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AUFSÄTZE - Ja-Aktuell

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AUFSATZ<br />

AUFSATZ ZIVILRECHT · GRUNDSTÜCKSSCHENKUNG AN MINDERJÄHRIGE<br />

die Bestellung eines Vorkaufsrechtes an einem zu übertragenden<br />

Miteigentumsanteil nicht zur rechtlichen Nachteiligkeit des<br />

Geschäftes. 53<br />

Bei der Belastung des Grundstücks mit einem Nießbrauch<br />

ist zu unterscheiden: Hat der Nießbraucher über §§ 1042 S. 2,<br />

1047 BGB hinaus auch die Kosten außergewöhnlicher Ausbesserungen<br />

und Erneuerungen sowie die außergewöhnlichen<br />

Grundstückslasten zu tragen und ist der Eigentümer insoweit<br />

also nicht zum Aufwendungs- oder Verwendungsersatz gem.<br />

§§ 1049, 677 ff. BGB verpflichtet, so ist der Erwerb des<br />

Grundstücks rechtlich lediglich vorteilhaft. 54 Verbleiben die genannten<br />

Lasten beim (neuen) Eigentümer, so ist das Geschäft<br />

demgegenüber nachteilig. 55<br />

E. SCHLUSS<br />

Es ist nun die ganze Zeit die Rede davon gewesen, ob und<br />

unter welchen Voraussetzungen die Grundstücksschenkung an<br />

Minderjährige zulässig ist. Zum Schluss soll die Perspektive für<br />

einen Augenblick verändert und folgende Frage gestellt werden:<br />

AUFSATZ STRAFRECHT · NIEDRIGE BEWEGGRÜNDE BEI § 211 II StGB<br />

Professor Dr. Dr. Kristian Kühl, Universität Tübingen *<br />

Die drei speziellen niedrigen Beweggründe des § 211 II StGB<br />

§ 211 II versieht das Mordmerkmal »aus niedrigen Beweggründen«<br />

mit dem Adjektiv »sonst«. Das bedeutet für die davor stehenden<br />

Merkmale »aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus<br />

Habgier«, dass sie als spezielle Ausformungen von niedrigen Beweggründen<br />

zu verstehen sind. Es handelt sich um gesetzliche Beispiele<br />

niedriger Beweggründe. 1 Das bedeutet für die Fallbearbeitung, dass<br />

man sich zuerst diesen speziellen Beweggründen zuwenden muss, bevor<br />

man überlegt, ob ein »sonst« niedriger Beweggrund vorliegt. Weiterhin<br />

bedeutet diese Systematik, dass ein »sonst« niedriger Beweggrund<br />

nicht mehr zu prüfen ist, wenn ein spezieller niedriger<br />

Beweggrund wie etwa die Habgier das Handeln des Täters bestimmt<br />

hat. 2 Man kann auch sagen, dass der »sonst« niedrige Beweggrund<br />

eine »subsidiäre« Generalklausel ist. 3 Das gilt allerdings nur dann,<br />

wenn der Täter nur einen Beweggrund hat, der sowohl als spezieller<br />

niedriger Beweggrund als auch als »sonst« niedriger Beweggrund eingestuft<br />

werden kann. Hat aber z.B. die Ehefrau, die ihren Mann<br />

tötet, sowohl den Beweggrund der Habgier (»frühere Erbschaft«) als<br />

auch einen »sonst« niedrigen Beweggrund (»im Stich lassen des hilfsbedürftigen<br />

Ehemanns, um sich einem jüngeren Liebhaber zuzuwenden«),<br />

so liegen zwei Mordmerkmale vor.<br />

A. MORDLUST<br />

Mordlust liegt vor, wenn das Motiv, das den Täter zur Tötung<br />

eines anderen Menschen bringt, allein in dieser Tötung – dem<br />

Tötungsvorgang und dem Tötungserfolg – besteht. 4 Auf<br />

diese Definition hat sich im Kern – bei sprachlichen Abweichungen<br />

5 – die Strafrechtswissenschaft in Anlehnung an die Rechtsprechung<br />

des BGH inzwischen geeinigt. Sie kann deshalb der<br />

Fallprüfung zugrunde gelegt werden. Diese Fallprüfung kann bei<br />

einschlägigen Sachverhalten in Übungs- und Prüfungsarbeiten<br />

nicht deshalb verweigert werden, weil man verfassungsrechtliche<br />

Bedenken hinsichtlich dieses Mordmerkmals hat; 6 – das Bundesverfassungsgericht<br />

hat seine Bedenken auf die Mordmerkmale der<br />

Heimtücke und der Verdeckungsabsicht konzentriert. 7 In der<br />

Übungsfall-Literatur und in der Praxis sind Mordlust-Mordfälle<br />

selten. 8<br />

566<br />

8-9/2009<br />

Können die Eltern ein Grundstück des Minderjährigen verschenken,<br />

gar an sich selbst? Die Antwort ergibt sich aus<br />

§ 1641 S. 1 56 und 2 BGB: Die Eltern können in Vertretung<br />

des Kindes keine Schenkungen machen. Ausgenommen sind<br />

Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf<br />

den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird. Eine<br />

Umgehung des § 1641 S. 1 BGB durch Pflegerbestellung scheitert<br />

an §§ 1915, 1804 BGB. 57<br />

53 BayObLG NJW 1998, 3574 (3576).<br />

54 BGH NJW 2005, 415 (417); OLG Dresden MittBayNot 1996, 288 (290); vgl.<br />

auch BayObLGZ 1979, 49 (54 f.); OLG Celle MDR 2001, 931; OLG Köln<br />

RPfleger 1998, 159; ZMR 2004, 189 (191); Erman/Palm (Fn. 31) § 107 Rn. 6;<br />

Palandt/Heinrichs (Fn. 1) § 107 Rn. 4; MüKo-BGB/Schmitt (Fn. 15) § 107 Rn. 40;<br />

