Impliziter Assoziationstest - Friedrich-Schiller-Universität Jena
Impliziter Assoziationstest - Friedrich-Schiller-Universität Jena
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<strong>Friedrich</strong>-<strong>Schiller</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong><br />
Institut für Psychologie<br />
Seminar: Klassische Phänomene der Wahrnehmungs- und Gedächtnispsychologie<br />
Leitung : Prof. M. Steffens<br />
Semester : WS 2004/2005<br />
Referenten: Bettina Rothe, Stefanie Eberhardt, Mathias Pfeifer<br />
Einführung<br />
<strong>Impliziter</strong> <strong>Assoziationstest</strong> zur Einstellungsmessung<br />
In der Einstellungs- -und Vorurteilsforschung wird seit einigen Jahren darauf hingewiesen, dass<br />
Einstellungen und Vorurteile zu einem gewissen Grad unbewusst auftreten. Der implizite<br />
<strong>Assoziationstest</strong> (IAT) ist ein relativ neues Verfahren zur Messung automatisch aktivierter<br />
Assoziationen und wurde zunächst in der Vorteilsforschung angewendet und verbreitet sich schnell<br />
auf zahlreichen anderen Gebieten der Psychologie. In unserem Versuch wollten mit Hilfe des IAT<br />
implizite Einstellungen gegenüber Türken untersuchen.<br />
Theorie<br />
Der IAT wurde 1998 von Greenwald, McGhee & Schwartz entwickelt. Ziel war es, die<br />
Fehlerquellen expliziter Tests zu umgehen und direkt Einstellungen messen zu können. Bei<br />
expliziten Tests beeinflussen zum Beispiel soziale Erwünschtheit, Selbstdarstellung bzw. Kontrolle<br />
die Einstellungsmessung. Im Gegensatz zu solchen expliziten Einstellungen unterliegen implizite<br />
Einstellungen zum größten Teil nicht der Kontrolle der Versuchspersonen, laufen unbewusst ab und<br />
sind somit schwerer zu fälschen. Mit der Entwicklung des IAT wuchs das Interesse der Forscher an<br />
impliziten Assoziationen, mittlerweile wird er u.a. in der klinische Psychologie (z.B.<br />
Ängstlichkeits-IAT), Persönlichkeitspsychologie, Konsumentenpsychologie,<br />
Entwicklungspsychologie eingesetzt.<br />
Der IAT ist ein üblicherweise computergestütztes Testverfahren und besteht aus einer Sequenz von<br />
Zuordnungsaufgaben. Dabei geht es um die Erfassung von Assoziationen zwischen zwei Kategorien<br />
(Bsp. Schwarze/ Weiße) und positiven und negativen Attributen. Die Versuchspersonen müssen so<br />
schnell wie möglich Wörter bzw. Bilder und Attribute, in einer assoziationskongruenten und einer<br />
assoziationsinkongruenten Kombination zuordnen. Hierbei wird die Annahme vertreten, dass, wenn<br />
zwei Konzepte automatisch miteinander assoziiert sind, es leichter sein sollte, auf zwei Beispiele<br />
dieselbe Antwort zu geben, als wenn sie nicht miteinander assoziiert sind. Kongruente Paare<br />
werden also schneller assoziiert, und bewirken eine schnellere Reaktion als inkongruente. Der IAT<br />
Effekt ist die Zeitdifferenz der mittleren Reaktionszeiten zwischen kongruenter und inkongruenter<br />
Assoziation.<br />
Gemäß diesem Ansatze wollten wir in unserem Versuch zeigen, inwiefern Reaktionsunterschiede<br />
bei der Assoziationsmessung von impliziten Einstellungen gegenüber Deutschen und Türken<br />
auftreten und somit auf das Vorhandensein von negativen Einstellungen gegenüber Türken<br />
schließen.<br />
Hypothesen<br />
Positive Adjektive lassen sich leichter/schneller mit deutschen Namen und negative Adjektive<br />
schwerer/langsamer mit deutschen Namen assoziieren. Im Gegensatz dazu lassen sich die negativen
Adjektive mit den türkischen Namen leichter/schneller und die positiven Adjektive mit den<br />
türkische Namen langsamer/schwerer assoziieren lassen.<br />
Methode<br />
An unserem Experiment waren 25 Versuchspersonen beteiligt. Im Gegensatz zum ursprünglich<br />
computergestützten IAT, führten wir unseren Versuch mit einer Papier- und Stift Version des IAT<br />
durch. Die von uns entwickelten Tabellen, (siehe Anhang) enthielten im Tabellenkopf deutsche und<br />
türkische Namen, sowie positive und negative Adjektive. Jede Person bekam zwei Blätter, eins mit<br />
