Kontext - Scripten Nummer 6 - kontext - Gesellschaft zur Förderung ...
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<strong>Kontext</strong> <strong>Scripten</strong> <strong>Nummer</strong> 6<br />
Der Marriage Fund<br />
in den Vereinigten Arabischen Emiraten<br />
"Ahmed I love you" steht in krakeligen Buchstaben an der Tür im<br />
Damenklo. Ohne Unterschrift. Im Abu Hail Center, einem der<br />
ältesten Einkaufszentren in Dubai, herrscht Damenwahl. Ob<br />
Bekleidung, Schuhe, Schmuck, Haushaltswaren, Kosmetik,<br />
Accessoires, alle Geschäfte sind nur für die weibliche Kundschaft<br />
bestimmt. Männer müssen zwar nicht draußen bleiben, aber das<br />
Warenangebot scheint abschreckend genug zu sein. Frauen und<br />
Mädchen sind hier meist unter sich und shoppen, bis die Kreditkarte<br />
heiß läuft.<br />
Dagegen stehen junge Männer zwei Häuser weiter Schlange im<br />
Büro des Marriage Funds, um eine "Ehebeihilfe" zu beantragen.<br />
Der Hochzeitsfonds ist eine staatliche Stiftung, die 1992 gegründet<br />
wurde. Sie kümmert sich um die Ehebelange und<br />
Familienangelegenheiten der Einheimischen und hat vor allem ein<br />
Ziel: die Zahl der Eheschließungen zwischen einheimischen<br />
Männern und Frauen zu steigern.<br />
Die erste Maßnahme machte den Hochzeitsfonds auf Anhieb bei<br />
der Bevölkerung beliebt: Einheimische Männer, die eine<br />
Einheimische heiraten wollen, bekommen 70.000 Dirham<br />
(umgerechnet ca. 24.000 €) als Geschenk vom Staat! Das Geld ist<br />
als Startkapital für die Ehe gedacht, doch meist reicht es nicht<br />
einmal für die Hochzeitsfeier. "Eine gewöhnliche Hochzeit kostet<br />
um die 300.000 Dirham", sagt Jamal Al Bah, Direktor des Marriage<br />
Funds, "das ist verrückt und 30-mal soviel, wie unsere Eltern<br />
<strong>Scripten</strong> Nr 6 - Inhalt<br />
Claudia Schneider<br />
Claudia Schneider arbeitet<br />
freiberuflich für verschiedene<br />
Printmedien und das WDR-<br />
TV. Nach ihrem Politik- und<br />
Wirt-schaftsstudium<br />
volontierte sie bei der WAZ<br />
in Essen und war<br />
anschließend zwei Jahre als<br />
Alleinredakteurin tätig. Ein<br />
Stipendium der Heinz-Kühn-<br />
Stiftung führte sie knapp vier
ausgegeben haben." Mit breit angelegten Kampagnen versucht der<br />
Fonds, die Bürger davon zu überzeugen, dass es nicht unbedingt<br />
eine Feier mit 500 Personen im 5-Sterne-Hotel sein muss. Da<br />
Männer und Frauen in den Emiraten getrennt feiern, fallen zwei<br />
riesige Partys mit doppelten Kosten für Saal, Kappelle, aufwändige<br />
Dekoration und so weiter an. Äußerst günstig sind dagegen<br />
Massenhochzeiten, die vom Marriage Fund organisiert werden. Bis<br />
zu 300 Paare nehmen daran teil, letzten Sommer waren darunter<br />
selbst zwei Minister-Söhne. Diese prominenten Beispiele sorgen für<br />
eine gewisse Akzeptanz in der Bevölkerung, und dennoch bleibt<br />
diese Form der Eheschließung nur zweite Wahl.<br />
In den Arabischen Emiraten wird viel Trara gemacht um den<br />
schönsten Tag im Leben. Vor allem die Mädchen werden von klein<br />
auf darauf vorbereitet, und ihre Eltern erwarten eine pompöse<br />
Hochzeit, die dem Ansehen der Familie gerecht wird oder noch<br />
steigert. "Ohne das Geldgeschenk des Marriage Funds könnte ich<br />
mir die geplante Feier nicht leisten," gibt Salem, ein 27-jähriger<br />
