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Nur ein neues Werkzeug? - DiMeB - Universität Bremen

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• Content-Management-System für Bildungs<strong>ein</strong>richtungen• Internet-Präsenz <strong>ein</strong>es Jugendhauses• Wissenstool für die Anwendung im ZIM selbstZusammenfassung erster Ergebnisse aus den TeilprojektenEine durchgängige Verfügbarkeit von Laptops für alle beteiligten Studierendenwar in den Projekten nicht möglich, dafür standen k<strong>ein</strong>e Mittel zur Verfügung.Ca. 70% der Informatikstudierenden, so die Schätzung der VeranstalterInnen, jedochnur wenige Lehramtsstudierende, besaßen eigene Laptops. (<strong>Nur</strong>) Für dieDauer der Lehrveranstaltungen konnten – wo gewünscht – Laptops zur Verfügunggestellt werden. Die LehrveranstalterInnen begrüßen in diesem Fall, so dieAuswertung, die größere Flexibilität gegenüber der bisher üblichen Nutzung vonComputer-Pools. Dies betrifft z.B. die Nutzung von Software, die auf jedemLaptop spezifisch und aktuell für die Nutzungsbedürfnisse installiert werdenkonnte. Insbesondere gilt diese Flexibilität für Open-Source-Produkte, die k<strong>ein</strong>espeziellen Lizensen erfordern und aktuell und individuell bei Bedarf aus demNetz herunter geladen werden konnten. Wo möglich bevorzugten die Teilprojektedaher Freie Software. Als Vorzug der Laptops wurde insbesondere auchgenannt, dass Lehrende und Studierende unabhängiger sind von SystemadministratorInnen,von ihrer Zustimmung zur Installation neuer Software und vonderen zeitlicher Verfügbarkeit. Es entstand dort, wo Laptops genutzt werdenkonnten, <strong>ein</strong>e persönlich und individuell gestaltete Umgebung auf dem Rechner,die für manche Studierende sehr wichtig war und <strong>ein</strong> Gefühl der Vertrautheit mitdem Medium schuf. Gleichzeitig klagten <strong>ein</strong>ige der DozentInnen darüber, dassdurch die Nutzung von Laptops ganz unterschiedliche Konfigurationen enstanden,die von ihnen so nicht mehr überblickt werden konnten. Ein Ort wie dasZIM, an dem technologische Kompetenz und Beratung möglich ist, ist für vieleder KollegInnen fundamental für die Durchführbarkeit <strong>ein</strong>es solchen Konzeptsgrößerer Flexibilität und individueller Konfigurationen.Die Studierenden besaßen zum großen Teil Desktop-Computer zuhause, alle jedenfallshaben Zugang zu den Computerlaboren an der <strong>Universität</strong> für dasSelbststudium. Einige KollegInnen berichteten, dass sich – motiviert durch dieLehrveranstaltung – während des Semesters <strong>ein</strong>e Reihe von Studierenden zurAnschaffung <strong>ein</strong>es eigenen Laptop entschlossen, wofür auf Initiative der <strong>Universität</strong>sleitungbesondere Konditionen mit dem Computerladen auf dem Campus,insbesondere was die Wartung betrifft, ausgehandelt worden waren.Als entscheidend (und wichtiger als die Hardware in Form von Laptops) für dieMobilität erwies sich jedoch das Angebot lehrveranstaltungsbegleitender Kommunikations-bzw. Lernplattformen. „Mobile Campus bedeutet für uns nunmehr“,so schreiben Elin-Birgit Berndt und Fritz Frey in ihrer Auswertung derDeutsch-Vorhaben, „dass die Studierenden überall, jederzeit auf ihre Daten zurückgreifenkönnen.“ Sie betonen, dass das Notebook zu <strong>ein</strong>er Metapher für Mobilitätgeworden ist, es jedoch vielmehr auf den gem<strong>ein</strong>samen Netzort ankomme,der sowohl vom Computer zuhause, aus dem Computerlabor an der <strong>Universität</strong>wie auch vom Laptop zu erreichen ist.


