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4.6 Seifen und Waschmittel

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Organische Chemie<br />

Natriumstearat –<br />

ein <strong>Seifen</strong>molekül<br />

222<br />

polar<br />

(hydrophil)<br />

(hydrophob)<br />

unpolar<br />

Na +<br />

–<br />

R<br />

R ist eine<br />

Kohlenwasserstoffkette<br />

(Rest)<br />

<strong>4.6</strong> <strong>Seifen</strong> <strong>und</strong> <strong>Waschmittel</strong><br />

Die Herstellung von Seife gehört zu den ältesten chemischen<br />

Verfahren. Schon vor 4 000 Jahren sollen die Babylonier, später<br />

die Ägypter <strong>und</strong> Phönizier Öl <strong>und</strong> Fett mit Laugen verkocht<br />

haben. Die Germanen <strong>und</strong> Gallier stellten aus Ziegentalg <strong>und</strong><br />

Holzasche Seife her, die allerdings nur für die Kosmetik diente.<br />

Damals wurde aber die gleiche chemische Reaktion wie heute<br />

bei der modernen <strong>Seifen</strong>fabrikation durchgeführt: die Hydrolyse<br />

von Fetten. Bei dieser Hydrolyse entstehen Salze von Fettsäuren<br />

(gewöhnliche <strong>Seifen</strong>) <strong>und</strong> Glycerin:<br />

Glycerid (Fett) Glycerin<br />

Hydrolyse (Verseifung) eines Fettes<br />

Seife<br />

R1,R2,R3 sind verschiedene (oder gleiche) Kohlenwasserstoffreste<br />

(R-COO) 3C 3H 5 +3NaOH ˝ 3 R-COONa + C 3H 5(OH) 3<br />

„Fett“ Seife Glycerin<br />

Gewöhnliche Seife ist ein Gemisch von Natriumsalzen langkettiger<br />

Fettsäuren, weil das Fett, aus dem sie hergestellt wird, ebenfalls<br />

ein Gemisch ist. Dieses Gemisch eignet sich zur Reinigung<br />

aber genauso gut wie ein reines Salz.<br />

Die Zusammensetzung <strong>und</strong> die Darstellungsverfahren der <strong>Seifen</strong><br />

variieren; aus Olivenöl wird die Marseiller Seife gewonnen,<br />

durch Zusatz von Alkohol wird Seife durchscheinend, durch<br />

Daruntermischen von Luft erhält man Schwimmseifen; Duftstoffe,<br />

Farbstoffe <strong>und</strong> Desinfektionsmittel werden der Seife<br />

zugesetzt; bei Kaliumsalzen an Stelle von Natriumsalzen erhält<br />

man Schmierseifen.<br />

<strong>4.6</strong>.1 Aufbau von <strong>Seifen</strong>molekülen<br />

Ein <strong>Seifen</strong>molekül besitzt ein polares Ende, –COO – Na + , <strong>und</strong><br />

ein unpolares Ende, eine lange Kohlenstoffkette mit 12–18<br />

Kohlenstoffatomen. Das polare Ende ist wasserlöslich, es ist<br />

hydrophil. Das unpolare Ende ist in Wasser unlöslich, es wird<br />

als hydrophob bezeichnet; dieses Ende ist in unpolaren<br />

Lösungsmitteln löslich.<br />

Derartige Moleküle, die gleichzeitig polare <strong>und</strong> unpolare Enden<br />

enthalten, sind darüber hinaus auch groß genug, dass jedes


Ende seine eigenen Löslichkeitseigenschaften entfalten kann.<br />

Für sie wurde als allgemein gültiger Sammelbegriff die Bezeichnung<br />

„grenzflächenaktive Moleküle“ eingeführt. Im deutschen<br />

Sprachraum hat sich als Bezeichnung für die synthetischen<br />

grenzflächenaktiven Verbindungen der Begriff „Tenside“<br />

durchgesetzt. Tenside können verschiedene polare Gruppen<br />

tragen (vgl. <strong>4.6</strong>.4 Synthetische <strong>Waschmittel</strong>).<br />

<strong>4.6</strong>.2 Löslichkeitsverhalten von <strong>Seifen</strong><br />

<strong>Seifen</strong>moleküle ordnen sich an der Wasseroberfläche so an,<br />

dass das hydrophile Ende zur wässrigen Lösung hin <strong>und</strong> das<br />

hydrophobe Ende vom Wasser weg gerichtet sind.<br />

<strong>Seifen</strong> bilden eine orientierte Monoschicht an der Wasseroberfläche.<br />

Weitere <strong>Seifen</strong>moleküle lösen sich im Wasser. Wird ihre<br />

Konzentration größer, lagern sie sich zusammen.<br />

Die „<strong>Seifen</strong>lösungen“ sind dann keine echten Lösungen, in<br />

denen gelöste Moleküle für sich <strong>und</strong> unabhängig von den anderen<br />