Soldat, zu. Er will die "Ehebeihilfe" beantragen, um in drei Monaten<br />
"die weiße Hochzeit abzuhalten." Rein rechtlich sind Salem und<br />
seine Noora schon Mann und Frau. "Al-Melcha," die<br />
Unterzeichnung der Ehepapiere im Beisein eines Mullahs, fand<br />
schon statt. Seitdem darf das Paar gemeinsam in der Öffentlichkeit<br />
auftreten – aber noch nicht zusammen leben. Das ist erst nach der<br />
weißen Hochzeit erlaubt. Die Ehepapiere sind aber eine<br />
Voraussetzung, um das Geld vom Marriage Fund beantragen zu<br />
können. "Sie belegen, dass ein Paar ernste Absichten hat," sagt<br />
Khalid Abdullah Ahmed, der Salems Antrag entgegennimmt.<br />
"Schließlich soll das Geld wirklich für die Hochzeit ausgegeben<br />
werden und nicht für einen Autokauf oder so."<br />
Monate ins westafrikanische<br />
Mali.<br />
Fotos und Text:<br />
© Claudia Schneider<br />
Shoppen bis die Kreditkarte<br />
E H E B E I H I L F E<br />
heißläuft!
Warum schenkt der Staat den Paaren so viel Geld? "Weil wir die<br />
Anzahl binationaler Ehen senken wollen," sagt Jamal Al Bah,<br />
Direktor des Marriage Funds. Immer mehr einheimische Männer<br />
würden Ausländerinnen heiraten, weil sie "salopp gesagt, billiger im<br />
Erwerb und Unterhalt sind." Sie würden sich mit einer kleinen<br />
Hochzeitsfeier zufrieden geben und keine Mitgift verlangen.<br />
Einheimische Frauen bestünden auf einer hohen Mitgift, die ihnen<br />
im Scheidungsfall als Unterhalt gezahlt würde. Inzwischen sei ein<br />
Gesetz erlassen worden, das die Mitgift auf 30.000 Dirham (ca.<br />
10.000 €) begrenzt, aber in der Praxis würden größere Summen<br />
gezahlt.<br />
Warum schenkt der Staat den Paaren so viel Geld? "Weil wir die<br />
Anzahl binationaler Ehen senken wollen," sagt Jamal Al Bah,<br />
Direktor des Marriage Funds. Immer mehr einheimische Männer<br />
würden Ausländerinnen heiraten, weil sie "salopp gesagt, billiger im<br />
Erwerb und Unterhalt sind." Sie würden sich mit einer kleinen<br />
Hochzeitsfeier zufrieden geben und keine Mitgift verlangen.<br />
Einheimische Frauen bestünden auf einer hohen Mitgift, die ihnen<br />
im Scheidungsfall als Unterhalt gezahlt würde. Inzwischen sei ein<br />
Gesetz erlassen worden, das die Mitgift auf 30.000 Dirham (ca.<br />
10.000 €) begrenzt, aber in der Praxis würden größere Summen<br />
gezahlt.<br />
Mit dem Geldgeschenk wolle der Marriage Fund den einheimischen<br />
Männern finanziell unter die Arme greifen und sie ermutigen, die<br />
eigene Kultur zu erhalten. "Die binationalen Ehen bringen einige<br />
Probleme mit sich," sagt Jamal Al Bah, "zum Beispiel bleiben<br />
unsere Frauen dann zwangsweise Single." Ohnehin herrsche schon<br />
ein Geburtenüberschuss zugunsten der Frauen. Das Verhältnis<br />
Mann zu Frau beträgt 44:56 Prozent. Wenn sich das "knappe Gut"<br />
Mann dann noch entschließt, eine Ausländerin zu heiraten, wird es<br />
eng auf dem Heiratsmarkt. 25 Prozent der einheimischen Frauen<br />
sind jetzt schon Single. Das Problem für die "sitzen gebliebenen<br />
Frauen": Sie dürfen keinen Ausländer heiraten. Warum? "Das hat<br />
hier Tradition," antwortet jeder Emirati, den man fragt. Aber den<br />
Ursprung kennt niemand. Immerhin gibt es eine Erklärung dafür,<br />
warum Frauen keinen Nichtmuslimen ehelichen dürfen: Das<br />
