Auf dem Weg zum Team - Haufe Akademie
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personalmagazin 12 / 10<br />
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an kristina.enderle@personalmagazin.de<br />
GRUPPENARBEIT SERIE: PSYCHOLOGIE IN HR<br />
<strong>Auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Team</strong><br />
SERIE. Unternehmen setzen viele <strong>Team</strong>s ein, um in der Gruppe <strong>Auf</strong>gaben besser<br />
zu lösen. Doch deren Leistung hängt von einigen psychologischen Faktoren ab.<br />
Von Jens Brennholt<br />
Es gibt kaum eine Stellenanzeige,<br />
kein Anforderungsprofi l, in <strong>dem</strong><br />
nicht „<strong>Team</strong>fähigkeit“ gefordert<br />
ist. Doch häufi g ist nicht wirklich<br />
klar, welche Leistung von einem teamfähigen<br />
Mitarbeiter überhaupt erwartet<br />
werden kann. Die Psychologie zeigt dazu<br />
wichtige Erkenntnisse auf.<br />
Vom Taylorismus zur Gruppenarbeit<br />
Die Diskussion und Umsetzung der<br />
Gruppenarbeit als Form der Arbeitsorganisation<br />
beginnt mit ihrem Gegenteil:<br />
<strong>dem</strong> arbeitsteiligen Taylorismus – die<br />
Zergliederung der Arbeit in kleinste Produktionsschritte.<br />
Deshalb wurde schon<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland<br />
Gruppenarbeit diskutiert und er-<br />
probt. Doch gegen den wirtschaftlichen<br />
Erfolg des Fließbands vermochte sich die<br />
Gruppenarbeit nicht durchzusetzen. In<br />
den folgenden Jahrzehnten wurden einige<br />
wissenschaftliche Untersuchungen<br />
zur Gruppenarbeit durchgeführt. Eine<br />
der bekanntesten ist die Hawthorne-<br />
Studie (1933), die ihren Namen durch die<br />
Untersuchungen des Soziologen George<br />
Elton Mayo, Professor der Harvard Business<br />
School, in Werken der Western Electric<br />
Company in Hawthorne, USA, erhielt.<br />
Ziel der Betrachtungen war es zunächst,<br />
den Einfl uss von Veränderungen der Arbeitsbedingungen<br />
auf die Arbeitsproduktivität<br />
zu erkennen. Es stellte sich aber<br />
heraus, dass vor allem der Effekt der<br />
veränderten Beziehungen zwischen den<br />
Gruppenmitgliedern sowie zu deren Vorgesetzten<br />
und nicht die Veränderung der<br />
Bis aus einer losen Gruppe ein echtes <strong>Team</strong> wird, durchlaufen die Mitglieder einige Phasen.<br />
SERIE<br />
● Ausgabe 8/2010:<br />
Psychologe statt Menschenkenner<br />
● Ausgabe 9/2010:<br />
Personenbeurteilung<br />
● Ausgabe 10/2010: Motivation<br />
● Ausgabe 11/2010: Führung<br />
● Ausgabe 12/2010: Gruppenarbeit<br />
Rahmenbedingungen, wie Beleuchtung<br />
oder Arbeitszeit, Grund für die Produktivitätssteigerungen<br />
waren.<br />
1949 führte das Tavistock-Institut,<br />
London, eine weitere bekannte Studie zur<br />
Gruppenarbeit durch. Die Auswirkungen<br />
der Mechanisierung und der Arbeitsteilung<br />
im englischen Steinkohle bergbau<br />
sollte untersucht werden. Im gleichen<br />
Jahr wurde ein Programm zur technologischen<br />
Erneuerung des Bergbaus gestartet.<br />
Schon nach kurzer Zeit war trotz<br />
der Mechanisierung die Produktivität<br />
geringer als erwartet. Durch die Einführung<br />
der neuen Technologien wurden bestehende<br />
Arbeitsgruppen aufgelöst und<br />
stattdessen eine arbeitsteilige Arbeitsform<br />
eingeführt.<br />
In einer Grube kombinierten die Bergleute<br />
die traditionelle Gruppenarbeit<br />
mit der neuen Technologie, sodass sich<br />
Arbeitsteilung und <strong>Auf</strong>l ösung der Arbeitsgruppen<br />
vermeiden ließen. Das Ergebnis<br />
war geringerer Absentismus und<br />
Fluktuation, gesunkene Unfallzahlen, ge-
stiegene Arbeitsmotivation und höhere<br />
Produktivität als in anderen Gruben.<br />
Das Tavistock-Institut schlussfolgerte,<br />
dass die Einführung neuer Technologien<br />
nicht nur eine Optimierung der Arbeitsorganisation<br />
bedingt, sondern auch das<br />
soziale System beachtet werden muss.<br />
Sowohl die Hawthorne- als auch die Tavistock-Studie<br />
fanden aber aufgrund des<br />
Zweiten Weltkriegs und des folgenden<br />
Wirtschaftsaufschwungs noch kaum Widerhall<br />
in der betrieblichen Praxis.<br />
80er-Jahre: Die Gruppenarbeit boomt<br />
