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52 AUTO UND MOTORRAD Durch die sog. Abwrackprämie konnte der Automobilhandel in Deutschland im Zeitraum Januar bis November 2009 mit 3.591.611 Neuwagen 25,4% mehr Fahrzeuge als im Vorjahreszeitraum erstmals auf die Straße bringen 1 . Die hierin enthaltenen Vorzieheffekte lassen die Branche aber befürchten, dass der Markt im gesamten laufenden Jahr auf bis zu ca. 2,6 Millionen Neuzulassungen schrumpfen wird. Dies und die durch die Abwrackprämie überlagerten strukturellen Probleme werden die nahe Zukunft vermutlich sehr schwierig für viele Kfz-Betriebe machen. So prognostizierte die Unternehmensberatung Roland Berger im vergangenen Herbst in einer Studie, dass das Insolvenzrisiko im Autohandel in diesem Jahr bei bis zu 40% liegt 2 . Der PKW-Bestand in Deutschland belief sich am 1. Januar 2009 auf 41.321.171 Fahrzeuge 3 , 1.227.038 (etwa 2,97%) hiervon entfielen auf die Metropolregion Rhein Neckar 4 . Zur gleichen Zeit gab es gab es 39.100 Kfz-Betriebe (darunter 18.900 Markenbetriebe) in Deutschland, in denen 461.900 Mitarbeiter beschäftigt waren 5 . Unterstellt man eine Verteilung dieser Betriebe und ihrer Mitarbeiter gemäß Fahrzeugbestand, so lässt sich die Anzahl der in der Metropolregion ansässigen Kfz-Betriebe auf 1.161 mit 13.715 Mitarbeitern schätzen, deren Zukunft z.T. bedroht scheint. Im Folgenden sollen ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige wesentliche in den Rahmenbedingungen des Fahrzeughandels in Deutschland liegende Ursachen für diese krisenhafte Entwicklung dargestellt werden: Duale Hochschule Baden-Württemberg, Standort Mannheim Zukunftsmotor Metropolregion Rhein-Neckar Ursachen der Krise im Automobilvertrieb 2009 war für den Autohandel in Deutschland ein außergewöhnliches Jahr. Prof. Dr. Ulrich Ermschel, Studiengangsleiter im Studiengang Handel (Vertiefung Automobilhandel) an der DHBW Mannheim 1. Neuwagen sind zu teuer: Bei in den letzten Jahren (bis auf das Jahr 2006) stagnierenden Neufahrzeugzulassungen ist auffällig, dass der Anteil der Privatkunden an diesen rückläufig ist. Gleichzeitig ist bei ebenfalls stagnierenden Umschreibungen gebrauchter Fahrzeuge der Marktanteil des Neufahrzeughandels an diesen Umschreibungen gestiegen. Berücksichtigt man, dass der hierbei erzielte durchschnittliche Verkaufspreis im Jahr 2008 bei 12.440 Euro (zu 8.690 Euro im Gesamtmarkt) lag 6 , so lässt dies vermuten, dass es bei Privatkunden eine Wanderbewegung vom Neufahrzeug zum Gebrauchtwagen gibt. Dies kann z.T. an der Entwicklung der Neufahrzeugpreise liegen. So ist der durchschnittlich gezahlte Neufahrzeugpreis in Deutschland prozentual stärker gestiegen (von 20.045 Euro im Jahr 2000 auf 25.990 Euro im Jahr 2008) als das durchschnittliche Bruttojahreseinkommen 7 und die Preise im übrigen Einzelhandel 8 . Dies alles deutet darauf hin, dass der Normalverdiener die heutigen Neuwagen kaum noch bezahlen kann. Dass das am stärksten an der Abwrackprämie profitierende Fahrzeugsegment das der Kleinwagen war, deren Preise durch diese Subvention prozentual übermäßig gesunken waren, bestärkt diese Annahme ebenso wie der gestiegene Erfolg der Billiganbieter. 2. Der Neufahrzeugmarkt spiegelt die Einkommensverteilung wider: Die Anbieter teurerer Fahrzeuge (Premiumhersteller) konnten ihre Marktanteile in den letzten Jahren stark ausbauen. Gleichzeitig ist festzustellen, dass die Anteile schwacher und höherer Einkommen zulasten der mittlerer Einkommen gestiegen sind. So verwundert es kaum, dass die Autohersteller, deren Klientel eher im Mittelstand zu suchen ist, die größten Absatzverluste zu verzeichnen haben. Anders formuliert: Viele Konsumenten aus Unter- und Mittelschicht können oder wollen nicht kaufen, und viele derjenigen Konsumenten, die es sich leisten können und wollen, wählen Premiummarken, deren Besitz das Verlangen nach Statussymbolen befriedigt. 