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AUFSÄTZE - Ja-Aktuell

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AUFSATZ<br />

AUFSATZ ZIVILRECHT · GRUNDSTÜCKSSCHENKUNG AN MINDERJÄHRIGE<br />

gänzungspfleger (§§ 1909, 1915 BGB). 8 Vertretung ist zwingend<br />

notwendig, soweit das minderjährige Kind das siebte<br />

Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Bis zu diesem Zeitpunkt<br />

ist es geschäftsunfähig (§ 104 Nr. 1 BGB) und kann anders<br />

als durch Vertreter überhaupt noch nicht rechtsgeschäftlich<br />

tätig werden.<br />

Anders stellt sich die Lage jedoch bei Minderjährigen dar,<br />

die das siebte Lebensjahr bereits vollendet haben und deshalb<br />

beschränkt geschäftsfähig (§ 106 BGB) sind: Sie können durchaus<br />

– wenn auch nur unter bestimmten Voraussetzungen<br />

(§§ 107-113 BGB) – selbst rechtsgeschäftlich tätig werden, also<br />

Willenserklärungen abgeben und entgegennehmen. Beruht diese<br />

rechtsgeschäftliche Handlungsfähigkeit auf einer gesetzlichen<br />

Erweiterung der Geschäftsfähigkeit (§§ 112 f. BGB), so verdrängt<br />

diese die Vertretungsmacht der gesetzlichen Vertreter. 9<br />

Beruht sie dagegen darauf, dass das Geschäft dem Minderjährigen<br />

lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt (§ 107 BGB), so<br />

besteht die Vertretungsmacht der Eltern fort. Mit anderen<br />

Worten: Ein Rechtsgeschäft, das dem Minderjährigen lediglich<br />

einen rechtlichen Vorteil bringt, kann er entweder selbst abschließen,<br />

oder seine Eltern können dies für ihn tun. 10 Dieses<br />

Nebeneinander von eigenständiger rechtsgeschäftlicher Handlungsfähigkeit<br />

des Minderjährigen einerseits, fortbestehendem<br />

Vertretungsrecht der Eltern andererseits, macht es erforderlich,<br />

bei der Lösung entsprechender Fälle stets genau darauf zu<br />

sehen, wer gehandelt hat: Die Eltern für das Kind oder das<br />

Kind selbst.<br />

Von dieser Unterscheidung hängt ab, welche Norm streitentscheidend<br />

ist: Schenken Eltern ihrem Kind ein Grundstück<br />

und treten sie hierbei zugleich als seine gesetzlichen Vertreter<br />

auf, so spielt sich der Fall im Vertretungsrecht ab. Zentrale<br />

Vorschrift ist dann nicht etwa § 107 BGB. Streitentscheidend<br />

sind die §§ 1629 II 1, 1795 II und § 181 BGB. Die intuitive<br />

gedankliche Einordnung einer solchen Konstellation ins Minderjährigenrecht<br />

ist mithin irreführend. Sollte der Minderjährige<br />

im Zuge der Schenkung dagegen selbst einmal rechtsgeschäftlich<br />

gehandelt haben, spielt sich der Fall tatsächlich<br />

ausschließlich im Minderjährigenrecht ab. Streitentscheidende<br />

Norm ist dann § 107 BGB. § 181 BGB spielt keine Rolle.<br />

Vor dem Hintergrund dieser Differenzierung erweist sich die<br />

in der Ausbildungsliteratur immer wieder zu lesende Behauptung<br />

als falsch, die Zustimmung des § 107 BGB scheitere am<br />

Vertretungsverbot des § 181 BGB. 11 Wenn Eltern in ein Geschäft<br />

einwilligen, dass der Minderjährige selbst abgeschlossen<br />

