteller eine schriftliche Mitteilung <strong>der</strong> Pflegekasse erhalten muss.C. AlternativenKeine.D. KostenEs entstehen Kosten in unbekannter Höhe. Um die Bearbeitungsdauer zu verkürzen,müssen die für die Ausstellung von Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweisen zuständigenBehörden und Einrichtungen personell und technisch besser ausgestattetwerden.58


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode –3– Drucksache 17/6586Entwurf eines Gesetzes zur Än<strong>der</strong>ung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch –Gesetzliche Fristen für die Feststellung <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung und die Erteilung desAusweisesDer Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates dasfolgende Gesetz beschlossen:<strong>Artikel</strong> 1Än<strong>der</strong>ung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch§ 69 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch – Rehabilitationund Teilhabe behin<strong>der</strong>ter Menschen – (<strong>Artikel</strong> 1 desGesetzes vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046), das zuletztdurch … geän<strong>der</strong>t worden ist, wird wie folgt geän<strong>der</strong>t:1. Absatz 1 Satz 2 wird wie folgt gefasst:„Die in § 14 Absatz 2 Satz 2 und 4 sowie § 14 Absatz 5Satz 2 und 5 genannten Fristen sowie § 60 Absatz 1 desErsten Buches gelten entsprechend.“2. Nach Absatz 5 wird folgen<strong>der</strong> neuer Absatz 6 angefügt:„(6) Der Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehin<strong>der</strong>terMensch, den Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung sowieim Falle des Absatzes 4 über weitere gesundheitlicheMerkmale wird <strong>der</strong> Antragsstellerin beziehungsweisedem Antragsteller spätestens fünf Wochen nach Eingangdes Antrags von <strong>der</strong> zuständigen Behörde ausgestellt.“<strong>Artikel</strong> 2InkrafttretenDieses Gesetz tritt am Tage nach <strong>der</strong> Verkündung inKraft.Berlin, den 12. Juli 2011Dr. Gregor Gysi und Fraktion59


Drucksache 17/6586 –4– Deutscher Bundestag – 17. WahlperiodeBegründungA. AllgemeinesDie sehr langen Bearbeitungszeiten bei Anträgen auf Ausstellungeines Ausweises über die Eigenschaft als schwerbehin<strong>der</strong>terMensch stellen eine Diskriminierung von Menschenmit Behin<strong>der</strong>ungen dar, welche dadurch an ihrer vollenTeilhabe am gesellschaftlichen Leben gehin<strong>der</strong>t werden.Der Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweis ist als Nachweis notwendig,um z. B. Nachteilsausgleiche wie Vergünstigungen bei <strong>der</strong>Besteuerung des Einkommens in Anspruch nehmen zu könnensowie den Nachweis des Bestehens des beson<strong>der</strong>enKündigungsschutzes zu erleichtern. Dieses Problem wirdbisher nicht gelöst, weil keiner <strong>der</strong> politischen Akteurinnenund Akteure Verantwortung übernimmt. Die Bundesregierunglehnt eine gesetzliche Neuregelung <strong>der</strong> Fristen ab undsieht den Handlungsbedarf bei den Bundeslän<strong>der</strong>n. Dieseverweisen wie<strong>der</strong>um auf verschiedene ungelöste Problemevor Ort und die Zuständigkeit <strong>der</strong> Kommunen, die wie<strong>der</strong>umoftmals unter einer personell, finanziell und technischunzureichenden Ausstattung ihrer Behörden leiden.Mit einer präzisen gesetzlichen Regelung einer Fünfwochenfristwird diese Spirale durchbrochen. Der Bundmuss dafür entsprechende finanzielle Ressourcen zur Verfügungstellen. Es entsteht politischer Handlungsdruck fürdie verschiedenen Ebenen von Bund, Land und Kommune.Dies erfor<strong>der</strong>t nicht zuletzt das Gesetz zu dem