Mobilität bedeutet jedenfalls nicht – so die Erfahrungen und Wünsche der Lehrendenin <strong>Bremen</strong> – weniger Präsenz an der <strong>Universität</strong>. Im Gegenteil wäre es imKontext Digitaler Medien heute <strong>ein</strong> Ziel, die Studierenden, die die Hochschuleals Lebensort eher meiden, durch attraktive Angebote wieder an die Hochschulenzu holen, nicht nur für die fest umgrenzte Dauer <strong>ein</strong>er Lehrveranstaltung,sondern auch im Rahmen <strong>ein</strong>es selbstorganisierten Lernens in Gruppen von Studierenden.Der Netzort als <strong>ein</strong> Ort, der die Herausbildung von Communities fürdas Studieren fördern kann, soll Präsenztreffen nicht ersetzen, sondern sie eherfördern – k<strong>ein</strong> Widerspruch übrigens, wie Untersuchungen von Netz-Communities zeigen. Interessant ist, dass gerade die Laptop-BesitzerInnen alsBefürchtung äußerten, dass Laptop-<strong>Universität</strong> <strong>ein</strong>e geringere Präsenz der Studierendenan der Hochschule zur Folge haben könnte.Eine stärkere Orientierung auf selbstbestimmtes Lernen in Communities erfordert<strong>ein</strong>e größere Flexibilität der Ordnungsmittel an den Hochschulen. Die Umstellungauf das Kreditpunktesystem und die Modularisierung können dies unterstützen.Das zeigt das Beispiel für den Erwerb von Leistungsnachweisen imZIM. Ein starres Zeitraster der Semesterwochenstunden und die Orientierung aufden Zwei-Stunden-Rhythmus verleiten eher zur Instruktion, sowohl was dasVerhalten der DozentInnen, wie auch was die Erwartungen der Studierenden betrifft.Die Orientierung am notwendigen Arbeitsaufwand lässt eher projektartigesund problembezogenes, forschungsorientiertes und handlungsorientiertes Studierenin den Blick kommen.In unseren Projekten wird deutlich, dass sich Digitale Medien gut für <strong>ein</strong>e stärkereKooperation unter den Studierenden nutzen lassen. Die Kommunikation unter<strong>ein</strong>anderüber die jeweiligen Arbeitsergebnisse und über die Prozesse des Lernenswerden unter anderem dadurch gefördert, dass die Produkte der Studierendennicht (nur) auf dem Schreibtisch der DozentIn landen, sondern – für allesichtbar – schon als Zwischenergebnisse präsentiert und diskutiert, danach überarbeitetund als Ergebnis wieder allen zur Verfügung gestellt werden können.Mehr Kommunikation unter den Studierenden wie auch zwischen Studierendenund Lehrenden – dies kennzeichnet <strong>ein</strong>e der wesentlichen Erfahrungen des Projektes.Kooperation, weniger die zunächst im Mittelpunkt stehende Flexibilität,so <strong>ein</strong>er der Kollegen in <strong>ein</strong>er ersten auswertenden Sitzung, sei viel eher dasMotto, unter dem die Erfahrungen mit diesem Projekt stehen sollten.Von <strong>ein</strong>em Einsatz von Laptops in klassischen Vorlesungen erwarten die meistenBeteiligten dagegen weniger positive Effekte. Bisherige Erfahrungen deuteneher darauf hin, dass Studierende sich – zumindest mit der Verfügbarkeit <strong>ein</strong>esWLAN-Zugangs – dem Sog des Internet und des Surfens kaum entziehen können.Amerikanische Studien wie aber auch Beobachtungen in Hörsälen in <strong>Bremen</strong>machen deutlich, dass sich nur <strong>ein</strong> geringer Teil am Laptop mit Themen derVorlesung beschäftigt. 2 Ohne <strong>ein</strong>e Veränderung der Lernformen, so das Fazit <strong>ein</strong>esKollegen, habe der Einsatz des Laptop eher Nachteile und man solle ihn eherverbieten als ihn zu fordern.2 Ob diese anderweitige Beschäftigung jetzt nur offensichtlicher wird und die klassischeVorlesung schon länger kennzeichnet, wäre zu überprüfen8