hat, dann vertreten sie ihn nicht. 12 Deshalb kann eine rein<br />

vertretungsrechtliche Vorschrift wie § 181 BGB schon aus systematischen<br />

Gründen keine Rolle spielen. 13<br />

Eine andere Frage ist es, ob vertretungsrechtliche Vorschriften<br />

wie § 1795 BGB oder auch § 1643 BGB auf die Situation<br />

der §§ 107 f. BGB wegen der Vergleichbarkeit der Gefährdungslage<br />

analog angewendet werden können. Wer die angebotenen<br />

Falllösungen durchmustert, wird eine Auseinandersetzung<br />

mit diesem (schwierigen) Problem indessen vergeblich suchen.<br />

Für § 1643 I BGB, wo es um das Erfordernis familiengerichtlicher<br />

Genehmigung geht, wird diese Frage von der h.M. bejaht.<br />

14 Dass die Vertretungsverbote des § 1795 BGB auf die<br />

Einwilligung nach § 107 f. BGB analog angewendet werden<br />

müssten, wird demgegenüber nur von Wagenitz 15 und Wolf 16<br />

vertreten. Zu Unrecht, denn die Situation, in der die maßgebliche<br />

Willensentschließung vom Minderjährigen selbst stammt<br />

und die Eltern gewissermaßen nur eine Billigung aussprechen,<br />

ist mit derjenigen nicht vergleichbar, in der die maßgebliche<br />

und vor allem: einzige Willensentschließung vom gesetzlichen<br />

Vertreter selbst stammt. Letztere Situation ist, wie nicht zuletzt<br />

562<br />

8-9/2009<br />

die Wertung des § 1629a BGB zeigt, für den Minderjährigen<br />

ungleich gefährlicher als die der §§ 107 f. BGB: § 1629a BGB<br />

ist nicht anwendbar, wenn sich der Minderjährige durch den<br />

Abschluss von Rechtsgeschäften überschuldet, die er selbst mit<br />

Einwilligung seiner Eltern abgeschlossen hat.<br />

Diese soeben beschriebene Unterscheidung ist gesondert sowohl<br />

für das Verpflichtungs- als auch für das Erfüllungsgeschäft<br />

vorzunehmen. Sie führt oft zu unterschiedlichen Ergebnissen:<br />

Während im Zuge des Verpflichtungsgeschäftes – der Schenkung<br />

– häufig der Minderjährige selbst gehandelt haben wird,<br />

dürfte das beim Erfüllungsgeschäft – der Auflassung – kaum<br />

je der Fall sein. 17 Ungeachtet ihrer Häufigkeit ist diese Kombination<br />

von Vertretungs- und Minderjährigenrecht freilich nicht<br />

zwingend. Denkbar ist auch, dass sich der Fall insgesamt nur<br />

entweder im Vertretungsrecht oder im Minderjährigenrecht abspielt.<br />

Für den Entwurf einer Prüfungsaufgabe ist diese etwas<br />

eintönige Konstellation freilich wenig attraktiv. 18<br />

II. Der Begriff des »lediglich rechtlichen Vorteils«<br />

Unbeschadet der soeben dargestellten Differenzierung hängt die<br />

Lösung entsprechender Fälle in der Sache stets von ein und<br />

derselben Frage ab: Derjenigen nämlich, ob die abgeschlossenen<br />

Rechtsgeschäfte und das Rechtsgeschäft insgesamt dem Minderjährigen<br />

lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen oder nicht.<br />

Ist § 107 BGB streitentscheidende Norm, folgt dies bereits aus<br />

dem Wortlaut dieser Vorschrift. Bei einer Lösung über § 181<br />

BGB kann man entsprechende Erwägungen zwar nicht an den<br />