Übereinkommen<strong>der</strong> Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 überdie Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen sowie zu demFakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen<strong>der</strong> Vereinten Nationen über die Rechte vonMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen vom 21. Dezember 2008(BGBl. II S. 1419). Mit dieser UN-Konvention über dieRechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen, die am 26. März2009 auch rechtsverbindlich für die BundesrepublikDeutschland wurde, verpflichten sich die Vertragsstaatengemäß <strong>Artikel</strong> 4 („Allgemeine Verpflichtungen“) „[…] allegeeigneten Maßnahmen einschließlich gesetzgeberischerMaßnahmen zur Än<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> Aufhebung bestehen<strong>der</strong>Gesetze, Verordnungen, Gepflogenheiten und Praktiken zutreffen, die eine Diskriminierung von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungendarstellen […]“ sowie „[…] Handlungen o<strong>der</strong>Praktiken, die mit diesem Übereinkommen unvereinbarsind, zu unterlassen und dafür zu sorgen, dass die staatlichenBehörden und öffentlichen Einrichtungen im Einklangmit diesem Übereinkommen handeln […]“.Zu <strong>Artikel</strong> 1Zu Nummer 1B. EinzelbegründungMit <strong>der</strong> Neuregelung wird sichergestellt, dass die für denVersorgungsträger bestehenden Fristen nicht nur für dieFeststellung <strong>der</strong> Eigenschaft als schwerbehin<strong>der</strong>ter Mensch(§ 69 Absatz 1 Satz 2 SGB IX) und darüber hinaus zukünftignicht nur für erwerbstätige, son<strong>der</strong>n für alle Personengelten.Zu Nummer 2Die Festschreibung einer Fünfwochenfrist für die Ausstellungdes Ausweises über die Eigenschaft als schwerbehin<strong>der</strong>terMensch, den Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung sowie ggf.über weitere gesundheitliche Merkmale stellt durch einenRechtsanspruch sicher, dass die Betroffenen zeitnah ihrenSchwerbehin<strong>der</strong>tenausweis erhalten.Zu <strong>Artikel</strong> 2Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.deVertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.deISSN 0722-833360


Menschenrechte sind kein Kostenfaktor und keinGnadenakt!Dr. Ilja Seifert Zur Unterrichtung durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialesüber den Ersten Staatenbericht <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen <strong>der</strong>Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungDie Bundesregierung bleibt sich treu in Selbstgefälligkeitund Ignoranz: die massive Kritik behin<strong>der</strong>terMenschen und ihrer Verbände an dem NationalenAktionsplan wurde kaum berücksichtigt und spiegeltsich auch im ersten Staatenbericht <strong>der</strong> Bundesregierungin keiner Weise wi<strong>der</strong>.Ganz im Gegenteil: <strong>der</strong> Staatenbericht ist ein nochgrößerer Verschleierungsversuch. Der Umstand, dassein großer Teil von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen imreichsten europäischen Land in Armut leben muß,weil die Gesetzeslage Teilhabeleistungen an vorhandeneArmut bindet, also erst arm macht – wird völligausgeblendet. Dementsprechend wird die For<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenverbände nach voller Teilhabe konsequentnicht als soziale Teilhabe, son<strong>der</strong>n beschränktals vor allem rechtliche Teilhabemöglichkeit interpretiert.Der eklatante Wi<strong>der</strong>spruch zwischen rechtlichenMöglichkeiten und ihrer oft fehlenden Umsetzung in<strong>der</strong> Praxis wird we<strong>der</strong> untersucht noch eingeräumt.Die Frage, inwieweit die UN-Konvention eine Überarbeitungund