AUFSÄTZE - Ja-Aktuell
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ZEITSCHRIFT FÜR STUDENTEN UND REFERENDARE HEFT 8 – 9 / 2009 SEITEN 561 – 672 41. JAHRGANG<br />
<strong>AUFSÄTZE</strong><br />
AUFSATZ ZIVILRECHT · GRUNDSTÜCKSSCHENKUNG AN MINDERJÄHRIGE<br />
Dr. Christoph Keller, München *<br />
Grundstücksschenkung an Minderjährige<br />
Die Fälle der Grundstücksschenkung an Minderjährige gehören<br />
seit <strong>Ja</strong>hren zum Standardrepertoire juristischer Prüfungen, sei es<br />
während des Studiums, der Ersten oder gar der Zweiten Juristischen<br />
Staatsprüfung. Sie sind im Grunde nicht schwer zu lösen,<br />
jedenfalls dann nicht, wenn man sich zuvor einmal die Zeit<br />
genommen hat, über die berührten Rechtsfragen nachzudenken.<br />
Dazu soll die vorliegende, kurze Abhandlung Anlass geben, die<br />
ihre Berechtigung außerdem einiger jüngerer Urteile zu diesem<br />
Thema verdankt.<br />
A. EINLEITUNG<br />
Den Fällen der Grundstücksschenkung an Minderjährige<br />
kommt große praktische Bedeutung zu. Hintergrund solcher<br />
Schenkungen ist i.d.R. die sog. vorweggenommene Erbfolge. 1 Der<br />
Begriff der vorweggenommenen Erbfolge entstammt nicht der<br />
Gesetzessprache. Er wurde im rechtswissenschaftlichen Schrifttum<br />
als Sammelbegriff für vertragliche Gestaltungen geprägt,<br />
die die Übertragung des Vermögens (oder eines wesentlichen<br />
Teils davon) durch den künftigen Erblasser auf einen oder<br />
mehrere als Erben in Aussicht genommene Empfänger zum<br />
Gegenstand haben. 2 Diese Übertragung richtet sich nicht nach<br />
Erbrecht, sondern muss sich der Rechtsgeschäfte unter Lebenden<br />
bedienen. Gestaltungsmittel der vorweggenommenen Erbfolge<br />
ist der sog. Übergabevertrag. Auch dieser Begriff entstammt<br />
nicht der Gesetzessprache. Der Übergabevertrag ist ein<br />
gegenseitiger Vertrag eigener Art und verpflichtet den Übergeber<br />
zur Übergabe seines gesamten Vermögens, oder eines Teils<br />
davon, den Übernehmer zur Erbringung einer auf Versorgung<br />
des Übergebers gerichteten Gegenleistung. Das können laufende<br />
Geldzahlungen, aber auch die Einräumung eines Nutzungsrechts<br />
sein.<br />
Aus dieser Grundkonzeption der vorweggenommenen Erbfolge<br />
ergibt sich die typische Konstellation der hier zu besprechenden<br />
Fälle: Die Eltern übertragen ihrem Kind zu Lebzeiten<br />
unentgeltlich ihr Grundstück, das Kind verpflichtet sich im<br />
Gegenzug, den Eltern die Nutzung des Grundstücks lebenslänglich<br />
zu gewähren. Dieses Nutzungsrecht wird i.d.R. durch<br />
einen sog. Vorbehaltsnießbrauch gesichert. Das Motiv für ein<br />
solches Geschäft findet sich zunächst im Steuerrecht: Die vorweggenommene<br />
ist gegenüber der herkömmlichen Erbfolge<br />
unter bestimmten, hier nicht weiter interessierenden Voraussetzungen<br />
steuerlich privilegiert. 3 Obendrein hat die vorwegge-<br />
nommene Erbfolge den Vorteil, dass Rechtsstreitigkeiten nach<br />
dem Tod des Erblassers kaum zu erwarten sind, wenn das<br />
Vermögen des Erblassers bereits zu Lebzeiten durch vernünftige<br />
Regelungen verteilt wurde.<br />
Die Fälle der Grundsstücksschenkung an Minderjährige sind<br />
aber nicht nur praktisch von Interesse, sondern auch sehr<br />
prüfungsrelevant. 4 Einmal lassen sich mit ihnen die Grundlagen<br />
des Vertrags-, des Minderjährigen-, des Stellvertretungs- und<br />
des Sachenrechts prüfen. Sodann aber fällt die Prüfung alleine<br />
dieses Problems nicht besonders umfangreich aus, weshalb entsprechende<br />
Aufgaben regelmäßig mit weiteren Fragestellungen<br />
