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Kalenderwoche 13/2012 - Juden in Mitwitz - Teil 5

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auch aus Redwitz a.d. Rodach und Altenkunstadt.<br />

Zu Anfang des 19. Jahrhunderts, also <strong>in</strong> der Napoleonischen Zeit<br />

werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Aktenband im Freih. von Würtzburgischen Archiv<br />

folgende <strong>Juden</strong> als fronpflichtig bezeichnet:<br />

Haus-Nr. 17 Hirsch Joseph, jetzt Buchhandlung Rüger<br />

Haus-Nr. 21 Maier Moses, jetzt Konsumvere<strong>in</strong><br />

Haus-Nr. 22 Jakob Maier, jetzt Adam Tauer, Seiler<br />

Haus-Nr. 23 Gottlieb Salomon,<br />

jetzt Häuble<strong>in</strong> Gendarmeriehaus (Meier Tabakwaren)<br />

Haus-Nr. 24 Hirsch Seligmann, Haus durch Brand zerstört<br />

(Seiler Tauer)<br />

Haus-Nr. 25 Isaak Markus Witwe (Hirsch Isaak) Bäckerei Tauer<br />

Haus-Nr. 31 Sander Simon und Abraham Levi,<br />

Gustav Engel, Sattler<br />

Haus-Nr. 32 Seligmann Nathan und Eliser Josephs Witwe,<br />

Andreas Fischer, Korbwaren<br />

Haus-Nr. 48 Maier Salomon (Salomon Löb)<br />

Bernhard Zapf, Schneidermeister<br />

Haus-Nr. 49 Baum Joseph Hans Zeitler, Förster<br />

Haus-Nr. 51 Löb Joseph Bernh. Kessel, Maurer<br />

Haus-Nr. 53 Slomon Isaak Karl Schill<strong>in</strong>g, Schre<strong>in</strong>ermeister<br />

Haus-Nr. 54 Maier und Abraham<br />

Oskar Schirmer Handlung (Zech)<br />

Maier Samuel und Abraham Wolf<br />

1801 kauften die <strong>Mitwitz</strong>er E<strong>in</strong>wohner (<strong>in</strong> <strong>Mitwitz</strong> von 81 Häusern<br />

mit teilweise mehreren Familien) um je 300 Gulden von der<br />

Gutsherrschaft ab. 1821 kaufte der „Handelsjude Gottlieb Bamberger“<br />

für se<strong>in</strong>en Sohn Seligmann Bamberger die Verpflichtung<br />

zum Botengehen um 200 fl. Gulden rhe<strong>in</strong>isch ab.<br />

Nachfolgend sollen die übrigen <strong>Juden</strong>häuser <strong>in</strong> <strong>Mitwitz</strong> festgestellt<br />

werden:<br />

Haus-Nr. 2 Ehrmann jetzt Christoph Münch, Taglöhner,<br />

jetzt Hans Kessel Neubau<br />

Haus-Nr. 17 Freund Freih.v.Würtzburg-Str.8, Schirmer Hermann<br />

Haus-Nr. 21 Bamberger (Frank) Kronacher Str. 16, Konsumvere<strong>in</strong><br />

Haus-Nr. 22 Ehrmann Kronacher Str. 12, Tauer Paula<br />

Haus-Nr. 23 Bamberger Kronacher Str. 10, Maier Paul<br />

Haus-Nr. 24 Seligsberger Kronacher Str. 8, Lenker Franz<br />

Haus-Nr. 25 Wertheimer (Ostheirner) Kronacher Str. 6,<br />

Krauß Ella, Ernst<br />

Haus-Nr. 27 Wertheimer Gastwirt Christian Fick<br />

Haus-Nr. 28 Fechheimer Johanna Rupp, Landwirt<strong>in</strong><br />

Haus-Nr. 31 Freund (Hirsch) Buttenheimer,<br />

jetzt Sattlermeister Engel<br />

Haus-Nr. 32 Hofmann Freund Kronacher Str. 26,<br />

Horn Wilhelm u. Horn Elsa<br />

Haus-Nr. 48 Friedmann, Am Grünen Tal 10, Zapf Bernhard<br />

Haus-Nr. 54 Fechheimer (Frießner), Jakobsberg 2,<br />

Schirmer Eduard und Schramm<br />

Haus-Nr. 51 Freund (Güttermann) Am Grünen Tal 5,<br />

Knauer Babette<br />

Haus-Nr. 49 Freund Am Grünen Tal 9,<br />

Schrottke He<strong>in</strong>rich (Zeidler)<br />

Haus-Nr. 88 Freund Ludwig<br />

Schelhorn, Schre<strong>in</strong>ermeister, Kirchstr. 17<br />

Haus-Nr. 88 1/2 Siegel<strong>in</strong> Buchb<strong>in</strong>der,<br />

jetzt Gold Hermann, Kirchstr. 19<br />

Soweit die Nachrichten aus Archiven.<br />

E<strong>in</strong>e recht wertvolle Ergänzung fanden sie durch die Angaben<br />

des Herrn Sattlermeister „Bürger“ aus <strong>Mitwitz</strong>, der mich aus<br />

eigener Anschauung die Zeit kannte, als fast alle israelitischen<br />

Familien <strong>in</strong> <strong>Mitwitz</strong> wohnten. Trotz se<strong>in</strong>es hohen Alters verfügte<br />

er über e<strong>in</strong> jugendfrisches Gedächtnis. Als ich ihn vor e<strong>in</strong>igen<br />

