Das Waldlerhaus - Bernd Sibler
Das Waldlerhaus - Bernd Sibler
Das Waldlerhaus - Bernd Sibler
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Beispiele aus der Praxis - Cilli in Eben<br />
Fenstern und Türen bleibt die alte Wand sichtbar, Bildausschnitte<br />
mit Betonrahmung, die einfach vor den Bestand gesetzt<br />
wurde. Blättrige Putzschichten wölben sich an diesen<br />
Stellen; die Stromleitungen treten als markante Reliefs an<br />
den alten Wänden hervor. In der Mitte des Raumes, dessen<br />
Fußbodenheizung über den Holzofen mit Kamin reguliert<br />
wird, bleibt in einer quaderförmigen Aussparung im weiß<br />
lasierten Beton der frühere Lehmfußboden sichtbar. Die alten<br />
Holzbalken lassen die ursprüngliche Raumhöhe der alten<br />
Stube erahnen. Sie war bereits vor dem Umbau eingestürzt<br />
und hatte keine Decke mehr.<br />
„Zur alten Struktur gehört auch das Kühle“, sagt Peter Haimerl<br />
bestimmt. Nur die vier modernen Räume sind beheizbar<br />
und gedämmt. <strong>Das</strong> ursprüngliche Wärmesystem, in dem<br />
nur die Stube beheizbar war, wurde behutsam ergänzt, ohne<br />
die Substanz grundsätzlich zu verändern. Schließlich sei<br />
auch dies ein wichtiger Teil des Hauses, ausschlaggebend<br />
für dessen Raumorganisation und Typologie, ergänzt der<br />
Architekt. Durch ein erhaltenes hölzernes Zimmer mit altem<br />
gewellten Lehmfußboden – ganz so, als ob Cilli Siegel noch<br />
Fassadenansicht, nach der Instandsetzung (Foto: Edward Beierle, München)<br />
dort wohnen würde – gelangt man in die Küche. Früher wurde<br />
dieser Raum als Einliegerstube genutzt, denn Cilli hatte<br />
einen Untermieter. Peter Haimerl und Jutta Görlich ergänzten<br />
ihn um einen tiefergelegten Anbau mit höheren Decken.<br />
Küchenbänke und Tisch sind, wie das gesamte Mobiliar des<br />
Hauses, aus dem recycelten Holz des Altbaus gezimmert; und<br />
ein Holzofen, auf dem auch gekocht werden kann, strömt behagliche<br />
Wärme aus. Neben der hellen Betonwand breitet sich<br />
wie selbstverständlich ein Stück altes Bruchsteinmauerwerk<br />
aus. „Die neuen Räume sollen erst im Kontext mit dem Alten<br />
wirken“, meint Jutta Görlich – ein Konzept, das der Umbau<br />
in aller Konsequenz umsetzt und dabei auf Verständnis seiner<br />
Bewohner trifft. Im Sommer, wenn es wärmer ist, sind<br />
Grundriss des Ergeschosses (Plan: Peter Haimerl)<br />
die quadratischen Luken in den Betondecken der vier modernen<br />
Räume geöffnet. Dann ergeben sich Sichtachsen vom<br />
Lehmboden bis unter das ungedämmte Dach, und die Luft<br />
zirkuliert im ganzen Haus. Im Bad, dessen Einbau nötig war,<br />
hielten sich die Architekten<br />
an die einfache Formen von<br />
Futtertrögen und veredelten<br />
das langgestreckte Betonwaschbecken<br />
und die Betonwanne<br />
mit einer dünnen,<br />
innen liegenden Schicht<br />
Mineralwerkstoff.<br />
Eine steile alte Holztreppe<br />
führt auf den Dachboden,<br />
in die ehemalige Kornkammer.<br />
Heute liegt ein<br />
offener, freier Raum unter<br />
dem Dachstuhl. An seiner<br />
Rückseite ist eine weitere<br />
Betonkiste mit dem Schlafzimmer<br />
eingestellt. Seine<br />
hölzernen, quadratischen<br />
Türen lassen sich wie Luken<br />
mit einem Schiebemechanismus<br />
aufklappen,<br />
sodass der Blick durch einen<br />
schmalen Luftkorridor<br />
nach draußen fällt. „Schon<br />
ewig war der Wille da, das<br />
umzubauen“, erinnert sich<br />
Peter Haimerl. Nach eineinhalb Jahren Bauzeit ist dies endlich<br />
gelungen. Den ersten Winter hat das Haus gut überlebt,<br />
das Heizkonzept ist aufgegangen. „Niederbayerische Häuser<br />
sind ein bisschen eigenwillig. Da muss man sich drauf einlassen“,<br />
resümiert der Architekt. Sein Umbaukonzept zeigt, wie<br />
dieses Vorhaben gelingen kann: <strong>Das</strong> Neue rahmt das Alte,<br />