Soldat Salem stellt Antrag<br />
beim Marriage Found<br />
Jamal Al Bah, Direktor des<br />
Marriage Fund
verbietet der Koran (Die zukünftigen Kinder gehören der Religion<br />
des Vaters an. Es sei denn, er konvertiert).<br />
Aber selbst die Hochzeit mit anderen Arabern wird sozial geächtet<br />
und ist staatlich unerwünscht, denn die Kinder würden die<br />
Staatsangehörigkeit des Vaters erhalten und wären somit keine<br />
Emiratis. Dabei zählt mittlerweile jede bzw. jeder einzelne<br />
Einheimische. Von den 2,8 Millionen Einwohnern der Vereinigten<br />
Arabischen Emirate (VAE) sind nur 20 Prozent (!) gebürtige<br />
Emiratis. Das Gros der Bevölkerung stammt aus Südasien und<br />
anderen arabischen Ländern. Diese Gastarbeiter wurden mit<br />
Beginn des Ölbooms in den 70er-Jahren ins Land geholt. Ohne sie<br />
hätten sich die VAE, die 1971 gegründet wurden, nicht so schnell<br />
zu einem hochindustrialisierten Staat entwickeln können. Auch<br />
heute kommt die prosperierende Wirtschaft nicht ohne<br />
ausländische Arbeitskräfte aus.<br />
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<strong>Kontext</strong> <strong>Scripten</strong> <strong>Nummer</strong> 6<br />
Die multikulturelle <strong>Gesellschaft</strong> funktioniert Dank gesunder<br />
Wirtschaft und hohem Durchschnittseinkommen derzeit zwar sehr<br />
gut, aber die Herrscher der sieben Emirate befürchten für die<br />
Zukunft eine Gefährdung der sozialen Stabilität. Deswegen wurde<br />
der Marriage Fund beauftragt, Basisarbeit schon in den Schulen zu<br />
leisten. Einmal pro Jahr wird ein "Kreativwettbewerb" für alle<br />
Neuntklässler ausgeschrieben. Das Motto dieses Jahres heißt "Die<br />
glückliche Familie." In Form von Zeichnungen, Gedichten, Collagen,<br />
Erzählungen sollen die Schüler ihre Gedanken zum Thema äußern<br />
– und dabei Gelerntes aus dem Unterricht wiedergeben.<br />
"Die Familie ist die Trägerin unserer Kultur, das wollen wir den<br />
Kindern vor allem klar machen," sagt Jamal Al Bah, der vor seinem<br />
Posten als Fondsdirektor bereits als TV-Journalist das Bild der<br />
heilen, einheimischen Familie verbreitete. In seiner Schwarz-Weiß-<br />
Malerei kommen binationale Ehen schlecht weg. "Die Kinder, die<br />
aus diesen Ehen hervorgehen, haben keine Kenntnis unserer<br />
Kultur, denn die Mütter erziehen sie in ihrer Sprache und Kultur."<br />
Auch für die Partnerschaft bringe die unterschiedliche Herkunft<br />
gravierende Probleme. "61 Prozent der binationalen Ehen werden<br />
geschieden," sagt Jamal Al Bah.<br />
Diese hohe Scheidungsrate wird im gesamten Land mit Sorge <strong>zur</strong><br />
Kenntnis genommen. "Ausländische Frauen sind nach der<br />
Scheidung finanziell nicht abgesichert", meint Noura Al-Noman,<br />
stellvertretende Leiterin des "Women’s Clubs" in dem Emirat<br />
Sharjah. "Die Frauen haben vor der Ehe keine Mitgift verlangt, und<br />
die Männer zahlen freiwillig meist nicht einmal Unterhalt für die<br />
Kinder." Es drohe eine Verslummung dieser Mütter und Kinder, die<br />
sich nicht wehren könnten.<br />
<strong>Scripten</strong> Nr 6 - Inhalt<br />
Das Motto<br />
dieses Jahres<br />
heißt<br />
"Die glückliche<br />
Familie"<br />
Heimatmuseum Al-Ain,<br />
traditionelle<br />
Frauenbekleidung
"Viele dieser Geschiedenen sind noch sehr jung,<br />