Fortentwicklung deutscher Gesetzenotwendig macht, ist gar nicht zugelassen. Allenfallsauf <strong>der</strong> Ebene von Verordnungen soll modifiziert werden.So wun<strong>der</strong>t es nicht, dass <strong>der</strong> Bericht mit keinemWort auf den vorliegenden Teilhabe-Gesetzentwurf <strong>der</strong>behin<strong>der</strong>ten Juristinnen und Juristen eingeht.Der diesem Gesetzentwurf zu Grunde liegende Behin<strong>der</strong>ungsbegriffunterscheidet sich von dem durchdie Bundesregierung sowohl im Aktionsplan als auchin diesem Staatenbericht verwendeten deutlich. DerGesetzentwurf geht von <strong>der</strong> Verantwortung <strong>der</strong> Politikfür eine inklusive Gesellschaft insgesamt aus – for<strong>der</strong>talso eine an<strong>der</strong>e Politik, die die Wahrnehmung vonMenschenrechten einkommens- und vermögensunabhängigsichert.Die Bundesregierung erklärt „eine erfolgreicheInklusion behin<strong>der</strong>ter Menschen in die Gesellschaftlässt sich finanziell kaum messbar darstellen“ undklammert zugleich den §13 des SGB XII, <strong>der</strong> die Gewährungvon Leistungen unter Kostenvorbehalt stellt,aus dem Bericht aus. Die nicht erfolgreiche Inklusionlässt sich allerdings in Zahlen darstellen: anhand <strong>der</strong>Armutsquote, <strong>der</strong> Arbeitslosenquote, <strong>der</strong> Zahl vonMenschen in Son<strong>der</strong>einrichtungen, fehlen<strong>der</strong> Ausbildungsplätzeund armutsichern<strong>der</strong> Vergütungen vonMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen in Werkstätten. Darüberschweigt die Regierung im Bericht.Ebenfalls unerwähnt bleiben notwendige Regelungenzur Assistenz für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen inallen Lebensbereichen. Gesprochen wird über das„Persönliche Budget“ – das die Nutzung sozialerLeistungen als Einkauf auf dem freien Markt gestaltet– und <strong>der</strong>en mangelhafte Akzeptanz in Deutschland.Über die Ursachen kein Wort. Das ist kein Zufall. Wer,wie die Bundesregierung die Umsetzung <strong>der</strong> UN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention unter Kostenvorbehaltstellt, entwickelt natürlich keine Politik, die „Mehrkosten“verursacht. Wer jedoch, wie die Bundesregierungdie Umsetzung von Menschenrechten zu einerKostenfrage macht, höhlt Menschenrechte aus undverhin<strong>der</strong>t die Umsetzung <strong>der</strong> UN-Konvention. Wenn„Diskriminierung bedeutet, Menschen zu benachteiligen“wie es im Bericht heißt, dann diskriminiert dieBundesregierung, in dem sie es unterläßt, politischeMaßnahmen aufzuzeigen, um die reale Teilhabe vonMenschen mit Behin<strong>der</strong>ungen im Alltag sicher zustellen.Dazu würde ebenfalls gehören, Sanktionen beiVerstößen gegen bestehende rechtliche Regelungendeutlich zu verschärfen. Zu diesem Thema kein Wort.Nichts über die Wirkung <strong>der</strong> Ausgleichsabgabe, nichtsüber die ungleiche Rechtsprechung bei sexuellemMißbrauch behin<strong>der</strong>ter Frauen und Mädchen, nichtsüber die diskriminierende Wirkung von nicht bedarfsdeckendenVerwaltungsentscheidungen o<strong>der</strong> vonundurchsichtigen Zuständigkeiten in <strong>der</strong> Verwaltung.In dem Bericht <strong>der</strong> Bundesregierung werden Prinzipienund Rechte <strong>der</strong> Konvention entwe<strong>der</strong> für bereitsumgesetzt o<strong>der</strong> zur Verhandlungsache erklärt.Insbeson<strong>der</strong>e gilt Barrierefreiheit entwe<strong>der</strong> als reintechnisches Problem o<strong>der</strong> als Verhandlungsgegenstandvor Ort. Erst mit dieser Grundhaltung wird eineNovelle wie die Fernbusrichtlinie des Verkehrsministeriumsmöglich, die barrierefreie Fahrzeuge eben nichtzwingend vorschreibt und so Menschen mit Handicapbewußt in ihrer Mobilität einschränkt.Die Bundesregierung berichtet nicht über die Umsetzung<strong>der</strong> UN-Konvention, son<strong>der</strong>n legt ein Armutszeugnisab über ihr Politikverständnis, dasVerwirklichung von Menschenrechten immer noch alsGnadenakt versteht und damit den Menschen dochwie<strong>der</strong> zum Objekt <strong>der</strong> Fürsorge herabsetzt.61


