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Mündliche Frage zu Entscheidungskriterien der ... - Schulz, Swen

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Plenarprotokoll 17/80Deutscher BundestagStenografischer Bericht80. Sit<strong>zu</strong>ngBerlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010I n h a l t :Tagesordnungspunkt 1:Abgabe einer Regierungserklärung durch dieBundeskanzlerin: <strong>zu</strong>m Europäischen Ratam 16./17. Dezember 2010 in Brüssel . . . . .Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . .Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . .Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . .Volker Kau<strong>der</strong> (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . .Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . .Michael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .8817 A8817 B8820 D8823 C8825 C8827 A8828 B8830 B8831 A8832 A8834 A8835 ADr. Kristina Schrö<strong>der</strong>, BundesministerinBMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Karl-Theodor Freiherr <strong>zu</strong> Guttenberg,Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) . . . . . . . . . . . .Dr. Karl-Theodor Freiherr <strong>zu</strong> Guttenberg,Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . .Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>, BundesministerinBMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Karl-Theodor Freiherr <strong>zu</strong> Guttenberg,Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . .Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>, BundesministerinBMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8839 D8840 B8840 C8840 D8841 B8841 D8842 B8842 B8842 C8842 DDr. Michael Luther (CDU/CSU) . . . . . . . . . .8836 CDr. Karl-Theodor Freiherr <strong>zu</strong> Guttenberg,Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . .8843 ATagesordnungspunkt 2:Befragung <strong>der</strong> Bundesregierung: Entwurf einesGesetzes <strong>zu</strong>r Än<strong>der</strong>ung wehrrechtlicherVorschriften 2011 und Entwurf einesGesetzes <strong>zu</strong>r Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Karl-Theodor Freiherr <strong>zu</strong> Guttenberg,Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>, BundesministerinBMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8837 D8837 D8838 DHarald Koch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>, BundesministerinBMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Michael Groschek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Karl-Theodor Freiherr <strong>zu</strong> Guttenberg,Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . .Annette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>, BundesministerinBMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8843 B8843 C8844 A8844 Þ8844 C8844 DMarkus Grübel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .8839 DPatrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) . . . . . . . . .8845 A


II Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Dr. Karl-Theodor Freiherr <strong>zu</strong> Guttenberg,Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . .Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>, BundesministerinBMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8845 B8845 C8845 DAntwortAnnette Widmann-Mauz,Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . .ZusatzfrageSteffen-Claudio Lemme (SPD) . . . . . . . . . . .Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8849 A8849 A8849 BTagesordnungspunkt 3:<strong>Frage</strong>stunde(Drucksache 17/4153) . . . . . . . . . . . . . . . . . .Mündliche <strong>Frage</strong> 1Hilde Mattheis (SPD)Finanzierung <strong>der</strong> künftigen Ausgabensteigerungenin <strong>der</strong> sozialen PflegeversicherungAntwortAnnette Widmann-Mauz,Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . .8846 B8846 CMündliche <strong>Frage</strong> 5Dr. Karl Lauterbach (SPD)Geplante Beitragshöhe für die kapitalgedeckteZusatzpflegeversicherungAntwortAnnette Widmann-Mauz,Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenDr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . .Mündliche <strong>Frage</strong> 6Dr. Karl Lauterbach (SPD)8849 C8849 CMündliche <strong>Frage</strong> 2Hilde Mattheis (SPD)Beitragsbelastung für die Versichertendurch eine prognostizierte Beitragserhöhungim Vergleich <strong>zu</strong> einem angedachtenZusatzbeitrag von 10 Euro, 15 Euro o<strong>der</strong>20 Euro für das Jahr 2014AntwortAnnette Widmann-Mauz,Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenHilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) . . . . . .Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . .Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .8846 D8846 D8847 B8847 C8847 D8848 BTragbare monatliche Prämienhöhe <strong>zu</strong>r ergänzendenKapitaldeckung für Rentnerinnenund Rentner sowie Bezieherinnen undBezieher vergleichsweise niedriger EinkommenAntwortAnnette Widmann-Mauz,Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . .ZusatzfrageDr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . .Mündliche <strong>Frage</strong> 7Dr. Carola Reimann (SPD)Vorlage <strong>der</strong> Reformpläne für die Pflegeversicherung8850 B8850 CMündliche <strong>Frage</strong> 3Steffen-Claudio Lemme (SPD)AntwortAnnette Widmann-Mauz,Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . .8850 DAusgestaltung und Finanzierung des Sozialausgleichsbei Einführung <strong>der</strong> Zusatzversicherungfür die PflegeAntwortAnnette Widmann-Mauz,Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenSteffen-Claudio Lemme (SPD) . . . . . . . . . . .Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) . . . . . .Mündliche <strong>Frage</strong> 4Steffen-Claudio Lemme (SPD)Verwendung <strong>der</strong> Kapitalanlagen bei Nichteintretenvon Pflegebedürftigkeit8848 C8848 C8848 DZusatzfragenDr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . .Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) . . . . .Mündliche <strong>Frage</strong> 8Martin Dörmann (SPD)Auszahlung des Krankengeldes ab demersten Tag für die Berufsgruppe <strong>der</strong> Journalistensowie <strong>der</strong> Film- und FernsehschauspielerAntwortAnnette Widmann-Mauz,Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . .8851 A8851 B8851 D8852 B


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010IIIMündliche <strong>Frage</strong> 10Michael Groß (SPD)Mündliche <strong>Frage</strong> 16Kirsten Lühmann (SPD)Vorsorge für den erhöhten Mittelbedarffür Erhaltungsmaßnahmen <strong>der</strong> Verkehrsinfrastrukturaufgrund von WinterschädenAntwortJan Mücke, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfrageMichael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8852 D8852 DDefinition <strong>der</strong> Witterungsverhältnisse in<strong>der</strong> Straßenverkehrs-Ordnung angesichts<strong>der</strong> Einführung einer WinterreifenpflichtAntwortJan Mücke, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenKirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .8856 B8856 BMündliche <strong>Frage</strong> 11Michael Groß (SPD)Finanzieller Investitionsbedarf für die Sanierung<strong>der</strong> Infrastruktur im Bereich <strong>der</strong>Straße nach dem Winter 2010/2011AntwortJan Mücke, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8853 AMündliche <strong>Frage</strong> 17Kirsten Lühmann (SPD)Auslegung von Reifen mit Schneeflockensymbolfür winterliche WetterverhältnisseAntwortJan Mücke, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfrageFlorian Pronold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .8857 A8857 BZusatzfrageHarald Koch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Hans-Joachim Hacker (SPD) . . . . . . . . . . . . .Martin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Mündliche <strong>Frage</strong> 12Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)8853 B8853 B8853 C8854 A8854 BMündliche <strong>Frage</strong> 18Ulrike Gottschalck (SPD)Von den Län<strong>der</strong>n <strong>zu</strong>m 15. Juni 2010 gemeldeteKosten für den Streudienst auf BundesstraßenAntwortJan Mücke, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfrageUlrike Gottschalck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .8857 D8857 DEntwicklung <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Flugbewegungenim Luftraum über Berlin in den letztenfünf JahrenMündliche <strong>Frage</strong> 19Ulrike Gottschalck (SPD)AntwortJan Mücke, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenCornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8854 C8854 DBehin<strong>der</strong>ungen des Bahnverkehrs anBahnübergängen aufgrund <strong>der</strong> Verwendungvon Streusalz seit dem Wintereinbruchim Dezember 2010AntwortJan Mücke, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8858 BMündliche <strong>Frage</strong> 13Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Einsatz von Eisbrechern auf <strong>der</strong> Elbe inden letzten zehn Jahren und Behin<strong>der</strong>ungeninfolge un<strong>zu</strong>reichen<strong>der</strong> FahrrinnentiefeMündliche <strong>Frage</strong> 22Martin Burkert (SPD)Ausschließlicher Einsatz von witterungsresistentenMaterialien in <strong>der</strong> DB-Fahrzeugflotteund bei <strong>der</strong> Instandhaltung desBahnnetzes sowie Finanzierung aus demEinzelplan 12 des BundeshaushaltsAntwortJan Mücke, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8855 CAntwortJan Mücke, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8858 BZusatzfrageHans-Joachim Hacker (SPD) . . . . . . . . . . . . .8855 DZusatzfragenMartin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .8858 C


IV Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Mündliche <strong>Frage</strong> 23Martin Burkert (SPD)Verwendung von Mitteln aus dem Einzelplan12 des Bundeshaushalts für die Witterungsresistenzdes Bestandsnetzes <strong>der</strong>Deutschen Bahn AGAntwortJan Mücke, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenMartin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Mündliche <strong>Frage</strong>n 28 und 29Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Fortführung <strong>der</strong> Mauterhebung nachAuslaufen des aktuellen Betreibervertrages;Stand <strong>der</strong> Schiedsverfahren mit TollCollectAntwortJan Mücke, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8859 A8859 A8859 CMündliche <strong>Frage</strong> 36Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Gehäufte Krebsfälle in <strong>der</strong> SamtgemeindeAsse und mögliche Zusammenhänge mitdem dortigen atomaren LagerAntwortUrsula Heinen-Esser, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenDorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . .Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Mündliche <strong>Frage</strong> 37Oliver Kaczmarek (SPD)Umset<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> nationalen Strategie <strong>zu</strong>rbiologischen Vielfalt im Bereich <strong>der</strong> Fließgewässerund AuenAntwortUrsula Heinen-Esser, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8863 B8863 D8864 C8864 C8864 DZusatzfragenDr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Martin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8860 A8861 AZusatzfrageOliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .Mündliche <strong>Frage</strong> 38Oliver Kaczmarek (SPD)8865 BMündliche <strong>Frage</strong> 31Dr. Matthias Miersch (SPD)Notwendigkeit von Atommülltransportenvon Ahaus ins russische MajakAntwortUrsula Heinen-Esser, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenDr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . .Mündliche <strong>Frage</strong> 32Dr. Matthias Miersch (SPD)Nachrüstungen von AtomkraftwerkenAntwortUrsula Heinen-Esser, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenDr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . .Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .8861 B8861 C8862 A8862 A8862 D8863 AMaßnahmen <strong>der</strong> Bundesregierung für einenguten ökologischen Zustand <strong>der</strong> WasserkörperAntwortUrsula Heinen-Esser, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfrageOliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .Mündliche <strong>Frage</strong>n 39 und 40Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Unterschiedliche Bewertungen des Klimaschutzeszwischen dem Bundesminister fürUmwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,Dr. Norbert Röttgen, und dem Bundesministerfür Wirtschaft und Technologie,Rainer Brü<strong>der</strong>le; deutsche Position <strong>zu</strong>runkonditionierten Erhöhung des EU-Reduktionszielesauf 30 Prozent in diesem ZusammenhangAntwortUrsula Heinen-Esser, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8865 C8865 C8866 A


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010VZusatzfragenDr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . .Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .8866 C8867 B8867 CDr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . .Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . .Nächste Sit<strong>zu</strong>ng . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8885 C8886 D8888 CMündliche <strong>Frage</strong> 41Frank Schwabe (SPD)Initiativen <strong>der</strong> Bundesregierung <strong>zu</strong>r Erhöhungdes Klimaschutzziels <strong>der</strong> EU bis 2020Anlage 1Liste <strong>der</strong> entschuldigten Abgeordneten . . . . .8889 AAntwortUrsula Heinen-Esser, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenFrank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . .Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Mündliche <strong>Frage</strong> 42Frank Schwabe (SPD)8867 D8867 D8868 C8868 DAnlage 2Mündliche <strong>Frage</strong> 14Heinz Paula (SPD)Anschubfinanzierung <strong>zu</strong>m Ausbau <strong>der</strong> Autobahn8 zwischen Ulm und Augsburg undKonzessionsbeginn im Januar 2011AntwortJan Mücke, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8889 BEinsatz <strong>der</strong> Bundesregierung in Cancúnfür eine zweite Verpflichtungsperiode desKioto-ProtokollsAntwortUrsula Heinen-Esser, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfrageFrank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .8869 A8869 BAnlage 3Mündliche <strong>Frage</strong> 15Heinz Paula (SPD)Unterstüt<strong>zu</strong>ng durch Regierungshandelnbei <strong>der</strong> Zusammenarbeit zwischen Stadt,Stadtwerken und Deutsche Bahn AG beimVerfahren <strong>zu</strong>m Umbau des HauptbahnhofsAugsburgZusatztagesordnungspunkt 1:Aktuelle Stunde auf Verlangen <strong>der</strong> Fraktion<strong>der</strong> SPD: Konsequenzen <strong>der</strong> Bundesregierungaus <strong>der</strong> aktuellen PISA-Studie für dieBildungspolitik von Bund und Län<strong>der</strong>nAntwortJan Mücke, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 48889 C<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . .Marcus Weinberg (Hamburg)(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . .Sylvia Canel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .Dr. Jürgen Zöllner, Senator (Berlin) . . . . . . . .8869 D8871 A8872 D8873 D8875 A8876 A8877 BMündliche <strong>Frage</strong>n 20 und 21Ute Kumpf (SPD)Witterungsbedingte Ausfälle regulärerZugverbindungen <strong>der</strong> Deutschen Bahn AGseit Beginn <strong>der</strong> Winterperiode 2010/2011;Behei<strong>zu</strong>ng von Weichen im Schienennetz<strong>der</strong> Deutschen Bahn AGAntwortJan Mücke, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8890 AHeiner Kamp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Marianne Schie<strong>der</strong> (Schwandorf) (SPD) . . . .Thomas Rachel, Parl. StaatssekretärBMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .8879 A8879 D8881 A8883 A8884 BAnlage 5Mündliche <strong>Frage</strong>n 24 und 25Hans-Joachim Hacker (SPD)Eisstände auf den Bundeswasserstraßen imWinter 2009/2010 im Vergleich <strong>zu</strong> den vergangenenfünf Jahren; Etwaige Gefähr-


VI Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010dung des Betriebs <strong>der</strong> Schiffsschleusen andeutschen Wasserstraßen im Winter 2009/2010AntwortJan Mücke, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 6Mündliche <strong>Frage</strong> 26Sören Bartol (SPD)Entwicklung <strong>der</strong> Verbraucherpreise fürHeizenergie insgesamt und für einzelneHeizenergieträger seit Einführung desHeizkosten<strong>zu</strong>schusses <strong>zu</strong>m WohngeldAntwortJan Mücke, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 7Mündliche <strong>Frage</strong> 27Sören Bartol (SPD)Niedrigere Wohngeldzahlungen durch dieStreichung des Heizkosten<strong>zu</strong>schusses ab2011AntwortJan Mücke, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 8Mündliche <strong>Frage</strong> 30Gerd Bollmann (SPD)Verhin<strong>der</strong>ung von Müllskandalen und Gewährleistungeiner ordnungsgemäßen Entsorgungvon AbfällenAntwortUrsula Heinen-Esser, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 9Mündliche <strong>Frage</strong> 33Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Erwähntes Bundesland mit gemeldetemNachrüstbedarf aufgrund <strong>der</strong> Bund-Län<strong>der</strong>-Nachrüstlistefür Atomkraftwerke in<strong>der</strong> Antwort auf die mündliche <strong>Frage</strong> 83auf Bundestagsdrucksache 17/3113AntwortUrsula Heinen-Esser, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8890 B8890 C8890 D8890 D8891 BAnlage 10Mündliche <strong>Frage</strong> 34Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Bei einer Telefonkonferenz mit Abteilungsleitern<strong>der</strong> Landesatomaufsichtsbehördenam 8. September 2010 getroffene Vereinbarungen<strong>zu</strong>r Nachrüstung von AtomkraftwerkenAntwortUrsula Heinen-Esser, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 11Mündliche <strong>Frage</strong> 35Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Genehmigung <strong>zu</strong> Einlagerung und Transport<strong>der</strong> im Forschungszentrum Jülich lagerndenCastoren mit Brennelementen ausdem AVR Jülich in das Brennelemente-Zwischenlager AhausAntwortUrsula Heinen-Esser, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 12Mündliche <strong>Frage</strong>n 43 und 44Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Werbung von BundesministerinDr. Annette Schavan für die iPad-App <strong>der</strong>Bild-ZeitungAntwortThomas Rachel, Parl. StaatssekretärBMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 13Mündliche <strong>Frage</strong> 45René Röspel (SPD)Fehlende Vertretung <strong>der</strong> Bereiche Verbraucherschut<strong>zu</strong>nd Sozialwissenschaftenim BioökonomieratAntwortThomas Rachel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .Anlage 14Mündliche <strong>Frage</strong>n 46 und 47Manfred Grund (CDU/CSU)Bewertung und mögliche Fortset<strong>zu</strong>ng desProjekts <strong>zu</strong>r Beratung im Bereich Gen<strong>der</strong>Mainstreaming in AfghanistanAntwortGudrun Kopp, Parl. StaatssekretärinBMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8891 C8891 D8892 A8892 B8892 C


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010VIIAnlage 15Mündliche <strong>Frage</strong> 48Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Auszahlung <strong>der</strong> für die humanitären Krisenin Haiti und Pakistan <strong>zu</strong>gesagten finanziellenMittelAntwortGudrun Kopp, Parl. StaatssekretärinBMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 16Mündliche <strong>Frage</strong> 49Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstesmit seinem Informanten Curveball8893 BStaates Palästina in den Grenzen von 1967auf die Nahostpolitik <strong>der</strong> BundesregierungAntwortCornelia Pieper, StaatsministerinAA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 20Mündliche <strong>Frage</strong> 53Heike Hänsel (DIE LINKE)Einreiseverweigerung seitens <strong>der</strong> israelischenRegierung für die Delegation desBundestagsausschusses für wirtschaftlicheZusammenarbeit und Entwicklung in denGazastreifen am 5. Dezember 2010AntwortCornelia Pieper, StaatsministerinAA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8894 D8895 AAntwortBernd Neumann,Staatsminister BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8893 DAnlage 21Mündliche <strong>Frage</strong> 54Heike Hänsel (DIE LINKE)Anlage 17Mündliche <strong>Frage</strong> 50Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Abfluss von Informationen aus dem AuswärtigenAmt an US-DiplomatenAntwortCornelia Pieper, StaatsministerinAA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8894 BInitiativen <strong>zu</strong>r Aufhebung <strong>der</strong> wirtschaftlichenBlockade des GazastreifensAntwortCornelia Pieper, StaatsministerinAA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 22Mündliche <strong>Frage</strong> 55Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)8895 BAnlage 18Mündliche <strong>Frage</strong> 51Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE)Schlussfolgerungen <strong>der</strong> Bundesregierungaus dem Abrücken <strong>der</strong> US-Administrationvon ihrer For<strong>der</strong>ung an Israel nach einemBaustopp von 90 TagenInitiativen <strong>zu</strong>r Freilassung <strong>der</strong> politischenHäftlinge in Kuba und Aufnahme bereitsentlassener und ausgewiesener politischerExhäftlinge in DeutschlandAntwortCornelia Pieper, StaatsministerinAA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8895 CAntwortCornelia Pieper, StaatsministerinAA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8894 CAnlage 23Mündliche <strong>Frage</strong>n 56 und 57Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Anlage 19Mündliche <strong>Frage</strong> 52Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE)Auswirkungen <strong>der</strong> Initiative <strong>der</strong> brasilianischenRegierung <strong>zu</strong>r Anerkennung desBedingungen für die Aufnahme eines Staatesin die Nuclear Suppliers Group und Unterstüt<strong>zu</strong>ngeiner indischen MitgliedschaftAntwortCornelia Pieper, StaatsministerinAA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8896 A


VIII Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Anlage 24Mündliche <strong>Frage</strong> 58Sevim Da delen (DIE LINKE)Einsatz einer EU-Battle-Group im Sudanvor dem Hintergrund <strong>der</strong> dortigen Referendenüber die Unabhängigkeit desSüdsudanAntwortCornelia Pieper, StaatsministerinAA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8896 Chaltsrechts von Eheleuten für türkischeStaatsbürgerAntwortDr. Christoph Bergner, Parl. StaatssekretärBMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 29Mündliche <strong>Frage</strong> 63Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)8897 CAnlage 25Mündliche <strong>Frage</strong> 59Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Aussage <strong>der</strong> Hohen Kommissarin <strong>der</strong> VereintenNationen für Menschenrechte <strong>zu</strong>den Vorgängen um die InternetplattformWikiLeaksAntwortCornelia Pieper, StaatsministerinAA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 268896 DErmittlungen und Verurteilungen vonJournalisten, Bloggern o<strong>der</strong> Inhabern vonWebseiten wegen Anstiftung o<strong>der</strong> Beihilfe<strong>zu</strong>m GeheimnisverratAntwortDr. Max Stadler, Parl. StaatssekretärBMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 30Mündliche <strong>Frage</strong> 64René Röspel (SPD)Verfassungs- und europarechtswidrigeAuslegung und Anwendung von § 52 a desUrheberrechtsgesetzes8897 CMündliche <strong>Frage</strong> 60Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)AntwortDr. Max Stadler, Parl. StaatssekretärBMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8897 DZusammenhang zwischen einem berechtigtenTransparenzanspruch <strong>der</strong> Bürger undVeröffentlichungen durch Plattformen wieWikiLeaksAntwortDr. Christoph Bergner, Parl. StaatssekretärBMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 27Mündliche <strong>Frage</strong> 61Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)Unterstüt<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> Stiftung DeutschesSport & Olympia Museum und des entsprechendenMuseums in Köln seit Gründungim Jahr 1999AntwortDr. Christoph Bergner, Parl. StaatssekretärBMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8897 A8897 BAnlage 31Mündliche <strong>Frage</strong>n 65 und 66Harald Koch (DIE LINKE)Ausnahmen von <strong>der</strong> Umsatzsteuerbefreiungfür Maßnahmen <strong>der</strong> beruflichen Einglie<strong>der</strong>ungnach SGB III und rechtlicherBestand von Bescheiden <strong>der</strong> Landesbehörden<strong>zu</strong>r Umsatzsteuerbefreiung für Leistungenprivater Schulen und an<strong>der</strong>er allgemeinbilden<strong>der</strong>o<strong>der</strong> berufsbilden<strong>der</strong>Einrichtungen nach dem Umsatzsteuer-Anwendungserlass <strong>zu</strong> § 4 Nr. 21 UmsatzsteuergesetzAntwortHartmut Koschyk, Parl. StaatssekretärBMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 328898 BAnlage 28Mündliche <strong>Frage</strong> 62Sevim Da delen (DIE LINKE)Verlängerung <strong>der</strong> Mindestbestandszeit <strong>zu</strong>rErlangung eines eigenständigen Aufent-Mündliche <strong>Frage</strong> 67Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Neuregelung bei <strong>der</strong> Verlustverrechnungnach dem vorläufigen Beschluss des Bundesfinanzhofessowie entsprechende Kom-


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010IXpensationen für die Einnahmeausfälle beiBund, Län<strong>der</strong>n und KommunenAntwortHartmut Koschyk, Parl. StaatssekretärBMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8898 CAntwortHartmut Koschyk, Parl. StaatssekretärBMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 378900 AAnlage 33Mündliche <strong>Frage</strong> 72Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Mündliche <strong>Frage</strong> 68Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Maßnahmen <strong>der</strong> Bundesregierung inReaktion auf die Stellungnahme <strong>der</strong> EU-Kommission vom 30. September 2010 imVertragsverlet<strong>zu</strong>ngsverfahren bezüglich<strong>der</strong> Organschaft (Nr. 2008/4909)Etwaige Kompensationsgeschäfte im Gegen<strong>zu</strong>g<strong>zu</strong>m Zugeständnis an<strong>der</strong>er EU-Staaten an Deutschland bei den KohlebeihilfenAntwortHartmut Koschyk, Parl. StaatssekretärBMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8900 CAntwortHartmut Koschyk, Parl. StaatssekretärBMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8898 CAnlage 38Mündliche <strong>Frage</strong> 73Richard Pitterle (DIE LINKE)Anlage 34Mündliche <strong>Frage</strong> 69Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)Bereitstellung von Einzeldaten im Rahmeneiner vorausgefüllten Steuererklärungdurch die FinanzbehördenAntwortHartmut Koschyk, Parl. StaatssekretärBMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8899 BZahl <strong>der</strong> seit 2000 erlassenen Verwaltungsanweisungenfür einen vereinfachten Spendennachweisbei Naturkatastrophen; Auswirkung<strong>der</strong> geplanten Verkür<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong>Aufbewahrungszeiten für BelegeAntwortHartmut Koschyk, Parl. StaatssekretärBMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 398900 DAnlage 35Mündliche <strong>Frage</strong> 74Thomas Jarzombek (CDU/CSU)Mündliche <strong>Frage</strong> 70Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)Vereinfachungseffekt bei Anhebung desArbeitnehmerpauschbetrags auf 1 000 Euround etwaige MitnahmeeffekteAntwortHartmut Koschyk, Parl. StaatssekretärBMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8899 DSenkung <strong>der</strong> Terminierungsentgelte fürMobilfunkanbieter durch die Bundesnetzagenturund mögliche Auswirkungen aufInvestitionen in den BreitbandausbauAntwortPeter Hintze, Parl. StaatssekretärBMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8901 BAnlage 40Anlage 36Mündliche <strong>Frage</strong> 71Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Berechnung <strong>der</strong> geplanten aufkommensneutralenEntlastungen für Unternehmenund Beschränkung auf kleine und mittlereUnternehmenMündliche <strong>Frage</strong> 75Gerd Bollmann (SPD)Vorlage des CCS-Gesetzentwurfs und Regelungdiesbezüglicher Kompetenzen <strong>der</strong>Bundeslän<strong>der</strong>AntwortPeter Hintze, Parl. StaatssekretärBMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8901 C


X Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Anlage 41Anlage 46Mündliche <strong>Frage</strong> 76<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> (Spandau) (SPD)Verweis auf Gutscheine anstatt Übernahmetatsächlicher Kosten bei <strong>der</strong> Leistungserbringungfür Schulausflüge und KlassenfahrtenAntwortDr. Ralf Brauksiepe, Parl. StaatssekretärBMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8901 DMündliche <strong>Frage</strong> 84Dr. Carola Reimann (SPD)Umgehung des Mindestlohns in <strong>der</strong> ambulantenPflegeAntwortDr. Ralf Brauksiepe, Parl. StaatssekretärBMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8903 CAnlage 42Mündliche <strong>Frage</strong> 77<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> (Spandau) (SPD)<strong>Entscheidungskriterien</strong> persönlicher Beraterim Jobcenter hinsichtlich des individuellenBedarfs an Lernför<strong>der</strong>ungAntwortDr. Ralf Brauksiepe, Parl. StaatssekretärBMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8902 AAnlage 47Mündliche <strong>Frage</strong> 85Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Antibiotikaeinsatz in <strong>der</strong> gewerblichenTierhaltungAntwortJulia Klöckner, Parl. StaatssekretärinBMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8903 CAnlage 43Mündliche <strong>Frage</strong>n 78 und 79Gabriele Hiller-Ohm (SPD)Unterschiedliche Altersgrenzen beim Bildungs-und Teilhabepaket im Gesetzentwurf<strong>zu</strong>r Ermittlung von Regelbedarfenund <strong>zu</strong>r Än<strong>der</strong>ung des Zweiten und ZwölftenBuches Sozialgesetzbuch; Basisleistungen<strong>der</strong> Jobcenter ab 1. Januar 2011AntwortDr. Ralf Brauksiepe, Parl. StaatssekretärBMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8902 BAnlage 48Mündliche <strong>Frage</strong>n 86 und 87Dr. Rolf Mützenich (SPD)Teilnahme von NATO-Län<strong>der</strong>n an <strong>der</strong>Operation Active Endeavour im MittelmeerAntwortChristian Schmidt, Parl. StaatssekretärBMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8904 AAnlage 44Mündliche <strong>Frage</strong>n 80 und 81Werner Dreibus (DIE LINKE)Umset<strong>zu</strong>ngskosten und vorgesehene Deckelungdes BildungspaketsAntwortDr. Ralf Brauksiepe, Parl. StaatssekretärBMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8902 DAnlage 49Mündliche <strong>Frage</strong> 88Caren Marks (SPD)Anhebung <strong>der</strong> Altersgrenze von 12 auf14 Jahre im Unterhaltsvorschussgesetz undMaßnahmen <strong>zu</strong>r Entbürokratisierungbeim UnterhaltsvorschussAntwortDr. Hermann Kues, Parl. StaatssekretärBMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8904 CAnlage 45Mündliche <strong>Frage</strong>n 82 und 83Sabine Zimmermann (DIE LINKE)Anlage 50Erfor<strong>der</strong>liches <strong>zu</strong>sätzliches Personal <strong>zu</strong>rUmset<strong>zu</strong>ng des BildungspaketesMündliche <strong>Frage</strong>n 89 und 90Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD)AntwortDr. Ralf Brauksiepe, Parl. StaatssekretärBMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8903 AAbgabe einer Erklärung <strong>zu</strong>r Verfassungstreuebei Teilnahme an Extremismuspräventionsprogrammen


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010XIAntwortDr. Hermann Kues, Parl. StaatssekretärBMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 51Mündliche <strong>Frage</strong> 91Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)8904 CBarrierefreiheit bei Kriegsgräbergedenkstättenund EhrenmalenAntwortDr. Hermann Kues, Parl. StaatssekretärBMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8905 A


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8817(A)(C)Redetext80. Sit<strong>zu</strong>ngBerlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Beginn: 11.00 Uhr(B)Präsident Dr. Norbert Lammert:Die Sit<strong>zu</strong>ng ist eröffnet.Nehmen Sie bitte Platz. Guten Morgen, liebe Kolleginnenund Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich <strong>zu</strong><strong>der</strong> Plenarsit<strong>zu</strong>ng des Deutschen Bundestages.Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:Abgabe einer Regierungserklärung durch dieBundeskanzlerin<strong>zu</strong>m Europäischen Rat am 16./17. Dezember2010 in BrüsselZu dieser Regierungserklärung und dem damit verbundenenThema liegt je ein Entschließungsantrag <strong>der</strong>Fraktion <strong>der</strong> SPD, <strong>der</strong> Fraktion Die Linke sowie <strong>der</strong>Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellenVereinbarung sind für die Aussprache imAnschluss an die Regierungserklärung 90 Minuten vorgesehen. Ich höre keinen Wi<strong>der</strong>spruch. Dann ist das sobeschlossen.Das Wort <strong>zu</strong>r Abgabe einer Regierungserklärung hatdie Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DasJahr 2010 war für die Europäische Union, für alle Bürgerinnenund Bürger Europas, ein Jahr großer Herausfor<strong>der</strong>ungenund auch ein Jahr grundlegen<strong>der</strong> Entscheidungen.All das, was vorgefallen ist, steht in engstem Zusammenhangmit <strong>der</strong> internationalen Finanz- und Wirtschaftskriseund den Auswirkungen, die sie hatte. Ich darf sagen: Wirhaben in diesem Jahr erfahren, was den Kern <strong>der</strong> Wirtschafts-und Währungsunion und damit <strong>der</strong> EuropäischenUnion insgesamt ausmacht; wir haben erfahren, dass Europaeine Verantwortungsgemeinschaft ist.Nach dem Zweiten Weltkrieg haben unsere politischenVorgänger Verantwortung übernommen, für Europaund für seine Gemeinschaft. Dies hat <strong>zu</strong> <strong>der</strong> längstenFriedensperiode geführt, die es je in Europa gegebenhat. Deutschland profitiert von dieser Gemeinschaft, von<strong>der</strong> Währung und dem Binnenmarkt. Ich darf auch sagen:Deutschland profitiert in ganz beson<strong>der</strong>er Weise.Umso ernster nehmen wir heute unsere Verantwortungfür eine gute Zukunft <strong>der</strong> Europäischen Union.Der Deutsche Bundestag hat in diesem Jahr seinenBeitrag da<strong>zu</strong> geleistet, dass wir feststellen können: DieEuropäische Union wurde durch die Krise <strong>der</strong> gemeinsamenWährung auf das Stärkste gefor<strong>der</strong>t; sie musste sichbewähren, und sie hat sich bewährt. Die EuropäischeUnion ich nenne hier insbeson<strong>der</strong>e die EuropäischeKommission, den Europäischen Rat mit seinem ständigenPräsidenten und die Mitgliedstaaten hat mutig, abgestimmtund entschlossen gehandelt. Deshalb könnenwir auf das bisher Erreichte stolz sein.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Es ist unbestreitbar, dass einzelne Euro-Staaten vorschwierigen Herausfor<strong>der</strong>ungen stehen. Genauso unbestreitbarist aber auch, dass sich <strong>der</strong> Euro selbst als krisenfesterwiesen hat. Ich darf die <strong>Frage</strong> stellen, was wohlin den Turbulenzen <strong>der</strong> Wirtschaftskrise stattgefundenhätte, wenn wir alle unsere eigene Währung gehabt hätten.Heute kann man sagen: Bei <strong>der</strong> Binnenstabilität liegenwir im Durchschnitt unter dem Inflationsziel <strong>der</strong> EuropäischenZentralbank von 2 Prozent. Der Wert desEuro im Vergleich <strong>zu</strong> an<strong>der</strong>en Währungen wie etwa demamerikanischen Dollar liegt deutlich über dem langjährigenMittel. Das heißt, <strong>der</strong> Euro ist bezüglich seines Innen-und seines Außenwertes stabil. Das sollten wir trotzaller Sorgen nicht übersehen; darauf lässt sich aufbauen.Morgen nun wird <strong>der</strong> Europäische Rat die Maßnahmenumsetzen, die wir bereits im Oktober mit den Weichenstellungeneingeleitet haben. Die Chancen dafür stehengut, dank <strong>der</strong> ausgezeichneten Vorbereitung durchdie Finanzminister <strong>der</strong> Euro-Zone, die EuropäischeKommission und den Präsidenten des Europäischen Rates.Damit werden die beiden Aufträge erfüllt, die <strong>der</strong>Europäische Rat im Oktober an den Präsidenten des EuropäischenRates und die Europäische Kommission vergebenhat.Erstens wird <strong>der</strong> Auftrag erfüllt, die Grundzüge einesauf Dauer angelegten, robusten Krisenbewältigungsrahmens<strong>der</strong> Mitgliedstaaten <strong>zu</strong> entwickeln, um die Finanz-(D)


8818 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel(A)(B)stabilität <strong>der</strong> Euro-Zone als Ganzes <strong>zu</strong> wahren. (C) Darinsollen sowohl <strong>der</strong> Privatsektor als auch <strong>der</strong> InternationaleWährungsfonds eine Rolle haben, und die Inanspruchnahmedes Mechanismus soll an strikte Auflagengeknüpft werden.Zweitens wird <strong>der</strong> Auftrag erfüllt, einen Vorschlag fürdie <strong>zu</strong>r Einrichtung des Mechanismus erfor<strong>der</strong>liche engbegrenzte Vertragsän<strong>der</strong>ung vor<strong>zu</strong>legen, wobei ausdrücklichdas Beistandsverbot in Art. 125 des Vertragesüber die Arbeitsweise <strong>der</strong> Europäischen Union nicht angetastetwerden darf.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Auf dieser Grundlage hat Präsident Van Rompuy gemeinsammit <strong>der</strong> Europäischen Kommission in den letztenWochen Konsultationen mit den Mitgliedstaaten desEuropäischen Rates geführt. Da<strong>zu</strong> wird er uns morgenseinen Bericht vorlegen, und die Oktoberbeschlüsse werdenumgesetzt. Außerdem wird die Erklärung <strong>der</strong> Finanzminister<strong>der</strong> Euro-Zone vom 28. November 2010, in <strong>der</strong>die Grundzüge des neuen Mechanismus verabredet wurden,vom Europäischen Rat beschlossen werden. Auf dieserGrundlage werden wir mit <strong>der</strong> Kommission die Details ich betone: die Details für eine Vereinbarungunter den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Euro-Zone bis März 2011 ausarbeiten.Die bereits in <strong>der</strong> Euro-Gruppe vereinbartenGrundzüge enthalten alle Elemente, für die wir uns in engerAbstimmung mit Frankreich stets starkgemacht habenund die ich auch für unverzichtbar halte.Erstens. Es handelt sich um einen Krisenmechanismus<strong>der</strong> Mitgliedstaaten <strong>der</strong> Euro-Zone. Das heißt, eswerden keine Hoheitsrechte an die Europäische Unionübertragen.Zweitens. Vorausset<strong>zu</strong>ng für die Auslösung des Mechanismusist die Gefährdung <strong>der</strong> Finanzstabilität <strong>der</strong>Euro-Zone insgesamt.Drittens. Über die Inanspruchnahme entscheiden wirin <strong>der</strong> Euro-Zone einstimmig.Viertens. Der Internationale Währungsfonds wird engeingebunden.Fünftens. Die Inanspruchnahme des Mechanismusdurch einen Euro-Mitgliedstaat erfolgt auf <strong>der</strong> Grundlageeiner umfassenden Analyse <strong>der</strong> Schuldentragfähigkeit,die die Europäische Kommission und <strong>der</strong> InternationaleWährungsfonds in Verbindung mit <strong>der</strong> EuropäischenZentralbank erstellen werden.Sechstens. Finanzielle Unterstüt<strong>zu</strong>ng wird an strengeBedingungen geknüpft.Siebtens. Private Gläubiger werden fallweise in dieKrisenbewältigung eingebunden. Ist die Schuldentragfähigkeiteines Landes nicht gewährleistet, müssen ichwie<strong>der</strong>hole: müssen die privaten Gläubiger einen Beitragleisten. Dies entspricht dem, was bei Programmendes Internationalen Währungsfonds üblich ist.(Thomas Oppermann [SPD]: Und wer stelltdas fest?) Ich hatte das gesagt. Herr Oppermann, ich wie<strong>der</strong>holees für Sie gerne. Das war unter Punkt fünf: Die <strong>Frage</strong> <strong>der</strong>Schuldentragfähigkeit wird festgestellt von <strong>der</strong> EuropäischenKommission und(Thomas Oppermann [SPD]: Einstimmig!)dem Internationalen Währungsfonds in Verbindung mit<strong>der</strong> Europäischen Zentralbank. Das sind die drei Institutionen,die aus unserer Sicht, die aus Sicht <strong>der</strong> Mitgliedstaatendie Legitimität haben, über die <strong>Frage</strong> Schuldentragfähigkeit ja o<strong>der</strong> nein? <strong>zu</strong> entscheiden.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)In den Grundzügen steht an dieser Stelle unerwarteterweise,weil man nicht den Eindruck erwecken möchte,dass heute eine solche Situation herrscht. Wenn man unerwarteterweise<strong>zu</strong> <strong>der</strong> Meinung kommt, dass die Schuldentragfähigkeitnicht gewährleistet ist, dann müssen dieprivaten Gläubiger beteiligt werden in <strong>der</strong> Form, dassein Weg vereinbart wird, wie die Schuldentragfähigkeitwie<strong>der</strong>hergestellt werden kann, und dann fließen die Liquiditätsmittelwie<strong>der</strong>.(Beifall des Abg. Peter Bleser [CDU/CSU])Das ist <strong>der</strong> Mechanismus. Den habe ich eben unter siebtensdargestellt. Das ist beim IWF im Übrigen ähnlich,was ich schon sagte.Achtens. Ab 2013 werden wir in <strong>der</strong> Euro-Zone einheitlichin allen neuen Staatsanleihen entsprechendeKlauseln einführen, die die Grundlage für eine geordneteBeteiligung <strong>der</strong> Gläubiger darstellen. Auch das ist nichtsNeues auf <strong>der</strong> Welt. Diese Collective Action Clauses, wiees so schön heißt, gibt es bereits heute. Sie wurden durchden IWF eingeführt. Im Übrigen sind die Anleihen, dienicht in Euro, son<strong>der</strong>n in Fremdwährungen getätigt werden,bereits heute mit solchen Klauseln ausgestattet.Also, auch dies ist für die Märkte nichts unerwartetNeues.Neuntens. Nicht-Euro-Mitglie<strong>der</strong> können sich amMechanismus beteiligen, wie dies auch beim Ad-hoc-Rettungsschirm heute bereits Praxis ist.Meine Damen und Herren, mit diesen neun Punkten<strong>zu</strong>r Schaffung des neuen Krisenmechanismus etablierenwir neue Strukturen. Wir werden Stabilität gewinnen.Dies gibt uns für die Zukunft mehr Sicherheit. Darumgeht es.Mehr noch: Mit <strong>der</strong> Einigung auf diese inhaltlicheAusgestaltung ist bereits die Einigung auf die neue Vertragsbestimmungvorgezeichnet; denn alle Mitgliedstaatensind sich einig, die neue Vertragsbestimmung in dasKapitel im Lissabonner Vertrag ein<strong>zu</strong>fügen, das beson<strong>der</strong>eBestimmungen für die Staaten <strong>der</strong> Euro-Zone enthält.Damit soll für die Euro-Zone ein dauerhafter Mechanismus<strong>zu</strong>r Krisenbewältigung geschaffen werden, dessenInanspruchnahme aber an strenge Bedingungen geknüpftist. Es muss klar sein, dass die Nut<strong>zu</strong>ng des Mechanismusnur in gegenseitigem Einvernehmen erfolgen kann, dasheißt, dass jeweils ein einstimmiger Beschluss erfor<strong>der</strong>lichist. So ist es auch in den Grundzügen des Krisenmechanismusvereinbart.(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8819Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel(A)(B)Für mich ist wichtig, dass die Gewährung(C)finanziellerHilfen auch in Zukunft nur letztes Mittel sein kann. Ichbin sicher, dass wir uns morgen auf eine präzise und enggefasste Vertragsbestimmung für den dauerhaften Mechanismuseinigen werden und damit die notwendigeRechtssicherheit und Rechtsklarheit geschaffen werden.Jetzt frage ich einfach einmal: Wer hätte es noch vorwenigen Wochen für möglich gehalten, dass wir in Europadas schaffen können? Was wurde nicht alles vorhergesagt!Wir haben uns davon nicht entmutigen lassen,son<strong>der</strong>n konsequent für den Weg gearbeitet, den Europajetzt eingeschlagen hat. Ich erwarte daher, dass <strong>der</strong> EuropäischeRat morgen förmlich das vereinfachte Vertragsän<strong>der</strong>ungsverfahreneinleiten wird. Das bedeutet, dass<strong>der</strong> Europäische Rat nach Anhörung des EuropäischenParlaments, <strong>der</strong> Europäischen Kommission und <strong>der</strong> EuropäischenZentralbank voraussichtlich schon bei demTreffen <strong>der</strong> Staats- und Regierungschefs im März 2011den einstimmigen Beschluss <strong>der</strong> Vertragsän<strong>der</strong>ung fassenkann.Anschließend müssen natürlich alle 27 Mitgliedstaatendiese Vertragsän<strong>der</strong>ung gemäß ihren nationalen Vorschriftenratifizieren. Wir werden uns dafür als Ziel Ende2012 setzen, damit keine Verunsicherung aufkommt,dass <strong>der</strong> im Augenblick geltende befristete Krisenmechanismusnicht eine klare Verlängerung erhält. DieseRatifikation wird natürlich eine äußerst wichtige Aufgabefür dieses Hohe Haus, für den Deutschen Bundestagsein. Ich hoffe, dass sich eine breite Mehrheit findenwird, um das Fundament <strong>der</strong> Wirtschafts- und Währungsunionnoch stabiler und noch unangreifbarer <strong>zu</strong>machen.Bei all den Details, die ich Ihnen hier geschil<strong>der</strong>t habe ich denke, ich muss es Ihnen auch so schil<strong>der</strong>n, weildie Dinge sehr konkret sind; das ist für die gute Zukunftdes Euro unverzichtbar und hört sich immer sehr technischan , dürfen wir natürlich den eigentlichen Impulsfür unser Handeln nie aus den Augen verlieren. DieserImpuls sind nicht Mechanismen, Anleihen, Regeln,Schuldengrenzen und vieles mehr so wichtig das allesim Einzelnen auch ist , dieser Impuls, <strong>der</strong> Grund, warumwir das alles tun, ist etwas an<strong>der</strong>es: Es ist die grandioseFriedens- und Freiheitsidee <strong>der</strong> europäischen Einigung.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Sie stand vor 50 Jahren mit den Römischen Verträgenam Anfang des europäischen Einigungswerks. Sie war<strong>der</strong> Ausgangspunkt des Handelns <strong>der</strong> damaligen politischenGeneration, <strong>der</strong> Ausgangspunkt nach fürchterlichenKriegen, Vernichtung und unendlichem Leid fürunseren Kontinent. Diese grandiose Friedens- und Freiheitsidee<strong>der</strong> europäischen Einigung ist das Vermächtnis,das unserer Generation und künftigen politischen Generationenhinterlassen wurde. Diesem Vermächtnis fühleich mich, die ich erst seit 1919 1990 Bürgerin einesfreien und friedlichen Europas bin, (Zurufe von <strong>der</strong> LINKEN: Oh!) ja, das können Sie natürlich nicht verstehen ganz persönlichverpflichtet.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Wissen Sie, ich würde das gar nicht sagen, wenn Sienicht immer so reagieren würden.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das bezogsich auf Ihren Versprecher 1919! Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: So einschöner Versprecher, <strong>der</strong> so viele Komplimentehervorbringen wird! Sie sehen noch sojung aus für 1919!)Meine Damen und Herren, ich fühle mich dem persönlichverpflichtet, als Mensch, aber auch als Bundeskanzlerin<strong>der</strong> wirtschaftlich stärksten Nation. Diese Verpflichtunggilt für alle Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bundesregierung.(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Auch für Westerwelle?)Es geht dabei natürlich um eine wirtschaftliche Aufgabe,aber in erster Linie und vornweg geht es um einen politischenAuftrag, für den vor über 50 Jahren <strong>der</strong> eine, immerwährendeLeitsatz gegolten hat, <strong>der</strong> auch heute undin den nächsten 50 Jahren gilt: Niemand in Europa wirdalleingelassen, niemand in Europa wird fallen gelassen,Europa gelingt gemeinsam. Ich füge hin<strong>zu</strong>: Europa gelingtnur gemeinsam.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Mit diesen Worten haben wir 2007 die deutsche EU-Ratspräsidentschaft überschrieben. Genauso gehen wirauch an die aktuellen Aufgaben heran. Europa gelingtgemeinsam und nur gemeinsam; denn ich sagte es <strong>zu</strong>Beginn die Wirtschafts- und Währungsunion ist eineVerantwortungsgemeinschaft. Auch Verantwortung gelingtnur gemeinsam. Verantwortung ist anstrengend. Sieverlangt jedem in Europa etwas ab. Für den dauerhaftenErfolg Europas und <strong>der</strong> gemeinsamen Währung müssenwir alle, die Organe <strong>der</strong> Europäischen Union und dieMitgliedstaaten, unserer Verantwortung gerecht werden.Die Aufgaben <strong>der</strong> nächsten Zeit liegen vollkommenklar auf <strong>der</strong> Hand. Im Grundsatz gibt es darüber, sodenke ich, auch in diesem Hause weitgehende Einigkeit.Es geht nämlich um eine tiefere politische und in Be<strong>zu</strong>gauf den Euro vor allen Dingen erst einmal wirtschaftspolitischeIntegration, die dann aber auch nach den Regelndes wirtschaftlichen Erfolges erfolgen muss. Deshalbist es so wichtig, dass wir in den nächsten Monatenüber die weitere politische Integration sprechen, dass wiraber nicht den Fehler machen, die Vergemeinschaftung<strong>der</strong> Risiken, wie es <strong>zu</strong>m Beispiel bei Euro-Bonds geschieht,als Lösung erscheinen <strong>zu</strong> lassen. Dies ist überhauptkeine Lösung, son<strong>der</strong>n die Lösung ist mehr Harmonieund mehr Wettbewerbsfähigkeit gleicher Art inden europäischen Mitgliedstaaten und ganz beson<strong>der</strong>sim Euro-Raum. Darauf muss hingearbeitet werden.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Solidarität und Verbesserung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeitund vor allen Dingen auch <strong>der</strong> Haushaltssituationsind immer zwei Seiten einer Medaille. Wir dürfenniemals eine dieser Seiten vergessen, weil Europa ansonsteninsgesamt keinen guten Weg nehmen würde.(D)


8820 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel(A)(B)Verantwortung übernehmen heißt, dass auch (C) wir Verantwortungübernehmen müssen das haben wir in diesemJahr im Übrigen gezeigt , es heißt aber auch für jedenEinzelnen, Verantwortung übernehmen <strong>zu</strong> müssen.Darüber werden wir in den nächsten Monaten deskommenden Jahres weiter diskutieren. Wir werden vorallen Dingen Europa auch auf an<strong>der</strong>en Fel<strong>der</strong>n weiter alsVerantwortungsgemeinschaft darstellen; denn es geht beidiesem Rat auch um das Thema strategischer Partnerschaftenvon Europa mit an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n ich nenneals Beispiele nur China und Russland , und es geht darum,dass wir zeigen, dass wir als Europa auch gemeinsameZiele und Werte vertreten, wenn es um internationaleVerhandlungen geht.Der Europäische Rat wird sich mit den Ergebnissen<strong>der</strong> Konferenz von Cancún befassen. Ich darf unseremBundesumweltminister ganz herzlich <strong>zu</strong> den Erfolgen,die dort erzielt worden sind, gratulieren. Das warschwere Arbeit.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Zugabe! Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Ich habe gar nicht gehört, dass er da etwasbewegt hat! Weitere Zurufe von <strong>der</strong>SPD: Oh! Na ja! Welche denn?) Auch viele von Ihnen waren daran beteiligt. Insofernkönnen wir alle miteinan<strong>der</strong> froh sein, dass <strong>der</strong> internationaleKlimaprozess nach <strong>der</strong> schwierigen Situation, dienach Kopenhagen entstanden ist, in Cancún weitergegangenist. Ich glaube, die Freude darüber ist auch aufseiten<strong>der</strong> Opposition klar ausgeprägt, auch wenn mandas nicht bei je<strong>der</strong> Wortmeldung sofort erkennen kann.(Beifall bei Abgeordneten <strong>der</strong> CDU/CSU und<strong>der</strong> FDP)Es ist <strong>zu</strong>m ersten Mal gelungen, das 2-Grad-Ziel alsMarke für den globalen Klimaschutz fest<strong>zu</strong>legen; wirsind dafür. Niemand bestreitet, dass jetzt viel Arbeit notwendigist. Deutschland hat sich mit seinem 40-Prozent-Reduktionsziel verpflichtet, <strong>zu</strong>sammen mit Europa eineVorreiterrolle <strong>zu</strong> spielen. Aber wir müssen Schritt fürSchritt vorgehen. Insofern darf man sich über den Erfolgvon Cancún freuen und <strong>der</strong> mexikanischen Präsidentschaft,insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Außenministerin, ein ganz herzlichesDankeschön sagen.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Wir werden auf diesem Europäischen Rat auch überdie Erweiterung bei Einhaltung <strong>der</strong> Kriterien für denBeitritt <strong>zu</strong>r Europäischen Union beraten. Von <strong>der</strong> EuropäischenKommission wurde am 9. November 2010 einFortschrittsbericht <strong>zu</strong> den EU-Beitrittskandidaten und <strong>zu</strong>solchen Län<strong>der</strong>n des Westbalkans, die dies werden wollen,vorgestellt. Ich finde es sehr bemerkenswert: In diesemFortschrittsbericht wird klar differenziert, und dasist auch richtig so. Jedes Land, das <strong>der</strong> EU beitretenmöchte, wird auf dem Weg dorthin an seinen eigenenLeistungen gemessen. Es gilt, genau hin<strong>zu</strong>sehen, Reformen<strong>zu</strong> for<strong>der</strong>n und dann die Umset<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> unterstützen.Wenn ein Land alle Kriterien erfüllt, dann ist es natürlichbeitrittsreif.Die Europäische Union hat politisch wie wirtschaftlichgroße Vorteile aus <strong>der</strong> Erweiterung gezogen. Wir in<strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland haben das hautnah erlebt.Vorausset<strong>zu</strong>ng dafür, dass weitere Erweiterungsschritteein Erfolg werden, ist die Beitrittsreife und dieErfüllung <strong>der</strong> Beitrittskriterien.Ich unterstütze deshalb die Entscheidung, auf Empfehlung<strong>der</strong> Europäischen Union Montenegro den Kandidatenstatus<strong>zu</strong> verleihen. Montenegro wurde unmissverständlichaufgefor<strong>der</strong>t, weitgehende Reformenein<strong>zu</strong>leiten. Erst danach will die Kommission die Aufnahmevon Beitrittsverhandlungen empfehlen. Dies wirdallerfrühestens im Herbst 2011 <strong>der</strong> Fall sein. Dann wirdnatürlich auch <strong>der</strong> Deutsche Bundestag formell damitbefasst.Meine Damen und Herren, wir als Europäische Unionhaben in diesem Jahr gemeinsam gehandelt. Wir habenuns dabei vom Grundsatz unserer gemeinsamen Verantwortungfür die Währungsunion leiten lassen. Wir habendas im Bewusstsein des Vermächtnisses getan, das unsdie Väter <strong>der</strong> europäischen Einigung hinterlassen haben,und zwar ganz in dem Geiste <strong>der</strong> Worte, die wir 2007<strong>zu</strong>m 50. Jahrestag <strong>der</strong> Römischen Verträge gefunden haben:Wir Europäer sind <strong>zu</strong> unserem Glück vereint.Wenn wir das nie vergessen, dann werden wir jede Herausfor<strong>der</strong>ungmeistern heute und in Zukunft.Gerade die Entscheidungen <strong>zu</strong>r Zukunft des Euro indiesem Jahr können uns dabei Mut machen und Kraft geben.Wir werden diese Entscheidungen jetzt nach undnach umsetzen. Wir tun das, weil wir wissen: Der Euroist unser gemeinsames Schicksal, und Europa ist unseregemeinsame Zukunft.Unsere Zukunft so <strong>zu</strong> gestalten, dass wir das Glück<strong>der</strong> europäischen Einigung für künftige Generationenschützen können, ist unsere Aufgabe von heute. DieserAufgabe wird sich die Bundesregierung weiterhin mitganzer Kraft widmen, und ich hoffe auf die Unterstüt<strong>zu</strong>ngdieses Hohen Hauses.Herzlichen Dank.(Anhalten<strong>der</strong> Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und<strong>der</strong> FDP)Präsident Dr. Norbert Lammert:Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält <strong>zu</strong>nächst<strong>der</strong> Kollege Dr. Frank-Walter Steinmeier für die SPD-Fraktion.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD):Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Es gibt europäische <strong>Frage</strong>n das habe auch icherlebt , bei denen die Antworten nicht auf <strong>der</strong> Hand liegen,und niemand sollte so tun, als habe er sie komplettparat. Die <strong>Frage</strong> ist nur, ob diese Regierung die Botschaftenin den letzten Tagen, insbeson<strong>der</strong>e die gestrigenBotschaften aus Frankfurt, richtig verstanden hat.(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8821Dr. Frank-Walter Steinmeier(A)(B)Gestern war nicht irgendein Tag im europäischen (C) Alltag.Wenn Sie sich die Agenturmeldungen den Tag überangeschaut haben, dann wissen Sie, dass es dort hieß:Die EZB steht an <strong>der</strong> Kante. Die FTD hat geschrieben:EZB muss Euro-Staaten anpumpen. Das Handelsblattschrieb: Hilfe für Schuldensün<strong>der</strong> wird für EZB <strong>zu</strong>mBumerang.(Otto Fricke [FDP]: Ist das jetzt geschickt?)Unterschätzen Sie das nicht: Das, was wir hier von<strong>der</strong> EZB gehört haben, war ein letztes Alarmsignal. FrauMerkel, es war heute <strong>zu</strong> spüren: Dieses Alarmsignalwollen Sie nicht wirklich hören.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Wie hat man das <strong>zu</strong> interpretieren? Ich interpretieredas so: Es gab eine ziemliche Scheinruhe in den letztenTagen, eine relative Ruhe auf den Anleihemärkten, unddiese Scheinruhe hatte einen hohen Preis. Warum? Weildie Regierungen in Europa nicht gehandelt haben auchdie deutsche Regierung nicht , musste die EZB handeln es blieb ihr gar nichts an<strong>der</strong>es übrig , und das hat siegetan. Was hat sie getan? Sie hat massenhaft notleidendeStaatsanleihen aufgekauft. Die Folgen sehen wir jetzt.Das, was droht, ist ein schwerwiegen<strong>der</strong> Vertrauensverlust<strong>der</strong> Europäischen Zentralbank. Was wird damit klar?Nicht nur Handeln hat seinen Preis das ist das, womitSie in den letzten Tagen immer in den Medien präsentwaren , auch Nichthandeln hat einen Preis. Hü und hotthaben wir in den letzten Tagen gesehen.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Aber das ist eben nicht nur hü und hott in den Medien,son<strong>der</strong>n das hat Konsequenzen: Glaubwürdigkeitsverlustfür die Regierung, Glaubwürdigkeitsverlust auchfür die Europäische Zentralbank, wie wir sehen, die jetztmit in den Sog gezogen wird. Das ist nicht <strong>zu</strong> verantworten.(Volker Kau<strong>der</strong> [CDU/CSU]: Hü und hott istdas Markenzeichen <strong>der</strong> SPD!)Wenn die Regierungen in Europa in diesen Tagennichts Entscheidendes bewegen o<strong>der</strong> wenn sie einfachnur weiter darauf setzen, dass die Europäische Zentralbankdas tut, was sie in den letzten Tagen getan hat, dannwird diese Zentralbank, ob sie will o<strong>der</strong> nicht das kannsie dann gar nicht verhin<strong>der</strong>n , <strong>zu</strong>r Bad Bank in Europa.Sie wissen das genau. Herr Trichet hat es Ihnen gesagt,Herr Weber hat es Ihnen gesagt.(Otto Fricke [FDP]: Sie reden das herbei!)Alle in Europa for<strong>der</strong>n doch jetzt ein kräftiges Signal, einenmutigen Entwurf, um die zweifelnden Märkte nichts an<strong>der</strong>es ist es doch, was sich da täglich zeigt <strong>zu</strong> überzeugen.Deshalb ist mein Schluss aus <strong>der</strong> Nachrichtenlage desgestrigen Tages, Frau Merkel, verehrte Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong>Regierung: Das, was die EZB macht, taugt nicht dauerhaftals Rettungsschirm, nicht für bankrotte Staaten,nicht für Banken, die unverantwortliche Kreditpolitikgemacht haben, nicht für einfallslose Politik. Deshalb istdas Signal für Europa: Die Zeit des Sichdurchmogelnsist vorbei.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Das Durchwursteln wird in <strong>der</strong> Lage, in <strong>der</strong> wir sind,einfach nicht mehr funktionieren. Ich glaube, Sie, FrauMerkel, wissen das. Bei Ihrer Rede heute Morgen hatteich allerdings den Eindruck, Sie wollen es uns nicht sagen.Wenn man genau hingehört hat bei <strong>der</strong> Rede, dannhörte man viel Hoffnung. Da ist viel lautes Pfeifen imWalde. Aber knapp unter <strong>der</strong> Oberfläche haben Sie dochdieselben Befürchtungen, die auch bei den an<strong>der</strong>en Fraktionenhier im Hause bestehen. Die Hoffnung, von <strong>der</strong>diese Regierungserklärung heute Morgen getragen war,ist doch, dass man mit einer kleinen Vertragsän<strong>der</strong>ung so haben Sie es eben vorgetragen , die niemandem sorichtig wehtut, durchkommt. Dann kommt Weihnachten,und die Finanzmärkte sind weit weg. Dann ist für vieleSkiurlaub, und im Januar schauen wir einmal. Ich sageIhnen: So mag man denken, aber das ist keine Politik.Das zeugt nicht von Verantwortung in <strong>der</strong> tiefsten KriseEuropas, die jedenfalls ich erlebt habe und an die ichmich erinnern kann.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Aber ich ahne: Sie haben dieselben Befürchtungenwie wir. Das, was sich da an Ratlosigkeit und Angstbreitmacht, kann doch nicht <strong>der</strong> Gradmesser für richtigePolitik sein. Auch Sie haben doch die Befürchtung, dassdie europäischen Partner irgendwann sagen: Jetzt reichtes, o<strong>der</strong> dass die EZB in den nächsten Tagen sagt: BadBank in Europa wollen wir nicht länger sein. Wir haltendas nicht aus, o<strong>der</strong> dass die Märkte sagen: Wir lassenuns über die nächsten zwei, drei Wochen o<strong>der</strong> gar zwei,drei Monate nicht einlullen, und das Elend dann sofortim Januar beginnt.Von dem, was in den letzten Tagen und Wochen offensichtlichdie Leitmarken Ihrer Politik waren, nämlichHoffnung und Angst, können und dürfen Sie sich nichtleiten lassen. Sie dürfen sich nicht von <strong>der</strong> leeren Hoffnungleiten lassen, dass es schon nicht ganz so schlimmkommen wird, vor allen Dingen aber nicht davon dasspüren wir auf <strong>der</strong> linken Seite des Hauses noch vielstärker , dass Ihnen am Ende Ihre eigenen Leute von<strong>der</strong> Fahne gehen. Das kann nicht Maßstab für Politiksein. Sich wegducken, das ist ein kläglicher Abgesangauf die gestaltende europäische Politik, wie wir sie inden letzten Jahrzehnten geleistet haben.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Zurufvon <strong>der</strong> CDU/CSU) Ja, das war Helmut Schmidt. Das habe ich auch gelesen.Aber ich bin mir sicher: Helmut Kohl sieht das aufIhrer Seite des Spektrums auch nicht ganz an<strong>der</strong>s.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)Leere Hoffnung, Angst o<strong>der</strong> Befürchtungen, die nichtmit einer entsprechenden Politik einhergehen: Das(D)


8822 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Dr. Frank-Walter Steinmeier(A)(B)macht den Zickzackkurs aus, von dem ich schon (C) gesprochenhabe, und führt letzten Endes da<strong>zu</strong>, dass diese Regierungvor <strong>der</strong> europäischen Aufgabe so versagt wiekeine an<strong>der</strong>e vor ihr. Ich glaube, Frau Merkel, Sie spüren,dass Sie sich durch die Entscheidungen und Nichtentscheidungen<strong>der</strong> letzten Wochen in ein Geflecht vonAnkündigungen, Halbwahrheiten und auch Lebenslügenhineinbegeben haben. Aber Sie wissen im Augenblicknicht, wie Sie da herauskommen sollen.Im April haben Sie verkündet: kein Geld für Griechenland.Das Ergebnis ist bekannt. Sie haben gesagt:Griechenland bleibt ein Einzelfall. Dann kam <strong>der</strong> Rettungsschirm.Sie haben gesagt: Der Schirm ist UltimaRatio; er wird wahrscheinlich gar nicht in Anspruch genommen.Dann kam Irland.(Zurufe von <strong>der</strong> SPD: Ja!)Sie haben gesagt: Wir wollen keine Transferunion. Ihreigener Berater aber sagt: In gewisser Weise haben wirdas schon. Sie haben gesagt: Wir brauchen automatischeSanktionen. Zusammen mit Herrn Sarkozy haben Sie siein Deauville gekippt. Sie haben gesagt: Defizitsün<strong>der</strong>werden mit dem Ent<strong>zu</strong>g <strong>der</strong> Stimmrechte bestraft. Heutewar kein Wort davon <strong>zu</strong> hören. Sie haben gesagt: keineEuro-Bonds. Ihre Experten sagen: Mit <strong>der</strong> European FinancialStability Facility haben wir sie eigentlich schon.(Volker Kau<strong>der</strong> [CDU/CSU]: Na, na, na!)Sie haben die Gläubigerbeteiligung gefor<strong>der</strong>t. In Ihrerheutigen Regierungserklärung sind Sie merkwürdig vagegeblieben.Nicht <strong>zu</strong> vergessen ist auch das Gezerre um die Finanztransaktionsteuer.Hier im Parlament ist FrauMerkel manchmal ein bisschen dafür; auf europäischerEbene ist Herr Schäuble manchmal ein bisschen dagegen.Geschehen ist jedenfalls nichts. Das ist die dramatischeBilanz nach diesem halben Jahr europäischer Politikin <strong>der</strong> Krise. Ich sage Ihnen: Das sehen die Leute inIhren eigenen Reihen nicht wesentlich an<strong>der</strong>s als wir.Das muss Ihnen Sorgen machen, Frau Merkel.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Aber wir stehen in <strong>der</strong> Tat in diesen Tagen in Europavor einer historischen Aufgabe. Es geht um die Zukunft<strong>der</strong> gemeinsamen Währung. Mehr noch: Es geht um dieZukunft des gemeinsamen europäischen Projekts. Eswird vom Handeln <strong>der</strong> europäischen Regierungen abhängen,ob wir wie<strong>der</strong> ins 19. und 20. Jahrhun<strong>der</strong>t, in nationalstaatlichesDenken <strong>zu</strong>rückfallen o<strong>der</strong> daraufkommt es an ob wir jetzt den Mut <strong>zu</strong> dem nächstengroßen europäischen Sprung aufbringen, das Europa <strong>der</strong>Nationalstaaten schrittweise <strong>zu</strong> überwinden und dieseEuropäische Union <strong>zu</strong> einer politischen Union fort<strong>zu</strong>entwickeln.Diese <strong>Frage</strong> steht auf <strong>der</strong> Tagesordnung. Vordieser <strong>Frage</strong> dürfen wir uns nicht verstecken.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Das ist meine feste Überzeugung.Die Unruhe an den Finanzmärkten hat nicht nur mit<strong>der</strong> Finanzsituation Griechenlands, Irlands o<strong>der</strong> Portugals<strong>zu</strong> tun. Die <strong>Frage</strong>n, die die Finanzmärkte stellen, sind fundamentalerNatur. Es sind <strong>Frage</strong>n, die auch die Menschenstellen. Darin drücken sich Zweifel an <strong>der</strong> Funktionsfähigkeit<strong>der</strong> europäischen Institutionen aus. Es gibt Zweifelan <strong>der</strong> Reichweite europäischer Solidarität und an <strong>der</strong>europapolitischen Zuverlässigkeit <strong>der</strong> Deutschen. Darüberreden wir in diesen Tagen. Diese Zweifel beseitigenwir nicht im täglichen Klein-Klein. Da muss ein großerSprung her.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Deshalb da bin ich mir sicher werden wir dieseZweifel, die ich eben beschrieben habe, nur beseitigen,wenn wir auf die sich stellenden <strong>Frage</strong>n klar und unmissverständlichantworten.Keine Einzelmaßnahme nicht die Aufstockung desRettungsschirms, kein Euro-Bond, nicht ein weiteresEZB-Aufkaufprogramm wird in <strong>der</strong> Lage sein, dieZweifel <strong>zu</strong> überwinden, von denen ich spreche. Wirbrauchen aus meiner Sicht einen wirklich umfassendenAnsatz, <strong>der</strong> aus drei Elementen besteht:Erstens. Wir brauchen die Gläubigerbeteiligung durcheinen intelligenten Haircut. Die Krisenstaaten Griechenland,Irland und Portugal werden auf absehbare Zeit daswissen Sie in <strong>der</strong> Regierung auch nicht in <strong>der</strong> Lage sein,auf einen nachhaltigen Wachstumspfad <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>kommen.Wenn die Anpassungslast am Ende nicht allein beiden europäischen Steuerzahlern ankommen soll darumgeht es mir , dann muss <strong>der</strong> Weg <strong>der</strong> Gläubigerbeteiligungdurch einen intelligenten Haircut beschritten werden,bevor die EZB die schlechten Anleihen wie<strong>der</strong> insPortfolio aufnimmt.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> LINKEN)Zweitens das wird unumgänglich sein, wenn wir imJanuar 2011 nicht wie<strong>der</strong> über dieselben Themen mit <strong>der</strong><strong>der</strong>selben Tagesordnung miteinan<strong>der</strong> reden wollen :Damit die Krise nicht noch auf an<strong>der</strong>e stabile Volkswirtschaftenin Europa übergreift, brauchen wir ein klaresSignal europäischer Solidarität. Ich sage Ihnen voraus,dass dieses Zeichen <strong>der</strong> europäischen Solidarität auchwenn wir das heute verdrängen; wir werden da<strong>zu</strong> gleichnoch mehrere Redner von Ihnen hören höchstwahrscheinlicheine Unterfütterung durch einen erweiterteneuropäischen Rettungsschirm braucht.Drittens. Wir müssen endlich den Geburtsfehler <strong>der</strong>Wirtschafts- und Währungsunion beseitigen und <strong>zu</strong> einerpolitischen Union kommen. Eben wurde dazwischengerufen:Euro-Bonds. Ich finde, wir sollten uns <strong>zu</strong> schadesein, die <strong>Frage</strong>n, die uns im Augenblick gestellt werden,immer nur mit Ja o<strong>der</strong> Nein <strong>zu</strong> beantworten. Wenn wir<strong>zu</strong> <strong>der</strong> politischen Union kommen wollen und zwar miteuropäischer Solidarität, wie ich sie verstehe , dannmüssen die Antworten anspruchsvoller ausfallen. Je<strong>der</strong>von uns, auch auf dieser Seite des Bundestages, weiß,dass die Antwort nicht allein Euro-Bonds lautet.(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8823Dr. Frank-Walter Steinmeier(A)(B)Den Weg <strong>zu</strong>r politischen Union werden wir (C) nur gehenkönnen, wenn wir uns in Europa auf klare Regeln undsolide Haushaltspolitik sowie auf Mindeststandards fürArbeitsmarkt- und Sozialpolitik verständigen. Das giltaber auch da, wo die Verständigungen am stärksten blockiertwaren, etwa im Steuerrecht. Es kann doch nichtsein, dass Län<strong>der</strong> wie Irland o<strong>der</strong> durch neue Entscheidungenjetzt auch Ungarn ihre Standards <strong>zu</strong>lasten an<strong>der</strong>erMitgliedslän<strong>der</strong> nach unten verän<strong>der</strong>n.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Da brauchen wir eine engere wirtschaftspolitische Abstimmungund Homogenisierung.Dann sage ich Ihnen: Ja, in diesem Zusammenhangmacht auch das Nachdenken über limitierte Euro-Bondseinen Sinn. In diesem Zusammenhang sind sie tatsächlichverantwortbar. Wir sollten uns endlich aus einerkleinlichen Instrumentendebatte befreien, die uns mitden immer gleichen <strong>Frage</strong>n und den immer gleichenAntworten aufgedrängt wird.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> LINKEN)Wir müssen vielmehr die Größe <strong>der</strong> <strong>Frage</strong> erkennen, diewir hier <strong>zu</strong> beantworten haben.Frau Merkel, auch wenn Sie in <strong>der</strong> Regierungserklärungetwas an<strong>der</strong>es gesagt haben, sage ich Ihnen voraus:Das meiste von dem, was ich eben als Aufgabe beschriebenhabe, wird kommen, und zwar nicht nur, weil es vernünftigist, son<strong>der</strong>n weil wir die Risiken, mit denen wirim Augenblick <strong>zu</strong> kämpfen haben, für die Zukunft vermeidenwollen.Ob wir den im Augenblick in Europa bestehendenGrundzweifel an Deutschlands europapolitischer Glaubwürdigkeitbeseitigen können, hängt von <strong>der</strong> entscheidenden<strong>Frage</strong> ab, wie wir uns in dem Diskussionsprozess<strong>der</strong> nächsten Wochen darstellen, ob das alles gegen denWi<strong>der</strong>stand eines unentschiedenen, zögernden und zweifelndenDeutschlands kommt o<strong>der</strong> ob wir die Kraft fürwirkliche Gestaltung in Europa <strong>zu</strong>rückgewinnen. Ehrlichkeit,Mut und Klarheit, das ist aus meiner Sicht gefragt,nicht leere Hoffnung und Angst. Unsere Partnererwarten von uns darauf weise ich ausdrücklich hin ein klares Bekenntnis <strong>zu</strong>m europäischen Projekt. Sie erwarten,dass wir uns eben nicht wegducken, son<strong>der</strong>ndass wir Verantwortung übernehmen. Wenn ich sageVerantwortung übernehmen, dann meine ich die europäischeVerantwortung. Damit wir uns nicht missverstehen:Wenn wir europäische Verantwortung übernehmen,dann liegt das im deutschen Interesse.Herzlichen Dank.(Anhalten<strong>der</strong> Beifall bei <strong>der</strong> SPD Beifallbeim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))Präsident Dr. Norbert Lammert:Das Wort erhält nun die Kollegin Birgit Homburgerfür die FDP-Fraktion.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU)Birgit Homburger (FDP):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wenn die Staats- und Regierungschefs in dieser Woche<strong>zu</strong>sammenkommen, um einen Krisenmechanismus fürden Euro <strong>zu</strong> beschließen und um Vertragsän<strong>der</strong>ungen aufden Weg <strong>zu</strong> bringen, dann befinden sie sich nicht nur indieser Hinsicht in einer außerordentlich schwierigen Situation.Es gilt, den Euro <strong>zu</strong> schützen. Es gilt, unsereWährung <strong>zu</strong> stabilisieren, für einen harten Euro <strong>zu</strong> streiten.Aber es geht in diesem Zusammenhang auch um dieZukunft Europas. Das ist uns klar; das ist auch <strong>der</strong> Regierungklar. Europa hat das wissen wir; das ist hier in<strong>der</strong> Debatte schon <strong>zu</strong>m Ausdruck gekommen für dielängste <strong>zu</strong>sammenhängende Periode von Frieden, Freiheitund Wohlstand gesorgt. Deshalb wollen wir diesesEuropa stärken. Aber eine solche Stärkung wird mannicht dadurch erreichen, dass man die Starken schwächto<strong>der</strong> die Prinzipien <strong>der</strong> Wirtschafts- und Währungsunioninfrage stellt o<strong>der</strong> weiter aufweicht. Es geht nur dadurch,dass man diese Prinzipien, die Grundleitlinien <strong>der</strong> EuropäischenUnion, stärkt.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU)Die Bundeskanzlerin hat gesagt: Europa ist eine Verantwortungsgemeinschaft.Europa ist vor allen Dingenauch eine Stabilitätsgemeinschaft. Diese Stabilitätsgemeinschaftmuss im Angesicht <strong>der</strong> Krise gestärkt werden.Eine Verän<strong>der</strong>ung hin <strong>zu</strong> einer Transferunion magdem einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en bequem erscheinen. Das würdeallerdings Europa auf Dauer schwächen und in seinenGrundfesten erschüttern. Deshalb kämpfen wir für eineStabilitätskultur.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> CDU/CSU)Das ist <strong>der</strong> Grund, warum sich <strong>der</strong> Deutsche Bundestagin den letzten Wochen massiv engagiert hat. Wir habenmit <strong>der</strong> Mehrheit <strong>der</strong> Koalitionsfraktionen eindeutige,klare Beschlüsse gefasst und <strong>der</strong> Bundesregierung beiihren schwierigen Verhandlungen in Europa den Rückengestärkt. Diese Beschlüsse gelten fort.(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Ich sehe schon die Begeisterung bei FrauMerkel!)Ich kann die Opposition in diesem Hause nur auffor<strong>der</strong>n,die Bundesregierung bei <strong>der</strong> Wahrnehmung <strong>der</strong> InteressenDeutschlands in Europa, die darin bestehen,eine Stabilisierung <strong>zu</strong> erreichen, <strong>zu</strong> unterstützen, anstattihr in den Rücken <strong>zu</strong> fallen. Ich halte an dieser Stellefest: Die Mehrheit des Deutschen Bundestages steht klarhinter <strong>der</strong> Verhandlungslinie <strong>der</strong> Bundesregierung.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU)In den letzten Wochen wurde <strong>der</strong> Rahmen für einendauerhaften Krisenmechanismus abgesteckt. Jetzt gilt es,das durch entsprechende Vertragsän<strong>der</strong>ungen um<strong>zu</strong>setzen;das ist die Aufgabe, vor <strong>der</strong> wir stehen. Es ist wichtig,das, was wir auf europäischer Ebene vereinbart haben,jetzt auch vertraglich <strong>zu</strong> formulieren.(D)