Analphabetinnen und sprechen unsere Sprache nicht,"<br />
erzählt Noura. Sie kämen aus Indien, Pakistan oder<br />
anderen asiatischen Ländern und seien größtenteils<br />
als Dritt- oder Viertfrau ins Land geholt worden. Diese<br />
Problematik wird von offizieller Seite nicht<br />
angesprochen. Beim Dubai Court gibt es zwar seit<br />
einem Jahr einen "Family advisor," der als Mediator<br />
versucht, alle Ehe- und Familienprobleme zu lösen,<br />
aber er kümmert sich nur um einheimische Paare.<br />
Offensiver geht man mit dem Thema „Altersunterschied“ in der<br />
Öffentlichkeit um. Der große Altersunterschied ist einer der<br />
Hauptscheidungsgründe,“ äußerte Sheikh Saoud bin Rashid Al<br />
Mualla, Kronprinz des ländlich strukturierten Emirates Umm Al<br />
Quwain, in einem Zeitungsinterview. Dies gelte nicht nur für die<br />
binationalen Ehen, sondern auch für die heimischen Paare, von<br />
denen 33 Prozent geschieden werden. Eine aktuelle Studie des<br />
Ministeriums für Arbeit und Soziales zeigt ergänzend, dass das<br />
Heiratsalter ebenfalls nicht unwichtig ist: 13,5 Prozent der Ehen<br />
scheitern, in denen die Frau vor ihrem 14. Lebensjahr verheiratet<br />
wurde. Männer sind demnach mit 24 Jahren noch nicht reif für die<br />
Ehe, denn in 24 Prozent der Scheidungsfälle waren die Männer<br />
zwischen 20 und 24 Jahren.<br />
Es ist gang und gäbe in den Arabischen Emiraten, dass Hochzeiten<br />
arrangiert werden. Bisher haben die Eltern das Sagen, die Kinder<br />
Moschee in Dubai
nur eine geringe Mitsprache. Ein Brautpaar hat vor der Ehe keinen<br />
Kontakt – zumindest nicht direkt. "Per Handy oder Internet sind sie<br />
ständig in Verbindung," meint Mona, eine gebürtige Deutsche, die<br />
seit 25 Jahren mit einem Emirati verheiratet ist und inzwischen auch<br />
die Staatsbürgerschaft der VAE besitzt. Kennen gelernt hat sie<br />
ihren Mann während einer Reise in Pakistan. Es war Liebe auf den<br />
ersten Blick. Als ältester Sohn durfte Noorodin seine einsame<br />
Entscheidung durchsetzen und Mona heiraten.<br />
"Normalerweise holt das 'Familien-FBI' erst ausführliche<br />
Informationen ein," erzählt die 49-Jährige. Das "Familien-FBI" sind<br />
Schwestern, Cousins, Schwägerinnen und andere Verwandte. Sie<br />
schwärmen aus, erkundigen sich, welche Hobbys, Ansichten,<br />
religiöse Einstellungen, Ziele etc. die mögliche Braut oder der<br />
Bräutigam haben und ob ihre Eigenschaften zusammenpassen.<br />
Wie in islamischen Ländern üblich, ist die Ehe in den VAE eine<br />
Vernunftangelegenheit, sie gilt als Verbindung zweier Familien und<br />
dient in erster Linie der Reproduktion.<br />
"Doch das wird sich ändern," meint der 22-jährige Student Hamdan,<br />
"in meiner Generation werden sich die Leute selber ihre<br />
PartnerInnen aussuchen." Schließlich lerne man sich jetzt oft schon<br />
an der Uni kennen oder am Arbeitsplatz. "Außerdem will ich aus<br />
Liebe heiraten," gesteht Hamdan. Bisher ist ihm noch nicht die<br />
Richtige über den Weg gelaufen, "das hat auch noch Zeit, ich will<br />
erst das Studium beenden und den Jobeinstieg schaffen."<br />
><br />
Hamdan, Student
<strong>Kontext</strong> <strong>Scripten</strong> <strong>Nummer</strong> 6<br />
Das sehen Amna und Laila genauso. Kichernd stehen die beiden<br />