Ob die Orientierung auf <strong>ein</strong> freieres, selbstbestimmteres, projektorientiertes Studieren,das alle Bremer Teilvorhaben im Rahmen des Mobile Campus kennzeichnet,nun durch die Nutzung von Laptops ausgelöst sei oder durch das besondereNachdenken und das Engagement aller beteiligten DozentInnen in derLehre, ist <strong>ein</strong>e müßige Frage. Dass Technologie an sich positive Veränderungenin der Pädagogik und Didaktik bewirke, ist <strong>ein</strong> Mythos, der seit langem widerlegtist (z.B. Kerres 2003a). Worum es immer geht ist, ob und wie welche Technologieso <strong>ein</strong>gesetzt werden kann, dass sie zu erwünschten Veränderungenführt.In unseren Lehrveranstaltungen wurde das Medium nicht nur als <strong>Werkzeug</strong> <strong>ein</strong>gesetzt.Die verwendeten Tools selbst wurden diskutiert und in ihren Entstehungsprozessenbetrachtet, im Verlauf des Prozessen weiter entwickelt, angepasst,neu konfiguriert. Die Veranstaltungen selbst waren alle auch gleichzeitigals Veranstaltungen zum „Lernen mit technischen Medien“ (<strong>ein</strong> Pflichtbereichder Bremer Lehrerausbildung) und für das Zertifikat „InformationstechnischeGrundbildung“ (<strong>ein</strong> Zusatzangebot der <strong>Universität</strong> zum Staatsexamen) anerkannt.Gem<strong>ein</strong>sames Anliegen der DozentInnen war und ist es, bei den Lehramtsstudierenden<strong>ein</strong> Bewussts<strong>ein</strong> für die Rolle Digitaler Medien in Bildungsprozessenzu wecken, für die Veränderungen in den jeweiligen Wissensgebieten,ihrer Didaktik und der Bedingungen schulischer und außerinstitutioneller Sozialisationdurch die Digitalen Medien.Ich möchte im nächsten Abschnitt darauf <strong>ein</strong>gehen, dass und warum ich für <strong>ein</strong>everänderte Studienkultur <strong>ein</strong>e Medienbildung an der <strong>Universität</strong>, also <strong>ein</strong> Augenmerkauf die Digitalen Medien selbst und nicht nur auf ihre Nutzung, für unabdingbarhalte, um <strong>ein</strong>e offene und demokratische Kultur zu stärken, die Neugierauf wissenschaftliche Prozesse und <strong>ein</strong>e Kultur von Kommunikation und Kooperationfördert.3 Medienbildung, Medienkompetenz, MedienpraxisDer Zweck des Einsatzes von Informationstechnologie in der Arbeitswelt warund ist in erster Linie Rationalisierung von Arbeit. Dies galt vom ersten Tag desComputers an, als Konrad Zuse s<strong>ein</strong>e Erfindung damit anpries, dass sie dem Ingenieurdie sture Wiederholung von routinisierten Rechenabläufen abnehmenkönne (Zuse 1993). Das war vor allem die Hoffnung in den 80er Jahren, als vonder automatisierten Fabrik, in der computer gesteuerte Abläufe nahtlos in<strong>ein</strong>andergreifen, und vom papierlosen Büro, wo nur noch in der Daten<strong>ein</strong>gabe <strong>ein</strong>erseitsund im Management andererseits Menschen beschäftigt sind, gesprochenwurde. Diese Erwartungen sind nur zum Teil erfüllt worden. Das „Denken“ unddas Kooperieren erwiesen sich als sperriger gegenüber der Maschinisierung, alsdies von Rationalisierern und Technologen vermutet worden war. Vor allem aberentstanden mit der Entwicklung der Technologie immer neue Bedürfnisse undAnforderungen. Der Computer wurde insbesondere für Kommunikation, Kooperationund Spiel entdeckt, wo zweckgerichtete Kategorien, wo die Messbarkeitvon Zeit und Produktivität nicht (immer) die erste Rolle spielen.