8824 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Birgit Homburger(A)(B)Da<strong>zu</strong> gehört aus unserer Sicht ganz eindeutig (C) dieUltima Ratio. Hilfen gibt es nur als Ultima Ratio. Dasbedeutet, dass die betroffenen Staaten selbst alle notwendigenMaßnahmen ergreifen, und es bedeutet genauso Herr Steinmeier, Sie haben das gerade angesprochen ,dass private Gläubiger in allen Phasen beteiligt werden.Dafür hat die Euro-Gruppe am 28. November die Grundlagegeschaffen, und auf dieser Grundlage muss manjetzt aufbauen. Für den Fall <strong>der</strong> Insolvenz ist eine zwingendeBeteiligung <strong>der</strong> Gläubiger, <strong>der</strong> Haircut, vorgesehen,Herr Steinmeier. Genau das haben wir in hartenVerhandlungen erreicht. Wir haben damit genau das getan,was Sie jetzt plötzlich einfor<strong>der</strong>n.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> CDU/CSU)Wir sind überzeugt, dass nur mit einer solchen Beteiligungvon Gläubigern Risiken minimiert werden unddass sich Zinsen <strong>der</strong> Bonität anpassen. Wenn man dieZinsen wirken lässt, ist das das beste Mittel, um die Eigenverantwortung<strong>zu</strong> stärken. Deshalb gilt für uns dieUltima Ratio: Nur wer am Kreditmarkt keine Refinanzierungbekommt, kann Hilfen <strong>der</strong> europäischen Partnerbekommen. Das muss auch vertraglich entsprechendvereinbart werden.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> CDU/CSU)Herr Steinmeier, diese Koalition und diese Bundesregierunghaben Verantwortung übernommen, und zwarvon Anfang an. Als es um Griechenland ging, haben wirklar Verantwortung übernommen. Es war richtig, vonden betroffenen Län<strong>der</strong>n eigene Anstrengungen <strong>zu</strong> verlangen.Es war richtig, den IWF mit seiner Erfahrungein<strong>zu</strong>binden. Es war richtig, dass die Bundesregierungnicht gleich Geld ins Schaufenster gelegt, son<strong>der</strong>n <strong>zu</strong>nächsteinmal einen klaren Mechanismus gefor<strong>der</strong>t hat.Ja, wir haben Verantwortung übernommen, nicht nur beiGriechenland, son<strong>der</strong>n auch für den gesamten Rettungspakt,<strong>der</strong> geschnürt worden ist. Sie, meine sehr verehrtenDamen und Herren von <strong>der</strong> Opposition, waren nirgends.Sie haben nicht <strong>zu</strong>gestimmt. Sie haben Ihre Verantwortungfür Europa nicht wahrgenommen.(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht!)Deshalb sind Sie die Letzten, die dieser Bundesregierunghier Vorwürfe machen können.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU Lachen bei Abgeordneten <strong>der</strong> SPD)Herr Steinmeier, Sie haben das Hü und Hott <strong>der</strong> letztenTage beklagt.(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Kubicki hat doch recht! Kubicki hatrecht!)Das kam doch nicht von dieser Koalition, und es kamauch nicht von dieser Bundesregierung; sie hatte eineklare Haltung. Ich bin überzeugt davon, dass es nichthilfreich ist, täglich neue For<strong>der</strong>ungen <strong>zu</strong> stellen, nachdemman sich auf die Grundstruktur eines Hilfsmechanismusverständigt hat. Diese For<strong>der</strong>ungen schüren nurweitere Verunsicherung. Sehr geehrter Herr Steinmeier,Sie haben hier <strong>zu</strong>r EZB erklärt, sie sei auf dem Weg <strong>zu</strong>einer Bad Bank. Das ist schlicht und ergreifend unverantwortlich.Sie reden diese Situation herbei. Das istnicht akzeptabel.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU Carsten Schnei<strong>der</strong> [Erfurt] [SPD]: Dass Siedas <strong>zu</strong>lassen, ist unverantwortlich!)Sie haben hier demonstrativ Bekenntnisse <strong>zu</strong> Europa gefor<strong>der</strong>t.Unser Bekenntnis <strong>zu</strong> Europa ist so klar, wie esklarer nicht sein kann.(Rolf Schwanitz [SPD]: Das haben wirgehört!)Sie for<strong>der</strong>n hier Bekenntnisse ein und erklären, dassbeispielsweise eine Garantie für alle Schulden an<strong>der</strong>erLän<strong>der</strong> notwendig sei, mittelfristig auch Euro-Bonds.Sehr verehrter Herr Steinmeier, demonstrative Bekenntnissesind kein Ersatz für eine politische Lösung, und siesind vor allen Dingen kein Ersatz für eine Krisenbewältigung.Deshalb for<strong>der</strong>n wir Sie auf: Arbeiten Sie ganzkonkret an <strong>der</strong> Krisenbewältigung mit! Verlangen Sienicht einfach nur Bekenntnisse! Worte werden nicht reichen,um die Situation <strong>zu</strong> bewältigen.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU)Europa übt Solidarität.(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Was?)Das ist in diesem Jahr so deutlich geworden wie selten<strong>zu</strong>vor. Aber Solidarität ist keine Einbahnstraße. Solidaritätbedeutet, dass die Starken den Schwachen helfen.Aber Solidarität bedeutet auch, dass diejenigen, die betroffensind, selber Anstrengungen unternehmen müssen;das gehört genauso da<strong>zu</strong>.(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Diese Sprüche! Da weiß die FDPbeson<strong>der</strong>s gut Bescheid!)Von dieser Solidarität hat Deutschland die größte Lastgetragen. Wir sind weiter bereit, unserer Verantwortunggerecht <strong>zu</strong> werden. Aber wir machen genauso deutlich,dass es auf europäischer Ebene keine Vollkaskomentalitätund keine Vollkaskoversicherung geben kann.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU Sigmar Gabriel [SPD]: Peinlich!)Wenn wir über die Euro-Bonds reden, dann geht esnicht um irgendeine kleinliche Instrumentendebatte, son<strong>der</strong>ndann geht es im Kern um die <strong>Frage</strong>, ob es einenDruck in Richtung Haushaltskonsolidierung gibt o<strong>der</strong> obes diesen Druck <strong>zu</strong>künftig nicht mehr gibt. Gemeinsameeuropäische Anleihen führen da<strong>zu</strong>, dass diejenigen Län<strong>der</strong>,die die Haushaltssanierung in <strong>der</strong> Vergangenheitnicht ernst genug genommen haben und die erst jetzt aufdem Weg <strong>zu</strong>r Haushaltskonsolidierung sind, diesenDruck nicht mehr verspüren, weil sie eine Absicherungbekommen. Gemeinsame Anleihen, das bedeutet nichtsan<strong>der</strong>es als einen Län<strong>der</strong>finanzausgleich auf europäi-(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8825Birgit Homburger(A)scher Ebene. Das bedeutet, dass Deutschland (C) dauerhaftfür die Schulden an<strong>der</strong>er Län<strong>der</strong> zahlen würde. Das könnenwir nicht <strong>zu</strong>lassen, das wollen wir nicht <strong>zu</strong>lassen,und das werden wir auch nicht <strong>zu</strong>lassen.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU)Es ist wichtig, dass jetzt ganz klar festgelegt wird,was europäisch vereinbart ist, nämlich das Einstimmigkeitsprinzip.kurs, an dem Europa ein vitales, eigenes Interesse hat.Deshalb wollen wir diesen Stabilitätskurs fortführen für eine Europäische Union, die in ihren Mitgliedslän<strong>der</strong>nFrieden sichert, Freiheit sichert und auch weiterhinWohlstand sichert. Die Bundesregierung hat bei dieserschwierigen Aufgabe die volle Unterstüt<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> Mehrheitdieses Hauses und davon bin ich überzeugt auch<strong>der</strong> Mehrheit <strong>der</strong> Bürgerinnen und Bürger, wenn sie hartverhandelt.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: So fiel dieDDR auch auseinan<strong>der</strong>! Kubicki hat recht!)Das Einstimmigkeitsprinzip ist die Lebensversicherungauch für die deutschen Sparer. Es stellt sicher, dass sienicht plötzlich für die Schulden aller an<strong>der</strong>en Europäerin Haftung genommen werden können. Die Schulden an<strong>der</strong>erLän<strong>der</strong> müssen auch die Schulden an<strong>der</strong>er Län<strong>der</strong>bleiben.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU)Vielen Dank.(Anhalten<strong>der</strong> Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong>CDU/CSU)Präsident Dr. Norbert Lammert:Dr. Gesine Lötzsch ist die nächste Rednerin für dieFraktion Die Linke.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)(B)Weit über den Europäischen Rat hinaus gilt, dass wiran einer Verschärfung des Stabilitätspakts arbeiten.Da<strong>zu</strong>, sehr verehrter Herr Steinmeier, will ich Ihnenschon sagen: Es ist dreist, was Sie sich hier erlauben:(Beifall bei Abgeordneten <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong>CDU/CSU Carsten Schnei<strong>der</strong> [Erfurt][SPD]: Kubicki!)von einer Stabilisierung <strong>zu</strong> reden, obwohl Sie diejenigenwaren, die im Jahr 2005 den Stabilitätspakt auf europäischerEbene ausgehebelt haben.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU Sören Bartol [SPD]: Keine Ahnung! DerKubicki hat doch recht! Dr. Frank-WalterSteinmeier [SPD]: Ich prophezeie 3 Prozent! Weitere Zurufe von <strong>der</strong> SPD)Sie sind diejenigen, die Verantwortung dafür tragen, dassEuropa überhaupt in eine solch schwierige Situation gekommenist.(Lachen bei <strong>der</strong> SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Wir versuchen jetzt mühselig, auf europäischer Ebenedas <strong>zu</strong> erreichen, was Sie eingefor<strong>der</strong>t haben,(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: So fiel dieDDR auch auseinan<strong>der</strong>! Kubicki!)nämlich eine Stärkung des Stabilitätspakts, einen Frühwarnmechanismus,bessere Kontrollierbarkeit, automatischeSanktionen und auch eine bessere Koordinierung in<strong>der</strong> Wirtschafts- und Haushaltspolitik. Das ist sicherlichnotwendig. Das alles ist auf den Weg gebracht und mussin dieser schwierigen Situation verhandelt und diskutiertwerden.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Den Liberalismusin seinem Lauf halten we<strong>der</strong> Ochs nochEsel auf!)Es sind harte Verhandlungen, die auf europäischerEbene geführt werden. Es ist ein klarer Kurs gefor<strong>der</strong>t.Dieser klare Kurs, <strong>der</strong> alle in die Solidarität nimmt, <strong>der</strong>ein Bekenntnis <strong>zu</strong> Europa darstellt, ist ein Stabilitäts-Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):Vielen Dank. Herr Präsident! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Sie, Frau Merkel, eilen von einemGroßbrand <strong>zu</strong>m nächsten und wollen den Eindruck erwecken,dass Sie alles im Griff haben. Die Wahrheit aberist, dass zahlreiche Brandherde weiter schwelen und esnur eine <strong>Frage</strong> <strong>der</strong> Zeit ist, wann sie wie<strong>der</strong> auflo<strong>der</strong>n.Sie aber wehren sich mit Händen und Füßen dagegen,nach den Brandursachen <strong>zu</strong> suchen, und sind auch nichtbereit, die Brandstifter so <strong>zu</strong>r Verantwortung <strong>zu</strong> ziehen,dass sie nie wie<strong>der</strong> in die Versuchung kommen, einneues Feuer <strong>zu</strong> legen.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Frau Merkel, Sie sehen eine Ursache für diese Krisein den überschuldeten Haushalten <strong>der</strong> Euro-Län<strong>der</strong> undfor<strong>der</strong>n deshalb einen eisernen Sparkurs. Das klingt fürden einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en CDU-Wähler ganz gut; doch eshat dramatische Folgen für ganz Europa. Wir erinnernuns: Sie wollten die Wahlen in Nordrhein-Westfalen gewinnenund Rot-Rot-Grün verhin<strong>der</strong>n. Darum hatten Sieein so brutales Kür<strong>zu</strong>ngspaket für Griechenland geschnürt,dass selbst <strong>der</strong> beinharte IWF-Chef Strauss-Kahn Bedenken anmeldete. Sie wussten doch, dass dieGriechen diese Auflagen niemals erfüllen konnten.Trotzdem haben Sie von ihren ökonomisch unsinnigenFor<strong>der</strong>ungen nicht abgelassen.Das Ergebnis war vorhersehbar: Griechenland befindetsich in <strong>der</strong> heftigsten Krise seit dem Zweiten Weltkriegund wird seine Schulden auf absehbare Zeit nicht<strong>zu</strong>rückzahlen können. Das Beispiel Griechenland hat Sieaber nicht bewegen können, Ihre falsche und kostspieligeStrategie <strong>zu</strong> än<strong>der</strong>n. Auch Irland, Spanien und Portugalhaben Sie eine entsprechende Rosskur verschrieben.Können Sie aus Ihren Fehlern nicht lernen, o<strong>der</strong>verfolgen Sie ganz an<strong>der</strong>e Ziele, Frau Merkel? Es gehtIhnen doch gar nicht um ein gemeinsames, friedlichesEuropa; es geht Ihnen vielmehr um die Rettung <strong>der</strong> Anlagen<strong>der</strong> deutschen Banken in diesen Län<strong>der</strong>n.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN Zuruf von <strong>der</strong>FDP: Ach so!)(D)


8826 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Dr. Gesine Lötzsch(A)(B)Deutsche Banken haben allein in Griechenland, (C)Irland, Portugal und Spanien 318 Milliarden Euro investiert.Diese Milliarden wollen die deutschen Bankenohne Verluste und hochverzinst <strong>zu</strong>rückhaben. Das erwartensie von Ihnen. Frau Merkel, Sie müssen uns endlichsagen, in wessen Auftrag Sie am Donnerstag eigentlichverhandeln: Verhandeln Sie im Auftrag <strong>der</strong>Bürgerinnen und Bürger o<strong>der</strong> im Auftrag dieser deutschenBanken?(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Für beide gleichzeitig können Sie nämlich nicht verhandeln,weil die Interessen <strong>der</strong> Bürgerinnen und Bürger in<strong>der</strong> Bundesrepublik nicht im Ansatz mit den Interessen<strong>der</strong> deutschen Banken deckungsgleich sind.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Die Ursache <strong>der</strong> Euro-Krise sind nicht überschuldetenationale Haushalte, son<strong>der</strong>n ist das schnelle ökonomischeAuseinan<strong>der</strong>driften <strong>der</strong> Volkswirtschaften in <strong>der</strong>Euro-Zone. Die Agenda 2010 hat diesen Prozess nochdramatisch beschleunigt. Ich will Ihnen das einmal an einemaktuellen Beispiel deutlich machen: In den französischenund dänischen Schlachthöfen werden Mindestlöhnegezahlt in deutschen Schlachthöfen nicht.(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Mit Frau Lötzsch Seit an Seit! Eswächst <strong>zu</strong>sammen, was <strong>zu</strong>sammengehört! Dashat schon Herr Kubicki erkannt!)Das hat da<strong>zu</strong> geführt, dass Schlachthöfe in Dänemarkschließen mussten und die französischen Arbeitgebervon <strong>der</strong> EU for<strong>der</strong>n, in Deutschland auf Mindestlöhne <strong>zu</strong>drängen. Die Deregulierung des deutschen Arbeitsmarktesbringt alle an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>, die gerechteLöhne zahlen, in größte Schwierigkeiten.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN Zurufe von <strong>der</strong>FDP: Oh!)Es sind also nicht nur die Hochtechnologien, die <strong>zu</strong> einemdeutschen Exportüberschuss führen um mit dieserLegende einmal auf<strong>zu</strong>räumen , son<strong>der</strong>n es ist auch <strong>der</strong>unfaire Wettbewerb um die niedrigsten Löhne, den dieBundesregierung den an<strong>der</strong>en Volkswirtschaften aufzwingt.Das muss endlich ein Ende haben.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Eine an<strong>der</strong>e Ursache <strong>der</strong> Euro-Krise liegt in <strong>der</strong> Fehlkonstruktiondes Euro selbst. Waren die Väter des Eurowirklich so naiv, <strong>zu</strong> glauben, dass allein die Währung in<strong>der</strong> Lage sei, diesen unterschiedlichen VolkswirtschaftenEuropas eine gemeinsame Basis <strong>zu</strong> geben? Ich sage Ihnen:Die Einführung des Euro, wie sie damals geschehenist, war eine Einladung <strong>zu</strong>m Schuldenmachen. Mit demEuro in <strong>der</strong> Hand konnten auch schwache Volkswirtschaften<strong>zu</strong> niedrigen Zinsen Kredite aufnehmen undsehr <strong>zu</strong>r Freude deutscher Exporteure in Deutschland aufShoppingtour gehen. Das ist nämlich die Wahrheit.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Was wir jetzt brauchen, sind Investitionen in die ZukunftEuropas. Selbst das regierungsfreundliche Handelsblattfor<strong>der</strong>t jetzt ein europäisches Konjunkturprogrammvon 347 Milliarden Euro, um aus dieserschweren Krise heraus<strong>zu</strong>kommen.(Volker Kau<strong>der</strong> [CDU/CSU]: Waren das nicht346 Milliarden Euro?)Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung for<strong>der</strong>teine einmalige Vermögensabgabe <strong>zu</strong>r Sanierung unsererHaushalte. Doch ich sage Ihnen: Jedes Konjunkturprogrammist für die Katz, wenn wir nicht endlich die Finanzmärktewirksam regulieren.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN Zurufe von <strong>der</strong>FDP)Es ist doch sinnlos, wenn wir die öffentlichen Haushaltenur sanieren, damit wir wie<strong>der</strong> die Kosten <strong>der</strong>nächsten Finanzkrise übernehmen können. Es ist für michvöllig unbegreiflich, dass es die Bundesregierung seitzwei Jahren nicht geschafft hat, für eine bessere Kontrolle<strong>der</strong> Finanzmärkte <strong>zu</strong> sorgen. Neuerdings, Frau Merkel,for<strong>der</strong>n Sie ja auch die privaten Anleger auf, ein Risikomit<strong>zu</strong>tragen. Einverstanden. Aber warum fangen Sienicht gleich bei den deutschen Banken an? Worauf wartenSie noch?(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN Volker Kau<strong>der</strong>[CDU/CSU]: Die sind offenbar die Schlimmsten,was?)Die Linke for<strong>der</strong>t eine Finanztransaktionsteuer undeine wirksame Kontrolle <strong>der</strong> Finanzmärkte. Wer eineWährung ohne eine abgestimmte Wirtschafts-, Finan<strong>zu</strong>ndSozialpolitik einführt, <strong>der</strong> handelt unglaublich verantwortungslos.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Es ist doch völlig absurd, in <strong>der</strong> Europäischen Unioneine Konkurrenz um die niedrigsten Unternehmensteuernüberhaupt <strong>zu</strong><strong>zu</strong>lassen. Noch absur<strong>der</strong> ist es, dass IrlandEU-Hilfen bekommt, ohne dass eine Anhebung <strong>der</strong>unanständig niedrigen Unternehmensteuern vereinbartwurde. So werden die Dinge nie in Ordnung gebracht,meine Damen und Herren.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Wir als Linke sind <strong>der</strong> Auffassung, dass <strong>der</strong> Euro nurgerettet werden kann, wenn die Finanzmärkte strengkontrolliert und reguliert werden und endlich eine gemeinsameWirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik vertraglichvereinbart wird. Euro-Bonds o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ankaufvon Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbanksind im Rahmen einer Rettungsaktion als Übergangslösungwichtig. Eine grundsätzliche Revision des LissabonnerVertrages ersetzen sie allerdings nicht.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Frau Bundeskanzlerin, überdenken Sie Ihre Rolle inEuropa! Bringen Sie unser Land nicht weiter in Verruf!Suchen Sie nach gemeinsamen Lösungen, die Europastärken und nicht in Stücke reißen!Vielen Dank.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8827(A)Präsident Dr. Norbert Lammert: (C)Das Wort erhält nun <strong>der</strong> Kollege Volker Kau<strong>der</strong> fürdie CDU/CSU-Fraktion.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Wovon träumstdu nachts?)Jetzt, Herr Steinmeier, kommt es natürlich darauf an,dass man nicht einfach so daherredet.Volker Kau<strong>der</strong> (CDU/CSU):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Es war unsere Generation, die das Thema Europa in denMittelpunkt ihrer politischen Arbeit gestellt hat. Es warunsere Generation, die an <strong>der</strong> deutsch-französischenGrenze die Schlagbäume weggerissen und gesagt hat:Wir wollen ein Europa ohne Grenzen! Die Einheit Europashaben wir formuliert. Das ist unsere Zukunft.Deutschland ist unser Vaterland. Europa ist unsere Zukunft.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN Thomas Oppermann [SPD]: AberSie!)Auch ein Oppositionspolitiker trägt in solch schwierigen<strong>Frage</strong>n Verantwortung. Jetzt will ich Ihnen einmal sagen,was Verantwortung bedeutet: Ich rate dringend dieshalte ich für außerordentlich klug , dass we<strong>der</strong> ein Oppositionspolitikernoch jemand an<strong>der</strong>er die Unabhängigkeitunserer Notenbank in Zweifel zieht.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> FDP Zurufe von <strong>der</strong> SPD)Das waren die Formulierungen. An diesen Kernaussagenhat sich überhaupt nichts geän<strong>der</strong>t.(Zuruf des Abg. Thomas Oppermann [SPD])Wir haben in vielen, vielen Europawahlkämpfen gezeigt viel mehr als manch an<strong>der</strong>er hier auf <strong>der</strong> linkenSeite dieses Hauses , dass wir <strong>zu</strong> Europa stehen.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Zurufdes Abg. Dr. Frank-Walter Steinmeier[SPD]) Nein, Herr Steinmeier, so einfach kommen Sie nichtdavon. Es ist nicht Aufgabe des deutschen Parlaments,darüber <strong>zu</strong> diskutieren, was die Europäische Zentralbankin eigener unabhängiger Verantwortung tun darf o<strong>der</strong>nicht. Das gefährdet nämlich die Dinge in Europa.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)(B)(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Wir haben keinen Zweifel an Europa gelassen. So bleibt esauch in Zukunft. Wir haben alle großen Entscheidungen inDeutschland mit Europa verbunden. Im Zusammenhangmit einer <strong>der</strong> größten Entscheidungen <strong>der</strong> Nachkriegsgeschichteund einer <strong>der</strong> glücklichsten Entscheidungen <strong>der</strong>Nachkriegsgeschichte haben wir schließlich immer formuliert:Deutsche Wie<strong>der</strong>vereinigung, deutsche Einheitund europäische Einheit gehören <strong>zu</strong>sammen. Ein größeresBekenntnis <strong>zu</strong> Europa kann man gar nicht abgeben,als wir es getan haben.Wir alle haben ein natürliches Interesse an einem stabilenEuro. Sie selber haben <strong>zu</strong>mindest <strong>zu</strong>m Start desEuro den Menschen versprochen, dass <strong>der</strong> Euro so stabilund hart ist wie die D-Mark. Aber kaum waren Sie in<strong>der</strong> Regierungsverantwortung, haben Sie dies alles vergessen.Sie haben die Stabilität des Euro für einen kurzfristigenvermeintlichen Erfolg in Ihrer Regierungspolitikaufgeben. Das hat mit Verantwortung für Stabilitätnichts <strong>zu</strong> tun. Deswegen brauchen Sie aus <strong>der</strong> Oppositionheute keine so großen Töne <strong>zu</strong> spucken. Sie habenallen Grund, in sich <strong>zu</strong> gehen, und sollten hier keine solchenReden führen.(D)(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Thomas Oppermann [SPD]: Aber jetzt müssenTaten folgen!)Zu diesen beiden Punkten Deutschland als Vaterland,Europa als Zukunft kommt heute da<strong>zu</strong>: Der Euroist unsere Währung. Diese drei Positionen bestimmenunsere Politik. Wenn wir uns für den Euro einsetzen,wenn wir alles dafür tun, dass <strong>der</strong> Euro stabil bleibt,dann handeln wir schließlich auch im deutschen Interesse;denn <strong>der</strong> Euro ist die deutsche Währung. Diesewollen und werden wir erhalten. Da kann sich je<strong>der</strong> aufuns verlassen, meine sehr verehrten Damen und Herren.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Wir wissen, dass die inzwischen berühmt gewordenenMärkte auch die Solidarität in Europa testen. Ich kannnur sagen: Sie können sich darauf verlassen, dass wir,weil <strong>der</strong> Euro unsere Währung ist, schon aus ureigenemInteresse alles für den Euro tun werden. Wir werden denSpekulanten zeigen: Wir sind solidarisch in Europa. Wirwerden nicht <strong>zu</strong>lassen, dass <strong>der</strong> Euro attackiert wird.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Die Stabilität des Euro ist ganz entscheidend dafür,dass <strong>der</strong> Satz, dass Europa unsere Stärke und Zukunft ist,wahr wird. Der Euro wird nicht dadurch stark, wie esheute eine Journalistin in <strong>der</strong> Welt <strong>zu</strong> Recht schreibt,dass <strong>der</strong> Konsum national gesteuert wird und die Schuldenauf die europäische Ebene gehoben werden. Danngibt es nämlich keinen Anreiz mehr.Herr Kollege Steinmeier, was ist das für eine Argumentation?Sie haben mit uns allen dafür gestritten undgestimmt, dass wir die Schuldenbremse in das Grundgesetzbringen. Aber mit <strong>der</strong> Schuldenbremse ist das, wasSie vor wenigen Minuten hier an diesem Rednerpult gesagthaben, in keiner Weise vereinbar.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Lei<strong>der</strong>!)Sie sollten uns mehr darin unterstützen, dass wir auch inan<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n mehr Verständnis fürHaushaltsdisziplin und schuldenbremsende Politik bekommen,anstatt solche Reden <strong>zu</strong> führen, die niemanden


8828 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Volker Kau<strong>der</strong>(A)(B)in Europa da<strong>zu</strong> motivieren, die Haushalte (C) <strong>zu</strong> sanierenund Schulden <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>führen.Wenn ich sage, wir brauchen einen starken Euro, weilEuropa unsere Zukunft ist, dann sollten wir, wie dieBundeskanzlerin <strong>zu</strong> Recht angemerkt hat, in diesen Tagennicht nur auf die Rettung unserer Währung schauen.In diesen Monaten, Wochen und Tagen findet nämlicheine intensive weltweite Politik statt, bei <strong>der</strong> wir auf dieStärke Europas angewiesen sind. Ich möchte es von diesemPult einmal ausdrücklich sagen: Wir freuen uns darüber,dass Deutschland so stark und so gut aus <strong>der</strong> Kriseherausgekommen ist. Wir wissen aber auch, dass wirtrotz dieser Stärke die Dinge, die weltweit geregelt werdenmüssen, ohne Europa nicht regeln könnten. Dasheißt, wir brauchen Europa auch im eigenen Interesse.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> FDP)Wir können doch nicht <strong>zu</strong>schauen, wie <strong>der</strong> ganzeRohstoffmarkt auf einmal von China bearbeitet wird.Wir können doch nicht <strong>zu</strong>schauen, wenn China auf einmaleine Afrika-Politik macht, die mit dem, was wir inEuropa wollen, nicht harmoniert. Wir müssen doch sehen,dass wir bei den WTO-Verhandlungen unsere Interessendurchsetzen. Herr Steinmeier, Sie wissen ganz genau:An diesem Pult Regelungen für eine Beteiligung<strong>der</strong> Finanzmärkte <strong>zu</strong> for<strong>der</strong>n, ist etwas ganz an<strong>der</strong>es, alsdas europaweit o<strong>der</strong> weltweit durch<strong>zu</strong>setzen. Diese Regierungmüht sich.(Sören Bartol [SPD]: Wo denn?)Darin sollten Sie sie unterstützen, statt sie öffentlich <strong>zu</strong>attackieren. Das liegt in schwieriger Zeit im nationalenInteresse.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnenund Kollegen, wir haben deshalb allen Grund,<strong>der</strong> Bundeskanzlerin, dem Bundesaußenminister und unseremFinanzminister viel Erfolg bei <strong>der</strong> Durchset<strong>zu</strong>ngdes heute hier als richtig skizzierten Weges in den nächstenTagen in Brüssel <strong>zu</strong> wünschen. Wir begleiten die Arbeit<strong>der</strong> Bundesregierung in diesem Sinne.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Präsident Dr. Norbert Lammert:Das Wort erhält nun <strong>der</strong> Kollege Jürgen Trittin, FraktionBündnis 90/Die Grünen.wir finden, dramatischen Situation über die Handlungsvorschläge,Alternativen und konstruktiven Ideen <strong>der</strong>Bundesregierung <strong>zu</strong>r Lösung dieser Krise informiert <strong>zu</strong>werden. Mein Eindruck ist, dass Sie mit Ihrer Regierungserklärung<strong>der</strong> Dramatik <strong>der</strong> Situation überhauptnicht gerecht geworden sind.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei <strong>der</strong> SPD sowie <strong>der</strong> Abg. Dr. GesineLötzsch [DIE LINKE])Das reiht sich ein in die Geschichten <strong>der</strong> letzten Monate:Ihre Orientierungslosigkeit bei <strong>der</strong> Bankenrettung,Ihr Zögern bei <strong>der</strong> Griechenland-Hilfe, Ihre falschen Versprechungen,Weiteres würde nicht folgen, Ihre ultimativvorgetragenen For<strong>der</strong>ungen nach Stimmrechtsent<strong>zu</strong>g,nach Rausschmiss Einzelner aus <strong>der</strong> Euro-Zone all dieswar nicht nur europapolitisch fragwürdig, son<strong>der</strong>n es hatdie Krise auch verschärft und nicht vermin<strong>der</strong>t. Das istdas Problem.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten <strong>der</strong> SPD)Man könnte sagen: Das ist nicht so schlimm; denn wirhaben ja noch einen Bundesaußenminister.(Zuruf von <strong>der</strong> SPD: Was?)Liebe Kollegin Homburger, da Sie auf die Geschichteverwiesen, möchte ich auf eines aufmerksam machen,was Ihre Verantwortung und Ihre Ideen angeht: Der jetzigeBundesaußenminister hat am 4. Juli 2002 hier eineRede gehalten.(Otto Fricke [FDP]: 2002?) Da war er noch Ihr Fraktionsvorsitzen<strong>der</strong>, Herr Fricke,wenn Sie sich noch daran erinnern; ich weiß, Sie wollenihn loswerden, aber das ist die geschichtliche Wahrheit.(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)In dieser Rede hat er, als Vorhalt gegenüber <strong>der</strong> damaligenBundesregierung, gesagt: dann reden wir über 6,5 Prozent Wirtschaftswachstumwie beispielsweise in Irland. DerGrund ist ganz einfach: Irland hatte wie wir eineStaatsquote von etwa 50 Prozent, nach Jahren beträgtdie Staatsquote jetzt etwa ein Drittel. Da müssenwir in Deutschland auch hin Von Irland lernen heißt siegen lernen.(D)Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ichglaube, Herr Kollege Kau<strong>der</strong>, Sie haben versucht, durchLautstärke einen tiefen Zwist in Ihren eigenen Reihen <strong>zu</strong>übertönen.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,bei <strong>der</strong> SPD und <strong>der</strong> LINKEN)Das waren nicht unsere Rezepte, son<strong>der</strong>n Ihre Rezepte,und das ist <strong>der</strong> Grund, warum wir Irland heute rettenmüssen.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei <strong>der</strong> SPD Otto Fricke [FDP]: Das machenSie ja nicht!)(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,bei <strong>der</strong> SPD und <strong>der</strong> LINKEN Ernst Hinsken[CDU/CSU]: Warum schreien Sie denn so?)Liebe Frau Merkel, wir haben Sie um diese Regierungserklärunggebeten, weil wir <strong>der</strong> Auffassung sind,dass dieses Haus ein Anrecht darauf hat, in einer, wieNun kommt <strong>der</strong>selbe als Bundesaußenminister un<strong>der</strong>klärt öffentlich, Deutschland dürfe nicht <strong>zu</strong>m ZahlmeisterEuropas werden. Meine Damen und Herren, ei-


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8829Jürgen Trittin(A)(B)nen solchen Satz hätten Sie nie von einem AußenministerSteinmeier o<strong>der</strong> von einem Außenminister Fischer(C)gehört. Sie hätten ihn auch nie und nimmer von einemAußenminister Kinkel o<strong>der</strong> von einem AußenministerGenscher gehört; denn diese Außenminister haben sichals Anwälte Europas in Deutschland verstanden undnicht als Totalausfall.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei <strong>der</strong> SPD)Wie gehen Sie, Frau Bundeskanzlerin und HerrKau<strong>der</strong>, mit den Stimmen in Ihren eigenen Reihen um?(Zuruf von <strong>der</strong> SPD: Kubicki!)Da gibt es Herrn Dobrindt.(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Wen?)Er behauptet, wer für Euro-Bonds sei, <strong>der</strong> betreibe denVerrat deutscher Interessen und sei ein WegelagererEuropas. Er hat das zwar auf mich persönlich bezogen,aber er meint natürlich jemand an<strong>der</strong>en.(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Er hatschon Sie gemeint!)Er meint einen Parteifreund von Ihnen, meine Damenund Herren von <strong>der</strong> CDU/CSU-Fraktion, nämlich einMitglied <strong>der</strong> Europäischen Volkspartei, den konservativen,christdemokratischen Ministerpräsidenten Luxemburgsund Träger des Karlspreises, den Sie, verehrteFrau Bundeskanzlerin, <strong>zu</strong>m Vorsitzenden <strong>der</strong> Euro-Gruppe gemacht haben. Dieser sei ein Wegelagerer Europas.So weit ist diese Koalition mittlerweile europapolitischgesunken. Da hätte ich mir von Ihnen ein klärendesWort gewünscht.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordneten <strong>der</strong>LINKEN)Wir können die Debatte auch gerne fachlich führen.Schauen Sie sich einmal an, wer sich neben HerrnJuncker für dieses Instrument <strong>der</strong> Euro-Bonds eingesetzthat. Der Chef <strong>der</strong> konservativen EVP-Fraktion im EuropäischenParlament, Ihrer Schwester-, Bru<strong>der</strong>- o<strong>der</strong> Mutterpartei ich weiß nicht, wie es bei Ihnen heißt , hältdas für eine gute Idee. Der Chef <strong>der</strong> liberalen Fraktion,<strong>der</strong> ehemalige belgische Ministerpräsident GuyVerhofstadt er wurde von Frau Merkel einmal als Präsidentdes Rates ins Gespräch gebracht ,(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Sie hat ihn alsKommissionspräsidenten verhin<strong>der</strong>t! Das warihre europäische Großtat!)sieht es genauso.möchte ich sagen, dass dieser Vorschlag eines verdienthätte: dass die Bundesregierung ihn ernsthaft prüft undihn nicht auf Zuruf <strong>der</strong> Bild-Zeitung einfach vom Tischwischt. Das ist keine europäische Verantwortung.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordneten <strong>der</strong>LINKEN)Es hätte noch etwas da<strong>zu</strong> gehört, liebe Frau Merkel.Sie hätten <strong>der</strong> Öffentlichkeit erklären müssen, dass solcheAnleihen überhaupt nichts Neues sind. Womit hatdenn in den letzten Monaten die Europäische UnionUngarn und das Baltikum vor dem Staatsbankrott gerettet?Durch Euro-Bonds, die aufgenommen worden sindund bei denen wir den Zinsvorteil an diese Län<strong>der</strong> weitergegebenhaben. An dieser Stelle haben wir praktischeSolidarität geübt.Was ist <strong>der</strong> europäische Krisenmechanismus, die Stabilitätsfazilität?Nichts an<strong>der</strong>es. Es werden Anleihen amMarkt aufgenommen mit den Garantien <strong>der</strong> solventenEU-Staaten, wie wir es Gott sei Dank sind und auch bleibenwollen. Dieser Zinsvorteil wird dann an Län<strong>der</strong> wiebeispielsweise Irland weitergegeben. Was glauben Sie,was mit den Zinsen für Anleihen passiert, wenn es jetztsolventere Gläubiger als Irland gibt? Sie aber haben einsinnvolles Instrument <strong>zu</strong>r Steuerung hin <strong>zu</strong> mehr Stabilitäteinfach vom Tisch gewischt. Das ist <strong>der</strong> Grund, warumDeutschland unter Ihrer Kanzlerschaft, liebe FrauMerkel, mittlerweile so extrem unpopulär in <strong>der</strong> EuropäischenUnion ist.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei <strong>der</strong> SPD)Es kommt hin<strong>zu</strong>, dass Ihnen niemand Ihre Positionglaubt. Der Hintergrund dieser Krisen ist doch nichtüberborden<strong>der</strong> Staatskonsum. Das war allein in Griechenlanddas Problem; das ist aber nicht das Problem inIrland, Spanien o<strong>der</strong> Portugal. Die Haushaltsdefizite indiesen Län<strong>der</strong>n sind Ergebnisse <strong>zu</strong>m Beispiel <strong>der</strong> Finanzkriseo<strong>der</strong> des Zusammenbruchs <strong>der</strong> Baubranchenach dem Bauboom.Wenn Sie jetzt als teutonisches Sparmonster herumlaufen so werden Sie in vielen Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> EuropäischenUnion empfunden; es ist nicht meine Sicht , dannwerden Sie sich einer <strong>Frage</strong> stellen müssen: Wie war dasdenn im Jahr 2007? Im Jahre 2007 sind 2 Prozent unserergesamten Wirtschaftsleistung, 25 Prozent unseres gesamtenExportüberschusses in Spanien, Italien, Irland,Griechenland und Portugal erwirtschaftet worden. Dasheißt, wir haben als Wirtschaftsnation gut davon gelebt,dass an<strong>der</strong>e <strong>zu</strong>m Kauf unserer Produkte Kredite aufgenommenhaben, die sie dann nicht bedienen konnten.(D)Sie versuchen damit, eines vergessen <strong>zu</strong> machen,nämlich dass man Euro-Bonds durchaus so konstruierenkann, dass sie nicht zinssteigernd, son<strong>der</strong>n zinsbegrenzendwirken. Man kann sie so konstruieren, dass noch einRest übrig bleibt, <strong>der</strong> nur durch nationale Anleihen gedecktwerden kann und <strong>der</strong> einen sehr großen Druck aufdiejenigen ausübt, die diese Euro-Bonds dann in Anspruchnehmen. Ohne dass ich mir alles, was HerrJuncker aufgeschrieben hat, <strong>zu</strong> eigen machen will,(Beifall <strong>der</strong> Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul[SPD])Deswegen hat uns die Haltung, an<strong>der</strong>en nur Stabilität <strong>zu</strong>predigen, aber selber konstruktive Beiträge und Lösungen<strong>zu</strong> verweigern, in Europa unpopulär gemacht.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten <strong>der</strong> SPD und <strong>der</strong> LIN-KEN)


8830 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Jürgen Trittin(A)Wir brauchen einen Abbau <strong>der</strong> gesamtwirtschaftlichenUngleichgewichte; wir brauchen eine wirkliche(C)Wirtschaftsunion. Das sind die Schritte, vor denen Sie<strong>zu</strong>rückschrecken. Sie kommen mit <strong>der</strong> nationalen Regressionà la Westerwelle o<strong>der</strong> Dobrindt nicht aus dieserKrise heraus. Sie kommen nur mit mehr und nicht mitweniger Europa aus dieser Krise heraus.Noch etwas das ist auch ein Vorwurf an den KollegenSteinmeier : Sie beschäftigen sich beim Thema Europaimmer nur mit einer <strong>Frage</strong>, nämlich mit <strong>der</strong> <strong>Frage</strong><strong>der</strong> Gleichheit. Das ist Ihr wesentliches Problem. Siesind <strong>der</strong> Meinung, wenn alles gleich ist, ist alles gerecht,und wenn alles gleich ist, dann haben wir auch für Europagesorgt.Es geht bei dem, was ich sage, aber nicht nur um eine<strong>Frage</strong> <strong>der</strong> Wirtschaftspolitik. Kooperation in Europa istin unserem ureigenen Interesse. Für Helmut Kohl ginges bei <strong>der</strong> Einführung des Euro um ich zitiere eine<strong>Frage</strong> von Krieg und Frieden. Ich glaube, Helmut Kohlhatte recht. Die Einheit Europas in Frieden basiert aufwirtschaftlicher Zusammenarbeit. Wir müssen endlich<strong>zu</strong> einer gemeinsamen Wirtschafts- und Steuerpolitik indiesem gemeinsamen Europa kommen. Nur dann wirddie gemeinsame Währungsunion funktionieren. Nurdann hat dieses Europa eine Zukunft. Lieber HerrDobrindt, lieber Herr Westerwelle, das ist im InteresseDeutschlands, nicht das dumme Gerede vom Zahlmeister.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordneten <strong>der</strong>LINKEN)(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Quatsch!)Nach diesem Motto handeln Sie auf nationaler Ebene,indem Sie die Verschuldung hochfahren.(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Oh, Herr Fricke, Sie waren schoneinmal besser!)Das ist es, was Sie auch auf europäischer Ebene amliebsten wollen.Man kann an dieser Stelle nur davor warnen. WennSie für Euro-Bonds reden Herr Steinmeier hat das getan,und Sie haben es letztlich auch getan , dann sagenSie den Bürgern auch, was Euro-Bonds für den deutschenHaushalt bedeuten.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]:0,3 Prozent!)(B)Präsident Dr. Norbert Lammert:Der Kollege Otto Fricke ist <strong>der</strong> nächste Redner für dieFDP-Fraktion.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU)Otto Fricke (FDP):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr KollegeTrittin, ich will Ihnen etwas <strong>zu</strong> <strong>der</strong> <strong>Frage</strong> vonKrieg und Frieden sagen. Es gibt in <strong>der</strong> Nähe von Nowgorodeinen kleinen Gedenkstein, auf dem <strong>der</strong> Namemeines Großvaters steht: Otto Fricke. Ich will Ihnen einessagen: Mein Vater und viele in seiner Generationsind ohne Vater aufgewachsen. Das lag daran, dass Europanicht funktioniert hat. Meine Fraktion, die Koalitionund die Regierung haben das begriffen. Sie versuchenan <strong>der</strong> Stelle, den Außenminister <strong>zu</strong> geben, obwohlSie das nie sein werden; das müssen Sie irgendwann einmallernen.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU Zurufevom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)Was hat <strong>der</strong> Kollege Trittin noch gemacht? Er hat versucht,<strong>zu</strong> sagen, dass es nicht im europäischen Sinne sei,wenn man die Interessen des deutschen Steuerzahlersberücksichtigt. Herr Kollege Trittin, da muss ich ehrlicherweisesagen: Ja, so denken Sie. Sie werden das Menetekelvon Rot-Grün, den Stabilitätspakt aufgeweicht<strong>zu</strong> haben, nie verlieren. Da können Sie so viel wischen,wie Sie wollen: Die grüne Farbe wird weiterhin an <strong>der</strong>Aufweichung des Stabilitätspaktes kleben; Sie werdenweiterhin nicht in <strong>der</strong> Lage sein, an <strong>der</strong> Stelle Lösungen<strong>zu</strong> finden.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> CDU/CSU)Sie bedeuten wir konnten es in <strong>der</strong> FAZ lesen 17 Milliarden Euro jährlich an <strong>zu</strong>sätzlichen Zinsausgaben.17 Milliarden Euro! Das ist das, was Sie vom deutschenSteuerzahler haben wollen.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> CDU/CSU Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehen Sie sich einmal denSchäuble an!)Man muss einmal klarmachen, wer <strong>der</strong> deutsche Steuerzahlerist. Das sind nicht nur irgendwelche Unternehmen,denen Sie etwas wegnehmen wollen. Das sindnicht nur irgendwelche fleißigen Selbstständigen o<strong>der</strong>Arbeitnehmer, die Lohn- und Einkommensteuer zahlen.Das ist auch <strong>der</strong> Schüler, <strong>der</strong> sich morgens etwas kauft.Das ist auch <strong>der</strong> Rentner, <strong>der</strong> versucht, mit seiner Renteaus<strong>zu</strong>kommen.(Sören Bartol [SPD]: Peinliche Rede!)Das sind auch diejenigen, die Mehrwertsteuer zahlen.Das sind wir alle. Uns alle haben Sie genauso <strong>zu</strong> schützen.Jetzt <strong>zu</strong>m Thema Europa: Wenn Sie wirklich wollen,dass wir ein <strong>zu</strong>kunftsfähiges, ein starkes, ein stabilesEuropa haben, dann müssen Sie die Tatsache akzeptieren diese Wahrheit müssen Sie den Bürgern sagen , dass<strong>zu</strong> einem stabilen Europa gehört, dass man spart. DieBundesrepublik Deutschland hat das getan. Deswegenspreche ich <strong>der</strong> SPD ausdrücklich meine Anerkennungdafür aus, dass sie bei <strong>der</strong> Schuldenbremse mitgemachthat. Die Schuldenbremse ist <strong>der</strong> Kern. Ihre Aufgabe istes jetzt, nachdem Sie sie auf nationaler Ebene mitgemachthaben hoffentlich stehen Sie noch da<strong>zu</strong> , dieserBundesregierung <strong>zu</strong> helfen, damit sie sie auch auf europäischerEbene erreicht. Ihre Verantwortung ist genauso(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8831Otto Fricke(A)(B)groß wie die <strong>der</strong> vielen an<strong>der</strong>en Demokraten (C) in diesemLand.Herzlichen Dank.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU)Präsident Dr. Norbert Lammert:Das Wort erhält nun <strong>der</strong> Kollege Axel Schäfer für dieSPD-Fraktion.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)Axel Schäfer (Bochum) (SPD):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Während <strong>der</strong> Kollege Fricke etwas von <strong>der</strong> SPD einfor<strong>der</strong>te,hat das FDP-Vorstandsmitglied Chatzimarkakissoeben erklärt: Frau Merkel hat in <strong>der</strong> Europapolitik totalversagt.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Das ist alles nach<strong>zu</strong>lesen. Herr Chatzimarkakis ist Mitglieddes Europäischen Parlaments.Herr Schäffler(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Auch ein FDPler!)hat <strong>zu</strong>m Thema CDU erklärt, Herr Kollege Kau<strong>der</strong>:Schäuble führt die EU in den Geldsozialismus. Das istdie europapolitische Realität dieser Koalition.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Kollege Fricke, Sie haben aus <strong>der</strong> FAZ zitiert. Ichweiß, dass sie das Leitblatt, Ihr Leib- und Magen-Blattvon ganz vielen auf dieser Seite des Hauses ist.(Otto Fricke [FDP]: Aber nicht von mir!)Passen Sie auf, wo Sie sich hinbegeben. Die FAZ hat amSonntag geschrieben: Deutsche sollen wie<strong>der</strong> mehrzahlen. Deutlicher wird sie im Innenteil: Wir Deutschesollen noch mehr zahlen, weil die Euro-Bonds17 Milliarden Euro kosten. Deshalb <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong>rD-Mark? Um das Ganze <strong>zu</strong> toppen ich zitiere nocheinmal , stehen in <strong>der</strong> FAZ auf Seite 49 Tipps für Spekulanten.Das ist die europäische Wirklichkeit einerLeitzeitung in Deutschland, auf die Sie sich beziehen.Populisten hinbekommen haben, die sogenannte Subsidiaritätsrüge,hat viele Scherben verursacht. DieseScherben räumen <strong>zu</strong>rzeit die Berichterstatter <strong>der</strong> EVP-Fraktion, <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> Progressiven Allianz <strong>der</strong> Sozialistenund Demokraten, <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> Allianz <strong>der</strong>Liberalen und Demokraten, <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> Grünen und<strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> Vereinigten Europäischen Linken wie<strong>der</strong>auf, damit wir die spezifischen Interessen <strong>der</strong> Sparkassenauch europarechtlich geregelt bekommen. Dasbekommen wir nicht dadurch geregelt, dass wir hier soeinen Unsinn wie die Subsidiaritätsrüge beschließen.Das hat Deutschland geschadet. Für diesen Unsinn habenSie von den Grünen und von den Sozialdemokraten<strong>zu</strong> Recht keine Unterstüt<strong>zu</strong>ng erhalten. Interessanterweisehat die Linkspartei bei diesem Punkt geklatscht.Sie sehen, in welche Konstellationen Sie sich mit dieserPolitik begeben.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)Es gibt noch etwas viel Problematischeres, liebe FrauBundeskanzlerin. Von Ihnen wird über Vorschläge diskutiertund werden Initiativen auf den Weg gebracht, dabeiaber von vornherein gesagt, dass sie für Deutschlando<strong>der</strong> Frankreich nicht gelten sollen. Das Thema Stimmrechtsent<strong>zu</strong>gist bekanntlich nicht vom Tisch, son<strong>der</strong>nnur auf die lange Bank geschoben worden, obwohl docheigentlich alle Län<strong>der</strong> gleich sind Herr Fricke, das istimmer noch unser Anspruch. Man bringt dann damit alldiejenigen gegen sich auf, die man braucht, wenn es umdie gemeinsame europäische Solidarität geht.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Diese For<strong>der</strong>ung nach Stimmrechtsent<strong>zu</strong>g ist absurd.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ja!)Das wäre so, als würden wir in bestimmten Situationenin Deutschland sagen hier sitzen Vertreterinnen undVertreter des Bundesrates : Weil die finanzielle Lage imSaarland und in Bremen höchst schwierig ist, müssendem Saarland und Bremen die Stimmen im Bundesratentzogen werden. Das ist politisch absurd und aus verfassungsrechtlichenGründen in Deutschland nicht möglich.(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Da laufen Sie bei denen da drüben offeneTüren ein!)(D)(Beifall bei Abgeordneten <strong>der</strong> SPD OttoFricke [FDP]: Immerhin bestätigen sie die17 Milliarden!)Nehmen wir die Situation Deutschlands in Brüsseleinmal sehr genau unter die Lupe. Viele von Ihnen unduns sind fast jede Woche dort, reden mit Kolleginnenund Kollegen ihrer Fraktionen und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>.Die Situation <strong>der</strong> deutschen Europapolitik ist so katastrophal ich bin seit 1978 in vielen Funktionen dort unterwegs, wie wir es noch nie erlebt haben.Ich will Ihnen das an dem ganz simplen Beispiel <strong>der</strong>Einlagensicherung bei den Sparkassen deutlich machen.Das, was Sie hier im Hause mit großer Zustimmung vonIn <strong>der</strong> EU geht so etwas auch nicht.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten <strong>der</strong>LINKEN Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Bring sie da drüben nicht aufIdeen!)Von <strong>der</strong> europäischen Bürgerinitiative über die <strong>Frage</strong>,wie wir jetzt mit <strong>der</strong> Krise umgehen, bis <strong>zu</strong>m Thema europäischeWirtschaftsregierung, <strong>zu</strong> all diesen Punktengibt es von den Koalitionsfraktionen keinen Entschließungsantrag.Wir wun<strong>der</strong>n uns gar nicht darüber; dennSie haben da<strong>zu</strong> keine Positionen. Auch das gehört <strong>zu</strong> denWahrheiten <strong>der</strong> Europapolitik in diesem Hause.


8832 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Axel Schäfer (Bochum)(A)(B)(Beifall bei Abgeordneten <strong>der</strong> SPD) (C)Ich verspreche <strong>der</strong> Regierung eines: Was auch immerSie bei den Themen machen, an <strong>der</strong>en Behandlung dasEuropäische Parlament im Rahmen <strong>der</strong> Gesetzgebungbeteiligt ist: Wir werden uns als sozialdemokratischeFraktion des Deutschen Bundestages kooperativ mit unserenKolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlamenteinbringen. Wir wissen aus vielen Gesprächen: ImEuropäischen Parlament dort geht es um Mehrheiten haben Sie für die meisten Ihrer Vorstellungen keine Unterstüt<strong>zu</strong>ng.Unsere Vorstellungen entsprechen eher denen<strong>der</strong> Mehrheit. Das werden wir konsequent parlamentarischnutzen, weil Europa in dieser Krise mehrDemokratie, mehr Gemeinschaft braucht. Gemeinschaftist nur in europäischer Demokratie möglich. Das ist unsersozialdemokratischer Weg; diesen Weg gehen wir.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)Präsident Dr. Norbert Lammert:Nächster Redner ist <strong>der</strong> Kollege Hans-Peter Friedrichfür die CDU/CSU-Fraktion.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> FDP)Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU):Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! So flach, so seicht und so schlicht, wie diese Debattevonseiten <strong>der</strong> Opposition geführt wird, wird sie <strong>der</strong>historischen Herausfor<strong>der</strong>ung und <strong>der</strong> historischen Phase<strong>der</strong> europäischen Integration, in <strong>der</strong> wir uns in diesenWochen und Monaten befinden, nicht gerecht.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Heben Siedas Niveau jetzt an?)In je<strong>der</strong> Krise, so heißt es, liegt eine Chance. Ja, Krisenbeschleunigen Prozesse, positiv wie negativ.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das wartoll!)Eine Chance liegt aber nur dann in <strong>der</strong> Krise, wenn manDefizite benennt und sie beseitigt.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das istnicht flach? Carsten Schnei<strong>der</strong> [Erfurt][SPD]: Genau!)haben weltweit inzwischen über 40 Län<strong>der</strong> ihre Währungan den Euro angebunden. Wir sind auch stolz darauf,dass das deutsche Modell einer unabhängigen Zentralbankauf europäischer Ebene seinen Nie<strong>der</strong>schlaggefunden hat.Lieber Herr Kollege Steinmeier, ich finde es unverantwortlich,dass Sie versuchen, die EZB <strong>zu</strong> beschädigenund in den Schmutz <strong>zu</strong> ziehen.(Carsten Schnei<strong>der</strong> [Erfurt] [SPD]: Der Bundesbankpräsidentwar das!)Das ist nicht in Ordnung; das ist nicht patriotisch.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> FDP Carsten Schnei<strong>der</strong> [Erfurt][SPD]: Dass Sie das <strong>zu</strong>lassen, ist eine Frechheit!)Wir müssen jetzt den Beweis dafür erbringen, dasswir auch politisch in <strong>der</strong> Lage sind, Defizite <strong>zu</strong> benennenund <strong>zu</strong> beseitigen.(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Haben Sie schoneinmal mit Herrn Trichet gesprochen?)Wir erleben das seit einigen Monaten in Griechenland.Die griechische Regierung ist dabei, ihre Ausgaben um4 Prozent und die Nettoneuverschuldung um 6 Prozent<strong>zu</strong> reduzieren. Sie hat in all den Bereichen, in denenStrukturverän<strong>der</strong>ungen notwendig waren, Kür<strong>zu</strong>ngenvorgenommen. Wir erleben das in Irland, wo die Neuverschuldungim nächsten Jahr massiv <strong>zu</strong>rückgefahrenwerden soll. Wir erleben das in Spanien und Portugal,die in den beiden kommenden Jahren ihre Ausgaben umjeweils 3 Prozent reduzieren werden. In je<strong>der</strong> Krise liegteine Chance, wenn man die Defizite benennt und beseitigt.Herr Trittin, man wird natürlich nicht beliebt,(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ja, dasmerkt man! Das zeigt Ihr Beitrag!)wenn man Defizite aufdeckt und for<strong>der</strong>t, sie <strong>zu</strong> beseitigen.Aber Europa braucht in dieser Phase keine Politiker,die geliebt werden wollen, son<strong>der</strong>n Politiker, dieVerantwortung für die Stabilität in Europa übernehmen.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Zurufvon <strong>der</strong> SPD: Das sollten Sie lieber <strong>der</strong>Bundeskanzlerin <strong>zu</strong>rufen!)(D)Wir haben 2008 eine Nagelprobe für unsere Banken inEuropa, in <strong>der</strong> Welt erlebt, durch die Defizite aufgedecktwurden. Wir haben anschließend erlebt, dass die Wirtschafteiner Nagelprobe ausgesetzt wurde, durch die Defiziteaufgedeckt wurden.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Auchseicht! Sehr konkret!)Wir sehen jetzt, dass die Staaten einem Stresstest ausgesetztwerden. Dabei geht es darum, Defizite <strong>zu</strong> benennenund <strong>zu</strong> beseitigen.Wenn wir das tun, wenn wir Defizite aufdecken undsie beseitigen, dann wird <strong>der</strong> Euro stärker aus <strong>der</strong> Krisehervorgehen, als er es vorher war. Unser Euro hat in denletzten Jahren für Stabilität in Europa gesorgt. ÜbrigensWir werden das ist das Ziel <strong>der</strong> nächsten Tage undWochen einen neuen europäischen Krisenmechanismuserarbeiten, <strong>der</strong> den vorläufigen Krisenmechanismusweiterentwickelt, <strong>der</strong> für Irland so<strong>zu</strong>sagen ad hoc in einerNotsituation geschaffen wurde und sich auf den Bereich<strong>der</strong> Euro-Zone beschränkt, <strong>der</strong> in den Verträgenalso in einem Bereich angesiedelt ist, <strong>der</strong> nur die Euro-Staaten betrifft; ich halte das für wichtig.Dieser neue Krisenmechanismus wird gegenüber demMechanismus, <strong>der</strong> bisher für Irland gilt, modifiziert undverbessert; ich denke, auch das ist wichtig. Entscheidendist, dass auch <strong>der</strong> neue Mechanismus die Aufgabe, aufdie es ankommt, nämlich Defizite auf<strong>zu</strong>decken und <strong>zu</strong>beseitigen, erfüllt. Das ist auch die Anfor<strong>der</strong>ung an denRettungsschirm. Dabei ist es völlig irrelevant, wie groß


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8833Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)(A)(B)dieser Schirm ist, son<strong>der</strong>n wichtig ist, dass er(C)die Aufgaben,die er wahr<strong>zu</strong>nehmen hat, erfüllen kann.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> FDP)Da<strong>zu</strong> gehört auch die Beteiligung des IWF. Ich denke,dass <strong>der</strong> Internationale Währungsfonds sowohl in Be<strong>zu</strong>gauf Griechenland als auch in Be<strong>zu</strong>g auf Irland mit seinerExpertise und seinen Möglichkeiten hilfreich gewirkthat.Wir werden die Gläubigerbeteiligung einführen, dienichts weiter bedeutet, als dass die Möglichkeit, dass einStaat insolvent wird und pleitegeht, aufrechterhaltenwird. Innerhalb des Mechanismus kann ein solcher Staatallerdings aufgefangen werden, und ihm kann die Möglichkeitgegeben werden, sich <strong>zu</strong> sanieren und <strong>zu</strong> entschulden;das ist entscheidend.Meine Damen und Herren, Europa geht den Weg ineine Stabilitätsunion, und Deutschland geht voraus, <strong>zu</strong>sammenmit Frankreich, mit den Nie<strong>der</strong>landen, mit Österreichund all den Län<strong>der</strong>n in Europa, die größtes Interessean <strong>der</strong> Stabilität unserer gemeinsamen Währunghaben. Das gilt übrigens auch für diejenigen Län<strong>der</strong>, dieauf dem Weg <strong>zu</strong>m Euro sind, <strong>zu</strong>m Beispiel für Polen undTschechien, ob in naher o<strong>der</strong> ferner Zukunft. All dieseStaaten haben ein gemeinsames Interesse an einer stabilengemeinsamen Währung. Wer gehört hat, welchesHohelied <strong>der</strong> schwedische Außenminister vor zwei Wochenauf den Euro und seine Stabilität gesungen hat, <strong>der</strong>weiß: Man schaut auf Europa. Man schaut auf die Euro-Zone und darauf, wie wir die Stabilität des Euros aufrechterhalten.Die heilende Wirkung des Krisenmechanismus(Lachen des Abg. Dr. Diether Dehm [DIELINKE])mit <strong>der</strong> Zielset<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> Aufdeckung und Beseitigungvon Defiziten wäre sofort, von heute auf morgen, beendet,wenn wir Euro-Bonds einführen würden.Die Arbeit am Wachstums- und Stabilitätspakt wirdweitergehen. Es wird auch in <strong>der</strong> Zukunft eine wichtigeAufgabe bleiben, die Sanktionen <strong>zu</strong> verschärfen, die Statistikennoch klarer, ehrlicher und transparenter <strong>zu</strong> machenund insgesamt mehr auf Indikatoren wie die Entwicklung<strong>der</strong> Gesamtverschuldung <strong>zu</strong> achten. DieseDinge sind nicht vom Tisch, son<strong>der</strong>n sie müssen in dennächsten Monaten umgesetzt und politisch tragfähig gemachtwerden.Wir brauchen noch mehr Koordinierung. Aber IhreFor<strong>der</strong>ung, Herr Trittin, nach einer Vergemeinschaftung<strong>der</strong> Haushalts-, Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europabzw. im Euro-Land weise ich <strong>zu</strong>rück.(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nichts begriffen!)Das muss auch in <strong>der</strong> Zukunft eine Aufgabe <strong>der</strong> nationalenRegierungen sein, unter Kontrolle <strong>der</strong> nationalenParlamente.(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Das ist <strong>der</strong> Kern <strong>der</strong> Kontroverse!)Auch künftig muss <strong>der</strong> Europäische Rat <strong>der</strong> Ort sein, andem die gemeinsame Koordinierung <strong>der</strong> nationalen Politikenstattfindet. Daran kann und darf es auch in <strong>der</strong> Zukunftkeinen Zweifel geben.(Beifall bei Abgeordneten <strong>der</strong> CDU/CSU und<strong>der</strong> FDP)Ja, wir brauchen eine stärkere Koordinierung, und wirmüssen Wege dafür finden, die Idee <strong>der</strong> deutschen Stabilitätskulturauf an<strong>der</strong>e Staaten innerhalb des Euro-Raums <strong>zu</strong> übertragen. Das ist ohne <strong>Frage</strong> richtig; da habenSie recht. Ich denke, man darf dabei auch diejenigennicht ausschließen, die Interesse daran haben, diesenWeg <strong>der</strong> Stabilität mit uns <strong>zu</strong> gehen, auch wenn sie denEuro noch nicht eingeführt haben, namentlich Polen,aber auch, wie gesagt, Tschechien und die an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>,die dieses Interesse haben.(D)(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Es irritiert mich sehr, dass die Einführung von Euro-Bonds plötzlich sowohl vonseiten <strong>der</strong> SPD als auch vonseiten<strong>der</strong> Grünen gefor<strong>der</strong>t wird. Das gibt mir eine Vorstellungdavon, wie das Klima wohl damals in <strong>der</strong> rotgrünenKoalition war, als man mir nichts, dir nichts undohne mit <strong>der</strong> Wimper <strong>zu</strong> <strong>zu</strong>cken den Stabilitätspakt aufgeweichthat(Volker Kau<strong>der</strong> [CDU/CSU]: Genau! Das warJoschka Fischer!)und als man, ohne Wi<strong>der</strong>stand <strong>zu</strong> leisten, <strong>der</strong> AufnahmeGriechenlands in die Euro-Zone <strong>zu</strong>gestimmt hat. Das istIhre Politik von damals, aus <strong>der</strong> Sie bis heute nichts gelernthaben. Deswegen sind wir froh, dass Sie in <strong>der</strong> Oppositionsind.Die Menschen in Deutschland und in ganz Europa habensich gewünscht, dass sie einen Euro bekommen, <strong>der</strong>so stark ist wie die D-Mark. Der Euro ist heute stärkerals die D-Mark.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Gerade weiler so stark ist, können Sie die Euro-Bonds machen!)Dafür, dass er das auch bleibt und dass er weiterhin diestabile Währung ist, auf die übrigens viele auch außerhalbvon Europa ihre Hoffnung setzen, bürgen AngelaMerkel und diese Bundesregierung mit ihrem Kurs.Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, deswegen wünschenwir Ihnen alles Gute, viel Glück und eine glücklicheHand bei <strong>der</strong> Aufgabe, die Ihnen in den nächstenbeiden Tagen bevorsteht.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Von Europakeine Ahnung!)Vielen Dank.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)


8834 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010(A)(B)Präsident Dr. Norbert Lammert: (C)Dr. Diether Dehm ist <strong>der</strong> nächste Redner für die FraktionDie Linke.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Dr. Diether Dehm (DIE LINKE):Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!Viel <strong>zu</strong> kurzfristig hat <strong>der</strong> Bundestag erfahren, dassmorgen auf dem Europäischen Rat ein Beschluss <strong>zu</strong>rÄn<strong>der</strong>ung des Vertrages über die Arbeitsweise <strong>der</strong> EuropäischenUnion AEUV gefasst werden soll. Das istganz sicher ein Vorhaben nach dem Zusammenarbeitsgesetz.Hier spreche ich Sie an, Herr Lammert, <strong>der</strong> Siesich, wie man hört, auch in Ihrer Partei oft beherzt fürdie Rechte nach diesem Zusammenarbeitsgesetz einsetzen.(Volker Kau<strong>der</strong> [CDU/CSU]: Das ist bei uns ganznormal und nichts Außergewöhnliches!)Darüber hätte die Bundesregierung den Bundestag rechtzeitiginformieren müssen,(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)und sie hätte dem Parlament rechtzeitig die Möglichkeit<strong>zu</strong>r vorherigen Stellungnahme geben müssen. Das hatsie nicht getan. Frau Bundeskanzlerin, damit haben Sieein weiteres Mal Ihre gesetzlichen und verfassungsmäßigenPflichten grob verletzt.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Der Vertrag von Lissabon ist jetzt gerade einmal einJahr in Kraft. Alle Probleme <strong>der</strong> EU sollten damit gelöstwerden, und er sollte lange Zeit unverän<strong>der</strong>t bleiben.Das verkündeten die Bundesregierung, aber auch SPDund Grüne damals mit viel Pathos. Das alles ist jetztSchall und Rauch. Schon jetzt än<strong>der</strong>n Sie das Vertragsrechtradikal, indem Sie die Bail-out-Klausel außer Kraftsetzen.Die Ursachen für die Finanzkrise bleiben also unangetastet,<strong>zu</strong>m Beispiel dieser irrsinnige Art. 63 AEUV,wodurch jegliche Beschränkung des turbokapitalistischenFinanzverkehrs verboten wird. Der US-MilliardärWarren Buffett, den Sie ja oft wegen seiner Spenden loben,nannte diese Spekulationsgeschäfte Zitat finanzielleMassenvernichtungswaffen. Sagen wir es einmalklar: Die Profiteure von Hunger, Massenarbeitslosigkeit,Krieg und Finanzkrise lassen Sie unangetastet.schen Löhne entwickeln sich auch jetzt wie<strong>der</strong> nach unten und damit durch das Herabpressen <strong>der</strong> Kaufkraftcharakterisiert ist, schießt sich selbst ins Knie und produziertimmer mehr Zahlungsunfähigkeit in <strong>der</strong> EU.Frau Homburger und Herr Fricke, Herr Kubicki hatdie FDP ja mit <strong>der</strong> DDR im Zerfallsprozess verglichen.Ich kann Ihnen nur eines sagen: Soeben meldet n-tv, dieSüdwest-FDP for<strong>der</strong>e den Rücktritt von Westerwelle.Herr Westerwelle, ich weiß nicht, ob Sie das schon mitbekommenhaben.(Zurufe von <strong>der</strong> LINKEN: Er ist schon weg!) Der ist schon weg; das ist richtig. Einigen wir uns darauf.Eines jedenfalls ist klar: Wenn ich Sie höre, HerrFricke und Frau Homburger, dann kommt mir das tatsächlichvor wie weiland Erich Honecker mit einerkleinen Än<strong>der</strong>ung : Den Neoliberalismus in seinemLauf halten we<strong>der</strong> Ochs noch Esel auf.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Wenn es mit dem Neoliberalismus in seinem Lauf abwärtsging, haben sich schon mancher Ochs und mancherEsel daran versucht, diese Fahrt abwärts ab<strong>zu</strong>bremsen.Der Neoliberalismus ist hoffnungslos verloren.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN Otto Fricke [FDP]:Ich sage nur: Überholen ohne ein<strong>zu</strong>holen!)Meine Damen und Herren, wir wollen mit unseremEntschließungsantrag ein transparentes Än<strong>der</strong>ungsverfahrendes Vertrags erreichen. Sie wollen ein sogenanntesvereinfachtes Verfahren, weil Sie die Öffentlichkeitscheuen wie <strong>der</strong> Vampir das Tageslicht.(Heiterkeit des Abg. Axel Schäfer [Bochum][SPD])Sie wollen heute eine vertragswidrige intransparente Ermächtigungfür einen sogenannten Stabilisierungsmechanismus<strong>zu</strong>r Fortset<strong>zu</strong>ng Ihrer EU-Politik für Ackermannund die Superreichen.(Otto Fricke [FDP]: Und Sie wollen über IhreZeit reden!)Wer Euro-Bonds jetzt so dogmatisch verweigert,treibt die EU auseinan<strong>der</strong>. Sie, Frau Merkel, sind eineAntieuropäerin par excellence.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)(D)(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Ohne die Einführung einer sozialen Fortschrittsklausel,wie Sie von Gewerkschaften, Christen, Attac undden Linken gefor<strong>der</strong>t wird, zerreißen Sie die EU. Das istkeine Science-Fiction-Vision: Da brennende Autos inden Vorstädten von Paris und Athen, hier gut bewachtePaläste. Ihre EU bleibt die EU <strong>der</strong>er, die sich Parteispendenin Höhe <strong>der</strong> Allfinanz und <strong>der</strong> Familie Quandt leistenkönnen.Die aggressive deutsche Exportstrategie, die durchein immer weiteres Herabpressen <strong>der</strong> deutschen Lohnstückkosten die Lohnstückkosten und damit die deut-Präsident Dr. Norbert Lammert:Herr Kollege.Dr. Diether Dehm (DIE LINKE):Ich komme <strong>zu</strong>m Schluss. Letztlich wird diese Krise<strong>zu</strong>r Verstaatlichung des gesamten Kreditsektors führen,nicht nur <strong>der</strong> Schrottbanken, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> DeutschenBank als Diktatorin deutscher Wirtschaftspolitikseit 1933; denn wenn Kredite das Blut <strong>der</strong> Wirtschaftsind, dann dürfen wir die Blutbank nicht mehr längerden Vampiren überlassen.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8835(A)Präsident Dr. Norbert Lammert: (C)Michael Stübgen ist <strong>der</strong> nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU)län<strong>der</strong>n und Euro-Län<strong>der</strong>n verhin<strong>der</strong>n <strong>zu</strong> können. Daraufmuss man hinweisen.(Beifall bei Abgeordneten <strong>der</strong> CDU/CSU und<strong>der</strong> FDP)(B)Michael Stübgen (CDU/CSU):Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich möchte am Schluss dieser Debatte versuchen,unsere Aufmerksamkeit noch einmal darauf <strong>zu</strong>lenken, was morgen beim Europäischen Rat <strong>zu</strong>r Entscheidungansteht. Es geht um Folgendes Herr Dehm,hören Sie genau <strong>zu</strong> : Der Rat strebt eine politische Einigungauf eine kleine Vertragsän<strong>der</strong>ung nach Art. 48 desVertrages über die Arbeitsweise <strong>der</strong> Europäischen Unionin Art. 136 AEUV, den Euro-Artikel, an. Der formelleBeschluss über die Vertragsän<strong>der</strong>ung soll im März nächstenJahres gefasst werden. Selbstverständlich werden wirdafür sorgen, dass <strong>der</strong> Bundestag im Vorfeld so wie esdas Integrationsverantwortungsgesetz vorschreibt dasEinvernehmen mit <strong>der</strong> Bundesregierung <strong>zu</strong> dieser Vertragsän<strong>der</strong>ungherstellt. Aber wir sind jetzt schon in <strong>der</strong>Lage, ziemlich genau über das, was geplant ist, <strong>zu</strong> diskutieren.Da will ich zwei Anmerkungen machen. Ich höre ständigdie Behauptung, die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionenhätten in den letzten Monaten keinen klarenKurs darüber gehabt, was wir in Europa än<strong>der</strong>nmüssen. Ich will Sie daran erinnern: Nachdem wir imMai dieses Jahres sehr kurzfristig und sehr schnell deneuropäischen Rettungsschirm beschlossen haben, habenwir von Anfang an in aller Klarheit darauf hingewiesen,dass erstens dieser europäische Rettungsschirm nurein befristetes Notinstrument sein kann und dass zweitens wir darangehen müssen, im sekundärrechtlichenTeil des Vertrages den Stabilitätsvertrag deutlich <strong>zu</strong> verschärfen,deutlich <strong>zu</strong> verän<strong>der</strong>n. Aber wir haben auchvon Anfang an klargemacht, dass es notwendig sein wird,eine Vertragsän<strong>der</strong>ung an<strong>zu</strong>streben.Des Weiteren haben wir immer gesagt, dass es nichtausreichen wird, nur sekundärrechtliche Än<strong>der</strong>ungenvor<strong>zu</strong>nehmen, son<strong>der</strong>n um eine dauerhafte Einrichtungdes Stabilitätsmechanismus <strong>zu</strong> ermöglichen, <strong>der</strong> ausreichendvertraglich fixiert ist, und um dauerhaft in <strong>der</strong>Lage <strong>zu</strong> sein, notleidenden Staaten <strong>zu</strong> helfen, müssenwir auch eine Vertragsän<strong>der</strong>ung anstreben. Genau diesekleine Vertragsän<strong>der</strong>ung wird diskutiert.Die Euro-Gruppe und <strong>der</strong> letzte Ecofin-Rat haben sehrkonkrete Vorschläge gemacht, die in etwa auch morgen<strong>zu</strong>r Debatte und <strong>zu</strong>r Beschlussfassung vorliegen werden.Das führt da<strong>zu</strong>, dass wir <strong>zu</strong>m einen den Stabilitätsmechanismusdauerhaft sichern. Zum Zweiten wollen wir festlegen,dass bei Verlust <strong>der</strong> Schuldentragfähigkeit einesEuro-Mitgliedslandes ein geordnetes Umstrukturierungsverfahrenmit Einbeziehung <strong>der</strong> privaten Gläubiger ermöglichtund auch in den Zusatzverträgen vertraglichfestgelegt wird.Diese Vertragsän<strong>der</strong>ung wollen wir bis <strong>zu</strong>m Jahr 2012umsetzen. Wir sind dabei auf einem guten Weg. Vor wenigenWochen allerdings das muss ich ehrlich sagen sah es nicht so aus, als ob wir da<strong>zu</strong> in <strong>der</strong> Lage sein würden.Wirklich verwirrend und schwierig ist aber in <strong>der</strong> öffentlichenDiskussion <strong>zu</strong>rzeit die Tatsache, dass es eineunüberschaubare Vielzahl von mehr o<strong>der</strong> weniger durchdachtenVorschlägen gibt, wie man mit <strong>der</strong> Euro-Kriseumgehen könnte. Ich will nur auf zwei Tickermeldungenvon heute Morgen hinweisen. Reuters schreibt: Steinbrückund Steinmeier plädieren für Eurobonds. Zeitgleichschreibt die dapd, Steinmeier habe im ZDF-Morgenmagazingesagt, mit Euro-Bonds sei das Problem nicht <strong>zu</strong> lösen. Es scheint ja sehr gradlinig <strong>zu</strong> sein, was Sie wollen.(D)(Otto Fricke [FDP]: Sehr wahr!)Ich kann mich daran erinnern, dass viele Leute inganz Europa gesagt haben: Bloß keine Vertragsän<strong>der</strong>ung;das ist alles sehr kompliziert. Wir haben daranfestgehalten, dass es sein muss.Was ist seit Mai/Juni dieses Jahres passiert? Seit Septemberliegt <strong>der</strong> Vorschlag <strong>der</strong> Europäischen Kommission,das sogenannte Governance Package, vor, eine Anzahlvon Verordnungen und Richtlinien, die <strong>zu</strong> einernachhaltigen Verschärfung des Stabilitätspakts in Europaführen werden. Es gibt seit Oktober einen einstimmigenVorschlag <strong>der</strong> Task Force des Europäischen Rates, <strong>der</strong> ineinzelnen Teilen minimal an<strong>der</strong>s ist als <strong>der</strong> Vorschlag <strong>der</strong>Europäischen Kommission. Wir werden in <strong>der</strong> Lage sein,bis <strong>zu</strong>m Sommer des nächsten Jahres so ist <strong>der</strong> Zeitplandes Europäischen Parlaments, <strong>der</strong> Fachministerräte und<strong>der</strong> Europäischen Kommission diese sekundärrechtlicheÄn<strong>der</strong>ung durch<strong>zu</strong>setzen. Das ist ein Quantensprungin unserem Bemühen darum, in Zukunft ähnlicheSchwierigkeiten und Katastrophen auf den Finanzmärktenbzw. ähnliche Verschuldungssituationen in Mitglieds-(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Sie hätteneben <strong>zu</strong>hören müssen! Da habe ich es gesagt!)Wir haben heute von Herrn Steinmeier gehört, dass ersich für limitierte Euro-Bonds ausspricht. Haben Sie denVorschlag von Jean-Claude Juncker nicht gelesen? Daringeht es um limitierte Euro-Bonds. Also wollen Sie dieEuro-Bonds, wie Juncker sie vorschlägt. Des Weiterenfor<strong>der</strong>n Sie einen intelligenten Haircut. Haben Sie nichtgelesen, was die Euro-Finanzminister beschlossen haben?Das geplante Vorgehen bei Verlust <strong>der</strong> Schuldentragfähigkeiteines Landes sieht einen intelligenten Haircutvor. Was wollen Sie mehr? Sie könnten dann doch aber da<strong>zu</strong> werden Sie sich sicherlich nicht durchringenkönnen unseren Vorschlägen <strong>zu</strong>stimmen.Ich will noch kurz auf einen breit diskutierten Vorschlageingehen, den <strong>der</strong> Premierminister von Luxemburg,Jean-Claude Juncker, vor kurzem gemacht hat: die Einführung<strong>der</strong> sogenannten Euro-Bonds. Im Übrigen ist dieserVorschlag von Jean-Claude Juncker nahe<strong>zu</strong> identischmit dem Vorschlag des Brüsseler Instituts Bruegel.