Stürner AcP 173 (1973), 402 (428); Larenz /Wolf (Fn. 9) § 25 Rn. 24.<br />

55 BGH NJW 1981, 141 (142); BFH NJW-RR 1990, 1035 (1036); Larenz /Wolf<br />

(Fn. 9) § 25 Rn. 26.<br />

56 § 1641 S. 1 BGB ist nach h.M. (MüKo-BGB/Huber 5. Aufl. 2008, § 1641 Rn. 7<br />

m.w.N.) Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB.<br />

57 Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht, 5. Aufl. 2006, § 61 Rn. 12.<br />

Der Wortlaut des Merkmals hat zu dieser Verständigung<br />

und der daraus hervorgehenden Definition beigetragen. Er setzt<br />

mit dem Wortteil ›Mord‹ voraus, was das Merkmal ›Mordlust‹<br />

leisten soll, nämlich zu sagen, wann ein Mord vorliegt. 9 Morde,<br />

die sich aus anderen Mordmerkmalen wie etwa Heimtücke<br />

ergeben, sind ja nicht gemeint. Kein Wunder also, dass sich<br />

die Rechtsprechung zunächst auf den Wortteil ›Lust‹ »warf« 10<br />

und diese mit dem Wort ›Freude‹ persiflierte. Das aber brachte<br />

nicht viel und führte sogar in die Irre, als der BGH diese<br />

›Freude‹ mit dem Adjektiv ›unnatürliche‹ versah. Ganz abgesehen<br />

davon, ob es denn überhaupt eine natürliche Freude an<br />

der Tötung eines anderen Menschen geben kann, 11 legt die<br />

»unnatürliche Freude« 12 eher eine (verminderte) Schuldfähigkeit<br />

nahe, als dass sie ein gesteigertes Tötungsunrecht oder<br />

eine gesteigerte Tötungsschuld ausdrückt. 13<br />

* Der Autor ist Inhaber eines Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie<br />

an der Universität Tübingen.<br />

1 BGHSt 3, 132 (133); Lackner/Kühl StGB, 26. Aufl. 2006, § 211 Rn. 4.<br />

2 Rengier BT II, 10. Aufl. 2009, § 4 Rn. 22a; im Übungsfall Beulke KK I, 4. Aufl.<br />

2008, Fall 8, Rn. 275 u. 280 sowie Hilgendorf Fallsammlung, 5. Aufl. 2008, Fall 5,<br />

S. 25 u. 26.<br />

3 Mitsch JuS 1996, 121 (125).<br />

4 Vgl. Küper BT, 7. Aufl. 2008, S. 237; Lackner/Kühl (Fn. 1) § 211 Rn. 4; Schroth<br />

BT, 4. Aufl. 2006, S. 65.<br />

5 Wessels/Hettinger BT 1, 2. Aufl. 2008, Rn. 94, sprechen von »Wunsch« statt von<br />

Motiv.<br />

6 So etwa Kargl StraFo 2001, 365 (366): rechtsstaatswidriges Merkmal.<br />

7 BVerfGE 45, 187 ff.<br />

8 Rengier (Fn. 2) § 4 Rn. 11; Eisele BT I, 2008, Rn. 80; zur geringen praktischen<br />

Bedeutung BGHSt 34, 59 (60); für Streichung des Merkmals deshalb Köhne Jura<br />

2009, 100 (102).<br />

9 Zu diesem Tautologie-Einwand näher Kelker Zur Legitimität von Gesinnungsmerkmalen<br />

im Strafrecht, 2007, S. 594; Karg StraFo 2001, 365 (366); Schroeder JuS<br />

1984, 272 (277) u. in: Maurach/Schroeder/Maiwald BT 1, 9. Aufl. 2003, § 2 Rn. 31.<br />

10 So noch heute Köhne Jura 2009, 100 (101 f.); in diese Richtung verstehen das<br />

Mordmerkmal auch Gössel/Dölling BT 1, 2. Aufl. 2004, § 4 Rn. 40.<br />

11 Arzt/Weber/Hilgendorf BT, 2. Aufl. 2009, § 2 Rn. 54; NK/Neumann StGB, 2. Aufl.<br />

2005, § 211 Rn. 8.<br />

12 So BGH NJW 1953, 1440; heute noch Jäger BT, 2. Aufl. 2007, Rn. 28.<br />

13 Vgl. Rüping JZ 1979, 617 (620); Kargl StraFo 2001, 365 (366); Kelker (Fn. 9)<br />

S. 595; Schönke/Schröder/Eser 27. Aufl. 2006, § 211 Rn. 15.

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