Das Waldlerhaus - Bernd Sibler
Das Waldlerhaus - Bernd Sibler
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2. „Petzi-Hof“ von Süden: links vom Hoftor das Austragshaus, hinter dem sich das Wohnhaus erhebt, rechts das Inhaus mit dem Stadel dahinter,<br />
der heute als modernes Depot für museale Sachgüter dient (Foto: Mus. Finsterau)<br />
entwickelt. Sie leisten damit einen bedeutenden Beitrag zur<br />
Bergung und Bewahrung des materiellen Gedächtnisses des<br />
ländlichen Raums.<br />
Niederbayerisches Freilichtmuseum Finsterau<br />
<strong>Das</strong> Freilichtmuseum Finsterau (Abb. 1) ist die jüngere der<br />
beiden zusammengehörigen, aber innerhalb Niederbayerns<br />
weit voneinander entfernt geschaffenen Anlagen: Massing<br />
im tertiären Hügelland und Finsterau hart an der Grenze zu<br />
Tschechien. In Massing begann man 1969 mit der Versetzung<br />
historischer Gebäude auf das Museumsgelände, in Finsterau<br />
zog man nach Gründung des Trägerzweckverbands für beide<br />
Museen 1979 nach und konnte 1980 die Eröffnung der ersten<br />
Ausbaustufe feiern.<br />
Die Darstellungsräume sind für die beiden Museen klar definiert:<br />
Massing zeigt traditionelle Bauformen südlich der Donau,<br />
Finsterau solche nördlich davon, also Häuser aus dem<br />
„Wald“.<br />
Hartes Leben der Mägde und Knechte<br />
von Max Bauer<br />
Der Schlafraum für Dienstboten im ländlichen Bereich<br />
eignete sich, außer zur nächtlichen Ruhe, kaum zu einem<br />
geselligen Aufenthalt. Die Einrichtung bestand aus drei<br />
Betten, einem Schrank und einer Truhe, dagegen kein<br />
Tisch, kein Stuhl, keine Bank, keine Beleuchtung und<br />
ganz zu schweigen von einer Heizanlage. Schrank und<br />
Truhe waren Eigentum zweier Knechte, die beim Militär<br />
Dienst taten. In diesem Raum hörte ich das erstemal den<br />
Weckruf des Bauern, der mir in der Folgezeit am Abend,<br />
wenn ich ins Bett stieg, bereits in den Ohren klang. Sehr<br />
schnell lernte ich die Rangordnung jedes einzelnen kennen.<br />
Sie war ein ungeschriebenes Gesetz innerhalb der<br />
Gemeinschaft.<br />
…<br />
„Zu damaliger Zeit befanden sich auf den Bauernhöfen<br />
meist noch ältere Leute, Geschwister des Bauern oder der<br />
Bäuerin, sie blieben zeitlebens auf dem Hof, arbeiteten<br />
Die dortige, seit 1981 unter wissenschaftlicher Leitung entwickelte<br />
Präsentation verfolgt nicht die Gruppierung von Gebäuden<br />
zu „Museumsdörfern“, sondern verschaffte zunächst<br />
den aus verschiedenen Orten transferierten Bauten ausreichend<br />
individuelles Umfeld für eine entsprechend eigenständige<br />
Wirkung. Dies entsprach auch dem älteren Konzept von<br />
Freilichtmuseen als sogenannten „Parkmuseen“, war allerdings<br />
hier auch dadurch bedingt, dass man für den Bayerischen<br />
Wald stärkere Unterschiede in den Bautraditionen der<br />
unterschiedlichen Vermögens- bzw. Sozialschichten ausmachen<br />
konnte, als dies beim damaligen Stand des Wissens in<br />
Hinblick auf regionale Varianten erkennbar gewesen wäre.<br />
Seit etwa Mitte der 1980er Jahre wird aber in Finsterau Wert<br />