8836 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Michael Stübgen(A)(B)Gestatten Sie mir drei kurze Anmerkungen (C) da<strong>zu</strong> dasmuss man wissen, bevor man lauthals Euro-Bonds for<strong>der</strong>t: Erstens würde die Einführung <strong>der</strong> Euro-Bondseindeutig eine große Vertragsän<strong>der</strong>ung bedeuten. Wirbräuchten da<strong>zu</strong> auf europäischer Ebene einen Konvent,eine Regierungskonferenz(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Die werdetihr sowieso machen!)und zig verschiedene Referenden. Ich erinnere nur daran,wie lange wir gebraucht haben, um den Lissabon-Vertrag um<strong>zu</strong>setzen, <strong>der</strong> einst als Verfassungsvertrag geplantwar. Das dauert Jahre. Wir haben aber nicht jahrelangZeit, <strong>zu</strong> diskutieren. Wir müssen jetzt entscheiden.Zweitens das ist schon mehrfach angesprochen worden: Wenn wir Euro-Bonds bekämen, würden sie mitSicherheit sofort <strong>zu</strong> einer deutlichen Steigerung <strong>der</strong>deutschen Zinslast und damit <strong>zu</strong> Milliarden Mehrausgabenvon Bund, Län<strong>der</strong>n und Gemeinden führen. Dasmuss man den Menschen sagen, bevor man sie als kommendesHeilsinstrument beschreibt.(Beifall bei Abgeordneten <strong>der</strong> CDU/CSU und<strong>der</strong> FDP)Drittens. Viele glauben das ist eine trügerischeHoffnung , dass die Spekulationen plötzlich aufhörenwürden, wenn wir Euro-Bonds bekämen. Ich sage Ihnenvoraus, dass das nicht passieren wird, und zwar aus folgendemGrund: Jean-Claude Juncker schlägt vor, dasssich die Euro-Bonds, das heißt die gemeinschaftlicheAbsicherung, auf bis <strong>zu</strong> 40 Prozent <strong>der</strong> Verschuldung <strong>der</strong>Nationalstaaten im Verhältnis <strong>zu</strong>m Bruttoinlandsproduktbeziehen sollen. Die <strong>Frage</strong> ist: Was ist mit dem Rest <strong>der</strong>Verschuldung? Nahe<strong>zu</strong> alle Euro-Län<strong>der</strong> haben einedeutlich höhere Verschuldung als 40 Prozent. Es würdewahrscheinlich nur Tage dauern, bis es <strong>zu</strong> Spekulationenauf den Kapitalmärkten und <strong>zu</strong> einer Diskussion darüberkommt, ob wir nicht auf 60, 80 o<strong>der</strong> 100 Prozent gehenmüssten. Dann wäre das Dilemma schlimmer als heute.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU)(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Dr. Michael Luther (CDU/CSU):Herr Bundestagspräsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Europa ist uns wichtig, Europa ist richtig. Dasist die richtige Antwort in einer globalen Welt.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Toll!)Europa ist auf einem guten Weg.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Klasse!)Europa hat sich bewährt und bewährt sich auch heutenoch.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Genau! Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIELINKE])Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat alle, auch uns inDeutschland, kalt getroffen. In Deutschland sind wir gutaus <strong>der</strong> Krise herausgekommen, weil wir die Zeichen <strong>der</strong>Zeit verstanden und gesagt haben: Wir müssen konsolidierenund unsere Wirtschaft stärken. Das wird inDeutschland von den Märkten honoriert.Mit dem Blick auf Europa muss man aber feststellen,dass die Finanz- und Wirtschaftskrise Probleme aufgedeckthat, die es <strong>zu</strong> lösen gilt. Aus dem, was Frau Merkelhier vorgetragen hat und was mein Kollege Herr Stübgenin seiner Rede gerade wie<strong>der</strong>holt hat, ergeben sich dierichtigen vernünftigen, kleinen Schritte, die jetzt getanwerden müssen, um aus den entstandenen Problemen <strong>zu</strong>lernen und um Stabilität auf den Finanzmärkten in Europawie<strong>der</strong>her<strong>zu</strong>stellen.Vorhin habe ich Herrn Steinmeier <strong>zu</strong>gehört. Ich fandbeeindruckend, dass er sagte: Was wir brauchen, ist einkräftiges Signal. In <strong>der</strong> weiteren Rede habe ich <strong>zu</strong>nächstaußer Kritik vonseiten <strong>der</strong> Opposition nichts weitergehört.(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sind Sie daskräftige Signal?)(D)Die CDU/CSU-Fraktion unterstützt die kleine Vertragsän<strong>der</strong>ungals Ziel <strong>der</strong> Bundesregierung. Wir hoffen,dass es morgen <strong>zu</strong> einer klaren und deutlichen Einigungfür diese kleine Vertragsän<strong>der</strong>ung kommt.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das istkeine kleine Vertragsän<strong>der</strong>ung!)Schon Anfang nächsten Jahres werden wir in diesemHaus detailliert über die Inhalte dieser Vertragsän<strong>der</strong>ungeinschließlich <strong>der</strong> Folgegesetze debattieren.Danke schön.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das tarnt ihrnur als kleine Vertragsän<strong>der</strong>ung!)Präsident Dr. Norbert Lammert:Zum Schluss <strong>der</strong> Debatte erhält <strong>der</strong> KollegeDr. Michael Luther ebenfalls für die CDU/CSU-Fraktiondas Wort.Dann kamen allerdings zwei Vorschläge, nämlich <strong>der</strong>intelligente Haircut und die limitierten Euro-Bonds.Beide Vorschläge halte ich für limitiert intelligent.(Beifall bei Abgeordneten <strong>der</strong> CDU/CSU)Was wir in Europa brauchen, ist Solidarität. Das habenwir <strong>zu</strong>m Beispiel mit dem Rettungsschirm gezeigt.Dieser Rettungsschirm allein funktioniert jedoch nicht,wenn er nicht mit Hausaufgaben für die betroffenen Län<strong>der</strong>verknüpft wird. Die europäischen Staaten, die denRettungsschirm in Anspruch nehmen wollen, müssensich mit den <strong>Frage</strong>n <strong>der</strong> Haushaltskonsolidierung und<strong>der</strong> Konsolidierung ihrer Wirtschaft beschäftigen, wiedas auch Deutschland getan hat.Man muss sich die <strong>Frage</strong> stellen: Warum sind dieMärkte so nervös? Sie sind nervös, weil sie sich Sorgenüber die Wirtschafts- und Finanzlage in bestimmtenLän<strong>der</strong>n machen und weil sie diese Situation beunruhigt.Für mich stellt sich die <strong>Frage</strong>, ob uns in dieser SituationEuro-Bonds etwas nutzen.


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8837Dr. Michael Luther(A)(B)Ich habe versucht, mir das Ganze an einem(C)einfachenBeispiel <strong>zu</strong> verdeutlichen. Stellen Sie sich vor, Ihr Sohnerzählt Ihnen eines Tages, dass er in <strong>der</strong> letzten Zeit lei<strong>der</strong>einige Schulden gemacht und über seine Verhältnissegelebt hat. Er gibt also mehr Geld aus, als er hat.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das sindBeispiele auf Bild-Zeitungs-Niveau!)Was machen Sie dann? Sie könnten natürlich <strong>zu</strong>schauen,wie er mit dieser Situation <strong>zu</strong>rechtkommt. Das machenSie als Familienvater aber nicht, weil Sie sich sagen: Wirsind eine Familie, und eine Familie ist eine Solidargemeinschaft,in <strong>der</strong> man sich gegenseitig hilft. Genausomachen wir es in <strong>der</strong> Europäischen Union.Wie helfen Sie Ihrem Sohn? Sie überlegen mit ihmgemeinsam, warum diese Situation eingetreten ist undwas man tun kann, um aus ihr heraus<strong>zu</strong>kommen.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Sie sind <strong>der</strong>Vater von Griechenland!)Erst danach machen Sie sich daran, die aktuellen Finanzproblemein den Griff <strong>zu</strong> bekommen.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Der Vater<strong>der</strong> irischen Banken!)Notfalls werden Sie das Konto Ihres Sohnes ausgleichen.(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Des BankenplatzesIrland!)Es gibt noch eine dritte Möglichkeit. Man könnte seinemSohn sagen: Mein lieber Sohn, ich erteile dir Kontovollmacht,gebe dir meine Kreditkarte, und du kannstso weitermachen wie bisher. Um nichts an<strong>der</strong>es handeltes sich bei den Euro-Bonds.Es geht aber nicht um die Vergemeinschaftung von Risiken.Herzlichen Dank.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Was ist dennSolidarität an<strong>der</strong>es als die Vergemeinschaftungvon Risiken?)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Ich schließe die Aussprache.Wir kommen <strong>zu</strong>r Abstimmung über die Entschließungsanträge,und zwar <strong>zu</strong>nächst <strong>zu</strong>r Abstimmung überden Entschließungsantrag <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> SPD aufDrucksache 17/4183. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen <strong>der</strong> beidenKoalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPDund Grünen bei Enthaltung <strong>der</strong> Linksfraktion abgelehnt.Wir kommen <strong>zu</strong>r Abstimmung über den Entschließungsantrag<strong>der</strong> Fraktion Die Linke auf Drucksache17/4184. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? Der Entschließungsantragist mit den Stimmen des Hauses gegen dieStimmen <strong>der</strong> Fraktion Die Linke abgelehnt.Wir kommen <strong>zu</strong>r Abstimmung über den Entschließungsantrag<strong>der</strong> Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aufDrucksache 17/4185. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen vonCDU/CSU, FDP und Linken gegen die Stimmen vonSPD und Grünen abgelehnt.Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf:Befragung <strong>der</strong> Bundesregierung(D)(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Nein! Dassind Euro-Bonds nicht! Euro-Bonds sind0,2 Prozent!)Die Fraktionen haben vereinbart, dass die Regierungsbefragungheute insgesamt 45 Minuten dauern soll.Sind Sie damit einverstanden? Das ist <strong>der</strong> Fall. Dannverfahren wir so.Es geht eben nicht, dass manche Schulden machenund alle an<strong>der</strong>en dafür haften sollen. Das trägt nicht <strong>zu</strong>rLösung <strong>der</strong> vorhandenen Probleme bei. Die Finanzmärktewerden ihr Augenmerk darauf richten, ob dieHaushalte und die Wirtschaft in den betroffenen Län<strong>der</strong>nin Ordnung sind o<strong>der</strong> nicht. Erst wenn die einzelnenWirtschaftslagen in Ordnung gebracht werden, werdensich die Finanzmärkte beruhigen.Ich sage an dieser Stelle ganz klar: Auf die CDU/CSUund die FDP ist Verlass. Wir werden in Solidarität mitden an<strong>der</strong>en europäischen Staaten uns darum bemühen,dass die Solidargemeinschaft Europa funktioniert. Aberwir werden jede Solidarität an die Erfüllung <strong>der</strong> richtigenund notwendigen Hausaufgaben knüpfen. Wir unterstützenausdrücklich Frau Merkel auf dem vor uns liegendenGipfel des Europäischen Rats. Das, was die FrauBundeskanzlerin vorgetragen hat, sind die richtigenSchritte. Es geht um robuste Krisenbewältigungsmaßnahmen.Es geht um die Einbindung privater Gläubiger.Es geht um eine tiefere wirtschaftspolitische Integration.Die Bundesregierung hat als Thema <strong>der</strong> heutigen Kabinettssit<strong>zu</strong>ngmitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes <strong>zu</strong>rÄn<strong>der</strong>ung wehrrechtlicher Vorschriften 2011 undEntwurf eines Gesetzes <strong>zu</strong>r Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes.Das Wort für die einleitenden je fünfminütigen Berichtehaben <strong>zu</strong>nächst <strong>der</strong> Bundesminister <strong>der</strong> Verteidigung,Herr Karl-Theodor Freiherr <strong>zu</strong> Guttenberg, undanschließend die Bundesministerin für Familie, Senioren,Frauen und Jugend, Frau Kristina Schrö<strong>der</strong>. Bitteschön, Herr Minister.Dr. Karl-Theodor Freiherr <strong>zu</strong> Guttenberg, Bundesminister<strong>der</strong> Verteidigung:Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DieBundesregierung hat heute die Eckpunkte <strong>zu</strong>r Neuausrichtung<strong>der</strong> Bundeswehr und als ersten Schritt <strong>zu</strong> <strong>der</strong>enUmset<strong>zu</strong>ng den Entwurf eines Gesetzes <strong>zu</strong>r Ausset<strong>zu</strong>ngdes Grundwehrdienstes und <strong>zu</strong>r Einführung des freiwilligenWehrdienstes beschlossen. Ich darf an dieser Stelle


8838 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr <strong>zu</strong> Guttenberg(A)(B)vielen von Ihnen für zahlreiche Impulse und (C) hilfreicheHinweise, die aus den Facharbeitsgruppen aller Fraktionengekommen sind, danken.Mit den heute verabschiedeten Eckpunkten bekräftigenwir unsere Absicht, die Bundeswehr als leistungsfähigesInstrument unserer Sicherheitspolitik <strong>zu</strong> stärkenund sie konsequent auf die heutigen und absehbaren Herausfor<strong>der</strong>ungenaus<strong>zu</strong>richten. Mit den beschlossenenEckpunkten decken wir vier entscheidende Bereiche ab.Wir sorgen <strong>zu</strong>m Ersten dafür, dass die Bundeswehr ihrenAuftrag entsprechend den aktuellen und in Zukunft <strong>zu</strong>erwartenden sicherheitspolitischen Rahmenbedingungenerfüllen kann. Wir leiten daraus <strong>zu</strong>m Zweiten den erfor<strong>der</strong>lichenGesamtumfang <strong>der</strong> Streitkräfte ab. Wirschaffen <strong>zu</strong>m Dritten eine Wehrform, die unter Berücksichtigung<strong>der</strong> aktuellen sicherheitspolitischen Lage eineangemessene Abwägung zwischen Freiheit und bürgerschaftlicherVerantwortung darstellt und dabei <strong>zu</strong>mindestkonzeptionell nicht auf eine Rekonstitutionsfähigkeitverzichtet. Wir stärken <strong>zu</strong>m Vierten insgesamt dieKosteneffizienz und den verantwortlichen Umgang mitknappen Ressourcen.Es ist deshalb folgerichtig, dass wir zeitgleich mit denEckpunkten eine Gesetzesnovelle <strong>zu</strong>m Wehrpflichtgesetzauf den Weg bringen. Die Pflicht <strong>zu</strong>m Grundwehrdienstwird <strong>zu</strong>m 1. Juli 2011 ausgesetzt. Anstelle desGrundwehrdienstes tritt ein neuer freiwilliger Wehrdienstvon 12 bis 23 Monaten für junge Frauen undjunge Männer. We<strong>der</strong> die verfassungsrechtliche noch dieeinfachgesetzliche Grundlage <strong>der</strong> Wehrpflicht wirdgänzlich abgeschafft. Im Kern wird damit die Verpflichtung<strong>zu</strong>m Grundwehrdienst ausgesetzt.Dies unterstreichen wir <strong>zu</strong>nächst dadurch, dass wirden neuen freiwilligen Wehrdienst im Wehrpflichtgesetzverankern. Auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> bei den Meldebehördenerhobenen Daten werden wir künftig junge Menschenmit Informationsmaterial über einen Freiwilligendienstin <strong>der</strong> Bundeswehr versorgen. Dies gewährleistet,dass wir möglichst alle potenziellen Interessenten erreichen.So stellen wir sicher, dass diejenigen, die echtesInteresse haben, auch eine ausführliche persönliche Beratungerhalten können. Damit ist <strong>zu</strong>gleich sichergestellt,dass wir junge Frauen und Männer gleichermaßen erreichen.Dieses Verfahren ist datenschutzrechtlich völligunproblematisch und <strong>zu</strong>dem mit einem vergleichsweisegeringen bürokratischen Aufwand verbunden. Dieseneue Form einer Datenerfassung tritt an die Stelle <strong>der</strong>bisherigen Erfassung, die aber im Spannungs- und Verteidigungsfallwie die gesamte Verpflichtung <strong>zu</strong>mGrundwehrdienst wie<strong>der</strong> aufleben würde.Meine Damen und Herren, ich bin sehr <strong>zu</strong>versichtlich,dass wir genügend Interessenten ansprechen können;denn wir werden den freiwilligen Wehrdienst attraktivausgestalten. Den Wehrsold<strong>zu</strong>schlag, <strong>der</strong> bislangfür <strong>zu</strong>sätzlichen freiwilligen Wehrdienst Leistende erstab dem siebten Dienstmonat gezahlt wurde, erhalten diefreiwillig Wehrdienst Leistenden künftig von Anfang an.Wir verdeutlichen damit, dass junge Männer und jungeFrauen ihren Dienst in <strong>der</strong> Bundeswehr im Sinne einesstaatsbürgerlichen Engagements leisten können, ohnesich gleich berufsmäßig als Soldat auf Zeit verpflichten<strong>zu</strong> müssen. Hierdurch können wir bewährte Verfahrensregeln,<strong>zu</strong>m Beispiel bezüglich <strong>der</strong> Personalgewinnung,sowie bestehende rechtliche Vorgaben für den Grundwehrdienstauch für den freiwilligen Wehrdienst für anwendbarerklären. Dies dient nicht <strong>zu</strong>letzt einer sehr unbürokratischenund schnellen Umset<strong>zu</strong>ng.In meinen Augen ist es selbstverständlich, dass gesetzgeberischeEntscheidungen, gerade wenn mit ihnenneuartige Institutionen wie <strong>der</strong> freiwillige Wehrdienstverbunden sind, regelmäßig auf ihre Praktikabilität undihre gesellschaftliche Akzeptanz überprüft werden. Wirhaben uns darauf verständigt, bis <strong>zu</strong>m 1. Januar 2013eine einheitliche Rechtsgrundlage für den freiwilligenDienst in den Streitkräften <strong>zu</strong> schaffen. Hier werden Erfahrungenmit dem freiwilligen Wehrdienst entsprechendeinfließen.Wehrform, -umfang, -strukturen, -fähigkeiten und -ausrüstungstehen in einem wechselseitigen Verhältnis. Dieswird deutlich, wenn wir uns mit den Eckpunkten dieKonturen <strong>der</strong> Neuausrichtung vergegenwärtigen. Mitden beschlossenen Eckpunkten kann die Neuausrichtungbeginnen, und in den nächsten Monaten werden wir dienotwendigen Feinausplanungen dafür leisten.Vielen Dank.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Frau Ministerin, bitte.Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DasBundeskabinett hat heute die Einführung eines Bundesfreiwilligendienstesbeschlossen. Mit dem vorliegendenGesetzentwurf wollen wir <strong>zu</strong>m Ersten die Einsatzkräfte,die durch die Ausset<strong>zu</strong>ng des Zivildienstes wegfallen,soweit es irgend geht kompensieren. Zum Zweiten werdenwir mit diesem Gesetzentwurf einen Auftrag desKoalitionsvertrages umsetzen, nämlich die Stärkung <strong>der</strong>Freiwilligendienste <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>.(D)Im Vorgriff auf die gesetzliche Regelung lässt sich gewährleisten,bereits ab dem 1. März des kommendenJahres niemanden mehr gegen seinen Willen ein<strong>zu</strong>berufen.Wir haben <strong>zu</strong> diesem Zeitpunkt zwar noch die gesetzlicheErmächtigung, werden von ihr aber nur insoweitGebrauch machen, als junge Männer sich damiteinverstanden erklären, freiwillig weiterhin Grundwehrdienstleisten <strong>zu</strong> wollen. Sie können dann bei Interesseund Eignung in den freiwilligen Wehrdienst überführtwerden.Die Debatte über den Wegfall des Zivildienstes wurdein den letzten Monaten von Bürgern, Trägern und Verbändenmit großem Interesse verfolgt. Es wurde deutlich,dass sich sehr viele Menschen Gedanken darübermachen, was es bedeutet, wenn <strong>der</strong> Zivildienst wegfällt.Je<strong>der</strong> von uns hat Erfahrungen aus seinem Wahlkreisund weiß um die beson<strong>der</strong>e Bedeutung <strong>der</strong> Leistung <strong>der</strong>Zivis für die Humanität unserer Gesellschaft. Hier gehtes um Dinge wie Essen auf Rä<strong>der</strong>n, um behin<strong>der</strong>te Jugendliche,die von Zivis in die Schule begleitet werden,


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8839Bundesministerin Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>(A)(B)o<strong>der</strong> um die alte Dame, die nur mithilfe ihres (C) Zivis aucheinmal in den Garten kommt und frische Luft schnappenkann. Angesichts <strong>der</strong> Arbeit, die die Zivis leisten, sindsie uns allen in den letzten Jahrzehnten sehr ans Herz gewachsen.Die Ausset<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> Wehrpflicht, mit Sicherheit einer<strong>der</strong> größten Verän<strong>der</strong>ungsprozesse <strong>der</strong> letzten 20 Jahre,hat nicht nur Bedeutung für die Bundeswehr, son<strong>der</strong>nauch Bedeutung für das Leben von jungen Männern. Siehat Bedeutung für die soziale Infrastruktur unserer Gesellschaft.Aber es ist ganz klar: Man kann die Wehrpflichtnicht über den Zivildienst begründen. An demTag, an dem die Wehrpflicht endet, endet auch <strong>der</strong> Zivildienst.Natürlich ist das deshalb schade, weil uns in Zukunftdie Zivis fehlen werden; aber es ist auch gerade deswegenschade, weil <strong>der</strong> Zivildienst für viele junge Männerbisher die einzige Möglichkeit war, Interesse an einemsozialen Beruf <strong>zu</strong> finden und mit diesen Fel<strong>der</strong>n in Kontakt<strong>zu</strong> kommen. Die wenigen Männer, die <strong>zu</strong>m Beispielin Kitas arbeiten, kamen in <strong>der</strong> Regel über den Zivildienstin diesen Beruf hinein.Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, uns Gedankendarüber <strong>zu</strong> machen, wie wir die Ausset<strong>zu</strong>ng des Zivildienstesso weit wie irgend möglich kompensieren können.Das bringen wir mit dem Entwurf eines Gesetzes<strong>zu</strong>r Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes auf denWeg. Gleichzeitig stärken wir damit die Freiwilligendienste<strong>der</strong> Län<strong>der</strong>.Die Eckpunkte werden Ihnen bekannt sein:Wir wollen den Bundesfreiwilligendienst für Männerund Frauen öffnen. Wir wollen ihn für Menschen je<strong>der</strong>Altersgruppe öffnen.Die Regeldauer des Bundesfreiwilligendienstes soll12 Monate betragen; 6 bis 18 Monate sollen möglichsein, 24 Monate in Ausnahmefällen.Wir wollen, dass <strong>der</strong> Bundesfreiwilligendienst vonunter 27-Jährigen in Vollzeit und von über 27-Jährigenmit mindestens 20 Stunden die Woche geleistet wird.Der Hintergrund für diese Regelung ist folgen<strong>der</strong>: Wennman das weiter herunterschrauben würde und <strong>zu</strong>m Beispieleinen Dienst für zehn o<strong>der</strong> fünf Wochenstunden ermöglichenwürde, liefe man Gefahr so unsere Befürchtung, ehrenamtliches Engagement <strong>zu</strong> verdrängen, etwaim Katastrophenschutz. Ich glaube, das will niemandvon uns.Der Bundesfreiwilligendienst soll arbeitsmarktneutralgestaltet werden. Es dürfen keine regulären Arbeitsplätzeersetzt werden. Es geht allein um unterstützendeTätigkeiten.Der Bundesfreiwilligendienst soll in den Bereichenund an den Einsatzorten des bisherigen Zivildienstes geleistetwerden. Hin<strong>zu</strong> kommen Einsatzbereiche wieSport, Integration, Kultur, Bildung sowie Zivil- und Katastrophenschutz.Die Freiwilligen werden gesetzlich sozialversichert.Ihr Taschengeld handeln sie wie beim FSJ und FÖJ mitden Trägern aus. Es gibt aber eine einheitliche Obergrenzefür Ost und West. Unterhalb dieser Obergrenzekann frei vereinbart werden.Durch die Ressortabstimmung, aber auch durch dieintensiven Gespräche mit den Län<strong>der</strong>n und Verbändenhaben wir sehr viele und sehr wertvolle Anregungen bekommen.Ich bin stolz darauf, dass mir Träger gesagt haben,sie seien bei einem Gesetzgebungsverfahren nochnie so gut eingebunden worden wie in diesem Fall. Geradeauch <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Jugendfreiwilligendienste aufLän<strong>der</strong>ebene wird ausgesprochen begrüßt.Jetzt geht es darum, mit <strong>der</strong> eigentlichen Arbeit <strong>zu</strong> beginnen;denn wir haben erst den kleinsten Teil <strong>der</strong> Arbeitgeschafft. Jetzt stehen wir vor <strong>der</strong> großen Gemeinschaftsaufgabe,dafür <strong>zu</strong> werben, dass möglichst vieleMänner und Frauen sich in dem neuen Bundesfreiwilligendienstengagieren. Wir dürfen nicht darauf warten,bis das Ganze im Bundesgesetzblatt steht, son<strong>der</strong>n imGrunde beginnt die Arbeit heute. Es geht darum, klar<strong>zu</strong>machen,dass <strong>der</strong> Bundesfreiwilligendienst nicht nureine Bereicherung für die Gesellschaft, son<strong>der</strong>n aucheine Bereicherung für jeden Einzelnen ist, <strong>der</strong> diesenDienst tut. Bund, Län<strong>der</strong>, Hochschulen und Unternehmensind aufgefor<strong>der</strong>t, Anreize <strong>zu</strong> schaffen, damit <strong>der</strong>Dienst so attraktiv wie irgend möglich wird.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Danke schön, Frau Ministerin.Ich bitte nun, <strong>zu</strong>nächst <strong>Frage</strong>n <strong>zu</strong> den Themenbereichen<strong>zu</strong> stellen, über die soeben berichtet wurde. DerErste, <strong>der</strong> sich gemeldet hat, war <strong>der</strong> Kollege MarkusGrübel. Sodann folgt Hans-Peter Bartels.Markus Grübel (CDU/CSU):Frau Bundesministerin, <strong>der</strong> Bundesfreiwilligendienstsoll für alle Altersgruppen offen sein, auch für Menschenüber 27 Jahre, also auch für Seniorinnen und Senioren,unter <strong>der</strong> Bedingung so haben Sie gerade gesagt , dassmindestens 20 Wochenstunden geleistet werden. Ist dasrealistisch? Gewinnen wir so genug Menschen?Meine zweite <strong>Frage</strong> richtet sich an den Herrn Bundesminister:Durch welche begleitenden Maßnahmen wollenSie die Attraktivität des freiwilligen Wehrdienstessteigern? Sie haben das Thema Wehrsold angesprochen.Wie sollen konkret Information und Werbung gestaltetwerden? Im Grunde muss <strong>der</strong> aktuelle Abiturjahrgangzeitnah angesprochen werden, bevor sich die Abiturientenum einen Studienplatz kümmern o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Wegeeinschlagen.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Frau Ministerin, bitte.Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Herr Kollege, in <strong>der</strong> Tat gehen wir mit unserer Absicht,auch ältere Menschen hierfür <strong>zu</strong> gewinnen, einenneuen Weg; wir betreten Neuland. Ich bin aber optimistisch,dass es uns gelingen wird, viele ältere Menschen(D)


8840 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Bundesministerin Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>(A)(B)für den Bundesfreiwilligendienst <strong>zu</strong> gewinnen. (C) Wir wissen<strong>zu</strong>m Beispiel aus dem Freiwilligensurvey <strong>der</strong> Bundesregierung,dass ein Drittel <strong>der</strong> über 65-Jährigen bereitsehrenamtlich engagiert ist und sich ein weiteresDrittel gerne engagieren würde, dem aber noch <strong>der</strong> richtigeAnknüpfungspunkt fehlt. Der Bundesfreiwilligendienstkann ein solcher guter Anknüpfungspunkt sein.Die <strong>Frage</strong> hinsichtlich <strong>der</strong> 20 Wochenstunden habenwir uns natürlich auch gestellt. Ich weiß, dass es aus <strong>der</strong>Verbandsszene einzelne Überlegungen gab, diese Stundenzahlnoch etwas herunter<strong>zu</strong>fahren, <strong>zu</strong>m Beispiel aufzehn o<strong>der</strong> acht Stunden. Ich befürchte allerdings dashabe ich schon geschil<strong>der</strong>t , dass dann reguläres ehrenamtlichesEngagement verdrängt und plötzlich formalisiertwürde. Ich glaube nicht, dass wir das wollen. Deshalbsage ich: Wir sollten erst einmal schauen, ob wirunter diesen Vorausset<strong>zu</strong>ngen 20 Stunden pro Woche genug Ältere finden, die bereit sind, den Bundesfreiwilligendienst<strong>zu</strong> leisten. Ich meine, dafür gibt es gute Hinweise.Aber natürlich werden wir auch dieses Gesetzständig überprüfen.(Florian Pronold [SPD]: Die gestellte <strong>Frage</strong> istbeantwortet!)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Nun antwortet <strong>der</strong> Minister.Dr. Karl-Theodor Freiherr <strong>zu</strong> Guttenberg, Bundesminister<strong>der</strong> Verteidigung:Herr Kollege, die <strong>Frage</strong> <strong>der</strong> Attraktivität ist eine entscheidende.Sie gilt, wenn man so will, im Grunde füralle Laufbahngruppen <strong>der</strong> Bundeswehr. Aber wenn wirnach <strong>der</strong> Ausset<strong>zu</strong>ng des Grundwehrdienstes junge Menschentatsächlich dafür gewinnen wollen, einen freiwilligenDienst <strong>zu</strong> leisten, dann muss die Maßgabe sein, dassjemand, <strong>der</strong> <strong>zu</strong>r Bundeswehr kommt, sie besser ausgebildetund besser qualifiziert verlässt, als er es <strong>zu</strong> dem Zeitpunktwar, als er eingetreten ist. Das mag banal klingen;aber das hat etwas damit <strong>zu</strong> tun, dass wir die Aus-, FortundWeiterbildungsangebote, die wir bereits vorhalten,weiter verbessern und weiter verbessern können. Es gibtweitere Punkte einen Punkt, <strong>der</strong> sich finanziell nie<strong>der</strong>schlagenwürde, habe ich schon genannt , die wirbereits in einem ganz breiten Attraktivitätsprogramm angelegthaben. Da<strong>zu</strong> sollen Anfang des Jahres Entscheidungengetroffen werden, auch mit Blick auf eine Priorisierung.Das ist sehr wichtig; denn wir können nichtalles auf einen Schlag umsetzen.denen wir aber positive Signale bekommen, dass ein solcherPunkt mit aufgenommen werden soll.Berufliche Weiterqualifikation, Ausbildung, Führerschein diese Punkte habe ich bereits genannt , dassind Ansätze, die wir in dem weiteren Prozess noch ergänzenkönnen.Danke.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Nun hat Hans-Peter Bartels das Wort. Danach folgtKai Gehring.Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):Herr Minister, wir begrüßen die Korrekturen, die dieBundesregierung jetzt vorgenommen hat und mit denensie sich in unsere Richtung bewegt: weg von dem unsinnigenW 6 das war ein untauglicher Kompromiss <strong>zu</strong>Anfang <strong>der</strong> neuen Koalition , hin <strong>zu</strong> einem freiwilligenDienst in <strong>der</strong> Bundeswehr. Das ist ein vernünftiges Konzept,das wir gemeinsam tragen wollen. Das Konzeptgeht auch weg von <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> doch <strong>zu</strong> wenigen7 500 jungen Leute im Freiwilligendienst das wäreeher symbolisch gewesen und hin <strong>zu</strong> <strong>der</strong> größeren Zahlvon 15 000 jungen Leuten, die Sie in die Struktur <strong>der</strong>Bundeswehr einbauen wollen.Daraus ergibt sich folgende <strong>Frage</strong>: Auch wenn dieMusterung wegfällt, soll weiterhin erfasst werden. DerDienst wird für Frauen und Männer sein; aber erfasstwerden nur die jungen Männer. Ihnen soll mit einemBrief Informationsmaterial <strong>zu</strong>geschickt werden. Ist dasgenug? O<strong>der</strong> müsste man nicht in einer ganz neuen undviel breiter angelegten Weise für diese neue Kultur <strong>der</strong>Freiwilligkeit, die wir hier im Hause, wie ich glaube, gemeinsamwollen, werben, etwa mit einer Woche <strong>der</strong>Freiwilligendienste? Man könnte sich überlegen, ob dieRegierung, einzelne Ressorts o<strong>der</strong> vielleicht sogar <strong>der</strong>Bundestag das anregt und einmal im Jahr eine Woche<strong>der</strong> Freiwilligendienste ausrichtet, in <strong>der</strong> sich alle dieseDienste da<strong>zu</strong> gehört auch <strong>der</strong> Dienst in <strong>der</strong> Bundeswehr in den Schulen, in <strong>der</strong> Öffentlichkeit, in den Medienvorstellen, um für diese Angebote <strong>zu</strong> werben. Eswäre problematisch, wenn am Ende von einem über50 Jahre gelebten Dienst an <strong>der</strong> Gemeinschaft nur einBrief übrig bleibt.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Herr Minister, bitte.(D)Es wird aber auch darauf ankommen, bei <strong>Frage</strong>stellungen,die wir nicht alleine von <strong>der</strong> Bundesseite aus beantwortenkönnen, bei denen wir aber auch im Zusammenhangmit dem, was Kollegin Schrö<strong>der</strong> geradevorgetragen hat, durchaus einen Mehrwert sehen würden,die Län<strong>der</strong> mit ein<strong>zu</strong>binden. Wenn ein solcherDienst in <strong>der</strong> Gesellschaft entsprechend honoriert werdensoll, dann muss man diese Honorierung auch darstellenkönnen. Zum Beispiel könnte jemand, <strong>der</strong> diesenDienst leistet und sich dann um einen Studienplatz bewirbt,einen Bonus erhalten. Das geht aber nur mit einerentsprechenden Begleitung durch die Bundeslän<strong>der</strong>, ausDr. Karl-Theodor Freiherr <strong>zu</strong> Guttenberg, Bundesminister<strong>der</strong> Verteidigung:Herr Kollege Bartels, ich stimme mit Ihnen überein:Ein Brief allein wird nicht reichen, um den Grundgedankendes Freiwilligendienstes an <strong>der</strong> Gesellschaft <strong>zu</strong> festigenund ihn wirklich <strong>zu</strong> etwas <strong>zu</strong> formen, das über dashinausreicht, was wir heute vorfinden. Gelegentlich istes sogar so, dass dieser Dienst so gut wie überhauptkeine Honorierung findet. Manche junge Menschen habensogar einen Nachteil, wenn sie sich, nachdem siediese neun o<strong>der</strong> sechs Monate durchlaufen haben, be-


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8841Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr <strong>zu</strong> Guttenberg(A)(B)werben. Es soll nun da<strong>zu</strong> kommen, dass man(C)daraus ehereinen Vorteil zieht.Das Verfahren sieht so aus, dass sich, wie ich vorhingesagt habe, die neue Form <strong>der</strong> Erfassung von Daten, dienicht nur die Männer, son<strong>der</strong>n auch die Frauen betrifft,auf einen Kernbereich von Daten beschränkt; das ist imGesetzentwurf so festgelegt. Ich finde den Gedanken,eine Woche des Freiwilligendienstes bzw. Tage des Freiwilligendienstesaus<strong>zu</strong>richten, sehr reizvoll. Wir solltenuns auch überlegen, in welchen Bereichen man die Möglichkeithat, möglichst viele junge Menschen auf denWert des freiwilligen Dienens hin<strong>zu</strong>weisen. Ich denke dabeispielsweise an die Schulen. Die Schulen sind einer<strong>der</strong> wenigen Bereiche, in dem man quasi jeden jungenMenschen ansprechen kann. Man darf jetzt nicht in Panikverfallen das tun wir wahrscheinlich alle nicht ,dass in den Schulen nunmehr für Auslandseinsätze geworbenwürde; eine entsprechende Diskussion hattenwir in diesem Jahr schon. Ein Werben für den Wert <strong>der</strong>Freiwilligkeit sollte man aber durchaus andenken, undman sollte jede Möglichkeit, wie man diesen Gedankenvertiefen kann, in Ansatz bringen.Ich möchte noch einen Gedanken hin<strong>zu</strong>fügen: In dennächsten Monaten, in <strong>der</strong> Phase des Übergangs, ist esganz wichtig, dass wir die Kreiswehrersatzämter, die wirjetzt noch vorhalten, aber bei denen sich noch einigesän<strong>der</strong>n wird, so umgestalten das ist eine <strong>Frage</strong> <strong>der</strong>Feinausplanung , dass sie in <strong>der</strong> Form, die am Ende inverän<strong>der</strong>ten Ansätzen entstehen wird, <strong>zu</strong>nehmend Dienstleisterin <strong>der</strong> Hinsicht werden, dass ihre Angebote so unterfüttertwerden, dass junge Menschen angesprochenwerden. Damit kann diesen, wenn sie kommen, ein breiteresAngebot dargestellt werden, als es im Zweifelsfallin einem Brief möglich ist. Dies sei vielleicht noch alskomplementärer Gedanke hin<strong>zu</strong>gefügt.Jede kreative Idee das sage ich über alle Parteigrenzenhinweg , die da<strong>zu</strong> beiträgt, den Grundgedanken <strong>der</strong>Freiwilligkeit in diesem Lande <strong>zu</strong> stärken, ist herzlichwillkommen und wird selbstverständlich mit in dieÜberlegungen aufgenommen.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Nun bitte Kai Gehring, danach Heidrun Dittrich.Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Vielen Dank. Vielen Dank auch für den Auftritt alsDuo an die Frau Ministerin und den Herrn Minister.Noch besser wäre es sicherlich gewesen, wenn Sie alsQuartett aufgetreten wären, indem Sie auch BundesbildungsministerinSchavan, die sich jetzt für die Schaffungvon circa 150 000 Ausbildungs- und Studienplätzenverantwortlich fühlen muss, und Herrn Röslermitgebracht hätten, <strong>der</strong> jetzt <strong>zu</strong>sehen muss, wie auch imRahmen <strong>der</strong> Pflegereform <strong>der</strong> Wegfall des Zivildiensteskompensiert wird.(Markus Grübel [CDU/CSU]: Dann aber auch<strong>der</strong> Innenminister! Rettungsdienste, Feuerwehr!)Sie vier hätten eigentlich <strong>zu</strong>sammen eine konsistenteGesamtstrategie entwickeln müssen, wie man aus Wehrpflichtund Zivildienst aussteigt, und entsprechende Alternativenaufbauen müssen.Wir als Grüne haben nach wie vor Kritik an <strong>der</strong> Doppelstruktur.Ich würde die Ministerin gerne noch einmalfragen: Werden die beiden verschiedenen Freiwilligendienste,also <strong>der</strong> Bundesfreiwilligendienst auf <strong>der</strong> einenSeite und die bewährten Freiwilligendienste <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>,wie Sie es nennen, in Form von FSJ und FÖJ auf <strong>der</strong>an<strong>der</strong>en Seite, jetzt an jedem Punkt und durchgängigkomplett gleiche Bedingungen haben, o<strong>der</strong> wird es ineinzelnen Punkten noch Unterschiede zwischen demBundesfreiwilligendienst und den Freiwilligendiensten<strong>der</strong> Län<strong>der</strong> geben? Wenn ja, mit welcher sachlichen undfachlichen Begründung gibt es diese Unterschiede <strong>zu</strong>mBeispiel beim Kin<strong>der</strong>geld, bei <strong>der</strong> Anerkennungskultur,beim Trägerprinzip etc.? In dem Zusammenhang stelltsich auch die <strong>Frage</strong>: Wohin wollen Sie eigentlich? WelcheStrukturen wollen Sie in fünf Jahren haben? Soll esdann nur noch einen Bundesfreiwilligendienst geben,o<strong>der</strong> soll es dann Län<strong>der</strong>freiwilligendienste geben, dieauf den bewährten Strukturen aufbauen?Ist im Kabinett auch Thema gewesen vielleichtkann das Herr Guttenberg beantworten , ob eine Pflegeversicherungsreformkommt und in diesem Zusammenhangdas Problem geklärt wird, dass künftig nicht alleZivildiensttätigkeiten ersetzt werden können? Also:Welche Bedingungen, welche Strukturen, welche Angebotewill die Bundesregierung jetzt eigentlich vorsehen,um die wegfallenden Zivildienstleistenden <strong>zu</strong> ersetzen?Mit dem Bundesfreiwilligendienst allein geht es nach eigenenAngaben eben nicht.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Bitte, Frau Ministerin.Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Herr Kollege Gehring, herzlichen Dank für Ihre <strong>Frage</strong>n.Zunächst eine Bemerkung, weil Sie auch das Ressortvon Frau Kollegin Schavan und die Befürchtung angesprochenhaben, dass jetzt sehr viele Studierende aufdie Universitäten <strong>zu</strong>kämen und das Probleme für dieUniversitäten mit sich bringe. Wir haben sehr ernsthaftdarüber gesprochen. Uns ist bewusst, dass es diese Folgengibt. Allerdings ist <strong>der</strong> Bundesfreiwilligendienst,den ich vorschlage, eine Maßnahme, um gegen den starkenpunktuellen Andrang von Studierenden etwas <strong>zu</strong> unternehmen;denn je mehr junge Männer und Frauen wirfür den Bundesfreiwilligendienst gewinnen können,umso eher entspannt sich die Lage an den Hochschulen.Insofern ist <strong>der</strong> Bundesfreiwilligendienst kein Auslöser<strong>der</strong> Probleme an den Hochschulen, son<strong>der</strong>n ganz imGegenteil ein Mittel, damit sich die Situation an denHochschulen entspannt.Zu dem zweiten Punkt, den Sie angesprochen haben,nämlich <strong>zu</strong> Ihrer Kritik, warum man Freiwilligendiensteeinerseits auf Län<strong>der</strong>ebene und an<strong>der</strong>erseits auf Bundesebeneanbietet. Wir haben schon oft darüber gesprochen;(D)


8842 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Bundesministerin Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>(A)(B)das ist richtig. Ich denke, in den letzten Monaten (C) ist auchbei den Trägern die Überzeugung gereift, dass es einFehler gewesen wäre, wenn wir die bestehenden Strukturenzerstört und alles auf Bundesebene gebündelt hätten.Es gab ja ein entsprechendes Ansinnen, angeführtvon Frau Kollegin Schwesig. Dies hätte aber bedeutet,dass die bestehenden Strukturen auf Landesebene, nämlichFSJ und FÖJ, erst einmal plattgemacht worden wären.Wenn man, wie Frau Schwesig, für das FSJ keineneinzigen eigenen Euro ausgibt, dann mag das nicht sowehtun. Aber es gibt Län<strong>der</strong>, die gerade ihr FreiwilligesÖkologisches Jahr mit unglaublich viel Herzblut gestalten,und es ist ein Unterschied, ob man das FreiwilligeÖkologische Jahr im Wattenmeer o<strong>der</strong> in den Alpenmacht. Deswegen glaube ich, dass es richtig ist, dass dieLän<strong>der</strong> weiterhin dafür verantwortlich sind. Wir sind frohdarüber, dass wir diese hoffentlich bald 35 000 Plätze haben.In <strong>der</strong> Tat ist <strong>der</strong> Grundgedanke, die beiden Formate,wo immer es geht, aneinan<strong>der</strong> an<strong>zu</strong>gleichen, sodass <strong>der</strong>einzelne Freiwillige im Idealfall überhaupt nicht merkt,um welche Rechtsform es sich handelt. Dort, wo es nochUnterschiede gibt, beispielsweise beim Kin<strong>der</strong>geld,muss ein Ausgleich erfolgen. Noch einmal: Im Idealfallist es dem Einzelnen völlig gleichgültig, um welcheRechtsform es sich handelt. Auch für die Träger ist dasnichts Neues; denn sie haben in aller Regel bisher sowohlFSJ und FÖJ als auch Zivildienst durchgeführt. Siehaben die Mittel schon aus zwei Töpfen bezogen, und sowird es bleiben; denn das hat sich gut bewährt.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Herr Minister.Dr. Karl-Theodor Freiherr <strong>zu</strong> Guttenberg, Bundesminister<strong>der</strong> Verteidigung:Herr Kollege Gehring, ich kann die <strong>Frage</strong> relativ zügigbeantworten: Es hat heute Morgen keine Diskussionüber eine etwaige Reform <strong>der</strong> Pflegeversicherung gegeben.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Dann Kollegin Heidrun Dittrich, anschließend Ernst-Reinhard Beck.Sind Ihnen diese Punkte bekannt? Wenn ja: Warumbehandeln Sie nicht beide Fälle gleich und vereinheitlichendas? Denn es wird ein ähnlicher Dienst mit denselbenInhalten abgeleistet.Die zweite <strong>Frage</strong>. In Ihrem Gesetzentwurf fehlt vollkommendie Begründung <strong>der</strong> Arbeitsmarktneutralität.Sie behaupten diese zwar, aber sie steht nicht im Gesetzentwurf.Wie können Sie also begründen, dass dieseDienste <strong>zu</strong>sätzlich sind, sonst nicht erbracht würden o<strong>der</strong>nicht in dem Umfang erbracht werden könnten, und warumwird diese Anfor<strong>der</strong>ung nicht im Gesetz festgeschrieben?Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Frau Ministerin, bitte.Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Frau Kollegin Dittrich, ich weiß nicht, mit wie vielenFSJlern o<strong>der</strong> auch Zivis Sie in den letzten Monaten gesprochenhaben. Die <strong>Frage</strong>, ob das Kin<strong>der</strong>geld entwe<strong>der</strong>in Form des Taschengeldes mit ausgezahlt werden sollo<strong>der</strong> ob es weiter an die Eltern fließt, ist durchaus umstritten.Viele, die einen Freiwilligendienst leisten, sagenuns, sie fänden es wesentlich besser, wenn das Geld Bestandteilihres Taschengeldes wäre und nicht automatischweiter an die Eltern ausgezahlt würde. Deswegenglaube ich nicht, dass es eindeutig die bessere Lösungist, weiter das Kin<strong>der</strong>geld aus<strong>zu</strong>zahlen, wie Sie es hiersuggerieren. Wir haben festgestellt, dass es durchaussehr viele Argumente dafür gibt, das Geld in das Taschengeld<strong>zu</strong> integrieren, wie wir es jetzt vernünftigerweiseauf Bundesebene machen.Ihre zweite <strong>Frage</strong> war, warum <strong>der</strong> Punkt <strong>der</strong> Arbeitsmarktneutralitätnicht im Gesetzentwurf stehe. Er stehtdrin; das können Sie nachlesen. Wir haben diesen Punktim Rahmen <strong>der</strong> Ressortabstimmung mit aufgenommen.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Danke schön. Nun Ernst-Reinhard Beck, anschließendHarald Koch.(D)Heidrun Dittrich (DIE LINKE):Frau Ministerin, Sie haben soeben erklärt, dass dasKin<strong>der</strong>geld bei einem Freiwilligendienst auf Län<strong>der</strong>ebenegezahlt wird, beim Bundesfreiwilligendienst aberoffensichtlich nicht, und dass Sie das ausgleichen wollen.Ist Ihnen die Benachteiligung von Eltern im öffentlichenDienst bekannt? Wenn das Kin<strong>der</strong>geld für eine Zeitentfällt, dann entfallen im öffentlichen Dienst auch diekindbezogenen Leistungen und leben auch nach Beendigungdes Bundesfreiwilligendienstes nicht mehr auf. DieFamilien, die ihre Kin<strong>der</strong> in den Bundesfreiwilligendienstschicken, wären somit benachteiligt. Es könnteaber auch sein, dass die Kin<strong>der</strong>geldkasse weiter zahltund hinterher festgestellt wird: Das war kein FSJ imBundesland XY; das war <strong>der</strong> Bundesfreiwilligendienst.Liebe Eltern, zahlen Sie bitte die Beträge <strong>zu</strong>rück! Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU):Herr Minister, Sie haben vorhin darauf hingewiesen,dass <strong>der</strong> Übergang von <strong>der</strong> Wehrpflichtarmee <strong>zu</strong>r Freiwilligenarmeeein historischer Einschnitt in die Bundeswehrist und dass sich vieles än<strong>der</strong>n wird. Da<strong>zu</strong> zweikurze Nachfragen.Die erste <strong>Frage</strong>: In welcher Weise verän<strong>der</strong>n sichdurch diese Gesetzgebung die Aufgabe und die Rechtsstellung<strong>der</strong> Reservisten? O<strong>der</strong> ist daran gedacht, auch in<strong>der</strong> Reservistenkonzeption Verän<strong>der</strong>ungen vor<strong>zu</strong>nehmen?Die zweite <strong>Frage</strong>: Markenkern <strong>der</strong> Wehrpflichtarmeewaren das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform und dasPrinzip <strong>der</strong> Inneren Führung. Welche Auswirkung hatdie Reform auf diese beiden Grundprinzipien?


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8843(A)(B)Dr. Karl-Theodor Freiherr <strong>zu</strong> Guttenberg, (C) Bundesminister<strong>der</strong> Verteidigung:Vielen Dank, Herr Kollege Beck, für die beiden <strong>Frage</strong>n.Es ist tatsächlich so, dass ein wesentlicher Bestandteil<strong>der</strong> großen Bundeswehrreform eine Reform <strong>der</strong> Reservistenkonzeptionsein wird und sein muss. Wir habenhochmotivierte, erstklassige Reservisten in diesem unseremLande. Aber wir hören immer wie<strong>der</strong> von Reservisten,auch was das künftige Aufgabenspektrum anbelangt,dass wir ihnen mehr Verantwortung geben könnenund geben sollten. Schon vor diesem Hintergrund ist esungemein wichtig, dass wir auch hier die Strukturen verän<strong>der</strong>n,dass wir die Verantwortungsbereiche erweiternund beispielsweise klare Kommandostrukturen bei denReservisten schaffen. Es gibt Aufgabengebiete, die vielengar nicht bekannt sind. So befinden sich etwa schonzahlreiche Reservisten in Auslandseinsätzen. Wir brauchensie gerade im Bereich <strong>der</strong> zivil-militärischen Zusammenarbeito<strong>der</strong> <strong>zu</strong>m Beispiel bei Naturkatastrophen.Diese Konzeption wird <strong>der</strong>zeit unter Fe<strong>der</strong>führungvon Generalleutnant Weiler, dem stellvertretenden Generalinspekteur,erarbeitet. Auch hier sind viele Impulseaus den Reihen des Parlaments, über alle Fraktionsgrenzenhinweg, mit eingeflossen und fließen sicher auchkünftig mit ein. Im kommenden Jahr in diesem Jahrschaffen wir es nicht mehr werden wir dann ein entsprechendesReservistenkonzept auf den Weg bringen.Die zweite <strong>Frage</strong> ist ganz entscheidend in Be<strong>zu</strong>g aufdas Grundverständnis unserer Streitkräfte. Es ist tatsächlichso, dass wir in den letzten Jahrzehnten mit dem Modell<strong>der</strong> Wehrpflicht eine Verstärkung des Prinzips desStaatsbürgers in Uniform und des Prinzips <strong>der</strong> InnerenFührung darstellen konnten. Deswegen muss es unserAnspruch sein, auch unter den neuen Strukturen im Rahmendes neuen Modells, das wir jetzt schaffen, diesbezüglichkeinerlei Abstriche <strong>zu</strong> machen. Für alle Soldatinnenund Soldaten egal welche Laufbahngruppe, egalob freiwillig Wehrdienstleistende o<strong>der</strong> Berufssoldaten,egal ob Mannschaftsdienstgrad, Unteroffizier o<strong>der</strong> Offizier sollte das Prinzip <strong>der</strong> Inneren Führung und desStaatsbürgers in Uniform weiterhin gelten. Es ist nichtzwingend allein an die Wehrpflicht gebunden, son<strong>der</strong>nauch an das Verständnis von Ausbildung und an die<strong>Frage</strong>, wie sich Gesellschaft und Bundeswehr wechselseitig<strong>zu</strong>einan<strong>der</strong> verhalten. Dieser Anspruch bleibtmaßgeblich und wird die künftigen Strukturen und somitauch die Ausbildung <strong>der</strong> Soldatinnen und Soldaten wieauch in den vergangenen Jahrzehnten prägen.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Danke schön. Nun Harald Koch und anschließendMichael Groschek.Harald Koch (DIE LINKE):Vielen Dank, Herr Präsident. Ich weiß jetzt nicht,wer von Ihnen beiden, Frau Ministerin und Herr Minister,meine erste <strong>Frage</strong> beantworten will. Das können Sieselbst entscheiden. Nach welchen Kriterien, in welcherFrequenz und in welcher Tiefe soll das Bundesamt fürden Zivildienst überprüfen, ob auch beim Bundesfreiwilligendienststrikte Arbeitsmarktneutralität gewährleistetbleibt?Meine zweite <strong>Frage</strong> richtet sich auf jeden Fall an Sie,Frau Ministerin. Wie wollen Sie sicherstellen, dass trotzerhöhter För<strong>der</strong>pauschalen für die bestehenden Jugendfreiwilligendienstedie durch den Bundesfreiwilligendienstgeschaffene unnötige und <strong>zu</strong>dem teure bürokratischeDoppelstruktur zwischen Bund und Län<strong>der</strong>n nicht<strong>zu</strong>r Verdrängung bzw. Existenzvernichtung von sozialenTrägern, Verbänden und gemeinwohlorientierten Einrichtungenführt? Ich bin Mitglied in zwei Freiwilligendienstenund habe in den letzten Wochen viele Gesprächein dieser Richtung geführt. Danke schön.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Wer von Ihnen beiden möchte antworten? Bitteschön.Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Ich glaube, beide <strong>Frage</strong>n gehen an mich. Herr Kollege,Ihre erste <strong>Frage</strong> bezog sich auf die Überprüfung <strong>der</strong>Arbeitsmarktneutralität. Die Überprüfung dieses wichtigenKriteriums ist für das Bundesamt für den Zivildienstnichts Neues; denn es hat schon bisher die Dienststellenim Zivildienstbereich regelmäßig daraufhin überprüft.Das ist auch einer <strong>der</strong> Gründe, warum ich sage: Wir werdenweiterhin die sehr schlanke Struktur des Bundesamtesbrauchen, weil die Überprüfung <strong>der</strong> Arbeitsmarktneutralitätnur von einer neutralen Instanz wie demBundesamt geleistet werden kann. Das können die Trägernicht selbst tun; darauf können wir uns nicht verlassen.Deshalb wird es so weiterlaufen, wie es schon bishererfolgreich beim Zivildienst <strong>der</strong> Fall gewesen ist. Wenneine Einrichtung eine neue Dienststelle für den Zivildienstwerden will, dann wird geschaut, <strong>zu</strong> welchen Tätigkeitenund in welchen Fel<strong>der</strong>n Zivildienstleistendeeingesetzt werden sollen. Außerdem wird die <strong>Frage</strong> geklärt,ob irgendeine Gefahr besteht, dass bestehendeArbeitsplätze ersetzt o<strong>der</strong> verdrängt werden. Wenn esspäter Hinweise auf Probleme in Be<strong>zu</strong>g auf die Arbeitsmarktneutralitätgibt, dann wird ihnen selbstverständlichnachgegangen und dann wird interveniert werden. Daskann <strong>zu</strong> einer Aberkennung des Status als Dienststelleführen. Genauso werden wir es beim Bundesfreiwilligendienstumsetzen.Ihre zweite <strong>Frage</strong> bezog sich auf Existenzverdrängung.Sie sehen die Gefahr, dass Landesfreiwilligendiensteverdrängt werden könnten. Genau deswegen habenwir uns so intensiv darum bemüht, <strong>zu</strong> einergleichwertigen Ausgestaltung wenn irgendwie möglich <strong>zu</strong> kommen. Von keinem Dienst kann man sagen,er sei <strong>der</strong> bessere. Schauen Sie sich einmal die Obergrenzenfür das Taschengeld an! Wenn Sie alles <strong>zu</strong>sammenrechnen,dann kann man eine Gleichbehandlungfeststellen.Wir haben die Pauschalen für die Landesfreiwilligendienstemassiv erhöht; wir haben sie fast verdreifacht.Damit stellen wir sicher, dass alle Dienste gleicherma-(D)


8844 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Bundesministerin Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>(A)ßen attraktiv ausgestaltet sind. Ich gehe sogar (C) noch weiter:Wenn es irgendwie möglich ist, sollten begleitendeSeminarangebote gemeinsam gemacht werden. Was diepolitische Bildung angeht, könnte dies sogar <strong>zu</strong>sammenmit den freiwillig Wehrdienstleistenden in <strong>der</strong> Bundeswehrgeschehen. Da haben wir viele Möglichkeiten, dafür<strong>zu</strong> sorgen, dass <strong>der</strong> Einzelne keine Unterschiede hinsichtlich<strong>der</strong> jeweiligen Rechtsform spürt, indem wir allegleich ausgestalten. Da mache ich mir an<strong>der</strong>s als Sie keine Sorgen um eine Verdrängung.gänzlich verän<strong>der</strong>t hat. Wir gehen gezielt an die damitverbundenen Herausfor<strong>der</strong>ungen heran.Die Entwicklung <strong>der</strong> letzten Jahre beim Dienst vonFrauen in <strong>der</strong> Bundeswehr ist an sich gut. Der Dienst <strong>der</strong>Frauen ist nicht alleine auf die Sanität beschränkt: Mittlerweileübernehmen Frauen auch in ganz an<strong>der</strong>en BereichenVerantwortung; das soll gezielt geför<strong>der</strong>t werden.Hier stecken wir aber in einem Prozess, in dem wirsicherlich auch gefor<strong>der</strong>t sind, unsere Werbemaßnahmenentsprechend um<strong>zu</strong>stellen und <strong>zu</strong> optimieren.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Nun Kollege Michael Groschek und anschließendKollegin Annette Groth.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Danke schön. Nun Kollegin Annette Groth, anschließendKollege Patrick Kurth.(B)Michael Groschek (SPD):Wir lernen täglich, wie wichtig eine gleichberechtigteweibliche Repräsentanz im militärischen Bereich ist. Vordiesem Hintergrund frage ich die Bundesregierung, wassie angesichts <strong>der</strong> neuen Wehrerfassung von Frauen <strong>zu</strong>tun gedenkt, um eine möglichst gleichberechtigte Teilhabebei<strong>der</strong> Geschlechter an beiden Dienstformen <strong>zu</strong> erreichen.Ich bin mir sicher: Die Bundesregierung teiltmeine Meinung, dass es nicht <strong>zu</strong>r klassischen Rollenverteilungaus <strong>der</strong> Zeit vor <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>twende kommensollte, bei <strong>der</strong> die weiblichen Erfassten im Prinzip mit<strong>der</strong> Schürze die zivilen Freiwilligendienste leisten unddie männlichen Erfassten im Prinzip mit <strong>der</strong> Schutzweste die militärischen Freiwilligendienste. Insoferninteressiert es mich, was die Bundesregierung <strong>zu</strong>sammenmit <strong>der</strong> Bundeswehr und den Trägern <strong>der</strong> zivilenDienste <strong>zu</strong> tun gedenkt, um eine gleichberechtigte Teilhabebei<strong>der</strong> Geschlechter an beiden Dienstformen <strong>zu</strong> erreichen.Annette Groth (DIE LINKE):Herr Minister, Ihre Argumentation vorhin in punctoWettbewerbsfähigkeit bzw. -verzerrung hat mich nochnicht überzeugt. Wir alle wissen es ist nicht schön, das<strong>zu</strong> hören , dass 1-Euro-Jobs auch reguläre, sozialversicherungspflichtigeArbeitsplätze verdrängt haben undverdrängen. Wenn es einen Freiwilligendienst gibt, beidem <strong>der</strong> Bund die Personalkosten trägt, dann hat <strong>der</strong> Arbeitgeberdadurch einen prima Wettbewerbsvorteil. Ichbefürchte, dass das <strong>zu</strong>lasten an<strong>der</strong>er Freiwilligendienstegeht, die in eine totale Konkurrenzsituation geraten, vorallen Dingen, wenn die Freiwilligen im Rahmen desneuen Bundesfreiwilligendienstes viel länger arbeitenmüssen als bisher die Zivildienstleistenden. Wie wollenSie eine solche Entwicklung ausschließen? Wenn ich alsArbeitgeberin jedes Jahr aufs Neue Gel<strong>der</strong> beantragenmuss, komme ich in Teufels Küche und in großeSchwierigkeiten.(D)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Herr Minister, bitte.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Bitte schön, Frau Ministerin.Dr. Karl-Theodor Freiherr <strong>zu</strong> Guttenberg, Bundesminister<strong>der</strong> Verteidigung:Herr Kollege Groschek, <strong>zu</strong>nächst einmal ist es wichtig,dass die Ansprache junger Männer und Frauen keineGewichtung <strong>zu</strong>m Vorteil des einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en erkennenlässt, son<strong>der</strong>n junge Männer und Frauen gleichermaßenangesprochen werden. Deswegen gibt es die neueForm <strong>der</strong> Datenerfassung und die Möglichkeiten, die darauserwachsen mögen. Die Zielset<strong>zu</strong>ng ist völlig klar:Wir wollen seitens <strong>der</strong> Bundeswehr mehr junge Frauenansprechen, in den Dienst <strong>der</strong> Bundeswehr <strong>zu</strong> treten. Dawird es mit <strong>der</strong> Ansprache allein nicht getan sein. Vielmehrwird man hier dafür <strong>zu</strong> sorgen haben, dass wirauch in dieser Hinsicht, was die Angebote anbelangt, attraktiverwerden müssen.Sie haben vorhin von <strong>der</strong> Schutzweste gesprochen.Da geht es um etwas furchtbar Banales, was trotzdemunglaublich wichtig ist: Der Mangel an Schutzwesten fürFrauen ist ein Problem im Einsatz. Wir können schlichtwegnicht alle Größen über Jahre hinweg vorhalten. Jetztist ein Projekt im Gange, um das <strong>zu</strong> än<strong>der</strong>n. Das Beispielzeigt aber, dass sich das Denken in den letzten JahrenDr. Kristina Schrö<strong>der</strong>, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Zunächst eine Klarstellung: Die Freiwilligen müssenihren Dienst nicht länger versehen, son<strong>der</strong>n sie könnenes. Sie sind nämlich Freiwillige.Ich glaube, an dieser Stelle wird das Grundproblemdeutlich, das in den vielen Disputen zwischen <strong>der</strong> Linkenund mir immer wie<strong>der</strong> durchschimmerte: Wir habenein ganz unterschiedliches Verständnis von Freiwilligkeit,und wir schätzen auch den Wert <strong>der</strong> Freiwilligkeitfür unsere Gesellschaft unterschiedlich ein. Sie stellenFreiwilligkeit und Freiwilligendienste ständig unter denGeneralverdacht, dass dadurch Arbeitsplätze verdrängtwerden, dass dadurch Lohndumping möglich wird, dassdadurch eine ungünstige Konkurrenzsituation entsteht.Wir hingegen sagen erst einmal: Wir freuen uns über jeden,<strong>der</strong> sich freiwillig engagiert. Wir sind dankbar fürjeden, <strong>der</strong> sich freiwillig engagieren will. Freiwilligeleisten etwas Großartiges für unsere Gesellschaft, undzwar nicht in Bereichen, in denen sie durch reguläre Arbeitskräfteersetzt werden könnten. Wir wären sehr arm,wenn es dieses freiwillige Engagement nicht gäbe. Dasist <strong>der</strong> Grund. Wenn Sie sich anschauen, in welchen Be-


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8845Bundesministerin Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>(A)(B)reichen Freiwillige eingesetzt werden, stellen (C) Sie fest,dass das keine Bereiche sind, in denen dadurch Wettbewerbsvorteileentstehen. In diesen Bereichen findet vielmehrdie Kür und nicht die Pflicht statt. Wenn wir unsdarauf einigen könnten, wären wir schon einen Schrittweiter.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Nun fragt Patrick Kurth und danach als letzter <strong>Frage</strong>stellerSönke Rix.Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP):Herr Minister, ich komme auf die Kreiswehrersatzämter<strong>zu</strong>rück, die im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Reformvon wesentlichen Aufgaben entbunden werden sollen.Auch die zivilen Mitarbeiter brauchen Planungssicherheit.Wann rechnen Sie mit einer neuen Konzeption, miteiner neuen Ausrichtung <strong>der</strong> Kreiswehrersatzämter?Zweite <strong>Frage</strong>. Sie sprachen von <strong>der</strong> Bundeswehr alsTeil <strong>der</strong> Gesellschaft und sagten, dass sie auch weiterhinin die Mitte <strong>der</strong> Gesellschaft gehört. Muss man nichtauch darüber nachdenken, wie man mit Standorten in Innenstädtenumgeht, ob auf diese Standorte, Kasernenund Garnisonen nicht möglicherweise eine verän<strong>der</strong>teVerantwortung <strong>zu</strong>kommt, damit sie weiterhin als Teil <strong>der</strong>Gesellschaft verstanden werden?Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Bitte schön, Herr Minister.Dr. Karl-Theodor Freiherr <strong>zu</strong> Guttenberg, Bundesminister<strong>der</strong> Verteidigung:Vielen Dank, Herr Kollege Kurth. Zunächst <strong>zu</strong> denKreiswehrersatzämtern: Den Kreiswehrersatzämternkommt <strong>der</strong>zeit eine hochverantwortungsvolle Rolle <strong>zu</strong>.Zum einen sind sie gefor<strong>der</strong>t, den Status quo bis <strong>zu</strong>m30. Juni bzw. 1. Juli 2011 aufrecht<strong>zu</strong>erhalten, das heißtin bekannten Strukturen <strong>zu</strong> arbeiten. Ich weise aber nocheinmal darauf hin, dass wir den Kreiswehrersatzämterndas Angebot machen, sich im nächsten Jahr, beginnendmit dem 1. März 2011, <strong>zu</strong> erneuern. Der junge Menschwird entsprechend an<strong>der</strong>s darauf <strong>zu</strong>rückgreifen können.Dann wird er nicht mehr gegen seinen Willen eingezogenwerden. In dieser Übergangszeit werden sich dieKreiswehrersatzämter ihren neuen Aufgaben <strong>zu</strong><strong>zu</strong>wendenhaben. Letztlich werden sie in die Dienstleistungsstrukturin verän<strong>der</strong>ter Form eintreten. Wir wollen sehrbald, das heißt, in den nächsten zwei, drei Monaten,Klarheit darüber haben, wohin die Reise geht und wiesich die Kreiswehrersatzämter aufgrund ihrer neuenAufgabengebiete neu <strong>zu</strong> positionieren haben. Dabeikann man natürlich Erfahrungswerte einfließen lassen.Es ist sinnvoll, diese Erfahrungswerte auf<strong>zu</strong>nehmen.<strong>zu</strong>m Beispiel in Bereichen gezielt werben wollen, in denenman bereits jetzt keine Bundeswehrstrukturen mehrhat. Vielleicht will man in diesen Bereichen eine Verstärkungerreichen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass daseine Rolle spielen wird. Deswegen hängt das <strong>zu</strong>sammen.Die Betrachtung <strong>der</strong> Einrichtungen <strong>der</strong> Bundeswehrinstitutionenbezieht sich natürlich nicht allein aufdie Innenstädte, son<strong>der</strong>n auf jeden einzelnen Standort indiesem Land. Auch hier wird es eine breite Herangehensweisegeben müssen, wohl wissend, dass wir uns ingewissen Bereichen inhaltlich, konzeptionell und faktischöffnen müssen, dass wir in einigen Bereichen Anlaufpunktsind und Dinge erklären können müssen. Wirmüssen uns in den Innenstädten so präsentieren, dass dieBindung zwischen Bundeswehr und Gesellschaft nichtnur behauptet wird, son<strong>der</strong>n sich im täglichen Leben abspielenkann. Deswegen werden wir uns die Vorschläge,die uns gemacht werden, sehr genau ansehen. Auch ausdem Hause heraus werden bereits zahlreiche Vorschlägeentwickelt. Daher glaube ich, dass wir auf einem gutenWege sind.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Kollege Sönke Rix.Sönke Rix (SPD):Vielen Dank, dass Sie hier heute <strong>zu</strong>r Beantwortung<strong>der</strong> <strong>Frage</strong>n <strong>zu</strong>r Verfügung stehen. Wenn man nach einermöglichen Konkurrenz zwischen dem Jugendfreiwilligendienstund dem Bundesfreiwilligendienst fragt,heißt es immer, die beiden seien eigentlich gleich. Manwolle sie gleich behandeln, die Bezahlung solle möglichstgleich sein, es gebe bei beiden Bildungseinheiten.Man wolle versuchen, sie auf einer gleichen Ebene <strong>zu</strong>sehen.Wenn es denn so viel Gleichheit zwischen diesenDiensten gibt, frage ich mich: Warum gibt es dann diesenzweiten Dienst? Ich weiß, dass da meistens als Antwortgesagt wird: Wir brauchen die Strukturen für eineeventuelle Wie<strong>der</strong>einführung des Wehrdienstes bzw. wirhaben bei den Jugendfreiwilligendiensten keine Bundes<strong>zu</strong>ständigkeit.Wenn wir keine Bundes<strong>zu</strong>ständigkeit haben,frage ich mich allerdings, warum wir jetzt eine Erhöhungbei den Jugendfreiwilligendiensten vornehmen.Wir brauchen die Strukturen des alten Zivildienstesnicht auf Dauer. Im Grundgesetz steht zwar, dass wir einenErsatzdienst <strong>zu</strong>r Verfügung stellen müssen, falls wirden Wehrdienst wie<strong>der</strong> einführen, aber das muss nichtautomatisch <strong>der</strong> Zivildienst sein.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Bitte schön, Frau Ministerin.(D)Was die Stationierung und die Standorte <strong>der</strong> Kreiswehrersatzämteranbelangt, ist <strong>zu</strong> sagen, dass das imZusammenhang mit <strong>der</strong> gesamten Standort- und Stationierungsplanungin Deutschland <strong>zu</strong> sehen ist, weil vieleDinge dabei sehr eng <strong>zu</strong>sammenhängen. Es kann jadurchaus sein, dass die Nachfolgeeinrichtungen <strong>der</strong> heutigenKreiswehrersatzämter in Bereichen aktiv werden,Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>, Bundesministerin für Familie,Senioren, Frauen und Jugend:Herr Kollege Rix, darüber haben wir schon oft gesprochen;aber vielleicht müssen wir heute noch einmaldarüber sprechen. Die Antwort ist sehr einfach. Wennwir das Ganze auf Bundesebene bündeln würden, wür-