Bildung wäre schlecht beraten, würde sie nun (nur) am Rationalisierungsaspektund am Effektivitätsgesichtspunkt von Informationstechnologie ansetzen. Sich inden Wettlauf um kostengünstige und effektive Instruktion auf dem Weltmarktdes Online-Learning zu begeben, sch<strong>ein</strong>t mir jedenfalls als Perspektive für dieklassischen deutschen Präsenzuniversitäten weder erfolgversprechend noch wünschenswert.Es zeichnet sich nach den überzogenen Erwartungen der 90er Jahr<strong>ein</strong>zwischen ab, dass die Klientel solcher Fernlerngebote eher begrenzt ist auf dieGruppe von Fernstudiumsinteressierten, also Berufstätige, sonstwie ans Hausgebundene, vor allem ältere Studierende mit Selbstlernerfahrungen, auch unterdiesen mit extrem hohen Abbruchquoten. Den schmalen, sich neu öffnendenMarkt können am ehesten amerikanische und britische <strong>Universität</strong>en abgreifen,die mit ihren international renommierten Zertifikaten werben können.Die Projekte, wie sie an der <strong>Universität</strong> <strong>Bremen</strong> und an vielen anderen deutschen<strong>Universität</strong>en in den vergangenen Jahren, gestützt durch EU-, Bundes- und Länderprogramme,durchgeführt worden sind, richten sich zurecht sehr viel stärkerauf <strong>ein</strong>e Unterstützung und qualitative Verbesserung der Präsenzlehre.Bei den Herausforderungen für die <strong>Universität</strong>en geht es nicht in erster Linie um<strong>ein</strong>e „Anreicherung“ der Lehre um multimediale Aspekte. Ein solche Sicht bleibteng und der Aufgabe wissenschaftlicher Bildung äußerlich. Die neuen Herausforderungen,die sich durch <strong>ein</strong>e Technologie stellen, die den Zugang zur Welt,die Wissensstrukturen, die Kommunikationsverhältnisse, den Umgang mit unsselbst verändert, sind noch zu wenig im Blickfeld der Diskussion um die neuenAufgaben der <strong>Universität</strong>.Dies bedeutet zunächst, Digitale Medien nicht als „Produkte“ in die Lehre <strong>ein</strong>zuführen,sondern sie in ihrem Veränderungspotenzial wahrzunehmen und die Aufgabendarin zu sehen, dass die wissenschaftlichen Disziplinen die Medien für ihrenKontext mitgestalten. Michael Kerres prägte aus ähnlicher Motivation denBegriff der „gestaltungsorientierten Mediendidaktik“ (Kerres 2001). Gleichzeitigstellt sich die Aufgabe, den Veränderungen, denen die jeweiligen Disziplinen inder Informations- oder Wissensgesellschaft unterliegen, zu begreifen.Für den Bereich der Lehre möchte ich diese Aufgaben unter dem – für den universitärenBereich – noch wenig gefüllten Begriff der „Medienbildung“ fassen,<strong>ein</strong>er Aufgabe, der sich Hochschulen bislang wenig stellen. Nicht zufällig entstehtdie Diskussion darum vor allem im Bereich der Lehrerbildung, im Hinblickauf die Ausbildung der Studierenden, die in der schulischen Praxis „Medienkompetenz“(für die schulische Bildung ist diese Diskussion wesentlich fortgeschrittener)vermitteln sollen. Mir sch<strong>ein</strong>t aber, dass daraus allgem<strong>ein</strong>ereSchlussfolgerungen für die Aufgaben der Hochschulen zu ziehen sind.Ich möchte <strong>ein</strong>ige erste Thesen für die Aufgaben <strong>ein</strong>er Medienbildung an den<strong>Universität</strong>en, die im Projekt Mobile Campus in der Lehrerausbildung ansatzweiseaufsch<strong>ein</strong>en, formulieren:• Im Kontext von Forschung und wissenschaftlicher Ausbildung ist es entscheidend,die mit den Digitalen Medien verbundenen gesellschaftlichenund wissenschaftlichen Veränderungen zu reflektieren. Es besteht die Gefahrder Verflachung und Entwissenschaftlichung, Computer nur als „unterstützendes<strong>Werkzeug</strong> in Lernprozessen und für den Wissens- undKompetenzerwerb“ (Untersuchung Notebooks 2001, S.39) zu begreifen.10