3. Herstellerstandards belasten den Automobilhandel: Für den Vertrieb neuer Automobile gelten in der Europäischen Union besondere Regelungen, die in der sogenannten Gruppenfreistellungsverordnung (KFZ-GVO 1400/2002, die in der bestehenden Form bald ausläuft) festgelegt sind. Diese Regelungen ermöglichen den Automobilherstellern, ihren Händlern neben quantitativen auch die Erfüllung qualitativer Standards (wie etwa bei der baulichen Gestaltung der Be- 1 Vgl.: http://www.autohaus.de/sixcms/media.php/2141/Hersteller_11_09.pdf, abgerufen am 12.01.2010 2 Vgl.: http://www.rolandberger.com/company/press/releases/Sales_Agenda_2010:de.html, abgerufen am 26.02.2010 3 Vgl.: http://www.kba.de/nn_191172/DE/Statistik/Fahrzeuge/Bestand/FahrzeugklassenAufbauarten/2009_b_fzkl_eckdaten_absolut.html, abgerufen am 27.02.2010 4 https://www.ssl-id.de/raumbeobachtung-rhein-neckar.de/RBS-red/FLA/flash.html, abgerufen am 12.01.2010 5 Vgl.: Jahresbericht ZDK 2008, www.kfzgewerbe.de/_downloads/79436.pdf, abgerufen am 27.02.2010 6 Vgl. DAT-Report 2009 und AUTOHAUS, abgerufen auf http://www.autohaus.de/fm/3478/DAT%20Report%202009_AUTOHAUS.pdf, 14.02.2010 7 Vgl. DAT-Report 2009 und AUTOHAUS, abgerufen auf http://www.autohaus.de/fm/3478/DAT%20Report%202009_AURTOHAUS.pdf, 14.02.2010, sowie Daten des Statistischen Bundesamtes auf http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/VerdiensteArbeitskosten/Bruttoverdienste/Tabellen/Content50/ LangeReiheD,templateId=renderPrint.psml, abgerufen am 26.02.2010 8 Vgl. Daten des Statistischen Bundesamtes, http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Zeitreihen/WirtschaftAktuell/Basisdaten/ Content75/vpi130a,templateId=renderPrint.psml, abgerufen am 27.02.2010
Zukunftsmotor Metropolregion Rhein-Neckar triebsstätten) abzuverlangen. Hier werden Händler zu Investitionen bewegt, deren finanzielle Belastungen oftmals kaum den Ertragsmöglichkeiten entsprechen. Kundenzufriedenheit ist ein beherrschendes Thema in der Branche. Auch hier greifen die Standards. Nahezu alle Hersteller führen unter den Autohauskunden regelmäßige Befragungen durch, deren Ergebnisse von existenzieller Bedeutung für den Händler sein können, denn die Hersteller können hieran die Einräumung variabler Rabatte binden. So verwundert es nicht, dass Verkaufsberater ihre Kunden bei Übergabe der Neufahrzeuge darum bitten, auf Nachfragen des Herstellers doch besonders zufrieden zu sein. Mit wissenschaftlicher empirischer Forschung hat dies nichts zu tun. Ziel der Hersteller ist es, ihre Vertragshändler zu hoher Prozessqualität zu bewegen, um Kundenzufriedenheit und hohe Kundenloyalität zu erzeugen. Ob die Kosten der hiermit verbundenen Standards aber immer im angemessenen Verhältnis zum erzielten Effekt stehen, gilt es zu prüfen. Die Standards haben aber noch weitere Effekte. Eine eigenständige Profilierung ist für den einzelnen Händler wichtig, weil die angebotenen Leistungen aus Sicht der Konsumenten austauschbar sind. Eine eigene Profilierung der Händler ist aber nicht im Interesse der Hersteller, da diese wiederum durch einen einheitlichen Marktauftritt des Handels ihr eigenes Profil schärfen müssen. So führen die Standards zu Kosten und zur Austauschbarkeit der Händler. 4. Mengendruck und parallele Vertriebskanäle: Prämienaktionen der Hersteller sind i.d.R. an quantitative Ziele gebunden. Räumt nun ein Händler zur Erreichung der Ziele hohe Nachlässe in seinem Marktgebiet ein, so zwingt dies die Händler der angrenzenden Marktgebiete, sich diesem Angebot zu stellen, und es kann regelrecht zu einem Domino-Effekt kommen, der das Preisniveau in großen Gebieten senkt. Erschwerend für den Neufahrzeughandel kommen noch parallele Vertriebsformen wie etwa der Direktvertrieb durch die Hersteller selbst hinzu. So werden z.B. Werkswagen via Internet am Handel vorbei verkauft. 