assoziationskongruenter Kombination und eins mit assoziationsinkongruenter Kombination. Um<br />
Lerneffekte zu unterbinden, teilten wir die Versuchspersonen in zwei Gruppen auf. Eine Gruppe<br />
bekam zuerst die assoziationskongruente (deutsch- positiv, türkisch- negativ) Version, die andere<br />
die assoziationsinkongruente Version (deutsch- negativ, türkisch- positiv). Für einen Durchlauf<br />
hatten die Versuchspersonen 40 Sekunden Zeit, die Namen und die Adjektive den entsprechenden<br />
Spalten zuzuordnen. Dabei setzten wir voraus, dass nicht die gesamte Tabelle in der vorgegebenen<br />
Zeit bearbeitet werden konnte und die Anzahl der nicht zugeordneten Zeilen als Grundlage der<br />
Differenzermittlung zwischen den beiden Durchläufen dienen konnte. Ebenso zählten wir fehlerhaft<br />
Zuordnungen als nicht bearbeitete Zeile. Wir erwarteten, dass in der assoziationskongruenten<br />
Kombination mehr Wörter korrekt zugeordnet werden können.<br />
Zum Abschluss unseres Tests führten wir noch eine kurze Umfrage durch, bei der die<br />
Versuchspersonen explizit ihre Einstellung gegenüber Türken, von sehr sympathisch, etwas<br />
sympathisch, bis zu etwas unsympathisch und sehr unsympathisch angeben sollten. Dies sollte dem<br />
späteren Vergleich von expliziten und impliziten gemessenen Einstellungen dienen.<br />
Ergebnisse<br />
Von den 25 Versuchspersonen konnten nur 21 für die Auswertung verwendet werden, da vier<br />
Personen fehlerfrei alle Wörter in beide Durchgängen zugeordnet hatten. Daraus ließen sich keine<br />
Rückschlüsse auf die benötigte Zeit für beide Zuordnungsaufgaben ziehen.<br />
Die Auswertung der Testbögen erforderte das Auszählen der korrekt zugeordneten Elemente und<br />
die Bildung der Differenz zwischen den beiden Durchgängen. Die Gruppe, die die<br />
assoziationskongruente Kombination zuerst bearbeitete, erzielte mehr korrekte Zuordnungen bei der<br />
Kombination deutsch-positiv/türkisch-negativ als bei der Kombination türkisch-positiv/deutschnegativ.<br />
Die Gruppe, die zunächst die assoziationsinkongruente Kombination bearbeitete, erreichte<br />
in beiden Durchgängen im Durchschnitt die gleiche Anzahl korrekt zugeordneter Elemente.<br />
Betrachtet man die Reihenfolge der zu bearbeitenden Aufgabe, zeigte sich, dass beide Gruppen im<br />
zweiten Durchlauf durchschnittlich weniger korrekte Zuordnungen erreichten.<br />
Zur Auswertung unserer Untersuchung führten wir verschiedene Tests durch. Zunächst diente ein t-<br />
Test für abhängige Stichproben zur Überprüfung des IAT-Effekts. Das Ergebnis des t-Rest viel wie<br />
folgt aus : t(20) = 0.026, p
Anzahl der erreichten Zuordungen<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Gegenüberstellung IAT-Effekt und<br />
Reihenfolge-Effekt<br />
31 30<br />
25<br />
erster Durchgang<br />
deutsch pos.<br />
31<br />
erster Durchgang<br />
türkisch pos.<br />
Abbildung 1: Gegenüberstellung IAT-Effekt und Reihenfolge-Effekt<br />
deutsch pos.<br />
türkisch pos.<br />
Die von uns ermittelten Differenzbeträge (Differenz der erreichten Zuordnungen zwischen ersten<br />
und zweiten Durchlauf der Gruppen) wurden in einem dritten t-Test gegenübergestellt. Dazu<br />
berechneten wir zunächst die Mittelwerte der Differenzbeträge der Gruppen und verglichen diese<br />
miteinander. Bei der Gruppe, die zuerst die kongruente Kombination hatte, wirkte sowohl der IAT-<br />
Effekt, als auch der Reihenfolge-Effekt positiv auf Reaktionszeit aus.<br />
Im zweiten Durchlauf wirkten sich beide Effekte negativ auf die Reaktionszeit aus. Daher ließ sich<br />
eine große Differenz zwischen den Mittelwerten feststellen. Bei der Gruppe, die zuerst die<br />
inkongruente Kombination bearbeitete, wirkte sich im ersten Durchlauf der IAT-Effekt negativ, der<br />
Reihenfolge-Effekt allerdings positiv auf die Reaktionszeit aus. Im zweiten Durchgang wirkten die<br />
Effekte genau umgekehrt. Daraus ergibt sich eine sehr geringe Differenz zwischen den<br />