darauf gelegt, möglichst komplette funktionale Einheiten mit<br />
allen notwendigen Nebenbauten zu schaffen – und dies unter<br />
Wahrung größter Authentizität. In den Worten des seither<br />
amtierenden Museumsleiters Dr. Martin Ortmeier: „Es soll<br />
nicht ein Ensemble vorgetäuscht werden, das so nie bestanden<br />
hat. Nur das tatsächlich vorgefundene, sorgfältig dokumentierte<br />
und im Museum gemäß der Dokumentation weitgehend<br />
für das Essen und wenig Lohn und hausten in ihren alten<br />
Tagen bescheiden in einem Austragsstübchen.<br />
…<br />
Nach einem für mich harten und arbeitsreichen Sommer<br />
folgte der Herbst mit seiner oft recht launischen Witterung.<br />
Mit schäbiger Kleidung, die Füße in Holzschuhen,<br />
so stapfte ich über nasse Wiesen, Felder und Wald. Beim<br />
ernten der Kartoffeln und Hackfrüchte klebte an trüben<br />
Tagen das Erdreich an den Holzschuhen, daß man kaum<br />
mehr zu gehen vermochte. Durchnäßt und durchfroren<br />
erwartete die Dienstboten nach Feierabend eine meist<br />
kalte, nicht genügend geheizte Bauernstube. Wie freute<br />
ich mich an solchen Tagen auf die Stallarbeit, um mich<br />
im warmen Stall bei den Tieren auftauen zu lassen. Für<br />
regennasse Kleider hatte ich keinen Ersatz, sie mußten<br />
auf dem Leibe trocknen, oder aber, ich nahm die nassen<br />
Sachen des Nachts zu mir ins Bett.<br />
(aus: Max Bauer, Kopfsteinpflaster. Lebenserinnerungen,<br />
1981, S. 58–63)<br />
getreu wiedererrichtete Objekt kann uns verlässliche Nachricht<br />
über unsere Vergangenheit geben, nicht aber das nach<br />
unserem Geschmack arrangierte!“ (Museumsführer 1988)<br />
Der „Petzi-Hof“<br />
Mit diesem Hof erreichte das Museum erstmals das Ziel,<br />
eine komplette Hofanlage mitsamt allen Nebenbauten auf<br />
das Gelände zu transferieren (Abb. 2). Dies gelingt in der<br />
Regel alleine schon deshalb nicht, weil meist nur ein oder<br />
zwei ältere Gebäude auf den Höfen überlebt haben, während<br />
die anderen wesentlich jüngeren Datums sind und damit oft<br />
nicht transferierungswürdig erscheinen. Beim „Petzi-Hof“,<br />
einem geschlossenen Vierseithof aus der Gemeinde Röhrnbach,<br />
Lkr. Freyung-Grafenau, galt diese Einschränkung<br />
lediglich für den 1927 aufgerichteten Stadel, alle anderen<br />
Elemente datieren deutlich weiter zurück. Konsequenterweise<br />
nutzte man die bauliche Hülle des Stadels für einen<br />
wichtigen Teil musealer Infrastruktur: Hinter der Verbretterung<br />
verbirgt sich ein modernes, klimastabilisiertes Depot<br />
für die Sachgutsammlung.<br />
Seit den 1930er Jahren hatte dieses Anwesen in einer Art<br />
Dornröschenschlaf ohne nennenswerte bauliche Verände-<br />
3, 4. „Petzi-Hof“, „Schöne Kammer“, der einzige repräsentative Raum, für<br />
den eine Einrichtung in bürgerlichen Formen angeschafft wurde; Genutzt<br />
wurde der Raum traditionell nur zu besonderen Anlässen; rechts Blick in die<br />
Stube mit einer Einrichtung der 1930er Jahre (Foto: Mus. Finsterau)<br />
rungen dahingedämmert. Sogar das alte gemauerte<br />
Tor hatte überlebt, da man auf diesem<br />
Hof keine modernen landwirtschaftlichen<br />
