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Handelsregister heißt es dazu: „Lt. Mitteilung des Rates des Kreises - Ref. Staatl. Eigentum -<br />
v. 17.2.53 sind die Vermögensanteile des Willy und Johannes Fritzsche auf Grund des § 1<br />
der Anordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17.7.1952 in das Volkseigentum<br />
übergegangen. Rechtsträger ist die Deutsche Investitionsbank.“<br />
Die Fritzsche-Söhne gingen im Westen getrennte Wege. Während Willy gemeinsam mit<br />
Rümmler in Burgdorf (heute zu Hannover gehörig) die Burgdorfer Baukastenfabrik W.<br />
Fritzsche gründete, die sich in den Folgejahren wirtschaftlich erfolgreich entwickelte, stand<br />
Johannes, der von den Leuten, die ihn kannten, als Leichtfuß und Lebemann bezeichnet wird,<br />
der Sinn nicht so sehr nach Arbeit. Anfangs ließ sich alles gut an, da er mit seinem guten<br />
Namen von der Gewerkschaft ein Darlehen von 100.000 DM bekam und in Lüneburg<br />
ebenfalls eine Baukastenfertigung aufbaute. Doch bald überließ er seiner Frau die Geschäfte,<br />
während er sich den Gerüchten zufolge in Bars und Klubs herumtrieb. Da seine Frau weder<br />
von Betriebswirtschaft noch von Baukastenproduktion etwas verstand, ging die Firma Pleite<br />
und Johannes musste sich eine Arbeit suchen. Er fand eine Stelle als Waschmaschinen-<br />
Vertreter bei Siemens, reiste durch die Lande und verkaufte Waschmaschinen. Bezahlt wurde<br />
zu dieser Zeit in bar und „Hans im Glück“ konnte wieder ein ausschweifendes Leben führen,<br />
zumindest solange, wie Siemens das ausstehende Geld nicht energisch zurückforderte. Als<br />
ihm der Boden unter den Füßen zu heiß wurde, entschloss er sich 1956, „reumütig“ in die<br />
DDR zurückzukehren. Dort bekam er tatsächlich seine Gesellschafteranteile an der Firma<br />
zurück - die Bedingungen sind unbekannt! Jedenfalls tauchte er in Blumenau wieder auf, wo<br />
er verschiedene Bekannte wegen DDR-feindlicher Äußerungen denunziert haben soll.<br />
Ansonsten borgte er Geld, betrieb in Freiberg eine Gaststätte ohne Lizenz und landete<br />
schließlich in Zwickau im Untersuchungsgefängnis.<br />
Um die Gläubiger befriedigen zu können, musste er sich seine Firmenanteile auszahlen<br />
lassen. In einem Ausscheidungsvertrag zwischen den Anteilseignern Albert Fritzsche, dessen<br />
Schwägerin Frieda (Mutter des Willy und Johannes Fritzsche), dem „Eigentum des Volkes“<br />
und seinem Anwalt Taeschner vom April/Mai 1957 werden die Bedingungen festgelegt,<br />
unter denen Fritzsche auf den Ausscheidungsbetrag von 30.000 DM zugreifen kann. Aus<br />
dem Guthaben durften nur Gläubigerforderungen beglichen werden. Nach seiner<br />
Haftentlassung sollte ihm eine Summe von monatlich 500 DM zur Verfügung stehen.<br />
Johannes Fritzsche verpflichtete sich, die notarielle Austrittserklärung zu unterzeichnen und<br />
schied rückwirkend zum 31.12.1956 aus der Firma aus.<br />
Er wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, soll in einem Bergwerk gearbeitet und<br />
während der Haftzeit gestorben sein. Nach anderen Berichten soll er später in Glauchau in<br />
heruntergekommenen Verhältnissen gelebt haben. Jedenfalls lebte er im Februar 1961 noch,<br />
als seine Mutter Frieda Fritzsche verstarb. Er erbte mit seinem Bruder Willy, dem<br />
westdeutschen Unternehmer aus Burgdorf, auch die Gesellschafteranteile in Höhe von je<br />
23.700 DM. Im Gesellschaftervertrag (§18) hatte jedoch Frieda Fritzsche bestimmt, dass von<br />
ihren Erben lediglich Willy Fritzsche als Gesellschafter in die Firma eintritt. Folglich musste<br />
Johannes wiederum ausgezahlt werden. Mit Zustimmung oder auf Bitten der Fritzsches<br />
erhöht der Kommanditist VEB Baukastenfabrik Blumenau, der seit dem 1.10.1960 die Stelle<br />
der Deutschen Investitionsbank (DIB) übernommen hatte, seine Einlagen um die<br />
betreffenden 23.700 DM und zahlte Johannes Fritzsche aus. Auf Drängen von Willy<br />
Fritzsche wurde der Zugriff von Johannes Fritzsche auf das Geld jedoch reglementiert, um<br />
vor allem seine Schulden zu bezahlen. Willy Fritzsche tritt mit Wirkung vom 5.2.1961 als<br />
Kommanditist in die Firma ein. Gerhard K., früher Prokurist und inzwischen Betriebsleiter<br />
der Firma, wurde von ihm mit der von den DDR-Gesetzen geforderten Generalvollmacht<br />
betraut.<br />
Die Entmachtung der Familie Fritzsche aus der Firmenleitung hatte sich inzwischen<br />
weiter vollzogen. Anfang 1960 war Albert Fritzsche von seinem Posten als Betriebsleiter<br />
angeblich „zurückgetreten“. Im Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 14.7.1960<br />
liest sich das so:<br />
"Punkt 5: Rücktritt des Herrn Albert Fritzsche von seinem Posten als Betriebsleiter.<br />
Herr Fritzsche hat unter dem 25.2.1960 seinen Rücktritt als Betriebsleiter erklärt. Er wurde<br />
von Herrn Güttler (Vertreter für den volkseigenen und staatlichen Anteil) noch einmal<br />
gefragt, ob er bei diesem Entschluss bliebe. Zwar ist Herr Fritzsche der Meinung, dass sein<br />
Rücktritt durch eine unliebsame Angelegenheit mehr oder weniger erzwungen sei, wozu dann