• Die <strong>ein</strong>zelnen Fachgebiete unterliegen mit dem Einsatz von DigitalenMedien <strong>ein</strong>em Veränderungsprozess (z.B. durch Einsatz von Simulationen,durch Visualisierung, durch automatisierte Auswertungsverfahren…).Eine epistemologische Reflexion darüber, wie <strong>ein</strong>e zunehmendeSemiotisierung von Erkenntnisprozessen und <strong>ein</strong>e Veränderung der Methodikdas jeweilige Fachgebiet verändert, ist gefordert.• Allgem<strong>ein</strong>e Bedingungen wissenschaftlichen Arbeitens verändern sichdurch den Einsatz von Computertechnologie. Mit Hilfe von Computerprogrammenz.B. kann Abstraktes konkret vorgestellt (z.B. die Visualisierungchemischer Formeln), nicht sichtbare Prozesse können nicht nur visualisiert,sondern auch manipuliert, verändert werden. Was bedeutet dasfür unser Denken und die Notwendigkeit zur Abstraktion, die wissenschaftlichesDenken kennzeichnet?• Der Prozess wissenschaftlichen Schreibens und der wiederholten Korrekturwissenschaftlicher Texte verändern sich unter Bedingungen rascherund <strong>ein</strong>facher Reproduzierbarkeit: Wie können wir die Studierenden (trotzoder besser mit Hilfe Digitaler Medien) zur Anstrengung des Begriffs undzur Überarbeitung eigener Texte anleiten?• Benutzungsoberflächen verstecken die Abstraktionen und die Komplexität,die hinter Software und Hardware stecken, um <strong>ein</strong>fache Benutzung zuermöglichen. Für Bildungsprozesse, für <strong>ein</strong>e Medienbildung jedoch könntees wichtig s<strong>ein</strong>, diese dahinter liegenden automatischen Prozesse wiedersichtbar zu machen, den Charakter technologischen Denkens zu begreifenund <strong>ein</strong>en Eindruck von den grundlegenden Prinzipien automatischer Informationsverarbeitungzu bekommen.• Computerprogramme sollten in Bildungskontexten so <strong>ein</strong>gesetzt werden,dass sie das eigene Denken anregen (statt es abzunehmen) und dass in derAus<strong>ein</strong>andersetzung mit den automatischen Prozessen sowohl die Unterschiedeund Herausforderungen wie aber auch die Ähnlichkeiten zwischenFormalismus und abstraktem Denken deutlich werden. Nicht Rationalisierungund Ver<strong>ein</strong>fachung des Denkens, die in Arbeitsprozessen Hauptmotivationfür den Einsatz von IT sind, sondern Vertiefung und besseres Verstehensind in der wissenschaftlichen Bildung anzustreben.• Im multimedialen Netz braucht es mehr denn je die Fähigkeit, Quellen<strong>ein</strong>schätzen zu lernen, Unterschiede und Ähnlichkeiten von Informationenund ihr Zusammenspiel beurteilen zu können. Neben der Text- braucht es<strong>ein</strong>e differenzierte und kritische Bildkompetenz.• Software ist weniger in ihrem Produktcharakter, sondern auch in ihremEntstehungsprozess und in ihrer Offenheit für Gestaltung zu betrachten.Eine wissenschaftliche Ausbildung muss dazu befähigen, Software kritischzu betrachten und Gestaltungsmöglichkeiten im jeweiligen fachlichenUmfeld zu erkennen und wahrzunehmen.• Ziel <strong>ein</strong>er Medienbildung an der Hochschule muss es s<strong>ein</strong>, den Studierenden<strong>ein</strong>e Umgebung zu bieten, in der sie solche Dinge reflektieren, gleichzeitigdabei aber auch lernen können, mit der Technik umzugehen. DieserUmgang muss zukunftsorientiert, also auf die Prinzipien des Umgangs ge-