8846 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Bundesministerin Dr. Kristina Schrö<strong>der</strong>(A)den wir die bestehenden Strukturen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> (C) plattmachen.(Sönke Rix [SPD]: Geht ja nicht!)Wir würden sie gefährden. Ich glaube, das möchte keinervon uns. Wir würden vor allen Dingen auch ein zentralistischesInstrument schaffen, das die regionalen Unterschiede,die es gerade auch beim Freiwilligen SozialenJahr und Freiwilligen Ökologischen Jahr gibt, negierenwürden. Wenn ich mit den Trägern spreche, bei denen esdamals durchaus Sympathien für die Idee, alles auf Bundesebene<strong>zu</strong> bündeln, gab, habe ich das Gefühl, dassdiese wenigen Sympathien deutlich abgenommen habenund sich die Einsicht durchgesetzt hat, dass es gut ist,dass wir diese Strukturen erhalten.Sie haben auch gefragt, warum wir nicht quasi nur dieLandesfreiwilligendienste erhalten. Auch diese Antwortist ausgesprochen einfach: weil die Län<strong>der</strong> nicht bereitsind, dafür 300 Millionen Euro <strong>zu</strong>r Verfügung <strong>zu</strong> stellen.Wir beginnen mit <strong>der</strong> <strong>Frage</strong> 1 <strong>der</strong> Kollegin HildeMattheis:Wird die Bundesregierung künftige Ausgabensteigerungenin <strong>der</strong> sozialen Pflegeversicherung alleine den Versichertenaufbürden, o<strong>der</strong> bleibt es bei <strong>der</strong> paritätischen Finanzierungdes Beitrages, die bisher <strong>zu</strong>mindest nominal gegebenwar, mit <strong>der</strong> Einschränkung, dass die Arbeitgeber schon bei<strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Pflegeversicherung durch Wegfall einesFeiertages nicht belastet worden sind?Bitte schön, Frau Staatssekretärin.Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Frau Kollegin Mattheis, auf Ihre <strong>Frage</strong> antworte ichIhnen wie folgt: Der Koalitionsvertrag sieht vor, ausGründen <strong>der</strong> demografischen Entwicklung neben <strong>der</strong> sozialenPflegeversicherung eine ergänzende Kapitaldeckungein<strong>zu</strong>führen. Zur genaueren Ausgestaltung solleine interministerielle Arbeitsgruppe Vorschläge machen.(B)(Sönke Rix [SPD]: Das können Sie jamachen!)Wenn sie das tun würden, wäre das ein interessantes undvielleicht auch <strong>zu</strong>kunftsweisendes Unterfangen. Aber siesind nicht da<strong>zu</strong> bereit. Sie wollen, dass wir mit Mittelndes Bundes Län<strong>der</strong>strukturen umfassend finanzieren.Das wäre finanzverfassungsrechtlich nicht <strong>zu</strong>lässig;diese Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ng haben wir schon oft geführt.Das wäre auch nicht im Sinne unseres Fö<strong>der</strong>alismus undauch nicht im Sinne einer klaren Zuständigkeit und einerklaren Verantwortlichkeit.Die Pauschalen, die wir zahlen das wissen auch Sie ,sind eine Art pädagogische Pauschalen. Es ist etwas an<strong>der</strong>es,ob Sie einen Dienst <strong>zu</strong> einem kleinen Teil o<strong>der</strong>umfassend finanzieren. Darauf würde es hinauslaufen,wenn wir 300 Millionen Euro für die Landesfreiwilligendienste<strong>zu</strong>r Verfügung stellen würden.Die einzige Möglichkeit wäre, den Län<strong>der</strong>n die300 Millionen Euro über Umsatzsteuerpunkte <strong>zu</strong>kommen<strong>zu</strong> lassen. Ich möchte gar nicht bestreiten, dass diesrein theoretisch möglich ist. Ich glaube aber, wir allesind uns einig, dass das ein ganz schlechter Weg wäre.Wir wissen aus an<strong>der</strong>en Gesetzgebungsbereichen ichmöchte es einmal nett ausdrücken , dass nicht immerganz klar ist, ob je<strong>der</strong> Euro da ankommt, wo ihn <strong>der</strong>Bundesgesetzgeber haben wollte. Deshalb sage ich: So,wie wir das machen, ist es vernünftig.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Danke schön. Ich beende die Befragung <strong>der</strong> Bundesregierung.Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:<strong>Frage</strong>stunde Drucksache 17/4153 Wir kommen <strong>zu</strong>nächst <strong>zu</strong>m Geschäftsbereich desBundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortungsteht die Parlamentarische Staatssekretärin AnnetteWidmann-Mauz <strong>zu</strong>r Verfügung.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Gibt es da<strong>zu</strong> eine Nachfrage?Hilde Mattheis (SPD):Nachher.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Dann kommen wir <strong>zu</strong>r <strong>Frage</strong> 2 <strong>der</strong> Kollegin Mattheis:Wie beurteilt die Bundesregierung die Beitragsbelastungfür die Versicherten in <strong>der</strong> sozialen Pflegeversicherung durcheine prognostizierte Beitragserhöhung von jetzt 1,95 Beitragssatzpunkteauf 2,1 Beitragssatzpunkte im Jahr 2014, auf2,3 Beitragssatzpunkte im Jahr 2020, auf 2,5 Beitragssatzpunkteim Jahr 2030 und auf 2,8 Beitragssatzpunkte im Jahr2050 im Vergleich <strong>zu</strong> einem angedachten Zusatzbeitrag von10 Euro o<strong>der</strong> 15 Euro o<strong>der</strong> 20 Euro bereits für das Jahr 2014?Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Frau Kollegin Mattheis, die Bundesregierung verfolgtdas Ziel einer generationengerechten Verteilung <strong>der</strong> Beitragsbelastungin <strong>der</strong> sozialen Pflegeversicherung. Deshalbkönnen den kommenden Generationen nicht kontinuierlichsteigende Beitragssätze aufgebürdet werden.Die im Koalitionsvertrag geplante ergänzende Kapitaldeckungin <strong>der</strong> Pflegeversicherung kann <strong>zu</strong> einem gerechtenAusgleich <strong>der</strong> Belastungen zwischen <strong>der</strong> heutigenGeneration und künftigen Generationen beitragen.Zur konkreten Ausgestaltung gibt es noch keine Festlegungen.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Nachfrage? Bitte schön.Hilde Mattheis (SPD):Frau Parlamentarische Staatssekretärin, gestatten Siemir eine Nachfrage. Da es Hochrechnungen bezüglichdes prozentualen Beitragssatzes bis 2040/2050 gibt,würde mich interessieren: Wie hoch wäre <strong>der</strong> Zusatzbeitragfür diesen Zeitraum? Gibt es auch da<strong>zu</strong> Hochrechnungen?(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8847(A)Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin (C) beimBundesminister für Gesundheit:Die Höhe des Zusatzbeitrags hängt sehr stark von <strong>der</strong>Ausgestaltung eines künftigen Finanzierungsmodells ab.Da es noch keine Festlegung auf ein Finanzierungsmodellgibt, kann ich auch da<strong>zu</strong> <strong>zu</strong>m heutigen Zeitpunktkeine Aussage treffen.Grundlage für den Finanzierungsbedarf bilden. Auf dieserGrundlage werden wir dann sicherlich auch Berechnungen<strong>zu</strong> entsprechenden Modellen anstellen. Aber wirwollen nicht den zweiten vor dem ersten Schritt tun.Deshalb kann ich Ihnen <strong>zu</strong>m jetzigen Zeitpunkt nichtmitteilen, dass wir bereits Berechnungen <strong>zu</strong> konkretenModellen angestellt haben.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Eine weitere Nachfrage?Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Kollegin Senger-Schäfer hat eine weitere Nachfrage.Hilde Mattheis (SPD):Ja.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Bitte.Hilde Mattheis (SPD):Meine <strong>Frage</strong> im Anschluss daran lautet: Wie sieht <strong>der</strong>Zeithorizont aus? Das Gespräch mit den Beteiligten,auch mit den Kostenträgern, bezüglich <strong>der</strong> Finanzierungwurde abgesagt. Es gab für 2011 die Ankündigung, einenFinanzierungsvorschlag bzw. ein Konzept vor<strong>zu</strong>legen.Wie ist jetzt <strong>der</strong> Zeithorizont?Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE):Vielen Dank. Auch ich habe eine <strong>Frage</strong> <strong>zu</strong>r Finanzierung.Ich sehe in Ihren Aussagen eine gewisse Ambivalenz vielleicht können Sie mir da auf die Sprüngehelfen : Auf <strong>der</strong> einen Seite haben Sie sich im Koalitionsvertragauf eine verpflichtende individuelle und generationengerechteKapitaldeckung festgelegt. Auf <strong>der</strong>an<strong>der</strong>en Seite haben Sie in Ihrer Pressemitteilung vom2. Dezember dieses Jahres geschrieben Zitat :Grundsätzlich gilt, dass es bisher im Bundesgesundheitsministeriumkeine Festlegung auf einFinanzierungsmodell für die langfristige Sicherung<strong>der</strong> Pflegeversicherung gibt.(B)Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Frau Kollegin Mattheis, <strong>der</strong> Bundesminister für Gesundheit,Philipp Rösler, hat am 6. Dezember diesesJahrs mit einer Dialogreihe begonnen, in <strong>der</strong> es um dieinhaltlichen Festlegungen, die im Koalitionsvertrag vorgenommenworden sind, geht, angefangen beim Fachkräftebedarfüber <strong>Frage</strong>n des Pflegebedürftigkeitsbegriffsund <strong>der</strong> Einstufung bis hin <strong>zu</strong>r För<strong>der</strong>ung vonWohngruppen und Ähnlichem. Das ist die Basis, um dieBeratungen über die Finanzierungsgrundlagen sorgfältigund sachgerecht durchführen <strong>zu</strong> können. Diese Gesprächewerden wir im Laufe des ersten Halbjahres desnächsten Jahres abschließen und eine interministerielleArbeitsgruppe einsetzen.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Danke. Eine weitere Nachfrage stellt Frau Vogler.Kathrin Vogler (DIE LINKE):Frau Staatssekretärin, mich würde interessieren, ob inIhrem Ministerium schon Berechnungen angestellt wordensind, wie viele Pflegemonate jemand, <strong>der</strong> mit25 o<strong>der</strong> 30 Jahren anfängt, mit den von <strong>der</strong> KolleginMattheis unterstellten Beitragssätzen in diese Zusatzversicherungein<strong>zu</strong>zahlen, mit dem angesparten Kapitalstockfinanzieren könnte. Gibt es da<strong>zu</strong> Berechnungen?Haben Sie geplant, solche Berechnungen an<strong>zu</strong>stellen?Wann können wir mit Ergebnissen rechnen?Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Frau Kollegin Vogler, auch hier gilt: Die Bundesregierungund das Bundesgesundheitsministerium wollen<strong>zu</strong>nächst die inhaltlichen <strong>Frage</strong>stellungen klären, die dieVielleicht können Sie mir hier gerade ein bisschen helfen.Vielen Dank.Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Frau Kollegin Senger-Schäfer, in dem Koalitionsvertragsind Ziele formuliert. Sie fragen mich nach konkretenUmset<strong>zu</strong>ngsmodellen <strong>zu</strong>r Verwirklichung dieserZiele. Die Ziele stehen im Koalitionsvertrag und habenvon ihrer Gültigkeit nichts verloren. Für die konkretenUmset<strong>zu</strong>ngsmodelle bedarf es einer sorgfältigen Analysedes Finanzierungsbedarfs. Diese Modelle werdenwir jetzt in Gesprächen, im Dialog <strong>zu</strong>nächst klären, un<strong>der</strong>st dann können wir in die konkrete Planung und Erarbeitungdes Finanzierungskonzepts eintreten.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Eine weitere Nachfrage hat Kollegin Bunge.Dr. Martina Bunge (DIE LINKE):Frau Staatssekretärin, an und für sich ist es ja begrüßenswert,erst einmal die Aufgabe <strong>zu</strong> formulieren undsich dann über die Finanzen den Kopf <strong>zu</strong> zerbrechen:wie viel Geld man braucht und woher man es holt.Dies tun Sie für das Jahr 2011, und damit definierenSie ein gewisses Leistungsvolumen. Dabei kommt vermutlichein Mehrbedarf heraus. Sie sagen aber, die Pflegeversicherungsei durch die jetzige Finanzierung bisEnde 2013 gesichert. Heißt das auf gut Deutsch, dass Sieerst ab 2014 Leistungsverbesserungen vorsehen, o<strong>der</strong>wird es vorgezogen <strong>zu</strong> Beitragserhöhungen kommen, damitdie Ziele, durch die sicher ein Stück mehr Teilhabegewährleistet werden kann, umgesetzt werden können?(D)


8848 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010(A)Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin (C) beimBundesminister für Gesundheit:Frau Kollegin Bunge, <strong>zu</strong>nächst erlaube ich mir, Sie <strong>zu</strong>berichtigen. Ich habe heute Vormittag im Ausschuss fürGesundheit die neuesten Entwicklungen und auch Prognosenhinsichtlich <strong>der</strong> Einnahmen und Ausgaben in <strong>der</strong>sozialen Pflegeversicherung vorgestellt. Durch die verbesserteEntwicklung bei den Einnahmen werden wir das wird auch aus <strong>der</strong> Einnahme- und Ausgabenstatistikund aus <strong>der</strong> Berechnung sichtbar <strong>zu</strong> einer auskömmlichenFinanzierung <strong>der</strong> sozialen Pflegeversicherungbis <strong>zu</strong>m Frühjahr des Jahres 2014 kommen. DieMittel inklusive <strong>der</strong> Mindestrücklage werden also bisAnfang 2014 ausreichend sein.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Wir kommen damit <strong>zu</strong>r <strong>Frage</strong> 3 des Kollegen Steffen-Claudio Lemme:Ist bei <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Zusatzversicherung für diePflege an einen Sozialausgleich gedacht, und wie wird diesergegebenenfalls ausgestaltet und finanziert?Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Sehr geehrter Herr Kollege Lemme, die <strong>Frage</strong> <strong>der</strong>Notwendigkeit eines Sozialausgleichs bei <strong>der</strong> Einführungeiner kapitalgedeckten Zusatzvorsorge ist abhängigvon <strong>der</strong> genauen Ausgestaltung <strong>der</strong> Reform. Hier<strong>zu</strong> gibtes <strong>der</strong>zeit noch keine Festlegungen.Hinsichtlich <strong>der</strong> <strong>Frage</strong>n, welche Leistungen wir anbietenund <strong>zu</strong> welchem Zeitpunkt wir für Verbesserungensowohl bei <strong>der</strong> Einstufung als auch bezüglich <strong>der</strong>sonstigen Leistungen und <strong>der</strong> Strukturen sorgen, berätsich die Bundesregierung seit dem 7. Dezember 2010mit Fachleuten. Auf dieser Grundlage werden wir danndie entsprechenden Entscheidungen treffen. Dem kannaber nicht vorgegriffen werden.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Eine weitere Nachfrage von Kollegin Rawert.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Kollege Lemme.Steffen-Claudio Lemme (SPD):Frau Staatssekretärin, erst einmal vielen Dank für dieAntwort. Ich habe eine Zusatzfrage: Denken Sie beidem geplanten Sozialausgleich auch daran, dass eineÜberfor<strong>der</strong>ungsklausel geschaffen wird, weil schon davonausgegangen werden kann, dass es in diesem Bereich<strong>zu</strong> sozialen Härten kommt?(B)Mechthild Rawert (SPD):Frau Widmann-Mauz, Sie haben gerade ausgeführt,dass Sie <strong>zu</strong> den Strukturen und <strong>zu</strong> den weiteren Leistungennoch nichts sagen können o<strong>der</strong> wollen, weil Sie sichim Dialog mit Fachleuten befinden. Nichtsdestotrotz gehört<strong>zu</strong> dieser Diskussion auch, dass über die Verbesserungdes Personalschlüssels und die Verbesserung <strong>der</strong>Situation <strong>der</strong> Fachkräfte gesprochen wird. Wie soll dieentsprechende Ausgestaltung in <strong>der</strong> Pflegeversicherungaussehen, wie die Finanzierung dieser Verbesserungensichergestellt werden?Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Herr Kollege Lemme, auch für die <strong>Frage</strong> des Sozialausgleichsund <strong>der</strong> Überfor<strong>der</strong>ungsklausel gilt: Dashängt von <strong>der</strong> Erfor<strong>der</strong>lichkeit je nach Ausgestaltung desModells ab. Da es aber noch keine Vorüberlegungen undVorfestlegungen <strong>zu</strong> dem Modell gibt, kann ich <strong>zu</strong> Ihrer<strong>Frage</strong> keine konkreten Aussagen machen.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Eine Nachfrage <strong>der</strong> Kollegin Senger-Schäfer.(D)Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Frau Kollegin Rawert, genau dieses Thema treibtauch die Bundesregierung und den Bundesgesundheitsministerum. Deshalb hat er den künftigen Fachkräftebedarfauch <strong>zu</strong>m ersten Thema beim Pflegedialog am7. Dezember 2010 gemacht. Hier hat eine intensive Diskussionstattgefunden. Diese Diskussion ist auch nochnicht beendet.Es ist vereinbart worden, das Gespräch <strong>zu</strong> genau diesemThemenkomplex fort<strong>zu</strong>setzen, da es unterschiedlicheAnnahmen hinsichtlich des Bedarfs an Pflegekräften,hinsichtlich des <strong>zu</strong>sätzlichen Pflegefachpersonalsund hinsichtlich <strong>der</strong> <strong>Frage</strong> gibt, wie die Strukturen verbessertwerden können, um den Fachkräftebedarf unterUmständen auch etwas stärker stabilisieren <strong>zu</strong> können.Der entsprechende Finanzierungsbedarf lässt sich nichtseriös feststellen, bevor auch hier die Beratungen nichtabgeschlossen sind.Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE):Ich habe eine sehr kurze <strong>Frage</strong>: Ist denn schon klar,wer diese Zusatzversicherung anbieten soll?Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Frau Kollegin Senger-Schäfer, da das Modell nochnicht feststeht und damit auch nicht die dem <strong>zu</strong>grundeliegenden Details, kann ich Ihnen diese <strong>Frage</strong> <strong>zu</strong>m jetzigenZeitpunkt nicht beantworten. Zuerst müssen die Arbeitenan dem Leistungspaket durchgeführt werden, unddann müssen die <strong>Frage</strong>n <strong>der</strong> Finanzierung geklärt werden.Wir sind im Verfahren noch nicht so weit.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Damit kommen wir <strong>zu</strong>r <strong>Frage</strong> 4 des Kollegen Lemme:Was soll nach Ansicht <strong>der</strong> Bundesregierung aus Kapitalanlagenvon Personen werden, die nicht pflegebedürftig werdenund nicht auf das Angesparte <strong>zu</strong>rückgreifen müssen?


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8849(A)Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin (C) beimBundesminister für Gesundheit:Verehrter Kollege Lemme, auch hier gibt es nochkeine Festlegungen. Im Rahmen von Versicherungslösungenwerden die angesammelten Altersrückstellungenüblicherweise nur für Leistungen verwendet und nicht andie Versicherten o<strong>der</strong> gegebenenfalls an die jeweiligenHinterbliebenen ausgezahlt. Bei individuellen Sparverträgenkann dagegen das Kapital auch vererbt werden.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Nachfrage? Bitte.cherung in <strong>der</strong> gesetzlichen Pflegeversicherung liegen, undauf welcher Grundlage hat die Bundesregierung diese Höheermittelt?Bitte schön, Frau Staatssekretärin.Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Sehr geehrter Kollege Professor Lauterbach, Berechnungensind noch nicht erfolgt und erst auf <strong>der</strong> Grundlagekonkreter inhaltlicher Festlegungen über die leistungsrechtlichenund die finanziellen Einzelheiten einesReformkonzepts möglich.(B)Steffen-Claudio Lemme (SPD):Vielen Dank. An welche Anlageform im Bereichdieser kapitalgedeckten Absicherung denken Sie denn?Welche Kapitalstöcke haben Sie hier im Blick? Soll esbei einer Nichtauslastung dieser kapitalgedeckten Versicherungauch <strong>zu</strong> Ausschüttungen kommen?Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Die interministerielle Arbeitsgruppe wird sich sicherlich<strong>zu</strong>m gegebenen Zeitpunkt auch mit dieser <strong>Frage</strong>stellungausführlich befassen. Ich bin gerne bereit, Ihnendann, wenn <strong>der</strong> Zeitpunkt gekommen ist, nämlich wennwir uns damit befasst haben, die entsprechenden Auskünfte<strong>zu</strong> liefern.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Eine Nachfrage <strong>der</strong> Kollegin Mattheis. Bitte.Hilde Mattheis (SPD):Frau Staatssekretärin, Sie sprachen gerade davon,dass es zwei Möglichkeiten gibt. Sie erwähnten bei <strong>der</strong>zweiten Möglichkeit, nämlich <strong>der</strong> <strong>der</strong> individuellen Ansparung,dass ein Vererben möglich sei. Habe ich es sorichtig verstanden da wollte ich gerne nachfragen ,dass bei Nichtvorliegen einer Pflegebedürftigkeit eineAnsparung dann an die Angehörigen gehen würde?Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Frau Kollegin Mattheis, ich habe referiert, wie bei bestehendenVersicherungsverträgen mit dem Kapital umgegangenwird. Der Gesetzgeber ist immer frei, weitereLösungen <strong>zu</strong> finden. Das werden die Beratungen in denentsprechenden Gremien sicherlich mit beinhalten. Vordiesem Hintergrund kann ich keine Aussagen <strong>zu</strong> geplantenRegelungen und damit auch nicht <strong>zu</strong> zwei o<strong>der</strong> mehrerenModellen machen; denn wir haben noch nicht überModelle gesprochen und deshalb auch noch keine Vorfestlegungengetroffen.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Bitte schön, Herr Kollege.Dr. Karl Lauterbach (SPD):Wir haben wie<strong>der</strong>holt gehört, dass es keine Berechnungengibt. Daher die Nachfrage: Haben Sie Schwierigkeitenmit den Berechnungen? Brauchen Sie Hilfe?(Heiterkeit bei <strong>der</strong> SPD)Wir hören seit mehr o<strong>der</strong> weniger einem Jahr, dass eszwar ein Modell, aber keinerlei Berechnungen gibt, unddass Sie nicht in <strong>der</strong> Lage sind, uns auch nur ansatzweiseeinen Überblick darüber <strong>zu</strong> geben, wie hoch <strong>der</strong> Finanzbedarfist, wie die Finanzierung aussieht o<strong>der</strong> was auchimmer. Deshalb meine <strong>Frage</strong>: Soll aus taktischen Gründenkeine Berechnung erfolgen, o<strong>der</strong> haben Sie technischeProbleme? Können wir helfen?Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Kollege Lauterbach, erstens möchte ich auf Folgendeshinweisen: Wenn Sie mir <strong>zu</strong>gehört hätten, dannwüssten Sie, dass es einen sachlichen Grund gibt, warumwir die Berechnungen erst dann anstellen, wenn wir denInhalt dessen kennen, was wir berechnen sollen. Das isteine logische Abfolge, die Wissenschaftlern nicht fremdsein sollte.Zweitens gehe ich davon aus, dass Sie uns sicherlichauch unaufgefor<strong>der</strong>t Hilfe <strong>zu</strong>kommen lassen würden,was entsprechende Modellrechnungen anbelangt.Drittens können Sie davon ausgehen, dass wir dann,wenn wir die entsprechende logische Abfolge <strong>der</strong>Schritte vorgenommen haben, sehr zügig <strong>zu</strong> Berechnungenkommen werden, wahrscheinlich zügiger, als esbeim Bürgerversicherungsmodell, das Ihre Fraktion sehrlange nicht vorgelegt hat, <strong>der</strong> Fall war.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Eine weitere Nachfrage? Bitte schön.(D)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Weitere Nachfragen da<strong>zu</strong> gibt es nicht.Damit kommen wir <strong>zu</strong>r <strong>Frage</strong> 5 des Kollegen KarlLauterbach:In welcher Höhe werden nach den Berechnungen <strong>der</strong> Bundesregierungdie Beiträge für die kapitalgedeckte Zusatzversi-Dr. Karl Lauterbach (SPD):Zunächst einmal möchte ich mich für Ihr Vertrauenbedanken. Wir werden Ihnen in <strong>der</strong> Tat auch unaufgefor<strong>der</strong>tbei den Berechnungen <strong>zu</strong>r Seite stehen.Wenn Sie später ein Modell wählen, entsteht es normalerweiseauf <strong>der</strong> Grundlage vorliegen<strong>der</strong> Berechnun-


8850 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Dr. Karl Lauterbach(A)(B)gen, welches Modell <strong>zu</strong> welchem Ergebnis (C) führenwürde. Daher ist Ihre Unterweisung in <strong>der</strong> Logik <strong>der</strong> Abfolgenicht ganz korrekt. Normalerweise hat man einPortfolio von Berechnungen und wählt auf dieser Grundlagedann das Modell, das den Zielen am nächstenkommt. Wenn wir Ihre Berechnungen hätten, so Siediese angefertigt hätten, könnten wir uns in <strong>der</strong> gewohntkonstruktiven Art und Weise an dieser Diskussion beteiligen.Von daher noch einmal meine Nachfrage: Weshalbwird nicht vorgelegt, was an Möglichkeiten besteht? Ichmache es ganz einfach: Wie viel würde es beispielsweisebringen, wenn sichergestellt werden soll, dass die Belastungdes Einzelnen nicht mehr als 10 Euro pro Monatbetragen soll? Was würde es umgekehrt kosten, wenn erreichtwerden soll, dass beispielsweise 25 Prozent <strong>der</strong>späteren Aufwendungen für die Pflege aus dem Kapitalstockkommen? Wenn Berechnungen vorliegen, kannman, auch gemeinsam, diverse Szenarien durchgehen.Es leuchtet mir schlicht nicht ein, warum es keine Berechnungenfür solche Szenarien gibt und Sie uns dieMöglichkeit <strong>der</strong> konstruktiven Begleitung Ihrer Arbeitnehmen, während die Zeit von hinnen geht.Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Herr Kollege Lauterbach, Sie haben sich bereits in Ihrer<strong>Frage</strong>stellung persönlich auf mehrere Vorfestlegungenfestgelegt, was die Bewertung unterschiedlicherModelle angeht. Da es aber in <strong>der</strong> Bundesregierung nochkeine Vorfestlegungen gibt, kann diese Befassung, sogerne wir konstruktiv mit den Oppositionsfraktionenbzw. mit Ihrer Fraktion <strong>zu</strong>sammenarbeiten, <strong>zu</strong>m jetzigenZeitpunkt nicht erfolgen. Aber sobald wir wissen, waswir berechnen wollen, werden wir sehr zügig die Grundsätze,die im Koalitionsvertrag festgelegt sind, in <strong>der</strong> interministeriellenArbeitsgruppe erörtern und gerne dannauch mit dem Parlament, im Ausschuss und in <strong>der</strong> Öffentlichkeitdiskutieren.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Keine weitere <strong>Frage</strong> da<strong>zu</strong>.Dann rufe ich die <strong>Frage</strong> 6 des Kollegen Lauterbachauf:Welche monatliche Prämienhöhe <strong>zu</strong>r ergänzenden Kapitaldeckungist nach Auffassung <strong>der</strong> Bundesregierung auchfür Rentnerinnen und Rentner und an<strong>der</strong>e Bezieherinnen undBezieher vergleichsweise niedriger Einkommen tragbar, ohnedass ein sozialer Ausgleich eingeführt wird?Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Kollege Lauterbach, bitte.Dr. Karl Lauterbach (SPD):Das leuchtet mir nicht ein, Frau Kollegin. Es ist dochim Wesentlichen eine Werteentscheidung, was Sie alsObergrenze erachten, ab <strong>der</strong> ein Sozialausgleich beispielsweisefür Rentner o<strong>der</strong> Geringverdiener nötigwürde. Selbst dann, wenn nicht klar wird, wofür dasGeld verwendet wird, wie viel insgesamt aufgebrachtwird und bis wann es <strong>zu</strong>r Verfügung steht, müssten Siedoch die normative <strong>Frage</strong> beantworten können, ab welcherHöhe Sie einen Sozialausgleich für nötig halten. Esist ja keine technische <strong>Frage</strong>, son<strong>der</strong>n eine Verteilungsfrage.Wie viel ist für den Geringverdiener <strong>zu</strong>mutbar, bevorein Sozialausgleich für den Zweck, den Sie hier beschreiben,notwendig wird?Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Herr Kollege Lauterbach, auch diese <strong>Frage</strong>stellung istin großem Maße abhängig von unterschiedlichen Modellen:Modellen, die einen Sozialausgleich erfor<strong>der</strong>lichmachen, Modellen, die keinen Sozialausgleich erfor<strong>der</strong>lichmachen usw. Da die <strong>Frage</strong>n <strong>der</strong> Finanzierung abererst am Ende <strong>der</strong> Beratungen anstehen, ist eine Vorfestlegungauf dieser Grundlage im Moment nicht möglich.Deshalb kann ich Ihnen diese <strong>Frage</strong> <strong>zu</strong>m jetzigen Zeitpunktnicht beantworten.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Keine Nachfrage?Dann rufe ich die <strong>Frage</strong> 7 <strong>der</strong> Kollegin CarolaReimann auf:Wann werden erste Reformpläne <strong>zu</strong>r Reform <strong>der</strong> Pflegeversicherungvorliegen, und werden mit den Reformansätzenfür Angebots- und Infrastrukturverbesserungen auch Vorschlägefür eine Finanzreform vorliegen?Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Frau Kollegin Reimann, die Bundesregierung hält,wie im Koalitionsvertrag vereinbart, daran fest, dass nebeneiner neuen, differenzierten Definition <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeitund <strong>der</strong> Notwendigkeit von an den Bedürfnissen<strong>der</strong> Pflegebedürftigen orientierten Wohn- undBetreuungsformen auch eine Ergän<strong>zu</strong>ng durch Kapitaldeckungnotwendig ist, damit die Pflegeversicherung allenBürgerinnen und Bürgern eine verlässliche Teilabsicherung<strong>der</strong> Pflegekosten weiterhin garantieren kann.(D)Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Auch diese <strong>Frage</strong> des Kollegen Lauterbach kann ichnicht an<strong>der</strong>s beantworten als die vorige. Diese <strong>Frage</strong>kann erst im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Festlegung <strong>der</strong> genauenAusgestaltung einer ergänzenden Kapitaldeckungbeantwortet werden. Ich glaube, die Diskussion und dieAntworten <strong>zu</strong> den letzten <strong>Frage</strong>n haben dies auch deutlichgemacht.Beginnend mit dem 7. Dezember dieses Jahres werdenim ersten Halbjahr 2011 <strong>zu</strong>erst im Rahmen einerReihe von Dialogveranstaltungen Diskussionen über diekünftige Ausgestaltung <strong>der</strong> Pflege im Hinblick auf konkreteVerbesserungen für die Menschen mit allen Beteiligtengeführt.Es bedarf <strong>zu</strong>nächst einer Klärung von Kernfragen imLeistungsbereich, bevor dann die Finanzierungsfragenim Einzelnen <strong>zu</strong> beantworten sind.


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8851(A)(B)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C)Nachfrage? Bitte.Dr. Carola Reimann (SPD):Frau Staatssekretärin, ich habe eine Nachfrage. Wennich Sie richtig verstanden habe, haben Sie bislang keinekonkreten Reformkonzepte und auch keine Vorfestlegungenerstellt, sodass Sie keinen konkreten Termin fürdie Vorlage von solchen Konzepten nennen können.Können Sie denn sagen, wann dieser Dialog, <strong>der</strong> am7. Dezember dieses Jahres begonnen hat, fortgesetztwird?Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Die Bundesregierung ist an einer langfristigen undnachhaltigen Lösung interessiert. Beispielsweise dieKomplexität des Pflegebedarfs <strong>der</strong> Betroffenen, aberauch die Verbindungen <strong>zu</strong> an<strong>der</strong>en Leistungsbereichenund an<strong>der</strong>en Sozialleistungen macht es erfor<strong>der</strong>lich, dasswir eine gründliche Prüfung voranstellen. Das Ziel ist es,im Laufe des Jahres 2011 ein umfassendes Reformkonzeptvor<strong>zu</strong>legen. Die Dialoggespräche wollen wir imersten Halbjahr des kommenden Jahres <strong>zu</strong> Ende führen.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Weitere Nachfrage?Dr. Carola Reimann (SPD):Ich habe noch eine Nachfrage. Wir konnten hören undlesen, dass bei dem ersten Gespräch vor allen Dingen <strong>der</strong>Fachkräftemangel ein Thema war. Nun ist ein Faktor fürden Fachkräftemangel sicherlich die mangelnde Bezahlung.Deswegen möchte ich fragen: Ist <strong>der</strong> Bundesregierungbekannt, auf welchen Umwegen Unternehmen versuchen,den Mindestlohn, <strong>der</strong> im Pflegebereich seitkurzem etabliert ist, <strong>zu</strong> umgehen, und was gedenkt dieBundesregierung dagegen <strong>zu</strong> tun?Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Frau Kollegin Reimann, wir haben im Rahmen <strong>der</strong>ersten Diskussion sehr intensiv über die <strong>Frage</strong>n <strong>der</strong> Entlohnung,<strong>der</strong> Arbeitsbedingungen und <strong>der</strong> Motivation fürPflegekräfte und Menschen, die diesen Beruf anstrebenund erlernen wollen, gesprochen. Sie dürfen versichertsein, dass wir ein Auge auf die Einhaltung <strong>der</strong> Rechtsvorschriftenhaben werden und im Zusammenhang damitden Dialog mit den Experten führen werden.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Kollegin Rawert und danach Kollegin Senger-Schäfer.Mechthild Rawert (SPD):Ich habe eine <strong>Frage</strong> <strong>zu</strong>m Thema Fachkräftemangel.Wodurch wollen Sie die Ausbildungsbereitschaft <strong>der</strong>Pflegeeinrichtungen erhöhen? Wir haben bis dato überdie Ausbildungsbereitschaft junger Menschen gesprochen.Hier liegt ein Problem. Derzeit sind nur 3 bis6 Prozent <strong>der</strong> jungen Menschen an einer Tätigkeit im sozialenBereich, also in den Gesundheits- und Pflegeberufen,interessiert.Mir ist <strong>zu</strong>dem wichtig, <strong>zu</strong> erfahren, mit welchenKampagnen Sie dafür Sorge tragen wollen, dass sich unsereBevölkerung in ihrer Vielschichtigkeit in einem interkulturelloffenen Pflege- und Gesundheitswesen wie<strong>der</strong>findet.Was tun Sie auf diesem Gebiet?Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Frau Kollegin Rawert, die Bereitschaft <strong>der</strong> Einrichtungen,also <strong>der</strong> Arbeitgeber, Ausbildungsplätze <strong>zu</strong>r Verfügung<strong>zu</strong> stellen, steht aus unserer Sicht allein schondeshalb auf <strong>der</strong> Tagesordnung, weil <strong>der</strong> Fachkräftebedarfes in Zukunft notwendig macht, dass sich die Einrichtungendiesem Thema stärker widmen. Ansonsten lässt sich<strong>der</strong> Fachkräftebedarf <strong>der</strong> entsprechenden Einrichtungendauerhaft sicherlich nicht auf dem bisherigen Niveau decken.Wir wollen da<strong>zu</strong> beitragen, dass die Einrichtungengute Modelle und gute Praxisbeispiele an die Hand bekommen;denn es gibt Einrichtungen, die im Vergleich<strong>zu</strong> an<strong>der</strong>en durchaus weniger Schwierigkeiten haben,den Fachkräftebedarf <strong>zu</strong> decken. Ausbildung ist immerein guter Ansatz, um den <strong>zu</strong>künftigen Bedarf decken <strong>zu</strong>können.Ich bin <strong>der</strong> festen Überzeugung, dass die <strong>Frage</strong>, welcheKampagnen vorgesehen sind, im Vergleich <strong>zu</strong> <strong>der</strong><strong>Frage</strong>, wie die Arbeitsbedingungen und die Strukturengestaltet sind, in denen Pflege geleistet wird, nachrangigist; denn die beste Kampagne nutzt nichts, wenn dieRealität <strong>der</strong> Beschäftigung den Bedürfnissen <strong>der</strong> Beschäftigtennicht entspricht. Deshalb hat das Bundesministeriumfür Gesundheit einen Dialog eingeleitet, indessen Rahmen wir uns nicht nur im Bereich <strong>der</strong> Altenpflege,son<strong>der</strong>n insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> Krankenpflege, beiden medizinischen Fachberufen und Heilberufen, insbeson<strong>der</strong>ebei Ärztinnen und Ärzten, um die Vereinbarkeitvon Familie und Beruf kümmern. Die Arbeitsbedingungensind entscheidend dafür, ob solche Berufe attraktivsind und gerade von <strong>der</strong> jungen Generation angenommenwerden. Der Mindestlohn ist nur ein Baustein <strong>der</strong>Mindestabsicherung von Pflegehilfskräften. Er ist sicherlichein wichtiger Bestandteil. Aber die Lösung istsicherlich in einem Strauß von Maßnahmen <strong>zu</strong> suchen.Dem widmet sich <strong>der</strong> Pflegedialog ausdrücklich.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Nun Kollegin Senger-Schäfer.Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE):Vielen Dank. Neben <strong>der</strong> Finanzierung ist die Reform<strong>der</strong> Definition des Leistungsumfangs von Ihnenangedacht. Da<strong>zu</strong> meine <strong>Frage</strong>: Denkt denn die Bundesregierungim Zuge <strong>der</strong> Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffesim Rahmen einer umfassenden Pflegereforman eine Ausweitung <strong>der</strong> Leistungen <strong>der</strong> sozialenPflegeversicherung, um den Pflegebedürftigen Selbstbestimmungund Teilhabe <strong>zu</strong> ermöglichen?(D)


8852 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010(A)(B)Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin (C) beimBundesminister für Gesundheit:Frau Kollegin Senger-Schäfer, bereits <strong>der</strong> Koalitionsvertragdrückt aus, dass uns sehr daran gelegen ist, auf<strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Arbeiten des Beirats <strong>zu</strong>r Erarbeitungeines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs von <strong>der</strong> Minutenpflegeweg<strong>zu</strong>kommen und den Bedarf, <strong>der</strong> sich durchbestimmte Verän<strong>der</strong>ungen, insbeson<strong>der</strong>e durch das verstärkteAuftreten von Demenzerkrankungen, abzeichnet,sachgerecht ab<strong>zu</strong>bilden. Menschenwürdige Pflege imAlter heißt, den entsprechenden Bedürfnissen nach<strong>zu</strong>kommenund ihnen Rechnung <strong>zu</strong> tragen, von <strong>der</strong> Einstufungbis hin <strong>zu</strong> den <strong>Frage</strong>n, in welchen Strukturen undWohnformen Leistungen in Anspruch genommen werdenkönnen. Wenn sich während <strong>der</strong> Beratungen konkreterHandlungsbedarf auch bei den Leistungen ergibt,dann werden wir diesen bei einer Pflegereform <strong>zu</strong> berücksichtigenhaben.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Keine weiteren Nachfragen da<strong>zu</strong>.Dann kommen wir <strong>zu</strong> <strong>Frage</strong> 8 des Kollegen MartinDörmann:Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund,dass insbeson<strong>der</strong>e Journalisten, aber auch Film- und Fernsehschauspielerseit dem 1. Januar 2009 kein Krankengeld mehrab dem ersten Tag ausgezahlt bekommen die Notwendigkeit,<strong>zu</strong>r alten Regelung und <strong>der</strong> Auszahlung des Krankengeldesab dem ersten Tag auch für diese Berufsgruppe <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>kehren,und inwieweit wird sie entsprechende For<strong>der</strong>ungenseitens <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> SPD, aber auch von Bundesrat, Gewerkschaftenund <strong>der</strong> Bundesvereinigung <strong>der</strong> Deutschen Arbeitgeberverbände,BDA, im Rahmen <strong>der</strong> Gesetzesnovellierung<strong>zu</strong>r Än<strong>der</strong>ung arzneimittelrechtlicher Vorschriften undan<strong>der</strong>er Vorschriften im Jahr 2009 aufgreifen?Bitte, Frau Staatssekretärin.Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Gesundheit:Herr Kollege Dörmann, das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzhatte für bestimmte Versichertengruppenmit Wirkung ab dem Jahr 2009 Wahltarife <strong>zu</strong>r Absicherungdes Krankengeldanspruchs eingeführt. Damit wurdenflexible Angebote für die Versicherten ermöglicht.Bei <strong>der</strong> Umset<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> Vorgaben durch die Krankenkassenhat sich allerdings gezeigt, dass die gesetzlichenVorgaben <strong>zu</strong>r Vermeidung von ungerechtfertigten Belastungeninsbeson<strong>der</strong>e älterer Versicherter und <strong>zu</strong>r Verwaltungsvereinfachungangepasst werden mussten. Versicherte auch <strong>der</strong> hier genannten Berufsgruppen , dieeinen Krankengeldanspruch nach den Regelungen desGKV-WSG seit dem 1. Januar 2009 allein über einenWahltarif absichern konnten, haben deshalb mit dem Gesetz<strong>zu</strong>r Än<strong>der</strong>ung arzneimittelrechtlicher und an<strong>der</strong>erVorschriften mit Wirkung <strong>zu</strong>m 1. August 2009 wie<strong>der</strong>die <strong>zu</strong>sätzliche Option erhalten, wie Arbeitnehmer gegenZahlung des allgemeinen Beitragssatzes einen sogenanntengesetzlichen Krankengeldanspruch ab <strong>der</strong> siebtenWoche <strong>der</strong> Arbeitsunfähigkeit ab<strong>zu</strong>sichern. Daneben istauch weiterhin <strong>der</strong> Abschluss von Wahltarifen möglich.Auch über den sogenannten gesetzlichen Anspruch hinausgehendeAbsicherungswünsche nach Krankengeld,<strong>zu</strong>m Beispiel vom Beginn <strong>der</strong> Arbeitsunfähigkeit an,können weiterhin über Wahltarife realisiert werden. Entgegen<strong>der</strong> <strong>zu</strong>vor verbreiteten Praxis <strong>der</strong> Krankenkassensind aber Differenzierungen nach dem individuellen Risiko<strong>der</strong> Versicherten, insbeson<strong>der</strong>e Altersstaffelungen,nicht mehr möglich.Was die Versicherten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetzangeht, so ist durch das GKV-WSG in<strong>der</strong> Sache keine Än<strong>der</strong>ung eingetreten. Bei dieserRechtslage sieht die Bundesregierung keine Notwendigkeitfür weitere Rechtsän<strong>der</strong>ungen.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Es gibt keine Nachfragen.Dann kommen wir <strong>zu</strong>m Geschäftsbereich des Bundesministeriumsfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.Zur Beantwortung steht <strong>der</strong> Parlamentarische StaatssekretärJan Mücke <strong>zu</strong>r Verfügung.Ich rufe die <strong>Frage</strong> 9 <strong>der</strong> Abgeordneten Sabine Stüberauf. Sie ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in<strong>der</strong> Geschäftsordnung vorgesehen.Wir kommen <strong>zu</strong>r <strong>Frage</strong> 10 des Abgeordneten MichaelGroß:Inwieweit trägt die Bundesregierung bereits Vorsorge, umdem erhöhten Mittelbedarf für die Erhaltungsmaßnahmen <strong>der</strong>Verkehrsinfrastruktur, auch unter Einbeziehung <strong>der</strong> sich abzeichnendenWinter- und Frostschäden, entgegen<strong>zu</strong>wirken?Bitte schön, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege Groß, Ihre<strong>Frage</strong> möchte ich wie folgt beantworten: Die Bundesregierunggeht davon aus, dass die Finanzierung von Erhaltungsmaßnahmenfür die Infrastruktur des Bundeseinschließlich <strong>der</strong> Bundeswasserstraßen auch bei eventuelleintretenden Winter- und Frostschäden im Rahmen<strong>der</strong> <strong>zu</strong>r Verfügung stehenden Haushaltsmittel erfolgenkann.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Sie haben Gelegenheit <strong>zu</strong>r Nachfrage.Michael Groß (SPD):Vielen Dank für die Beantwortung. Ich habe eineNachfrage: Wie hoch würden Sie die Kosten beziffern,die im Winter 2009/2010 <strong>zu</strong>r Beseitigung <strong>der</strong> Frostschädenentstanden sind, und können Sie eine Entwicklungüber die letzten fünf Jahre aufzeigen?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Diese Zahlen können wir im Einzelnen nicht erfassen,weil die Län<strong>der</strong> die Beseitigung von Frostschäden überdie Auftragsverwaltungen aus den Erhaltungsmittelnvornehmen. Deshalb kann ich Ihnen diese Zahlen nichtliefern.(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8853(A)(B)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C)Damit kommen wir <strong>zu</strong>r <strong>Frage</strong> 11 des AbgeordnetenMichael Groß:Wie hoch schätzt die Bundesregierung finanziell den Investitionsbedarffür die Sanierung <strong>der</strong> Infrastruktur im Bereich<strong>der</strong> Straße nach dem Winter 2010/2011 ein, nachdem bereitsaktuell ein Sanierungsstau festgestellt wird und von einersich potenzierenden baulichen Zustandsverschlechterung <strong>der</strong>Bauwerke und Straßen aus<strong>zu</strong>gehen ist?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Das ist natürlich eine etwas hypothetische <strong>Frage</strong>, weilwir ja noch nicht wissen, wie dieser Winter weitergeht.Ich möchte Ihre <strong>Frage</strong> trotzdem beantworten.Auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Erhaltungsbedarfsprognosedes Bundesverkehrswegeplans 2003 sollen nach demBundesfernstraßenhaushalt 2011 rund 2,6 MilliardenEuro in die Erhaltung des Bundesfernstraßennetzes investiertwerden. Eventuell auftretende Winter- undFrostschäden werden diesen Bedarf nur unwesentlich erhöhen.Dem <strong>zu</strong>nehmenden Erhaltungsbedarf in denkommenden Jahren wird durch verstärkten MitteleinsatzRechnung getragen. Von einer sich potenzierenden baulichenZustandsverschlechterung kann deshalb keineRede sein.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Da<strong>zu</strong> hat <strong>der</strong> Kollege Koch eine Nachfrage.Harald Koch (DIE LINKE):Da<strong>zu</strong> eine kurze Nachfrage: Ist Ihnen im Ministeriumbekannt, dass es auf <strong>der</strong> Strecke A 38 Richtung Göttingenzwischen den Abfahrten Sangerhausen-Süd undGoslar erhebliche Schlaglöcher gibt? Dort muss man dasTempo auf 80 km/h reduzieren.Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Das ist mir im Einzelnen persönlich nicht bekannt,aber ich weiß, dass wir an ganz vielen Autobahnabschnittenin fast allen Bundeslän<strong>der</strong>n im Moment dieseFrostschäden haben. Sie werden durch die Auftragsverwaltungenin den einzelnen Bundeslän<strong>der</strong>n bei entsprechendenWitterungsvorausset<strong>zu</strong>ngen natürlich beseitigt.Die entsprechenden Mittel stehen im Ansatz für Erhaltungsmaßnahmen<strong>zu</strong>r Verfügung.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Der Kollege Groß hat eine weitere Nachfrage.Michael Groß (SPD):Herr Mücke, generell wird festgestellt, dass es einenSanierungsstau gibt. Deswegen die <strong>Frage</strong>: Es gibt alsokein Finanzierungsdelta, wenn man auf <strong>der</strong> einen Seitedie Schäden und den Sanierungsbedarf sieht, den wir inZukunft haben, und auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite die finanziellenMittel, die Sie <strong>zu</strong>r Verfügung stellen können?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Nein, ein solches Delta gibt es nicht; denn wir habenin jedem Haushaltsjahr mehr Mittel für Erhaltungsmaßnahmen<strong>zu</strong>r Verfügung gestellt. Wir wollen die bestehendeInfrastruktur, die vor allen Dingen in den altenBundeslän<strong>der</strong>n im Wesentlichen aus den 60er- und 70er-Jahren stammt, unterhalten. Es macht keinen Sinn, nur inneue Infrastrukturen <strong>zu</strong> investieren, wenn die bestehendenInfrastrukturen nicht unterhalten werden können.Die 2,6 Milliarden Euro, die für Erhaltungsmaßnahmen<strong>zu</strong>r Verfügung gestellt werden, sind ein namhafter Betrag,<strong>der</strong> da<strong>zu</strong> beitragen wird, dass wir auch die Frostschäden,die in diesem Winter entstehen werden, behebenkönnen.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Eine weitere Nachfrage hat die Kollegin CorneliaBehm.Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Es ist so, dass die Mittel <strong>zu</strong>r Sanierung <strong>der</strong> Verkehrsinfrastrukturdann, wenn es um Bundesstraßen geht, vomBund den Län<strong>der</strong>n pauschal gegeben werden, ohne <strong>zu</strong>berücksichtigen, um was für Straßen es sich im Einzelnenhandelt, <strong>zu</strong>m Beispiel ob es sich um Alleen handelt,die bei <strong>der</strong> Sanierung einen größeren Aufwand erfor<strong>der</strong>nkönnten. Deswegen meine <strong>Frage</strong>: Halten Sie es nicht fürangezeigt, dass man wenigstens für die Zukunft die realentstehenden Kosten bei den Län<strong>der</strong>n erfasst, um dannden Län<strong>der</strong>n Mittel in Abhängigkeit vom Aufwand <strong>zu</strong>überweisen, um so einen effizienten Einsatz <strong>der</strong> Bundesmittel<strong>zu</strong> erreichen?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Frau Kollegin, die Mittel werden effizient eingesetzt.Die Län<strong>der</strong> entscheiden in eigener Verantwortung und inAbsprache mit uns, welche Erhaltungs- und Unterhaltungsmaßnahmenam Bundesfernstraßennetz vorgenommenwerden.Ich weiß, dass in <strong>der</strong> Öffentlichkeit oftmals <strong>der</strong> Eindruckbesteht, dass Straßen nicht in einem verkehrssicherenund einwandfreien Zustand sind, den man alsKraftfahrer o<strong>der</strong> als sonstiger Verkehrsteilnehmer erwartet.Zumindest für das Bundesstraßennetz kann ich abersagen, dass wir den Län<strong>der</strong>n ausreichend Mittel <strong>zu</strong>r Verfügunggestellt haben, egal ob es sich dabei um Alleeno<strong>der</strong> um Fernstraßen an<strong>der</strong>er Bauart handelt. Sie könnendas allein schon daran sehen, dass Bundeslän<strong>der</strong> gelegentlichErhaltungsmittel lieber für Neuinvestitionenverwenden wollen. Wir dringen darauf, dass diese Mittelausschließlich für die Erhaltung des bestehenden Straßennetzesverwandt werden.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Der Kollege Hacker hat noch eine Nachfrage.(D)


8854 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010(A)Hans-Joachim Hacker (SPD): (C)Herr Staatssekretär, Sie haben sich eben hinsichtlichdes Einsatzes von Erhaltungsmitteln im Bereich desStraßenbaus sehr pointiert geäußert. Können Sie mireine Erklärung <strong>zu</strong> Ihrer Antwort auf eine entsprechende<strong>Frage</strong> <strong>zu</strong>r Ortsumgehung Kallmerode in Thüringengeben? Darin haben Sie nämlich mitgeteilt, dass dieBaumaßnahme sie ist sowohl durch den Bundesverkehrswegeplanals auch den Investitionsrahmenplanabgesichert, und für sie besteht Baurecht wegen fehlen<strong>der</strong>Mittel nicht realisiert werden kann und gegebenenfallsErhaltungsmittel umverteilt werden sollen.Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin Behm,Ihre <strong>Frage</strong> möchte ich sehr gern beantworten. Die Angaben<strong>zu</strong> Starts und Landungen lauten wie folgt:Flugbewegungen für den Flughafen Berlin-Schönefeld:im Jahr 2006 67 702, im Jahr 2007 66 392,(Zuruf von <strong>der</strong> FDP: Hört! Hört!)im Jahr 2008 68 771 und im Jahr 2009 75 538.(Zuruf von <strong>der</strong> FDP: Alle Wetter!)Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Ich kann nur noch einmal unterstreichen, dass mit denErhaltungsmitteln die bestehende Infrastruktur unterhaltenwerden soll. Die Ortsumgehung Kallmerode, die Sieansprechen, ist eine Neuinvestition und wird nicht ausErhaltungsmitteln finanziert werden können. Das BundeslandThüringen erhält in großem Umfang Mittel, umvor allen Dingen den Weiterbau wichtiger Bundesautobahnenauf seinem Gebiet <strong>zu</strong> finanzieren. Das ist unserevorrangige Priorität. Ich bin sicher, dass wir in dennächsten Jahren auch für die Ortsumfahrung Kallmerodeeine Finanzierung finden werden, wenn die Maßnahmenim Bundesautobahnnetz abgeschlossen werden können.Bis <strong>zu</strong>m September 2010 gab es 57 024 Flugbewegungenam Flughafen Berlin-Schönefeld.Des Weiteren möchte ich Ihnen die Zahlen <strong>der</strong> Flugbewegungenam Flughafen Berlin-Tegel mitteilen. Diesebeliefen sich im Jahr 2006 auf 140 611, im Jahr 2007 auf151 396, im Jahr 2008 auf 161 237 und im Jahr 2009 auf156 262. Bis <strong>zu</strong>m September 2010 hat es am FlughafenBerlin-Tegel 118 867 Flugbewegungen gegeben.Zu den Flugbewegungen zählen auch die Überflüge.Die Auswertung von Radardaten <strong>der</strong> Deutschen Flugsicherung<strong>zu</strong>r Anzahl <strong>der</strong> Überflüge im Berliner Luftraumwäre nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwanddurch<strong>zu</strong>führen.(B)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Nun noch Kollege Burkert.Martin Burkert (SPD):Sehr geehrter Herr Staatssekretär, die schlimmstenStraßenverhältnisse sind, glaube ich, in den Kommunen.In meiner Heimatstadt Nürnberg beträgt <strong>der</strong> Sanierungsbedarf<strong>zu</strong>rzeit 50 Millionen Euro beim Straßenbelag,noch einmal 75 bis 80 Millionen Euro bei Brücken.Meine <strong>Frage</strong> an die Bundesregierung ist: Denkt dieBundesregierung daran, aufgrund <strong>der</strong> Winterverhältnisse,die wir auch in diesem Jahr <strong>zu</strong>r Stunde wie<strong>der</strong>feststellen können, einen Son<strong>der</strong>topf, ein Son<strong>der</strong>programmfür Kommunen auf<strong>zu</strong>legen?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Nein, daran denkt die Bundesregierung im Momentnicht. Der Bundeshaushalt, <strong>der</strong> durch Sie, also den Haushaltsgesetzgeber,beschlossen wurde, sieht ein solchesProgramm nicht vor.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Wir kommen damit <strong>zu</strong>r <strong>Frage</strong> 12 <strong>der</strong> KolleginCornelia Behm:Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das ist doch eine sehr präzise Antwort gewesen, beinahebis <strong>zu</strong> den Stellen hinter dem Komma.(Florian Pronold [SPD]: Außergewöhnlich füreine Antwort <strong>der</strong> Bundesregierung in <strong>der</strong> <strong>Frage</strong>stunde!)Kollegin Behm, Sie sollen trotzdem das Recht auf Nachfragehaben.Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Da will ich mich auch gar nicht beschweren, vielenDank. Wenn ich die Zahlen Revue passieren lasse,dann stelle ich fest, dass durchaus ein leichter Anstiegbei den Flugbewegungen <strong>zu</strong> verzeichnen ist. Ich habevor einer Weile vom Fluglärmbeauftragten des LandesBrandenburg die Aussage gehört, dass von den Flugrouten das aktuell beliebte Thema abgewichen und <strong>der</strong>ganze Flugraum genutzt werden könnte, wenn die Kapazitätsauslastungdes Luftraumes sehr stark ist. Das betrifftinsbeson<strong>der</strong>e die Starts; denn die Route bei denLandungen ist ja fast immer dieselbe; sie ist immer gerade.Ich frage Sie: Kann es mit Blick auf die Zahlen, dieSie eben genannt haben, sein, dass die Kapazitätsauslastungdes Luftraumes doch sehr stark ist, sodass von dennormalen Flugrouten abgewichen und eine breitere Regionüberflogen und damit auch verlärmt wird?(D)Inwieweit hat sich die Zahl <strong>der</strong> Flugbewegungen im Luftraumüber Berlin in den letzten fünf Jahren entwickelt, insbeson<strong>der</strong>ehinsichtlich <strong>der</strong> Starts und Landungen an den FlughäfenBerlin-Tegel und Berlin-Schönefeld bitte mit Angabe <strong>der</strong>Zahlen nach Jahren und Flughafenstandort getrennt?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Nein, eine Kapazitätsauslastung kann ich für den BerlinerLuftraum noch nicht konstatieren. Die Kapazität


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8855Parl. Staatssekretär Jan Mücke(A)(B)wird mit dem Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld (C)noch weiter steigen. Das ist ja auch das gemeinsam erklärteZiel <strong>der</strong> Landesregierung von Brandenburg und<strong>der</strong> Regierung von Berlin. Denn sie sind Flughafenbetreiberund möchten, dass <strong>der</strong> neue Flughafen Berlin-Schönefeld ein Erfolg wird.Flugrouten bemessen sich nach den Festlegungen <strong>der</strong>Deutschen Flugsicherung. Die Flugsicherung legt eineIdeallinie fest, in <strong>der</strong> Anflüge und Abflüge <strong>zu</strong> erfolgenhaben. Diese Ideallinie wird in <strong>der</strong> Regel eingehalten, essei denn, es liegen meteorologische o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Beson<strong>der</strong>heitenvor, die ein Abweichen erfor<strong>der</strong>lich machen.Das sind aber sehr wenige. Deshalb kann von einer Ausbzw.Überlastung des Berliner Luftraumes aus meinerSicht nicht die Rede sein.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Eine weitere Nachfrage?Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Da könnte man sich ja fast getröstet fühlen.Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Ich tröste Sie gerne!Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Nun hat meine <strong>Frage</strong> <strong>zu</strong>m Hintergrund, dass ich wie<strong>der</strong>holtvon Bürgern aus meinem Heimatort Kleinmachnowgefragt wurde, wie es denn <strong>zu</strong> erklären ist, dass dieLärmbelastung, verursacht durch Überflüge, in <strong>der</strong> Regelim Anflug auf Tegel, sowohl im Jahr 2009 und dannnoch einmal ab August 2010, wirklich merkbar und gravierendangestiegen ist. Kann das denn, nachdem Siejetzt dargestellt haben, dass die Kapazitäten nicht ausgelastetsind und die Flugrouten eher selten verlassen werden,Ihrer Meinung nach damit <strong>zu</strong>sammenhängen, dassaktuell an<strong>der</strong>e, leistungsstärkere Maschinen fliegen, diemehr Lärm emittieren? Auf welche Ursachen führen Siediese Beobachtungen <strong>zu</strong>rück?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Ich kann die Beobachtungen, dass <strong>der</strong> Verkehr <strong>zu</strong>genommenhat, schwer verifizieren. Es handelt sich ja umsubjektive Eindrücke. Wir können Ihnen die objektivenZahlen liefern. Diese habe ich Ihnen vorhin <strong>zu</strong>r Kenntnisgegeben. Wenn Sie von Kleinmachnow reden, gehe ichdavon aus, dass es sich um Anflüge auf Tegel handelt.Ich kann nur darauf verweisen, dass wir ein Absinken<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Flugbewegungen nach Tegel <strong>zu</strong> verzeichnenhatten. Ich wie<strong>der</strong>hole die Zahlen: Im Jahr 2008 warenes noch rund 161 000, im Jahr 2009 nur156 000 Flugbewegungen. Das ist aus meiner Sicht einHinweis darauf, dass es jedenfalls keinen Anstieg gegebenhat.Ich will Sie gern darüber informieren, dass die DeutscheFlugsicherung, die Flughafenbetreiber und natürlichauch die Airlines alles unternehmen, um den Fluglärm<strong>zu</strong> reduzieren. Deshalb arbeiten wir auch an neuenAnflugverfahren wie beispielsweise CDA, ContinuousDescent Approach. Hierbei handelt es sich um einenkontinuierlichen Sinkflug, bei dem die Triebwerke nichtdie volle Leistung ausschöpfen und damit eine geringereLärmbelastung für die Anwohner hervorrufen.Zu subjektiven Wahrnehmungen da bitte ich umVerständnis kann ich lei<strong>der</strong> keine Stellung nehmen. Ichkann Ihnen nur die objektiven Zahlen <strong>zu</strong>r Kenntnis geben.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Wir kommen damit <strong>zu</strong>r <strong>Frage</strong> 13, ebenfalls <strong>der</strong> KolleginBehm:Wie häufig war in den letzten zehn Jahren <strong>der</strong> Einsatz vonEisbrechern auf <strong>der</strong> Elbe erfor<strong>der</strong>lich, und wie oft kam es dabei<strong>zu</strong> Behin<strong>der</strong>ungen durch eine un<strong>zu</strong>reichende Fahrrinnentiefe?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Das ist auch eine sehr jahreszeitbezogene <strong>Frage</strong>, dieich natürlich sehr gerne beantworte: In den letzten zehnJahren hat in jedem Winter <strong>der</strong> Einsatz von Eisbrechernauf <strong>der</strong> Elbe stattgefunden. Je nach Bedarf waren in sichabgeschlossene Einsätze von mehreren Tagen bis mehrerenWochen erfor<strong>der</strong>lich. Innerhalb dieser zehn Jahrewar <strong>zu</strong> Zeiten des Eisaufbruchs immer ein ausreichen<strong>der</strong>Abfluss in <strong>der</strong> Elbe vorhanden, sodass die Fahrrinnentiefenfür den Eisbrechereinsatz keine Beeinträchtigungendargestellt haben.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Kollegin Behm, bitte.Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Vielen Dank. Jetzt hätte ich nachfragen wollen, anwelchen Segmenten es Behin<strong>der</strong>ungen gegeben hat. Daes aber keine Behin<strong>der</strong>ungen gegeben hat, habe ich auchkeine Nachfrage.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Aber <strong>der</strong> Kollege Hacker hat eine Nachfrage.Hans-Joachim Hacker (SPD):Vielen Dank, Herr Präsident. Zum Eisgang auf <strong>der</strong>Elbe, Herr Staatssekretär Mücke, habe ich eine Nachfrage.Ihnen ist sicherlich das Problem <strong>der</strong> sogenanntenReststrecke zwischen Dömitz und Hitzacker bekannt.Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Stammstrecke! Ich kenne sie als Stammstrecke!Hans-Joachim Hacker (SPD):Ja. Bei dieser Reststrecke sind ja die Ausbaumaßnahmenbei den Buhnen in den 30er-Jahren nicht vollendetworden. Sehen Sie in diesem Abschnitt Gefahren fürdie Deich- und Buhnenanlagen, weil es hier immer wie<strong>der</strong><strong>zu</strong> Absenkungen des Wasserstandes kommt und dadurchbedingt regelmäßig Eisverset<strong>zu</strong>ngen eintreten?(D)


8856 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Hans-Joachim Hacker(A)(B)Was gedenkt die Bundesregierung dagegen <strong>zu</strong> (C) unternehmen?Ist <strong>zu</strong>m Beispiel an einen Abschluss des Buhnenausbausgedacht?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Die Bundesregierung bedient sich dafür ja <strong>der</strong> Wasser-und Schifffahrtsverwaltung, die an dieser Stelle kontinuierlichausbaggern lässt, um ein Versanden und Verlandendieses Abschnitts <strong>der</strong> Elbe <strong>zu</strong> vermeiden. Somitfindet dort ein kontinuierlicher Erhalt <strong>der</strong> Fahrrinne statt.Es ist aber sicher darüber nach<strong>zu</strong>denken, ob man imRahmen eines Planfeststellungsverfahrens ErhaltungsundAusbaumaßnahmen vornimmt, bei denen ökologischeBelange genauso berücksichtigt werden wie die Belange<strong>der</strong> Schifffahrt, die einen verlässlichen und sicherenZugang <strong>zu</strong>r Elbe benötigt.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Danke. Die beiden <strong>Frage</strong>n 14 und 15 des KollegenPaula werden schriftlich beantwortet.Damit kommen wir <strong>zu</strong> <strong>Frage</strong> 16:Wie und wo hat die Bundesregierung die in <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> Straßenverkehrs-Ordnung die am 4. Dezember 2010 offiziellin Kraft getreten ist aufgeführten Witterungsverhältnisse wie Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis o<strong>der</strong>Reifglätte auf <strong>der</strong> Fahrbahn , bei denen ein Auto nur mitWinterreifen gefahren werden darf, gerichtsfest definiert, umden einschreitenden Ordnungskräften eine eindeutige Feststellungdes Tatbestandes sowie den Verkehrsteilnehmendenein regelkonformes Verhalten <strong>zu</strong> ermöglichen?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Herr Präsident! Verehrte Frau Kollegin Lühmann,diese <strong>Frage</strong> möchte ich gerne beantworten. Die in § 2Abs. 3 a Satz 1 <strong>der</strong> Straßenverkehrs-Ordnung genanntenwinterlichen Wetterverhältnisse, bei denen ein Kraftfahrzeugnur mit M+S-Reifen gefahren werden darf, wurdenunter Mithilfe des Deutschen Wetterdienstes ermittelt.Diesbezüglich wird auf die amtliche Begründung verwiesen,und zwar auf die Bundesratsdrucksache 699/10.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Nachfrage? Bitte schön.Kirsten Lühmann (SPD):Hat bei dieser Antwort die Problematik mit dem ZusatzschildNur bei Nässe, das üblicherweise bei Geschwindigkeitsbeschränkungenangewendet wird, Berücksichtigunggefunden? Der Grund <strong>der</strong> <strong>Frage</strong> istfolgen<strong>der</strong>: Nässe ist eine ähnliche Definition wie Schneeo<strong>der</strong> Eisglätte. Bei dieser Definition gibt es erheblicheProbleme und immer wie<strong>der</strong> rechtliche Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ngen,ob Nässe vorliegt o<strong>der</strong> nicht. Sind die Erfahrungenmit diesem Zusatzschild und die rechtlichen Folgenin die eben von Ihnen genannte Bewertung eingeflossen?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Diese Erfahrungen sind nicht eingeflossen, weil wiruns <strong>zu</strong>nächst darauf konzentriert haben, die winterlichenWetterverhältnisse <strong>zu</strong> definieren. Das ist durch ein Urteildes Oberlandesgerichts Oldenburg erfor<strong>der</strong>lich geworden,das festgestellt hat, dass die bisherige Formulierungwinterliche Wetterverhältnisse in <strong>der</strong> Straßenverkehrs-Ordnung nicht bestimmt genug ist, um entsprechendeBußgeldverfahren rechtssicher durchführen <strong>zu</strong> können.Das hat uns da<strong>zu</strong> bewogen, gemeinsam mit unserernachgeordneten Behörde, dem Deutschen Wetterdienst,eine Definition dieser winterlichen Wetterverhältnisseherbei<strong>zu</strong>führen. Ich will Ihnen hier<strong>zu</strong> gerne aus <strong>der</strong>Drucksache des Bundesrates zitieren; dann wird wohldeutlich, was damit gemeint ist:Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- undReifglätte zählen nach Auskunft des DeutschenWetterdienstes <strong>zu</strong> den winterlichen Wetterverhältnissen.Solche Wetterverhältnisse sind in <strong>der</strong> Regelgeeignet, die Sicherheit des Straßenverkehrs <strong>zu</strong> beeinträchtigen.Verursacht werden diese Verhältnisseinsbeson<strong>der</strong>e durch unterschiedliche Nie<strong>der</strong>schlagsarten:Schneefall (inkl. Schneeregen und Schneegriesel),Eiskörner, Glatteis bzw. gefrieren<strong>der</strong> Regen(umgangssprachlich Eisregen), gefrieren<strong>der</strong>Nebel und Schneeverwehungen (fallen<strong>der</strong> bzw. abgesetzterSchnee in Verbindung mit starkem Wind).Diese Wettererscheinungen und -verhältnisse könnenbereits bei Lufttemperaturen einige Grad überdem Gefrierpunkt auftreten. So kann sich bereitsbei starkem Schneefall bei 4 °C eine geschlosseneSchneedecke ausbilden. Das bedeutet für die Verkehrsteilnehmer,dass sie bei diesen Wetterverhältnissenmit Sommerreifen nicht mehr sicher amStraßenverkehr teilnehmen können.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Weitere Nachfrage, o<strong>der</strong> kommen wir <strong>zu</strong>r nächsten<strong>Frage</strong>? Noch eine Nachfrage.Kirsten Lühmann (SPD):Da wir bei <strong>der</strong> Definition, was glatt ist, allein indiesem Haus eventuell <strong>zu</strong> 10 bis 20 verschiedenen Definitionenkämen, ist meine <strong>Frage</strong>: Wenn Sie solch eineneue Regelung einführen, dann möchte die Bundesregierungsicherlich, dass sie durchgesetzt wird. Wie bewertetdie Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Aussage<strong>der</strong> Polizeigewerkschaft, dass insbeson<strong>der</strong>e aufgrund<strong>der</strong> jetzigen Sicherheitslage überhaupt kein Personal<strong>zu</strong>r Verfügung steht, um diese neue Regelungflächendeckend überprüfen <strong>zu</strong> können?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Diese Stellungnahme <strong>der</strong> Polizeigewerkschaft ist mirnicht bekannt.(Kirsten Lühmann [SPD]: Das steht im Sternvom 3. Dezember!)(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8857Parl. Staatssekretär Jan Mücke(A) Vielen Dank für den Quellenhinweis. Ich (C) werde dasgerne nachlesen. Wir gehen davon aus, dass die Län<strong>der</strong>polizeiendas Recht durchsetzen, das wir hier machen.Da<strong>zu</strong> gehört insbeson<strong>der</strong>e die Anwendung <strong>der</strong>Straßenverkehrs-Ordnung. Ich glaube, dass eine weitergehendeDefinition von Glätte den Gesetzgeber überfor<strong>der</strong>nwürde. Denn wie würden Sie persönlich Glättean<strong>der</strong>s definieren als <strong>der</strong> Deutsche Wetterdienst? Ichglaube schon, dass das eine für jeden einsichtige Formulierungist. Es gibt einen Unterschied zwischen Schneematschund Reifglätte, und es gibt einen Unterschiedzwischen Eisglätte und Schneeglätte. Ich glaube, daskann je<strong>der</strong> unterscheiden, auch die Beamten <strong>der</strong> Polizei.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Wir kommen damit <strong>zu</strong>r <strong>Frage</strong> 17, ebenfalls <strong>der</strong> KolleginLühmann:Wie will die Bundesregierung <strong>der</strong> VerkehrssicherheitRechnung tragen, wenn ein Kraftfahrer die neu gefasste Vorschrifterfüllt, indem er zwar Reifen mit dem Schneeflockensymbolverwendet, diese aber tatsächlich nicht auf die in <strong>der</strong>Verordnung genannten winterlichen Wetterverhältnisse ausgelegtsind, weil sie ein Profil haben, das nachweislich nicht fürGlatteis, Schneeglätte, Schneematsch o<strong>der</strong> Eis geeignet ist,unter an<strong>der</strong>em, weil sie keine Mindestprofiltiefe von 4 Millimeterhaben?sive Regelungen definiert; für den Lkw-Verkehr geltenaber an<strong>der</strong>e Regelungen. Wir haben in den letzten Tagengesehen, dass es auf vielen Autobahnen deswegen Problemegegeben hat, weil Lkws liegen geblieben sind.Warum hat die Bundesregierung nicht auch in punctoLkw eine Winterreifenpflicht vorgeschlagen und durchgesetzt,die eine größere Sicherheit im Straßenverkehrermöglichen würde?Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Bitte schön.Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Da<strong>zu</strong> müssen wir festhalten, dass bei Lkws Winterreifennicht zwingend da<strong>zu</strong> führen, dass diese Fahrzeugeim Winter sicher betrieben werden können. Bei entsprechendenWitterungsverhältnissen und wenn ein Winterdienstnicht o<strong>der</strong> nicht so schnell gewährleistet werdenkann, kann es durchaus vorkommen, dass auch Lkws mitWinterreifen liegen bleiben, sodass es <strong>zu</strong> Staus auf Autobahnenkommt. Das lässt sich bei diesen Witterungsverhältnissenlei<strong>der</strong> nicht ganz ausschließen. Aber die Bundesregierungwird alles tun, um dafür <strong>zu</strong> sorgen, dass dieWinterreifenpflicht für alle gilt.(B)Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Nach § 2 Abs. 3 a <strong>der</strong> Straßenverkehrs-Ordnung darfbei den genannten winterlichen Wetterverhältnissen nurmit M+S-Reifen gefahren werden. M+S-Reifen sindReifen, bei denen das Profil <strong>der</strong> Lauffläche und dieStruktur so konzipiert sind, dass sie vor allem in Matschund frischem o<strong>der</strong> schmelzendem Schnee bessere Fahreigenschaftengewährleisten als normale Reifen. DasProfil <strong>der</strong> Lauffläche <strong>der</strong> M+S-Reifen ist im Allgemeinendurch größere Profilrillen und/o<strong>der</strong> Stollen gekennzeichnet,die voneinan<strong>der</strong> durch größere Zwischenräumegetrennt sind, als dies bei normalen Reifen <strong>der</strong> Fall ist.Ich verweise da<strong>zu</strong> auch auf den Anhang II Nr. 2.2 <strong>der</strong>Richtlinie 92/23/EWG. Reifen, die diesen Eigenschaftenentsprechen, sind in <strong>der</strong> Regel mit einem M+S-Symbolgekennzeichnet. Dieses Symbol ist sowohl für den Verbraucherals auch für das Kontrollpersonal ein Indiz dafür,dass die Reifen den Vorgaben des § 2 Abs. 3 a Satz 1<strong>der</strong> Straßenverkehrs-Ordnung genügen. Entspricht <strong>der</strong>Reifen trotz M+S-Symbol nicht den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong>Richtlinie 92/23/EWG, liegt ein Verstoß gegen § 2Abs. 3 a Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung vor, <strong>der</strong> mindestensmit einer Geldbuße von 40 Euro geahndet werdenkann.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Bitte schön, eine Nachfrage? Keine Nachfrage.Aber Kollege Pronold hat eine Nachfrage.Florian Pronold (SPD):Bei <strong>der</strong> Winterreifenpflicht, die jetzt eingeführt wordenist, geht es ja um die Verkehrssicherheit insgesamt.Die Bundesregierung hat nun für den Pkw-Verkehr unddamit für den Verbraucher sehr klare und kosteninten-(Florian Pronold [SPD]: Es gibt unterschiedlicheStandards!)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Dann kommen wir <strong>zu</strong>r <strong>Frage</strong> 18 <strong>der</strong> AbgeordnetenGottschalck:Welche Kosten für den Streudienst haben die Bundeslän<strong>der</strong><strong>zu</strong>m 15. Juni 2010 gemeldet, die sie für den Streudienstauf Bundesstraßen im Winter 2009/2010 <strong>zu</strong> tragen hatten, undkann die Bundesregierung im Vergleich <strong>der</strong> Winterperioden2007/2008 und 2008/2009 einen Anstieg verzeichnen?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Liebe Frau Kollegin Gottschalck, aufgrund <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>meldungenkann die Bundesregierung eine Än<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> Winterdienstkosten einschließlich des Salzverbrauchsvom Jahr 2007 bis <strong>zu</strong>m Jahr 2010 bestätigen.Ich nenne Ihnen die Zahlen gerne: Für die Winterperiode2007/2008 betrugen die Winterdiensteinsatzkosten einschließlichdes Salzverbrauchs 133 Millionen Euro; insgesamtwurden 555 000 Tonnen Salz verbraucht. Für dieWinterperiode 2008/2009 betrugen die Winterdiensteinsatzkosten182 Millionen Euro, und 863 000 TonnenSalz wurden verbraucht. Die Winterperiode 2009/2010hat den Winterdienst 258 Millionen Euro gekostet; dabeisind 1,387 Millionen Tonnen Salz verbraucht worden.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Eine Nachfrage, Frau Gottschalck?Ulrike Gottschalck (SPD):Herr Mücke, vielen Dank für die Beantwortung. Können Sie mir noch sagen, wie die Empfehlung desBundes und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> an die Autobahnmeistereien aus-(D)


8858 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Ulrike Gottschalck(A)sieht, um sicher<strong>zu</strong>stellen, <strong>zu</strong>künftig noch effektiver (C) Winterdienstleisten <strong>zu</strong> können?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Der Bundesverkehrsminister hat auf <strong>der</strong> Verkehrsministerkonferenzseine Län<strong>der</strong>kollegen gebeten, beson<strong>der</strong>eObacht auf dieses Problem <strong>zu</strong> legen und sich frühzeitiginsbeson<strong>der</strong>e mit Streusalz <strong>zu</strong> bevorraten. Die Bundeslän<strong>der</strong>haben uns <strong>zu</strong>gesichert, dass eine ausreichende Bevorratunggegeben ist bzw. dass solche Lieferverträgeabgeschlossen worden sind, die eine kontinuierliche Belieferung<strong>der</strong> Straßenmeistereien und Autobahnmeistereienauch bei länger andauerndem Winter garantieren.Deshalb gehen wir davon aus, dass die getroffenen Vorkehrungenausreichend Gewähr dafür bieten, den Winterdiensteffektiv durchführen <strong>zu</strong> können.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Sie haben keine weitere Nachfrage.Auslegung <strong>der</strong> §§ 105 und 108 <strong>der</strong> Geschäftsordnungdes Deutschen Bundestages verwiesen. Ich empfehle Ihnenda<strong>zu</strong> auch die Drucksachen 13/6149 und 16/8467.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Haben Sie eine Nachfrage? Bitte, Herr Burkert.Martin Burkert (SPD):Ich habe eine Nachfrage, Herr Staatssekretär. Ist dieBundesregierung als 100-prozentige Eigentümerin <strong>der</strong>Deutschen Bahn AG bereit o<strong>der</strong> denkt sie darüber nach,zweckgebundene Mittel <strong>zu</strong>r Verfügung <strong>zu</strong> stellen, umwitterungsbedingte Probleme bei <strong>der</strong> DeutschenBahn AG <strong>zu</strong>künftig aus<strong>zu</strong>schließen o<strong>der</strong> <strong>zu</strong>mindest besserin den Griff <strong>zu</strong> bekommen? Denkt die Bundesregierungdarüber nach, die Dividende, die sie jährlich von<strong>der</strong> Deutschen Bahn AG in Höhe von 500 MillionenEuro bekommen möchte, ab<strong>zu</strong>schmelzen, um witterungsbedingtenEinflüssen entgegen<strong>zu</strong>wirken?(B)Dann kommen wir <strong>zu</strong>r <strong>Frage</strong> 19 <strong>der</strong> KolleginGottschalck:Ist <strong>der</strong> Bundesregierung bekannt, in wie vielen Fällen esseit dem Wintereinbruch im Dezember 2010 <strong>zu</strong> Behin<strong>der</strong>ungendes Bahnverkehrs an Bahnübergängen kam, weil aufgrund<strong>der</strong> Verwendung von Streusalz an Bahnübergängen sichdas Verhalten <strong>der</strong> elektrischen Kontakte, über die die Bahnschrankenihr Signal erhalten, verän<strong>der</strong>te und ein Kurzschlussausgelöst wurde?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Auf Ihre <strong>Frage</strong> kann ich Ihnen antworten: Der Bundesregierungsind keine Fälle bekannt, in denen aufgrund<strong>der</strong> Verwendung von Streusalz Kurzschlüsse inden elektrischen Bahnübergangsanlagen vorgekommensind.Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Zur ersten Teilfrage kann ich Ihnen sagen, dass sichdieser Bereich ausschließlich auf die unternehmerischeVerantwortung <strong>der</strong> Deutschen Bahn AG bezieht. Deshalbist hier vor allen Dingen <strong>der</strong> Vorstand gefragt. Siekennen die Regelungen des Aktiengesetzes und die Befugnissedes Vorstandes bzw. des Aufsichtsrates. Wirgehen davon aus, dass <strong>der</strong> Vorstand <strong>der</strong> DeutschenBahn AG Vorsorge treffen wird, um sein rollendes Materialweniger witterungsanfällig <strong>zu</strong> machen. Soweit ichinformiert bin, gibt es entsprechende Bemühungen desVorstandes in diesem Bereich.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Sie haben eine weitere Nachfrage?(D)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Es gibt keine Nachfrage da<strong>zu</strong>.Die <strong>Frage</strong>n 20 und 21 <strong>der</strong> Kollegin Ute Kumpf werdenschriftlich beantwortet.Wir kommen <strong>zu</strong>r <strong>Frage</strong> 22:Wie will die Bundesregierung als Eigentümer <strong>der</strong> DeutschenBahn AG, DB AG, angesichts <strong>der</strong> erneuten winterbedingtenProbleme im Zugverkehr sicherstellen, dass künftignur noch witterungsresistente Materialien in <strong>der</strong> Fahrzeugflottesowie beim Neubau bzw. <strong>der</strong> Instandhaltung des Netzes<strong>zu</strong>m Einsatz kommen?Herr Staatssekretär, bitte.Martin Burkert (SPD):Ja, ich habe eine weitere Nachfrage. Wird die Bundesregierungim Rahmen ihrer Tätigkeit im Aufsichtsrat<strong>der</strong> Deutschen Bahn AG bei den Auftragsvergaben, wasden Materialpark angeht, darauf achten, dass QualitätVorrang vor dem Preis haben wird, um <strong>zu</strong>künftig Wintermängelaus<strong>zu</strong>schließen?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Nein, die Vergabe ist keine Aufgabe des Aufsichtsrates.Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Vielen Dank, Frau Präsidentin. Lieber KollegeBurkert, die Festlegung <strong>der</strong> Einzelheiten bei <strong>der</strong> Beschaffungvon Fahrzeugen sowie beim Bau bzw. bei <strong>der</strong>Instandhaltung <strong>der</strong> Schieneninfrastruktur liegt ausschließlichin <strong>der</strong> Verantwortung des Unternehmensvorstands.Der Bund nimmt hierauf keinen Einfluss. ImÜbrigen wird auf die Entscheidung des Ausschusses fürWahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung <strong>zu</strong>rVizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Dann sind wir bei <strong>Frage</strong> 23 des Kollegen MartinBurkert:Werden Mittel aus dem Einzelplan 12 des Bundeshaushaltsspeziell für die Witterungsresistenz des Bestandsnetzes<strong>der</strong> DB AG verwandt, und gibt es spezielle Anstrengungen<strong>der</strong> Bundesregierung gegenüber <strong>der</strong> DB AG, Tunnel, wie beispielsweiseden Schwarzkopftunnel, gegen Witterungseinflüsse<strong>zu</strong> schützen?Herr Staatssekretär, bitte.