Molekülen frei umherschwimmen. Statt dessen ist Seife in<br />

kugelförmigen Bündeln, den Micellen, dispergiert. Jede Micelle<br />

kann h<strong>und</strong>erte von <strong>Seifen</strong>molekülen enthalten (vgl. 1.2.3 Kolloide<br />

Lösung):<br />

Wasseroberfläche<br />

unpolare Ketten<br />

polare Gruppen<br />

Monoschicht <strong>und</strong> Kugelmicelle – polare Gruppen<br />

der <strong>Seifen</strong> sind negativ geladen<br />

Wasser<br />

In Übereinstimmung mit der Regel „Ähnliches wird durch Ähnliches<br />

gelöst“ (vgl. 1.7.3 Lösungsvorgang) sucht jedes unpolare<br />

Ende eines <strong>Seifen</strong>moleküls eine unpolare Umgebung. In der vorgegebenen<br />

Lage sind aber die unpolaren Enden anderer <strong>Seifen</strong>moleküle<br />

die einzig mögliche derartige Umgebung, so dass sich<br />

diese Enden im Mittelpunkt der Micelle zusammendrängen. Die<br />

polaren Enden der Moleküle ragen nach außen in das polare<br />

Lösungsmittel Wasser. Die Abstoßung zwischen den gleichen<br />

Ladungen verschiedener Micellen verhindert deren Zusammenballung.<br />

<strong>Seifen</strong> <strong>und</strong> <strong>Waschmittel</strong><br />

223


Organische Chemie<br />

Ablösung des<br />

Schmutzes von<br />

einer Faser<br />

224<br />

Gewebefaser<br />

Schmutz<br />

Verschmutzte<br />

Faser<br />

Verschmutzte<br />

Faser in<br />

<strong>Seifen</strong>lösung<br />

Abgelöster<br />

Schmutz in einer<br />

Micelle<br />

<strong>4.6</strong>.3 Waschwirkung von <strong>Seifen</strong><br />

Die Eigenschaften von „<strong>Seifen</strong>lösungen“ beruhen auf der<br />

Grenzflächenaktivität <strong>und</strong> der Anionenaktivität.<br />

Grenzflächenaktivität<br />

Die grenzflächenaktiven Stoffe verteilen sich daher nicht<br />

gleichmäßig in der gesamten Flüssigkeit, sondern sammeln sich<br />

vor allem an den Grenzflächen an.<br />

Sie entspannen das Wasser, so dass es Stoffe leichter benetzen<br />

kann. Sie bilden Schaum, sie emulgieren unlösliche nicht kristalline<br />

Stoffe <strong>und</strong> dispergieren (zerstreuen) Öl- <strong>und</strong> Schmutzteilchen.<br />

Sie drängen sich auch in die kleinen Spalten zwischen<br />

Schmutz <strong>und</strong> Haut oder Gewebe <strong>und</strong> trennen so den Schmutz<br />

ab.<br />

Anionenaktivität<br />

Man hat festgestellt, dass Faser <strong>und</strong> Schmutz in wässriger<br />

Lösung schwach elektrisch negativ geladen sind. In <strong>Seifen</strong>lösung<br />

ist diese Aufladung stark erhöht, so dass in einer <strong>Seifen</strong>lösung<br />

auch die abstoßende Wirkung größer wird.<br />

Die anionenaktiven Teilchen haften fest an den abgelösten feinen<br />

Schmutz- <strong>und</strong> Fettteilchen. Dadurch wird verhindert, dass<br />

sich die kleinen Teilchen zu größeren Teilen zusammenballen<br />

<strong>und</strong> wieder auf den Fasern absetzen. Das „Schmutztragevermögen“<br />

wird dadurch erhöht. Das Spülen mit reinem Wasser ist<br />

nötig, um die Waschlösung zu entfernen.


<strong>4.6</strong>.4 Synthetische <strong>Waschmittel</strong><br />

<strong>Seifen</strong> haben nachteilige Eigenschaften: Sie sind gegen Säuren<br />

<strong>und</strong> hartes Wasser empfindlich.<br />

Säuren setzen aus <strong>Seifen</strong> Fettsäuren frei, die schmieren <strong>und</strong> die<br />

Wirkung der Seife aufheben. Die Härte des Wassers, Calcium<strong>und</strong><br />