ichtet s<strong>ein</strong>, nicht auf die kurzfristige Anwendung aktueller Softwareprodukte.Entscheidend dafür ist, dass dies <strong>ein</strong>gebettet ist in <strong>ein</strong>e Veränderungder universitären Lernkultur und Technologieaneignung als <strong>ein</strong>er„kollektiven Handlungspraxis“ und <strong>ein</strong>er „Dimension Vertrautheit“(Schäffer 2003, S.340f, 320f).4 Folgerungen für die HochschulenWenn Digitale Medien <strong>ein</strong>en Nutzen bringen sollen, so wird es heute darum gehen,die Organisation der Hochschule neu zu überdenken und unter <strong>ein</strong>er neuenGesamtsicht von Forschung, Lehre und Verwaltung neue Strategien und Entwicklungskonzeptezu verfolgen. Kerres und Voss fassen dies unter der Forderungnach <strong>ein</strong>em „integrierten Informationsmanagement“ an Hochschulen, dasmit der Immatrikulation beginnt, die Bibliotheksverwaltung, das Prüfungswesenund Qualitätsmanagement erfasst sowie Möglichkeiten zur Unterstützung vonGruppenarbeit und der Verwaltung von Dokumenten umfasst; das Konzept „DigitalerCampus“ soll als Integration der Mediennutzung in Lehre, in Forschung,in Service-Einrichtungen und Verwaltung verstanden werden (Voss 2003b). DigitaleMedien werden hier betrachtet in ihrer Bedeutung in der Veränderung derOrganisation. Diese Sichtweise geht hinaus über <strong>ein</strong>e Argumentation, die DigitaleMedien „nur als <strong>neues</strong> <strong>Werkzeug</strong>“ in der Lehre sieht. Sie ist den Aufgaben,die heute in den Hochschulen anstehen, angemessener.Mit m<strong>ein</strong>em Beitrag ging es mir darüber hinaus jedoch um die Bedeutung DigitalerMedien im „Kerngeschäft“ der <strong>Universität</strong>en, nämlich in ihrer Bedeutungfür wissenschaftliche Forschung und Lehre.Seymour Papert weist in s<strong>ein</strong>em Buch „The Childrens’s Machine“ schon im Jahr1993 darauf hin, dass Computer nicht nur bedient und benutzt werden sollen inBildungsprozessen, sondern dass sie dazu da sind, Kindern zu helfen, ihre eigenenintellektuellen Strukturen herauszubilden und über das Denken und das Lernenselbst zu reflektieren sowie Konkretes und Abstraktes mit<strong>ein</strong>ander in Beziehungzu setzen (Papert 1993). Heute mit der Allgegenwärtigkeit des Computerssteht dies umso mehr an und dies nicht nur für die Schulen, sondern für die <strong>Universität</strong>enals Schulen des Denkens.Mit den Computernetzen und dem weltweit möglichen Zugang zu Information,Kommunikation und Kooperation geht es darüber hinaus auch um die DigitalenMedien als Mittel der Erkenntnis gesellschaftlicher und kultureller Veränderungenund als Medium der eigenen Beteiligung an diesem Prozess der Umgestaltung.Dabei geht es <strong>ein</strong>erseits um die Veränderung von Lernprozessen, ihre Enthierarchisierungzugunsten kollektiver Erfahrungs- und Denkweisen, um das Aufbrechenvon Lehr-Routinen, in denen die Lehrenden selbst sich verändern. Darüberhinaus aber wollte ich mit m<strong>ein</strong>em Beitrag den Blick insbesondere richten aufdie – in den Projekten mit neuen Medien (zu) wenig diskutierten – Veränderungsprozesse,die sich in Wissenschaft und Bildung mit der InformationsundWissensgesellschaft vollziehen. Aus dieser Betrachtung ergibt sich die Not-12