In Deutschland erlebte das Thema Gruppenarbeit<br />
in den 1970er-Jahren im Zug<br />
der Diskussion um die Humanisierung<br />
der Arbeitswelt eine Renaissance. In den<br />
80er-Jahren nutzten Unternehmen die<br />
Gruppenarbeit zur Lösung betrieblicher<br />
Fragestellungen unter Einbeziehung<br />
der Mitarbeiter (Stichwort „Qualitätszirkel“).<br />
Seinen Boom erlebte die Gruppenarbeit<br />
Ende der achtziger, Anfang<br />
der neunziger Jahre in der öffentlichen<br />
Diskussion um die produktiveren und<br />
leistungsfähigeren Arbeitsformen in der<br />
japanischen Industrie („Japan-Debatte“)<br />
sowie der Veröffentlichung der MIT-Studie<br />
„Die zweite Revolution der Automobilindustrie“<br />
1992 und <strong>dem</strong> Konzept der<br />
„Lean Production“ beziehungsweise des<br />
„Lean Managements“.<br />
Mit Ende des alten und Beginn des<br />
neuen Jahrtausends wurden stärker die<br />
Probleme und Grenzen der Gruppenar-<br />
MANAGEMENT<br />
GRUPPENARBEIT<br />
beit diskutiert. Interkulturelle <strong>Team</strong>s, Adhoc-<strong>Team</strong>s<br />
oder virtuelle <strong>Team</strong>s stellten<br />
neue Herausforderungen an Mitarbeiter,<br />
Führungskräfte und Personaler. Auch<br />
die Frage, wie <strong>Team</strong>arbeit auf höchsten<br />
Hierarchieebenen im Unternehmen implementiert<br />
und wie erfolgreich sie gelebt<br />
werden kann, wurde kritisch diskutiert.<br />
Im Laufe dieser sich ändernden Diskussion<br />
über <strong>Team</strong>arbeit kam auch immer<br />
mehr der Personalbereich in den Unternehmen<br />
in den Fokus. So wurde deutlich,<br />
dass Mitarbeiter und Führungskräfte<br />
für <strong>Team</strong>arbeit qualifi ziert und betriebliche<br />
Bedingungen für die erfolgreiche<br />
<strong>Team</strong>arbeit, <strong>zum</strong> Beispiel im Sinne der<br />
Flexibilisierung der Entgelt- und Arbeitszeitsysteme,<br />
geschaffen werden mussten.<br />
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36 GRUPPENARBEIT<br />
Schauen wir heute in die betriebliche<br />
Realität, sind wir von <strong>Team</strong>s und Gruppen<br />
geradezu umzingelt. Da gibt es die<br />
Gruppe oder das <strong>Team</strong> als Organisationseinheit,<br />
Prozessteams, Fertigungsinseln,<br />
Kundenteams, KVP-<strong>Team</strong>s, Lernstattgruppen,<br />
Projektteams, Qualitätszirkel,<br />
Problemlösungsteams und Task Forces,<br />
Serviceteams, Managementteams, teilautonome<br />
beziehungsweise selbstregulierende<br />
Arbeitsgruppen und viele andere<br />
mehr. Kaum ein Begriff wird so infl ationär<br />
verwendet wie der Begriff <strong>Team</strong>.<br />
Doch was unterscheidet ein <strong>Team</strong> von<br />
einer Gruppe? Der Begriff Gruppe wird<br />
oft als eine Organisationsform wahrgenommen,<br />
in der ein loser Zusammenhalt,<br />
das heißt, eine geringe Kohäsion,<br />
der Mitglieder besteht, welche sich an<br />
Einzelinteressen ausrichten. Ein <strong>Team</strong><br />
hingegen wird eher mit Dynamik, hohem<br />
Commitment gegenüber der Organisation<br />
einerseits und <strong>dem</strong> <strong>Team</strong> andererseits<br />
sowie hoher Motivation verknüpft.<br />
Phasen der <strong>Team</strong>entwicklung<br />
Bis aus einer Anzahl von Mitarbeitern,<br />
die eine gemeinsame <strong>Auf</strong>gabe übertragen<br />
bekommen, ein <strong>Team</strong> wird und sie<br />
zur <strong>Team</strong>arbeit fähig sind, müssen sie<br />
sich erst durch die gemeinsame Interaktion<br />
entwickeln und gruppendynamische<br />
Prozesse durchlaufen. Das bekannteste<br />
Modell zur Beschreibung dieser <strong>Team</strong>bildung<br />
sind die vier Phasen der <strong>Team</strong>entwicklung<br />
des Psychologen Bruce W.<br />
Tuckman aus <strong>dem</strong> Jahr 1965. Dieses<br />
Modell bildet den idealtypischen Verlauf<br />
eines Gruppenprozesses vom Kennenlernen<br />
bis <strong>zum</strong> gemeinsamen erfolgreichen<br />
Arbeiten ab (siehe Kasten). 1970<br />
erweiterte Tuckman sein Modell um eine<br />
fünfte Phase, <strong>dem</strong> „Adjournning“ (Trennungs-<br />
oder <strong>Auf</strong>l ösungsphase). Damit<br />
trägt er <strong>dem</strong> immer häufi geren temporären<br />