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8859(A)(B)Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:(C)Nein, die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung,mit <strong>der</strong> <strong>der</strong> Deutschen Bahn AG Mittel für Investitionenim Bestandsnetz <strong>zu</strong>r Verfügung gestellt werden, enthältkeine Vorgaben hinsichtlich <strong>der</strong> Witterungsresistenz.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Haben Sie eine Nachfrage da<strong>zu</strong>? Bitte schön.Martin Burkert (SPD):Herr Staatssekretär, meine Nachfrage bezieht sich aufden Schwarzkopftunnel, <strong>der</strong> Ihnen vielleicht als wichtigesNadelöhr im Schienenverkehr zwischen den Bundeslän<strong>der</strong>nBayern und Hessen bekannt ist. Kennt die Bundesregierungdie schwierige bauliche Situation imSchwarzkopftunnel? Ist Ihnen bekannt, dass hier <strong>zu</strong>rzeittäglich Eis von <strong>der</strong> Tunneldecke abgeschlagen werdenmuss, um vor allem bei Güterzügen die Sicherheit <strong>zu</strong> gewährleisten?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Es ist uns bekannt, dass diese Phänomene im Winterin einzelnen Tunneln wegen Haarrissen und an<strong>der</strong>erbaulicher Un<strong>zu</strong>länglichkeiten auftreten können. DerDeutschen Bahn AG sind mit <strong>der</strong> Leistungs- und FinanzierungsvereinbarungMittel <strong>zu</strong>r Verfügung gestellt worden,um diese baulichen Mängel <strong>zu</strong> beseitigen. DieDeutsche Bahn AG ist verpflichtet, das um<strong>zu</strong>setzen.Eine direkte Verantwortung <strong>der</strong> Bundesregierung dafürgibt es nicht. Ich habe schon vorhin auf die unternehmerischeVerantwortung <strong>der</strong> Deutschen Bahn AG verwiesen.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Haben Sie eine weitere Nachfrage?Martin Burkert (SPD):Ja.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Bitte schön.Martin Burkert (SPD):Angesichts <strong>der</strong> Tatsache, dass Ihnen die Situation bekannt<strong>zu</strong> sein scheint, stellt sich die <strong>Frage</strong>, warum Siedie Zustimmung <strong>zu</strong>r vorliegenden Finanzierungsvereinbarung<strong>zu</strong>m Bau neuer Tunnelröhren, insbeson<strong>der</strong>e desSchwarzkopftunnels, in letzter Sekunde <strong>zu</strong>rückgezogenund die Unterschrift verweigert haben, obwohl <strong>der</strong> Vertragschon auf dem Schreibtisch des Ministers lag.Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Das kann ich jetzt nicht bestätigen; ich müsste nachprüfen,ob es tatsächlich so war. Ich werde Ihnen die entsprechendenInformationen gerne schriftlich <strong>zu</strong>kommenlassen.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Vielen Dank. Die <strong>Frage</strong>n 24 und 25 des KollegenHans-Joachim Hacker werden schriftlich beantwortet,ebenso die <strong>Frage</strong>n 26 und 27 des Kollegen Sören Bartol.Wir kommen <strong>zu</strong> den <strong>Frage</strong>n 28 und 29 des KollegenHofreiter:Wer ist Eigentümer <strong>der</strong> für die Mauterhebung erfor<strong>der</strong>lichenEinrichtungen und Anlagen Mautbrücken, On-Board-Units, Server, Software etc. nach Auslaufen des aktuellenBetreibervertrages, und wie bewertet die Bundesregierung dieMöglichkeit, das Unternehmen Toll Collect GmbH durch denBund <strong>zu</strong> übernehmen?In welcher Form sucht die Bundesregierung nach einemkünftigen Betreiber nach Auslaufen des aktuellen Betreibervertrages öffentliche Ausschreibung, Direktvergabe o<strong>der</strong>Ähnliches , und wie ist <strong>der</strong> Stand <strong>der</strong> beiden Schiedsverfahrengegen die Toll Collect GmbH?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Hofreiter, nach Auslaufendes aktuellen Betreibervertrages <strong>zu</strong>r Lkw-Mautstehen <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland mehrere Optionen<strong>zu</strong>r Verfügung:Erstens: Errichtung eines neuen Mautsystems mit einemneuen Betreiber nach Ausschreibung und Abbaudes aktuellen Mautsystems durch Toll Collect.Zweitens: Übernahme und Weiterbetrieb des bestehendenMautsystems durch die Bundesrepublik Deutschland.Drittens: Weiterbetrieb des bestehenden Mautsystemsdurch Toll Collect o<strong>der</strong> einen neuen Betreiber, ebenfallsnach Ausschreibung.Ob und in welcher Form nach einem <strong>zu</strong>künftigen Betreiber<strong>zu</strong> suchen ist, hängt davon ab, welche Option dieBundesrepublik Deutschland auswählt. Die Bundesregierunghat hier<strong>zu</strong> noch keine Entscheidung getroffen.Zum Stand des Schiedsverfahrens nehme ich wiefolgt Stellung: Zwischen dem Bund und Toll Collectsind zwei Schiedsverfahren anhängig. Das erste Schiedsverfahrenwurde im Herbst 2004 vom Bund gegen dasToll-Collect-Konsortium und dessen Konsorten DeutscheTelekom AG und Daimler Financial Services AGeingeleitet. Der Bund macht in diesem Verfahren im Wesentlichenrund 3,3 Milliarden Euro Schadensersatz fürentgangene Mauteinnahmen wegen verspäteter Einführung<strong>der</strong> streckenbezogenen Lkw-Maut sowie Vertragsstrafenin Höhe von rund 1,65 Milliarden Euro wegendiverser Verlet<strong>zu</strong>ngen des Betreibervertrages geltend.Die Toll Collect GmbH, die Betreibergesellschaft desMautsystems, hat im Dezember 2006 gegen den Bundvor demselben Schiedsgericht ein weiteres Schiedsverfahreneingeleitet. Die Toll Collect GmbH macht gegenüberdem Bund im Wesentlichen angeblich ausstehendeBetreibervergütungen geltend. Dieses Verfahren nennenwir das zweite Schiedsverfahren.Derzeit findet die ursprünglich für Oktober 2009 angesetzte,dann aber wegen eines unbegründeten Befangenheitsantrages<strong>der</strong> Toll-Collect-Unternehmen gegenden vom Bund benannten Schiedsrichter verschobene(D)


8860 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Parl. Staatssekretär Jan Mücke(A)(B)zweite mündliche, mehrtätige Verhandlung (C) <strong>zu</strong> beidenMautschiedsverfahren statt. In ihrem Rahmen werdenwesentliche Rechts- und Beweisfragen behandelt. In beidenVerfahren hat im Juni 2008 bereits eine erste mündlicheVerhandlung stattgefunden. Nach <strong>der</strong> zweitenmündlichen Verhandlung werden die Parteien Gelegenheiterhalten, <strong>zu</strong> <strong>der</strong>en Ergebnis Stellung <strong>zu</strong> nehmen.Weitere Aussagen <strong>zu</strong>m Fortgang des Verfahrens sind<strong>der</strong>zeit nicht möglich, weil wir mitten in diesem Verfahrenstecken.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Herr Hofreiter, Sie haben jetzt die Möglichkeit, bis <strong>zu</strong>vier Nachfragen <strong>zu</strong> stellen. Das müssen Sie aber nichtausnutzen.Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, HerrStaatssekretär. Sie haben zwar die <strong>Frage</strong> 29 wun<strong>der</strong>barbeantwortet, die <strong>Frage</strong> 28 aber überhaupt nicht. Da frageich, wer nach Auslaufen des Vertrages Eigentümer <strong>der</strong>für die Mauterhebung erfor<strong>der</strong>lichen Einrichtungen ist.In dem Vertrag muss es eine Endschaftsregelung geben.An wen gehen die Einrichtungen über? Fallen sie <strong>zu</strong>rückan den Betreiber, o<strong>der</strong> gehen sie in das Eigentum <strong>der</strong>Bundesrepublik über?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Diese Anlagen gehören <strong>der</strong> Toll Collect GmbH. DerBund hat allerdings einen Anspruch auf kostenloseÜbertragung, weil diese Anlagen nach Auslaufen desBetreibervertrages abgeschrieben sind. Das heißt, wirhaben einen Anspruch darauf, dass diese Anlagen <strong>der</strong>Bundesrepublik Deutschland kostenfrei übereignet werden.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Sie haben eine weitere Nachfrage? Bitte schön.Es geht um eine erhebliche Summe Geld. Das lässt sichsicher nicht genau abschätzen. Zurzeit befinden wir unsin den mündlichen Verhandlungen. Die Bundesregierungmuss aber eine ungefähre Vorstellung vom Zeitrahmenfür die beiden Schiedsverfahren haben.Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Wenn es nach uns ginge, so schnell wie möglich. Allerdingssind wir auf unsere Partner und das Schiedsgerichtangewiesen. Ich kann heute schwerlich einenEndpunkt definieren. Wir haben aber ein großes Interessedaran, dass dieses Problem recht zeitnah geklärtwird. Es ist auch, glaube ich, im Interesse des Steuerzahlers,dass unsere aus unserer Sicht berechtigten Ansprüchebefriedigt werden und wir eine entsprechende Einnahmeim Haushalt verzeichnen können. Es wäre abersehr vermessen von mir, heute einen Termin <strong>zu</strong> benennen,<strong>zu</strong> dem diese Schiedsverfahren beendet sein werden.Für uns geht es nicht vorrangig darum, schnell einErgebnis <strong>zu</strong> haben, son<strong>der</strong>n darum, dass es ein gutes Ergebnisist. Das Gute misst sich insbeson<strong>der</strong>e daran, dasswir möglichst viele unserer For<strong>der</strong>ungen, die auch finanziellerArt sind, umsetzen können. Deshalb bitte ich umVerständnis dafür, dass ich keinen Endpunkt nennenkann. Wir wollen zügig <strong>zu</strong>m Ende kommen, aber wirwollen natürlich auch eine möglichst hohe Einnahme ausdiesem Schiedsverfahren an den Bundeshaushalt abführenkönnen.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Haben Sie noch eine weitere Nachfrage? Bitte.Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ich habe noch eine weitere Nachfrage. Im Moment istvöllig unabsehbar, wann das Schiedsverfahren endet.Welche Konsequenzen hätte es aus Sicht <strong>der</strong> Bundesregierung,wenn das Schiedsverfahren bei Auslaufen desVertrages noch nicht abgeschlossen ist?(D)Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Es ging auch um die sogenannten Mehrwertdienstleistungen.Deswegen haben wir ein relativ aufwendigesVerfahren gewählt. Gibt es denn Hinweise, dass irgendeinerdieser sogenannten Mehrwertdienste von TollCollect geleistet wurde?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Dafür habe ich keine Hinweise.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Haben Sie eine weitere Nachfrage, Herr Hofreiter? Bitte.Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Aus meiner Sicht ergeben sich daraus keine wesentlichenKonsequenzen. Das ist eine sehr hypothetische<strong>Frage</strong>. Wir wissen nicht, wie lange es dauert. Für uns istdann die <strong>Frage</strong>, welches Modell wir wählen, <strong>zu</strong>m Beispielob wir neu ausschreiben. Das hat aber mit For<strong>der</strong>ungen,die aus <strong>der</strong> Anfangszeit des Mautsystems stammen,nichts <strong>zu</strong> tun. Diese For<strong>der</strong>ungen halten wir weiteraufrecht, ganz egal, wie lange das Schiedsverfahren dauert.Ich gehe aber davon aus, dass die Schiedsverfahrenvor Ablauf <strong>der</strong> Betreiberverträge entschieden sein werden.(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Vielen Dank!)Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wie sieht <strong>der</strong> ungefähre Zeitrahmen aus, den die Bundesregierungsich für die beiden Schiedsverfahren setzt?Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Jetzt eine Nachfrage des Kollegen Burkert da<strong>zu</strong>.


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8861(A)(B)Martin Burkert (SPD):(C)Herr Staatssekretär, können Sie schon heute sagen,wie die Mittel, die nach Abschluss des Schiedsverfahrens<strong>zu</strong>r Verfügung stehen, auf die einzelnen Verkehrsträger Stichwort: Modal Split verteilt werden? DieEinnahmen aus <strong>der</strong> Maut sollen <strong>zu</strong>künftig allein <strong>der</strong>Straße <strong>zu</strong>gutekommen, während gegenwärtig auch dieVerkehrsträger Wasserstraße und Schiene davon profitieren.Werden die Altmittel <strong>zu</strong>künftig auch nur in den VerkehrsträgerStraße fließen, o<strong>der</strong> denkt man daran, wenigstensdiese Mittel den an<strong>der</strong>en Verkehrsträgern <strong>zu</strong>geben?Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Da<strong>zu</strong> kann ich heute noch keine Aussage treffen, weilwir nicht wissen, was das Ergebnis dieses Schiedsverfahrenssein wird.(Martin Burkert [SPD]: Kann ich eine Nachfragestellen?)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Nein, Sie dürfen keine Nachfrage stellen, weil diesnicht Ihre eigene <strong>Frage</strong> ist.Wir kommen <strong>zu</strong>m Geschäftsbereich des Bundesministeriumsfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.Zur Beantwortung steht die ParlamentarischeStaatssekretärin Ursula Heinen-Esser <strong>zu</strong>r Verfügung.Die <strong>Frage</strong> 30 des Kollegen Gerd Bollmann wirdschriftlich beantwortet.Ich rufe <strong>Frage</strong> 31 des Kollegen Miersch auf:Welche neuen Erkenntnisse in Be<strong>zu</strong>g auf die Notwendigkeit<strong>der</strong> Atommülltransporte von Ahaus nach Majak hatte dieBundesregierung zwischen dem 1. Dezember 2010, an demdie Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche nochvon <strong>der</strong> Prüfung <strong>der</strong> Transporte sprach, und dem 6. Dezember2010, an dem <strong>der</strong> Bundesminister für Umwelt, Naturschut<strong>zu</strong>nd Reaktorsicherheit, Dr. Norbert Röttgen, den Transport abgesagthatte?Frau Staatssekretärin.Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Lieber Kollege Miersch, <strong>zu</strong>m Tagesordnungspunkt 14<strong>der</strong> Sit<strong>zu</strong>ng des Umweltausschusses des Deutschen Bundestagesam 1. Dezember 2010 hatte meine Kollegin, dieParlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche,vorgetragen das geht auch aus Ihrer <strong>Frage</strong> hervor ,dass das Bundesumweltministerium im Rahmen seinerZuständigkeit den Sachverhalt umfassend prüfen undmit Blick auf die uns allen gemeinsamen umweltpolitischenZiele bewerten wird. Diese Prüfungen und Bewertungen,Herr Miersch, wurden durchgeführt. Am6. Dezember 2010 hat Herr BundesumweltministerDr. Norbert Röttgen <strong>der</strong> Presse das Ihnen allen bekannteErgebnis vorgestellt.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Sie haben eine Nachfrage, Herr Miersch? Bitte.Dr. Matthias Miersch (SPD):Frau Staatssekretärin, das war <strong>der</strong> Sachverhalt, <strong>der</strong>bekannt war. Ich habe aber nach einem an<strong>der</strong>en Aspektgefragt und erbitte nun in einer Nachfrage eine Antwortdarauf. Die Parlamentarische Staatssekretärin hat am1. Dezember 2010 in <strong>der</strong> Tat von dieser Prüfung gesprochen.Der Bundesumweltminister hat in <strong>der</strong> <strong>Frage</strong>stundeebenso von <strong>der</strong> Prüfung gesprochen. Fünf Tage späterwurde dieser Transport abgesagt, obwohl am 1. Dezemberauch die Sprecherin gesagt hatte, von Absage könnekeine Rede sein. Meine <strong>Frage</strong> lautet: Welche Prüfungfand zwischen dem 1. und dem 6. Dezember 2010 statt,die letztlich <strong>zu</strong> <strong>der</strong> Absage führte?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Es ist, wie Ihnen auch aus <strong>der</strong> Pressemitteilung desBMU vom 6. Dezember 2010 bekannt wurde, geprüftworden, ob die Brennelemente in <strong>der</strong> russischen AnlageMajak schadlos verwertet werden können. Ich zitierejetzt Bundesumweltminister Röttgen:Die vorliegenden Unterlagen lassen eine abschließendeAussage da<strong>zu</strong> nach den Maßstäben desAtomgesetzes gegenwärtig nicht <strong>zu</strong>.Genau dies wurde geprüft, und zwar nicht erst ab dem1. Dezember, son<strong>der</strong>n auch schon vorher. Die Prüfunghat, wie Sie sich denken können wir haben Gutachteneingeholt etc. , einen langen Zeitraum gedauert. Deshalbist Ihre <strong>Frage</strong>, denke ich, absolut korrekt beantwortet.Es gab die Prüfung, von <strong>der</strong> meine Kollegin und <strong>der</strong>Minister gesprochen haben. Die Prüfungen sind am6. Dezember <strong>zu</strong> einem Abschluss mit dem Ihnen bekanntenErgebnis gekommen.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Sie haben noch eine Nachfrage? Bitte sehr.Dr. Matthias Miersch (SPD):Ich habe eine weitere Nachfrage. In dieser Absage,die am Montag erfolgte, ist von gegenwärtig o<strong>der</strong>nach diesem Sachstand die Rede. Die <strong>Frage</strong>, die ich indiesem Zusammenhang habe, ist: Ist dieser Transport aufDauer, also endgültig, abgesagt, o<strong>der</strong> welche Modalitätenverfolgt das BMU augenblicklich?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Das BMU hat, wie Ihnen bekannt ist, die Genehmigungversagt und gesagt ich zitiere es noch einmal ,dass <strong>der</strong> Nachweis <strong>der</strong> schadlosen Verwertung <strong>der</strong>Brennelemente in Majak nicht gegeben ist. Das bedeutet,dass man die Brennelemente dort nicht schadlos verwertenkann und somit kein Transport stattfindet.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Ich rufe <strong>Frage</strong> 32 des Kollegen Miersch auf:Ist die Bundesregierung bereit, dem Parlament die in denBundeslän<strong>der</strong>n erstellten Auflistungen von konkreten o<strong>der</strong> an-(D)


8862 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt(A)(B)(C)gedachten Nachrüstungen von Atomkraftwerken <strong>zu</strong>r Verfügung<strong>zu</strong> stellen, sobald diese <strong>der</strong> Bundesregierung vorliegen?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Meine Antwort, Kollege Miersch, lautet: Die Bundesregierungwird den Deutschen Bundestag in geeigneterWeise über die im Zuge <strong>der</strong> Laufzeitverlängerung vorgesehenenNachrüstungen informieren.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Sie haben eine Nachfrage, Herr Miersch? Bitte sehr.Dr. Matthias Miersch (SPD):Frau Staatssekretärin, es ging um die <strong>Frage</strong>, ob dieBundesregierung bereit ist, uns über die Faktenlage undüber die Erkenntnisse, die sie in diesem Zusammenhanghat, vollständig <strong>zu</strong> informieren und uns dementsprechendauch Gutachten bzw. Unterlagen, die sie hat, vor<strong>zu</strong>legen.Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Herr Miersch, Sie können mir glauben, dass das BMUdaran interessiert ist, das Verfahren transparent <strong>zu</strong> gestalten.Ich darf darauf hinweisen, dass die Entwicklungsicherheitstechnischer Nachrüstmaßnahmen für Kernkraftwerkeein sehr dynamischer Prozess ist. Die Anfor<strong>der</strong>ungen,die auf <strong>der</strong> Homepage des BMU veröffentlichtsind, werden anlagenspezifisch konkretisiert werdenmüssen. Allerdings ist es auch die Aufgabe <strong>der</strong> Betreiber,die sicherheitstechnischen Verbesserungen ihrer Anlagen<strong>zu</strong> planen. Das werden Behörden und Sachverständigeprüfen.Bisher ist nicht ab<strong>zu</strong>sehen, welche Zwischenschritteerfolgen und inwieweit mehr o<strong>der</strong> weniger umfassendeDokumentationen in Form von Listen vorgenommenwerden. Deshalb können wir <strong>zu</strong>m jetzigen Zeitpunktnoch nicht so verfahren, wie Sie es gerne hätten. Aberich sage Ihnen <strong>zu</strong>, Sie umfassend über alles <strong>zu</strong> informieren.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Haben Sie noch eine <strong>Frage</strong>, Herr Miersch?Dr. Matthias Miersch (SPD):Ja. Diese umfassende Information hätte ich mir Siewerden das vielleicht an<strong>der</strong>s beurteilen am 1. Dezemberdieses Jahres erhofft, als es um den Atomtransport nachMajak ging; das ist ein kleines Beispiel. Fünf Tage späterlesen wir Parlamentarier dann etwas an<strong>der</strong>es. Insofernwill ich diese Gelegenheit nutzen, um diese Informationsflutgewissermaßen bei Ihnen ab<strong>zu</strong>greifen. Ich frage Sie:Schließen Sie aus, dass dann, wenn die erfor<strong>der</strong>lichenNachbesserungen an <strong>der</strong> Anlage in Majak vorgenommenwerden, eventuell doch noch ein Transport dorthin stattfindet?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ihre Nachfragen beziehen sich auf die <strong>Frage</strong> nach densicherheitstechnischen Anfor<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> Laufzeitverlängerungvon Kernkraftwerken.(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Es geht umKernkraft allgemein, Entschuldigung!) Nein, um Atomkraftwerke, wenn ich aus Ihrer <strong>Frage</strong>zitieren darf. Ich habe Ihnen <strong>zu</strong>gesagt, dass ich Ihnenumfangreiche Informationen <strong>zu</strong>r Verfügung stelle. Daskönnen Sie mir glauben. Dieses Thema können wir in einer<strong>der</strong> kommenden Sit<strong>zu</strong>ngen des Umweltausschussesauch gerne beson<strong>der</strong>s behandeln.Was Majak angeht, habe ich Ihnen schon erläutert,dass die Prüfung am 1. Dezember dieses Jahres nochnicht abgeschlossen war. Das ist mehrfach betont worden,von meiner Kollegin und vom Minister. Sie müssenuns <strong>zu</strong>gestehen, dass wir die Prüfung erst einmal abschließenmüssen, bevor wir <strong>zu</strong> einem Ergebnis kommen.Ich kann verstehen, dass Sie sich gewünscht hätten,dass die Prüfung schon am 1. Dezember dieses Jahresabgeschlossen gewesen wäre. Aber sie war es <strong>zu</strong> diesemZeitpunkt noch nicht, son<strong>der</strong>n erst sechs Tage später.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Jetzt gibt es noch eine Nachfrage <strong>der</strong> KolleginSteiner.Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Danke schön für diese Möglichkeit. Das, was Siegerade sagten, ist genau das Problem. Eigentlich hieß esschon, <strong>der</strong> Transport geht auf die Reise, um es einmal legeraus<strong>zu</strong>drücken, aber es gelingt uns nicht, im Umweltausschussnicht und auch heute nicht, nähere Informationendarüber <strong>zu</strong> bekommen. Deswegen möchte ich inBe<strong>zu</strong>g auf die sicherheitstechnischen Maßnahmen, überdie Sie mit Abteilungsleitern in einer Telefonkonferenzgesprochen haben, fragen: Was haben Sie in diesemRahmen hinsichtlich des konkreten Vorgehens bezüglich<strong>der</strong> Nachrüstung von Atomkraftwerken vereinbart?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich finde es nett, dass Sie jetzt eine <strong>Frage</strong> Ihrer KolleginKotting-Uhl, die konkret nach dieser Telefonkonferenzgefragt hat, jetzt aber nicht hier ist, aufgreifen. Ichkann Ihnen da<strong>zu</strong> nur sagen, dass in dieser Telefonkonferenz,die im Übrigen am 8. September dieses Jahresstattgefunden hat, keine Vereinbarungen <strong>zu</strong>m weiterenVorgehen getroffen wurden. Der Bund hat kein Protokolldieser Telefonkonferenz angefertigt. Deshalb kann ichIhnen da<strong>zu</strong> nicht mehr sagen.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Jetzt gibt es eine weitere Nachfrage des KollegenSchwabe.(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8863(A)Frank Schwabe (SPD):(C)Frau Staatssekretärin, Sie haben jetzt versucht, <strong>zu</strong>mindestden Zeitraum vom 1. Dezember bis <strong>zu</strong>m6. Dezember dieses Jahres <strong>zu</strong> beleuchten. Was für dieZeit danach dauerhaft folgt, habe ich immer noch nichtverstanden. Deswegen will ich nachfragen: Können Sie<strong>zu</strong>sagen, dass <strong>der</strong> Transport nach Majak dauerhaft nichtstattfindet: ja o<strong>der</strong> nein?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich darf darauf hinweisen, dass wir uns vorhin bereitsmit dieser <strong>Frage</strong> beschäftigt haben. Da jetzt verschiedene<strong>Frage</strong>n durcheinan<strong>der</strong>geworfen werden, halte ichfest: Ich habe vorhin gesagt, dass <strong>der</strong> Nachweis <strong>der</strong>schadlosen Verwertung in <strong>der</strong> Anlage in Majak nichtvorliegt. Es kann natürlich sein, dass dieser Nachweis irgendwannin ferner Zukunft vorliegt. Das kann ich <strong>zu</strong>mjetzigen Zeitpunkt aber nicht beurteilen.Wir haben heute <strong>zu</strong> entscheiden, ob eine Genehmigung<strong>zu</strong>r Ausfuhr erteilt wird. Diese ist nicht erteilt worden,und deshalb erfolgt kein Transport nach Majak.und Immissionsüberwachung kerntechnischer Anlagenund die Messungen <strong>der</strong> Umweltradioaktivität im Rahmendes integrierten Mess- und Informationssystems in <strong>der</strong>Umgebung <strong>der</strong> Asse zeigen keine messbaren Einträgevon radioaktiven Stoffen aus <strong>der</strong> Schachtanlage Asse IIo<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Auffälligkeiten.Messbare Effekte in <strong>der</strong> Umgebung resultieren ausdem Reaktorunfall von Tschernobyl bzw. sind auch natürlichenUrsprungs. Die gemessene Hintergrundstrahlung das habe ich in <strong>der</strong> vorvergangenen Woche schonals Antwort auf eine <strong>Frage</strong> <strong>der</strong> Kollegin Höhn gesagt kann nach den vorliegenden wissenschaftlichen Kenntnissenüber die Entstehung <strong>der</strong> entsprechenden Krebserkrankungennicht Ursache <strong>der</strong> erhöhten Krebshäufigkeitsein, da die Dosis 10 000 Mal höher sein müsste.Heute Frau Steiner, ich kann Ihnen im Augenblicknicht sagen, ob das schon geschehen ist soll <strong>der</strong> Berichtdes Epidemiologischen Krebsregisters Nie<strong>der</strong>sachsenüber Krebshäufigkeiten in <strong>der</strong> Umgebung <strong>der</strong> Asseveröffentlicht werden, <strong>der</strong> morgen auch von einer Expertengruppedes Landkreises diskutiert wird. Darüber hinaussoll er von <strong>der</strong> Strahlenschutzkommission und vomBundesamt für Strahlenschutz geprüft und bewertet werden.(B)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Die <strong>Frage</strong>n 33 und 34 <strong>der</strong> Kollegin Sylvia Kotting-Uhl werden schriftlich beantwortet, ebenso die <strong>Frage</strong> 35des Kollegen Oliver Krischer.Ich rufe die <strong>Frage</strong> 36 <strong>der</strong> Kollegin Dorothea Steinerauf:Besteht die Bundesregierung weiterhin auf ihren Ausführungen,dass mögliche Zusammenhänge zwischen den gehäuftenKrebsfällen in <strong>der</strong> Samtgemeinde Asse und dem dortigenatomaren Lager gänzlich ausgeschlossen werdenkönnen?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich bin <strong>der</strong> Kollegin Steiner dankbar dafür, dass siedie <strong>Frage</strong> gestellt hat, sodass wir jetzt im Rahmen <strong>der</strong><strong>Frage</strong>stunde vielleicht noch einmal den einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>enSachverhalt im Zusammenhang mit den Krebsfällenin <strong>der</strong> Samtgemeinde Asse besprechen können.Frau Steiner, vorweg möchte ich <strong>zu</strong>nächst sagen: EineAussage da<strong>zu</strong> ich zitiere jetzt aus Ihrer <strong>Frage</strong> , dassmögliche Zusammenhänge zwischen den Krebsfällenin <strong>der</strong> Samtgemeinde Asse und dem dortigen atomarenLager gänzlich ausgeschlossen werden können, wurdeseitens <strong>der</strong> Bundesregierung nicht getroffen. Eine <strong>der</strong>artigeAussage kann aufgrund genereller erkenntnistheoretischerGrenzen wissenschaftlicher Aussagen seriös auchnicht getroffen werden.Allerdings kann nach den vorliegenden Untersuchungsergebnissen<strong>der</strong> Umgebungsüberwachung <strong>der</strong> beobachteteAnstieg <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Krebsfälle in <strong>der</strong> SamtgemeindeAsse nicht durch die Strahlenbelastung <strong>der</strong>Asse erklärt werden; denn die Strahlenbelastung daswissen Sie wird seit 1966 erfasst, und die bisherige Umgebungsüberwachungnach <strong>der</strong> Richtlinie <strong>zu</strong>r Emissions-Wir wissen <strong>zu</strong>m jetzigen Zeitpunkt, dass die Anzahl<strong>der</strong> Krebsfälle gestiegen ist, aber wir kennen die genauenindividuellen Daten natürlich noch nicht, dasheißt, wir wissen noch nicht, welchen beson<strong>der</strong>en Expositionendie Erkrankten ausgesetzt waren. Es sind ganzbeson<strong>der</strong>s diese <strong>Frage</strong>n, die wir in diesem Zusammenhangbeantworten müssen. Wir erhoffen uns von demheute vorgestellten Bericht des Krebsregisters eine genauereAufklärung darüber, aber, wie gesagt, ich kenneden Bericht <strong>zu</strong>m jetzigen Zeitpunkt eben noch nicht.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Eine Nachfrage <strong>der</strong> Kollegin Steiner?Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ja. Das ist schade, weil es jetzt wirklich schön gewesenwäre, wenn ich diese Zahlen in die Nachfragehätte mit einbeziehen können.Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Da stimme ich Ihnen sogar <strong>zu</strong>.Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ich möchte ein Stück weiter vorne anfangen. Mitdem, was Sie gerade gesagt haben, haben Sie sich auchin <strong>der</strong> Braunschweiger Zeitung zitieren lassen. Sie habeneinfach einen Umkehrschluss vorgenommen und gesagt:Nach dem, was wir wissen, müsste die Dosis 10 000 Malhöher sein als beobachtet, um Krebsfälle auf Strahlenbelastung<strong>zu</strong>rückführen <strong>zu</strong> können. Das haben Sie auchdamit begründet, dass die Umgebung <strong>der</strong> Asse seit 1966 Zitat lückenlos erfasst wird.Wir halten es für sehr fraglich, dass dies lückenlos erfolgtist. Ich glaube, es ist eher so, dass man zwar die(D)


8864 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Dorothea Steiner(A)(B)Strahlung erfasst hat, dass man aber bis heute(C)nicht weiß,ob und wie die radioaktiv belasteten Laugenabflüsse indie Biosphäre gelangen. Deswegen kann man nicht voneiner lückenlosen Erfassung ausgehen.Das war <strong>der</strong> Hintergrund unserer <strong>Frage</strong>, und ich musshier schon noch einmal nachhaken: Haben Sie tatsächlicheBelege dafür, dass Sie ausschließen können, dassdiese Krebsfälle durch Strahlenbelastung verursachtsind? Es ist doch ein nennenswertes Krebsrisiko: Das Risiko,an Leukämie <strong>zu</strong> erkranken, ist zweimal so hoch wiesonst üblich, und das Risiko, an Schilddrüsenkrebs <strong>zu</strong> erkranken,ist dreimal so hoch.Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Da stimme ich Ihnen <strong>zu</strong>. Ich habe gesagt, dass es beiden beiden Erkrankungen in <strong>der</strong> Tat eine auffällige Häufungist. Schilddrüsenkrebs beispielsweise kann ganzklar durch radioaktives Jod ausgelöst werden.Unsere Experten sagen darauf muss ich mich jetztbeziehen , dass so etwas in <strong>der</strong> Asse nicht vorgefundenwurde. Ich werde aber Ihrer <strong>Frage</strong> nach den Laugennoch einmal geson<strong>der</strong>t nachgehen und Ihnen da<strong>zu</strong> inKürze eine Antwort <strong>zu</strong>kommen lassen.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Sie haben eine weitere Nachfrage, Frau Steiner?Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ja, <strong>zu</strong> dem angesprochenen, heute vor<strong>zu</strong>stellendenErgebnis. Selbst wenn Sie die Ergebnisse noch nichtkennen und vermitteln können, wollen wir natürlich wissen,ob es gelungen ist, die Faktoren Alter, Familiengeschichte,Art <strong>der</strong> Erkrankung, Beruf und Wohnort mitein<strong>zu</strong>beziehen, ob man es also auf diese Art und Weiseindividualisieren konnte, und ob man die Daten das istgerade vor dem Hintergrund des nicht geklärten Austrittsin die Biosphäre wichtig in den angrenzenden Gemeindenebenfalls erfasst hat. Ich nenne einmal die Gemeinden Sie kennen sie vielleicht auch : Sickte, Schöppenstedt,Baddeckenstedt, Schladen und Cremlingen.(Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Ich habe dann auch noch eine!) Sie haben schon zwei gestellt, Frau Steiner. Deswegenkönnen Sie keine weitere <strong>Frage</strong> stellen.Dr. Matthias Miersch (SPD):Frau Staatssekretärin, wir haben Agenturmeldungenvon heute entnehmen können, dass die Strahlenbelastungin <strong>der</strong> Asse weit höher sein soll, als bislang angenommen.Welche Erkenntnisse liegen dem Ministerium<strong>der</strong>zeit vor?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Mir persönlich liegen jetzt noch keine genauen Erkenntnissedarüber vor, außer den Meldungen, die, glaubeich, gestern gekommen sind und heute in den Zeitungenzitiert worden sind. Wir werden dem sehr ernsthaft nachgehen.Sie wissen, dass das auch Auswirkungen auf unserenPlan hat, die Fässer aus <strong>der</strong> Asse heraus<strong>zu</strong>holen. Ichwarte da<strong>zu</strong> eine Stellungnahme des Bundesamtes fürStrahlenschutz ab. Dessen Sprecher hat gestern mitgeteilt,dass die Belastungen dort entsprechend höher sind.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Eine Nachfrage des Kollegen Ott.Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Vielen Dank, Frau Präsidentin. Müssten Sie Ihreeben gemachten Äußerungen nicht im Hinblick auf dieTatsache hinterfragen, dass die Organisation IPPNW berichtethat, dass eine statistische Auswertung <strong>der</strong> lebendgeborenenKin<strong>der</strong> im Umfeld <strong>der</strong> Asse für die Jahre1971 bis 2009 ein Zahlenverhältnis von 142 Jungen <strong>zu</strong>150 Mädchen ergeben hat?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Auch diese Meldung ist mir bekannt. Wir werdendem natürlich unter Berücksichtigung <strong>der</strong> entsprechenden<strong>Frage</strong>stellungen nachgehen.(D)Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Letzteres kann ich Ihnen nicht beantworten. Das mussich nachholen; das werde ich zügig tun.Was den ersten Teil <strong>der</strong> <strong>Frage</strong> angeht, so waren es in<strong>der</strong> Tat Bemerkungen, die wir auch gegenüber Nie<strong>der</strong>sachsengemacht haben, <strong>Frage</strong>stellungen, die uns interessieren,<strong>zu</strong>mal sich unsere Strahlenschutzkommissionebenfalls mit den Fällen befassen wird. Inwieweit dastatsächlich eingegangen ist, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Eine Nachfrage des Kollegen Miersch.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Vielen Dank. Ich rufe jetzt die <strong>Frage</strong> 37 des AbgeordnetenKaczmarek auf:Mit welchen konkreten Maßnahmen will die Bundesregierungdas in <strong>der</strong> nationalen Strategie <strong>zu</strong>r biologischen Vielfaltformulierte Ziel bis 2020 sind Fließgewässer und ihre Auenin ihrer Funktion als Lebensraum so weit gesichert, dass einefür Deutschland naturraumtypische Vielfalt gewährleistet ist erreichen?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Kollege Kaczmarek, mit <strong>der</strong> Umset<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> EG-Wasserrahmenrichtliniesoll <strong>der</strong> Zustand auch <strong>der</strong> Fließgewässerin Deutschland verbessert werden. Die ersten Bewirtschaftungspläneund Maßnahmenprogramme nach


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8865Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser(A)dieser Richtlinie wurden für die zehn für Deutschland (C) relevantenFlussgebiete fristgemäß Ende 2009 aufgestellt.Sie befinden sich <strong>zu</strong>rzeit in <strong>der</strong> Umset<strong>zu</strong>ng. Mit <strong>der</strong> Verbesserungdes Gewässer<strong>zu</strong>stands wird auch <strong>zu</strong>m Ziel <strong>der</strong>Erhaltung und Verbesserung <strong>der</strong> biologischen Vielfaltbeigetragen.Mit dem im Herbst 2009 vorgelegten Auen<strong>zu</strong>standsberichthat die Bundesregierung die Datengrundlage füreine wirksame Auenentwicklung vorgelegt, für die alleGebietskörperschaften, vor allem Län<strong>der</strong> und Gemeinden,verantwortlich sind. Die Bundesregierung wird imRahmen des Bundesprogramms Biologische VielfaltModellprojekte <strong>zu</strong>r Umset<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> nationalen Strategie<strong>zu</strong>r biologischen Vielfalt för<strong>der</strong>n.Mit chance.natur, <strong>der</strong> Bundesför<strong>der</strong>ung <strong>zu</strong>r Errichtungund Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur undLandschaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutungund mit einem jährlichen För<strong>der</strong>volumen von14 Millionen Euro, leistet das Bundesministerium fürUmwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit einen wichtigenBeitrag <strong>zu</strong>r Sicherung und Aufwertung auch vonFließgewässern und Auen in ihrer Funktion als zentraleLebensräume für zahlreiche Arten.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Dann rufe ich die <strong>Frage</strong> 38 des Kollegen OliverKaczmarek auf:Was tut die Bundesregierung, damit, wie in <strong>der</strong> nationalenStrategie <strong>zu</strong>r biologischen Vielfalt angestrebt, 100 Prozent <strong>der</strong>Wasserkörper einen guten o<strong>der</strong> sehr guten ökologischen Zustan<strong>der</strong>reichen, obwohl nach Meinung verschiedener Expertendieses Ziel nicht mehr realisierbar ist?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich darf kurz auf meine an<strong>der</strong>e Antwort verweisen,Herr Kaczmarek. Ziel <strong>der</strong> Wasserrahmenrichtlinie ist <strong>der</strong>gute ökologische und chemische Zustand. Im Maßnahmenprogramm<strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> und in den Planungen<strong>der</strong> Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sind zahlreicheMaßnahmen <strong>zu</strong>r Verbesserung des ökologischen Zustandsvorgesehen. Erst nach <strong>der</strong>en Umset<strong>zu</strong>ng dasmüssen wir lei<strong>der</strong> sagen , die sich über mehrere Jahreerstrecken wird, können wir tatsächlich beurteilen, obund wann <strong>der</strong> gute ökologische Zustand erreicht ist.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Da<strong>zu</strong> haben Sie eine Nachfrage.(B)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Sie haben eine Nachfrage. Bitte sehr.Oliver Kaczmarek (SPD):Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortungmeiner <strong>Frage</strong>. Ich möchte auf den Indikatorenbericht<strong>zu</strong>r nationalen Strategie <strong>zu</strong>r biologischen Vielfalt<strong>zu</strong>rückkommen. Sie weisen darin aus, dass Sie den Indikatorenwertfür die größeren Flussauen von 19 auf29 Prozent anheben wollen. Das ist ein ehrgeiziges Ziel.Angesichts <strong>der</strong> Ergebnisse des Gipfels von Nagoya, dieerfreulicher ausgefallen sind als erwartet, möchte ich Sieaber fragen, ob es innerhalb des BundesumweltministeriumsÜberlegungen gibt, bei den Indikatorenzielennoch einen Schritt voran<strong>zu</strong>gehen.Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Es hat uns in <strong>der</strong> Tat sehr gefreut, dass wir in Nagoya<strong>zu</strong> einem wirklich guten Abschluss gekommen sind. Wirwerden innerhalb des Hauses sicherlich weiter beraten,wie wir mit vielen einzelnen Punkten des Gipfels in Nagoyaumgehen. Wir sind <strong>zu</strong>rzeit damit befasst, <strong>zu</strong>mal wirbereits in <strong>der</strong> Umset<strong>zu</strong>ngsphase sind. Inwiefern <strong>der</strong> Indikatorenberichtdabei eine Rolle spielen wird, kann ichIhnen jetzt noch nicht sagen.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Haben Sie eine weitere Nachfrage?Oliver Kaczmarek (SPD):Nein.Oliver Kaczmarek (SPD):Der Indikatorenbericht weist hier<strong>zu</strong> auf, dass <strong>zu</strong>m einendie Verbauung von Fließgewässern ein Grund fürden nicht guten ökologischen Zustand <strong>der</strong> Fließgewässerist. Deswegen habe ich <strong>zu</strong>m einen die <strong>Frage</strong>: Gibt esÜberlegungen innerhalb <strong>der</strong> Bundesregierung hinsichtlicheiner ressortübergreifenden Strategie, beispielsweisemit dem Verkehrsministerium? Im Anschluss daran habeich die <strong>Frage</strong>, wie Sie mit den Nährstoffeinträgen aus <strong>der</strong>Landwirtschaft umgehen wollen.Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Was die ressortübergreifende Strategie angeht, ist esgut, denke ich, sich mit dem Verkehrsministerium ab<strong>zu</strong>stimmen.Dem werde ich nachgehen.Die Nährstoffeinträge in <strong>der</strong> Landwirtschaft sind einimmerwährendes Thema. Ich war vorher im Landwirtschaftsressortund kann vielleicht auch von dieser Seitedas eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e da<strong>zu</strong> sagen. Wie Sie wissen, habenwir uns im Zuge <strong>der</strong> Umset<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> GemeinsamenAgrarpolitik sicherlich noch mit dem Thema beson<strong>der</strong>eUmweltmaßnahmen <strong>zu</strong> befassen. Vielleicht kann manIhre Anregungen aufnehmen, das Thema Nährstoffeinträgeentsprechend <strong>zu</strong> berücksichtigen.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Sie haben keine weitere Nachfrage da<strong>zu</strong>. Das hat jetztbestimmt auch die Schulklasse aus Neudietendorf beson<strong>der</strong>sinteressiert, über <strong>der</strong>en Anwesenheit auf <strong>der</strong> Tribüneich mich sehr freue.Wir kommen <strong>zu</strong>r <strong>Frage</strong> 39 des Kollegen HermannOtt:(D)


8866 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt(A)(C)Wie erklärt <strong>der</strong> Bundesminister für Umwelt, Naturschut<strong>zu</strong>nd Reaktorsicherheit, Dr. Norbert Röttgen, die Diskrepanzzwischen ihm, <strong>der</strong> in seiner Rede auf <strong>der</strong> Klimaschutzkonferenzin Cancún davon sprach, dass <strong>der</strong> Klimaschutz inDeutschland in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft angekommensei und nicht als Bedrohung, son<strong>der</strong>n als Chance begriffenwerde, und seinem Kabinettskollegen Rainer Brü<strong>der</strong>le,<strong>der</strong> noch kürzlich in Einklang auch mit dem Bundesverband<strong>der</strong> Deutschen Industrie e. V. eine Pause beim Klimaschutzgefor<strong>der</strong>t hat und die vermeintlichen Risiken und nicht dieChancen von Klimaschutz betont, und hat sich die Meinungdes Kabinettskollegen Rainer Brü<strong>der</strong>le diesbezüglich mittlerweilegeän<strong>der</strong>t?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich bitte darum, die <strong>Frage</strong>n 39 und 40 gemeinsam beantworten<strong>zu</strong> dürfen, da sie in einem thematischen Zusammenhangstehen.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Dann rufe ich auch die <strong>Frage</strong> 40 auf:Hat sich in diesem Zusammenhang die Position <strong>der</strong> Bundesregierungbezüglich einer unkonditionierten Erhöhung desEU-Reduktionszieles auf 30 Prozent geän<strong>der</strong>t?2030, minus 70 Prozent bis 2040 und minus 80 bis95 Prozent bis <strong>zu</strong>m Jahr 2050.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Herr Ott, Sie dürfen eine von maximal vier Nachfragenstellen.Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, FrauStaatssekretärin. Das war zwar eine äußerst wortreiche,dennoch nicht ganz <strong>zu</strong>friedenstellende Antwort. Es gehtin dieser <strong>Frage</strong> um die Unterschiede in <strong>der</strong> Bewertungdurch BMU und durch BMWi. Gibt es in Ihrem HauseErkenntnisse darüber, wie angesichts des europäischen20-Prozent-Ziels die Emissionsmin<strong>der</strong>ungen in den Sektorenaussehen müssten, die nicht vom Emissionshandelgedeckt sind? Diese 20 Prozent sind für die deutsche Industriefestgelegt. Wenn Deutschland das 40-Prozent-Ziel erreichen will, die vom europäischen Emissionshandelssystemerfassten Sektoren für immerhin fast dieHälfte <strong>der</strong> Emissionen verantwortlich aber nur20 Prozent erreichen müssen, dann muss in den an<strong>der</strong>enSektoren, <strong>zu</strong>m Beispiel beim Verkehr o<strong>der</strong> in den Haushalten,entsprechend mehr reduziert werden. Haben Siehier<strong>zu</strong> Berechnungen?(B)Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Veröffentlichung <strong>der</strong> Mitteilungen<strong>der</strong> EU-Kommission vom 26. Mai 2010 mit demTitel Analysis of options to move beyond 20 % greenhousegas emission reductions and assessing the risk ofcarbon leakage befasst sich die Bundesregierung mit<strong>der</strong> von <strong>der</strong> EU-Kommission vorgelegten Analyse. Daringeht es um die Sie bewegende <strong>Frage</strong> des unkonditionierten30-Prozent-Ziels.Die Bundesregierung hält es für nötig, dass sich <strong>der</strong>Rat und erfor<strong>der</strong>lichenfalls auch <strong>der</strong> Europäische RatAnfang 2011 wie<strong>der</strong> mit dieser <strong>Frage</strong> befassen werden.Diese Debatte sollte auch in den Kontext <strong>der</strong> gegebenenfallsbis dahin veröffentlichten Roadmap 2050 <strong>der</strong> EU-Kommission <strong>zu</strong>r Umsteuerung in eine kohlenstoffarmeWirtschaft innerhalb <strong>der</strong> Europäischen Union gestelltwerden. Deutschland steht hinter dem international vereinbartenZiel, dass die Industriestaaten ihre Treibhausgasemissionenbis 2050 um mindestens 80 Prozent reduzieren,und bekräftigt sein Ziel, in Deutschland dieTreibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber1990 <strong>zu</strong> senken. Auf dieser Basis wird sichDeutschland an <strong>der</strong> weiteren Diskussion <strong>zu</strong>m EU-Klimaschutzzielbeteiligen.Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Nein, hierüber habe ich keine Kenntnis. Allerdingsweise ich nochmals darauf hin, dass wir das 40-Prozent-Ziel haben. Es gibt das Integrierte Energie- und Klimaprogramm<strong>der</strong> Bundesregierung, das umgesetzt wird, umdie 40 Prozent Emissionsreduktionen <strong>zu</strong> erreichen.Deutschland beteiligt sich an <strong>der</strong> europäischen Debatteauch vor dem Hintergrund seines eigenen 40-Prozent-Ziels. Wir werden Anfang nächsten Jahres sicherlicheine spannende Debatte in <strong>der</strong> Europäischen Union erleben.Meine, wie Sie es formuliert haben, ausführlicheAntwort deutet bereits an, dass wir in verschiedeneneuropäischen Gremien über diese Angelegenheit nochweiter beraten werden.Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ich möchte noch einmal nachfassen diese Angelegenheitist für Ihre Verhandlungen mit dem BMWi sehrwichtig : Welche Reduktionsleistungen müssen dieSektoren, die nicht vom Emissionshandelssystem ETSerfasst werden, in Deutschland erbringen, falls Deutschlandbei 40 Prozent bleibt, das europäische Ziel aber20 Prozent vorgibt?(D)Entsprechend <strong>der</strong> Koalitionsvereinbarung sollen jeweilsgegenüber 1990 bis 2020 die Treibhausgasemissionenum 40 Prozent und entsprechend <strong>der</strong> Zielformulierung<strong>der</strong> Industriestaaten bis 2050 um mindestens80 Prozent reduziert werden. Das entspricht nach <strong>der</strong> imEnergiekonzept <strong>der</strong> Bundesregierung beschlossenen klimaschutzpolitischenZielset<strong>zu</strong>ng folgendem Entwicklungspfadbei <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Treibhausgasemissionenbis 2050 das ist einmalig : minus 55 Prozent bisUrsula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich habe den Prozess, in dem wir uns <strong>der</strong>zeit befinden,bereits skizziert. Wir sind dabei, Daten, Grundlagenetc. <strong>zu</strong>sammen<strong>zu</strong>stellen, um diese in den europäischenProzess Anfang des kommenden Jahres einfließen <strong>zu</strong>lassen. Wir haben aus Cancún die <strong>zu</strong>sätzliche Verpflichtung<strong>zu</strong>r Einhaltung des 2-Grad-Ziels mitgebracht. Auch


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8867Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser(A)(B)dieses Thema müssen wir in entsprechende(C)Berechnungen,Vorstellungen und Debatten einbeziehen.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Herr Ott, haben Sie noch eine weitere Nachfrage?Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ja. Vielleicht können Sie im Hause anregen, dasseine solche Untersuchung von Ihnen durchgeführt wird.Das könnte sehr überzeugend wirken.Nicht ganz <strong>zu</strong>fälligerweise ist das Wirtschaftsministeriumähnlicher Auffassung wie <strong>der</strong> BDI, <strong>der</strong> gerade nocheinmal davor gewarnt hat, dass Deutschland <strong>zu</strong> schnellvorprescht. Das wi<strong>der</strong>spricht ganz direkt den Vorstellungendes Ministers, <strong>der</strong> in Cancún noch einmal deutlichherausgestellt hat, wie wichtig die grüne neue industrielleRevolution für die Wirtschaft Deutschlands ist.Sind Sie mit dem BDI im Gespräch, um ihn von dem <strong>zu</strong>überzeugen, was Ihrer Ansicht nach die Meinung <strong>der</strong>Bundesregierung gemäß Koalitionsvertrag sein soll?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:In Vorbereitung auf Ihre heutige <strong>Frage</strong> habe ich michnatürlich im Wirtschaftsministerium vergewissert, dasswir alle gemeinsam daran interessiert sind, eine gute Lösungfür den Klimaschutz <strong>zu</strong> finden. Ich bitte jetzt aberum Nachsicht, dass ich nicht für das Bundeswirtschaftsministeriumantworten kann, und danke Ihnen ganzherzlich für die gute Darstellung <strong>der</strong> Positionen des Bundesumweltministers.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Sie haben keine weitere <strong>Frage</strong>? Dann rufe ich denKollegen Miersch auf.Dr. Matthias Miersch (SPD):Frau Staatssekretärin, <strong>der</strong> Kollege Ott hat eben auf dieWi<strong>der</strong>sprüche innerhalb <strong>der</strong> Regierung hingewiesen. Wirwissen auch, dass hier im Parlament bei CDU/CSU undFDP sogenannte Klimaskeptiker sitzen sollen. Meine<strong>Frage</strong> <strong>zu</strong>m 30-Prozent-Ziel <strong>der</strong> Europäischen Union lautetdaher: Strebt das Bundesumweltministerium an, dassdas Kabinett die Kanzlerin mandatiert, unkonditioniertfür das 30-Prozent-Min<strong>der</strong>ungsziel auf <strong>der</strong> europäischenEbene ein<strong>zu</strong>treten?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Wir befinden uns, Kollege Miersch, <strong>zu</strong>rzeit in intensivenGesprächen mit an<strong>der</strong>en Ressorts in Vorbereitungauf die europäische Debatte. Die Position des Umweltministersist Ihnen bekannt.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Herr Kollege Schwabe.Frank Schwabe (SPD):Geschätzte Staatssekretärin, wir waren mit einer Delegationdes Deutschen Bundestages in Cancún und habenden Umweltminister begleitet. Er hat von einem großenErfolg gesprochen. Seine Euphorie teile ich so nicht;aber es war sicherlich ein wichtiger Schritt. Ein Teil dieseswichtigen Schrittes ist, dass sich die Kioto-Staatendarauf verständigt haben, bis 2020 Reduktionsverpflichtungenin Höhe von 25 bis 40 Prozent, basierend aufdem Jahr 1990, ein<strong>zu</strong>gehen. Teilen Sie meine Position,dass vor diesem Hintergrund die BundesrepublikDeutschland und die Europäische Union keine an<strong>der</strong>eChance haben, sich auf ein Ziel jenseits <strong>der</strong> 25 Prozentfest<strong>zu</strong>legen?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Dies wird die Debatte innerhalb <strong>der</strong> EuropäischenUnion in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Ichdenke, dass unser 40-Prozent-Ziel ein guter Ansatz fürdie Debatte in <strong>der</strong> Europäischen Union ist. Ich persönlichwünsche mir, dass an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong> unserem Beispielfolgen werden.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Dann kommen wir <strong>zu</strong> <strong>Frage</strong> 41 des AbgeordnetenFrank Schwabe:Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung unternommen,damit die Europäische Union ihr Klimaschutzzielauf 30 Prozent Min<strong>der</strong>ung bis 2020 erhöht?Frau Staatssekretärin, <strong>zu</strong>r Antwort.Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Wenn <strong>der</strong> Kollege Schwabe einverstanden ist, verweiseich auf meine Antworten auf die <strong>Frage</strong>n des KollegenOtt.Im Übrigen hält die Bundesregierung anspruchsvolleKlimaschutzziele für Industriestaaten und Schwellenlän<strong>der</strong>für erfor<strong>der</strong>lich, um dem globalen Klimawandelwirksam <strong>zu</strong> begegnen. In diesem Zusammenhangmöchte ich auf die ebenfalls im Energiekonzept <strong>der</strong> Bundesregierungenthaltenen Formulierungen <strong>zu</strong>m Klimaschutzsowie <strong>zu</strong>r Notwendigkeit <strong>der</strong> Umstrukturierung<strong>der</strong> Energieversorgung verweisen. Ich habe gerade bei<strong>der</strong> Beantwortung <strong>der</strong> <strong>Frage</strong>n des Kollegen Ott die Klimaschutzziele,die im Energiekonzept ausdrücklich genanntsind, aufgezählt.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Sie haben eine Nachfrage, Herr Schwabe.Frank Schwabe (SPD):Sie haben gerade ausgeführt, dass Sie sich wünschen,dass es in <strong>der</strong> Europäischen Union eine Zielverschärfunggibt. Danach habe ich aber gar nicht gefragt. Einer <strong>der</strong>zahlreichen Beschlüsse in Cancún sieht vor, dass sich dieKioto-Staaten verpflichten, sich im Rahmen einer(D)


8868 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Frank Schwabe(A)Spanne von 25 bis 40 Prozent <strong>zu</strong> bewegen. (C) 30 Prozentfinde ich in diesem Zusammenhang nicht beson<strong>der</strong>s ambitioniert.Meine <strong>Frage</strong> lautet: Sind auch Sie vor demHintergrund <strong>der</strong> Beschlüsse von Cancún <strong>der</strong> Meinung,dass die Europäische Union und damit auch die Bundesregierungkeine an<strong>der</strong>e Chance haben, als sich mindestensin <strong>der</strong> genannten Spanne <strong>zu</strong> bewegen? Man könntesich natürlich auf 25,1 Prozent anstatt auf 30 Prozentfestlegen. Das würde ich für falsch halten. Aber interpretierenSie genauso wie ich diese Beschlüsse so, dass esnun einen Automatismus geben muss und dass sich dieBundesregierung und die Europäische Union auf ein Zieljenseits <strong>der</strong> 25 Prozent festlegen müssen?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Zum Ersten wollen wir in Deutschland ganz klar das40-Prozent-Ziel erreichen; darin stimmen Sie mir sicherlich<strong>zu</strong>.bereits gesagt habe, ist unsere klare Aussage: Wir beteiligenuns an dieser Debatte vor dem Hintergrund unsereseigenen 40-Prozent-Reduktions-Ziels.Wie gesagt, nehme ich Ihr Gesprächsangebot sehrgerne auf und rege an, dass wir uns Anfang Januar <strong>zu</strong>sammensetzen,um über entsprechende Vorgaben <strong>zu</strong>sprechen.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Herr Miersch, bitte.Dr. Matthias Miersch (SPD):Frau Staatssekretärin, ich verstehe eine Sache nicht.Sie verweisen auf den Beschluss, 40 Prozent national <strong>zu</strong>min<strong>der</strong>n, und trotzdem hakt es mit einem Beschluss desKabinetts, sich für eine unkonditionierte 30-Prozent-Min<strong>der</strong>ung ein<strong>zu</strong>setzen. Woran hakt es in diesem Kabinetteigentlich?(B)Zum Zweiten liegt uns eine Mitteilung <strong>der</strong> Kommissionals Debattengrundlage für die nächsten Räte <strong>zu</strong>mThema um es verkürzt aus<strong>zu</strong>drücken unkonditioniertes30-Prozent-Ziel innerhalb <strong>der</strong> EuropäischenUnion vor.Zum Dritten haben wir in <strong>der</strong> Tat in Cancún klare Beschlüssemitbekommen, die uns vorgeben, unsere Verpflichtungen<strong>zu</strong> überprüfen.All dies wird in den nächsten Wochen und Monaten,wie ich es schon mehrfach ausgeführt habe, erfolgen.Wir befinden uns in intensiven Ressortgesprächen. Ichpersönlich bin <strong>zu</strong>versichtlich, dass diese Gespräche <strong>zu</strong>einem guten Ende führen werden.Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Wir haben jetzt die Mitteilung <strong>der</strong> Kommission bekommen (Dr. Matthias Miersch [SPD]: Das haben Sie jaschon gesagt!) Lassen Sie mich doch einmal ausreden. Das ist genausowie eben bei Ihrer <strong>Frage</strong> nach dem 1. Dezemberund dem 6. Dezember.(Martin Burkert [SPD]: Dazwischen liegenfünf Türchen im Kalen<strong>der</strong>!)(D)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Sie haben noch eine Nachfrage. Bitte.Frank Schwabe (SPD):Ich habe verstanden, dass Sie jetzt noch nichts <strong>zu</strong>rPosition <strong>der</strong> Bundesregierung sagen können. Michwürde in <strong>der</strong> Tat interessieren, ob wir Kenntnis über dieStrategie <strong>der</strong> Bundesregierung bekommen werden. Wirddie Bundesregierung vor den Beschlüssen, die auf europäischerEbene <strong>zu</strong> fassen sind, im Rat eine Position einnehmen,o<strong>der</strong> strebt die Bundesregierung an, erst imRahmen <strong>der</strong> Verhandlungen, also möglicherweise erstauf dem Gipfel, <strong>zu</strong> einer solchen Positionierung kommen?Der Zeitplan würde mich schon interessieren.Wann erfahren Sie den Zeitplan? Wann reden Sie mituns darüber?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich rede sehr gerne mit Ihnen darüber. Wir können unsbeispielsweise mit den Berichterstattern aus dem Umweltausschussund mit weiteren Interessierten treffen, umüber die Umset<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> Ergebnisse von Cancún und dieVorbereitung <strong>der</strong> europäischen Debatte, die Anfang deskommenden Jahres stattfinden wird, <strong>zu</strong> sprechen. Wie ichSie müssen uns Zeit geben, um innerhalb <strong>der</strong> Bundesregierung<strong>zu</strong> guten Ergebnissen <strong>zu</strong> kommen. Entscheidungeninnerhalb <strong>der</strong> Europäischen Union, beispielsweisevon 20 auf 30 Prozent Treibhausgasemissionseinsparung<strong>zu</strong> kommen, kann man nicht übers Knie brechen; schließlichmuss man sie auch mit verschiedenen Teilen <strong>der</strong> Wirtschaftbesprechen. Kollege Ott hat vorhin angeregt, nochbestimmte Berechnungen durch<strong>zu</strong>führen. Auch das brauchtZeit. Deshalb bitte ich Sie, uns diese Zeit <strong>zu</strong> lassen. Ichhabe <strong>zu</strong> Herrn Schwabe gesagt: Ich biete eine zeitnaheDiskussion darüber an; sie soll noch im Januar einsetzen.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Herr Ott möchte noch eine <strong>Frage</strong> da<strong>zu</strong> stellen. Bitteschön.Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Frau Staatssekretärin, ich glaube Ihnen persönlichund auch Ihrem Hause insgesamt, dass Sie sich in Europafür das 30-Prozent-Ziel einsetzen. Sie haben hiereben den Eindruck vermittelt, auch die Bundesregierungtue das. Nun sagen uns aber unsere Freunde in Europa:Das stimmt nicht; Deutschland agiert innerhalb <strong>der</strong> EU,in Brüssel gegen das 30-Prozent-Ziel. Deshalb meineNachfrage: Setzt sich die gesamte Bundesregierung inBrüssel für eine Erhöhung des europäischen Minde-


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8869Dr. Hermann Ott(A)(B)rungsziels auf 30 Prozent ein, o<strong>der</strong> trifft das(C)nur für IhrHaus <strong>zu</strong>?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Noch einmal: Uns liegt eine Mitteilung <strong>der</strong> Kommissionvor, die es <strong>zu</strong> beraten gilt. Die Bundesregierung bereitet<strong>zu</strong>rzeit vor dem Hintergrund ihres eigenen 40-Prozent-Zielsihre Stellungnahme und ihren Debattenbeitragda<strong>zu</strong> vor.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Dann sind wir jetzt bei <strong>der</strong> <strong>Frage</strong> 42 des AbgeordnetenFrank Schwabe:Mit welchen konkreten Handlungen hat sich die Bundesregierungin Cancún für eine zweite Verpflichtungsperiodedes Kioto-Protokolls eingesetzt?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Die Europäische Union hat mit Beschluss des Umweltratsvom 14. Oktober 2010 bekräftigt, dass sie zwarein einheitliches umfassendes Klimaschutzabkommenbevor<strong>zu</strong>gt, unter bestimmten Bedingungen aber auch bereitsein wird, Verpflichtungen im Rahmen einer zweitenVerpflichtungsperiode des Kioto-Protokolls <strong>zu</strong> prüfen.Zu den von <strong>der</strong> Europäischen Union hervorgehobenenBedingungen zählt <strong>zu</strong>m einen die Bereitschaft an<strong>der</strong>erLän<strong>der</strong> das gilt vor allem für große Emittenten wie dieUSA, aber auch für die Schwellenlän<strong>der</strong> , ebenfalls Klimaschutzverpflichtungenein<strong>zu</strong>gehen. Zum an<strong>der</strong>enmuss das existierende Regelwerk des Kioto-Protokollsverbessert werden, um seine Umweltintegrität sicher<strong>zu</strong>stellen.Zu diesem Zweck ist es erstens erfor<strong>der</strong>lich, möglicheSchlupflöcher bei <strong>der</strong> Anrechnung von Kohlenstoffsenken,insbeson<strong>der</strong>e aus <strong>der</strong> Forstwirtschaft, <strong>zu</strong> schließen.Zweitens muss eine Lösung für das Problem <strong>der</strong> überschüssigenEmissionsrechte gefunden werden.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Ich lasse jetzt noch eine Nachfrage des KollegenSchwabe <strong>zu</strong>. Nach ihrer Beantwortung sind wir am Ende<strong>der</strong> <strong>Frage</strong>stunde angekommen.Frank Schwabe (SPD):Ich muss da insistieren, Frau Staatssekretärin. Es istinteressant, was Sie ausführen; aber gefragt habe ichnach den konkreten Schritten. Wir haben in Cancún gelernt,dass <strong>der</strong> Bundesumweltminister seine Rolle relativierthat, indem er deutlich gemacht hat: Deutschlandverhandelt an vielen Stellen gar nicht; das macht vielmehrdie Europäische Union. Wie hat sich Deutschlandeingesetzt? Welche konkreten Verhandlungen gab es?Wie muss man sich das vorstellen? Wo hat sich Deutschlandfür eine zweite Verpflichtungsperiode des Kioto-Protokolls eingesetzt?Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich selbst bin we<strong>der</strong> beim Umweltministerrat am14. Oktober 2010 noch in Cancún dabei gewesen. Siewissen, dass die Europäische Union auf internationalenKonferenzen für ihre Mitgliedstaaten verhandelt, undzwar auf <strong>der</strong> Grundlage von Beschlüssen, die beispielsweisevom Umweltrat in Form von Mandaten gefasstworden sind, so wie es im Vorfeld von Cancún <strong>der</strong> Fallgewesen ist. Die Bundesregierung hat sich im Umweltratentsprechend klar positioniert und die Diskussion überdie Ergebnisse von Cancún mit vorangebracht.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Damit ist die <strong>Frage</strong>stunde beendet, auch wenn <strong>Frage</strong>nnoch nicht erschöpfend beantwortet sind und noch nichtsämtliche <strong>Frage</strong>wünsche erfüllt sind.Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 1 auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> SPDKonsequenzen <strong>der</strong> Bundesregierung aus <strong>der</strong>aktuellen PISA-Studie für die Bildungspolitikvon Bund und Län<strong>der</strong>nDas Wort hat <strong>der</strong> Kollege <strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> für die SPD-Fraktion.<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> (Spandau) (SPD):Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sehen beiden Ergebnissen <strong>der</strong> PISA-Studie eine durchaus positiveTendenz. Wir waren von unseren Ergebnissen her <strong>zu</strong>nächsteher unterdurchschnittlich, und jetzt sind wir imguten Mittelfeld. Das muss man einmal positiv festhalten.Das ist <strong>zu</strong>allererst das Verdienst <strong>der</strong>jenigen, die sichin <strong>der</strong> Schule und um die Schule herum um die För<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler gekümmert haben.Ihnen gebührt als Erstes unser Dank.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten <strong>der</strong>CDU/CSU)Das ist aber auch ein Stück weit ein Erfolg von Politik,von politischen Rahmenbedingungen. Zwar sind unsereKolleginnen und Kollegen auf <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>ebene inerster Linie verantwortlich, aber auch die Bundespolitikspielt eine Rolle. Wenn man über die <strong>Frage</strong> nachdenkt:Welche Beiträge <strong>zu</strong> einer besseren Bildung gab es von<strong>der</strong> Bundespolitik?, fällt einem als Allererstes dasGanztagsschulprogramm <strong>der</strong> rot-grünen Regierung unterGerhard Schrö<strong>der</strong> ein. Das war ein richtiger Erfolg. Wirwissen, dass Ganztagsschulen helfen. Das zeigt sichauch bei <strong>der</strong> PISA-Studie. Das muss einmal mit Selbstbewusstseingesagt werden,(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)auch wenn die Kolleginnen und Kollegen von <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP verständlicherweise nicht klatschen,(D)