Jahren e<strong>in</strong>mal an e<strong>in</strong>em Sonntag besuchte, schilderte er mir <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er freundlichen Art und Weise die Personen, ihre Tätigkeit,<br />

ihre Geschäfte und Häuser. Ich fand se<strong>in</strong>e Angaben bestätigt von<br />

e<strong>in</strong>igen noch lebenden Nachkommen der Familien Fechheimer<br />

und Bamberger, welche <strong>in</strong> dankenswerter Weise noch Ergänzungen<br />

und Berichtigungen e<strong>in</strong>fügten. Bürger hat durch se<strong>in</strong> Erzählung<br />

nicht nur mir e<strong>in</strong>en wertvollen Dienst geleistet, sondern<br />

auch der Allgeme<strong>in</strong>heit und <strong>in</strong>sbesondere den Nachkommen der<br />

<strong>Mitwitz</strong>er <strong>Juden</strong>familien. Denn wenn noch e<strong>in</strong>ige Jahre vergangen<br />

se<strong>in</strong> werden und die letzten Getreuen der alten Garde von<br />

uns geschieden s<strong>in</strong>d, dann s<strong>in</strong>d auch die Er<strong>in</strong>nerungen an jene<br />

Zeit verweht.<br />

Es war nun, als ob ich vorausgeahnt hätte, daß es höchste Zeit<br />

sei, jene Zeiten schriftlich festzuhalten, denn kaum e<strong>in</strong> Jahr später<br />

starb Herr Bürger ganz unerwartet auf e<strong>in</strong>er Geschäftsreise.<br />

Ich selbst aber hatte Gelegenheit, die Aufzeichnungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Versammlung des Frankenwaldvere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> <strong>Mitwitz</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vortrag<br />

der Allgeme<strong>in</strong>heit darzubieten. In <strong>Mitwitz</strong>, wo jetzt nicht<br />

e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige <strong>Juden</strong>familie mehr wohnt, könne sich nur noch die<br />

ältesten Leute jener Zeit ents<strong>in</strong>nen. Sie aber gab dem ganzen<br />

Orte se<strong>in</strong> eigenartiges Gepräge und trug neben der günstigen<br />

geographischen Lage des Ortes nicht wenig dazu bei, ihn zu e<strong>in</strong>em<br />

Mittelpunkt des unteren Ste<strong>in</strong>achtales zu stempeln.<br />

Dort konnte man schon vor 60, 80 und 100 Jahren alle Waren zu<br />

kaufen bekommen, Textilien, Spetzereien und was man sonst im<br />

Haushalt braucht. Aber auch der ganze Viehhandel der Umgegend<br />

wickelte sich dort ab. Namentlich Sonntags versammelten<br />

sich die Bauern der umliegenden Orte <strong>in</strong> <strong>Mitwitz</strong>. E<strong>in</strong>er wollte<br />

kaufen, der andere verkaufen, der dritte tauschen, der vierte<br />

hatte noch e<strong>in</strong>en Rest se<strong>in</strong>e Kaufgeldes zu holen, der fünfte<br />

e<strong>in</strong>en solchen zu zahlen u.s.w. Aber auch als Geldverleiher zogen<br />

sich aus nah und fern Gäste herbei. Wenn sich nun auch die<br />

Verhältnisse von Grund auf geändert haben: se<strong>in</strong>e Stellung als<br />

Mittelpunkt des unteren Ste<strong>in</strong>achtales hat <strong>Mitwitz</strong> zu behaupten<br />

verstanden, wobei ihm die reizvolle Lage wesentlich zu statten<br />

kam. Bevor ich nun zur Wiedergabe der Er<strong>in</strong>nerungen des<br />

kürzlich verstorbenen Herrn Bürger übergehe, der die meisten<br />

der von ihm erwähnten Personen zu se<strong>in</strong>en Jugendfreunden<br />

und Gespielen zählte, will ich noch e<strong>in</strong>es anderen bezeichnenden<br />

Umstandes gedenken. Als im Jahre 1806 Napoleon I. se<strong>in</strong>e<br />

Heeresmassen durch unsere Heimatgaue wälzte - das Hauptheer<br />

und mit ihm der Kaiser selbst zog von Bamberg über Lichtenfels,<br />

Kronach, Rodacherbrunn, Lobenste<strong>in</strong>, Schleiz zum Treffen bei<br />

