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Erinnerungen an die gute alte Zeit in Bessarabien

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<strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> <strong>an</strong> <strong>die</strong> <strong>gute</strong> <strong>alte</strong> <strong>Zeit</strong> <strong>in</strong> <strong>Bessarabien</strong>Nach e<strong>in</strong>em Gespräch bei Renate Bullach-Engel (*1951), im Sommer 1988. Anwesende: OttoEngel (*1919) und Rosa Engel-Le<strong>in</strong>z (*1920), aus Krasna, der e<strong>in</strong>zigen katholischenMutterkolonie, und außerdem Alfred F<strong>an</strong>drich (*1911) und Elvire Bisle-F<strong>an</strong>drich (*1936),aus Tarut<strong>in</strong>o.von Elvire Bisle-F<strong>an</strong>drich1988 waren me<strong>in</strong> Vater und ich Gäste im Hause von RenateBullach, weil deren Eltern dort zu Besuch waren. Wir saßen aufder Terrasse, blickten auf den Weserdeich und redeten vondaheim.Rosa Engel: „Wie sehr wir hier <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d <strong>die</strong> Wärmegenießen! Wenn ich da noch <strong>an</strong> <strong>Bessarabien</strong> denke! Wie haben wirauf der Steppe unter der Hitze gelitten! Ich war Bauerntochter. Inder Dreschzeit haben alle arbeiten müssen. Erwachsene undK<strong>in</strong>der.Ich hatte damals e<strong>in</strong>en Traum. Ich wäre gern <strong>in</strong> das Tarut<strong>in</strong>oerMädchengymnasium geg<strong>an</strong>gen. Von Krasna bis Tarut<strong>in</strong>o war esnur 10 km! Leicht gelernt habe ich auch. Unser Vater hätte auchdas Geld gehabt. Aber: ‚Wer weiß, was da <strong>in</strong> Tarut<strong>in</strong>o passiert!’hat unser Vater wohl gedacht. Auf Mädchen haben <strong>die</strong> Eltern sehraufgepasst! Auf Burschen nicht so arg. Aber arbeiten haben wir Mädchen dürfen, gerade sowie <strong>die</strong> Männer. Da hat es ke<strong>in</strong>e Rücksicht gegeben.Unser Vater hatte genug L<strong>an</strong>d, aber er wollte immer noch mehr. Nur L<strong>an</strong>d, L<strong>an</strong>d undnochmals L<strong>an</strong>d! Se<strong>in</strong>e Söhne sollten auch Bauer werden.“Alfred F<strong>an</strong>drich: „Alle Bauern strebten nach L<strong>an</strong>d; aber <strong>die</strong> Krasnaer hatten besonders vielL<strong>an</strong>d von den umliegenden Dörfern dazugekauft. Die Wege zu den neuen Feldern waren d<strong>an</strong>nnoch länger als zu den <strong>alte</strong>n.“Rosa Engel: „Und weil me<strong>in</strong> Vater immer mehr L<strong>an</strong>d bewirtschaftete, hatten wir immermehr Arbeit. In der Dreschzeit hab’ ich oft gedacht: ‚Ich halt’s nicht mehr aus!’ VorSonnenaufg<strong>an</strong>g waren wir schon auf dem Weg zur Stepp’.Ich er<strong>in</strong>nere mich noch <strong>an</strong> e<strong>in</strong>en Morgen, wie ich mit me<strong>in</strong>er Schwester auf dem Wasserfassgesessen b<strong>in</strong> und wie wir beide geschimpft haben. Nie im Leben täten wir e<strong>in</strong>en Bauernheiraten. Nie im Leben! Lieber wollten wir <strong>in</strong>s Kloster gehen. Lieber wollten wir fünfmal amTag beten als Tag für Tag so hart arbeiten müssen. Wie wir so schimpften, da rutscht unserWagen l<strong>in</strong>ks <strong>in</strong> e<strong>in</strong> tiefes Loch und <strong>die</strong> Schwester und ich fallen über <strong>die</strong> Seitenbretter <strong>in</strong> denStaub. Da lachten <strong>die</strong> Männer und unser Vater hat gespottet: ‚Da liegt’s Kloster jetzt schon imDreck. Was soll erst werden, wenn ihr zwei Nonnen noch dazu kommt?’“Alfred F<strong>an</strong>drich: „In der Dreschzeit haben unsere Bauern wenig geschlafen. M<strong>an</strong>che habenauf dem Weg zur Steppe Schlaf nachgeholt. Zu Hause haben wir das Getreide auf demDreschplatz ausgelegt und gedroschen.“Rosa Engel: „Meistens haben wir spät abends noch bei der Laterne <strong>die</strong> Putzmühle gedreht,wenn der Mond schon groß und rot überm Horizont gest<strong>an</strong>den ist. Wie oft habe ich mir dagewünscht, dass es schon W<strong>in</strong>ter wär’, damit wir endlich zur Ruhe kommen."„Im W<strong>in</strong>ter hatten es unsere Frauen gut“, lachte Otto Engel, „sie brauchten nicht <strong>in</strong> <strong>die</strong>Kälte. Da waren sie schon <strong>in</strong> der Früh auf dem Weg zur Nachbar<strong>in</strong> und haben Feier (Feuer)geborgt.“Rosa Engel: „Das kl<strong>in</strong>gt, als hätten wir Frauen im W<strong>in</strong>ter nichts get<strong>an</strong>. Aber, wenn’s Feuerausgeg<strong>an</strong>gen war, bei der Kälte. – Da haben wir schnell Glut holen müssen, damit das Hausnicht auskühlt.“

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