5. Die Neufahrzeugpreise differieren in den Ländern der Europäischen Union immer noch stark: Es ist bisher nicht festzustellen, dass die Kräfte des Marktes zu einer Preisharmonisierung führen, und die EU-weite Preisspanne hat sich sogar in der Zeit vom Januar 2008 zum Januar 2009 auf 9,8% erhöht 9 . Das im Mittel teuerste Land ist dabei Deutschland. Wird ein Neufahrzeug im billigeren Ausland gekauft, so hat der deutsche Erwerber die im Bestimmungsland (Deutschland) geltende Mehrwertsteuer zu entrichten und kann so vom niedrigen Nettopreisniveau im Ausland und vom vergleichsweise niedrigen Mehrwertsteuersatz in Deutschland profitieren. Es ist nun die Frage zu klären, wie sich die Autohändler auf dieses schwierige Marktumfeld einstellen können bzw. welche Erfolgsfaktoren zu erkennen sind, die einen Autohändler im Vergleich zu anderen überlebensfähiger machen. 9 Vgl. http://ec.europa.eu/competition/sectors/motor_vehicles/prices/highlights_2009.pdf, abgerufen am 3.02.2010 10 Vgl. Dekra Studie: Erfolgreiche Sanierung im Automobilhandel, Dekra Consulting, Mai 2008, S. 26 11 http://www.innovations-report.de/html/berichte/studien/bericht-52776.html, abgerufen am 11.02.2010 12 Vgl. ebenda AUTO UND MOTORRAD 1. Strategisches und operatives Controlling: Im intensiven Wettbewerb muss ein Autohaus klare Strategien zur Bildung oder Erhaltung von Wettbewerbsvorteilen entwickeln und die Erreichung von hiermit verbundenen Zielen im Rahmen eines Controllingprozesses steuern. Bei notleidenden Unternehmen ist oftmals keine strategische Ausrichtung vorhanden und somit ein Mangel an geeigneten Kennzahlen zu verzeichnen. 10 Wird ein Autohaus nur über Finanzkennzahlen gesteuert, so müssen die Ergebnisse zumindest aber den Verantwortlichen der Abteilungen transparent gemacht werden, damit diese entsprechende Maßnahmen ableiten können. 2. Klare Festlegung von Zuständigkeiten und auf Kundenzufriedenheit ausgerichtete Abläufe: Welchem Kunden ist es nicht schon einmal passiert, dass sein Fahrzeug zum vereinbarten Termin noch nicht fertig war, oder wie oft werden durch das Personal gemachte Zusagen nicht eingehalten? Sind Kernprozesse nicht klar definiert, so wiederholen sich Fehler und führen immer wieder zu vermeidbaren Kosten, denn es kommt zu unnötigen Prozesswiederholungen und Kompensationsgeschenken an Kunden. Hierbei ist zu beachten, dass die Kosten umso höher werden, je später ein Fehler entdeckt wird. Fällt ein Fehler erst dem Kunden auf, kündigt dieser im schlimmsten Falle seine Loyalität auf. 3. Vernetzung der Abteilungen: Der Kunde hat die Möglichkeit vieler Kontaktkanäle und hinterlässt Informationen, aus denen sich Vermarktungschancen ablesen lassen. Gelangen diese Informationen nicht an die richtige Stelle im Unternehmen, so werden diese Chancen vergeben. Hinzu kommen Abteilungsegoismen, die verhindern können, dass das jeweils profitabelste Geschäft gemacht wird. Auch mangelt es häufig an notwendigen Anreizen dafür, dass Mitarbeiter einer Abteilung Leistungen der anderen Abteilung mit vermarkten. Warum sonst bieten nicht alle Neuwagenverkäufer sicherheitsorientierten Kunden beim Kauf eines neuen Fahrzeugs Wartungsverträge und Anschlussgarantien an? Gleiches gilt für den Verkauf von Zubehör. 4. Vertriebssteuerung: „Private Autokunden haben bei deutschen Autohändlern schlechte Karten. Während der aktiven Suchphase nach einem neuen Fahrzeug und im entscheidenden Kaufmoment fehlt dem potentiellen Kunden eine kompetente Betreuung durch einen geschulten Autoverkäufer.“ 11 Glaubt man dieser These und unterstellt darüber hinaus, dass ein nicht zu unterschätzender Anteil (ca. 15%) 12 hinsichtlich der Marken- und Einkaufsstättenwahl unentschlossen ist, so ergibt sich hier ein enormes Potenzial für den Tüchtigen. Der Erwerb eines neuen Fahrzeugs ist in der Regel für Privatkunden etwas Besonderes, eine positive Grundstimmung kann aber schnell in ablehnende Enttäuschung umschlagen, wenn man als Kunde nicht ernst genommen wird. Ein effektives Vertriebs- und Verkäufercontrolling ist daher ein wesentlicher Erfolgfaktor eines Autohauses. Duale Hochschule Baden-Württemberg, Standort Mannheim 53
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