Mittelwerten. Der t-Test bestätigte unsere Vorüberlegung (t[19] = 0.011, p
Diese nicht eindeutigen Ergebnisse lassen sich zum Teil auf eine zu geringe Stichprobe<br />
zurückführen. Es lässt sich vermuten, dass bei einer deutlich größeren Stichprobe der IAT-Effekt<br />
deutlicher in Erscheinung treten würde. Eine weitere Quelle für Ungenauigkeiten ist die<br />
Durchführung mit Papier und Stift, da sie im Gegensatz zur üblichen computergestützten Variante<br />
weniger exakt ist. Auch Fehler unsererseits bei der Durchführung des Tests sind einzuräumen. Da<br />
wir den Probanden zu viel Zeit für einen Durchgang ließen, gelang vier Probanden die komplette,<br />
fehlerfreie Durchführung beider Kombinationen, so dass wir diese nicht zur Auswertung<br />
heranziehen konnten. Für den Vergleich mit der Umfrage zur expliziten Einstellung gegenüber<br />
Türken verwendeten wir ein zu geringes Skalenniveau, so dass wir auch hier zu keinem eindeutigen<br />
Ergebnis kamen.<br />
Allgemein lässt sich zum IAT sagen, dass die psychologischen Prozesse, die dem IAT zugrunde<br />
liegen, noch nicht geklärt sind. Die Bedeutung von impliziten Einstellungen ist noch unklar, so dass<br />
die Interpretation der Ergebnisse fragwürdig bleibt. So wird in der Literatur daraufhin gewiesen,<br />
dass es sich bei den gemessenen Assoziationen zum Teil um situativ aktivierte und nicht nur<br />
chronische Assoziationen handelt (Gawronski & Conrey, 2004, S.123). Weiterhin lassen sich die<br />
Unterschiede in der Reaktionszeit bei den verschiedenen Kombinationen auch durch individuelle<br />
Fähigkeiten beim Aufgabenwechsel erklären (Gawronski & Conrey, 2004, S.122). Auch die<br />
Vertrautheit von Stimuli-Objekten (z.B. Namen, Gesichter) kann die Reaktionszeit beeinflussen.<br />
(Gawronski & Conrey, 2004, S. 122).<br />
Darüber hinaus lässt sich vermuten, dass die impliziten Einstellungen nicht individuelle<br />
Einstellungen sind, sondern häufig gesellschaftlich geteilte Wissensbestände reflektieren, die<br />
allerdings bei persönlicher Motivation und Kontrolle unterdrückt werden können. So könnte zum<br />
Beispiel die ständige Negativdarstellung von Türken in den Medien, in der Öffentlichkeit und im<br />
alltäglichen Sprachgebrauch eine negative Assoziation im Individuum hervorrufen, obwohl diese<br />
nicht seiner Einstellung entspricht. Somit lassen auch die Ergebnisse unseres IAT nicht unbedingt<br />
auf Vorurteile gegenüber Türken schließen.<br />
Literatur<br />
Gawronski B., Conrey F. R. (2004). Der implizite <strong>Assoziationstest</strong> als Maß automatisch aktivierter<br />
Assoziationen: Grenzen und Reichweite; Psychologische Rundschau, 55 (3), S.118-124.<br />
Greenwald A. G., Nosek B. A. ( 2001). Health of the Implicit Association Test at Age 3:<br />
Zeitschrift für experimentelle Psychologie, 48. Göttingen : Hogrefe.
Anhang :<br />
Assoziationsinkongruenter Test<br />
TÜRK. NAMEN DEUTSCHE NAMEN<br />
positiv negativ<br />
BURHAN<br />
PAUL<br />
warmherzig<br />
aufdringlich<br />
gutmütig<br />
UZMAN<br />
CEMAL<br />
CHRISTAN<br />
hilfsbereit<br />
bedrohlich<br />
DARCAN<br />
STEFAN<br />
einfühlsam<br />
DEMÝR<br />
ungerecht<br />
friedfertig<br />
aggressiv<br />
FAHRÝ<br />
MICHAEL<br />
rücksichtsvoll<br />
JAN<br />
ungebildet<br />
optimistisch<br />
TORSTEN<br />
SADUN<br />
taktvoll<br />
faul<br />
ÖZAKAY<br />
herzlich<br />
penetrant<br />
RALF<br />
MUHAMMED<br />
ALI<br />
fleißig
Assoziationskongruenter Test<br />
DEUTSCHE NAMEN<br />
positiv<br />
behutsam<br />
MATTHIAS<br />
MUSTAFA<br />
modern<br />
ERKAN<br />
beleidigend<br />
nachsichtig<br />
PHILLIPP<br />
unverschämt<br />
FLORIAN<br />
anständig<br />
MEMMET<br />
korrekt<br />
lästig<br />
ÖZGÜR<br />
OLIVER<br />
diskret<br />
HARKAN<br />
überheblich<br />
frech<br />
MARCUS<br />
SERKAN<br />
oberflächlich<br />
THOMAS<br />
ehrbar<br />
egoistisch<br />
USAM<br />
ANDREAS<br />
gewalttätig<br />
TARKAN<br />
freundlich<br />
arrogant<br />
ABDULLAH<br />
PETER<br />
TÜRK. NAMEN<br />
negativ