Ausgabe Karlsruhe - Evangelisch-Lutherische Gemeinde
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Taizé - Was ist das?<br />
Nach Taizé - auf einem Hügel in Burgund - pilgern jedes Jahr Zehntausende von meistens Jugendlichen<br />
Taize - was ist das eigentlich?<br />
Woodstock gilt heute als Höhepunkt<br />
der Hippiebewegung. Ein<br />
Festival, bei dem eine riesige<br />
Schar junger Menschen friedlich<br />
zeltend und Musik hörend drei Tage<br />
verbrachten. In manchen<br />
Medien wird Taizé gerne als<br />
„christliches Woodstock“ bezeichnet,<br />
und in der Tat kann der oberflächliche<br />
Besucher gewisse Ähnlichkeiten<br />
entdecken. Die ersten<br />
Eindrücke, die ein neutraler Taizé-<br />
Besucher wahrnimmt, vermitteln<br />
das Bild eines großen, unübersichtlichen<br />
Zeltlagers. Alles wirkt etwas<br />
improvisiert. Jugendliche der unterschiedlichsten<br />
Nationen stehen<br />
an jeder Straßenecke, plaudern,<br />
singen, tanzen oder spielen miteinander.<br />
Wer sich auf Taizé intensiver<br />
einlässt wird jedoch bald eine tiefere<br />
Ebene dieses Pilgerortes für<br />
Jugendliche entdecken.<br />
Am Anfang der Geschichte von<br />
Taizé muss man den Namen Roger<br />
Schütz erwähnen, ein evangelischer<br />
Theologe aus Genf, der sich<br />
in früher Jugend schon an der<br />
Trennung der Christen in unterschiedliche<br />
Konfessionen störte.<br />
Wie können die Christen Einheit<br />
und Frieden ausstrahlen, solange<br />
sie zersplittert sind? Und wie können<br />
Christen von Solidarität und<br />
Nächstenliebe sprechen, solange<br />
zwischen den Christen armer und<br />
reicher Länder so eine große Kluft<br />
besteht?<br />
Mit einigen befreundeten Studenten<br />
beschloss Frère Roger, wie<br />
er sich später nannte, während<br />
des zweiten Weltkrieges eine klösterliche<br />
Gemeinschaft zu gründen,<br />
die sich der Einheit und der<br />
Seite 6<br />
Solidarität der Christen untereinander<br />
widmen sollte. Eher zufällig<br />
kam es dazu, dass sie in einem<br />
halb verlassenen Dorf namens<br />
Taizé ein Haus kaufen konnten.<br />
Einen Pilgerort für Jugendliche zu<br />
gründen, war nie ihre Absicht.<br />
Vielmehr schätzten sie die Einsamkeit<br />
und Geborgenheit, die für<br />
ihre ersten Schritte notwendig<br />
waren. Denn ihre Aufgabe sahen<br />
sie zunächst darin, den verfolgten<br />
Juden des dritten Reiches Unterschlupf<br />
zu gewähren. Nach dem<br />
Krieg waren es die deutschen<br />
Gefangenen eines nahe gelegenen<br />
Lagers, mit denen Frère Roger<br />
und seine Brüder gemeinsame<br />
Gebete abhielt. Die vielen Waisen<br />
und Halbwaisen zu betreuen, die<br />
der Krieg hervorgebracht hatte,<br />
wurden ebenfalls eine Aufgabe<br />
der sich die Gemeinschaft annahm.<br />
Erst Anfang der 70er Jahre wurde<br />
die Idee geboren, ein Konzil<br />
der Jugend auszurufen: Ein Treffen<br />
von jungen Menschen aus aller<br />
Welt, das so begeistert angenommen<br />
wurde, dass die Brüder<br />
beschlossen, sich den Jugendlichen<br />
weiter zu widmen. Bis heute<br />
staunen die Brüder von Taizé wie<br />
viele Pilger den Weg in ihr abgelegenes<br />
Dorf finden.<br />
Im Zentrum des Aufenthalts in<br />
Taizé stehen die drei täglichen<br />
Gebete, die alle Besucher mit den<br />
Brüdern gemeinsam abhalten. Da<br />
sich Taizé als ökumenische Institution<br />
versteht, galt es eine Gebetsform<br />
zu finden, die Katholiken,<br />
Orthodoxen und den Besuchern<br />
aus den verschiedenen evangelischen<br />
Kirchen gleichermaßen ge-<br />
recht wird. Herausgekommen ist<br />
dabei ein Gebet, das sehr meditativ<br />
und kontemplativ ausgelegt ist.<br />
Man könnte sagen, dass in Taizé<br />
die christliche Mystik eine Wiederbelebung<br />
gefunden hat.<br />
Zum Gottesdienst versammeln<br />
sich die Taizé-Fahrer<br />
in der großen Kirche<br />
Somit ist es nicht verwunderlich,<br />
dass das Kernstück des Taizé-Gebets<br />
die Stille ist. Verwunderlich ist<br />
höchstens, dass gerade junge<br />
Leute sich von dieser ca. 10-minütigen<br />
Stille (drei mal täglich) angesprochen<br />
fühlen, sich geradezu<br />
danach zu sehnen scheinen. Wer<br />
die heutige Techno-Generation<br />
einmal ganz anders erleben will,<br />
dem sei ein Besuch in Taizé wärmstens<br />
empfohlen.<br />
Auch in anderen Bereichen wird<br />
so mancher Erwachsene die heutige<br />
Jugend kaum wiedererkennen.<br />
So gehört es z.B. für jeden<br />
Besucher dazu, im Tagesbetrieb<br />
einen Job zu übernehmen, und es<br />
ist erstaunlich, mit welchem Enthusiasmus<br />
die jugendlichen Pilger<br />
abwaschen, Müll sammeln oder<br />
Toiletten putzen. Die täglichen<br />
Bibeleinführungen und Gruppen-