aus den soeben genannten Rechtsgebieten versehen werden.<br />
Hinzu kommt schließlich, dass zu diesem Thema in den letzten<br />
<strong>Ja</strong>hren mehrere obergerichtliche Entscheidungen 5 ergangen<br />
sind, deren Sachverhalte sich allesamt für Prüfungsaufgaben<br />
eignen. All das mag es rechtfertigen, das Thema der Grundstücksschenkung<br />
an Minderjährige erneut 6 aufzugreifen und<br />
ihm einen kurzen Beitrag zu widmen.<br />
B. GRUNDLAGEN<br />
Vorab ist auf drei allgemeine und grundlegende Aspekte hinzuweisen,<br />
deren Beachtung die Lösung dieser Fälle erleichtert:<br />
I. Das Verhältnis von § 1629 und § 107 f. BGB<br />
Minderjährige 7 werden im Rechtsverkehr im Rahmen der Personensorge<br />
grundsätzlich durch ihre gesetzlichen Vertreter vertreten.<br />
Das sind i.d.R. die Eltern (§§ 1626 I 1, 1629 I 1<br />
BGB), gelegentlich der Vormund (§ 1795 BGB) oder der Er-<br />
* Der Autor ist Rechtsanwalt im Münchener Büro der Sozietät Nörr Stiefenhofer<br />
Lutz.<br />
1 Zur vorweggenommenen Erbfolge Palandt/Edenhofer BGB, 68. Aufl. 2009, Einl. v.<br />
§ 1922 Rn. 7; vertiefend Olzen Die vorweggenommene Erbfolge, 1984, und Kolhosser<br />
AcP 194 (1994), 231 ff.<br />
2 BGHZ 113, 310 (312); BGH NJW 1995, 1349 (1350) = JuS 1995, 739<br />
(K. Schmidt).<br />
3 Zur ertragsteuerlichen Behandlung der vorweggenommenen Erbfolge s. KK-EStG/<br />
Reiß 8. Aufl. 2008, § 16 Rn. 135 ff. und L. Schmidt/Glanegger EStG, 27. Aufl. 2008,<br />
§ 6 Rn. 155 ff.; L. Schmidt/Wacker § 1 Rn. 45 ff.<br />
4 S. statt vieler Singer Jura Sonderheft Examensklausurenkurs, 2000, S. 1 ff.<br />
5 Neben BGH NJW 2005, 415 sind v.a. die Entscheidung der Vorinstanz BayObLG<br />
NJW 2004, 2264, die des OLG Köln RPfleger 2003, 570 m. Anm. Bestelmeyer<br />
RPfleger 2004, 162, und die des BayObLG NJW 2003, 1129 relevant.<br />
6 Zuletzt an dieser Stelle Löhnig JA 2002, 466.<br />
7 Minderjährige sind natürliche Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet<br />
haben (arg. § 2 BGB).<br />
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AUFSATZ<br />
AUFSATZ ZIVILRECHT · GRUNDSTÜCKSSCHENKUNG AN MINDERJÄHRIGE<br />
gänzungspfleger (§§ 1909, 1915 BGB). 8 Vertretung ist zwingend<br />
notwendig, soweit das minderjährige Kind das siebte<br />
Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Bis zu diesem Zeitpunkt<br />
ist es geschäftsunfähig (§ 104 Nr. 1 BGB) und kann anders<br />
als durch Vertreter überhaupt noch nicht rechtsgeschäftlich<br />
tätig werden.<br />
Anders stellt sich die Lage jedoch bei Minderjährigen dar,<br />
die das siebte Lebensjahr bereits vollendet haben und deshalb<br />
beschränkt geschäftsfähig (§ 106 BGB) sind: Sie können durchaus<br />
– wenn auch nur unter bestimmten Voraussetzungen<br />
(§§ 107-113 BGB) – selbst rechtsgeschäftlich tätig werden, also<br />
Willenserklärungen abgeben und entgegennehmen. Beruht diese<br />
rechtsgeschäftliche Handlungsfähigkeit auf einer gesetzlichen<br />
Erweiterung der Geschäftsfähigkeit (§§ 112 f. BGB), so verdrängt<br />
diese die Vertretungsmacht der gesetzlichen Vertreter. 9<br />
Beruht sie dagegen darauf, dass das Geschäft dem Minderjährigen<br />
lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt (§ 107 BGB), so<br />
besteht die Vertretungsmacht der Eltern fort. Mit anderen<br />
Worten: Ein Rechtsgeschäft, das dem Minderjährigen lediglich<br />
einen rechtlichen Vorteil bringt, kann er entweder selbst abschließen,<br />
oder seine Eltern können dies für ihn tun. 10 Dieses<br />
Nebeneinander von eigenständiger rechtsgeschäftlicher Handlungsfähigkeit<br />