8870 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> (Spandau)(A)weil sie das Ganztagsschulprogramm damals (C) bekämpfthaben.(Patrick Meinhardt [FDP]: Das ist Ihre Bildungsideologie!)(B)Wenn man sich die Ergebnisse genauer anschaut, fälltauf, dass wir unsere Fortschritte insbeson<strong>der</strong>e den Migranten<strong>zu</strong> verdanken haben. Sie sind durchaus bessergeworden. Das war sehr nötig. Darüber hinaus freut esmich im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Integrationsdebatte, diewir seit einiger Zeit beson<strong>der</strong>s intensiv führen. DiePISA-Ergebnisse zeigen nämlich, dass Bildung hilft,(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann[SPD])dass Bildung oft den Unterschied ausmacht, dass diejenigennicht recht haben, die etwa sagen: Es hat doch allesgar keinen Zweck; das ist alles genetisch bedingt. Wir geben niemanden verloren. Einsatz lohnt sich. Allehaben eine optimale Chance verdient.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Wir, genauer gesagt: die Schülerinnen und Schüler,sind bei PISA besser geworden, aber nicht gut genug. Esgibt keinen Anlass, sich selbst<strong>zu</strong>frieden <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>lehnen.Das betrifft die beson<strong>der</strong>s Schwachen in den Schulen,aber auch diejenigen, die eigentlich <strong>zu</strong> den Leistungsstärkerengehören.Die entscheidende <strong>Frage</strong> für uns im Deutschen Bundestagist: Trägt diese Regierungskoalition <strong>zu</strong> künftigenVerbesserungen bei? Die klare Antwort lautet lei<strong>der</strong>:Nein. Die Regierungskoalition macht sogar kontraproduktivePolitik. Sie ist nachgerade eine PISA-Gefahr.(Beifall bei Abgeordneten <strong>der</strong> SPD Lachenbei <strong>der</strong> FDP Patrick Meinhardt [FDP]: Dieroten Regierungen sind die große Gefahr! Siesind flächendeckend eine PISA-Gefahr!) Sie lachen, liebe Kollegen. Es gibt eine ganze MengeBeispiele dafür, dass sich CDU/CSU und FDP gerade<strong>zu</strong>bildungsfeindlich verhalten. Ich denke dabei etwa an dasBetreuungsgeld. Sie wollen Eltern Geld dafür geben,dass Kin<strong>der</strong> nicht in Bildungseinrichtungen geschicktwerden. Das ist Irrsinn. Das geht so nicht.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Patrick Meinhardt [FDP]:Wo steht das im Koalitionsvertrag? Deswegenbrauchen wir eine Leseinitiative, damit manrichtig lesen kann!) Herr Kollege Meinhardt, schauen Sie doch einfach einmal,was die PISA-Siegerlän<strong>der</strong> haben, was wir inDeutschland nicht haben:(Patrick Meinhardt [FDP]: EigenverantwortlicheSchulen! Freiheit <strong>der</strong> Schulen!)Erstens: längeres gemeinsames Lernen.Zweitens. In den PISA-Siegerlän<strong>der</strong>n gibt es eine besserepersonelle Ausstattung. Das ist ohne <strong>Frage</strong> Aufgabe<strong>der</strong> Län<strong>der</strong>.(Patrick Meinhardt [FDP]: So ist es!)Aber, Herr Kollege Meinhardt, die Bundespolitik leisteteinen Beitrag, indem sie für mehr o<strong>der</strong> weniger finanzielleSpielräume <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> sorgt. Ihre unseriöse Finanzpolitikträgt da<strong>zu</strong> bei, dass den Län<strong>der</strong>n die Beineweggehauen werden und sie in die Schulen und Kitas garnicht mehr investieren können. Das ist doch das Problem.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD, <strong>der</strong> LINKEN und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN PatrickMeinhardt [FDP]: Falsche Politik von falschregierten Län<strong>der</strong>n!)Drittens. Die PISA-Siegerlän<strong>der</strong> haben Ganztagsschulen.In diesem Bereich sehe ich bei <strong>der</strong> Regierungskoalitioneine Totalverweigerung: Sie wollen diesesThema überhaupt nicht anpacken; Sie wollen <strong>zu</strong>sätzlicheGanztagsschulen überhaupt nicht för<strong>der</strong>n und unterstützen.Das war <strong>zu</strong>letzt bei <strong>der</strong> Diskussion um das sogenannteBildungspaket fest<strong>zu</strong>stellen. Ich habe im AusschussMinisterin Schavan noch einmal nach direktenInvestitionen in die Schulen gefragt. Frau Schavan hatdas klipp und klar kategorisch abgelehnt und gesagt:Nein, in Schulen investieren wir nicht.Die Politik, in Gutscheine für Nachhilfe statt direkt indie Bildungseinrichtungen <strong>zu</strong> investieren, ist <strong>der</strong> Holzweg<strong>der</strong> Koalition. So kommen wir nicht weiter.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Patrick Meinhardt [FDP]:Wer hat denn das Kooperationsverbot beschlossen?)Wir glauben, es ist notwendig, dass <strong>der</strong> Bund jährlich10 Milliarden Euro mehr in Bildung investiert. Das isterreichbar, wenn wir <strong>zu</strong>m Beispiel auf so einen Quatschwie das von Ihnen geplante Betreuungsgeld verzichten,wenn wir Steuergeschenke an Hoteliers und Erben wie<strong>der</strong>einkassieren und wenn wir die Vermögenden undHochverdiener am Steueraufkommen ordentlich beteiligen.(Patrick Meinhardt [FDP]: Jetzt haben wir diegesamte Ideologie en masse!)Wir wollen Ganztagsschulen. Wir wollen eine besserepersonelle Ausstattung. Wir wollen Sozialarbeiterinnenund Sozialarbeiter an den Schulen. Das wäre ein wirklicherFortschritt. Dann werden die nächsten PISA-Ergebnissenoch besser.(D)(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und <strong>der</strong> LINKEN)Herzlichen Dank.Ich weiß, das ist völlig jenseits Ihres Denkhorizonts.Dem wollen Sie sich überhaupt nicht nähern. Aber vielleichtlernen Sie da<strong>zu</strong>, genauso wie beim Thema Ganztagsschulprogramm.Schauen wir einmal.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD, <strong>der</strong> LINKEN und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN PatrickMeinhardt [FDP]: Dann machen Sie das malendlich in Ihren Län<strong>der</strong>n!)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8871(A)(B)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (C)Marcus Weinberg hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU PatrickMeinhardt [FDP]: Zeigs ihm!)Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU):Vielen Dank. Frau Präsidentin! Meine Damen undHerren! Lieber Herr <strong>Schulz</strong>, bei Ihnen bin ich immer gespannt,in welche Richtung Ihre Rede geht.(Patrick Meinhardt [FDP]: Ich nicht! Ich weißdas schon vorher!)Sie sagten <strong>zu</strong>nächst, dass es ein Einvernehmen gibt, dassauch Sie gewisse Dinge ganz gut finden und begrüßen.Irgendwann kamen dann die beiden entscheidenden Begriffe:Betreuungsgeld und Ganztagsschulprogramm.Das, was Sie hier abgeliefert haben, war für eine bildungspolitischeDebatte aber <strong>zu</strong> wenig. Darauf solltenSie dieses Thema nicht reduzieren.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP <strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Mal gucken,was Sie abliefern!)Ich stimme Ihnen vollkommen <strong>zu</strong>: Man kann sichüber die Ergebnisse <strong>der</strong> aktuellen PISA-Studie durchausfreuen. Es gab Reformen im pädagogischen Bereich. Siehaben richtigerweise die Schulen und diejenigen, die impädagogischen Bereich arbeiten, angesprochen. Es dauertsehr lange, bis die eingeleiteten Reformen Wirkungzeigen.Was sind also die Botschaften von PISA? Wir habennach dem PISA-Schock 2000, <strong>der</strong> uns alle in eine gewisseStarre versetzt hatte, tatsächlich gelernt, dass wiram Bildungsbereich arbeiten müssen. Das haben wirauch getan. Es gab in <strong>der</strong> Tat eine Pisaritis im negativenSinne. Wenn man sich mit finnischen Lehrern unterhält,dann sagen sie: Mit Blick auf die Bildungsimplikationenist in Finnland die vorschulische Bildung dasEntscheidende.(<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Betreuungsgeld! Patrick Meinhardt [FDP]: Und die guteArbeitslosenquote!)ten wir begrüßen; darüber sollten wir uns freuen. Das istein gutes Ergebnis.Insgesamt kann man feststellen: Wenn man sich vonPlatz 21 auf Platz 16 verbessert hat, ist man zwar vorläufigaus <strong>der</strong> Abstiegszone heraus, aber es ist latent die Gefahrvorhanden, dass man in diese wie<strong>der</strong> hineinrutscht.Deshalb muss nachgearbeitet werden.Erste Herausfor<strong>der</strong>ung, die wir nach wie vor angehenmüssen das haben Sie angesprochen , ist das ThemaKin<strong>der</strong> mit Migrationshintergrund. Richtig ist, dass<strong>der</strong> Unterschied zwischen Kin<strong>der</strong>n mit Migrationshintergrundund den Kin<strong>der</strong>n, die in deutschen Familien aufwachsen,von früher 60 Punkte auf nunmehr 20 Punktegeschrumpft ist. Das ist ein Erfolg. Hier hat so<strong>zu</strong>sageneine Verdichtung stattgefunden. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seitekann es natürlich nicht sein, dass wir als Gesellschaft es<strong>zu</strong>lassen, dass Kin<strong>der</strong> mit Migrationshintergrund teilweiseein Jahr Rückstand gegenüber deutschen Kin<strong>der</strong>nhaben.Zweite Herausfor<strong>der</strong>ung auch das ist richtig istdas Problem <strong>der</strong> sozialen Herkunft. Weiterhin ist es so,dass wir hier in Deutschland Probleme haben. Lediglich6 Prozent <strong>der</strong> sozial benachteiligten Schülerinnen undSchüler erreichen in Deutschland ein höheres Leistungsniveauals <strong>der</strong> Durchschnitt; OECD-weit liegt dieserWert 2 Prozentpunkte höher.Dritte Herausfor<strong>der</strong>ung das hat gerade die PISA-Studie ergeben sind die Defizite beim Leseverständnis.Das heißt, im Bereich Lesen und Bewerten von Textenbrauchen wir vertiefte För<strong>der</strong>programme. Ich will gleicheinige erwähnen, die wir als Bundesregierung auf denWeg gebracht haben.Was ist also unsere Zielset<strong>zu</strong>ng? Hier unterscheidenwir uns schon ein wenig von Ihnen, meine Damen undHerren von <strong>der</strong> Opposition. Sie for<strong>der</strong>n immer ein Ganztagsschulprogramm.Sie wollen, dass alle Kin<strong>der</strong> in einerEinheitsschule lernen.(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Gemeinschaftsschule!)Wir treten für Chancengerechtigkeit und Leistungsanreizeein.(D)Aber die Lehrer in Finnland sagen auch ganz klar: Beiuns gibt es auch Defizite. <strong>Frage</strong>n Sie die Jugendlichen inFinnland beispielsweise einmal nach den Übergängen indie Berufsausbildung. Dieser Bereich ist dort relativschwach entwickelt. Auch das koreanische System istmit dem deutschen System nicht vergleichbar. Ichmöchte die Sozialisation <strong>der</strong> deutschen Kin<strong>der</strong> nicht mit<strong>der</strong> Sozialisation koreanischer Kin<strong>der</strong> vergleichen.Richtig ist: Die PISA-Ergebnisse sind besser geworden,und zwar in allen drei PISA-relevanten Bereichen.Die Lesekompetenz hat sich signifikant verbessert. Fürden mathematischen Bereich ist das ähnlich: Seit 2003haben sich die Ergebnisse signifikant verbessert. Auchin den Naturwissenschaften hat sich die ansteigendeTendenz letztendlich bestätigt; dort liegen die Ergebnissestabil im oberen Bereich. Das ist gut so. Das soll-(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Das spiegelt sich dann auch in <strong>der</strong> politischen Ausrichtungwi<strong>der</strong>.Eine kleine Bemerkung sei noch <strong>zu</strong> Ihren Ausführungen,Herr <strong>Schulz</strong>, erlaubt: Das Ganztagsschulprogrammliegt in <strong>der</strong> Verantwortung <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>. Ich erinnere mich,dass die CDU, als sie 2001/2002 die Regierung in Hamburgübernommen hat, die Mittel für den Ganztagsschulausbaudort verdreifacht hat. Hier ist es jedem Land unbenommen,eigene Schwerpunkte <strong>zu</strong> setzen.(Zuruf <strong>der</strong> Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])Wir im Land hätten es uns allerdings gewünscht, FrauSager, dass man uns überlässt, wo wir die Schwerpunkte


8872 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Marcus Weinberg (Hamburg)(A)setzen, und uns nicht vonseiten des Bundes(C)eindeutigeVorgaben macht.Was wollen wir machen? Folgende Punkte wollen wirumsetzen: erstens früher för<strong>der</strong>n, zweitens zielgenauerför<strong>der</strong>n und drittens bedarfsorientiert för<strong>der</strong>n. Ich willgerne aus <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong> Programme <strong>der</strong> Bundesregierungeinige nennen. Sie gibt es nämlich. Man muss nurdas Ganze ein wenig durchstöbern und schauen, wie vielGeld dafür ausgegeben wird.(<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Langesuchen, ja?)Als erstes Beispiel nenne ich das Programm Lesestart Drei Meilensteine für das Lesen. Es handelt sichalso um ein Leseför<strong>der</strong>programm, das speziell die Motivationfürs Lesen steigern soll,(<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Wie vieleerreicht das?)Bundes, die Weiterbildungsinitiative FrühpädagogischeFachkräfte und, und, und. Es ist also schon so, dass <strong>der</strong>Bund ganz gezielt Schwerpunkte bei <strong>der</strong> frühen För<strong>der</strong>ungsetzt. Das ist auch richtig so. Ich bitte aber bei <strong>der</strong>Diskussion um die Kooperation mit den Län<strong>der</strong>n auch<strong>zu</strong>r Kenntnis <strong>zu</strong> nehmen, dass die Län<strong>der</strong> für den Bildungsbereich das ist ja auch so gewollt die Verantwortungtragen. Das heißt, sie müssen darüber auch Rechenschaftablegen. Wir in Hamburg haben ja geradeErfahrungen, wenn ich das noch einmal sagen darf, mitgewissen Reformen im Schulbereich gemacht, die dannnicht durchkamen. Insgesamt ist es demnach gut, wennüber all das die Menschen vor Ort entscheiden können.Letzter Punkt, weil Sie gesagt haben Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Herr Kollege, Sie müssten längst <strong>zu</strong>m Ende gekommensein.(B)und zwar beginnend bei den Eltern. Nur durch die Mitnahme<strong>der</strong> Eltern das kann ich als Hamburger sagen können gewisse Verän<strong>der</strong>ungen und Reformen auch erfolgreichsein. Hier för<strong>der</strong>n wir also mit einem deutlichenSchwerpunkt das Lesen.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Bezüglich des zielgenauen För<strong>der</strong>ns erinnere ich andie Initiative Haus <strong>der</strong> kleinen Forscher. Man kann sagen,dabei handle es sich nur um ein kleines Programm,für das gerade einmal ein zweistelliger Millionenbetrag<strong>zu</strong>r Verfügung steht. Gerade solche kleinen Programmesind aber gute Programme. Über 30 000 Erzieher habensich bereits im Rahmen dieses Programmes weiterbildenlassen. Es ist damit <strong>zu</strong> einem Bestandteil <strong>der</strong> frühkindlichenBildung geworden.Bedarfsorientiert för<strong>der</strong>n heißt schließlich, das Geldda ein<strong>zu</strong>setzen, wo es nötig ist. Ich erinnere daran, dassdas Paket von 820 Millionen Euro für die Kin<strong>der</strong> vonHartz-IV-Empfängern, über das gerade verhandelt wird,eine bedarfsorientierte För<strong>der</strong>ung darstellt.Für frühes, bedarfsorientiertes und zielgenaues För<strong>der</strong>nhaben wir also viele Programme entwickelt.Sie sagen nun, dass die Kooperation zwischen Bundund Län<strong>der</strong>n nicht funktioniert. Ich habe den Eindruck,dass wir im Ausschuss für Bildung und Forschung desDeutschen Bundestages mittlerweile fast ausschließlichdarüber debattieren, wie wir als Bund den Län<strong>der</strong>n Mittel<strong>zu</strong>r Verfügung stellen können. Das kann so nicht richtigsein.(Zurufe von Abgeordneten <strong>der</strong> SPD und <strong>der</strong>LINKEN)Ich rufe einige Beispiele in Erinnerung. Da gibt es dieganzen Pakete, die wir auf den Weg gebracht haben: denHochschulpakt mit 5 Milliarden Euro und dessen Erweiterungum eine dritte Säule mit dem QualitätspaktLehre, das Programm <strong>zu</strong>m Ausbau <strong>der</strong> Krippen das gehört<strong>zu</strong>r frühkindlichen För<strong>der</strong>ung mit 4 Milliardenplus 770 Millionen Euro ab 2013 jährlich, den AktionsplanKin<strong>der</strong>tagespflege, die Qualifizierungsinitiative desMarcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU):Ich komme <strong>zu</strong>m Schluss. Meine Damen und Herren,auf diesem von mir mitgebrachten Diagramm sehenSie, dass die Ausgaben für den Bereich Bildung und Forschung<strong>zu</strong> dem Zeitpunkt signifikant in die Höhe gehen,als die CDU/CSU 2005 die Regierung übernommen hat.Ich glaube, anhand dieses Diagramms zeigt sich, wie erfolgreichwir in diesem Bereich sind.Herzlichen Dank.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Rosemarie Hein hat das Wort für die Fraktion DieLinke.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die PISA-Studie hat Deutschland bescheinigt, dass dieBildungsleistungen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler bessergeworden sind. Nun scheinen viele auf<strong>zu</strong>atmen. Es seinoch nicht gut, aber es gehe voran, wird gesagt. Wir finden,dass es keinen Grund <strong>zu</strong>r Zufriedenheit gibt. DenOptimismus, den Sie, Herr Weinberg, eben verbreitet haben,kann ich überhaupt nicht teilen. Vielmehr scheintmir das, was Sie gesagt haben, ein bisschen wie das Pfeifenim Walde.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Mit dieser PISA-Studie wurde vor allem untersucht,ob sich die Leseleistungen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schülerverbessert haben. Die <strong>Frage</strong> <strong>der</strong> Lesekompetenz ist vonherausragen<strong>der</strong> Bedeutung für die Lebenschancen in diesemLand. Auch das sagt die PISA-Studie. Das ist nichtneu; das wissen wir. Deshalb möchte ich mich vor allemmit <strong>der</strong> Lesekompetenz beschäftigen. Vor neun Jahrenwurde diese schon einmal untersucht. Damals ging einAufschrei durch die Gesellschaft. Deutschland gehörte<strong>zu</strong> den Bildungsverlierern. Die heute geprüften Schülerinnenund Schüler kamen damals gerade in die Schule(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8873Dr. Rosemarie Hein(A)o<strong>der</strong> waren kurz vor ihrer Einschulung. Hätte (C) man seinerzeitzügig Lehren aus diesem Desaster gezogen, dannwäre es heute <strong>zu</strong> einem besseren Ergebnis gekommen.Dem ist aber nicht so.Damals konnten 22,6 Prozent nur schlecht lesen.Heute sind es noch immer 18,5 Prozent. Damals war esein gutes Fünftel, heute ist es ein knappes Fünftel. Werdas ein Jahrzehnt später als Erfolg verkaufen möchte,<strong>der</strong> hat sehr bescheidene Vorstellungen von Erfolg.Bemerkenswert ist: Es gab noch in keiner PISA-Studieeine so deutliche Kritik am Gymnasium und an <strong>der</strong> frühenTrennung in unterschiedliche Bildungsgänge. Zwarhaben wir am Gymnasium anspruchsvollere Lesestoffe,aber weniger Sprachför<strong>der</strong>ung, was <strong>zu</strong>m Beispiel fürMigrantinnen und Migranten wichtig wäre. Wir haben<strong>zu</strong> wenig differenzierte Lernangebote. Eigentlich ist dasGymnasium die Einheitsschule, nichts an<strong>der</strong>es.Das geglie<strong>der</strong>te Schulsystem för<strong>der</strong>t nicht, es spaltet.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Wir geben uns damit nicht <strong>zu</strong>frieden. Das heißt dochnichts an<strong>der</strong>es, als dass 18,5 Prozent <strong>der</strong> Schülerinnenund Schüler vermutlich auf <strong>der</strong> Strecke bleiben. Daskann man doch nicht einfach so hinnehmen. In denHauptschulen ist es jede zweite Schülerin bzw. je<strong>der</strong>zweite Schüler, in den För<strong>der</strong>schulen sind es sogar dreiViertel. All das ist in <strong>der</strong> Studie nach<strong>zu</strong>lesen. Damitkann man sich doch nicht <strong>zu</strong>friedengeben.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN Patrick Meinhardt[FDP]: Sie spalten!)Das ist an drei Tatsachen ab<strong>zu</strong>lesen: Die frühe Trennungin unterschiedliche Schulformen verstärkt die Ungleichheitin <strong>der</strong> Bildung. Lehrkräfte empfehlen eher Kin<strong>der</strong>aus sozial begünstigten Elternhäusern ans Gymnasium.Außerdem kann man an <strong>der</strong> Hauptschule nicht das Gleichelernen wie am Gymnasium. Auch das grenzt aus.Wer das nicht glaubt, muss bis Seite 250 lesen.(B)Wie<strong>der</strong> wird festgestellt, dass <strong>der</strong> Bildungserfolgstark von <strong>der</strong> sozialen Lage <strong>der</strong> Familien abhängt. Kin<strong>der</strong>aus Elternhäusern, in denen die Eltern keinen Berufsabschlusshaben, sind deutlich benachteiligt. Zwarwurde ihr Anteil am Gymnasialbesuch um 4 Prozent erhöht,aber nur von 11 auf 15 Prozent, während Kin<strong>der</strong>aus Elternhäusern von Beamten, Ärzten und Ingenieuren<strong>zu</strong> über 50 Prozent das Gymnasium besuchen. Das mussman einmal <strong>zu</strong>r Kenntnis nehmen. Damit kann man dochnicht <strong>zu</strong>frieden sein.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Dabei ist auch noch die Zuweisung <strong>zu</strong> den unterschiedlichenBildungsgängen sehr fragwürdig. Ein Viertel <strong>der</strong>Hauptschülerinnen und Hauptschüler könnte genausogut an einer Realschule lernen. Dort sind sie aber nichtangekommen. Ein Viertel <strong>der</strong> Realschülerinnen undRealschüler könnte genauso gut an Gymnasien lernen.Aber dort sind sie nicht angekommen.Aber es wird noch schlimmer: Nicht nur, dass dieVerbesserungen beim Lesen für die bisher Bildungsbenachteiligtensehr mager ausfallen; die Leistungsspitzevergrößert sich überhaupt nicht. Der Anteil <strong>der</strong> bestenLeserinnen und Leser geht sogar leicht <strong>zu</strong>rück, und das,obwohl sich <strong>der</strong> Ansturm auf das Gymnasium von 28 auf33 Prozent erhöht hat. Genau genommen sind diese Befundeeine schallende Ohrfeige für die Verfechter des geglie<strong>der</strong>tenSchulsystems.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Es ist we<strong>der</strong> für die Schwächeren noch für die Starkengut.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN Patrick Meinhardt[FDP]: Wenn man die Seiten 1 bis 200 ausblendet!)Was lernen wir nun daraus? O<strong>der</strong> besser: Was solltenwir lernen? Erstens. Es muss endlich Schluss sein mit<strong>der</strong> Zuweisung <strong>zu</strong> unterschiedlichen Bildungsgängen.Das hilft den Schwachen und auch den Starken nicht.Unser Land kann aber auf kein Talent verzichten.Zweitens. Die Schule kann so, wie sie ist, nicht dienötige För<strong>der</strong>ung für jeden Heranwachsenden gewährleisten.Deshalb muss mit <strong>der</strong> Mär von angeblich leistungsgerechtenBildungsgängen endlich Schluss sein.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN)Wir müssen Anstrengungen unternehmen, um echte Gemeinschaftsschulen<strong>zu</strong> errichten dabei meine ich nichtdie Zusammenlegung von Haupt- und Realschule , andenen alle Bildungsabschlüsse bis <strong>zu</strong>m höchsten Bildungsabschlussmöglich sind. Solche Projekte müssengeför<strong>der</strong>t werden. Wir müssen ideologische Bildungsschrankenendlich einreißen.(Patrick Meinhardt [FDP]: Sie bauen doch Bildungsschrankenauf!)Die Schule muss in die Lage versetzt werden, ihren Bildungsauftrag<strong>zu</strong> erfüllen, und darum muss das Kooperationsverbotendlich fallen. Wann, wenn nicht jetzt?Danke schön.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> SPD)(D)(Patrick Meinhardt [FDP]: Da müssen Sie einean<strong>der</strong>e Studie haben!) Sie müssen bis <strong>zu</strong>m Schluss lesen.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN Patrick Meinhardt[FDP]: Ich lese immer bis <strong>zu</strong>m Schluss! Aberich habe keine ideologische Brille auf! DieLän<strong>der</strong>, in denen Sie an <strong>der</strong> Regierung sind,sind die PISA-Verlierer!)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Sylvia Canel spricht für die FDP-Fraktion.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU)Sylvia Canel (FDP):Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damenund Herren! Der PISA-Schock 2000 zeigt Wirkung. DieBildungsleistung hat sich seit 2000 spürbar verbessert.


8874 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Sylvia Canel(A)Deutsche Schüler können im Vergleich mit Schülern (C) ausan<strong>der</strong>en OECD-Staaten besser rechnen und haben mehrnaturwissenschaftliches Verständnis. Sie können nurmittelmäßig lesen, aber immerhin schon besser als 2000.Jugendliche mit Migrationshintergrund haben sich imBereich Lesen spürbar verbessert, und <strong>der</strong> Zusammenhangvon Lesekompetenz und sozialer Herkunft hatdeutlich abgenommen. Zudem bleibt fest<strong>zu</strong>halten, dassSchüler aus Familien mit einem geringeren Sozialstatushäufiger als früher ein Gymnasium besuchen. Wenn daskeine Erfolge sind, dann weiß ich es auch nicht. Deshalbweiß ich nicht, wovon Sie gesprochen haben, Frau Hein.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU)Als Liberale sage ich da<strong>zu</strong>: Gut, dass wir endlich vergleichenkönnen und dass wir durch den Vergleich endlichmehr Wettbewerb haben. Dieser Wettbewerb treibtdie Schulentwicklung voran. Transparenz, Vergleicheund Wettbewerb sind grundlegende Prinzipien liberalerBildungspolitik, und dadurch werden nachweislich Fortschritteerzielt.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> CDU/CSU <strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau][SPD]: Genau!)Die Mühe lohnt sich, denn die Richtung stimmt. UnsereAnstrengungen dürfen daher auf gar keinen Fallnachlassen. PISA 2009 muss uns allen ein Ansporn sein,(<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Und was machenSie?)mit unseren Kin<strong>der</strong>n um? Es gibt <strong>zu</strong> wenig Personal, sanierungsbedürftigeGebäude, eine mangelhafte Ausbildungund Bezahlung <strong>der</strong> Erzieherinnen, und kein Endeist absehbar. Auch wenn <strong>der</strong> Bund jetzt mehr investiert,muss man unterm Strich sagen: Hinsichtlich <strong>der</strong> frühkindlichenBildung ist Deutschland immer noch Entwicklungsland.(<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Ja!)Die rot-rote Koalition in Berlin hat kurz vor Erscheinen<strong>der</strong> ersten PISA-Studie für die Abschaffung <strong>der</strong> BerlinerVorschulen gesorgt. Bildungsforscher greifen sichnoch heute an den Kopf. Auch im Schulbereich ist dasGanze nicht besser. Wenn Frau Künast, die gerade dasitzt, darüber nachdenkt, die Berliner Gymnasien ab<strong>zu</strong>wickeln,ist das ein verkehrtes Zeichen. Ich komme ausHamburg. In Hamburg haben sich die Bürger durchgesetztund diesen Unsinn beendet.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU Stefan Liebich [DIE LINKE]: HerzlichenGlückwunsch! Großer Erfolg!)Das unablässige Hin und Her und die ständigen Experimentehalten unsere Schulen in einem Zustand <strong>der</strong> Hyperaktivität,und das bringt nur eines: Unsicherheit undFrust an <strong>der</strong> Basis.Ich sage Ihnen deshalb: Jede einzelne Schule weiß esbesser, weil sie nämlich die Fachleute vor Ort hat. Je<strong>der</strong>Fachmann und jede Fachfrau vor Ort weiß es besser alsje<strong>der</strong> Theoretiker und je<strong>der</strong> Politiker.(B)die Bremsen im Bildungssystem auf<strong>zu</strong>heben. Jedes Kindmuss unabhängig vom Elternhaus endlich eine Chanceauf gute Bildung bekommen, und jedes Talent muss individuellgeför<strong>der</strong>t werden.(<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Sehr richtig!)(Beifall bei <strong>der</strong> FDP)Das heißt: Schulen brauchen die Freiheit, die es ihnenermöglicht, selbstständig <strong>zu</strong> entscheiden und eigenverantwortlich<strong>zu</strong> handeln. Wir brauchen mehr eigenständigeSchulen und weniger bevormundende Politik.(D)Da<strong>zu</strong> gehören auch die Guten, damit sie Spitze werden.(Beifall bei Abgeordneten <strong>der</strong> FDP <strong>Swen</strong><strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Auch richtig!)Erfor<strong>der</strong>lich sind eine deutliche Qualitätssteigerungbei <strong>der</strong> frühkindlichen Bildung sowie die Ausweitung<strong>der</strong> Selbstständigkeit einer jeden Bildungseinrichtung.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU)(<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Das heißt, Sie habenkeinen bundespolitischen Vorschlag!)PISA bestätigt uns in dieser liberalen For<strong>der</strong>ung, unddie OECD stellt fest, dass Schüler in Län<strong>der</strong>n mit einerhohen schulischen Eigenständigkeit bessere Ergebnisseerzielen. Die erfolgreichsten Schulsysteme erteilen denSchulen mehr Autonomie. Das ist <strong>der</strong> Schlüssel <strong>zu</strong>r Zukunft.Frühkindliche Bildung ist <strong>der</strong> entscheidende Schlüssel<strong>zu</strong> sozialer Teilhabe und Chancengerechtigkeit.(Marianne Schie<strong>der</strong> [Schwandorf] [SPD]: Undwie verträgt sich das mit dem Betreuungsgeld?)Die För<strong>der</strong>ung von Bildung in den ersten Jahren ist effizientund sozial gerecht. Je<strong>der</strong> am Anfang <strong>der</strong> Bildungslaufbahninvestierte Euro macht ein Menschenlebenfreier, unabhängiger und aufgeklärter.Im Rahmen von PISA 2009 hat die OECD bestätigt da kann man einmal sehen, wie selektiv man diese Studielesen kann : Schülerinnen und Schüler, die am Vorschulunterrichtteilgenommen haben, erzielen bessereErgebnisse. Schulsysteme mit einer längeren Vorschulbildungsind deutlich erfolgreicher. Doch wie gehen wir(Patrick Meinhardt [FDP]: Sehr gut! Marianne Schie<strong>der</strong> [Schwandorf] [SPD]: Undmehr Lehrer!)Den Entscheidungsspielraum an deutschen Schulenhinsichtlich <strong>der</strong> Verwendung <strong>der</strong> Ressourcen und <strong>der</strong>Gestaltung des Unterrichts bewertet die OECD als unterdurchschnittlichim Vergleich <strong>zu</strong> an<strong>der</strong>en OECD-Staaten.(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Wer macht eigentlich in <strong>der</strong> HamburgerFDP Schulpolitik?)Wir benötigen deshalb mehr Freiheit und Stärke vor Ort.Mehr Bildungsqualität braucht ein klares Bekenntnis <strong>zu</strong>rEigenständigkeit <strong>der</strong> Schulen mit Möglichkeiten <strong>der</strong>Leistungsdifferenzierung. Ein Bildungssystem, das auf


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8875Sylvia Canel(A)eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung (C) aufbauenkann, und eigenständige Schulen, in <strong>der</strong>en Eigenverantwortunges liegt, wie erfolgreich sie gemessen anguten Qualitätsmaßstäben sind, sind ein Garant für Bildungsgerechtigkeitund für Bildungserfolg.Arbeitslosigkeit landen. Wir müssen uns daher anschauen,welche Rahmenbedingungen laut PISA-Studie<strong>zu</strong> Verbesserungen geführt haben. Dann müssen wirüberlegen, welche <strong>zu</strong>sätzlichen Maßnahmen von Bundund Län<strong>der</strong>n noch auf den Weg gebracht werden können.(B)Ich bin sehr <strong>zu</strong>versichtlich, dass die nächste PISA-Studie für uns noch erfolgreicher ausfallen wird.Danke sehr.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Jetzt spricht Priska Hinz für Bündnis 90/Die Grünen.Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auchich freue mich durchaus, dass man nach zehn Jahrenkonstatieren kann, dass es für die Schülerinnen undSchüler Verbesserungen im Schulsystem gibt und dasswir nicht wie<strong>der</strong> in einen Schock versetzt werden, wie esbei <strong>der</strong> ersten PISA-Studie <strong>der</strong> Fall war. Ich freue michvor allen Dingen, dass sich im unteren Bereich, also beiden Schülerinnen und Schülern, die sehr schwach sind,tatsächlich sehr viel verbessert hat und dass bei Migrantenkin<strong>der</strong>nein deutlicher Kompetenz<strong>zu</strong>wachs <strong>zu</strong> verzeichnenist.Allerdings besteht kein Grund, <strong>zu</strong> glauben, man habealles gemacht und müsse nur die Programme herunterbeten,die schon begonnen wurden, Herr Weinberg.(Uwe Schummer [CDU/CSU]: Das tut dochkeiner!)Ich glaube vielmehr, dass man auf Grundlage <strong>der</strong> PISA-Studie, ihrer Ergebnisse und <strong>der</strong> sich daraus ab<strong>zu</strong>leitendenEmpfehlungen überlegen muss, wo noch Defizite impolitischen Handeln sind und welche Schlüsse wir darausziehen müssen. Da<strong>zu</strong> habe ich von Ihnen lei<strong>der</strong> nurwenig gehört.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei <strong>der</strong> SPD)Wenn es nach wie vor <strong>zu</strong>trifft, dass <strong>der</strong> Bildungserfolgin Deutschland von <strong>der</strong> sozialen Herkunft abhängt, dassMigrantenkin<strong>der</strong> immer noch große Kompetenznachteilehaben und dass es Überlappungen bei den Kompetenzenvon Hauptschülern und Gymnasiasten gibt, dann kannman aufgrund dieser auffälligen Befunde nicht sagen:Das viergliedrige Schulsystem hat sich bewährt. Außerdemsollen sich die Migrantenkin<strong>der</strong> ein bisschen mehranstrengen. Dann bekommen wir das Ganze schon geregelt.Ein Fünftel <strong>der</strong> Jugendlichen im Alter von 15 Jahrensteht auf <strong>der</strong> untersten Kompetenzstufe, die dem Grundschulniveauentspricht. Das heißt schlicht und einfach,dass sie nicht ausbildungsreif sind. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>enSeite droht uns ein Fachkräftemangel. Wir wollen, dassJugendliche an <strong>der</strong> Gesellschaft teilhaben können, dasssie eine Ausbildung machen und sich eine Existenz aufbauenkönnen. Wir wollen nicht, dass sie sofort in <strong>der</strong>Eine längere und effektivere Lernzeit das wurdeschon gesagt ist eine Vorausset<strong>zu</strong>ng dafür, dass Kin<strong>der</strong>besser lernen. Damit bin ich bei den Ganztagsschulen.Eine Ganztagsschule bedeutet natürlich gute Ganztagsangebote,die mit dem Unterricht verzahnt werden, undeine bessere Ausschöpfung <strong>der</strong> Lernzeit. Wir können unsnicht damit <strong>zu</strong>friedengeben, dass nur 30 Prozent <strong>der</strong>Schulen Ganztagsangebote haben und dass bei den restlichenSchulen die Kin<strong>der</strong> in die Röhre gucken, weil sievon uns allein gelassen werden.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Wir benötigen ein neues Programm für Ganztagsschulen.Schulen mit Ganztagsangeboten sollen sich in gebundeneGanztagsschulen umwandeln können. Nur sokann man die Qualität des Unterrichts steigern. Aufdiese Weise können alle Kin<strong>der</strong> von guten Schulen profitieren.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Es geht nicht darum, irgendwelche Schulen, egal welcherSchulform, ab<strong>zu</strong>wickeln. Aber man muss sich fragen,wie man die Situation, dass teilweise Hauptschülerso gut sind wie Gymnasiasten und Gymnasiasten manchmalso schlecht wie Hauptschüler sind, verän<strong>der</strong>n kann.Ungeachtet dieser Tatsache ist <strong>der</strong> Kompetenz<strong>zu</strong>wachsan Gymnasien sehr stark und werden die Hauptschulenvon den Eltern nicht mehr ausgewählt. Deswegen halteich es für richtig, dass die Län<strong>der</strong> bis auf manche dieMehrgliedrigkeit aufgeben und <strong>zu</strong>mindest <strong>zu</strong>r Zweigliedrigkeitübergehen.In <strong>der</strong> Zukunft muss in Deutschland gelten, dass jedeSchule <strong>zu</strong> jedem Abschluss führt, dass man an je<strong>der</strong>Schule den Übergang <strong>zu</strong>r Oberstufe hinbekommen kann,damit jedes Kind, das später startet, das Abitur machenund in die höhere Bildung einsteigen kann.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten <strong>der</strong> SPD und <strong>der</strong> LIN-KEN)Frau Canel, das müsste doch in unser aller Interesse sein;da brauchen wir hier doch nicht mehr den alten Schulkampf<strong>zu</strong> führen, <strong>der</strong> überhaupt keinen mehr hinter demOfen hervorlockt.Ich bin <strong>der</strong> Meinung, dass wir wie<strong>der</strong> Bund-Län<strong>der</strong>-Programme brauchen, wie <strong>zu</strong>m Beispiel das Sinus-Programm,das da<strong>zu</strong> geführt hat, dass die Lehrer den Unterrichtin Mathematik und Naturwissenschaften bessergestalten können; unter an<strong>der</strong>em deswegen sind wir inNaturwissenschaften und Mathematik besser als <strong>der</strong>OECD-Durchschnitt. Das hat mit solchen Programmen<strong>zu</strong> tun, die wir <strong>zu</strong>rzeit nicht durchführen können, weil esdas Kooperationsverbot gibt.Wir brauchen eine bessere Sprachför<strong>der</strong>ung, die auchevaluiert wird. Da ist <strong>der</strong> Bund gefragt, entsprechende(D)


8876 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Priska Hinz (Herborn)(A)(B)Forschungsprogramme auf<strong>zu</strong>setzen. Man (C) muss dannaber die Forschungsergebnisse in <strong>der</strong> Lehrerfortbildungumsetzen. Das funktioniert nur, wenn Bund und Län<strong>der</strong>gemeinsam solche Programme vereinbaren können.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Mein Fazit: Wir müssen gemeinsam die richtigenKonsequenzen aus <strong>der</strong> PISA-Studie ziehen. Eine Konsequenzmüsste tatsächlich sein: Das Kooperationsverbotmuss fallen, damit wir, Herr Weinberg, nicht nur Geld andie Län<strong>der</strong> geben, son<strong>der</strong>n gemeinsam qualitativ guteneue Standards vereinbaren können.Danke schön.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten <strong>der</strong> SPD und <strong>der</strong> LIN-KEN)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Für die CDU/CSU hat Eckhardt Rehberg jetzt dasWort.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Eckhardt Rehberg (CDU/CSU):Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Frau Hein und Herr <strong>Schulz</strong>, man kann natürlichimmer Haare in <strong>der</strong> Suppe finden. Wenn man aber zehnJahre <strong>zu</strong>rückschaut und die Situation im Jahr 2000 mit<strong>der</strong> Situation im Jahr 2010 vergleicht, dann erkennt man,dass Deutschland einen internationalen Erfolg erreichthat: Wir sind eines <strong>der</strong> wenigen Län<strong>der</strong>, die in diesemJahrzehnt eine positive Entwicklung in den BereichenMathematik, Naturwissenschaften und Lesekompetenzerreicht haben. Ich fände es gut, wenn bei <strong>der</strong> Opposition darunter sind auch diejenigen, die in den vergangenenJahren mitregiert haben <strong>zu</strong>mindest die Freude überwiegenwürde und sie nicht nur Haare in <strong>der</strong> Suppe suchenwürden.Herr Kollege <strong>Schulz</strong>, dieses Verhalten führt da<strong>zu</strong>,dass diejenigen, bei denen Sie sich bedankt haben, eherfrustriert sind: Sie fragen sich, ob ihre Arbeit wirklichwertgeschätzt und gewürdigt wird, wenn in <strong>der</strong> Politiknur negativ darüber geredet wird.(<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Deswegenhaben wir das nicht gemacht!)Das, was Sie hier aufgeführt haben, führt nicht da<strong>zu</strong>,dass die Bildungspolitik in Deutschland vorankommt.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP <strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Hören Sie malrichtig <strong>zu</strong>!)Die SPD spricht davon, dass für die Bildung 10 MilliardenEuro obendrauf gepackt werden sollen. Da<strong>zu</strong>muss ich sagen: Solange Sie hier die Bildungspolitik bestimmthaben zwischen 1998 und 2005 , konnte ichkeinen wesentlichen Aufwuchs bei den Bildungsausgabenerkennen.(<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Wer hat dasim Bundesrat blockiert? Sie waren das imBundesrat!)Erst nach 2005, insbeson<strong>der</strong>e aber nach 2009 sind dieBildungsausgaben deutlich gewachsen. Insgesamt habensich die Mittel des Einzelplans in diesen Jahren fast verdoppelt.Wir werden in dieser Legislaturperiode in dennächsten Jahren insgesamt 6 Milliarden Euro für Bildungausgeben. Da konnte man in Ihren Worten ziemlichviel Neid erkennen.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP <strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Sie habendoch im Bundesrat blockiert!)Es ist immer ganz spannend, sich über eine lange Distanzan<strong>zu</strong>schauen, wie Län<strong>der</strong> in Deutschland bei verschiedenenVergleichen im Bildungsbereich abschneiden.Wenn man sich PISA 2006 auf die Bundeslän<strong>der</strong>heruntergebrochen , die Studie des Instituts <strong>zu</strong>r Qualitätsentwicklungim Bildungswesen aus 2008 und 2009und den Bildungsmonitor <strong>der</strong> Initiative Neue SozialeMarktwirtschaft anschaut, dann erkennt man das istganz interessant , dass vier Län<strong>der</strong>, davon zwei imOsten Sachsen und Thüringen und zwei in den altenLän<strong>der</strong>n Bayern und Baden-Württemberg , immervorne liegen. Diese Län<strong>der</strong> haben ganz unterschiedlichebildungspolitische Ansätze verfolgt. Während in Bayernund Baden-Württemberg die klassische Dreigliedrigkeitheute nach wie vor vorhanden ist, haben Sachsen undThüringen gleich 1990 die Mittelschule bzw. die Regelschuleund damit die Zweigliedrigkeit eingeführt. Einesist diesen Län<strong>der</strong>n über zwei Jahrzehnten hinweg abergemeinsam: Weil es stabile politische Verhältnisse gab,wurde Schule nicht <strong>zu</strong>m Experimentierfeld. Das ist <strong>der</strong>wesentliche Punkt.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Marianne Schie<strong>der</strong> [Schwandorf] [SPD]: WarenSie schon einmal in einer bayerischenSchule?)Schauen Sie sich die Situation einmal ganz genau an ichlasse die Namen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> auf den Plätzen 13, 14, 15und 16 weg : Wo schulpolitische Kontinuität herrscht, istman bei den Län<strong>der</strong>vergleichen erfolgreich, und in denLän<strong>der</strong>n, in denen Schule ein Experimentierfeld ist, profitierendie Schülerinnen und Schüler überhaupt nicht.Wenn wir über Bildungsstandards reden, dann istauch die <strong>Frage</strong> <strong>zu</strong> stellen, warum sich fünf Län<strong>der</strong>, in denendas Kultusministerium CDU- bzw. CSU-geführt ist,nämlich Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Bayern, entschlossenhaben, auf ein Zentralabitur hin<strong>zu</strong>arbeiten. Da ist keinSPD-geführtes Land dabei. Scheut man dort den Vergleich?(<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Wo kommenSie eigentlich her? Meck-Pomm, ja?)Der Weg <strong>zu</strong> mehr Kontinuität und mehr Vergleichbarkeitin Deutschland führt doch über einheitliche Bildungsstandards.Das Zentralabitur ist mit <strong>der</strong> wichtigsteSchritt auf dem Weg, mehr Qualität <strong>zu</strong> erreichen und dieVergleichbarkeit in Deutschland her<strong>zu</strong>stellen.(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8877Eckhardt Rehberg(A)(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> (C) FDP <strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Sie reden hierein dummes Zeug!)sern. Die Priorität von Bildung ist seitdem auch in finanzpolitischerHinsicht unbestritten, auch wenn es füreinige Betroffene immer noch <strong>zu</strong> wenig ist.(B)Auch wenn Ihnen von <strong>der</strong> Opposition das nicht passt,insbeson<strong>der</strong>e Ihnen von <strong>der</strong> SPD, waren die letzten Jahrein bildungspolitischer Hinsicht mehr als erfolgreich: Erstens.Wir haben noch nie so viele Studienanfängergehabt wie im Jahr 2010 ein deutlicher Aufwuchs.Zweitens. Wir haben mittlerweile eine geschlossene Bildungskette.Das gilt für die frühkindliche Bildung, wosich <strong>der</strong> Bund engagieren kann. Das gilt aber insbeson<strong>der</strong>efür den Übergang von Schule <strong>zu</strong> Berufsausbildung.Davon profitieren insbeson<strong>der</strong>e die Schwachen und Benachteiligten.Ich denke an die Bildungsketten. Ichdenke an Berufseinstiegsmaßnahmen und an berufsbegleitendeMaßnahmen. Auf diesem Gebiet ist <strong>der</strong> Bundaktiv und sehr erfolgreich.Ich denke, daran, wie wir aufgestellt sind, und daran,wie wir unser Geld einsetzen, wird deutlich, dass unserMotto lautet das sage ich auch mit Blick auf die demografischeEntwicklung und die Fachkräftesituation :Wir lassen keinen <strong>zu</strong>rück!Danke schön.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Für den Bundesrat hat jetzt das Wort Senator JürgenZöllner.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD Dr. Martin Lindner[Berlin] [FDP]: Willst du Berlin mal oben sehen,musst du die Tabelle drehen! Heiterkeitbei <strong>der</strong> FDP)Dr. Jürgen Zöllner, Senator (Berlin):Wir kämpfen beide immer nur um die Spitze, HerrLindner. Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehrverehrten Damen und Herren! Das große Interesse <strong>der</strong>Öffentlichkeit an PISA ist geblieben, die Aufgeregtheithat sich möglicherweise etwas gelegt, und eine sachlichereBetrachtungsweise hat Ein<strong>zu</strong>g gehalten.(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann[SPD])Wo stehen wir zehn Jahre nach PISA? Übrigens, HerrWeinberg, es ist die angeblich so leistungsfeindlicheSPD, <strong>der</strong> die Bundesrepublik die Teilnahme an <strong>der</strong>PISA-Studie <strong>zu</strong> verdanken hat. Es war <strong>der</strong> damaligeSchulminister aus Rheinland-Pfalz, Jürgen Zöllner, <strong>der</strong>den Antrag, uns dem Vergleich <strong>zu</strong> stellen, in Konstanzgestellt hat.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD Zurufe von <strong>der</strong> CDU/CSU: Oh!)Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich meine,die unbefriedigenden PISA-Ergebnisse aus dem Jahr2000 waren ein heilsamer Schock für viele. Ich kennekein Land in dieser Bundesrepublik Deutschland, egalwelcher politischen Couleur, in dem es nicht massiveAnstrengungen gegeben hat, die Schulqualität <strong>zu</strong> verbes-Die drei Kernbotschaften von damals waren: Erstens,die besten Schülerinnen und Schüler in Deutschlandkönnen mit den besten Schülerinnen und Schülern in <strong>der</strong>Welt zwar mithalten, aber, zweitens, Deutschland hat einProblem bei den leistungsschwächeren Schülerinnen undSchülern, und <strong>der</strong> Bildungserfolg in Deutschland ist,drittens, so stark wie praktisch nirgendwo sonst abhängigvom Elternhaus. Für eine entwickelte Industrienationwie die Bundesrepublik sind die letzten beiden Befundeohne Zweifel nicht hinnehmbar.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD, <strong>der</strong> LINKEN und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Deshalb muss, wer das Ziel gleicher Chancen unabhängigvom Geldbeutel und <strong>der</strong> Bildung <strong>der</strong> Eltern wirklichwill, gezielt die Rahmenbedingungen speziell fürdiese Schülergruppe verbessern.Die Ergebnisse von PISA 2009 zeigen, dass wir Erfolge<strong>zu</strong> verzeichnen haben. Beson<strong>der</strong>s erfreulich ist das ist erwähnt worden , dass die Leistungen <strong>der</strong>Schülerinnen und Schüler mit einem Migrationshintergrun<strong>der</strong>heblich besser geworden sind. Sie sind ein wichtiger,wenn nicht sogar <strong>der</strong> entscheidende Grund für dieLeistungssteigerung in Deutschland insgesamt. Es sindunsere Kin<strong>der</strong>.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und <strong>der</strong> LINKEN sowiebei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Zwei bildungspolitische Maßnahmen sind für michdabei zentral. Sie sind heute, wie ich in dieser Debatteerfreut festgestellt habe, unbestritten. Damals, als wir in<strong>der</strong> KMK die acht Eckpunkte festge<strong>zu</strong>rrt haben, warensie heiß umstritten. Es hat lange gedauert, die konservativenKolleginnen und Kollegen davon <strong>zu</strong> überzeugen.(Beifall bei Abgeordneten <strong>der</strong> SPD und <strong>der</strong>LINKEN)Erstens: die frühkindliche För<strong>der</strong>ung, insbeson<strong>der</strong>edie Sprachför<strong>der</strong>ung in den Kin<strong>der</strong>tagesstätten. Bei diesenBildungseinrichtungen ist entscheidend, dass <strong>der</strong> Besuchkostenfrei ist; denn Bildung darf nicht vom Geldbeutel<strong>der</strong> Eltern abhängen.(Beifall bei Abgeordneten <strong>der</strong> SPD und desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Im Lande Berlin beispielsweise sind ab dem 1. Januar2011 alle drei Kin<strong>der</strong>gartenjahre vor Schulbeginn gebührenfrei.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> LINKEN)Im Lande Berlin setzen wir das um, wovon an<strong>der</strong>e nurreden. Wir werden für Kin<strong>der</strong>, die einen festgestelltenSprachför<strong>der</strong>bedarf haben, faktisch eine Kitapflicht fürdas letzte Jahr vor Schuleintritt einführen.(Beifall bei Abgeordneten <strong>der</strong> SPD und <strong>der</strong>LINKEN)(D)


8878 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Senator Dr. Jürgen Zöllner (Berlin)(A)(B)Zweitens. Eine zentrale Rolle bei <strong>der</strong> Verbesserung (C)spielt auch das Ganztagsschulprogramm <strong>der</strong> früherenrot-grünen Bundesregierung. Dadurch konnten vieleSchulen in Deutschland <strong>zu</strong> Ganztagsschulen ausgebautwerden. Ich freue mich auch hier darüber, dass die einstigenGegnerinnen und Gegner dieses Programms vielevon ihnen sind noch heute in <strong>der</strong> Bildungspolitik tätig den Wert und die Möglichkeiten <strong>der</strong> pädagogischen Ansätzedes Ganztagsangebotes erkannt haben.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)Nur so wird es uns letzten Endes gelingen, an die leistungsschwächerenSchülerinnen und Schüler heran<strong>zu</strong>kommen.Was mir im Zusammenhang mit den neuesten PISA-Ergebnissen die meisten Sorgen bereitet es gibt Erfolge<strong>zu</strong> verzeichnen, auf die wir insgesamt stolz seinsollten , sind die Schülerinnen und Schüler aus den sogenanntenbildungsfernen sozial benachteiligten Elternhäusern.Wenn <strong>der</strong> schöne Ausdruck BildungsrepublikDeutschland nicht nur Worthülse sein soll, brauchenwir eine gemeinsame weitere Kraftanstrengung zwischenBund und Län<strong>der</strong>n sie ist auch in <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeit verfassungsmäßigfestgelegten Lage möglich , um dieseSchülergruppe gezielt ins Auge <strong>zu</strong> fassen. Wir brauchenso etwas wie ein gemeinsames Ganztagsschulprogramm.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und <strong>der</strong> LINKEN sowiebei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Ziel muss es sein, alle Schulen in Deutschland <strong>zu</strong>Ganztagsschulen weiter<strong>zu</strong>entwickeln. In Berlin habenwir damit begonnen. Es gibt die Verantwortung <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>,<strong>zu</strong> <strong>der</strong> wir gerne stehen. Neben den Grundschulen,die in Berlin alle Ganztagsschulen sind, haben wir in <strong>der</strong>Sekundarstufe I eine neue Schulstruktur geschaffen: ein<strong>zu</strong>kunftsfähiges zweigliedriges Schulsystem aus Gymnasienund Integrierten Sekundarschulen. Letztere werdensämtlich <strong>zu</strong> Ganztagsschulen ausgebaut. Die erstenSchritte im Bereich <strong>der</strong> Gymnasien haben wir schon unternommen.Dabei wäre es ganz einfach, die Mittel effektiver für diebedürftigen Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen ein<strong>zu</strong>setzen.Ich will Ihnen ein aus dem Leben gegriffenes Beispielnennen. Das Land Berlin investiert bereits heute in dasSchulmittagessen für Grundschülerinnen und Grundschüler<strong>der</strong> Klassen 1 bis 6, sodass alle Eltern nur nocheinen Eigenbeitrag von 23 Euro pro Monat leisten müssen.Nach den Plänen <strong>der</strong> Bundesregierung müssten sichdie Eltern weiterhin mit 20 Euro monatlich an diesenKosten beteiligen.Es verbliebe also lediglich eine Kostenersparnis von3 Euro monatlich, die die Eltern in einem aufwendigenVerfahren unter Beteiligung von Jobcentern, Schulen undCaterern als Zuschuss beantragen müssten. Würden dievorgesehenen Mittel dagegen direkt dem Land Berlinzweckgebunden <strong>zu</strong>r Mittagsversorgung <strong>zu</strong>r Verfügung gestelltwerden,(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> SPD Dr. Dagmar Enkelmann [DIELINKE]: Genau! Das wäre wichtig! Lachenbei Abgeordneten <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Manfred Grund [CDU/CSU]: Ja, klar! Immerrein in den Topf <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>!)könnten wir mit den gleichen Mitteln allen ich betone:allen bedürftigen Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen, nicht nurdenen in <strong>der</strong> Grundschule, ein kostenloses Schulmittagessenanbieten,(Beifall bei <strong>der</strong> SPD, <strong>der</strong> LINKEN und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)übrigens ganz ohne Verwaltungsaufwand, ganz ohne Beteiligung<strong>der</strong> Eltern an den Kosten.(Patrick Meinhardt [FDP]: Ja! Mit dem Geldaus Baden-Württemberg! Aber hallo! Gegenruf<strong>der</strong> Abg. Iris Gleicke [SPD]: Das warentlarvend, Herr Meinhardt!) Ich will doch gar nicht mehr Geld.(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: In Baden-Württembergsollen die Kin<strong>der</strong> essen!)(D)Wir brauchen in den Ganztagsschulen <strong>zu</strong>m Beispielauch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Dies wäreeine Chance für den Bund. Ein Bundesprogramm in diesemBereich wäre sehr hilfreich.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und <strong>der</strong> LINKEN sowiebei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Was wir auch das muss an einem solchen Tag gesagtwerden in diesem Zusammenhang nicht brauchen damitmöchte ich schließen , ist ein nur gut gemeintes Bildungspaket<strong>der</strong> Bundesregierung. Dieses droht nachmeiner festen Überzeugung ich muss mich um die Umset<strong>zu</strong>ngkümmern ein riesiges Bürokratiemonster <strong>zu</strong>werden.(Beifall bei <strong>der</strong> LINKEN sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> SPD und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Das wäre mit dem gleichen Betrag möglich, den Sie fürdie Verwaltungskosten, die ich beschrieben habe, ausgeben.(Patrick Meinhardt [FDP]: Ja, ja! Aber allesimmer nur auf Pump!)Ich appelliere an Sie: Investieren Sie effektiv in dievorhandenen Bildungseinrichtungen, in die Kitas unddie Schulen, damit dort optimal geför<strong>der</strong>t werden kannund wir unsere Leistungsfähigkeit auch im Rahmen vonPISA weiter verbessern können.Ich bedanke mich.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und <strong>der</strong> LINKEN)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Heiner Kamp hat jetzt für die FDP-Fraktion das Wort.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8879(A)(B)Heiner Kamp (FDP):(C)Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Wir sind wirklich glücklichund froh, am heutigen Tag über die durchaus ansehnlichenErfolge im Bildungsbereich sprechen <strong>zu</strong> dürfen.Das PISA-Konsortium hat Deutschland attestiert, sichseit dem Jahr 2000 spürbar verbessert <strong>zu</strong> haben. Diesliegt nicht <strong>zu</strong>letzt daran, dass wir es geschafft haben, dieZahl <strong>der</strong> Bildungsverlierer maßgeblich <strong>zu</strong> verringern.Mittlerweile liegt Deutschland beim Lesen im OECD-Mittelfeld. In Mathematik und in den Naturwissenschaftenspielen wir, um es mit den Worten des BildungsforschersProfessor Klieme <strong>zu</strong> sagen, in <strong>der</strong> ersten Liga mit.Gerade Jugendliche mit ausländischen Wurzeln konntensich beim Lesen spürbar verbessern. Der Leistungsunterschied<strong>zu</strong> Jugendlichen ohne Migrationshintergrundkonnte deutlich verringert werden. Dabei verbuchten Jugendlichetürkischer Herkunft eine leichte Verbesserungund Jugendliche, <strong>der</strong>en Eltern aus <strong>der</strong> ehemaligen UdSSReingewan<strong>der</strong>t waren, sehr deutliche Leistungs<strong>zu</strong>gewinne.Positiv fest<strong>zu</strong>halten ist auch, dass <strong>der</strong> Zusammenhangzwischen Lesekompetenz und sozialer Herkunft seitPISA 2000 deutlich abgenommen hat und Schülerinnenund Schüler aus Familien mit geringerem Sozialstatushäufiger als früher ein Gymnasium besuchen. Bemerkenswertist auch, dass die OECD die personelle Ausstattungan Deutschlands Schulen im Vergleich <strong>zu</strong> demDurchschnitt <strong>der</strong> OECD-Staaten positiv beurteilt.Allerdings wird <strong>der</strong> fehlende Entscheidungsspielraum<strong>der</strong> Schulen, <strong>zu</strong>m Beispiel bei <strong>der</strong> Verwendung <strong>der</strong> Ressourcenund <strong>der</strong> Gestaltung des Unterrichts, von <strong>der</strong>OECD weiterhin als unterdurchschnittlich beklagt. Es isteben nicht nur eine <strong>Frage</strong> des Geldes, ob und inwieweiteine Schule gut funktioniert. Es sind häufig weiche Faktoren,die ausschlaggebend sind. Fehlende Freiheitsgradelassen sich nicht einfach durch den Ruf nach <strong>der</strong>Geldschatulle kompensieren.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU)Dies zeigt sich ganz deutlich beim Blick in die einzelnenLän<strong>der</strong> ich lade Sie ein, auf diese Reise mit<strong>zu</strong>kommen: Alle Bundeslän<strong>der</strong> haben sich verbessert, manchemehr als an<strong>der</strong>e. Während sich bei den letzteninnerdeutschen Vergleichen zeigte, dass Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen sogar in <strong>der</strong> internationalenSpitzengruppe mithalten können, streiten sich die Bundeslän<strong>der</strong>Berlin, Brandenburg und Bremen traditionellum die rote Laterne. Auch <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>vergleich des letztenSommers zeigte eindrucksvoll: Wer auf einen Abstiegsplatzin <strong>der</strong> Bildungsliga wetten will, <strong>der</strong> brauchtnur nach einem SPD-geführten Kultusministerium Ausschau<strong>zu</strong> halten.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Worüber reden wir denn hier? Caren Marks [SPD]: Billig!)Wer wun<strong>der</strong>t sich angesichts einer solchen Negativbilanz,dass die Sozialdemokraten ihren Berliner Bildungssenatorin den Bundestag schicken, damit er sichin <strong>der</strong> Runde ein wenig Orientierung verschaffen möge!(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Ja! Das istecht ein Spaß! Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Bildungsmisere fängt in<strong>der</strong> Koalition an! Den größten Fachkräftemangelgibt es in <strong>der</strong> Regierungskoalition!)Möglicherweise könnte er seinen Senatskollegen berichten,dass es nicht son<strong>der</strong>lich sinnvoll ist, die Schulen ineinem ständigen Experimentierfeld <strong>zu</strong> halten. Das Bildungssystemist kein Chemielabor, meine Damen undHerren.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU)Jahrgangsübergreifendes Lernen, Lehrerbedarfsplanungund <strong>der</strong> Aufbau <strong>der</strong> Einheitsschule: Egal was, esgeht in die Grütze, um es mit klaren Worten <strong>zu</strong> sagen.(Heiterkeit des Abg. Patrick Meinhardt [FDP] Caren Marks [SPD]: In die Grütze setzt sichdie FDP!)Es ist kein Wun<strong>der</strong>, dass Berlin beim Boom <strong>der</strong> Privatschulenganz weit vorne ist. Ich kann das verstehen;grundsätzlich stehe ich den Schulen in freier Trägerschaftsehr positiv gegenüber. Doch wenn sich das staatlicheSchulwesen <strong>der</strong>art marode darstellt wie in <strong>der</strong>Hauptstadt, dann wun<strong>der</strong>t es mich kaum, dass die Privatschulenfür viele Eltern die Rettungsanker sind.Der Fahrstuhleffekt, wonach alle Län<strong>der</strong> besser gewordensind, ist grundsätzlich positiv. Ich kann jedochdie Eltern in Berlin, Brandenburg und Bremen verstehen,die sich damit aber nicht <strong>zu</strong>friedengeben wollen,weil sie ähnliche Chancen für ihre Kin<strong>der</strong> wie in Baden-Württemberg, in Bayern, in Sachsen und in Thüringenhaben möchten.(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: In Bremen gibt es doch einen Allparteienkonsensüber die Schule! KaiGehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sokann nur eine 3-Prozent-Partei sprechen!)Wir müssen deswegen daran arbeiten, dass dies möglichwird.Herzlichen Dank.(Beifall bei <strong>der</strong> FDP und <strong>der</strong> CDU/CSU KaiGehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aus<strong>der</strong> Partei, die Bildung einmal als Bürgerrechtbezeichnet hat!)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Marianne Schie<strong>der</strong> hat das Wort für die SPD-Fraktion.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)Marianne Schie<strong>der</strong> (Schwandorf) (SPD):Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Die Ergebnisse von international vergleichendenStudien wie <strong>der</strong> PISA-Studie dürfen und müssenselbstverständlich kritisch hinterfragt werden; Herr KollegeWeinberg, damit hatten Sie ganz recht. Selbstverständlichfreuen wir Sozialdemokratinnen und Sozialde-(D)


8880 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Marianne Schie<strong>der</strong> (Schwandorf)(A)mokraten uns mit unseren Schülerinnen und (C) Schülernund mit den Lehrerinnen und Lehrern über die verbessertenErgebnisse <strong>der</strong> neuesten Studie.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)weise im Bereich <strong>der</strong> Jugendhilfe, in mindestens gleicherHöhe wie<strong>der</strong> eingespart werden könnten.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie des Abg. Kai Gehring[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])(B)Diese Ergebnisse eignen sich aber absolut nicht fürdie Lobhudelei à la Schwarz-Gelb, die wir heute gehörthaben,(Beifall <strong>der</strong> Abg. Iris Gleicke [SPD])und sie eignen sich auch wirklich nicht für plattes parteipolitischesGezänk, wie wir es gerade von meinem Vorrednererlebt haben.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Patrick Meinhardt [FDP]:Dann beenden Sie die Rede am besten jetzt!)Hören Sie auf, nach <strong>der</strong> Methode Man nehme das,was einem gerade passt und was gut gelaufen ist, undlässt sich dafür groß feiern <strong>zu</strong> verfahren, während Siedas, was weniger gut ist, konsequent ignorieren.(Zuruf von <strong>der</strong> CDU/CSU: Stimmt doch garnicht!)So kommen mir nämlich die ganzen Reaktionen vor,die ich seitens <strong>der</strong> Bundesregierung und seitens <strong>der</strong> sietragenden Fraktionen gehört habe. Was konnte ich da alleslesen? Von Sprachtests vor dem dritten Lebensjahr,von mehr Geld für die Stiftung Lesen, von <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ungvon benachteiligten Jungen, von Fortbildungsprogrammenfür Erzieherinnen usw. war die Rede. AllesMögliche wurde lautstark gefor<strong>der</strong>t. Jede und je<strong>der</strong> hatirgendetwas vorgeschlagen. Alles schön und gut, abertragfähige Konzepte sehen an<strong>der</strong>s aus.Das, was wir wirklich brauchen, sind schlüssige, abgestimmteKonzepte, die nachhaltig Wirkung entfaltenkönnen. Das, was durch den PISA-Vergleich in den letztenJahren wirklich in Gang gebracht wurde, nämlicheine intensive gesellschaftliche Diskussion über die Rahmenbedingungenvon guter Bildung, muss genutzt undin konkrete Aktivitäten umgesetzt werden. Wir braucheneinen Masterplan Bildung, durch den deutlich gemachtwird, dass gute Bildung für unsere Kin<strong>der</strong> und jungenMenschen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist undnicht das Problem <strong>der</strong>er bleiben kann, die gerade Kin<strong>der</strong>im schulpflichtigen Alter haben.Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss dabei dieDevise gelten: Es werden Kin<strong>der</strong> und nicht Fächer anunseren Schulen unterrichtet. Es kommen morgensKin<strong>der</strong> in unsere Schulen, die ihre Sorgen, Nöte und Problemenicht an <strong>der</strong> Schulhaustüre abgeben können, umsie nach <strong>der</strong> Schule auf dem Nachhauseweg wie<strong>der</strong> mit<strong>zu</strong>nehmen.Sie und ihre Eltern, aber auch ihre Lehrerinnenund Lehrer brauchen konkrete Hilfen.Wir wissen längst, dass die Schulsozialarbeit hier dierichtige Antwort ist. Überall, wo sie angeboten wird, istsie sehr, sehr erfolgreich. Lei<strong>der</strong> sind wir aber noch sehrweit von einer flächendeckenden Versorgung entfernt.Für den weiteren Ausbau fehlen die Finanzmittel. Dabeiwissen wir alle auch, dass hierfür zwar <strong>zu</strong>nächst einmalerhebliche Kosten entstehen, die später aber, beispiels-Es kommen morgens Kin<strong>der</strong> in unsere Schulen, dieFör<strong>der</strong>ung und Zeit brauchen, um das, was <strong>zu</strong> lernen ist,auch verstehen und verarbeiten <strong>zu</strong> können. Sie brauchensportliche, musische und künstlerische Angebote, wiesie in einer guten Ganztagsschule vor<strong>zu</strong>finden sind.Wer sich die Ergebnisse <strong>der</strong> PISA-Studie wirklich genauansieht, <strong>der</strong> kann feststellen, dass die erzielten Verbesserungengerade im Bereich <strong>der</strong> leistungsschwächerenSchülerinnen und Schüler in einem ganz entscheidendenZusammenhang mit <strong>der</strong> Schulsozialarbeit und <strong>der</strong> Ganztagsschulestehen. Durch die unter Rot-Grün gestelltenWeichen konnte also für eine erhebliche Verbesserung<strong>der</strong> Situation gesorgt werden.Wir sind aber noch sehr weit von einer wirklich flächendeckendenVersorgung mit Ganztagsschulen entfernt,weil sich <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler,die eine Ganztagsschule sei es in offener o<strong>der</strong> in gebundenerForm besuchen können, seit 2002 zwar verdoppelthat, es aber eben doch nicht überall vor allemgebundene Ganztagsschulen gibt.Ganztagsschulen sind aber unverzichtbar, <strong>zu</strong>m einenaus pädagogischen Gründen, weil Schule mehr Zeit fürBildung und mehr individuelle För<strong>der</strong>ung braucht. Siesind unverzichtbar aus integrationspolitischen Gründen,weil Ganztagsschule besser als jede an<strong>der</strong>e Schulformdie sprachliche, kulturelle und soziale Integration vonKin<strong>der</strong>n und jungen Menschen aus Familien mit Migrationshintergrundleisten kann. Und sie sind unverzichtbaraus sozialpolitischen Gründen, weil sich in GanztagsschulenBildungschancen für alle am bestenorganisieren lassen. Also muss es unser Ziel sein, Ganztagsschulenfür alle <strong>zu</strong> schaffen. Das werden wir nur gemeinsamerreichen, gemeinsam in einer Aktion mit einemMasterplan, getragen von Bund, Län<strong>der</strong>n undKommunen.Wir brauchen da<strong>zu</strong> natürlich auch eine Diskussionüber eine Aufhebung des Kooperationsverbots, um einebessere Zusammenarbeit von Bund und Län<strong>der</strong>n im Bereich<strong>der</strong> Bildung <strong>zu</strong> ermöglichen. Aber auch ich möchtebetonen: Die PISA-Ergebnisse haben wie<strong>der</strong>um gezeigt,dass immer noch die soziale Herkunft über den Bildungserfolgjunger Menschen entscheidet. Kin<strong>der</strong> bleibenauf <strong>der</strong> Strecke, weil die individuellen Fähigkeitennicht ausreichend geför<strong>der</strong>t werden, die frühkindlicheBildung <strong>zu</strong> spät einsetzt o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geldbeutel <strong>der</strong> Elternlei<strong>der</strong> <strong>zu</strong> klein war, um mithalten <strong>zu</strong> können. Ich for<strong>der</strong>eSie auf, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb: Nehmen Sie Ihren viel bemühten christlichen Anspruchendlich ernst, und sorgen Sie mit uns für mehrBildungsgerechtigkeit in diesem Land! Geben Sie allenKin<strong>der</strong>n eine Chance von Anfang an, und bringen Siemit uns ein Ganztagsschulprogramm und einen flächendeckendenAusbau <strong>der</strong> Schulsozialarbeit auf den Weg!In diesem Sinne: Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8881Marianne Schie<strong>der</strong> (Schwandorf)(A)(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie <strong>der</strong> Abg. (C) PriskaHinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN])Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Für die Bundesregierung hat <strong>der</strong> ParlamentarischeStaatssekretär Thomas Rachel das Wort.Natürlich haben wir auch weiterhin Probleme. Trotzdemdürfen wir sagen: Die Integration auch von Zuwan<strong>der</strong>erkin<strong>der</strong>ngelingt besser, und zwar sowohl ins Bildungssystemals auch <strong>zu</strong>nehmend in den Arbeitsmarkt.Über diese Erfolge dürfen wir uns, glaube ich, gemeinsamfreuen.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)(B)(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei <strong>der</strong> Bundesministerinfür Bildung und Forschung:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! PISA wirddieses Jahr zehn Jahre alt. In diesen zehn Jahren ist dieBildung ins Zentrum <strong>der</strong> deutschen Politik gerückt. Ichdenke, das ist auch gut so.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP sowiedes Abg. <strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD])Die PISA-Studien haben uns alle alarmiert. Sie habendem Bildungssystem letztlich gutgetan; denn es hat sichgezeigt, dass unser Bildungssystem sehr wohl wandlungsfähigist. Deutschland hat sich seit 2000 kontinuierlichin allen drei Bereichen im Lesen, in <strong>der</strong> Mathematikund in den Naturwissenschaften verbessert. Dies istnur wenigen an<strong>der</strong>en OECD-Län<strong>der</strong>n gelungen.Bei PISA 2000 lagen die 15-Jährigen in Deutschlandim Lesen unter dem OECD-Durchschnitt. 2009 liegensie am oberen Rand des Durchschnitts. In Mathe undNaturwissenschaften lagen die deutschen Schülerinnenund Schüler im Durchschnitt, jetzt liegen sie über demDurchschnitt <strong>der</strong> OECD-Län<strong>der</strong>.Diese Verbesserungen gehen auch mit größerer Gerechtigkeiteinher. Im Bereich des Lesens hat sich dieLeistungsvarianz zwischen 2000 und 2009 so stark verringertwie in keinem an<strong>der</strong>en OECD-Land. An<strong>der</strong>s gesagt:Der Abstand zwischen den schwachen und denstarken Lesern ist geringer geworden, ohne dass sich dieStarken deshalb verschlechtert hätten.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Das ist in meinen Augen auch ein Stück Bildungsgerechtigkeit.Gleichzeitig konnte das Gymnasium seinenhohen Stand halten, obwohl es gleichzeitig G 8 eingeführthat und obwohl heute 20 Prozent mehr Schülerinnenund Schüler auf den Gymnasien sind als 2000.Meine Damen und Herren Kollege Zöllner hat esbereits angesprochen , <strong>zu</strong>m besseren Gesamtergebnishaben vor allem die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrundbeigetragen. Vielleicht ist das diebeste Nachricht von PISA 2009.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU, <strong>der</strong> SPD, <strong>der</strong> FDPund dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Indem wir uns darüber freuen, möchte ich an ersterStelle den Lehrerinnen und Lehrern an den Schulen inDeutschland ein ganz herzliches Wort des Dankes sagen;denn sie haben trotz des Aufschreis bei PISA im Jahr2000 nicht resigniert, son<strong>der</strong>n sie haben die Herausfor<strong>der</strong>ungangenommen.Sie haben Konzepte <strong>zu</strong>r individuellen För<strong>der</strong>ung und fürdie Ganztagsschule entwickelt, und sie haben die sozialeIntegration als weitere Kernaufgabe <strong>der</strong> Schulen begriffen.Insofern herzlichen Dank an die Lehrerinnen undLehrer in Deutschland!(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP sowie beiAbgeordneten <strong>der</strong> SPD und <strong>der</strong> LINKEN)Ich nenne als Zweites die Bildungspolitik <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>.Sieben Handlungsfel<strong>der</strong> hat die KMK 2001 als Reaktionauf PISA formuliert und die gemeinsamen Bildungsstandardsentwickelt. Das war eine richtige und notwendigeMaßnahme. Im Übrigen sind schließlich die Län<strong>der</strong> fürdie Schulpolitik <strong>zu</strong>ständig. Sie werden weitere Schritteunternehmen.Eine Initiative ist bereits angekündigt: Fünf Bundeslän<strong>der</strong>werden ein gemeinsames Abitur entwickeln.Michael Kretschmer kommt aus Sachsen. Sachsen ist einesdieser fünf Län<strong>der</strong>. Ich halte es für richtig, diesenWeg <strong>zu</strong> gehen. Denn er dient <strong>der</strong> Vergleichbarkeit und<strong>der</strong> Mobilität innerhalb Deutschlands und verpflichtetdie Län<strong>der</strong>, die mitmachen, auf ein gemeinsames hohesLeistungsniveau. Ich würde mir wünschen, dass sichnoch mehr Län<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschlanddiesem gemeinsamen Ziel eines deutschen Abiturs, wieich es einmal formulieren will, anschließen.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Es gibt doch schon lange die Vereinbarungüber die Abiturprüfung! Das istdoch nur weiße Salbe! Nichts Neues!)An dritter Stelle möchte ich die Bundesebene nennen.Das BMBF, das Bildungs- und Forschungsministerium,hat die Schulen begleitet, und zwar auch die Schulen, diesich <strong>zu</strong> Ganztagsschulen weiterentwickelt haben. Dassetzen wir fort. Wir haben die dafür notwendige und fürDeutschland weitgehend neue Forschung finanziert.(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Das ist nur ein Ablenkungsmanöver vom Kooperationsverbot!)(D)Wenn wir die Differenz zwischen den Schülerinnenund Schülern mit und ohne Migrationshintergrund betrachten,so sehen wir: Diese Differenz hat sich seitPISA 2000 um 28 Punkte verringert. Dies ist mehr alsein halbes Schuljahr.Wir haben mit dem Sinus-Programm unmittelbar <strong>zu</strong>rVerbesserung des mathematisch-naturwissenschaftlichenUnterrichts beigetragen. Wir haben mit dem FörMig-Programmneue Wege <strong>zu</strong>r För<strong>der</strong>ung von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichenmit Migrationshintergrund erprobt, und wir