Übersicht über ausgewählte weitere parlamentarischeInitiativen <strong>der</strong> Fraktion DIE LINKE8. Juli 2011 – Antrag –Drucksache Nr. 17/6493Erfor<strong>der</strong>liche Bewilligungen von Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen gewährleisten8. Juli 2011 – Antrag –Drucksache Nr.17/6489Mehr Rechte für Patientinnen und Patienten6. Juli 2011 – Antrag –Drucksache Nr. 17/6447Städtebauför<strong>der</strong>ung auf hohem Niveauverstetigen, For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Bauministerkonferenzumsetzen29. Juni 2011 – Antrag –Drucksache Nr. 17/6304Prävention weiter denken – Gesundheitsför<strong>der</strong>ungals gesamtgesellschaftlicheAufgabe stärken28. Juni 2011 – Kleine Anfrage –Drucksache Nr. 17/6563Zahngesundheit von älteren, pflegebedürftigenMenschen und Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen7. Juni 2011 – Kleine Anfrage –Drucksache Nr.17/6025Gleichwertige Lebensbedingungenin Deutschland und Altenpflege16. Mai 2011 – Kleine Anfrage –Drucksache Nr. 17/5746Gleichwertige Lebensbedingungenin Deutschland und Behin<strong>der</strong>tenpolitik20. April 2011 – Kleine Anfrage –Drucksache Nr. 17/5547Zur Zukunft <strong>der</strong> Gleichbehandlung8. April 2011 – Antrag –Drucksache Nr. 17/5390Vom Anspruch zur Wirklichkeit:Menschenrechte in Deutschland schützen,respektieren und gewährleisten07. April 2011 – Kleine Anfrage –Drucksache Nr. 17/5292Psychologische Gutachten bei Erwerbslosenim Bezug von Leistungen nach dem ZweitenBuch Sozialgesetzbuch23. März 2011 – Grosse Anfrage –Drucksache Nr. 17/5106Rente erst ab 67 – Gefahr für Jung und Alt7. Februar 2011 – Antrag –Drucksache Nr. 17/4615Fachkräftepotential nutzen – gute Arbeitschaffen, bessere Bildung ermöglichen,vorhandene Qualifikationen anerkennen4. Februar 2011 – Kleine Anfrage –Drucksache Nr. 17/4579Kürzung <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungsmittel 201126. Januar 2011 – Entschliessungsantrag –Drucksache Nr. 17/4557Beratung <strong>der</strong> Großen Anfrage Umsetzung desneuen Pflegebegriffs (gemäß dem Bericht desBeirats zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriff)3. Januar 2011 – Kleine Anfrage –Drucksache Nr. 17/4314Inhalte von Gesetzen und Verordnungenan <strong>der</strong> UN-Konvention über die Rechtevon Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen messen3. Dezember 2010 – Än<strong>der</strong>ungsantrag –Drucksache Nr. 17/4084Än<strong>der</strong>ungsantrag zum Entwurf eines Gesetzeszur Ermittlung von Regelbedarfen (...)– Regelbedarfsstufe 3 –28. Oktober 2010 – Antrag –Drucksache Nr. 17/3433Grundrecht auf Wohnen sozial, ökologischund barrierefrei gestalten7. Oktober 2010 – Antrag –Drucksache Nr. 17/3215Wirksamere Bedarfsplanung zur Sicherungeiner wohnortnahen und bedarfsgerechtengesundheitlichen Versorgung9. September 2010 – Kleine Anfrage –Drucksache Nr. 17/2801Der Conterganskandal – Vergangenheit,Gegenwart und Zukunft<strong>24</strong>. August 2010 – Kleine Anfrage –Drucksache Nr. 17/2747Barrierefreiheit bei Flugreisen4. Mai 2010 – Antrag –Drucksache Nr. 17/1558BAföG ausbauen – Gute Bildung für allemehr auf www.linksfraktion.de62


www.linksfraktion.de

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