16-jährigen Mädchen vor dem Brautmodengeschäft. Amüsieren<br />
sich über die skurrile Aufmachung der Schaufensterpuppen, die<br />
regenschirmähnliche Hauben tragen. Ob sie nach einem Brautkleid<br />
für sich selbst Ausschau halten? "Nein, wir heiraten doch jetzt noch<br />
nicht," sagt Amna leicht verdutzt. So eine Frage. "Wir müssen<br />
erstmal die Schule und danach die Uni beenden."<br />
Amna und Laila sind typisch für die neue, selbstbewusste<br />
Frauengeneration in dem Golfstaat. Bildung und Beruf haben<br />
Vorrang vor Ehe und Familie. "Die meisten jungen Männer mögen<br />
diesen Trend aber nicht", betont Naimah Mohammed Yehia,<br />
Ministerialbeamtin im Bundesministerium für Justiz, Islam-<br />
Angelegenheiten und Stiftungen. Laut einer Studie des<br />
Ministeriums wollen 67 Prozent der Männer eine Frau heiraten, die<br />
nicht viel älter als 20 Jahre ist. 55 Prozent der Befragten gaben an,<br />
dass sie keine gebildete Frau heiraten würden, und 73 Prozent<br />
lehnten es strikt ab, Akademikerinnen <strong>zur</strong> Frau zu nehmen.<br />
Begründung: Sie seien zu arrogant.<br />
Der Wunsch nach einer "traditionellen" Ehefrau, die sich auf den<br />
Haushalt und die Familie konzentriert ist, in den Großstädten Dubai,<br />
Abu Dhabi und Sharjah schwer zu erfüllen. Deswegen hat der<br />
Marriage Fund ein neues Programm gestartet: die kostenlose<br />
Partnervermittlung für Einheimische. Bis jetzt ist das ein<br />
Einfraubetrieb. Ahlam, 36, Mutter von vier Kindern, nimmt sich den<br />
Wünschen ihrer Landsleute an. Seit Anfang 2001 kommen Männer<br />
und Frauen zu ihr ins Marriage-Fund-Büro und erzählen, welche<br />
Partnerin, welchen Partner sie suchen. "Ich höre mir das an, frage<br />
nach und lege nachher eine Akte an," erklärt Ahlam. Oft falle ihr<br />
schon während des Gesprächs eine passende Partnerin ein,<br />
manchmal fahre sie über die Dörfer, um sich im Freundes- und<br />
Bekanntenkreis nach einem "passenden Gegenstück" zu<br />
erkundigen.<br />
<strong>Scripten</strong> Nr 6 - Inhalt<br />
Das<br />
"Familien-FBI"<br />
Skyline Abu Dhabi<br />
Vollverschleiert
Die Angestellte ist stolz: Pro Monat hat sie bisher mindestens ein<br />
Paar zusammengebracht. Das funktioniert so, indem sie die Familie<br />
des Mädchens über die Eigenschaften und Wünsche des Mannes<br />
informiert. Die Familie recherchiert nach und gibt Ahlam dann<br />
positiven oder negativen Bescheid. Erst dann wird der Mann<br />
angerufen, ein Treffen zwischen den beiden Familien arrangiert.<br />
"Ich versuche die Brauteltern immer dazu zu bewegen, dass ihre<br />
Tochter den Mann auch kurz kennen lernen darf."<br />
Polygamie lehnt Ahlam ab, deswegen vermittelt sie auch keine<br />
Zweitfrauen. Mit einer Ausname: "Nur wenn der Mann ein<br />
medizinisches Attest vorlegt, dass seine Frau keine Kinder<br />
bekommen kann." Vermittelt werden soll jeder Bewerber und jede<br />
Bewerberin. Auch Frauen, die oft schon im reiferen Alter sind. "Ich<br />
habe neulich eine 47-Jährige mit einem Witwer<br />
zusammengebracht", erzählt Ahlam, "die Frau war immer noch<br />
Single, weil sie sich nach dem frühen Tod ihrer Mutter um ihre<br />
jüngeren Geschwister gekümmert hat." Die neue Dienstleistung des<br />
Marriage Fund hat sich im ganzen Land rumgesprochen.<br />