des Minderjährigen einerseits, fortbestehendem<br />
Vertretungsrecht der Eltern andererseits, macht es erforderlich,<br />
bei der Lösung entsprechender Fälle stets genau darauf zu<br />
sehen, wer gehandelt hat: Die Eltern für das Kind oder das<br />
Kind selbst.<br />
Von dieser Unterscheidung hängt ab, welche Norm streitentscheidend<br />
ist: Schenken Eltern ihrem Kind ein Grundstück<br />
und treten sie hierbei zugleich als seine gesetzlichen Vertreter<br />
auf, so spielt sich der Fall im Vertretungsrecht ab. Zentrale<br />
Vorschrift ist dann nicht etwa § 107 BGB. Streitentscheidend<br />
sind die §§ 1629 II 1, 1795 II und § 181 BGB. Die intuitive<br />
gedankliche Einordnung einer solchen Konstellation ins Minderjährigenrecht<br />
ist mithin irreführend. Sollte der Minderjährige<br />
im Zuge der Schenkung dagegen selbst einmal rechtsgeschäftlich<br />
gehandelt haben, spielt sich der Fall tatsächlich<br />
ausschließlich im Minderjährigenrecht ab. Streitentscheidende<br />
Norm ist dann § 107 BGB. § 181 BGB spielt keine Rolle.<br />
Vor dem Hintergrund dieser Differenzierung erweist sich die<br />
in der Ausbildungsliteratur immer wieder zu lesende Behauptung<br />
als falsch, die Zustimmung des § 107 BGB scheitere am<br />
Vertretungsverbot des § 181 BGB. 11 Wenn Eltern in ein Geschäft<br />
einwilligen, dass der Minderjährige selbst abgeschlossen<br />
hat, dann vertreten sie ihn nicht. 12 Deshalb kann eine rein<br />
vertretungsrechtliche Vorschrift wie § 181 BGB schon aus systematischen<br />
Gründen keine Rolle spielen. 13<br />
Eine andere Frage ist es, ob vertretungsrechtliche Vorschriften<br />
wie § 1795 BGB oder auch § 1643 BGB auf die Situation<br />
der §§ 107 f. BGB wegen der Vergleichbarkeit der Gefährdungslage<br />
analog angewendet werden können. Wer die angebotenen<br />
Falllösungen durchmustert, wird eine Auseinandersetzung<br />
mit diesem (schwierigen) Problem indessen vergeblich suchen.<br />
Für § 1643 I BGB, wo es um das Erfordernis familiengerichtlicher<br />
Genehmigung geht, wird diese Frage von der h.M. bejaht.<br />
14 Dass die Vertretungsverbote des § 1795 BGB auf die<br />
Einwilligung nach § 107 f. BGB analog angewendet werden<br />
müssten, wird demgegenüber nur von Wagenitz 15 und Wolf 16<br />
vertreten. Zu Unrecht, denn die Situation, in der die maßgebliche<br />
Willensentschließung vom Minderjährigen selbst stammt<br />
und die Eltern gewissermaßen nur eine Billigung aussprechen,<br />
ist mit derjenigen nicht vergleichbar, in der die maßgebliche<br />
und vor allem: einzige Willensentschließung vom gesetzlichen<br />
Vertreter selbst stammt. Letztere Situation ist, wie nicht zuletzt<br />
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die Wertung des § 1629a BGB zeigt, für den Minderjährigen<br />
ungleich gefährlicher als die der §§ 107 f. BGB: § 1629a BGB<br />
ist nicht anwendbar, wenn sich der Minderjährige durch den<br />
Abschluss von Rechtsgeschäften überschuldet, die er selbst mit<br />
Einwilligung seiner Eltern abgeschlossen hat.<br />
Diese soeben beschriebene Unterscheidung ist gesondert sowohl<br />
für das Verpflichtungs- als auch für das Erfüllungsgeschäft<br />
vorzunehmen. Sie führt oft zu unterschiedlichen Ergebnissen:<br />
Während im Zuge des Verpflichtungsgeschäftes – der Schenkung<br />
– häufig der Minderjährige selbst gehandelt haben wird,<br />
dürfte das beim Erfüllungsgeschäft – der Auflassung – kaum<br />
je der Fall sein. 17 Ungeachtet ihrer Häufigkeit ist diese Kombination<br />
von Vertretungs- und Minderjährigenrecht freilich nicht<br />