wendigkeit <strong>ein</strong>er neuen Sicht auf Medienbildung an der <strong>Universität</strong>, die Notwendigkeit<strong>ein</strong>er erneuerten erkenntnistheoretischen und methodologischen Reflexionund die Anregung <strong>ein</strong>er solchen Reflexion in der Lehre.Techologie und Kultur greifen in<strong>ein</strong>ander und verändern sich gegenseitig. Willman also <strong>ein</strong>e veränderte Lernkultur an Bildungs<strong>ein</strong>richtungen, wie es neuerdingsin Bildungsprogrammen postuliert wird, so kann man dabei die Technologieund das Verhältnis zur Technologie nicht unverändert lassen, man muss sieim jeweiligen Kontext bewusst gestalten. Für die Seite technologischer Entwicklungbedeutet es umgekehrt, dass Technologie so offen wie möglich und in Interaktionmit und als Antwort auf kulturelle Veränderungen begriffen werden muss:Technologie als Ausdruck kulturellen Begehrens und wissenschaftlicher Innovation.Förderprogramme wären so anzulegen, dass sie diese Interaktion fördern undfordern, sowohl auf der Seite der „Kultur“, die Technologie als <strong>ein</strong>e Möglichkeitihres Ausdrucks versteht, als auch auf seiten der Technologie, die „Kultur“ alsentscheidenden Faktor ihrer Fortentwicklung begreift und sich für Gestaltungöffnet.LiteraturH<strong>ein</strong>tz, B. (1993). Die Herrschaft der Regel. Zur Grundlagengeschichte desComputers. Frankfurt a. M.: Campus.Kalz, M., & Stratmann, J., & Kerres, M. (2003). Notebooks in der Hochschullehre.Didaktische und strukturelle Implikationen, Vortrag auf der Frühjahrstagungder DGfE-Kommission Medienpädagogik, Nürnberg (http://www.unikassel.de/mediafb1/dgfemedien/Seiten/Texte/tagungen/fruehjahrstagung03.htm).Kay, A., & Goldberg, A. (1977). Personal Dynamic Media. Computer, IEEE Nr. 10(3), 31-41.Kerres, M. (2001). Multimediale und telemediale Lernumgebungen. Konzeptionund Entwicklung. München: Oldenbourg.Kerres, M. (2003a). Zu Wirkungen und Risiken neuer Medien in der Bildung: WarumMedien k<strong>ein</strong>e Arznei für die Bildung sind. In A. Schlüter (ed.): Aktuellesund Querliegendes zur Didaktik und Curriculumentwicklung. Bielefeld: JanusPresse, 261-278.Kerres, M., & Voss, B. (2003b). Vorwort: Vom Medienprojekt zur nachhaltigenMediennutzung auf dem Digitalen Campus. In M. Kerres & B. Voss, DigitalerCampus. Münster: Waxmann, 9-12.Kübler, H.-D. (2002). Modalitäten von Medienkompetenz. Von der Medienerziehungzum Wissensmanagement. In Medienkompetenz – Kritik <strong>ein</strong>er populärenUniversalkonzeption. Forum Medienethik 1/2002, kopaed, 18-28.Murray, J. H. (2003). Inventing the Medium. In N. Wardrip-Fruin & N. Montfort,The New Media Reader. Cambridge, Massachusetts: The MIT Press, 3-11.Nake, F. (1992). Informatik und die Maschinisierung von Kopfarbeit. In Coy, W. et al.(Hrsg.) Sichtweisen der Informatik. Braunschweig: Vieweg, S.181–201.


Papert, S. (1994). Revolution des Lernens. Kinder, Computer, Schule in <strong>ein</strong>er digitalenWelt. Hannover: Heise.Schäffer, B. (2003). Generationen – Medien – Bildung. Medienpraxiskulturen imGenerationenvergleich. Opladen: Leske + Budrich.Schelhowe, H. (1997). Das Medium aus der Maschine. Zur Metamorphose desComputers. Frankfurt: Campus.Turkle, S. (1984) The Second Self: Computers and the Human Spirit. New York:Simon & Schuster.Untersuchung der Einsatzmöglichkeiten von Notebooks in Lehre und Ausbildungan Hochschulen. Konzeption zur Realisierung zukünftiger Notebook-Hochschulenin Deutschland. Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.http://wwwtec.informatik.uni-rostock.de/RA/Notebook-HS/index1.html.Zuse, K: Der Computer – M<strong>ein</strong> Lebenswerk. Berlin: 3. Aufl. Springer 1993.14

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