Wortlaut der Vorschrift heften, anstellen muss man sie gleichwohl.<br />

Von ihrem Ergebnis hängt nämlich ab, ob das Vertretungsverbot<br />

des § 181 BGB teleologisch zu reduzieren ist (oder<br />

nicht) und damit, ob das jeweils geprüfte Geschäft im Ergebnis<br />

wirksam ist (oder nicht). Die zentrale Bedeutung des lediglich<br />

rechtlichen Vorteils und der Umfang der hierzu ergangenen<br />

Rechtsprechung rechtfertigen es, ihm einen eigenen Abschnitt<br />

zu widmen. Aus Gründen besserer Verständlichkeit ist er der<br />

Darstellung der Rechtslage allerdings nach- und nicht vorangestellt.<br />

8 MüKo-BGB/Schmitt 5. Aufl. 2006, § 107 Rn. 8.<br />

9 Palandt/Heinrichs (Fn. 1) § 112 Rn. 1; Soergel/Hefermehl BGB, 13. Aufl. 2002, § 113<br />

Rn. 1; Medicus Allgemeiner Teil, 8. Aufl. 2002 Rn. 583; D. Schwab Familienrecht,<br />

16. Aufl. 2008, Rn. 560; von Tuhr Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen<br />

Rechts, Bd. II/1 1914, § 59 zu Anm. 144; Larenz /Wolf Allgemeiner Teil des<br />

Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 25 Rn. 70.<br />

10 Palandt/Heinrichs (Fn. 1) § 107 Rn. 1; Planck/Flad BGB, 4. Aufl. 1913, § 107,<br />

Anm. II. 4.; Staudinger/Dilcher BGB, Neubearbeitung 2004, § 107 Rn. 1; auch ein<br />

rechtlich nachteiliges Geschäft kann der Minderjährige entweder selbst abschließen<br />

(dann benötigt er die Einwilligung seiner Eltern, § 108 BGB) oder sich durch seine<br />

Eltern vertreten lassen.<br />

11 S. bei Emmerich JuS 2005, 457 (458); Fezer BGB Allgemeiner Teil, 6. Aufl. 2003,<br />

Fall 13 = S. 125 (133); Marburger Klausurenkurs BGB Allgemeiner Teil, 8. Aufl.<br />

2004, Rn. 60 ff.; Ultsch Jura 1998, 524 (526); richtig dagegen Olzen/Wank Zivilrechtliche<br />

Klausurenlehre mit Fallrepetitorium, 1994, Fall 4 = S. 145 (148 ff.).<br />

12 Anders offenbar Marburger (Fn. 11) Rn. 61, wonach die Eltern die Zustimmung<br />

gegenüber sich selbst (?) vornehmen.<br />

13 S. nur Palandt/Heinrichs (Fn. 1) § 107 Rn. 1.<br />

14 OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 755 (757); Palandt/Heinrichs (Fn. 1) § 107 Rn. 10;<br />

<strong>Ja</strong>uernig/ders. BGB, 12. Aufl. 2007, § 107 Rn. 8; MüKo-BGB/Huber 5. Aufl. 2008,<br />

§ 1643 Rn. 11 m. w. Nachw.; Staudinger/Knothe (Fn. 10) § 107 Rn. 43 unter Verweis<br />

auf Mot IV 1136 = Mugdan IV 602; Schulze/Dörner/Ebert BGB, 5. Aufl. 2007,<br />

§ 107 Rn. 12; Bamberger/Roth/Wendtlandt BGB, Band 2, 2. Aufl. 2007, § 107<br />

Rn. 3.<br />

15 MüKo-BGB/ders. 5. Aufl. 2008, § 1795 Rn. 10 unter Hinweis auf KG KGJ 1945,<br />

237. Auf diese Fundstelle bezieht sich Marburger (Fn. 11) Rn. 60. A.A. zu Recht<br />

Palandt/Heinrichs (Fn. 1) § 107 Rn. 1. Vorsichtiger MüKo-BGB/Schmitt § 107 Rn. 4<br />

(»ergänzende Regelungen«) und Rn. 26.<br />

16 Larenz /Wolf (Fn. 9) § 25 Rn. 33 a.E. So offenbar auch BayObLG LG NJW 2004,<br />

2264, s. bei Emmerich JuS 2005, 457.<br />

17 Sehr instruktiv daher Olzen/Wank (Fn. 11) S. 145 ff.<br />

18 S. nochmals den in Fn. 17 Genannten.

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