Aspekt der <strong>Team</strong>arbeit, <strong>zum</strong> Beispiel<br />
in Projekten, Rechnung.<br />
Tuckmans Modell erweckt den<br />
Eindruck, dass die Phasen quasi automatisch<br />
durchlaufen werden. Der Entwicklungsprozess<br />
<strong>zum</strong> <strong>Team</strong> ist aber das<br />
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Ergebnis steter intensiver Arbeit durch<br />
die <strong>Team</strong>mitglieder. Treten Störungen in<br />
einer Prozessphase auf, fällt das <strong>Team</strong> in<br />
frühere Phasen zurück.<br />
Ein ähnliches statisches Modell, das<br />
heißt ein festes Phasenmodell, ist das<br />
Punctuated-Equilibirum-Modell („Mittelpunktsübergang-Modell“)<br />
nach Connie<br />
J. Gersick (1988), Dozentin in Yale und<br />
an der University of California. Sie beschreibt,<br />
dass Projektgruppen, die nach<br />
<strong>dem</strong> ersten Treffen sofort mit der Arbeit<br />
beginnen, auf geringem Leistungsniveau<br />
starten. In der Mitte zwischen<br />
erstem Zusammentreffen und Projekt-<br />
Deadline wacht das <strong>Team</strong> auf: Es wird<br />
sich der Deadline bewusst und steigert<br />
die Leistung. Diese Leistungssteigerung<br />
geht oft mit Konfl ikten einher. Kurz vor<br />
Projektende steigt die Leistung meist<br />
nochmals an.<br />
Leistung im <strong>Team</strong><br />
Gruppen werden in der Sozialpsychologie<br />
oft in Bezug auf ihre Produktivität<br />
und die Effektivität der Gruppenprozessse<br />
hinsichtlich des generierten Outputs<br />
betrachtet (siehe Tuckman oder<br />
Gersick). Es ist aber schwierig, die Leistungssteigerung<br />
der <strong>Team</strong>arbeit als Ar-<br />
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an kristina.enderle@personalmagazin.de<br />
Die vier Phasen der <strong>Team</strong>entwicklung<br />
SERIE: PSYCHOLOGIE IN HR<br />
beitsorganisationsform im betrieblichen<br />
Umfeld zu evaluieren. Die Implementierung<br />
der <strong>Team</strong>arbeit geht erfahrungsgemäß<br />
einher mit weiteren betrieblichen<br />
Veränderungsprozessen, sodass der<br />
Anteil der <strong>Team</strong>arbeit an den positiven<br />
Effekten schwer zu beurteilen ist.<br />
Nicht nur deshalb reißt die Kritik an<br />
der <strong>Team</strong>arbeit nicht ab – und wurde in<br />
den letzten Jahren intensiver. So differenziert<br />
<strong>zum</strong> Beispiel der Management-<br />
Vordenker Reinhard K. Sprenger in<br />
formalisierte <strong>Team</strong>arbeit und freiwillige<br />
Zusammenarbeit. Er beklagt, dass <strong>Team</strong>s<br />
eine Tendenz <strong>zum</strong> Gleichmachen der Individualität<br />
haben, während freiwillige<br />
Zusammenarbeit die Unterschiedlichkeit<br />
erhalten und individuelle Stärken nutzen<br />
will. Umso mehr müssen Personaler<br />
darauf achten, dass die <strong>Team</strong>arbeit auch<br />
für die <strong>Auf</strong>gabenstellung zweckmäßig<br />
ist.<br />
Jens Brennholt<br />
TUCKMAN-MODELL<br />
FORMING: Orientierungsphase: Kennenlernen, freundlich, höfl ich, vorsichtig abtastend,<br />
Streben nach Sicherheit, „Man“-Orientierung<br />
STORMING: Konfl iktphase: Meinungsverschiedenheiten, Rollendifferenzierung, unterschwellige<br />
Konfl ikte, Selbstdarstellung der <strong>Team</strong>mitglieder, Kampf um (informelle)<br />
Führung, Cliquenbildung, „Ich“-Orientierung<br />
NORMING: Organisierungs- beziehungsweise Regelphase: Entwicklung neuer Verhaltensregeln<br />
und Normen für den Umgang mit Konfl ikten und der Arbeit, Feedback und Austausch<br />
zwischen den <strong>Team</strong>mitgliedern führt zu neuen Gruppenstandards und Umgangsformen,<br />
„Wir“-Orientierung<br />
PERFORMING: Integrations- beziehungsweise Leistungsphase: Akzeptanz der Rollen sowie<br />
Identifi kation mit <strong>dem</strong> <strong>Team</strong> und der <strong>Auf</strong>gabe, Flexibilität, Offenheit der <strong>Team</strong>mitglieder,<br />
Solidarität, Leistungsausrichtung und zielgerichtetes Handeln, Arbeitsorientierung<br />
ist Geschäftsführer von Input – Institut<br />
für Personal- und Unternehmensmanagement,<br />
Dozent der FHDW Paderborn<br />
und Referent der <strong>Haufe</strong> Aka<strong>dem</strong>ie.