8882 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Parl. Staatssekretär Thomas Rachel(A)haben ich denke, das ist ein wichtiger (C) Beitrag <strong>zu</strong>rTransparenz den nationalen Bildungsbericht etabliert.Stufe werden wir alle Grundschulkin<strong>der</strong> am erstenSchultag erreichen.(B)Last, but not least nenne ich die empirische Bildungsforschung.Denn seien wir ehrlich, meine Damen undHerren: Ein Stück weit krankt die politische Bildungsdebatteim Bundestag, aber auch in den 16 Landtagendaran, dass sie zwar stark von politischen und ideologischenBil<strong>der</strong>n geprägt ist, aber dass die wissenschaftlicheDatenbasis <strong>zu</strong>mindest in <strong>der</strong> Vergangenheit keineswegsfür eine fundierte Debatte ausreichend war.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Dies än<strong>der</strong>t sich jetzt, weil wir die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> empirischenForschung im Bereich <strong>der</strong> Bildungsforschungbetreiben. Das ist ein Beitrag des Bundes. Ich denke, dasist <strong>zu</strong>m Besten <strong>der</strong> Bildung.(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann[SPD])Daraus wird deutlich: Lehrerinnen und Lehrer, aberauch die Bildungspolitik und die Forschung sie alletragen mit da<strong>zu</strong> bei, dass wir dem Ziel <strong>der</strong> Bildungsrepublik,dem wir uns gemeinsam verpflichtet fühlen, näherkommen. Aber wir sind nicht am Ziel. Es gibt keinenGrund, die Hände in den Schoß <strong>zu</strong> legen. Die gutenNachrichten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dasses noch sehr viel <strong>zu</strong> tun gibt.Deutschland hat sich zwar verbessert, aber unsereSchülerinnen und Schüler sind im Lesen nur durchschnittlich.Das kann nicht reichen. Nach wie vor gehörtfast ein Fünftel <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler im Altervon 15 Jahren <strong>zu</strong> den schwachen Lesern. Auch die Abhängigkeit<strong>der</strong> Leistungen vom sozialökonomischenHintergrund das zeigt <strong>der</strong> Bericht o<strong>der</strong> auch vom Migrationshintergrund<strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler istweiterhin groß. Dies ist nicht hinnehmbar. Daran müssenwir gemeinsam arbeiten.(Beifall bei Abgeordneten <strong>der</strong> CDU/CSU und<strong>der</strong> FDP <strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Dasind wir gespannt auf Ihre Vorschläge!)Wir wenden uns also <strong>zu</strong>nächst an die Eltern und Kin<strong>der</strong>in sozialen Brennpunkten. Dort geht es <strong>zu</strong>nächst einmaldarum, dass wir ihnen helfen. Mit dem Schuleintrittwerden wir alle ansprechen.Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, sinddie Bildungsleistungen und vor allem die Ausbildungschancen.Abschluss und Anschluss Bildungskettenbis <strong>zu</strong>m Ausbildungsabschluss: Es geht darum,dass die jungen Menschen die Chance bekommen, ihrePotenziale frühzeitig <strong>zu</strong> erkennen, ihnen <strong>zu</strong> helfen, sichfür einen Beruf <strong>zu</strong> entscheiden, <strong>der</strong> ihnen Spaß machtund ihnen liegt, und sie erfolgreich in den Berufseinstieg<strong>zu</strong> begleiten. Deshalb nehmen gerade in den ersten Tagendieser Woche 500 Bildungslotsen ihre Arbeit auf,um den Jugendlichen <strong>zu</strong> helfen, denen es schwerfällt.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP <strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Ja, toll! Fürwie viele Schüler? Dr. Rosemarie Hein [DIELINKE]: 500! Das ist eine gewaltige Zahl!)Mit dem Programm Lernen vor Ort werden wir darüberhinaus Kommunen helfen, ihr Bildungsangebotstrukturell <strong>zu</strong> verbessern. Dutzende Kommunen werdenin den nächsten drei Jahren geför<strong>der</strong>t, um ein übergreifendesBildungsmanagement sowie Bildungsbündnisse<strong>zu</strong> etablieren. Denn eins ist klar: Bildung ist letztlich eingesamtgesellschaftlicher Auftrag. Wir müssen die gesamteGesellschaft in diese Aufgabe einbeziehen.Noch nie wurde in Deutschland so viel in Bildung investiertwie heute. Wenn ich das sage, meine ich selbstverständlichdie Kommunen, die vielen freien Träger,die Bundeslän<strong>der</strong> und letztlich auch den Bund. Noch niestand die Bildung von <strong>der</strong> frühen Kindheit bis <strong>zu</strong>m Berufsabschluss<strong>der</strong>art im Zentrum <strong>der</strong> Politik, wie dasheute im Deutschen Bundestag und auch in den Landtagen<strong>der</strong> Fall ist. Das zeigt: PISA hat eine Menge auf denWeg gebracht. Wir sind auf einem guten Weg. PISA hatda<strong>zu</strong> beigetragen.(D)Das BMBF geht hier voran. PISA zeigt, dass sich inden Schulen viel verbessert. Aber wir müssen noch stärkerals bisher das Umfeld <strong>der</strong> Schulen mit einbeziehenund dabei ganz beson<strong>der</strong>s die Eltern in den Blick nehmen.Denn seien wir ehrlich auch ich weiß das als Familienvater: Ob ein Kind gut lesen kann, hängt auch,aber wahrlich nicht nur von <strong>der</strong> Schule ab. Hier sindselbstverständlich die Geschwister, die Eltern und dieGroßeltern gefragt.Deshalb werden wir an drei Punkten ansetzen. Wirbeginnen mit den Kleinsten und verbessern mit demneuen Programm Lesestart Drei Meilensteine für dasLesen die Bildungschancen von Anfang an.(<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Wie viele erreichenSie damit?)Wir ermutigen die Eltern <strong>zu</strong>m Vorlesen und Kin<strong>der</strong> <strong>zu</strong>mLesen. Wir werden in <strong>der</strong> ersten Stufe 50 Prozent <strong>der</strong>Schülerinnen und Schüler erreichen, und in <strong>der</strong> drittenIch sage aber auch: Wir dürfen PISA nicht überbewerten.Vergessen wir nicht, dass es vieles gibt, wasPISA nicht testet, beispielsweise wie gut 15-jährigeSchülerinnen und Schüler in Fremdsprachen sind o<strong>der</strong>ihre musikalischen Fähigkeiten. All dies ist nicht Bestandteilvon PISA. Trotzdem hat PISA in <strong>der</strong> deutschenSchullandschaft eine enorme Dynamik ausgelöst. Wirmöchten die Vielfalt <strong>der</strong> individuellen Entwicklungenermöglichen. Wir wollen die Leistungen im Schul- undBildungssystem verbessern und das System gerechtermachen. Das meinen wir, wenn wir von Bildungsrepubliksprechen.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Lassen Sie uns gemeinsam für diese Bildungsrepublikarbeiten!Herzlichen Dank.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8883(A)(B)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (C)Caren Marks hat das Wort für die SPD-Fraktion.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)Caren Marks (SPD):Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, HerrStaatssekretär Rachel, es gibt durchaus erfreuliche Fortschritte,die wir aus den Ergebnissen <strong>der</strong> neuen PISA-Studie ablesen können. Bezogen auf die Bundesebenesind das Erfolge <strong>der</strong> Vorgängerregierung und vor allemErfolge von Rot-Grün.(Uwe Schummer [CDU/CSU]: Die Erde isteine Scheibe!)Ob die Richtung stimmt, die die jetzige Bundesregierunghier einschlägt, muss sich erst noch zeigen.Die aktuelle Studie zeigt erneut das muss uns allemiteinan<strong>der</strong> umtreiben , dass in keinem an<strong>der</strong>enOECD-Land <strong>der</strong> Bildungserfolg so stark von <strong>der</strong> sozialenHerkunft <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> abhängt. Herr Staatssekretär,hier sehe ich dringenden Handlungsbedarf, und zwarnicht nur seitens <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n auch vonseiten<strong>der</strong> Bundesregierung und von Schwarz-Gelb.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Der Handlungsbedarf beginnt das haben Sie ausgeblendet bei <strong>der</strong> frühkindlichen Bildung. Auf den Anfangkommt es an. Das kann man gar nicht oft genug sagen.Man muss dann aber auch entsprechend handeln.Frühkindliche Bildung verbessert die Chancen von Kin<strong>der</strong>n,am gesellschaftlichen Leben teil<strong>zu</strong>haben. Sie kannBenachteiligungen von Kin<strong>der</strong>n wirkungsvoll entgegenwirken.Ganz wichtig ist dabei die individuelle För<strong>der</strong>ungvon Kin<strong>der</strong>n. In Krippen und Kitas wird <strong>der</strong> Grundsteinfür den späteren Bildungsweg gelegt. Deshalbbrauchen wir dort eine gute Personalausstattung.Es bedarf einer Verbesserung des Betreuungsschlüsselsin Kin<strong>der</strong>tagesstätten. Ebenso bedarf es einer engenKooperation zwischen Kitas und Grundschulen, damit<strong>der</strong> Übergang zwischen diesen beiden ersten wichtigenBildungseinrichtungen für Kin<strong>der</strong> gut gelingen kann.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)Im Familienausschuss haben wir heute Morgen überdas Fachkräfteproblem in Kitas diskutiert. Die Regierungskoalitionzog sich auf den Standpunkt <strong>zu</strong>rück: DieLän<strong>der</strong> sind <strong>zu</strong>ständig.(Zuruf von <strong>der</strong> CDU/CSU: Stimmt doch!)Ich würde gern den Ministerinnen Frau Schrö<strong>der</strong> undFrau Schavan, die lei<strong>der</strong> nicht anwesend sind, die <strong>Frage</strong>stellen: Warum führen sie nicht dennoch mit den Län<strong>der</strong>nGespräche über eine notwendige gemeinsameFachkräfteoffensive für Erzieherinnen und Erzieher?Augenscheinlich fehlt ihnen <strong>der</strong> Mut für diese notwendigeKraftanstrengung.zieheroffensive mit einem umfangreichen Fortbildungsprogrammumgesetzt. Das Land lässt den Personalbedarfin Kitas und in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>tagespflege wissenschaftlichermitteln. Aber längst nicht alle Bundeslän<strong>der</strong> sind sofortschrittlich.Gerade deshalb hat diese Bundesregierung die Pflicht,solche Initiativen überall in Deutschland an<strong>zu</strong>schiebenund voran<strong>zu</strong>bringen.(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Das machenwir doch!)Der Ausbau <strong>der</strong> frühkindlichen Bildung und Betreuung,aber vor allem auch das Angebot an Ganztagsbetreuungin Kitas und Schulen sind die wichtigsten gesellschaftlichenAufgaben unserer Zeit. Das gilt ganz beson<strong>der</strong>s fürden Ausbau <strong>der</strong> Betreuungsplätze für die unter Dreijährigen.Eine Quote von bisher 23 Prozent ist alles an<strong>der</strong>eals ausreichend.Wir alle wissen um die schlechte Finanzsituation <strong>der</strong>Län<strong>der</strong> und vor allem <strong>der</strong> Kommunen. Es ist fatal, dassdiese Bundesregierung mit ihrer Haushalts-, Finanz- undSteuerpolitik systematisch da<strong>zu</strong> beiträgt, dass Strukturenvor Ort kaputtgespart werden. So hat allein das Wachstumsbeschleunigungsgesetzdieser Bundesregierung(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Der Hauptanteilist Kin<strong>der</strong>geld!) da können Sie weiter zetern; es bleibt wahr bei denKommunen <strong>zu</strong> Einnahmeausfällen in Höhe von 1,6 MilliardenEuro geführt, und zwar jährlich. Wir, die SPD,for<strong>der</strong>n deshalb einen Rettungsschirm für Kommunenund einen Bildungssoli, damit in eine vernünftige undbedarfsgerechte Bildungsinfrastruktur investiert werdenkann. Sie machen mit Ihrer Haushaltspolitik die Finanzsituation<strong>der</strong> Kommunen und damit auch die Gestaltungsfähigkeit<strong>der</strong> Kommunen im Hinblick auf eine bessereBildung kaputt.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)Die schwarz-gelbe Koalition lehnt unsere For<strong>der</strong>ungenab. Das ist unverständlich. Noch viel schlimmer:Das von <strong>der</strong> Bundesregierung gegebene Versprechen, bis2015 gesamtstaatlich mindestens 10 Prozent für Bildungund Forschung auf<strong>zu</strong>wenden, wartet weiter auf seineEinlösung. Die Geduld nicht so sehr die <strong>der</strong> Opposition,son<strong>der</strong>n vor allem die <strong>der</strong> Eltern und <strong>der</strong> älterenKin<strong>der</strong>, die das immer mehr begreifen ist überstrapaziert,und zwar <strong>zu</strong> Recht.Fassungslos machen mich die Äußerungen <strong>der</strong> fürden Betreuungsausbau <strong>zu</strong>ständigen Ministerin Schrö<strong>der</strong>.Die Bundestagsfraktion <strong>der</strong> SPD for<strong>der</strong>t seit langem einenerneuten Krippengipfel für Bund, Län<strong>der</strong> und Kommunen,um voran<strong>zu</strong>kommen. Die Ministerin sagt da<strong>zu</strong>:Das ist totaler Quatsch. Die Jugend- und Familienministerkonferenzsowie die kommunalen Spitzenverbändefor<strong>der</strong>n merkwürdigerweise denselben Quatsch.Vielleicht sollte Ministerin Schrö<strong>der</strong> einmal innehaltenund ihre Arbeit endlich aufnehmen.(D)(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)(Beifall bei Abgeordneten <strong>der</strong> SPD)Sozialdemokratische Län<strong>der</strong> machen doch vor, wie esan<strong>der</strong>s geht. Rheinland-Pfalz beispielsweise hat eine Er-Studien beweisen längst, dass ein Betreuungsgeld gerade<strong>zu</strong>bildungsfeindlich wäre. Ministerin Schrö<strong>der</strong> sagt,


8884 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Caren Marks(A)(B)frühkindliche Bildung habe sie mittlerweile(C)als Themafür sich entdeckt. Aber ich frage mich, warum sie dannkein klares Nein <strong>zu</strong>m Betreuungsgeld sagt; denn eswürde falsche Anreize schaffen, indem es gerade denVerzicht auf die so wichtige frühkindliche Bildung för<strong>der</strong>t.Chancengleichheit würde dadurch verhin<strong>der</strong>t und<strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> frühkindlichen Infrastruktur konterkariert.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Frau Kollegin!Caren Marks (SPD):Ich bin sofort am Ende. Aktuelle Studien zeigen <strong>zu</strong>dem,dass ein Betreuungsgeld sogar verfassungsrechtlichbedenklich wäre.Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Frau Kollegin!Caren Marks (SPD): geben Sie sich einen Ruck! Verabschieden Sie sichvom Betreuungsgeld! Investieren Sie in den Ausbau desAngebotes für die unter Dreijährigen und <strong>der</strong> Ganztagsschulen!Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Frau Kollegin!Caren Marks (SPD):Die Kleinsten in unserem Land haben mehr Anstrengungverdient.Ich bedanke mich bei Ihnen.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Florian Hahn hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<strong>der</strong> FDP)Florian Hahn (CDU/CSU):Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!Frau Dr. Hein, wenn wir einmal nüchtern dieFakten <strong>zu</strong>r diesjährigen PISA-Studie betrachten, dannstellen wir fest, dass das von Ihnen gezeichnete pessimistischeZerrbild ganz schnell in sich <strong>zu</strong>sammenfällt.(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Sie müssen eseinfach nur lesen! Da steht alles drin!)Gott sei Dank ist die Zeit, als Sie für Bildung und Kulturin <strong>der</strong> SED-Bezirksleitung mitverantwortlich waren,vorbei.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU <strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong>[Spandau] [SPD]: Glauben Sie, dass das einernsthaftes Argument ist, das die Bürger interessiert?) Ja. Hören Sie nur <strong>zu</strong>! Das interessiert die Bürger sehrwohl.(Zustimmung bei <strong>der</strong> CDU/CSU)Wenn selbst Andreas Schleicher, Mister PISA, <strong>der</strong>sich bekanntlich mit Kritik an unserem deutschen Bildungssystemnie <strong>zu</strong>rückgehalten hat, Deutschland diesmalRiesenfortschritte attestiert, können auch Sie dasnicht schlechtreden. Deshalb noch einmal, um es sichbesser <strong>zu</strong> merken:Fakt 1. Die Schülerinnen und Schüler in Deutschlandhaben in <strong>der</strong> jüngsten PISA-Studie bessere Ergebnisseerzielt als in den Studien <strong>zu</strong>vor.Fakt 2. Die Schülerinnen und Schüler haben in denTests eine deutlich bessere Lesefähigkeit als bisher attestiertbekommen. Der Leistungsabstand zwischen gutenund schwachen Lesern hat sich so stark wie in keineman<strong>der</strong>en OECD-Land verringert.(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das heißtdoch nur, dass die an<strong>der</strong>en noch schlechtersind!)Fakt 3. In den naturwissenschaftlichen Fächern rangierendie Leistungen unserer Schülerinnen und Schülerdeutlich über dem Durchschnitt.Fakt 4. Die PISA-Studie belegt <strong>zu</strong>dem, dass sich dieChancen für junge Menschen aus bildungsfernen Familienin Deutschland weiter verbessert haben.Auch ein Blick auf die Jugendarbeitslosigkeit bestätigtdie Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems.Beim PISA-Spitzenreiter Finnland lag diese im Oktoberdieses Jahres bei den unter 25-Jährigen bei 20,9 Prozent,in Deutschland hingegen bei 8,5 Prozent. Damit sind wireinmal mehr ganz vorne in Europa. Es geht doch darum,dass wir junge Leute so gut ausbilden, dass sie späterauch einen entsprechend guten Job finden. Das muss unserZiel sein, nicht allein das Interpretieren von Statistiken.Diese geben uns nur einen Hinweis darauf, ob wirauf dem richtigen Weg sind.(Marianne Schie<strong>der</strong> [Schwandorf] [SPD]: Undwas ist mit den 10 Prozent, die die Schule ohneAbschluss verlassen?)Die Fakten zeigen, dass <strong>der</strong> Kurs stimmt, und sie sindgleichzeitig Motivation für die <strong>zu</strong>künftigen Aufgaben imBildungssektor.Bundesministerin Professor Annette Schavan und <strong>der</strong>Präsident <strong>der</strong> Kultusministerkonferenz, Bayerns StaatsministerDr. Ludwig Spaenle, haben deutlich gemacht,dass die vor uns liegenden Herausfor<strong>der</strong>ungen im Bildungssystementschieden angegangen werden. Wir ruhenuns nicht aus; wir sind nicht selbst<strong>zu</strong>frieden, son<strong>der</strong>nwir wissen: Es gibt noch viel <strong>zu</strong> tun.Wir wollen daher die Kulturtechnik Lesen weiterstärken, um aus dem Mittelfeld <strong>der</strong> PISA-Studie weiteran die Spitze vor<strong>zu</strong>dringen. Lesen eröffnet in einer globalisiertenund vernetzten Welt das Tor <strong>zu</strong>r Gestaltungvon Gesellschaft und Wirtschaft. Hier werden wir weitermit bundesweit einheitlichen Bildungsstandards und einerbegleitenden Evaluation am Ball bleiben. Mit dem(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8885Florian Hahn(A)Konzept Lesestart Drei Meilensteine für (C) das Lesensind wir da auf dem richtigen Weg.Ferner müssen wir daran arbeiten, dass Jugendlicheaus Zuwan<strong>der</strong>erfamilien ihre Fähigkeiten voll einbringenund Sprachbarrieren abbauen können. Hier bescheinigtuns die vorliegende PISA-Studie im Übrigen wichtigeErfolge, auf denen wir konsequent aufbauenwerden, um diesen Kin<strong>der</strong>n mehr Chancen und Möglichkeiten<strong>zu</strong> eröffnen. Wir machen deutlich: Für uns ist dieFör<strong>der</strong>ung aller, sowohl <strong>der</strong> Leistungsstarken als auch<strong>der</strong> Leistungsschwachen, gleich bedeutsam.Entgegen den Vorschlägen von SPD, Linken und Grünengreifen wir nicht <strong>zu</strong> Vorschlägen aus <strong>der</strong> alten politischenMottenkiste und rufen nach <strong>der</strong> Einheitsschule,son<strong>der</strong>n wir bekennen uns klar <strong>zu</strong> einer zielorientiertenWeiterentwicklung des differenzierten Bildungssystems.Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um gar nicht erstein Missverständnis aufkommen <strong>zu</strong> lassen: Die Sozialdemokratiebzw. die linke Seite des Parlaments, wieSie uns gerne denunzieren, freut sich über die PISA-Ergebnisse;(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)denn das ist eine Leistung von Lehrern, Schulträgern,Län<strong>der</strong>ministern und Bundesregierung. Und damit auchSchluss ist mit dem Werbeblock: An <strong>der</strong> Vereinbarung<strong>der</strong> Kultusminister waren Kultusminister aller Farbenbeteiligt, und in Be<strong>zu</strong>g auf die zehn Jahre gilt: FünfJahre hat Schrö<strong>der</strong> regiert und fünf Jahre Merkel. Wollenwir uns jetzt wechselseitig vorwerfen, dass in dieser Zeitin Sachen Bildung etwas geleistet worden ist? Nein. Wirtun das nicht, und Kollege <strong>Schulz</strong> hat es auch nicht getan.(B)(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Marianne Schie<strong>der</strong> [Schwandorf] [SPD]: Ohweh! O weh! Ist Schulsozialarbeit Mottenkiste?Das sagen Sie mal den Lehrern vor Ort!)So wollen wir das differenzierte Schulsystem weiter verbessernund individuelle För<strong>der</strong>ung ausbauen.(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das istBildungsverweigerung, was Sie hier vortragen!)Damit werden wir die Talente jedes jungen Menschennoch besser erkennen, um ihm eine gute Ausgangspositionfür einen erfolgreichen Start in das private und beruflicheLeben <strong>zu</strong> ermöglichen.Dass dieser Weg richtig ist, zeigen nicht <strong>zu</strong>letzt auchdie Ergebnisse des Bildungsvergleichs <strong>der</strong> deutschenLän<strong>der</strong> vom Sommer 2010. Während die ersten vierPlätze unionsregierte Län<strong>der</strong> belegen, bilden das dunkelroteBerlin und das rot-grün regierte Bremen dieSchlusslichter. Dieses Ergebnis, meine Damen und Herrenvon <strong>der</strong> Opposition, sollte Ihnen daher <strong>zu</strong>allererst <strong>zu</strong>denken geben. Entwickeln Sie erst einmal mit Ihren Kollegenin den Län<strong>der</strong>n tragfähige und chancenreiche Konzepte.(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Die gibtes schon!)Sorgen Sie endlich dafür, dass es den Kin<strong>der</strong>n dort bessergeht, wo Sie heute Verantwortung tragen. Das istmehr als überfällig.Herzlichen Dank.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP <strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Das haben Siedoch bei den PISA-Ergebnissen gesehen!)(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Nun ist esaber gut!) Er hat es absolut nicht getan, son<strong>der</strong>n Kollege <strong>Schulz</strong>hat rückgefragt, ob bei den guten Fortschritten, die unsbescheinigt werden, wir nicht gemeinsam sensibel aufdie noch vorhandenen Bedarfe schauen sollten, was unsdurch die PISA-Studie nahegelegt wird.Ich definiere diese Bedarfe noch einmal: Zum Erstengibt es für Kin<strong>der</strong> aus sozial schwierigeren Verhältnissennach wie vor eine soziale Diskriminierung durch einenerschwerten Zugang in Bildungslaufbahnen. Das darfuns nicht ruhen lassen, und das wird Sie genauso wenigruhen lassen. Zum Zweiten haben wir ein Problem inBe<strong>zu</strong>g auf eingewan<strong>der</strong>te o<strong>der</strong> <strong>zu</strong>gewan<strong>der</strong>te Kin<strong>der</strong> undJugendliche, bei denen wir Fortschritte erzielt haben,aber noch nicht so stark wie erwünscht und durchausnoch differenziert nach Herkunftsgruppen. Zum Drittenhaben wir, wie es mancher gesagt hat, ein Jungen-Mädchen-Problemin Be<strong>zu</strong>g auf spezielle Lesekompeten<strong>zu</strong>nd Zugänglichkeit, was für uns eine pädagogische Herausfor<strong>der</strong>ungsein muss. Wenn man das benennen kann,dann sollten wir daran auch gemeinsam arbeiten.Ich will das aufgreifen, was Kollege Rachel für dieBundesregierung an Alternativen vorgetragen hat; ichfand das übrigens sehr mager. Vielleicht ist es an uns, dieacht Punkte, die 2001 von <strong>der</strong> Kultusministerkonferenzmit Unterstüt<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> Bundesregierung erarbeitet wordensind, auf vier Punkte <strong>zu</strong> komprimieren.Ich fange bei <strong>der</strong> Sprache an. In Klammern sei gesagt:Zehn Jahre sind eine Bildungsbiografie. Die jetzt getesteten15-Jährigen waren damals 5 Jahre alt. Insoweit istdas eine Dekade, die genau den PISA-Zeitraum umfasst.Wir wissen noch nicht, wie die später gestarteten frühkindlichenFör<strong>der</strong>maßnahmen greifen. Wir haben dieHoffnung, dass sie <strong>zu</strong> Verbesserungen führen. Die Studiezeigt auf, dass es beson<strong>der</strong>e Schwierigkeiten in <strong>der</strong>kontinuierlichen Sprachför<strong>der</strong>ung gibt.(D)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Ernst Dieter Rossmann hat jetzt das Wort für dieSPD-Fraktion.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD)(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: So ist es!)In an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n wird kontinuierliche Sprachför<strong>der</strong>ungauch noch in <strong>der</strong> Sekundarstufe I betrieben, und dasfachbezogen. Das ist etwas, Herr Rachel, liebe Kultus-


8886 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010Dr. Ernst Dieter Rossmann(A)(B)ministerkonferenz, was wir gemeinsam verstärken (C) sollten.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Es geht nicht um ein Sprachför<strong>der</strong>anfangsprogramm,son<strong>der</strong>n um eine kontinuierliche Sprachför<strong>der</strong>ung. Dasist ein Analysepunkt und damit ein Handlungspunkt.Der zweite Punkt. Es ist schon angesprochen worden,dass es in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n differenziertere Schulteamsgibt das ist nicht aus <strong>der</strong> Mottenkiste; das ist PISA-Erkenntnis, in denen Psychologen, Schulsozialarbeiter,Lehrer und an<strong>der</strong>e Engagierte arbeiten. Das wird jetzt indie Debatte gebracht, auch als Möglichkeit, Schulsozialarbeitauf<strong>zu</strong>bauen. Das wird auch in allen Län<strong>der</strong>n versucht;aber die sind bei 10 bis 15 Prozent. Da ist die<strong>Frage</strong>, ob man einen großen Aufbruch erreicht, weilnicht nur das Angebot, son<strong>der</strong>n auch die Vermittlung desAngebots wichtig ist. Schulsozialarbeit ist also <strong>der</strong>zweite Punkt, <strong>der</strong> in ein Vier-Punkte-PISA-Folgeprogrammgehört.Der dritte Punkt ist die Ganztagsschule. Es geht nichtan, Herr Rachel, dass wir uns <strong>zu</strong>sammen darüber freuen,dass wir beim Thema Ganztagsschule <strong>zu</strong> guten Einsichtengefunden haben es gibt wissenschaftliche Untersuchungen,die zeigen, wie wichtig eine gute Ganztagsschulefür alle in <strong>der</strong> Schule ist , daraus aber keineHandlungen folgen lassen. Es ist doch förmlich die Auffor<strong>der</strong>ungaus den wissenschaftlichen Untersuchungen,aus dem Konsens, <strong>zu</strong> einem guten gemeinsamen Ganztagsschulprogramm<strong>zu</strong> kommen.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Als Viertes bleibt die offene Stelle aus den acht Punkten<strong>der</strong> Kultusministerkonferenz von 2001, nämlich diegute Lehrerausbildung. Bei <strong>der</strong> guten Lehrerausbildunggeht es um die Primärausbildung, aber auch um die Weiterbildung.Wieso haben wir län<strong>der</strong>übergreifende Qualitätsstandards,aber keine län<strong>der</strong>übergreifende Lehrerweiterbildung?Sie würde viel helfen, auch in Be<strong>zu</strong>g auf dieMobilität und die praktische Standardisierung.So könnten wir auch in einem an<strong>der</strong>en Bereich nochetwas tun. Die PISA-Studien haben uns im internationalenVergleich gezeigt, dass bei uns interkulturelle Kompetenzan Schulen und Bildungseinrichtungen noch nichthinreichend ausgereift ist. Da ist es natürlich bitter, dassetwas, auf das wir viel Hoffnung gesetzt haben, nämlichdas Anerkennungsgesetz, um die Lehrerin aus Kasachstano<strong>der</strong> den Lehrer aus <strong>der</strong> Türkei o<strong>der</strong> den Erzieheraus Jordanien in unserem Bildungssystem fruchtbringendeinsetzen <strong>zu</strong> können, nicht <strong>zu</strong>stande kommt.Der vierte Punkt müsste also sein, diesen Aspekt <strong>der</strong>interkulturellen Kompetenz auf<strong>zu</strong>nehmen und gemeinsam<strong>zu</strong> versuchen, das mithilfe eines vom Bund gestütztenProgramms schnell in die Schulen hinein<strong>zu</strong>bringen.Wir möchten von <strong>der</strong> Sozialdemokratie aus für einesolche komprimierte Vier-Punkte-Lösung werben. EineSchlussbeobachtung da<strong>zu</strong>. Kollege Rachel, Sie habendie Bildungsrepublik so herausgestellt. Fällt uns da eigentlichnoch etwas auf? Im letzten Jahr und vor zweiJahren gab es eine Euphorie: Bund und Län<strong>der</strong> kommenbei <strong>der</strong> Kanzlerin <strong>zu</strong>m Bildungsgipfel <strong>zu</strong>sammen. Morgen ist wie<strong>der</strong> Ministerpräsidentenkonferenz mit <strong>der</strong>Kanzlerin. Die Qualifizierungsinitiative wird nur <strong>zu</strong>rKenntnis genommen. Es wird nicht inhaltlich vertieft, eswird nicht einmal inhaltlich darüber gesprochen. Daskann uns nicht ruhen lassen. Es muss doch eine neue Initiativegeben, dass Bund und Län<strong>der</strong> in diesen vier Punkten und an<strong>der</strong>en noch da<strong>zu</strong> inhaltlich <strong>zu</strong>sammenkommen.Wir von <strong>der</strong> Sozialdemokratie for<strong>der</strong>n das ein Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Herr Kollege!Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): und werben dafür, dass wir uns nicht im Klein-Klein <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>vergleiche verzetteln, Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Herr Kollege!Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): son<strong>der</strong>n uns <strong>zu</strong>sammen für gute Bildungsansätzeeinsetzen.Danke schön.(Beifall bei <strong>der</strong> SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Michael Kretschmer hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP <strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Kretschmerhat jetzt das letzte Wort!)Michael Kretschmer (CDU/CSU):Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lei<strong>der</strong>ist auch diese Debatte wie<strong>der</strong> ein Beleg dafür, dass es in<strong>der</strong> Politik keinen Bereich gibt, <strong>der</strong> so mit Ideologie aufgeladenist wie die Bildung.(Zuruf von <strong>der</strong> SPD: Wo war das aufgeladen?)Das ist deswegen beson<strong>der</strong>s schade, Herr KollegeRossmann, weil wir am heutigen Tag mit Blick auf dieseStudie sagen können: Wir sind erfolgreich. Wenn es etwasgibt, das in <strong>der</strong> Pädagogik wichtig ist, dann ist es<strong>zu</strong>nächst einmal, Erfolge an<strong>zu</strong>erkennen.(<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Mensch,Michael!)Man sollte nicht mit den alten Kamellen kommen undwie<strong>der</strong> die alten For<strong>der</strong>ungen <strong>zu</strong>m geglie<strong>der</strong>ten Schulsystemaufstellen, son<strong>der</strong>n <strong>zu</strong>r Kenntnis nehmen, dassLän<strong>der</strong>, Schüler, Lehrer und Eltern gemeinsam etwas erreichthaben. Darauf können wir stolz sein, meine Damenund Herren.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP KaiGehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8887Michael Kretschmer(A)Beitrag passt nicht <strong>zu</strong> <strong>der</strong> Debatte! (C) <strong>Swen</strong><strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Wer hat dir das dennaufgeschrieben? Hast du nicht <strong>zu</strong>gehört?)Es ist heute schon angesprochen worden: ZentraleVerbesserungen gibt es bei den Migranten und auch beiden Kin<strong>der</strong>n, die <strong>zu</strong> Hause nicht mit ihren Eltern deutschsprechen können; aber diese Kin<strong>der</strong> bleiben immer nochdeutlich <strong>zu</strong>rück. Jedes Mal, wenn ich nach Dresden o<strong>der</strong>nach Hause, nach Görlitz, fahre, dann fahre ich entwe<strong>der</strong>durch Kreuzberg o<strong>der</strong> durch Neukölln. Ich denke dannimmer: Was hat diese linke Multikultipolitik für einenSchaden in diesem Land angerichtet? Welche Lebenschancenjunger Leute hat sie zerstört?(Elke Ferner [SPD]: Ach, Michael! WeitereZurufe von <strong>der</strong> SPD: Oh! Stefan Liebich[DIE LINKE]: Ganz Deutschland soll wieGörlitz sein! Hurra!)Es war die Regierung von Angela Merkel, die mit einemIntegrationsgipfel begonnen hat, das Thema Integrationernst <strong>zu</strong> nehmen, und mit diesem Multikulti Schluss gemachthat.(<strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau] [SPD]: Mit dirkoaliere ich nicht!)(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das steht in<strong>der</strong> Studie nicht drin! Das ist Ihre Aufgabe!)Als ich das <strong>zu</strong>m ersten Mal gehört habe, habe ich michgefragt: Was ist denn los in diesen Län<strong>der</strong>n? Was sinddenn das für Zustände?(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Gucken Sie sich doch Bremen an!)Wenn man sich das anschaut, stellt man fest: SobaldRot-Grün in Regierungsverantwortung kommt, wird in<strong>der</strong> Bildung erst einmal alles umgestellt, alles neu gemacht koste es, was es wolle. Ergebnisse werden ignoriert.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: In Bremen hat Rot-Grün denSchulfrieden mit <strong>der</strong> CDU gemacht! Da habenSie doch <strong>zu</strong>gestimmt! Kai Gehring [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommen Sie aus Ihremalten Schützengraben heraus!)Das sehen wir gerade wie<strong>der</strong> in Nordrhein-Westfalen.Wir waren auf einem guten Weg. Jetzt wird alles umgestellt.(B)Sie hat gesagt: Natürlich muss man in diesem Landdeutsch sprechen, die deutsche Sprache beherrschen,wenn man bei <strong>der</strong> Bildung erfolgreich sein will. Auchdas kann man an <strong>der</strong> PISA-Studie ablesen.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Ein bisschen weniger Ideologiewäre ganz schön!)Eines kristallisiert sich ganz deutlich heraus: DiePISA-Ergebnisse sind die Folgen einer verfehlten Gesellschaftspolitik;es sind die Fehler von linker Politikund Folgen eines linken Zeitgeists.(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)In den Län<strong>der</strong>n im Westen, in denen die Union lange regierthat und diese Fehler nicht möglich gewesen sind,sind die PISA-Ergebnisse um Vieles besser, auch bei denKin<strong>der</strong>n mit Migrationshintergrund.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Stefan Liebich [DIE LINKE]: EberhardDiepgen! Klaus-Rüdiger Landowsky! BarbaraJohn!)Das Schlimme ist doch: Die neuen Bundeslän<strong>der</strong> sindvor 20 Jahren auf dem gleichen Niveau gestartet; undheute liegen die Ergebnisse von Sachsen und Brandenburggewaltig auseinan<strong>der</strong>, um ein ganzes Jahr. Sachsenhatte nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung Baden-Württembergund Brandenburg Nordrhein-Westfalen als Partner. Dassind konkrete Ergebnisse, die man <strong>zu</strong>r Kenntnis nehmenmuss.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Schlimm ist auch, dass <strong>der</strong> zentrale Rat von Bildungsforschernheute nicht lautet: Macht das so, o<strong>der</strong> machtdas so!, son<strong>der</strong>n: Bitte macht Politik für einen Schulfrieden.Das Schlimmste, was man im Bildungsbereich, indem es um Vertrauen und Kontinuität geht, tun kann, ist,andauernd etwas an<strong>der</strong>es <strong>zu</strong> machen. Deswegen ist dieAussage: Macht doch bitte einen Schulfrieden! schonbezeichnend. Die Strukturen sind nicht das Entscheidende,son<strong>der</strong>n es geht um Leistungsorientierung, darum,dass die Lehrer arbeiten können, dass man Eltern,Lehrer und Schüler in Ruhe lässt und die Politik nichtandauernd reinredet.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP Zurufevom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Sachsen-Anhalt hat unter dieser Politik am meisten gelitten,weil dort am meisten rumgerührt worden ist. Seitdemes Kontinuität gibt, geht es aufwärts.(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Was gehtes? Aufwärts? Wo leben Sie denn?)Das ist ein wun<strong>der</strong>barer Beleg für diese These.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Wir haben in den vergangenen Jahren unter AngelaMerkel jetzt machen wir es <strong>zu</strong>sammen mit <strong>der</strong> FDP einen deutlichen Schwerpunkt auf Bildung gelegt. Wirhaben die Län<strong>der</strong> auf diesem Weg mitgenommen.(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Ja, super! Ganztoll! Beson<strong>der</strong>s Berlin!)Das muss man <strong>zu</strong>r Kenntnis nehmen.Ich finde in diesem Zusammenhang die Aussage deshochgeschätzten Bildungssenators Zöllner interessant,auf den Sie mehr hören sollten,(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Wir tun das!Wir regieren mit ihm! Gemeinschaftsschule,Supersache in Berlin! <strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> [Spandau][SPD]: Wer regiert denn mit dem?)(D)


8888 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010(A)Michael Kretschmerund zwar sollten Sie auch auf das hören, was(C)Ihnen nichtgefällt. Man muss auf alles hören und alles <strong>zu</strong>r Kenntnisnehmen und darf nicht immer nur selektiv wahrnehmen.(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Für Selektion sind Sie doch <strong>zu</strong>ständig! Mitdem fünfgliedrigen Schulsystem!)Er hat heute nicht gefor<strong>der</strong>t, das Kooperationsverbotauf<strong>zu</strong>heben, son<strong>der</strong>n er hat dezidiert gesagt: Auch indiesem System ist es möglich, <strong>zu</strong> kooperieren. Wir tundas. Wir tun dies jedes Jahr mit mehreren MilliardenEuro, die <strong>der</strong> Bund den Län<strong>der</strong>n <strong>zu</strong>r Verfügung stellt.Diesen Weg wollen wir weitergehen, gern gemeinsam da<strong>zu</strong> sind Sie eingeladen , aber nach Möglichkeitideologiefrei.(Lachen bei <strong>der</strong> SPD, <strong>der</strong> LINKEN und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Um an diesem Punkt an<strong>zu</strong>kommen, haben Sie aber nochein ganzes Stück Weg <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>legen.Herzlichen Dank.(Beifall bei <strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Ich schließe die Aussprache.Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.Die nächste Sit<strong>zu</strong>ng berufe ich auf morgen, Donnerstag,den 16. Dezember 2010, 9 Uhr, ein.Genießen Sie den restlichen Abend und die gewonnenenEinsichten.Die Sit<strong>zu</strong>ng ist geschlossen.(Schluss: 17.20 Uhr)(B)(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8889(A)(C)Anlagen <strong>zu</strong>m Stenografischen BerichtAnlage 1Abgeordnete(r)Liste <strong>der</strong> entschuldigten AbgeordnetenBätzing-Lichtenthäler,Sabineentschuldigt biseinschließlichSPD 15.12.2010Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN15.12.2010resbeträgen im Haushalt veranschlagt. Die Inanspruchnahme<strong>der</strong> Verpflichtungsermächtigung bedarf gemäߧ 38 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BHO vor Zuschlagserteilung imVergabeverfahren <strong>der</strong> Einwilligung des Bundesministeriums<strong>der</strong> Finanzen, BMF. Im Falle <strong>der</strong> Einwilligung desBMF stehen die erfor<strong>der</strong>lichen Ausgabemittel und damitauch die Mittel für die Anschubfinanzierung <strong>zu</strong>r Verfügung.Als Konzessionsbeginn wurde von jeher <strong>der</strong> Januar2011 angestrebt. Vorausset<strong>zu</strong>ng für jeden Konzessionsbeginnist <strong>der</strong> Abschluss des Vergabeverfahrens. DasVergabeverfahren ist <strong>der</strong>zeit noch nicht abgeschlossen.Brunkhorst, Angelika FDP 15.12.2010Bülow, Marco SPD 15.12.2010Anlage 3(B)Burchardt, Ulla SPD 15.12.2010Friedhoff, Paul K. FDP 15.12.2010Hempelmann, Rolf SPD 15.12.2010Lötzer, Ulla DIE LINKE 15.12.2010Nord, Thomas DIE LINKE 15.12.2010Pols, Eckhard CDU/CSU 15.12.2010Scholz, Olaf SPD 15.12.2010Schreiner, Ottmar SPD 15.12.2010Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 15.12.2010Ziegler, Dagmar SPD 15.12.2010Anlage 2Antwortdes Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die <strong>Frage</strong> desAbgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksache 17/4153,<strong>Frage</strong> 14):Kann das Bundesministerium <strong>der</strong> Finanzen bestätigen,dass die Anschubfinanzierung <strong>zu</strong>m Ausbau <strong>der</strong> Autobahn 8zwischen Ulm und Augsburg gewährleistet ist, und hat dieAussage weiterhin Bestand, dass <strong>der</strong> Konzessionsbeginn Januar2011 ist?Die für das Projekt im Falle einer Umset<strong>zu</strong>ng in öffentlich-privaterPartnerschaft durch die Vergabestelle imVerfahren vorgegebene Anschubfinanzierung ist wiedie weiteren über den vorgesehenen Konzessionszeitraumbenötigten Ausgabemittel in <strong>der</strong> im Kapitel 1202Titel 823 51 ausgebrachten Verpflichtungsermächtigungund in <strong>der</strong> Finanzplanung berücksichtigt. Infolge <strong>der</strong> Beson<strong>der</strong>heiten<strong>der</strong> Betreibermodelle im Bundesfernstraßenbereichist die Verpflichtungsermächtigung abweichendvon § 16 Satz 2 <strong>der</strong> Bundeshaushaltsordnung,BHO, <strong>zu</strong>nächst als Gesamtbetrag ohne Angabe von Jah-Antwortdes Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die <strong>Frage</strong> desAbgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksache 17/4153,<strong>Frage</strong> 15):Durch welches konkrete Regierungshandeln gedenkt <strong>der</strong>Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,Dr. Peter Ramsauer, seine Zusage ein<strong>zu</strong>halten, wonach er persönlichdie Zusammenarbeit zwischen Stadt, Stadtwerken undDeutscher Bahn AG beim Verfahren <strong>zu</strong>m Umbau des HauptbahnhofsAugsburg und die Baumaßnahme selbst unterstützenwird Ergebnis eines Gesprächs des Bundesministers mitKommunalpolitikern, laut Pressemitteilung <strong>der</strong> Stadt Augsburgam 3. Dezember 2010 , und was kann <strong>der</strong> Bundesministerdafür tun, damit <strong>der</strong> Bahnsteig F am Augsburger Bahnhof <strong>der</strong> doch nach bisherigem Kenntnisstand vom Freistaat Bayernaus Bundesmitteln finanziert wird schnell realisiertwird?Der Umbau des Hauptbahnhofs Augsburg ist ein Teildes Vorhabens Regio-Schienen-Takt Augsburg. Hiersoll in <strong>der</strong> Region Augsburg stufenweise eine Verdichtungdes Schienenpersonennahverkehrs, SPNV, erfolgen.Des Weiteren sind die Umbaumaßnahmen am AugsburgerHauptbahnhof eng mit dem städtischen Projekt MobilitätsdrehscheibeAugsburg verbunden. Hier werdendie Umsteigemöglichkeiten zwischen städtischem Nahverkehrund SPNV verbessert. Zuständig für die Planung,Organisation und Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs,ÖPNV, und seit <strong>der</strong> Regionalisierungdes SPNV <strong>zu</strong>m 1. Januar 1996 auch für den SPNV, sinddie Län<strong>der</strong>.Der Bund steht <strong>zu</strong> seinen Zusagen, im Rahmen desGVFG-Bundesprogramms das Gesamtvorhaben MobilitätsdrehscheibeAugsburg anteilig <strong>zu</strong> finanzieren.Auch nach den Bürgerbegehren und den städtebaulichbedingten Planungsän<strong>der</strong>ungen wird das Vorhaben MobilitätsdrehscheibeAugsburg positiv und unterstützenddurch den Bund begleitet.Weiterhin gilt, dass das Bundesministerium für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung für jeden <strong>der</strong> Beteiligtenein Ansprechpartner ist. Der Bund sieht es wohlwollend,dass sich eine Projektgruppe mit allen Beteiligten gebildethat. In diesem Bauherrenlenkungskreis werden kon-(D)


8890 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010(A)krete <strong>Frage</strong>n unter den Projektbeteiligten (C) besprochenund abgestimmt.Für die Finanzierung des Bahnsteiges F im AugsburgerHauptbahnhof stellt <strong>der</strong> Bund die erfor<strong>der</strong>lichenMittel gemäß Anlage 8.7 <strong>der</strong> Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung<strong>zu</strong>r Verfügung. Die Verwendung <strong>der</strong>Bundesmittel für diese Maßnahme ist zwischen <strong>der</strong>DB AG und dem Freistaat Bayern abgestimmt.Anlage 6Antwortdes Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die <strong>Frage</strong> desAbgeordneten Sören Bartol (SPD) (Drucksache 17/4153,<strong>Frage</strong> 26):Wie haben sich die Verbraucherpreise für Heizenergie insgesamtund für einzelne Heizenergieträger seit <strong>der</strong> Einführungdes Heizkosten<strong>zu</strong>schusses <strong>zu</strong>m Wohngeld Anfang 2009 bisheute entwickelt?(B)Anlage 4Antwortdes Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die <strong>Frage</strong>n <strong>der</strong>Abgeordneten Ute Kumpf (SPD) (Drucksache 17/4153,<strong>Frage</strong>n 20 und 21):Wie viele Ausfälle von regulären Zugverbindungen hat esnach Kenntnis <strong>der</strong> Bundesregierung als Eigentümer <strong>der</strong> DeutschenBahn AG, DB AG, im Bahnverkehr seit dem Beginn <strong>der</strong>Winterperiode 2010/2011 gegeben, die auf den Einfluss <strong>der</strong>Witterungsbedingungen <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>führen sind?Wie viele Weichen sind im Schienennetz <strong>der</strong> DB AG miteiner Hei<strong>zu</strong>ng ausgestattet, und wie beurteilt die Bundesregierungdie Ansicht <strong>der</strong> DB AG als bundeseigenes Unternehmen,dass eine stärkere Behei<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> vorhandenen Weichen einenunverhältnismäßig hohen Energieverbrauch verursacht?Die in den <strong>Frage</strong>n angesprochenen Dinge liegen inunternehmerischer Verantwortung <strong>der</strong> DB AG und sinddaher <strong>der</strong> Bundesregierung nicht unmittelbar bekannt.Die Bundesregierung kann die erbetenen Informationenaber bei <strong>der</strong> DB Netz AG ergänzend erfragen und sie <strong>der</strong>Abgeordneten übermitteln.Von Januar 2009 bis November 2010 sind laut Verbraucherpreisindexdes Statistischen Bundesamtes diePreise für Heizenergie um 7,2 Prozent gefallen. DiePreise für die einzelnen Heizenergieträger haben sich dabeiunterschiedlich entwickelt:HeizenergieträgerRelative Verän<strong>der</strong>ungvon November 2010gegenüber Januar 2009in ProzentGas 18,7flüssige Brennstoffe(leichtes Heizöl)+21,3feste Brennstoffe +6,7Zentralhei<strong>zu</strong>ng, Fernwärmeund an<strong>der</strong>e11,0darunter Fernwärme 9,4(D)Anlage 5Antwortdes Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die <strong>Frage</strong>n desAbgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksache17/4153, <strong>Frage</strong>n 24 und 25):Wie stellte sich die Häufigkeit <strong>der</strong> Eisstände auf den Bundeswasserstraßenim Frostwinter 2009/2010 im Vergleich <strong>zu</strong>den vergangenen fünf Jahren dar?War <strong>der</strong> Betrieb <strong>der</strong> Schiffsschleusen an deutschen Wasserstraßenim Winter 2009/2010 nach Kenntnis <strong>der</strong> Bundesregierungdurch Vereisung gefährdet und, wenn ja, in welchenBereichen?Die Befahrbarkeit von Bundeswasserstraßen wird regelmäßigdurch Eisgang eingeschränkt. Das Ausmaß <strong>der</strong>Betroffenheiten <strong>der</strong> einzelnen Wasserstraßen hängt vonden jeweiligen geografischen, hydromorphologischenund meteorologischen Randbedingungen ab. Schwerpunktebilden hier grundsätzlich die ostdeutschen undsüddeutschen Wasserstraßen, künstliche Wasserstraßen(Kanäle) und staugeregelte Wasserstraßen. Wegen desDatenumfangs ist eine kurzfristige Auswertung entsprechend<strong>der</strong> <strong>Frage</strong>stellung nicht möglich. Aktuelle Eislagenund statistische Daten können <strong>zu</strong>m einen auf <strong>der</strong>Internetseite des Bundesamts für Seeschifffahrt undHydrographie www.bsh.de und <strong>zu</strong>m an<strong>der</strong>en über daselektronische Wasserstraßeninformationssystem <strong>der</strong> Wasser-und Schifffahrtsverwaltung www.elwis.de abgerufenwerden.Anlage 7Antwortdes Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die <strong>Frage</strong> des AbgeordnetenSören Bartol (SPD) (Drucksache 17/4153,<strong>Frage</strong> 27):Um wie viel Euro wird die durchschnittliche monatlicheWohngeldzahlung durch die Streichung des Heizkosten<strong>zu</strong>schussesab 2011 voraussichtlich sinken, und wie viele Haushaltewerden nach Einschät<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> Bundesregierung aufgrund<strong>der</strong> niedrigeren Wohngeldzahlungen ArbeitslosengeldII beantragen müssen?Durch die Streichung <strong>der</strong> Heizkostenkomponentedürfte die durchschnittliche monatliche Wohngeldzahlungab 2011 um durchschnittlich etwa 15 Euro sinken.Die Auswirkungen <strong>der</strong> Streichung <strong>der</strong> Heizkostenkomponentekönnen nicht verlässlich quantifiziert werden,weil die Zahl <strong>der</strong> Haushalte, die durch diese Leistungskür<strong>zu</strong>ngaus dem Wohngeldanspruch herausfallenwürden, sich <strong>zu</strong>rzeit nicht ausreichend genau ermittelnlässt.Anlage 8Antwort<strong>der</strong> Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die<strong>Frage</strong> des Abgeordneten Gerd Bollmann (SPD) (Drucksache17/4153, <strong>Frage</strong> 30):


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8891(A)(B)(C)Ist die Bundesregierung angesichts zahlreicher Müllskandale <strong>zu</strong>m Beispiel illegale Abfallbeseitigung in Tongruben,illegaler Export von Elektroabfällen und <strong>der</strong> aktuellen Erfassungsproblemebei Verpackungsabfällen sowie den technischenProblemen beim elektronischen Abfallnachweisverfahren,eANV, überzeugt, dass die Rückführung für die Tätigkeitvon Sammlern, Beför<strong>der</strong>ern, Händlern und Maklern für Abfällevon einer Genehmigungspflicht <strong>zu</strong>r Anzeigepflicht dasrichtige Signal ist, und wie sollen angesichts des niedrigerenÜberwachungsstandards <strong>zu</strong>künftig Müllskandale verhin<strong>der</strong>tund eine ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen garantiertwerden?Der vorliegende Referentenentwurf <strong>zu</strong>m Kreislaufwirtschaftsgesetzsieht in den §§ 53 und 54 vor demHintergrund <strong>der</strong> novellierten Abfallrahmenrichtlinie eineEU-rechtskonforme Fortentwicklung <strong>der</strong> Überwachungvon Sammlern, Beför<strong>der</strong>ern, Händlern und Maklern vonAbfällen vor. Soweit diese Tätigkeiten gefährlicheAbfälle betreffen, wird eine Genehmigungspflicht bestimmt,soweit sie nicht gefährliche Abfälle betreffen,eine Anzeigepflicht. Die Anzeige ist vor Aufnahme <strong>der</strong>jeweiligen Tätigkeit <strong>zu</strong> erstatten. Alle Akteure müssenüber die für ihre Tätigkeit erfor<strong>der</strong>liche Zuverlässigkeitsowie Sach- und Fachkunde verfügen, unabhängig davon,ob sie <strong>der</strong> Genehmigungs- o<strong>der</strong> Anzeigepflichtunterliegen. Die <strong>zu</strong>ständige Behörde kann vom Anzeigepflichtigendie Vorlage weiterer Nachweise, insbeson<strong>der</strong>e<strong>zu</strong>r Sach- und Fachkunde, verlangen.In Umset<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> EU-Abfallrahmenrichtlinie wirddamit erstmals <strong>der</strong> mengenmäßig beson<strong>der</strong>s relevanteBereich <strong>der</strong> nicht gefährlichen Abfälle <strong>zu</strong>r Verwertung indie Überwachung einbezogen. Ebenfalls erstmalig werdenauch Anzeige- und Genehmigungspflichten für dasabfallwirtschaftlich bedeutsame Handeln mit Abfälleneingeführt. Demgegenüber werden lediglich die bisherigenGenehmigungspflichten für das Beför<strong>der</strong>n von nichtgefährlichen Beseitigungsabfällen sowie für das Makelnvon nicht gefährlichen Abfällen auf eine Anzeige vorAufnahme <strong>der</strong> Tätigkeit <strong>zu</strong>rückgeführt, um so <strong>zu</strong> <strong>der</strong>eingangs genannten einheitlichen, insoweit auch effizienterenund voll<strong>zu</strong>gsfreundlicheren Struktur von Genehmigungs-und Anzeigepflichten <strong>zu</strong> gelangen.mationen übermittelt hat; vergleiche Plenarprotokoll 17/77,Anlage 64 , und geschah diese Übermittlung auf eine Bittebzw. Auffor<strong>der</strong>ung hin, die das Bundesministerium für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, an alle fünfvon <strong>der</strong> Bund-Län<strong>der</strong>-Nachrüstliste betroffenen Landesatomaufsichtsbehördengerichtet hatte, gegebenenfalls bitte mitAngabe des Datums dieser BMU-Bitte/-Auffor<strong>der</strong>ung?Das Land Schleswig-Holstein hat als Antwort aufeine Bitte des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschut<strong>zu</strong>nd Reaktorsicherheit, BMU, vom 2. September2010 eine Liste mit ersten Informationen <strong>zu</strong>m Umset<strong>zu</strong>ngsbedarfnoch am selben Tag übermittelt.Anlage 10Antwort<strong>der</strong> Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die<strong>Frage</strong> <strong>der</strong> Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 34):Welche konkreten inhaltlichen und zeitlichen Vereinbarungenwurden auf <strong>der</strong> Abteilungsleiter-Telefonkonferenzvom 8. September 2010 hinsichtlich des weiteren Vorgehensfür die Atomkraftwerkenachrüstung getroffen beispielsweisewelche konkreten Fristen wurden für die anlagenscharfeErmittlung des tatsächlichen Nachrüstbedarfs vereinbart;vergleiche Plenarprotokoll 17/64, Anlage 53 , und wiewurde für das weitere Vorgehen sichergestellt, dass es zwischendem BMU und den Abteilungsleitern <strong>der</strong> fünf betroffenenLandesatomaufsichtsbehörden keine Missverständnissehinsichtlich aller wesentlichen Punkte, die besprochen wurden,gab wurden beispielsweise die wesentlichen Inhalteund Positionen <strong>der</strong> Telefonkonferenz schriftlich festgehalten?Über die bereits in <strong>der</strong> Beantwortung <strong>der</strong> <strong>Frage</strong>n <strong>der</strong>Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN), Bundestagsdrucksache 17/3007, <strong>Frage</strong> 59,und Bundestagsdrucksache 17/3113, <strong>Frage</strong> 83, dargelegtenVereinbarungen hinaus wurden keine weiteren konkreteninhaltlichen und zeitlichen Vereinbarungen auf<strong>der</strong> Abteilungsleiter-Telefonkonferenz vom 8. September2010 getroffen. Ein Protokoll dieser Telefonkonferenzwurde seitens des Bundes nicht gefertigt.(D)Über die Kontrolle <strong>der</strong> Beför<strong>der</strong>er, Händler und Maklerhinaus bestimmt das Kreislaufwirtschaftsgesetz umfassendePflichten <strong>zu</strong>r Führung von Nachweisen undRegistern über die Entsorgung und den Verbleib von Abfällensowie weitreichende Befugnisse <strong>der</strong> <strong>zu</strong>ständigenBehörden <strong>zu</strong>r Überwachung <strong>der</strong> Abfallbewirtschaftung.Für die Überwachung grenzüberschreiten<strong>der</strong> Abfallverbringungengelten die EG-Abfallverbringungsverordnungsowie das Abfallverbringungsgesetz als nationalesAusführungsgesetz.Anlage 9Antwort<strong>der</strong> Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die<strong>Frage</strong> <strong>der</strong> Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 33):Um welches Bundesland handelt es sich in <strong>der</strong> Antwortauf den zweiten Teil meiner mündlichen <strong>Frage</strong> 83 auf Bundestagsdrucksache17/3113 bitte mit Angabe des Datums, wanndieses Bundesland die in <strong>der</strong> Antwort genannten ersten Infor-Anlage 11Antwort<strong>der</strong> Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die<strong>Frage</strong> des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 35):Zu welchem Zeitpunkt rechnet die Bundesregierung mit<strong>der</strong> Genehmigung <strong>der</strong> Einlagerung und des Transports <strong>der</strong>152 <strong>zu</strong>rzeit im Forschungszentrum Jülich lagernden Castorenmit Brennelementen aus dem AVR Jülich AVR: ArbeitsgemeinschaftVersuchsreaktor in das Brennelemente-ZwischenlagerAhaus, und mit welcher Zahl an Einzeltransportenvon Jülich nach Ahaus per Bahn und Lkw rechnet die Bundesregierunginfolge dieser Genehmigungen?Die Genehmigung für die Aufbewahrung von bestrahltenBrennelementen aus dem seit dem 31. Dezember1988 in Stilllegung befindlichen Atomversuchsreaktor,AVR, Jülich im Zwischenlager Jülich endet am30. Juni 2013. Danach ist die Aufbewahrung dieser Behälterin Jülich grundsätzlich nicht mehr möglich.Das Forschungszentrum Jülich rechnet mit <strong>der</strong> Erteilung<strong>der</strong> Genehmigung für die Aufbewahrung dieser Be-


8892 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010(A)hälter im Transportbehälterlager Ahaus in (C) <strong>der</strong> zweitenJahreshälfte 2011. Hier<strong>zu</strong> ist an<strong>zu</strong>merken, dass im TransportbehälterlagerAhaus bereits vergleichbare bestrahlteBrennelemente aus dem Thorium-Hochtemperaturreaktor,THTR, Hamm-Uentrop in 305 Behältern lagern.Der Antrag auf Beför<strong>der</strong>ungsgenehmigung von Jülichin das Transportbehälterlager Ahaus wurde am 4. Oktober2010 gestellt Eingang beim Bundesamt für Strahlenschutzam 8. Oktober. Im Rahmen des nunmehr anstehendenGenehmigungsverfahrens im Hinblick auf dieErteilung <strong>der</strong> Beför<strong>der</strong>ungsgenehmigung wird unter an<strong>der</strong>emdas Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen beteiligt.Anlage 14Antwort<strong>der</strong> Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die <strong>Frage</strong>ndes Abgeordneten Manfred Grund (CDU/CSU) (Drucksache17/4153, <strong>Frage</strong>n 46 und 47):Wie bewertet die Bundesregierung das Projekt <strong>zu</strong>r Beratungim Bereich Gen<strong>der</strong>-Mainstreaming in Afghanistan, dasvon <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für Technische ZusammenarbeitGmbH, GTZ, durchgeführt wird, vor dem Hintergrundeines effizienten Einsatzes von Mitteln <strong>der</strong> Entwicklungs<strong>zu</strong>sammenarbeitund vor dem Hintergrund <strong>der</strong> Bedürfnisse desLandes?Inwieweit plant die Bundesregierung eine Fortset<strong>zu</strong>ng solcherProjekte vor dem Hintergrund <strong>der</strong> aktuellen Situation inAfghanistan?(B)Anlage 12Antwortdes Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die <strong>Frage</strong>n<strong>der</strong> Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) (Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong>n 43 und 44):Zu <strong>Frage</strong> 43:Wurde <strong>der</strong> Werbeauftritt von Dr. Annette Schavan für dieBild-App vergütet?Entspricht es <strong>der</strong> gebotenen Neutralität <strong>der</strong> Bundesregierung,wenn ein Kabinettsmitglied wie Dr. Annette Schavanfür die iPad-App <strong>der</strong> Bild-Zeitung wirbt, und beabsichtigt dieBundesregierung, in Zukunft auch für an<strong>der</strong>e Verlage o<strong>der</strong>Produkte werblich tätig <strong>zu</strong> werden?Es handelte sich nicht um einen Werbeauftritt, und eswurde nicht vergütet.Zu <strong>Frage</strong> 44:§ 5 Abs. 1 Bundesministergesetz regelt, dass Mitglie<strong>der</strong><strong>der</strong> Bundesregierung neben ihrem Amt kein an<strong>der</strong>esbesoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausübendürfen. Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bundesregierung halten sich andiese Vorschriften. Die Bundesregierung ist we<strong>der</strong> für einenVerlag noch für ein Produkt werblich tätig. Ausweislichdes abgedruckten Zitats ging es um die <strong>Frage</strong> <strong>der</strong> Nut<strong>zu</strong>nginnovativer Technik und neuer Medien.Anlage 13Antwortdes Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die <strong>Frage</strong>des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache17/4153, <strong>Frage</strong> 45):Aus welchen Gründen hält es die Bundesregierung fürzielführend, dass im Bioökonomierat kein Sachverstand ausdem Bereich Verbraucherschutz sowie aus den Sozialwissenschaftenvertreten ist, und folgt aus diesem Defizit nicht einenur begrenzte Ausgewogenheit <strong>der</strong> Stellungnahmen des Bioökonomierates?Der Sachverstand in den Bereichen Verbraucherschut<strong>zu</strong>nd Sozialwissenschaften ist im Bereich Bioökonomiesehr wichtig. Daher wurden im BioökonomieratExperten aufgenommen, die neben ihrer direkten Institutsdisziplinauch breitere sozialwissenschaftlicheExpertise vertreten können.Zu <strong>Frage</strong> 46:Seit 2001 haben sich die rechtlichen, sozialen undwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die afghanischenFrauen und Mädchen insgesamt deutlich verbessert.Probleme für die Achtung und För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong>Gleichberechtigung rühren jedoch weiterhin aus konfligierendenWertvorstellungen insbeson<strong>der</strong>e zwischenStadt und Land sowie zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen sowie aus konkurrierenden Normsystemen.Zur Verbesserung <strong>der</strong> Lage von Frauen und Mädchensetzt die deutsch-afghanische Entwicklungs<strong>zu</strong>sammenarbeitgezielt mit einem Gen<strong>der</strong>-Mainstreaming-Projektan, das von <strong>der</strong> Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit,GTZ, im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftlicheZusammenarbeit und Entwicklung, BMZ,durchgeführt wird. Das Projekt ist dem SchwerpunktsektorGute Regierungsführung <strong>der</strong> deutsch-afghanischenEntwicklungs<strong>zu</strong>sammenarbeit, EZ, <strong>zu</strong>geordnet und wurdeauf Wunsch <strong>der</strong> afghanischen Regierung hin konzipiert.Neben <strong>der</strong> Stärkung des afghanischen Frauenministeriumshilft das Vorhaben beim Aufbau von Gleichstellungsreferatenin sechs Sektorministerien <strong>der</strong> afghanischenZentralregierung, um die Gleichstellung im öffentlichenDienst und in <strong>der</strong> Regierungsarbeit insgesamt <strong>zu</strong> för<strong>der</strong>n.Initiiert durch die Gleichstellungsreferate haben dasFinanzministerium und das Ministerium für Handel undIndustrie bereits gezielte Programme <strong>zu</strong>r Fort- und Weiterbildungihrer Mitarbeiterinnen eingerichtet. DasFinanzministerium hat mit Unterstüt<strong>zu</strong>ng durch das Projektneben einem Gleichstellungsreferat auch ein sogenanntesGen<strong>der</strong>-Budgeting-Referat in <strong>der</strong> Haushaltsabteilungeingerichtet. Dieses dient da<strong>zu</strong>, die Belange vonFrauen und Mädchen systematischer in <strong>der</strong> nationalenHaushaltsplanung berücksichtigen <strong>zu</strong> können.Das Gen<strong>der</strong>-Mainstreaming-Projekt för<strong>der</strong>t auch dieVernet<strong>zu</strong>ng von Regierungsinstitutionen und Zivilgesellschaft.Da<strong>zu</strong> wurden und werden gemeinsame Veranstaltungenorganisiert, <strong>zu</strong>m Beispiel eine Konferenz <strong>zu</strong>rVorbereitung <strong>der</strong> Friedens-Jirga im Juni 2010, die da<strong>zu</strong>beigetragen hat, dass die Beteiligung von Frauen gesteigertwurde. Des Weiteren wird eine Gruppe von Parlamentarierinnenmit dem Ziel unterstützt, frauenpolitischenAnliegen größeres Gehör in <strong>der</strong> Parlamentsarbeit<strong>zu</strong> verschaffen.(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8893(A)In Kabul und <strong>der</strong> nordöstlichen Provinz Badakhshan (C)wurde Anfang 2010 auch eine Zusammenarbeit mit religiösenAutoritäten begonnen. Im Mittelpunkt stehen dabeifortschrittliche Mullahs und Imame, mit <strong>der</strong>en Hilfedie Akzeptanz speziell <strong>der</strong> Mädchen- und Frauenbildunggeför<strong>der</strong>t werden soll. Zudem wird das Thema häuslicheGewalt über diese Multiplikatoren thematisiert.Die Mittel des AA wurden <strong>zu</strong> 93,43 Prozent,16,35 Millionen Euro, ausgezahlt. Bei den noch nicht<strong>zu</strong>r Auszahlung gekommenen 6,56 Prozent handelt essich um aufgestockte Projekte, bei denen <strong>der</strong> Mittelabruffür die Aufstockungen vonseiten <strong>der</strong> Projektpartner entwe<strong>der</strong>noch nicht erfolgte o<strong>der</strong> aber die kürzlich abgerufenenMittel erst in den nächsten Tagen abfließen.(B)Durch seine Querschnittstätigkeit för<strong>der</strong>t das Gen<strong>der</strong>-Mainstreaming-Projekt parallel die stärkere Berücksichtigungvon Aspekten <strong>der</strong> Gleichberechtigung in Schwerpunktsektoren<strong>der</strong> deutschen EZ mit Afghanistan (Rechtstaatlichkeit,nachhaltige Wirtschaftsentwicklung,Bildung sowie Energie- und Trinkwasserversorgung).Zu <strong>Frage</strong> 47:Die nachhaltige Verbesserung <strong>der</strong> Lebensumständevon Frauen und Mädchen in Afghanistan und die Gleichstellung<strong>der</strong> Geschlechter wird auch in den kommendenJahren noch das konsequente Engagement <strong>der</strong> afghanischenRegierung und entsprechende Unterstüt<strong>zu</strong>ng durchdie Bundesregierung und die internationale Gemeinschafterfor<strong>der</strong>n. Die Bundesregierung plant daher, ihrEngagement im Bereich Gen<strong>der</strong> Mainstreaming fürAfghanistan im Rahmen <strong>der</strong> etablierten Instrumente <strong>der</strong>technischen Zusammenarbeit fort<strong>zu</strong>führen. Es ist Ziel <strong>der</strong>Entwicklungspolitik, Menschenrechte <strong>zu</strong> för<strong>der</strong>n undAfghanistan dabei <strong>zu</strong> unterstützen, dass Frauen und Männereinen Beitrag <strong>zu</strong>r Entwicklung Afghanistans leistenkönnen.Anlage 15Antwort<strong>der</strong> Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die <strong>Frage</strong> desAbgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN) (Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 48):Wie viel Prozent <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Bundesregierung <strong>zu</strong>gesagtenfinanziellen Mittel für die humanitären Krisen in Haiti undPakistan wurden bislang jeweils ausgezahlt, und aus welchenGründen wurden die <strong>zu</strong>gesagten Gel<strong>der</strong> bisher noch nicht invollem Umfang gezahlt?Pakistan:Für die Opfer <strong>der</strong> Flutkatastrophe in Pakistan sagtedie Bundesregierung Mittel in Höhe von 35 MillionenEuro <strong>zu</strong>. Diese Mittel verteilen sich jeweils <strong>zu</strong>r Hälfte,17,5 Millionen Euro, auf das Auswärtige Amt, AA, unddas Bundesentwicklungsministerium, BMZ. Das AA hatinsgesamt 38 Projekte mit einem Gesamtvolumen von17,50 Millionen Euro geplant und beschieden. Das BMZhat insgesamt 18 Projekte mit einem Gesamtvolumenvon 17,54 Millionen Euro geplant und beschieden.Die Mittel des BMZ sind <strong>zu</strong> 81,73 Prozent,14,34 Millionen Euro, ausgezahlt. Bei den noch nicht<strong>zu</strong>r Auszahlung gekommenen 18,27 Prozent handelt essich einerseits um Projekte, die in den Jahren 2011 bis2013 noch Verpflichtungsermächtigungen umsetzen, diedemnach erst in den Folgejahren <strong>zu</strong>r Auszahlung kommenkönnen. An<strong>der</strong>erseits handelt es sich um Projekte,bei denen die Barmittel 2010 bis Ende des laufendenJahres abfließen werden.Haiti:Insgesamt waren von <strong>der</strong> Bundesregierung nach demErdbeben Mittel in Höhe von 37,1 Millionen Euro fürMaßnahmen <strong>der</strong> humanitären Soforthilfe und <strong>der</strong> EntwicklungsorientiertenNot- und Übergangshilfe, ENÜh,<strong>zu</strong>gesagt worden. AA: 5,1 Millionen Euro, BMZ:32 Millionen Euro.Von den <strong>zu</strong>gesagten Mitteln des BMZ sind bislangzehn ENÜh-Projekte im Gesamtwert von 19,85 MillionenEuro eingereicht und bewilligt worden. Die verbleibendenMittel in Höhe von 12,15 Millionen Euro werdenim folgenden Jahr <strong>zu</strong>gesagt werden.Der Auszahlungsstand bei den bewilligten Projektenbeträgt 71,4 Prozent, 14,17 Millionen Euro. Bei dennoch nicht <strong>zu</strong>r Auszahlung gekommenen 28,6 Prozenthandelt es sich <strong>zu</strong>m Teil um Projekte, die in den Jahren2011 bis 2013 noch Verpflichtungsermächtigungen umsetzen,die demnach erst in den Folgejahren <strong>zu</strong>r Auszahlungkommen können. Ferner handelt es sich um Projekte,bei denen die Barmittel erst in den nächsten Tagenabfließen werden. Weiterhin wurden bereits laufendeProjekte aufgestockt, sodass eine klare Zuordnung <strong>der</strong>abgerufenen Mittel nicht möglich ist. In Haiti gestaltet essich <strong>zu</strong>dem für unsere Partnerorganisationen schwierig,geeignete Durchführungspartner für ENÜh-Maßnahmen<strong>zu</strong> finden. Hin<strong>zu</strong> kommt, dass haitianische öffentlicheStellen selbst schwer vom Erdbeben betroffen waren undsind und ihre Arbeitsfähigkeit nur in beschränktem Umfanggegeben ist. Ferner war <strong>der</strong> Bedarf nach öffentlichenZuwendungen, bedingt durch das hohe privateSpendenaufkommen in Deutschland, nicht so hoch wiebeispielsweise in Pakistan, wo private Gel<strong>der</strong> nur inweitaus geringerem Umfang flössen.Die Mittel des AA wurden vollständig ausgezahlt.Insgesamt waren 16 Projekte im Gesamtwert von5,14 Millionen Euro bewilligt worden.Anlage 16Antwortdes Staatsministers Bernd Neumann auf die <strong>Frage</strong> desAbgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 49):Wie rechtfertigt die Bundesregierung, dass <strong>der</strong> Bundesnachrichtendienstseinem Informanten Curveball fünf Jahremonatlich 3 000 Euro zahlte, diesen trotz fehlen<strong>der</strong> Vorausset<strong>zu</strong>ngenbeim vorzeitigen Erwerb <strong>der</strong> deutschen Staatsbürgerschaftunterstützte sowie ein nicht existentes Arbeitsverhältnismit einem nicht existenten Arbeitgeber bescheinigen ließ,nachdem feststand, dass die Behauptungen Curveballs, <strong>der</strong>Irak unter Saddam Hussein besitze Biowaffen, falsch und erfundenwaren, aber gerade diese Unwahrheiten von den USAwesentlich als Begründung genutzt worden waren, in den Irakein<strong>zu</strong>marschieren und einen Krieg <strong>zu</strong> führen, in dem weitmehr als 100 000 Menschen getötet und ein unendliches Leid(D)