Magnesiumionen im harten Wasser, bilden mit <strong>Seifen</strong>molekülen<br />

unlösliche Calcium- <strong>und</strong> Magnesiumsalze. Wegen der Verwendung<br />

teurer Fette sind <strong>Seifen</strong> teuer. Man hat daher synthetische<br />

waschaktive Moleküle (Tenside) entwickelt. Dabei werden<br />

in die wasserunlöslichen Kohlenwasserstoffe des Erdöls wasserlöslich<br />

machende Gruppen eingeführt, z. B.:<br />

– +<br />

R–SO3 Na Sulfonsäuresalze<br />

– +<br />

R–O–SO3 Na Salze von Schwefelsäureestern<br />

R(–O–C2H4) n–OH Alkoholethoxylate (Polyether)<br />

Man unterscheidet vier Typen von Tensiden:<br />

– anionenaktive Tenside, die eine negative Ladung tragen <strong>und</strong><br />

meist Natriumionen als Gegenionen enthalten,<br />

– kationenaktive Tenside, die eine positive Ladung tragen <strong>und</strong><br />

meist Chloridionen als Gegenionen enthalten,<br />

– nicht ionische Tenside, die keine Ladung tragen, aber viele<br />

polare Gruppen enthalten,<br />

– amphotere Tenside, die eine positive <strong>und</strong> eine negative<br />

Ladung am selben Molekül tragen (daher auch Zwitterionen<br />

genannt werden).<br />

1985 wurden in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland 330 000 t Tenside<br />

verwendet, davon 46 % anionenaktive, 43 % nicht ionische<br />

<strong>und</strong> 9 % kationenaktive.<br />

Solche waschaktiven Substanzen (WAS) werden mit Gerüststoffen<br />

<strong>und</strong> Hilfsstoffen versetzt, welche die Wasch- <strong>und</strong> Reinigungswirkung<br />

günstig beeinflussen, z. B:<br />

Wasserglas, das in Wasser enthaltene Eisensalze bindet <strong>und</strong><br />

so das Vergilben der Wäsche verhindert,<br />

Bleichmittel, die Verschmutzungen <strong>und</strong> Verfärbungen entfernen,<br />

optische Aufheller (Weißtöner), die den gelblichen Ton in<br />

Weiß umwandeln,<br />

Polyphosphate, welche die Härte des Wassers beseitigen (vgl.<br />

3.2.3 Wasserhärte) <strong>und</strong> Eisen- <strong>und</strong> andere Schwermetallionen<br />

binden. Sie verhindern Ablagerungen an Wäschestücken <strong>und</strong><br />

Heizstäben, sie verursachen aber in Flüssen <strong>und</strong> Seen als „Düngemittel“<br />

ein starkes Algenwachstum, so dass ruhende oder<br />

<strong>Seifen</strong> <strong>und</strong> <strong>Waschmittel</strong><br />

Versuch<br />

H 2 O dest. Leitungswasser<br />

+ <strong>Seifen</strong>lösung<br />

<strong>und</strong> schütteln.<br />

Hartes Wasser<br />

trübt sich <strong>und</strong><br />

schäumt nicht.<br />

Zugabe von Säure<br />

zum H2O dest.<br />

zerstört den<br />

Schaum <strong>und</strong> bewirkt<br />

Trübung.<br />

Na +<br />

Natriumdodecylsulfat<br />

–<br />

ein anionisches<br />

Tensid<br />

225


Organische Chemie<br />

226<br />

<strong>4.6</strong>.5 Übungen<br />

langsam fließende Gewässer wegen Sauerstoffmangels umkippen:<br />

Eutrophierung (vgl. 5.2.3 Wasserverschmutzung).<br />

Das Gesetz verlangt die Verringerung des Phosphatzusatzes.<br />

Jetzt kommen daher phosphatfreie <strong>Waschmittel</strong> verstärkt auf<br />

den Markt. Sie enthalten Natrium- <strong>und</strong> Aluminiumsilicate,<br />

denen zur Verbesserung der Waschwirkung noch verschiedene<br />

Stoffe beigemischt werden.<br />

Die synthetischen <strong>Waschmittel</strong> werden als Detergenzien<br />

bezeichnet. Alle <strong>Waschmittel</strong> enthalten Tenside. Sie müssen biologisch<br />

abbaubar sein, um störende Schaumbildung auf Flüssen<br />

<strong>und</strong> Seen zu verhindern.<br />

1. Wie kann man Seife herstellen?<br />

2. Welche Eigenschaften hat Seife?<br />

3. Was versteht man unter Grenzflächenaktivität?<br />

4. Was versteht man unter Anionenaktivität?<br />

5. Welche nachteiligen Eigenschaften hat Seife?<br />

6. Was sind Tenside?<br />

7. Was sind <strong>Waschmittel</strong>?<br />

8. Welche Bedeutung hat die Verwendung von <strong>Waschmittel</strong>n in der Natur?<br />

9. Wieso schwimmt Aluminiumblech, wenn man es vorsichtig auf Wasser legt?<br />

Wieso geht es nach Zusatz eines Tensides zum Wasser unter?<br />

10. Wieso nimmt in einer homologen Reihe von <strong>Seifen</strong>molekülen die Grenzflächenaktivität<br />

mit steigender Länge der Fettsäurekette zu (traubesche Regel)?<br />

11. Wieso erleichtern bestimmte grenzflächenaktive Stoffe in der Lunge die<br />

Atmung?

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