stützt es und schützt es, und das Alte nimmt das Neue auf.<br />
Der Geist der Cilli wird weiterhin durchs Haus wehen und<br />
mit seinen neuen Mitbewohnern weiterleben. Auch die Tochter<br />
von Peter Haimerl und Jutta Görlich, sie heißt übrigens<br />
Fanny, hat sich bestens mit der Cilli arrangiert. Wenn sie sich<br />
nicht gerade in der Stube aufwärmt, dann spielt sie gerne auf<br />
der Lichtung und im Wald.<br />
Bernhard Herrmann<br />
Dem Verfall preisgegeben – mit Engagement gerettet<br />
Kreut 5, Gde. Konzell (Lkr. Straubing-Bogen)<br />
Der Waldlerhof wurde bei der Erstellung der<br />
Denkmalliste in den 1970er Jahren übersehen und<br />
erst auf Anregung der zuständigen Unteren Denkmalschutzbehörde<br />
auf seine Denkmaleigenschaft<br />
hin untersucht und in die Denkmalliste des Landkreises<br />
Straubing-Bogen aufgenommen.<br />
Es handelt sich um eine für den westlichen Bayerischen<br />
Wald typische Anlage von 1842: Über einem<br />
mit Bruchstein-Mauerwerk errichteten Erdgeschoß<br />
erhebt sich ein Blockbau-Obergeschoß<br />
und ein von einer Pfettenkonstruktion getragenes<br />
flaches Satteldach. Gab es im Erdgeschoß durch<br />
Bauschäden und durch eine intensivere Nutzung<br />
bereits verschiedene bauliche Veränderungen,<br />
so hatte sich das Obergeschoß bis hin zu seiner<br />
bauzeitlichen Ausstattung vollständig erhalten.<br />
Zu erwähnen ist hier besonders die bäuerliche<br />
Marmorierung von Fenstern und Türen, für die<br />
es in Niederbayern bisher keine bekannten Vergleichsbeispiele<br />
gibt. Mit der Fletz verbunden ist<br />
der mit einem preußischen Schienengewölbe überspannte<br />
Stall, daran anschließend folgen, nun unter einem mittelsteilen<br />
Dach zusammengefasst, Tenne und Heuboden. Ein<br />
Nebengebäude mit Lagerkeller und Remise liegt südwestlich<br />
des Wohnstallgebäudes, ein Backofen östlich, genau der<br />
Haustür gegenüber.<br />
Die reizvolle Lage der Hofstelle – weshalb das Anwesen als<br />
Umschlagbild für das Heft gewählt wurde – und der sehr<br />
charakteristische, noch in weiten Teilen erhaltene historische<br />
Baubestand führten dazu, dass das Anwesen bald einen neuen<br />
Eigentümer fand: Im Oktober 2001 erwarb François van<br />
Rens den damals seit Jahren leerstehenden und dem Verfall<br />
preisgegebenen Hof. Der gebürtige Holländer hat viele Jahre<br />
seiner Kindheit und Jugend im Landkreis Straubing-Bogen<br />
verbracht, woher seine besondere Verbundenheit mit diesem<br />
Landstrich rührt.<br />
Kreut 5, Gde Konzell, Vorderansicht vor der Maßnahme, 2002<br />
Links: Rückansicht vor der Maßnahme, 2002; rechts: Backofen vor der Maßnahme, 2002 (alle Fotos: Hans-Peter Gartner, Straubing)<br />
Beispiele aus der Praxis - Kreuth 5<br />
Von vornherein stand der Eigentümer einer die historische<br />
Substanz respektierenden Instandsetzung besonders aufgeschlossen<br />
gegenüber. Der Wohnteil des Baudenkmals sollte<br />
so authentisch wie möglich erhalten werden, auch wenn dadurch<br />
die Nutzungsmöglichkeiten in gewissem Maße eingeschränkt<br />
waren. Ein späterer Ausbau von Tenne und Stadel<br />
zu Wohnzwecken ist jedoch vorgesehen.<br />
Bestandserfassung und Vorplanung erfolgten in enger Abstimmung<br />
mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege<br />
im Frühjahr und Sommer 2003, mit der Baumaßnahme<br />
konnte im Herbst desselben Jahres mit einer statischen<br />
Sicherung, den Baumeister- und Zimmererarbeiten begonnen<br />
werden. Für Planung und Umsetzung sorgten erfahrene<br />
Statiker und Architekten. Durch die sehr detaillierte Planung<br />
und die behutsame Vorgehensweise konnten weite Teile der<br />
historischen Bausubstanz erhalten werden. Hervorzuheben<br />
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