8894 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010(A)(B)(C)und Zerstörung angerichtet wurden (vergleiche ARD-Panoramaund Dokumentation vom 2. Dezember 2010), und wiebeurteilt die Bundesregierung die Handlungen sowie Unwahrheitendes Informanten Curveball, die geeignet waren undvermutlich in <strong>der</strong> Absicht vorgenommen wurden, das friedlicheZusammenleben <strong>der</strong> Völker <strong>zu</strong> stören im Hinblick darauf,dass Art. 26 des Grundgesetzes die Führung eines Angriffskriegesals verfassungswidrig verbietet sowie verlangt, solcheHandlungen in Deutschland unter Strafe <strong>zu</strong> stellen?Die in Ihrer <strong>Frage</strong> Nr. 49 <strong>zu</strong>r <strong>Frage</strong>stunde am 15. Dezember2010 enthaltenen Vorwürfe haushaltsrechtlicherArt sowie die Vorwürfe gegen die Bundesregierung inBe<strong>zu</strong>g auf die Relevanz <strong>der</strong> Aktivitäten des Informantenfür eine Vorbereitung des bewaffneten Konfliktes imIrak werden <strong>zu</strong>rückgewiesen.Hinsichtlich <strong>der</strong> nachrichtendienstlichen Aspekte IhrerAnfrage ist die Bundesregierung nach sorgfältigerAbwägung <strong>zu</strong> <strong>der</strong> Auffassung gelangt, dass die erbeteneAuskunft geheimhaltungsbedürftig ist. Die Anfrage zieltauf Einzelheiten tatsächlicher o<strong>der</strong> vermuteter nachrichtendienstlicherAktivitäten, die grundsätzlich nicht öffentlichdargestellt werden können. Aus ihrer Offenlegungkönnten sowohl staatliche Akteure an<strong>der</strong>er Län<strong>der</strong>als auch nichtstaatliche Akteure Rückschlüsse auf dieFähigkeiten und Methoden des BND ziehen. Im Ergebniswürde dadurch die Funktionsfähigkeit unserer Sicherheitsbehördenund damit die Sicherheit <strong>der</strong> BundesrepublikDeutschland beeinträchtigt.Gleichwohl ist die Bundesregierung selbstverständlichbereit, das Informationsrecht des Parlaments unterWahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen <strong>zu</strong> befriedigen.Die Bundesregierung hat deshalb die erbetenenAngaben als GEHEIM eingestufte Verschlusssache<strong>zu</strong>r Einsicht durch Sie und berechtigte Personen andie Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestagesübermittelt.Anlage 17Antwort<strong>der</strong> Staatsministerin Cornelia Pieper auf die <strong>Frage</strong> desAbgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 50):Welche Bemühungen hat die Bundesregierung unternommen,um auf<strong>zu</strong>klären, welche weiteren Informationen von Informanten,insbeson<strong>der</strong>e dem Informanten aus dem Büro desBundesministers des Auswärtigen diverse Medien seit dem3. Dezember 2010; Der Spiegel vom 6. Dezember 2010 ,nach Abschluss <strong>der</strong> Koalitionsverhandlungen bis letzte Wocheüber Überlegungen, Pläne und Taktiken <strong>der</strong> Bundesregierungauch <strong>zu</strong> mit den USA strittigen Themen wie <strong>zu</strong>r NATO-Konferenz in Lissabon und <strong>zu</strong>m Ab<strong>zu</strong>g <strong>der</strong> US-Nuklearraketenaus Deutschland an US-Diplomaten abgeflossen sind undob dadurch Schaden o<strong>der</strong> Schwierigkeiten für die Durchset<strong>zu</strong>ngdeutscher Interessen entstanden sind, und welche Maßnahmenwird die Bundesregierung ergreifen, um solche Praktikenrückhaltlos auf<strong>zu</strong>klären sowie <strong>zu</strong> vermeiden?Das Auswärtige Amt stellt Mitglie<strong>der</strong>n des Bundestagesaller Bundestagsfraktionen, den Zentralen aller imDeutschen Bundestag vertretenen Parteien sowie denLandesregierungen auf Anfrage und anlassbezogen ausgewählteund überprüfte Sachstände als Informationsmaterial<strong>zu</strong>r Verfügung. Diese Praxis gegenüber Vertretern<strong>der</strong> Regierungs- und <strong>der</strong> Oppositionsseite dient imSinne eines konsistenen Außenauftretens unseren außenpolitischenInteressen.Der ehemalige Leiter <strong>der</strong> Abteilung Internationalesdes Thomas-Dehler-Hauses hat aus dem AuswärtigenAmt in einigen Einzelfällen anlassbezogen ausgewählteund überprüfte Sachstände erhalten, so etwa PolitischeHalbjahresberichte <strong>zu</strong>r Republik Serbien und <strong>zu</strong> Bosnienund Herzegowina.Er hat keine Sachstände erhalten <strong>zu</strong> US-amerikanischeno<strong>der</strong> transatlantischen <strong>Frage</strong>stellungen. Für Mitarbeitervon politischen Parteien gilt im Übrigen genausoeine Verschwiegenheitspflicht wie für Mitarbeiterdes Deutschen Bundestages o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Fraktionen.Anlage 18Antwort<strong>der</strong> Staatsministerin Cornelia Pieper auf die <strong>Frage</strong> desAbgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) (Drucksache17/4153, <strong>Frage</strong> 51):Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus<strong>der</strong> Entscheidung <strong>der</strong> US-Administration, ihre fruchtlosenBemühungen auf<strong>zu</strong>geben, Israel <strong>zu</strong> einem neuen Baustoppvon 90 Tagen <strong>zu</strong> bewegen Ticker vom 8. Dezember 2010,dpa-Meldung um 10.45 Uhr?Die Bundesregierung bleibt <strong>der</strong> Überzeugung, dassFortschritte auf dem Weg hin <strong>zu</strong> einer verhandeltenZwei-Staaten-Lösung dringend erfor<strong>der</strong>lich sind. Siesteht in ständigem und engem Kontakt sowohl mit <strong>der</strong>US-Regierung als auch mit beiden Parteien, den weiterenQuartett-Partnern sowie den arabischen Partnern in<strong>der</strong> Region.Die jüngsten Entwicklungen geben aus Sicht <strong>der</strong> BundesregierungAnlass <strong>zu</strong>r Sorge. Der Bundesminister desAuswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, hat bei vielen Gelegenheitenmit Nachdruck für eine Fortführung <strong>der</strong> direktenVerhandlungen geworben, so auch bei seinen kürzlichenBesuchen im Staat Israel, den palästinensischenGebieten und im Haschemitischen Königreich Jordanien.Dabei hat er beiden Parteien gegenüber deutlich gemacht,dass die Bundesregierung die Einhaltung <strong>der</strong> Verpflichtungenaus dem internationalen Friedensplan, <strong>der</strong> Roadmap,erwartet. Insbeson<strong>der</strong>e gehört da<strong>zu</strong> die Einstellung desSiedlungsbaus. An dieser Position hält die Bundesregierungfest.Die Bundesregierung wird sich in den nächsten Tagenund Wochen sehr intensiv mit ihren Partnern abstimmenund ihre Bemühungen fortsetzen, den Friedensprozessvoran<strong>zu</strong>bringen. Dabei kommt insbeson<strong>der</strong>e dem Nahost-Quartetteine herausragende Rolle <strong>zu</strong>.Anlage 19Antwort<strong>der</strong> Staatsministerin Cornelia Pieper auf die <strong>Frage</strong> desAbgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) (Drucksache17/4153, <strong>Frage</strong> 52):Welche Bedeutung für die Nahostpolitik <strong>der</strong> Bundesregierunghat die Initiative <strong>der</strong> brasilianischen Regierung, den StaatPalästina in den Grenzen von 1967 an<strong>zu</strong>erkennen?(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8895(A)(B)Gemeinsam mit ihren Partnern in <strong>der</strong> (C) EU hat dieBundesregierung wie<strong>der</strong>holt bekräftigt, dass sie Verhandlungen,die <strong>zu</strong> einem eigenen palästinensischenStaat führen, und alle diesbezüglichen Bemühungen undSchritte unterstützt, und dass sie bereit ist, einen palästinensischenStaat gegebenenfalls an<strong>zu</strong>erkennen so dieEU-Ratsschlussfolgerungen vom 8. Dezember 2009.In Be<strong>zu</strong>g auf die Grenzen von 1967 hat sie gemeinsammit den Partnern in <strong>der</strong> EU klargestellt, dass siekeine Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> vor 1967 bestehenden Grenzen,auch hinsichtlich Jerusalems, anerkennen wird, die nichtzwischen beiden Seiten vereinbart worden sind so dieEU-Ratsschlussfolgerungen vom 8. Dezember 2009.Anlage 20Antwort<strong>der</strong> Staatsministerin Cornelia Pieper auf die <strong>Frage</strong> <strong>der</strong>Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache17/4153, <strong>Frage</strong> 53):Wie wird die Bundesregierung auf die Einreiseverweigerungseitens <strong>der</strong> israelischen Regierung für die Delegation desAusschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungin den Gazastreifen am 5. Dezember 2010 reagieren?Die Deutsche Botschaft Tel Aviv hatte sich im Vorfeld<strong>der</strong> Reise gegenüber den <strong>zu</strong>ständigen israelischenStellen für eine Einreise <strong>der</strong> Delegation in den Gazastreifeneingesetzt.Nach Verweigerung <strong>der</strong> Einreise hat die Bundesregierungdie <strong>Frage</strong> am 14. Dezember 2010 im Rahmen einesGesprächs des Ständigen Vertreters unserer Botschaft inTel Aviv mit dem israelischen Außenministerium in Jerusalemaufgenommen.Anlage 21Antwort<strong>der</strong> Staatsministerin Cornelia Pieper auf die <strong>Frage</strong> <strong>der</strong>Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache17/4153, <strong>Frage</strong> 54):Welche politischen Initiativen wird die Bundesregierungunternehmen, um die israelische Regierung <strong>zu</strong> einem Ende<strong>der</strong> wirtschaftlichen Blockade des Gazastreifens, mit katastrophalenhumanitären Konsequenzen für die Bevölkerung, <strong>zu</strong>bewegen?Der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. GuidoWesterwelle, setzt sich bereits seit längerem sowohl gegenüberdem Staat Israel als auch innerhalb <strong>der</strong> EU intensivfür die Ermöglichung von Exporten aus dem Gazastreifenein. Diese sind für eine nachhaltige Verbesserung<strong>der</strong> wirtschaftlichen Lage unerlässlich.Am 8. Dezember 2010 hat das israelische Sicherheitskabinettbeschlossen, künftig auch Exporte aus dem Gazastreifenfür die Bereiche Landwirtschaft, Möbel undTextilien <strong>zu</strong><strong>zu</strong>lassen. Die israelische Regierung hat angekündigt,diesen Entschluss stufenweise im Rahmen<strong>der</strong> damit einhergehenden sicherheitstechnischen und logistischenVorbereitungen am Übergang Kerem Shalomumsetzen <strong>zu</strong> wollen.Bundesminister Dr. Westerwelle hat diesen Schritt am10. Dezember 2010 als einen Schritt in die richtige Richtung,um die Abriegelung des Gazastreifens weiter <strong>zu</strong> lockern,begrüßt und sich für eine rasche und konsequenteUmset<strong>zu</strong>ng dieser politischen Entscheidung ausgesprochen.Die Situation im Gazastreifen stand auch auf <strong>der</strong> Tagesordnungdes Rats für Allgemeine Beziehungen am13. Dezember 2010. In ihren jüngsten Ratsschlussfolgerungenhat die EU erneut die Notwendigkeit einer sofortigen,nachhaltigen Öffnung <strong>der</strong> Übergänge aus und inden Gazastreifen für humanitäre Hilfe, Waren und Personenbekräftigt und unter an<strong>der</strong>em erneut ihre Bereitschafterklärt, in enger Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> PalästinensischenBehörde und <strong>der</strong> israelischen Regierung imEinklang mit <strong>der</strong> Sicherheitsrats-Resolution 1860 <strong>der</strong>Vereinten Nationen und auf <strong>der</strong> Basis des Agreementon Movement & Access den Wie<strong>der</strong>aufbau und diewirtschaftlichen Erholung des Gazastreifens <strong>zu</strong> unterstützen.Anlage 22Antwort<strong>der</strong> Staatsministerin Cornelia Pieper auf die <strong>Frage</strong> desAbgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN) (Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 55):Inwieweit hat sich die Bundesregierung für die Freilassung<strong>der</strong> politischen Häftlinge in Kuba engagiert, und inwiefernhat sie sich für eine Aufnahme <strong>der</strong> bereits entlassenenund ausgewiesenen politischen Exhäftlinge in <strong>der</strong> BundesrepublikDeutschland eingesetzt?Vorrangiges Ziel <strong>der</strong> Kubapolitik <strong>der</strong> Bundesregierungist die Achtung <strong>der</strong> Menschenrechte und die För<strong>der</strong>ungeiner demokratischen Entwicklung in Kuba. Deshalbfor<strong>der</strong>t die Bundesregierung gemeinsam mit ihreneuropäischen Partnern seit langem die Freilassung allerpolitischen Gefangenen in Kuba. Die Bundesregierunghat diese For<strong>der</strong>ung sowohl in ihren bilateralenGesprächen als auch in Vorbereitung <strong>der</strong> Treffen <strong>der</strong> EUmit Kuba im Rahmen des politischen Dialogs mit Nachdruckvorgetragen.Dabei hat sich die Bundesregierung aus humanitärenGründen vorrangig für die Freilassung <strong>der</strong>jenigen politischenHäftlinge eingesetzt, <strong>der</strong>en Gesundheits<strong>zu</strong>standauch aufgrund <strong>der</strong> Haftbedingungen in Kuba beson<strong>der</strong>sangegriffen war.Darüber hinaus haben die diplomatischen Vertreter<strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland in Havanna den Einsatzfür die Freilassung <strong>der</strong> politischen Gefangenen durchsichtbare Zeichen <strong>der</strong> Solidarität mit den Angehörigenpolitischer Gefangener wie den Damas de Blanco unterstrichen.Zunächst ist fest<strong>zu</strong>halten, dass die kubanische Regierungaufgefor<strong>der</strong>t ist, auch diejenigen Gefangenen frei<strong>zu</strong>lassen,die in Kuba bleiben wollen. Bei <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong>52 Gefangenen, <strong>der</strong>en Freilassung im vergangenen(D)


8896 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010(A)(B)Sommer angekündigt wurde, ist dies mit einer (C) einzigenAusnahme bislang nicht erfolgt.Die Bundesregierung würdigt die Bereitschaft Spaniens,diejenigen politischen Gefangenen auf<strong>zu</strong>nehmen, die ihrLand verlassen mussten. Auch aus Sicht <strong>der</strong> politischenGefangenen liegt <strong>der</strong> Wunsch nach Aufnahme in einemspanischsprachigen Land, <strong>zu</strong> dem enge historische undkulturelle Bindungen bestehen, nahe. Eine Reihe <strong>der</strong>sich in Spanien aufhaltenden politischen Gefangenensoll im Übrigen die Absicht geäußert haben, sich in denVereinigten Staaten von Amerika nie<strong>der</strong><strong>zu</strong>lassen nicht<strong>zu</strong>letzt aufgrund familiärer Verbindungen.Aufnahmeanträge für Deutschland liegen bislangnicht vor, gegebenenfalls wäre im Einklang mit den einschlägigenauslän<strong>der</strong>- und asylrechtlichen Regeln <strong>zu</strong> entscheiden.Anlage 23Antwort<strong>der</strong> Staatsministerin Cornelia Pieper auf die <strong>Frage</strong>n <strong>der</strong>Abgeordneten Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) (Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong>n 56 und 57):Zu <strong>Frage</strong> 56:Unterstützt die Bundesregierung die Auffassung, dass einStaat, <strong>der</strong> dem Nichtverbreitungsvertrag nicht beigetreten ist,Mitglied <strong>der</strong> Nuclear Suppliers Group werden darf?Vertritt <strong>der</strong> deutsche Botschafter in Indien, ThomasMatussek, mit seinen Äußerungen, dass Deutschland eine indischeMitgliedschaft in <strong>der</strong> Nuclear Suppliers Group unterstütztund die Bedingungen hierfür erfüllt seien newkerala.com,6. Dezember 2010 , die Position <strong>der</strong> Bundesregierung, undwelche Bedingungen müssen für die Aufnahme eines Staatesin die Nuclear Suppliers Group aus Sicht <strong>der</strong> Bundesregierungerfüllt sein?Die Bundesregierung betrachtet den Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag,NVV, als Eckpfeiler des internationalenNichtverbreitungsregimes.Die Bundesregierung hat die 2008 unter deutschemVorsitz beschlossene Nuclear-Suppliers-Group-Ausnahmeregelungfür die Republik Indien mitgetragen, da siedas Ziel hat, Indien näher an das internationale Nichtverbreitungsregimeheran<strong>zu</strong>führen.Die Nuclear Suppliers Group ist eine Gruppe von Staaten,die sich <strong>zu</strong>sammengeschlossen haben, um die weitereVerbreitung von Kernwaffen in <strong>der</strong> Welt durch eine aktiveund koordinierte Exportkontrollpolitik <strong>zu</strong> verhin<strong>der</strong>n. Siearbeitet auf <strong>der</strong> Grundlage des Einstimmigkeitsprinzips.Dies macht es erfor<strong>der</strong>lich, gemeinsam mit unseren Partnernimmer wie<strong>der</strong> den Konsens <strong>zu</strong> suchen.Zu <strong>Frage</strong> 57:Die zitierten Äußerungen sind von <strong>der</strong> indischenPresse aus dem Zusammenhang gerissen und missverständlichwie<strong>der</strong>gegeben worden.Der Botschafter <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland in<strong>der</strong> Republik Indien, Thomas Matussek, hat erläutert,dass die Bundesregierung die weitere Heranführung Indiensan das internationale Nichtverbreitungsregime nachdrücklichunterstützt. An dieser Position <strong>der</strong> Bundesregierunghat sich nichts geän<strong>der</strong>t.Anlage 24Antwort<strong>der</strong> Staatsministerin Cornelia Pieper auf die <strong>Frage</strong> <strong>der</strong>Abgeordneten Sevim Da delen (DIE LINKE) (Drucksache17/4153, <strong>Frage</strong> 58):Sind die aktuellen Diskussionen um den Einsatz einer EU-Battle-Group <strong>zu</strong>r Verstärkung <strong>der</strong> Mission <strong>der</strong> Vereinten Nationenim Sudan, UNMIS, als Indiz <strong>zu</strong> werten, dass Bundesregierungund EU davon ausgehen, dass bis <strong>zu</strong>m vorgesehenenTermin für die Referenden über die Unabhängigkeit desSüdsudan am 9. Januar 2011 we<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>zu</strong>künftige Grenzverlaufnoch die offenen <strong>Frage</strong>n bezüglich <strong>der</strong> Wählerregistrierung die entscheidend für den Ausgang <strong>der</strong> Referenden seindürften abschließend geklärt sind, also nicht mit einem reibungslosenAblauf und einer anschließenden Anerkennungdes Referendums durch die beteiligten Parteien <strong>zu</strong> rechnen ist,und wird die Bundesregierung einen Einsatz einer EU-Battle-Group befürworten (bitte begründen)?Die Bundesregierung sieht gegenwärtig keinen Anlassfür eine Diskussion über den Einsatz einer EU BattleGroup <strong>zu</strong>r Verstärkung <strong>der</strong> Mission <strong>der</strong> Vereinten Nationenim Sudan, UNMIS.Die Wählerregistrierung im Sudan für das Referendumüber die Unabhängigkeit des Südsudans wurde am8. Dezember 2010 abgeschlossen. Es wurden keine größerenUnregelmäßigkeiten von den internationalenWahlbeobachtern gemeldet.Die Verhandlungen zwischen Nord- und Südsudanüber die noch offenen <strong>Frage</strong>n wie <strong>zu</strong>m Beispiel denGrenzverlauf gehen unter <strong>der</strong> Mediation <strong>der</strong> AfrikanischenUnion und des Vermittlers Thabo Mbeki weiter.Nord- und Südsudan haben mehrfach versichert, dasssie das Referendum pünktlich durchführen und die Ergebnisseanerkennen werden. Risiken, bedingt durch dieethnischen und politischen Spannungen im Land, bleiben.Anlage 25Antwort<strong>der</strong> Staatsministerin Cornelia Pieper auf die <strong>Frage</strong> desAbgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 59):Ist <strong>der</strong> Bundesregierung die Aussage von NavanethemPillay, Hohe Kommissarin <strong>der</strong> Vereinten Nationen für Menschenrechte,bekannt, die hinsichtlich <strong>der</strong> Vorgänge um die InternetplattformWikiLeaks gegenüber <strong>der</strong> NachrichtenagenturReuters ihre Besorgnis über Berichte von Druck, <strong>der</strong> auf Firmenausgeübt wurde, darunter Banken, Kreditkartenunternehmenund Internet-Service-Provi<strong>der</strong>, um die Finanzströme <strong>zu</strong>WikiLeaks <strong>zu</strong> unterbrechen und das Hosting <strong>der</strong> Website <strong>zu</strong>unterbinden, <strong>zu</strong>m Ausdruck brachte, da man ihrer Ansichtnach diese Maßnahmen als Versuch interpretieren könne, diePlattform von <strong>der</strong> Veröffentlichung ab<strong>zu</strong>halten, wodurch dasRecht auf freie Meinungsäußerung verletzt werden würde,und teilt die Bundesregierung diese Ansicht?Der Bundesregierung ist die Meldung <strong>der</strong> NachrichtenagenturReuters über die Aussagen <strong>der</strong> VN-Hoch-(D)


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8897(A)komissarin für Menschenrechte, Frau Pillay, (C) <strong>zu</strong>m FallWikiLeaks bekannt.Folgekosten, erfolgte nicht und ist auch künftig nicht beabsichtigt.(B)Der Schutz <strong>der</strong> Menschenrechte ist ein Grundpfeilerdeutscher Außenpolitik. Dabei kommt <strong>der</strong> Meinungsfreiheitein hoher Stellenwert <strong>zu</strong>.Frau Pillay hat dem Reuters-Bericht <strong>zu</strong>folge <strong>zu</strong>Recht darauf hingewiesen, dass <strong>der</strong> Fall WikiLeaks dieschwierige menschenrechtliche <strong>Frage</strong> <strong>der</strong> Ausbalancierungdes Rechtes auf Meinungs- und Informationsfreiheitsowie des Schutzes <strong>der</strong> nationalen Sicherheit bzw.<strong>der</strong> öffentlichen Ordnung aufwirft. Im Fall WikiLeaksgeht es außerdem um den notwendigen Schutz <strong>der</strong> Vertraulichkeitdiplomatischen Schriftverkehrs.In diesem Licht wird auch die Bundesregierung denweiteren Verlauf des Falles WikiLeaks und die Reaktionendarauf aufmerksam beobachten.Anlage 26Antwortdes Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die<strong>Frage</strong> des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4153,<strong>Frage</strong> 60):Inwiefern sieht die Bundesregierung auch im Lichte desdeutschen Informationsfreiheitsgesetzes und dessen oftmalsun<strong>zu</strong>reichen<strong>der</strong> Umset<strong>zu</strong>ng in <strong>der</strong> Praxis einen Zusammenhangzwischen einem berechtigten Transparenzanspruch <strong>der</strong>Bürgerinnen und Bürger und Veröffentlichungen durch Plattformenwie WikiLeaks, und teilt die Bundesregierung die Ansichtdes <strong>Frage</strong>stellers, dass öffentliche Verwaltungen durcheine erhöhte Transparenz dem grundsätzlich berechtigtenTransparenzanspruch besser entgegenkommen müssten?Ein solcher Zusammenhang ist nicht erkennbar. Insbeson<strong>der</strong>esoweit in <strong>der</strong> <strong>Frage</strong> eine un<strong>zu</strong>reichende Umset<strong>zu</strong>ngdes Informationsfreiheitsgesetzes unterstellt undeine mangelnde Transparenz <strong>der</strong> öffentlichen Verwaltungbehauptet wird, ist dies nicht nachvollziehbar. Nebendem Informationsfreiheitsgesetz, das sich in <strong>der</strong> Praxisbewährt hat, bestehen unzählige Regelungen, diedem Informations- und Transparenzinteresse <strong>der</strong> Bürgerinnenund Bürgern dienen. Hier<strong>zu</strong> zählen nicht nur dasVerbraucherinformationsgesetz, VIG, und das Umweltinformationsgesetz,UIG, son<strong>der</strong>n auch die Informationsrechte<strong>der</strong> Presse bis hin <strong>zu</strong> den verfahrensrechtlichenAuskunftsansprüchen für Beteiligte.Anlage 28Antwortdes Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die<strong>Frage</strong> des Abgeordneten Sevim Da delen (DIE LINKE)(Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 62):Welche aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen, von denentürkische Staatsangehörige betroffen sind, wurden nach dem1. Dezember 1980 entgegen Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung<strong>der</strong> Assoziation EWG/Türkei in <strong>der</strong> Weise verschärft,dass eine nach dem 1. Dezember 1980 erfolgte Erleichterungfür die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wie<strong>der</strong> teilweise o<strong>der</strong> gänzlich <strong>zu</strong>rückgenommen wurde (vergleicheUrteil des Europäischen Gerichtshofs, EuGH, C-300/1/09vom 9. Dezember 2010), und wird die Bundesregierung von<strong>der</strong> geplanten Verlängerung <strong>der</strong> Mindestbestandszeit für eineigenständiges Aufenthaltsrecht von Eheleuten von zwei aufdrei Jahre absehen, da dies gegen das genannte Urteil desEuGH und damit gegen verbindliches Europarecht verstoßenwürde (bitte begründen)?Die Bundesregierung wertet <strong>der</strong>zeit das in <strong>der</strong> <strong>Frage</strong>stellunggenannte Urteil des Europäischen Gerichtshofsvom 9. Dezember 2010 aus.Anlage 29Antwortdes Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die <strong>Frage</strong>des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 63):In wie vielen Fällen wurde in den letzten zehn Jahren gegenJournalisten, Blogger o<strong>der</strong> Inhaber von Webseiten jeweilswegen Anstiftung o<strong>der</strong> Beihilfe <strong>zu</strong>m Geheimnisverrat ermittelt,und <strong>zu</strong> wie vielen Verurteilungen kam es (bitte nach Jahrenaufschlüsseln)?Ermittlungsverfahren gegen Journalisten, Bloggero<strong>der</strong> Inhaber von Webseiten und entsprechende Verurteilungenwerden in den Strafrechtspflegestatistiken nichtgeson<strong>der</strong>t erfasst. Deswegen sind lei<strong>der</strong> konkrete Angabenhier<strong>zu</strong> nicht möglich.Erfasst werden nur die wegen Verstoßes gegen§ 353 b des Strafgesetzbuchs insgesamt verurteilten Personen.Dies waren im Jahr 2007 11 Personen, im Jahr2008 27 Personen und im Jahr 2009 15 Personen.(D)Anlage 27Antwortdes Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die<strong>Frage</strong> des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)(Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 61):Wie hat die Bundesregierung die Stiftung Deutsches Sport &Olympia Museum bzw. das Museum in Köln selbst seit Gründungim Jahr 1999 unterstützt, und wie wird sie es künftig tun?Die Bundesregierung hat für die Errichtung des DeutschenSport- und Olympia-Museums in Köln 5,92 MillionenDM, 3 Millionen Euro, <strong>zu</strong>r Verfügung gestellt. Eineweitere Beteiligung, insbeson<strong>der</strong>e an den Betriebs- undAnlage 30Antwortdes Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die <strong>Frage</strong> desAbgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/4153,<strong>Frage</strong> 64):Teilt die Bundesregierung die Einschät<strong>zu</strong>ng von einigenWissenschaftlern, die in Be<strong>zu</strong>g auf § 52 a des Urheberrechtsgesetzesdavon sprechen, dass die Auslegung und Anwendungdes § 52 a häufig nicht verfassungskonform und darüberhinaus europarechtswidrig sei, und sind <strong>der</strong> BundesregierungFälle bekannt, in denen <strong>der</strong> § 52 a durch Universitäten in einerunrechtmäßigen Form angewendet worden ist?


8898 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010(A)(B)§ 52 a des Urheberrechtsgesetzes, UrhG, (C) erlaubt dieNut<strong>zu</strong>ng von urheberrechtlich geschützten Inhalten inschulischen und universitären Intranets. Der Bundesregierungsind keine Entscheidungen <strong>der</strong> Rechtsprechungbekannt, aus denen hervorgeht, dass die Auslegung undAnwendung von § 52 a UrhG etwa an Universitätennicht verfassungskonform erfolge.Europarechtlich ist daran <strong>zu</strong> erinnern, dass § 52 a UrhGmit dem sogenannten Ersten Korb <strong>der</strong> Urheberrechtsreformeingeführt wurde, mit dem die Richtlinie Urheberrechtin <strong>der</strong> Informationsgesellschaft, Richtlinie2001/29/EG <strong>zu</strong>r Harmonisierung bestimmter Aspektedes Urheberrechts und <strong>der</strong> verwandten Schutzrechte in<strong>der</strong> Informationsgesellschaft, umgesetzt wurde. Dabeihatte <strong>der</strong> Gesetzgeber im Interesse von Unterricht undWissenschaft von <strong>der</strong> Möglichkeit des Art. 5 Abs. 3Buchstabe a <strong>der</strong> Richtlinie Gebrauch gemacht, die Nut<strong>zu</strong>ngvon urheberrechtlich geschützten Inhalten gesetzlichfür <strong>zu</strong>lässig <strong>zu</strong> erklären; er hat jedoch <strong>zu</strong>gleich auchden berechtigten Interessen <strong>der</strong> Schulbuchverlage und<strong>der</strong> wissenschaftlichen Verlage Rechnung getragen unddie Vorausset<strong>zu</strong>ngen des § 52 a UrhG restriktiv formuliert.So erlaubt § 52 a UrhG lediglich, dass kleine Teileeines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie einzelneBeiträge aus Zeitungen o<strong>der</strong> Zeitschriften durcheinen abgegrenzten Personenkreis genutzt werden.Ferner dürfen für den Unterrichtsgebrauch an Schulenbestimmte Werke stets nur mit Einwilligung des Berechtigtengenutzt werden. Weitere Einschränkungen geltenfür die Nut<strong>zu</strong>ng von Filmwerken.Anlage 31Antwortdes Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die <strong>Frage</strong>ndes Abgeordneten Harald Koch (DIE LINKE)(Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong>n 65 und 66):Ist die Regelung im Umsatzsteuer-Anwendungserlass,UStAE, <strong>zu</strong> § 4 Nr. 21 des Umsatzsteuergesetzes, UStG, unterPunkt 4.21.2 Ergän<strong>zu</strong>ngsschulen , Abs. 3 Satz 2 <strong>der</strong>art <strong>zu</strong>verstehen, dass sämtliche Maßnahmen nach § 46 Abs. 1 Nr. 1bis 5 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (Maßnahmen <strong>zu</strong>rAktivierung und beruflichen Einglie<strong>der</strong>ung) gegebenenfallsauch in Kombination umsatzsteuerbefreit sind, und, wennnein, welche Varianten bzw. Kombinationen sind von <strong>der</strong> Umsatzsteuerbefreiungausgenommen?Welche Rechtssicherheit ist für eine durchführende Bildungseinrichtunggegeben, wenn sie gemäß <strong>der</strong> Steuerbefreiungsregelungennach § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabebb UStG Leistungen privater Schulen und an<strong>der</strong>erallgemeinbilden<strong>der</strong> o<strong>der</strong> berufsbilden<strong>der</strong> Einrichtungen von<strong>der</strong> <strong>zu</strong>ständigen Landesbehörde für eine bestimmte Maßnahmeeine <strong>der</strong>artige Bescheinigung erhalten hat?Zu <strong>Frage</strong> 65:Die Bescheinigung <strong>der</strong> <strong>zu</strong>ständigen Landesbehördebindet nach <strong>der</strong> Rechtsprechung des Bundesfinanzhofsals Grundlagenbescheid die Finanzverwaltung hinsichtlich<strong>der</strong> <strong>Frage</strong>, ob und für welchen Zeitraum die Bildungseinrichtungauf einen Beruf o<strong>der</strong> auf eine vor einerjuristischen Person des öffentlichen Rechts ab<strong>zu</strong>legendePrüfung ordnungsgemäß vorbereitet. Die Finanzbehördenentscheiden jedoch in eigener Zuständigkeit, ob dieVorausset<strong>zu</strong>ngen <strong>der</strong> Steuerbefreiung im Übrigen vorliegen.Da<strong>zu</strong> gehören laut Bundesfinanzhof insbeson<strong>der</strong>edie Vorausset<strong>zu</strong>ngen einer allgemeinbildenden o<strong>der</strong> berufsbildendenEinrichtung.Anlage 32Antwortdes Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die <strong>Frage</strong>des Abgeordneten Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 67):Welche Neuregelung plant die Bundesregierung bei <strong>der</strong>Verlustverrechnung nach dem vorläufigen Beschluss des Bundesfinanzhofsvom 26. August 2010, und welche Maßnahmenstrebt die Bundesregierung diesbezüglich <strong>zu</strong>r Kompensationvon Einnahmeausfällen bei Bund, Län<strong>der</strong> und Kommunenan?Im Beschluss vom 26. August 2010 (I B 49/10) hält<strong>der</strong> BFH die sogenannte Mindestgewinnbesteuerungnach § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG im Grundsatz für verfassungskonform.Er äußert aber nach summarischer PrüfungZweifel, ob das Zusammenwirken <strong>der</strong> Mindestgewinnbesteuerungmit gesetzlichen Regelungen, die inspeziellen Konstellationen wie <strong>zu</strong>m Beispiel bei einemAnteilseignerwechsel an einer Kapitalgesellschaft <strong>zu</strong>mWegfall von Verlustvorträgen führen, verfassungsrechtlichenAnfor<strong>der</strong>ungen genügt.Der Beschluss ist in einem Verfahren <strong>zu</strong>m vorläufigenRechtsschutz (Ausset<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> Vollziehung eines Steuerbescheids)ergangen. Vorläufiger Rechtsschutz wird dabeibereits dann gewährt, wenn bei summarischer Prüfungdes angefochtenen Steuerbescheids gewichtigeGründe <strong>zu</strong>tage treten, die Unentschiedenheit o<strong>der</strong> Unsicherheitin <strong>der</strong> Beurteilung von Rechtsfragen bewirken.Es bleibt ab<strong>zu</strong>warten, ob <strong>der</strong> BFH seine Rechtsauffassungauch in einem Hauptsacheverfahren aufrechterhält.Im Übrigen sieht <strong>der</strong> Koalitionsvertrag zwischen CDU,CSU und FDP eine Prüfung <strong>der</strong> Neustrukturierung <strong>der</strong>Regelungen <strong>zu</strong>r Verlustverrechnung vor, die auch dieMindestgewinnbesteuerung einschließt.(D)Zu <strong>Frage</strong> 65:Ja, die von Ihnen angesprochene Regelung im Umsatzsteuer-Anwendungserlassist so <strong>zu</strong> verstehen, dass sämtlicheMaßnahmen nach § 46 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 SGB III(Maßnahmen <strong>zu</strong>r Aktivierung und beruflichen Einglie<strong>der</strong>ung) gegebenenfalls auch in Kombination, umsatzsteuerbefreitsind. Eine Differenzierung nach Einzelmaßnahmeno<strong>der</strong> Maßnahmenkombinationen ist nichterfor<strong>der</strong>lich.Anlage 33Antwortdes Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die <strong>Frage</strong>des Abgeordneten Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 68):Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung alsReaktion auf die Stellungnahme <strong>der</strong> EU-Kommission vom30. September 2010 im Vertragsverlet<strong>zu</strong>ngsverfahren


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8899(A)(B)(C)(Nr. 2008/4909) bezüglich <strong>der</strong> Organschaft und in welchemZeitrahmen?Im Vertragsverlet<strong>zu</strong>ngsverfahren <strong>zu</strong>r Organschaft(VVV 2008/4909) greift die Europäische Kommissioneine Vorschrift auf, nach <strong>der</strong> als Organgesellschaft nurKapitalgesellschaften in Betracht kommen, die sowohlihren Sitz als auch den Ort <strong>der</strong> Geschäftsleitung im Inlandhaben (sogenannter doppelter Inlandsbe<strong>zu</strong>g). Eshandelt sich dabei lediglich um eine Detailfrage innerhalb<strong>der</strong> deutschen Organschaftsregelungen; die Organschaftsregelungenwerden wie die Europäische Kommissionausdrücklich klarstellt in ihrer Gesamtheit von<strong>der</strong> Europäischen Kommission nicht beanstandet.Die Bundesrepublik Deutschland hat <strong>zu</strong> <strong>der</strong> mit Gründenversehenen Stellungnahme <strong>der</strong> Europäischen Kommissionvom 30. September 2010 Stellung genommen. Indieser Stellungnahme wurde darauf hingewiesen, dass<strong>der</strong> Koalitionsvertrag <strong>der</strong> Regierungsparteien die Prüfung<strong>der</strong> Einführung eines mo<strong>der</strong>nen Gruppenbesteuerungssystemsanstelle <strong>der</strong> bisherigen Organschaft vorsieht. Indiesem Zusammenhang wird auch die im Vertragsverlet<strong>zu</strong>ngsverfahrenangesprochene Detailfrage aufgegriffen.Das Bundesministerium <strong>der</strong> Finanzen wird bis September2011 Vorschläge <strong>zu</strong> dem Prüfauftrag aus demKoalitionsvertrag vorlegen.Anlage 34Antwortdes Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die <strong>Frage</strong><strong>der</strong> Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)(Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 69):Welche Einzeldaten sind den Finanzbehörden bekannt, dieim Rahmen einer vorausgefüllten Steuererklärung dem Steuerpflichtigenbereitgestellt werden können, und bezieht sichdie von <strong>der</strong> Bundesregierung angestrebte vorausgefüllteSteuererklärung lediglich auf Fälle <strong>der</strong> Onlineerklärung viaElster o<strong>der</strong> auch auf die Zusendung von vorausgefüllten Vordruckenan den Steuerpflichtigen auch vor dem Hinblick einerDifferenzierung zwischen Steuerpflichtigen als natürlichePersonen mit Neben- bzw. Haupteinkünften und <strong>der</strong> Besteuerungvon juristischen Personen?Bund und Län<strong>der</strong> streben seit geraumer Zeit an, dasBesteuerungsverfahren grundlegend <strong>zu</strong> mo<strong>der</strong>nisieren,um die Qualität des Steuervoll<strong>zu</strong>gs <strong>zu</strong> verbessern undBürokratiekosten ab<strong>zu</strong>bauen. Um dies <strong>zu</strong> erreichen, sollensukzessive für möglichst alle Phasen im BesteuerungsprozessIT-basierte Verfahren entwickelt und angebotenwerden.In diesem Zusammenhang soll auch eine elektronischvorausgefüllte Einkommensteuererklärung <strong>zu</strong>m Einsatzkommen, die über das Verfahren Elster <strong>zu</strong> Beginn fürdas ElsterOnlinePortal und im Anschluss daran sowohlfür die kostenlose Steuersoftware <strong>der</strong> FinanzverwaltungElsterFormular als auch für kommerzielle Softwareprodukteals Service angeboten werden soll. Die <strong>der</strong>Finanzverwaltung bereits vorliegenden aktuellen Datendes Veranlagungsjahres sollen automatisch in den richtigenFel<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Erklärung beigesteuert werden. Macht<strong>der</strong> Steuerpflichtige von dem Serviceangebot Gebrauch,ruft er seine Erklärung im Internet ab und sendet sie nachPrüfung und gegebenenfalls Ergän<strong>zu</strong>ng an die Finanzbehörde<strong>zu</strong>rück.Damit eine Vorausgefüllte Steuererklärung bei denBürgerinnen und Bürgern auf breite Akzeptanz stößt, istein soli<strong>der</strong> Datenbestand für die Voreintragungen (sogenannteeBeleg-Daten) Vorausset<strong>zu</strong>ng. Wichtige Schritte<strong>zu</strong>r Verbreiterung <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Finanzverwaltung bei<strong>zu</strong>steuerndenDatenbasis wurden bereits unternommen. Sowurden insbeson<strong>der</strong>e die gesetzlichen Regelungen <strong>zu</strong>relektronischen Übermittlung <strong>der</strong> Daten <strong>der</strong> Rentenbe<strong>zu</strong>gsmitteilungen,<strong>der</strong> Bescheinigungsdaten über Lohn-/Entgeltersatzleistungen, über geleistete Altersvorsorgebeiträge,über Beiträge <strong>zu</strong>r privaten und gesetzlichenBasiskranken- und Pflegepflichtversicherung sowie überZuwendungsnachweise (Spendenbescheinigungen) geschaffen.Eine Verordnung <strong>zu</strong>r Übermittlung von Bescheinigungsdatenüber vermögenswirksame Leistungenist in Vorbereitung.Insgesamt handelt es sich um ein technisch sehr anspruchsvollesVorhaben. Deshalb wird die Bereitstellung<strong>der</strong> eBeleg-Daten stufenweise erfolgen. In <strong>der</strong> erstenStufe sollen die Daten aus <strong>der</strong> Lohnsteuerbescheinigung,aus Lohnersatzleistungen und Rentenbe<strong>zu</strong>gsmitteilungenbereitgestellt werden. Nach Verfügbarkeit weitererDaten wird das Angebot dann jährlich ausgebaut. Angestrebtwird, für das Gros <strong>der</strong> Bürgerinnen und Bürgereine weitgehend papierlose Kommunikation zwischenSteuerbürger und Finanzverwaltung bis 2013 <strong>zu</strong> erreichen.Mit <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung des Besteuerungsverfahrensist die Zielset<strong>zu</strong>ng einer möglichst weitgehend ohne <strong>zu</strong>sätzlichenErfassungsaufwand und den damit verbundenenReibungsverlusten und zeitlichen Verzögerungenstattfindenden Kommunikation zwischen Bürgerinnenund Bürgern auf <strong>der</strong> einen und <strong>der</strong> Finanzverwaltung auf<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite verbunden. Eine vorausgefüllte Papier-Steuerklärung ist daher nicht vorgesehen.Anlage 35Antwortdes Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die <strong>Frage</strong><strong>der</strong> Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)(Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 70):Welcher Vereinfachungseffekt bei Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetragesauf 1 000 Euro tritt bei Steuerpflichtigenmit tatsächlichen Werbungskosten unter 920 Euro hinsichtlichdes Erfor<strong>der</strong>nisses <strong>der</strong> Belegpflichten ein, und stimmtdie Bundesregierung <strong>zu</strong>, dass in den genannten Fällen die Erhöhungdes Pauschbetrages <strong>zu</strong> Mitnahmeeffekten führt?Eine Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages auf1 000 Euro wird <strong>zu</strong>sätzlich gut eine halbe Million Arbeitnehmervon Einzelnachweisen befreien. Die von Ihnenim Übrigen angesprochenen Effekte können bei jedemsteuerlichen Pauschbetrag eintreten.(D)


8900 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010(A)Anlage 36Antwort(C)des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die <strong>Frage</strong><strong>der</strong> Abgeordneten Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) (Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 71):übersandte Rechnungen brauchen nicht in Papierformaufbewahrt <strong>zu</strong> werden.Die Entlastung bei <strong>der</strong> elektronischen Rechnungsstellungkommt allen Unternehmen <strong>zu</strong>gute, die die Vereinfachungin Anspruch nehmen. Gleiches gilt für die übrigenMaßnahmen.(B)Wie berechnete die Bundesregierung die in ihrer Initiative<strong>zu</strong>r Steuervereinfachung geplanten aufkommensneutralenEntlastungen von rund 4 Milliarden Euro für Unternehmen vergleiche Pressemeldungen vom 10. Dezember 2010 imGenauen bitte komplette Maßnahmen auflisten und finanzielleWirkungen im Detail aufschlüsseln , und wie will dieBundesregierung sicherstellen, dass ausschließlich kleine undmittlere Unternehmen von den Entlastungen profitieren?Das vorgesehene Paket gesetzlicher Maßnahmen <strong>zu</strong>rSteuervereinfachung zielt im Verbund mit flankierendenuntergesetzlichen Maßnahmen im Besteuerungsverfahrenin erster Linie darauf ab, ein Weniger an ErklärungsundPrüfaufwand und ein Mehr an Vorhersehbarkeit undPlanungssicherheit <strong>zu</strong> bewirken. Die damit verbundenefinanzielle Steuerentlastung ist mit Blick auf die Situation<strong>der</strong> öffentlichen Haushalte auf ein verkraftbaresMaß begrenzt worden. Oberste Priorität hat die Einhaltung<strong>der</strong> Schuldenbremse des Grundgesetzes und damitdie Umset<strong>zu</strong>ng des von <strong>der</strong> Bundesregierung eingeschlagenenkonsequenten Konsolidierungskurses. Aber auchwenn nur eine begrenzte monetäre Steuerentlastungmöglich ist, so wird die Gesamtbelastung von Bürgernund Unternehmen durch die Vereinfachungsmaßnahmendeutlich gesenkt: Allein die Unternehmen in Deutschlandwerden durch die vorgeschlagenen Maßnahmen <strong>zu</strong>rSteuervereinfachung um circa 4 Milliarden Euro proJahr an Bürokratieaufwand entlastet.Anlage 37Antwortdes Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die <strong>Frage</strong>des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) (Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 72):Gibt es konkrete Kompensationsgeschäfte wie etwa, von<strong>der</strong> Rheinischen Post am 9. Dezember 2010 veröffentlicht, einEinlenken Deutschlands beim Euro-Rettungsschirm , die imGegen<strong>zu</strong>g <strong>zu</strong>m Zugeständnis <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en EU-Staaten anDeutschland bei den Kohlebeihilfen gemacht werden, und,wenn ja, welche?Die Bundesregierung hat sich mit großem Nachdruckdafür eingesetzt, dass die auf nationaler Ebene vereinbartenRegelungen für ein sozialverträgliches Auslaufendes subventionierten heimischen Steinkohlenbergbausbis Ende 2018 durch einen entsprechenden EU-Beihilferahmenabgesichert werden. Ich bin sehr <strong>zu</strong>frieden, dassdies mit überzeugenden Argumenten inzwischen gelungenist. Ein Zusammenhang mit an<strong>der</strong>en <strong>zu</strong>rzeit auf EU-Ebene diskutierten Dossiers wurde dabei nicht hergestellt.Anlage 38(D)Die ausgewiesenen Bürokratiekosteneinsparungen inHöhe von circa 4 Milliarden Euro pro Jahr beruhen imWesentlichen auf <strong>der</strong> geplanten Erleichterung bei <strong>der</strong>elektronischen Rechnungsstellung im Umsatzsteuerrecht.Nachstehend die weiteren Maßnahmen mit relevantenzahlenmäßig bezifferten Bürokratiekosteneinsparungenfür die Wirtschaft: Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens in <strong>der</strong>Forstwirtschaft durch Verzicht auf amtlich anerkanntesBetriebsgutachten o<strong>der</strong> Betriebswerk als Vorausset<strong>zu</strong>ngfür die Feststellung des Nut<strong>zu</strong>ngssatzes fürdie ermäßigte Besteuerung Bürokratiekosteneinsparungenin Höhe von 0,7 Millionen Euro; elektronische Abgabe <strong>der</strong> Erklärung <strong>zu</strong>r Körperschaftsteuerzerlegung Bürokratiekosteneinsparungenin Höhe von 1 Million Euro.Die Erleichterung bei <strong>der</strong> elektronischen Rechnungsstellungverteilt sich wie<strong>der</strong>um auf drei einzelne Informationspflichten:Ausstellung von Rechnungen für diegesetzlich bestehende Pflicht, für Umsätze an an<strong>der</strong>eUnternehmen Rechnungen <strong>zu</strong> erteilen, schlägt die vorgeseheneelektronische Rechnungserteilung durch, Verzichtauf die qualifizierte elektronische Signatur beielektronisch übermittelten Rechnungen Unternehmen,die diese weiter benutzen wollen, dürfen dies und Aufbewahrungvon Rechnungen elektronisch erstellte undAntwortdes Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die <strong>Frage</strong>des Abgeordneten Richard Pitterle (DIE LINKE)(Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 73):Wie viele Verwaltungsanweisungen wurden durch dasBundesministerium <strong>der</strong> Finanzen in den Jahren 2000 bis 2010hinsichtlich eines vereinfachten Spendennachweises bei Naturkatastrophenerlassen bitte differenziert nach Jahren ,und welchen Effekt misst die Bundesregierung einer Verkür<strong>zu</strong>ng<strong>der</strong> Aufbewahrungszeiten auf deutlich unter zehn Jahrefür Belege für Privatpersonen bzw. Gewerbetreibende <strong>zu</strong>?Zum ersten Teil <strong>der</strong> <strong>Frage</strong> nehme ich wie folgt Stellung:Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden<strong>der</strong> Län<strong>der</strong> hat das Bundesministerium <strong>der</strong> Finanzen imJahr 2010 Verwaltungsanweisungen <strong>zu</strong>r Unterstüt<strong>zu</strong>ng<strong>der</strong> Opfer des Erdbebens in Haiti im Januar 2010, vergleicheBMF-Schreiben vom 4. Februar 2010, und <strong>zu</strong>r Unterstüt<strong>zu</strong>ng<strong>der</strong> Opfer <strong>der</strong> Flutkatastrophe in Pakistan imSommer 2010, vergleiche BMF-Schreiben vom 25. August2010, als Hilfsmaßnahme <strong>zu</strong>r Beseitigung <strong>der</strong> beidiesen Katastrophen entstandenen beträchtlichen Schädenherausgegeben. Diese BMF-Schreiben regelten unteran<strong>der</strong>em auch Erleichterungen <strong>zu</strong>m Spendennachweisbei Naturkatastrophen.Im Jahr 2002 erging ein bundeseinheitlich abgestimmterKatastrophenerlass <strong>zu</strong>r Unterstüt<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> Opfer <strong>der</strong>Hochwasserkatastrophe im August 2002, die in weiten


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8901(A)(B)Teilen des Bundesgebiets erhebliche Schäden (C) hervorgerufenhat, vergleiche BMF-Schreiben vom 1. Oktober2002. Weitere Katastrophenerlasse wurden durch dasBundesministerium <strong>der</strong> Finanzen <strong>zu</strong>r Hilfe <strong>der</strong> Opfer <strong>der</strong>Seebebenkatastrophe im Dezember 2004 in Indien, Indonesien,Sri Lanka, Thailand, Malaysia, Birma (Myanmar),Bangladesch, auf den Malediven, den Seychellensowie in Kenia, Tansania und Somalia, vergleiche BMF-Schreiben vom 14. Januar 2005, sowie <strong>zu</strong>r Unterstüt<strong>zu</strong>ng<strong>der</strong> Opfer des Hurrikans Katrina im Süden <strong>der</strong> USA imSommer 2005, vergleiche BMF-Schreiben vom 19. September2005, herausgegeben.Eine ausführliche Aufzählung <strong>der</strong> seit dem Jahr 2000erlassenen Verwaltungsanweisungen <strong>zu</strong>r Regelungsteuerlicher Erleichterungen in Katastrophenfällen warin <strong>der</strong> Kürze <strong>der</strong> <strong>zu</strong>r Verfügung stehenden Zeit lei<strong>der</strong>nicht möglich.Zum zweiten Teil <strong>der</strong> <strong>Frage</strong> nehme ich wie folgt Stellung:Nach den Vorschriften <strong>der</strong> Abgabenordnung, AO, habenUnternehmen Bücher und Aufzeichnungen sowiealle Unterlagen, die für die Besteuerung von Bedeutungsind, sechs bzw. zehn Jahre auf<strong>zu</strong>bewahren.Eine entsprechende Aufbewahrungspflicht ergibt sichauch aus § 257 Handelsgesetzbuch, HGB.Für Steuerpflichtige, <strong>der</strong>en Summe <strong>der</strong> positivenÜberschusseinkünfte mehr als 500 000 Euro im Kalen<strong>der</strong>jahrbeträgt, sieht § 147 a AO eine sechsjährige Aufbewahrungspflichtfür Aufzeichnungen und Unterlagenüber die den Überschusseinkünften <strong>zu</strong>grunde liegendenEinnahmen und Werbungskosten vor. Demgegenüber habenPrivatpersonen nur bei ganz bestimmten Sachverhalteneine Aufbewahrungspflicht, wie <strong>zu</strong>m Beispiel beiRechnungen im Zusammenhang mit Vermietungseinkünften.Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrundihrer Breitbandstrategie und <strong>der</strong> Tatsache, dass die Mobilfunkanbieterbeim Breitbandausbau LTE-Technologie einetragende Rolle spielen sollen, dass die Bundesnetzagentur dieTerminierungsentgelte für die Mobilfunkanbieter auf dieHälfte gesenkt hat, obwohl eine solche drastische Senkungungewöhnlich ist bisher waren 16 bis 19 Prozent schonviel , und dadurch den Mobilfunkanbietern möglicherweiseErlöse für Investitionen in den Breitbandausbau fehlen?Die Bundesnetzagentur entscheidet unabhängig aufBasis <strong>der</strong> gesetzlichen Grundlagen. Daher kann die Bundesregierung<strong>zu</strong> <strong>der</strong> genannten Entscheidung inhaltlichnicht Stellung nehmen. Allerdings erwartet die Bundesregierung,dass <strong>der</strong> Ausbau von mobilem Breitband ungeachtet<strong>der</strong> Entscheidung <strong>der</strong> Bundesnetzagentur weitervoranschreiten wird.Anlage 40Antwortdes Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die <strong>Frage</strong> des AbgeordnetenGerd Bollmann (SPD) (Drucksache 17/4153,<strong>Frage</strong> 75):Wann wird die Bundesregierung den CCS-Gesetzentwurfvorstellen, und wie sollen die Kompetenzen für die Bundeslän<strong>der</strong>geregelt werden?Die Richtlinie 2009/31/EG des Europäischen Parlamentsund des Rates vom 23. April 2009 über die geologischeSpeicherung von Kohlendioxid muss bis 25. Juni2011 umgesetzt werden. Eine zügige Kabinettsbefassungdes gemeinsamen CCS-Referentenentwurfs des BMUund des BMWi <strong>zu</strong>r Umset<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> Richtlinie in nationalesRecht wird angestrebt. In Einzelfragen ist die Meinungsbildunginnerhalb <strong>der</strong> Bundesregierung noch nichtabgeschlossen.Anlage 41(D)Die Bundesregierung definiert in ihrem Kabinettsbeschlussvom 27. Januar 2010 die Harmonisierung undVerkür<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> Aufbewahrungs- und Prüfungsfristennach Handels-, Steuer- und Sozialrecht als eines von achtProjekten in prioritären Lebens- und Rechtsbereichen, indenen die Erzielung spürbarer Vereinfachungen geprüftwerden. Dabei werden wir auch untersuchen, inwieweitbestehendes Vereinfachungspotenzial tatsächlich umgesetztwerden kann, denn Unterlagen werden nicht nur aushandels-, steuer- o<strong>der</strong> sozialrechtlichen Gründen aufbewahrt.Hin<strong>zu</strong> kommt eine Rechtsfolgenabschät<strong>zu</strong>ng, in<strong>der</strong> wir die Auswirkungen von potenziellen Rechtsän<strong>der</strong>ungenauf das Normengefüge beurteilen müssen. Es handeltsich um einen laufenden Prozess. Ergebnisse könnennaturgemäß erst bei Abschluss des Projektes vorliegen.Anlage 39AntwortAntwortdes Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die<strong>Frage</strong> des Abgeordneten <strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> (Spandau) (SPD)(Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 76):Weshalb wird bei <strong>der</strong> Leistungserbringung für Schulausflügeund Klassenfahrten auf Gutscheine verwiesen, obwohl<strong>der</strong> Gesetzentwurf <strong>der</strong> Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes<strong>zu</strong>r Ermittlung von Regelbedarfen und <strong>zu</strong>r Än<strong>der</strong>ungdes Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vorsieht,dass für diese Leistungen die tatsächlichen Kosten übernommenwerden?Die Leistungserbringung durch Gutscheine schließteine Übernahme <strong>der</strong> tatsächlichen Kosten ein. Der Gutscheinist das Versprechen des Leistungsträgers, für dieErbringung <strong>der</strong> im Gutschein genannten Leistungen dieentsprechende Vergütung <strong>zu</strong> zahlen. Steht die Höhe <strong>der</strong>Vergütung <strong>zu</strong>m Zeitpunkt <strong>der</strong> Ausstellung noch nichtfest, steht dies einer Erteilung des Zahlungsversprechensnicht entgegen, wenn die Vergütungshöhe bestimmbarist.des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die <strong>Frage</strong> desAbgeordneten Thomas Jarzombek (CDU/CSU)(Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 74):Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass <strong>der</strong> Gesetzentwurffür mehrtägige Klassenfahrten sowohl imRegierungsentwurf als auch in <strong>der</strong> vom Bundestag be-


8902 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010(A)(B)schlossenen Fassung in Art. 2, § 29 vorsieht, (C) dass mehrtägigeKlassenfahrten wie bisher auch durch Geldleistunggedeckt werden können.Anlage 42Antwortdes Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die<strong>Frage</strong> des Abgeordneten <strong>Swen</strong> <strong>Schulz</strong> (Spandau) (SPD)(Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 77):Nach welchen Kriterien soll ein persönlicher Berater imJobcenter über den individuellen Bedarf für die Art <strong>der</strong> Lernför<strong>der</strong>ungentscheiden, sofern keine Empfehlung eines Fachlehrersvorliegt, und ab wann stehen hierfür geschulte Mitarbeiter<strong>zu</strong>r Verfügung?Ausgangspunkt für die Feststellung des Bedarfes fürLernför<strong>der</strong>ung ist regelmäßig die fachkundige Stellungnahmeeiner Lehrerin o<strong>der</strong> eines Lehrers. Auch für die<strong>Frage</strong>, ob schulische Angebote ausreichen, um festgestellteLerndefizite <strong>zu</strong> beheben, werden regelmäßig Angabenaus <strong>der</strong> Schule erfor<strong>der</strong>lich sein. Stellen Lehrerinnenund Lehrer o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e fachkundige PersonenLerndefizite fest, die durch Lernför<strong>der</strong>ung behoben werdenkönnen, und liegen die weiteren Anspruchsvorausset<strong>zu</strong>ngenvor, so haben die Mitarbeiterinnen o<strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>der</strong> Jobcenter die erfor<strong>der</strong>liche Lernför<strong>der</strong>ung <strong>zu</strong>bewilligen. Ihnen steht dabei kein Ermessensspielraum<strong>zu</strong>r Verfügung.Die Bundesagentur für Arbeit wird <strong>zu</strong>r Feststellungdes Lernför<strong>der</strong>bedarfes ein Formular Bestätigung <strong>der</strong>Schule bereitstellen, das die für das Jobcenter erfor<strong>der</strong>lichenEntscheidungsgrundlagen enthält und als Nachweis<strong>der</strong> Leistungsvorausset<strong>zu</strong>ngen dient. Daneben sindbeson<strong>der</strong>e personelle Maßnahmen <strong>zu</strong>r Umset<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong>Lernför<strong>der</strong>ung nicht erfor<strong>der</strong>lich und auch nicht beabsichtigt.Anlage 43besuch nicht zwingend mit Vollendung des 18. Lebensjahresendet, musste die Altersgrenze für diese Leistungenangehoben werden. Entsprechend <strong>der</strong> bestehendenSystematik im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch wurdedie Vollendung des 25. Lebensjahres als Altersgrenzeeingeführt. Die Altersgrenze wurde im Zweiten BuchSozialgesetzbuch auf Beschlussempfehlung des Bundestagsausschussesfür Arbeit und Soziales vom 15. Februar2006, Bundestagsdrucksache 16/688, mit dem Gesetz<strong>zu</strong>r Än<strong>der</strong>ung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch<strong>zu</strong>m 1. Juli 2006 eingeführt.Zu <strong>Frage</strong> 79:Die Bildungs- und Teilhabeleistungen sind Teil desGesetzentwurfs <strong>zu</strong>r Ermittlung von Regelbedarfen und<strong>zu</strong>r Än<strong>der</strong>ung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch.Der Bundesrat wird am 17. Dezember 2010über den Entwurf abstimmen. Bei Zustimmung durchden Bundesrat und Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblattvor dem 1. Januar 2011 werden die Bildungs-und Teilhabeleistungen bundesweit durch dieJobcenter angeboten. Für das Schulbasispaket ist ein Inkrafttretenerst <strong>zu</strong>m 1. August 2011 vorgesehen, da dieLeistungen für das laufende Schuljahr bereits im August2010 im Rahmen des existenten Schulbedarfspakets ausgezahltworden sind.Anlage 44Antwortdes Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die <strong>Frage</strong>ndes Abgeordneten Werner Dreibus (DIE LINKE)(Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong>n 80 und 81):Ist für das Bildungspaket Leistungen <strong>zu</strong> Bildung undTeilhabe nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch eineDeckelung vorgesehen, und wie gestaltet sich die Regelungfür Geringverdiener?Wie hoch sind die Umset<strong>zu</strong>ngskosten Personal- und Verwaltungskosten an den Gesamtkosten des Bildungspaketes?(D)AntwortZu <strong>Frage</strong> 80:des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die <strong>Frage</strong>n<strong>der</strong> Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm (SPD)(Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong>n 78 und 79):Zu <strong>Frage</strong> 78:Wie begründet die Bundesregierung die im Gesetzentwurf<strong>zu</strong>r Ermittlung von Regelbedarfen und <strong>zu</strong>r Än<strong>der</strong>ung desZweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vorgenommeneunterschiedliche Altersgrenze beim Bildungs- und Teilhabepaketvon 18 Jahren einerseits und 25 Jahren an<strong>der</strong>erseits?Welche Basisleistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaketwerden ab 1. Januar 2011 flächendeckend bundesweitdurch die Jobcenter angeboten?Die Leistungen für Bildung und Teilhabe unterteilensich in Bedarfe, die nur im Zusammenhang mit demSchulbesuch auftreten können Schulausflüge, Schulbedarf,Schülerbeför<strong>der</strong>ung, Lernför<strong>der</strong>ung und Mittagsverpflegung und solche, die eine Teilhabe am sozialenund kulturellen Leben ermöglichen sollen. Da <strong>der</strong> Schul-Die Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach § 28SGB II in <strong>der</strong> Fassung des Gesetzentwurfs sind mitAusnahme des Schulbasispakets und <strong>der</strong> Leistung <strong>zu</strong>rsozialen und kulturellen Teilhabe nicht <strong>der</strong> Höhe nachbegrenzt. Eine Begren<strong>zu</strong>ng ergibt sich aber mittelbaraufgrund <strong>der</strong> jeweiligen Anspruchsvorausset<strong>zu</strong>ngen beispielsweisedann, wenn als Zuschuss <strong>zu</strong>m Mittagessennur die Differenz zwischen Eigenanteil und Preis desMittagessens gezahlt wird.Eine Son<strong>der</strong>regelung nur für Geringverdiener gibt esnicht. Geringverdiener können erwerbstätige hilfebedürftigeJugendliche o<strong>der</strong> Eltern sein, die ArbeitslosengeldII beziehen, o<strong>der</strong> kin<strong>der</strong><strong>zu</strong>schlagsberechtigte Eltern.Diese sind genauso anspruchsberechtigt wie auchLeistungsberechtigte nach dem SGB XII. Die Leistungenfür Bildung und Teilhabe sind im Bundeskin<strong>der</strong>geldgeset<strong>zu</strong>nd im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch jeweilsin <strong>der</strong> Fassung des Gesetzentwurfs unterschiedlichausgestaltet. Neben den oben bereits genannten Leistun-


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8903(A)gen werden im Bundeskin<strong>der</strong>geldgesetz auch (C) die Leistungenfür die Schülerbeför<strong>der</strong>ung in pauschalierterHöhe erbracht. Grundsätzlich gilt das Folgende: Sofern nach Berücksichtigung vorrangiger Bedarfe noch <strong>zu</strong>berücksichtigendes Einkommen vorhanden ist, deckt esdie Bedarfe für Bildung und Teilhabe und vermin<strong>der</strong>tden Leistungsanspruch entsprechend.Zu <strong>Frage</strong> 81:Die Gesamtkosten des Bildungs- und Teilhabepaketsin den Bereichen SGB II, SGB XII und dem Kin<strong>der</strong><strong>zu</strong>schlagnach dem Bundeskin<strong>der</strong>geldgesetz belaufen sichauf rund 740 Millionen Euro.Im Verwaltungsbereich werden die Mehraufwendungenfür die Leistungsträger <strong>der</strong> Grundsicherung für Arbeitsuchendeaufgrund <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Leistungenfür Bildung und Teilhabe auf rund 135 Millionen Euroim Jahr 2011 und auf 110 Millionen Euro ab dem Jahr2012 geschätzt.Anlage 46Antwortdes Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die<strong>Frage</strong> <strong>der</strong> Abgeordneten Dr. Carola Reimann (SPD)(Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 84):Ist <strong>der</strong> Bundesregierung bekannt, welche Praktiken Arbeitgeberin <strong>der</strong> ambulanten Pflege nutzen, um die Bezahlungdes Mindestlohns <strong>zu</strong> umgehen, und was gedenkt die Bundesregierungdagegen <strong>zu</strong> tun?Die Bundesregierung verfolgt aufmerksam die Entwicklungin <strong>der</strong> Pflegebranche, wie auch in den übrigenBranchen, in denen ein Mindestlohn nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetzeingeführt worden ist. Da<strong>zu</strong> gehörtauch <strong>der</strong> Bereich <strong>der</strong> Kontrolle.Unabhängig davon sieht die Bundesregierung dasnach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz <strong>zu</strong>r Verfügungstehende Kontroll- und Sanktionsinstrumentarium alsausreichend an.(B)Anlage 45Antwortdes Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die <strong>Frage</strong>n<strong>der</strong> Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIELINKE) (Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong>n 82 und 83):Wie viel <strong>zu</strong>sätzliches Personal wird den Grundsicherungsstellen<strong>zu</strong>r Umset<strong>zu</strong>ng des Bildungspaketes Leistungen <strong>zu</strong>Bildung und Teilhabe nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch <strong>zu</strong>r Verfügung gestellt bitte nach Bundeslän<strong>der</strong>n aufglie<strong>der</strong>n, und ab welchem Zeitpunkt steht dieses vollständig<strong>zu</strong>r Verfügung?Anlage 47Antwort<strong>der</strong> Parl. Staatssekretärin Julia Klöckner auf die <strong>Frage</strong>des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 85):Sieht sich die Bundesregierung durch die bestehende Gesetzeslageund die Ausgestaltung <strong>der</strong> DIMDI-Arzneimittelverordnung,DIMDI-AMV, in <strong>der</strong> Lage, wirksam <strong>zu</strong> kontrollieren,ob und inwieweit <strong>der</strong> Antibiotikaeinsatz in <strong>der</strong>gewerblichen Tierhaltung <strong>zu</strong>genommen hat, <strong>zu</strong>mal in <strong>der</strong> Geflügelindustrie,für die in <strong>der</strong> DIMDI-AMV aus Datenschutzgründeneine Son<strong>der</strong>fallregelung festgelegt wurde?(D)Zu <strong>Frage</strong> 82:Nach welchen Kriterien wird das Personal eingesetzt, undist für den Fall, dass ab dem 1. Januar 2011 das Bildungspaketnoch nicht umgesetzt werden kann, eine Barauszahlung <strong>der</strong>Ansprüche vorgesehen (bitte auch die Höhe <strong>der</strong> geschätztenAnsprüche nennen)?Um die Mehrbelastungen aufgrund <strong>der</strong> neuen AufgabeUmset<strong>zu</strong>ng Bildungs- und Teilhabepaket für Kin<strong>der</strong>auf<strong>zu</strong>fangen, wurden im Haushalt 2011 <strong>der</strong> Bundesagenturfür Arbeit <strong>zu</strong>sätzlich 1 300 Stellen etatisiert. Diekonkrete Verteilung dieser Stellen auf die Regionaldirektionsbezirkebefindet sich <strong>der</strong>zeit in <strong>der</strong> Abstimmungzwischen <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit und dem Bundesministeriumfür Arbeit und Soziales. Diese wird bis<strong>zu</strong>m Jahresende abgeschlossen.Zu <strong>Frage</strong> 83:Über den konkreten Einsatz des Personals entscheidendie <strong>zu</strong>künftigen gemeinsamen Einrichtungen vorOrt.Die Bundesregierung geht davon aus, dass das Gesetzgebungsvorhabenvor dem 1. Januar 2011 abgeschlossenwerden kann. Der Gesetzentwurf sieht im Übrigen mitAusnahme des Schulbasispakets und gegebenenfalls <strong>der</strong>mehrtägigen Klassenfahrten keine Geldleistungen unddamit keine Barauszahlung vor.Ziel <strong>der</strong> DIMDI-Arzneimittel-Verordnung, DIMDI-AMV, ist es, die Abgabemengen von bestimmten Arzneimittelnim Rahmen eines Monitorings <strong>zu</strong> erfassen.Mit den durch die Verordnung getroffenen Regelungenist es möglich, einen Überblick über den Umfang unddie regionale Verteilung von Antibiotika in Deutschland<strong>zu</strong> erhalten. Die Daten werden dem Bundesamt für Verbraucherschut<strong>zu</strong>nd Lebensmittelsicherheit <strong>zu</strong>r Verfügunggestellt. Diese werden in <strong>der</strong> Folge mit an<strong>der</strong>weitigerzielten Monitoringdaten <strong>zu</strong> Antibiotikaresistenzen füreine wissenschaftliche Bewertung <strong>der</strong> Resistenzsituationin Deutschland herangezogen.Da die mit <strong>der</strong> DIMDI-AMV erhobenen Daten einerRisikobewertung dienen und nicht unmittelbar <strong>der</strong> Überwachung,müssen diese aus Datenschutzgründen anonymisierterhoben werden. Diese Anonymisierung istnotwendig und behin<strong>der</strong>t nicht wie in <strong>der</strong> <strong>Frage</strong>unterstellt eine Risikobewertung des Antibiotikaeinsatzes.Die in <strong>der</strong> <strong>Frage</strong> erwähnte Ausnahmeregelung bei Geflügelbezieht sich auf den Abruf <strong>der</strong> Daten durch die <strong>zu</strong>ständigeoberste Landesbehörde. Die Ausnahme hinsichtlich<strong>der</strong> ausschließlich für Geflügel <strong>zu</strong>gelassenenTierarzneimittel bei einem Abruf <strong>der</strong> Daten durch dieLän<strong>der</strong> ist sowohl <strong>zu</strong>m Schutz personenbezogener Datenals auch <strong>zu</strong>r Einhaltung <strong>der</strong> Ermächtigung des Arzneimittelgesetzesnotwendig. Die Ausnahme läuft dem Ver-


8904 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010(A)braucherschutzzweck <strong>der</strong> DIMDI-AMV nicht (C) <strong>zu</strong>wi<strong>der</strong>.Der mit <strong>der</strong> DIMDI-AMV angestrebte Verbraucherschutzzweckwird dadurch nicht tangiert, da <strong>der</strong> Bundje<strong>der</strong>zeit auf den vollen Umfang <strong>der</strong> Daten <strong>zu</strong>rückgreifenkann.Anlage 48AntwortAnlage 49Antwortdes Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die<strong>Frage</strong> <strong>der</strong> Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Drucksache17/4153, <strong>Frage</strong> 88):Wann beabsichtigt die Bundesregierung die Anhebung <strong>der</strong>Altersgrenze von 12 auf 14 Jahre im Unterhaltsvorschussgeset<strong>zu</strong>m<strong>zu</strong>setzen, und inwieweit sind dann mit dieser Än<strong>der</strong>ungdes Unterhaltsvorschussgesetzes auch Maßnahmen <strong>zu</strong>rEntbürokratisierung beim Unterhaltsvorschuss geplant?des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die <strong>Frage</strong>ndes Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD)(Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong>n 86 und 87):Die <strong>der</strong>zeitige Haushaltslage lässt eine weitere Verfolgungdes im Frühjahr an die Ressorts versendetenEntwurfes eines UVG-Neuregelungsgesetzes nicht <strong>zu</strong>.(B)Zu <strong>Frage</strong> 86:Welche NATO-Län<strong>der</strong> haben mit welchen militärischenKräften in den vergangenen zwölf Monaten aktiv das heißtnicht anlässlich von Transiten bzw. Passagen an <strong>der</strong> OperationActive Endeavour, OAE, im Mittelmeer teilgenommen?Für welche Zeiträume haben diese Kräfte jeweils an <strong>der</strong>NATO-Mission OAE teilgenommen?An <strong>der</strong> NATO-Operation Active Endeavour haben inden vergangenen zwölf Monaten, Dezember 2009 bisOktober 2010, folgende NATO-Nationen mit aktivenKräftebeiträgen teilgenommen: Dänemark, Frankreich,Griechenland, Großbritannien, Italien, die Nie<strong>der</strong>lande,Polen, Portugal, die Türkei, die Vereinigten Staaten vonAmerika, Rumänien sowie Deutschland. Diese Nationenhaben mit Schiffen, U-Booten, Hubschraubern und Seefernaufklärern<strong>zu</strong>r Operation beigetragen.Russland und die Ukraine haben als Nicht-NATO-Län<strong>der</strong> ebenfalls an <strong>der</strong> Operation teilgenommen. Darüberhinaus wurden durch das <strong>zu</strong>ständige NATO-Hauptquartier in Neapel maritime Lage-Informationengesammelt, <strong>zu</strong>sammengeführt, ausgewertet und den Mitgliedslän<strong>der</strong>n<strong>zu</strong>r Verfügung gestellt.Anlage 50Antwortdes Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die <strong>Frage</strong>n<strong>der</strong> Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD)(Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong>n 89 und 90):Zu <strong>Frage</strong> 89:Trifft es <strong>zu</strong>, dass die Bundesregierung nicht nur im Geschäftsbereichdes Bundesministeriums für Familie, Senioren,Frauen und Jugend, son<strong>der</strong>n auch in an<strong>der</strong>en Geschäftsbereichen,wie <strong>zu</strong>m Beispiel dem Bundesministerium des Innernund dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, von denTrägern, die an den Extremismuspräventionsprogrammen partizipierenwollen, eine geson<strong>der</strong>te Erklärung <strong>zu</strong>r Verfassungstreueverpflichtend erwartet und die Träger verpflichtet werden,dafür Sorge <strong>zu</strong> tragen, dass sich auch ihre Partner undProjektbeteiligten entsprechend verhalten?Müssen Träger, die per Verwaltungsakt bereits durch die<strong>zu</strong>ständigen Behörden als Träger <strong>der</strong> Jugendhilfe o<strong>der</strong> als Träger<strong>der</strong> politischen Bildung staatlich anerkannt sind, ebenfallseine Erklärung <strong>zu</strong>r Verfassungstreue unterschreiben, und wirddiese Erklärung auch von Trägern, die <strong>zu</strong>m Beispiel in <strong>der</strong> Erinnerungsarbeitbei dem Beauftragten <strong>der</strong> Bundesregierungfür Kultur und Medien o<strong>der</strong> in den Bereichen <strong>der</strong> Jugendhilfesowie <strong>der</strong> politischen Jugend- und Erwachsenenbildung geför<strong>der</strong>twerden, abverlangt?(D)Zu <strong>Frage</strong> 87:Der NATO-Operation Active Endeavour sind Kräftenicht dauerhaft unterstellt. See- und Seeluftstreitkräftetragen <strong>zu</strong> dieser Operation <strong>zu</strong>meist durch kürzere Unterstellungenim Rahmen von begrenzten Schwerpunktoperationen,Surge, <strong>zu</strong>r Seeraumüberwachung, Informationsgewinnungund Präsenz bei. Diese werden in <strong>der</strong>Regel für Zeiträume zwischen einer und zwei Wochendurchgeführt.Ja, das trifft <strong>zu</strong>. Das Bundesinnenministerium verlangtbeispielsweise in seinem Programm Zusammenhaltdurch Teilhabe ebenfalls eine Erklärung, mit <strong>der</strong>die Träger sich da<strong>zu</strong> verpflichten, eine dem Grundgesetzför<strong>der</strong>liche Arbeit <strong>zu</strong> leisten und sich <strong>zu</strong> <strong>der</strong> freiheitlichendemokratischen Grundordnung <strong>der</strong> BundesrepublikDeutschland <strong>zu</strong> bekennen. Sie erklären <strong>zu</strong>dem damit, dafürSorge <strong>zu</strong> tragen, dass sich auch ihre Partner und Projektbeteiligtenden Zielen des Grundgesetzes verpflichten.In diesen Schwerpunktoperationen werden in ersterLinie die stehenden NATO-Einsatzverbände und dieFlugzeuge aus dem NATO-AWACS-Verband eingesetzt.Ergänzt wird dies durch Einzelabstellungen, die dieseOperationen verstärken o<strong>der</strong> eigene begrenzte Überwachungsaufgabendurchführen. In diesem Zusammenhangleisten auch die deutschen Einheiten im Transit einenwertvollen Beitrag. Darüber hinaus tragen die Mittelmeeranrainerdurch Bereitschaftskräfte einem kurzfristigentstehenden Informations- o<strong>der</strong> Handlungsbedarf Rechnung.Zu <strong>Frage</strong> 90:Das Bundesfamilienministerium und das Bundesinnenministeriumverlangen die Unterzeichnung einer entsprechendenErklärung, da es sich bei den Programmen <strong>zu</strong>rExtremismusprävention um ein beson<strong>der</strong>s sensibles Feldhandelt. Die Zeichnung ist unabhängig vom Vorliegeneiner Anerkennung <strong>zu</strong>m Beispiel als Freier Träger <strong>der</strong>Jugendhilfe.Im Rahmen <strong>der</strong> Extremismusprävention verlangt auchMecklenburg-Vorpommern seit diesem Jahr, dass Träger


Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 80. Sit<strong>zu</strong>ng. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 2010 8905(A)(B)von Kin<strong>der</strong>tageseinrichtungen eine Erklärung (C) unterzeichnenmüssen, dass sie die Gewähr für eine den Zielendes Grundgesetzes för<strong>der</strong>liche Arbeit leisten.Demgegenüber wird keine geson<strong>der</strong>te schriftliche Erklärungbei <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung aus Mitteln des Kin<strong>der</strong>- undJugendplans des Bundes, bei <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung durch dieBundeszentrale für politische Bildung sowie im Bereich<strong>der</strong> Erinnerungsarbeit im Rahmen <strong>der</strong> Gedenkstättenför<strong>der</strong>ungdes Bundes verlangt. Bei einer För<strong>der</strong>ung ausMitteln des Kin<strong>der</strong>- und Jugendplans des Bundes sowiedurch die Bundeszentrale für politische Bildung wird allerdingsin den entsprechenden För<strong>der</strong>richtlinien daraufhingewiesen, dass eine Bejahung <strong>der</strong> freiheitlich demokratischenGrundordnung eine Vorausset<strong>zu</strong>ng für dieAnerkennung als Träger <strong>der</strong> Jugendhilfe bzw. <strong>der</strong> politischenBildung darstellt. Die För<strong>der</strong>richtlinien sind Bestandteildes Zuwendungsbescheids.Anlage 51Antwortdes Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die<strong>Frage</strong> des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)(Drucksache 17/4153, <strong>Frage</strong> 91):Wie hat die Bundesregierung die in <strong>der</strong> <strong>Frage</strong>stunde desDeutschen Bundestages gegebene Zusage des ParlamentarischenStaatssekretärs Dr. Hermann Kues an den AbgeordnetenDr. Ilja Seifert, Die Linke: Ich sage Ihnen allerdings <strong>zu</strong>, HerrKollege Seifert, dass wir das <strong>zu</strong>m Anlass nehmen werden, bei<strong>der</strong> nächsten Bund-Län<strong>der</strong>-Besprechung <strong>zu</strong>r Kriegsgräberfinanzierungdas Thema Barrierefreiheit bei Kriegsgräbergedenkstättenund Ehrenmalen als eigenen Tagesordnungspunkt vor<strong>zu</strong>sehen,Plenarprotokoll 17/42 vom 19. Mai 2010, Seite 4171,erfüllt, und welche diesbezüglichen Ergebnisse wurden dabeierzielt?Die Bundesregierung hat mit den für die Kriegsgräberfürsorge<strong>zu</strong>ständigen Län<strong>der</strong>ministerien Kontakt aufgenommen.In keinem Land gab es Beschwerden übermangelhafte barrierefreie Zugangsmöglichkeiten <strong>zu</strong> Kriegsgräberstätten.Die meisten Kriegsgräberstätten sindebenerdig, sodass sich keine Probleme ergeben. Wennim Einzelfall Probleme auftreten sollten, werden diesebei Friedhofsrenovierungen mit behoben.Ich weise aber ausdrücklich darauf hin, dass die <strong>Frage</strong><strong>der</strong> Barrierefreiheit und <strong>der</strong> Verkehrssicherheit in denAufgabenbereich <strong>der</strong> jeweiligen Friedhofsträger fallen.Selbstverständlich werden von diesen die landesrechtlichenBauvorschriften beachtet. Viele Friedhöfe, aufdenen Kriegsgräber schon im 18. o<strong>der</strong> 19. Jahrhun<strong>der</strong>tangelegt worden sind, dürfen von den jeweiligen Friedhofsträgernnur mit Zustimmung <strong>der</strong> Denkmalbehördeverän<strong>der</strong>t werden. Deshalb ist eine Barrierefreiheit lei<strong>der</strong>nicht immer gewährleistet, da dies eventuell das vorhandeneschmale Wegesystem o<strong>der</strong> kleinere Treppenabsätzeeinfach nicht <strong>zu</strong>lässt.Wenn Zugangshin<strong>der</strong>nisse festgestellt werden, sowerden diese in <strong>der</strong> Regel bei Grundsanierungen <strong>der</strong> Begräbnisstättenbehoben, wie <strong>zu</strong>rzeit bei <strong>der</strong> Sanierungdes Soldatenfriedhofs Schönholz hier in Berlin.(D)


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