Jena, während die l<strong>in</strong>ke Seitenarmee ihren Weg über Coburg,<br />

Neustadt, Sonneberg, <strong>Juden</strong>bach, Saalfeld nahm und die rechte<br />

über Hof marschierend, unsere engere Heimat nicht berührte<br />

- mußte unsere Heimat bis zum Jahre 1815 furchtbare Lasten<br />

tragen an E<strong>in</strong>quartierungen Lieferung von Nahrungs- und<br />

Futtermitteln, Kriegssteuern und wer weiß was alles für Lasten.<br />

Damals bediente sich das Amt Kronach, mit welchem das Amt<br />

Furttemberg (Fürth a.Berg) verbunden war, zur Aufbr<strong>in</strong>gung der<br />

Riesenmengen der angeforderten Heeresbedürfnisse der Beihilfe<br />

dreier <strong>Juden</strong>: „Jud Joseph Freund <strong>in</strong> <strong>Mitwitz</strong>“, „Schutzjude<br />

Wolf Seelig <strong>in</strong> Kronach“ und „Jud Kalman <strong>in</strong> Ebern.“<br />

Aber auch das Amt Sonneberg wandte sich verschiedenfach, weil<br />

es durch se<strong>in</strong>e Lage im Thür<strong>in</strong>gerwald überhaupt nicht <strong>in</strong> der<br />

Lage war, den gestellten Anforderungen auch nur im Entferntesten<br />

zu entsprechen, bei Lieferungen von Schlachtvieh und<br />

Getreide an <strong>Mitwitz</strong>er jüdische Händler, die dem Amte selbst Angebote<br />

zu günstigen Preisen gestellt hatten.<br />

In dem Hause, Hs.-Nr. 31, welches me<strong>in</strong>em Gewährsmann Bürger,<br />

bzw. jetzt se<strong>in</strong>em Enkel Hans Engel gehört und <strong>in</strong> welchem,<br />

nebenbei bemerkt, gegenwärtig 3 Generationen Sattler-Meister<br />

wohnten, wohnte zuletzt der <strong>in</strong> <strong>Mitwitz</strong> noch <strong>in</strong> guten Andenken<br />

stehende Ludwig Freund, der erst vor 4 Jahren <strong>in</strong> Frankfurt<br />

a. Ma<strong>in</strong> starb. In dem H<strong>in</strong>terhause, welches jetzt als Sattler- und<br />

Wagenbauwerkstätte benutzt wird, wohnte e<strong>in</strong>e alte Jüd<strong>in</strong>, Genandel<br />

genannt, welche ihren Unterhalt von der gesamten <strong>Juden</strong>geme<strong>in</strong>de<br />

erhielt.<br />

Ludwig Freund, <strong>in</strong> <strong>Mitwitz</strong> der „Lösers Ludwig“ genannt, war e<strong>in</strong><br />

reicher, gutmütiger Mann, der gerne Notleidende unterstützte.<br />

Gerade ihm mußte nun e<strong>in</strong> hartes Mißgeschick widerfahren. Als<br />

durch das Jahr 1848 die Untertanen <strong>in</strong> freie Bürger verwandelt<br />

wurden, ihnen schwere Lasten abgenommen, dagegen Recht<br />

e<strong>in</strong>geräumt wurden z.B. die Jagd, hatte bei e<strong>in</strong>er Schießübung<br />

Ludwig Freund das Mißgeschick, ganz ohne eigene Schuld den als<br />

Zieler beschäftigten Schieferdecker Köhler, im Volksmund „Jörg<br />

Pa“, d.h. Georg Pankratius genannt, so unglücklich zu treffen,<br />

daß er an der Verletzung starb. Freund hat jedem der 3 K<strong>in</strong>der<br />

dieses Schieferdeckers e<strong>in</strong>e Abf<strong>in</strong>dungssumme von 6000 Gulden,<br />

damals e<strong>in</strong>e sehr große Summe, ausgezahlt. Auch die Witwe,<br />

welche später den pensionierten Gendarm Frohnhöfer heiratete,<br />

erhielt e<strong>in</strong>e Abf<strong>in</strong>dungssumme. E<strong>in</strong> Schwiegersohn des Lösers<br />

Ludwig gab der Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> <strong>Mitwitz</strong> die Summe von 3000<br />

Gulden zur Verschönerung des Ortes. Die Hauptstraße des Ortes<br />

führt zu se<strong>in</strong>em Gedächtnis den Namen: „Ludwig A. Freund Straße.“<br />

E<strong>in</strong>e Tochter des Schieferdeckers heiratete sich mit e<strong>in</strong>em<br />

Förster des Frh. von Egloffste<strong>in</strong> <strong>in</strong> Schmölz der vorher <strong>in</strong> <strong>Mitwitz</strong><br />

bei Frh.von Würtzburg bedienstet war. Herr Bürger hat se<strong>in</strong> späteres<br />

Wohn- und Geschäftshaus unmittelbar von Ludwig Freund

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