Maschinen, für die es zu eng gewesen wäre,<br />
angeschafft hatte.<br />
Den ältesten Kern der Anlage bildet das<br />
Wohnhaus, der Größe des Anwesens entsprechend<br />
ohne integrierte Stallung, welches<br />
in seinen Blockbauteilen aus dem Jahr 1704<br />
stammt. 1867 tauschte der Bauer große Teile<br />
des Erdgeschoßes gegen Mauerwerk aus, beließ<br />
dabei allerdings die Stube – sicher auch<br />
aus raumklimatischen Gründen – im alten<br />
Blockbau. Kuh-, Schweine- und Ochsenstall<br />
könnten zumindest in ihren hölzernen<br />
Teilen, vielleicht aber auch im gemauerten<br />
Erdgeschoß, partiell noch dem 18. Jahrhun-<br />
dert zuzusprechen sein. Der überdurchschnittlich stattliche<br />
Hof hat sowohl ein Inhaus für Arbeitskräfte (erbaut 1818)<br />
wie ein Austragshaus für die Altenteiler (erbaut etwa 1847).<br />
Ausstattung und Einrichtung der Anlage wurden auf die<br />
1930er Jahre hin rekonstruiert.<br />
Der Petzi-Hof repräsentiert im Freilichtmuseum die obere<br />
bäuerliche Schicht im unteren Bayerischen Wald (Abb. 3, 4),<br />
in der steuerlichen Veranlagung vor 1800 als „ganzer Hof“<br />
rangierend. Bei der Hofübergabe im Jahr 1818 schätzte man<br />
das Anwesen mit landwirtschaftlichen Nutzflächen und Waldungen<br />
auf die relativ hohe Summe von 2.559 Gulden.<br />
Der „Kappl-Hof“<br />
In Form eines lockeren Dreiseithofs sind hier gemäß der<br />
älteren Konzeption, wie oben angesprochen, Gebäude aus<br />
mehreren unterschiedlichen bäuerlichen Anwesen zu einer<br />
neuen Einheit zusammengeführt worden. <strong>Das</strong> Wohnstallhaus<br />
aus Trautmannsried (Abb. 5) wurde 1792, wie damals<br />
üblich, in Blockbau aufgezimmert, allerdings mit einem eher<br />
ungewöhnlichen Grundriss: Stube und zwei danebenliegende<br />
Kammern, wovon man eine später zur Küche umfunktionierte,<br />
greifen etwa ein Drittel über die Tiefe des Wohnteils<br />
hinaus, die durch den angrenzenden Flur und eine weitere<br />
Kammer bestimmt ist. Eine spätere Ausmauerung dieses<br />
schmaleren Teils im Erdgeschoß wie auch der anschließende,<br />
jüngere Wirtschaftsteil behielten das schmale Maß bei.<br />
Ergebnis dieser Eingriffe ist ein Baukörper, dessen Wirtschaftsteil<br />
aus Feldsteinen deutlich gegenüber der Breite der<br />
Wohnteil-Blockbauteile (Stube, Schlafkammer der Bauersleute,<br />
Austragsstübchen) zurücktritt und damit ein langgestrecktes<br />
Haupthaus mit einem breiteren Kopfbau bildet.<br />
<strong>Das</strong> Gebäude hat ein flaches, ehemals legschindelgedecktes<br />
Pfettendach, beim Wohnteil über einem Kniestock sitzend.<br />
Dort unterm Dach schliefen die Kinder.<br />
Dem Haupthaus gegenüber steht ein Stadel von 1816 aus<br />
Reichenberg mit später eingebautem Schafstall, wieder in<br />
Feldsteinmauerwerk errichtet. In jüngerer Zeit hatte man<br />
die Balkendecke dieses Stalls durch ein Schienengewölbe<br />
ausgetauscht. Mit diesem Bauwerk ist die in früherer Zeit<br />
bei mittleren wie größeren Höfen übliche Schafhaltung<br />
dokumentiert. Im Unterschied zum originalen Stadel des<br />
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