zwingend. Denkbar ist auch, dass sich der Fall insgesamt nur<br />
entweder im Vertretungsrecht oder im Minderjährigenrecht abspielt.<br />
Für den Entwurf einer Prüfungsaufgabe ist diese etwas<br />
eintönige Konstellation freilich wenig attraktiv. 18<br />
II. Der Begriff des »lediglich rechtlichen Vorteils«<br />
Unbeschadet der soeben dargestellten Differenzierung hängt die<br />
Lösung entsprechender Fälle in der Sache stets von ein und<br />
derselben Frage ab: Derjenigen nämlich, ob die abgeschlossenen<br />
Rechtsgeschäfte und das Rechtsgeschäft insgesamt dem Minderjährigen<br />
lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen oder nicht.<br />
Ist § 107 BGB streitentscheidende Norm, folgt dies bereits aus<br />
dem Wortlaut dieser Vorschrift. Bei einer Lösung über § 181<br />
BGB kann man entsprechende Erwägungen zwar nicht an den<br />
Wortlaut der Vorschrift heften, anstellen muss man sie gleichwohl.<br />
Von ihrem Ergebnis hängt nämlich ab, ob das Vertretungsverbot<br />
des § 181 BGB teleologisch zu reduzieren ist (oder<br />
nicht) und damit, ob das jeweils geprüfte Geschäft im Ergebnis<br />
wirksam ist (oder nicht). Die zentrale Bedeutung des lediglich<br />
rechtlichen Vorteils und der Umfang der hierzu ergangenen<br />
Rechtsprechung rechtfertigen es, ihm einen eigenen Abschnitt<br />
zu widmen. Aus Gründen besserer Verständlichkeit ist er der<br />
Darstellung der Rechtslage allerdings nach- und nicht vorangestellt.<br />
8 MüKo-BGB/Schmitt 5. Aufl. 2006, § 107 Rn. 8.<br />
9 Palandt/Heinrichs (Fn. 1) § 112 Rn. 1; Soergel/Hefermehl BGB, 13. Aufl. 2002, § 113<br />
Rn. 1; Medicus Allgemeiner Teil, 8. Aufl. 2002 Rn. 583; D. Schwab Familienrecht,<br />
16. Aufl. 2008, Rn. 560; von Tuhr Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen<br />
Rechts, Bd. II/1 1914, § 59 zu Anm. 144; Larenz /Wolf Allgemeiner Teil des<br />
Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 25 Rn. 70.<br />
10 Palandt/Heinrichs (Fn. 1) § 107 Rn. 1; Planck/Flad BGB, 4. Aufl. 1913, § 107,<br />
Anm. II. 4.; Staudinger/Dilcher BGB, Neubearbeitung 2004, § 107 Rn. 1; auch ein<br />
rechtlich nachteiliges Geschäft kann der Minderjährige entweder selbst abschließen<br />
(dann benötigt er die Einwilligung seiner Eltern, § 108 BGB) oder sich durch seine<br />
Eltern vertreten lassen.<br />
11 S. bei Emmerich JuS 2005, 457 (458); Fezer BGB Allgemeiner Teil, 6. Aufl. 2003,<br />
Fall 13 = S. 125 (133); Marburger Klausurenkurs BGB Allgemeiner Teil, 8. Aufl.<br />
2004, Rn. 60 ff.; Ultsch Jura 1998, 524 (526); richtig dagegen Olzen/Wank Zivilrechtliche<br />
Klausurenlehre mit Fallrepetitorium, 1994, Fall 4 = S. 145 (148 ff.).<br />
12 Anders offenbar Marburger (Fn. 11) Rn. 61, wonach die Eltern die Zustimmung<br />
gegenüber sich selbst (?) vornehmen.<br />
13 S. nur Palandt/Heinrichs (Fn. 1) § 107 Rn. 1.<br />
14 OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 755 (757); Palandt/Heinrichs (Fn. 1) § 107 Rn. 10;<br />
<strong>Ja</strong>uernig/ders. BGB, 12. Aufl. 2007, § 107 Rn. 8; MüKo-BGB/Huber 5. Aufl. 2008,<br />
§ 1643 Rn. 11 m. w. Nachw.; Staudinger/Knothe (Fn. 10) § 107 Rn. 43 unter Verweis<br />
auf Mot IV 1136 = Mugdan IV 602; Schulze/Dörner/Ebert BGB, 5. Aufl. 2007,<br />
§ 107 Rn. 12; Bamberger/Roth/Wendtlandt BGB, Band 2, 2. Aufl. 2007, § 107<br />
Rn. 3.<br />
15 MüKo-BGB/ders. 5. Aufl. 2008, § 1795 Rn. 10 unter Hinweis auf KG KGJ 1945,<br />
237. Auf diese Fundstelle bezieht sich Marburger (Fn. 11) Rn. 60. A.A. zu Recht<br />
Palandt/Heinrichs (Fn. 1) § 107 Rn. 1. Vorsichtiger MüKo-BGB/Schmitt § 107 Rn. 4<br />