Demnächst soll auch eine Vermittlerin im Büro in Abu Dhabi<br />
arbeiten.<br />
Auf noch größere Resonanz ist das "Housing Project" gestoßen.<br />
Der Fonds subventioniert den Bau von Einfamilienhäusern und<br />
vergibt günstige "Einrichtungskredite." Gleichzeitig wurde ein<br />
Abkommen mit verschiedenen Möbelhäusern und<br />
Haushaltsgeräteherstellern geschlossen, die ihre Ware an die<br />
Projektteilnehmer günstiger verkaufen. "Die Firmen profitieren trotz<br />
Preisnachlass von diesem Programm," meint Projektleiter Walid M.<br />
Shahien, "denn sie machen jetzt mehr Umsatz."<br />
Während man in Europa glaubt, dass in den Arabischen Emiraten<br />
nur reiche Scheichs wohnen, die nicht auf den einzelnen Dirham<br />
achten müssen, sieht die Realität anders aus. Zwar ist das<br />
Durchschnittseinkommen mit 22.800 US-$ nur wenig geringer als in<br />
Deutschland, aber gerade im öffentlichen Dienst oder in den<br />
ländlichen Gegenden ist der Verdienst nicht üppig. Es lebt sich als<br />
Einheimischer trotzdem gut in dem Golfstaat: Ohne Steuern, ohne<br />
Wassergeld, mit halben Stromkosten, gratis<br />
Altstadt, Windtürme Dubai<br />
Textilläden
Gesundheitsversorgung und einem Grundstück, das man <strong>zur</strong><br />
Hochzeit geschenkt bekommt.<br />
Die Emiratis sind also staatliche Leistungen gewohnt. Darum sieht<br />
es der Großteil der Bevölkerung auch nicht als verwerflich an, Geld<br />
vom Marriage Fund anzunehmen. Kritik kommt nur von<br />
Frauenseite. "Das Projekt ist doch nicht ausgegoren", meint Noura<br />
Al-Noman vom Sharjah Women’s Club, "der Marriage Fund<br />
verschenkt das Geld, ohne großartig zu prüfen, ob die Leute<br />
überhaupt reif für die Ehe sind." Obligatorisch ist nur ein<br />
Gesundheitscheck vor Beantragung der "Ehebeihilfe."<br />
Untersucht werden beide Partner auf Geschlechts- oder<br />
Erbkrankheiten. "Bei den Männern ist es okay, dass sie auf<br />
Geschlechtskrankheiten untersucht werden," findet<br />
Pädagogikstudentin Badreya, "aber für die Frauen ist das eine<br />
Beleidigung. Woher soll man sich als Jungfrau 'was holen'?"<br />
Diskriminierend sei doch das ganze Projekt, findet Houriya. Die<br />
Chirurgin gehört zu den wenigen einheimischen Frauen, die mit<br />
einem Ausländer verheiratet sind. Ihr Mann ist Amerikaner, arbeitet<br />
aber schon lange im arabischen Raum, so dass ihm die<br />
Lebensweise in Fleisch und Blut übergegangen ist. Aus<br />
Überzeugung konvertierte er zum Islam. "Warum bekomme ich als<br />
einheimische Frau keine Zuschüsse?", meint Houriya, "schließlich<br />
sorge ich als Mutter dafür, dass unsere Tradition weitergegeben<br />
wird." Dieser Argumentation mag Fondsdirektor Al Bah nicht folgen:<br />
"Die 'richtige’ Tradition verbietet' dass Frauen Ausländer heiraten,<br />
egal wie sehr sich der Ehemann der heimischen Kultur angepasst<br />
hat."<br />
Houriya, Chirurgin
Männer, die eine Ausländerin<br />
heirateten, bekämen schließlich auch<br />
kein Geld vom Fonds. Geld oder<br />
Liebe? Houriya hat sich für die Liebe<br />
entschieden und das nicht bereut. Sie<br />
hofft aber, dass die nächste<br />
Generation ihren eigenen Weg gehen<br />
kann. Wohl wissend, dass es nicht<br />
einfach ist, Tradition und Moderne<br />
miteinander zu verbinden.<br />
Houriya hat sich für die Liebe entschieden und das nicht bereut.<br />