(»ergänzende Regelungen«) und Rn. 26.<br />
16 Larenz /Wolf (Fn. 9) § 25 Rn. 33 a.E. So offenbar auch BayObLG LG NJW 2004,<br />
2264, s. bei Emmerich JuS 2005, 457.<br />
17 Sehr instruktiv daher Olzen/Wank (Fn. 11) S. 145 ff.<br />
18 S. nochmals den in Fn. 17 Genannten.
AUFSATZ ZIVILRECHT · GRUNDSTÜCKSSCHENKUNG AN MINDERJÄHRIGE<br />
III. Trennungs- und Abstraktionsprinzip<br />
Neben diesen beiden Gesichtspunkten müssen bei der Lösung<br />
solcher Fälle schließlich stets das Trennungs- und das Abstraktionsprinzip<br />
beachtet werden. Das Trennungsprinzip besagt,<br />
dass Erfüllungsgeschäfte rechtlich selbstständige Geschäfte sind,<br />
auch wenn sie rein tatsächlich mit dem Verpflichtungsgeschäft<br />
zusammen fallen. Das Abstraktionsprinzip bedeutet darüber hinaus<br />
gehend, dass das dingliche Erfüllungsgeschäft nicht nur<br />
im gedanklichen Ablauf, sondern auch in seiner Wirksamkeit<br />
und Rechtsbeständigkeit vom Verpflichtungsgeschäft unabhängig<br />
ist. 19 In der Regel wählen Prüfungsaufgaben, deren Gegenstand<br />
die Schenkung an Minderjährige ist, das Erfüllungsgeschäft<br />
als Anknüpfungspunkt. 20 Das geschieht, indem gegen<br />
den oder von dem Beschenkten entweder ein Grundbuchberichtigungsanspruch<br />
(§ 894 BGB) oder ein Herausgabeanspruch<br />
(§ 985 BGB) geltend gemacht wird. Häufig anzutreffen ist<br />
auch die prozessuale Einkleidung des Falles dergestalt, dass die<br />
Eintragung des Beschenkten ins Grundbuch (oder die Ablehnung<br />
derselben) im Zuge einer Grundbuchbeschwerde nach<br />
§ 72 GBO überprüft werden soll. 21 Im Zuge der Prüfung der<br />
Eigentumslage bzw. der Beschwerde ist sodann dazu Stellung<br />
zu nehmen, ob der abgeschlossene dingliche Vertrag, die Auflassung,<br />
wirksam ist. Weil nun aber das Trennungs- und das<br />
Abstraktionsprinzip selbstverständlich auch für Schenkungen an<br />
Minderjährige gelten, sollte man meinen, dass jedes Wort zum<br />
Verpflichtungsgeschäft in einer so konzipierten Aufgabe nicht<br />
nur überflüssig, sondern geradezu falsch wäre. Diese Annahme<br />
ist allerdings, wie sogleich zu zeigen sein wird, nur bedingt<br />
richtig. Trotzdem: Trennungs- und Abstraktionsprinzip sollten<br />
bei der Falllösung stets im Auge behalten werden.<br />
C. RECHTSLAGE<br />
Zur Frage, wie Grundstückschenkungen an Minderjährige<br />
rechtlich zu bewerten sind, werden unterschiedliche Auffassungen<br />
vertreten. In Rechtsprechung und Literatur lassen sich drei<br />
Standpunkte klar voneinander unterscheiden:<br />
I. Trennungslösung<br />
Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung ist – wie soeben erwähnt<br />
– regelmäßig die Frage nach der Wirksamkeit des Erfüllungsgeschäftes.<br />
Hat der gesetzliche Vertreter insoweit für den<br />
Minderjährigen gehandelt, liegt also ein Vertretungsfall vor, so<br />
ist gem. §§ 1629 II 1, 1795 II BGB die Vorschrift des § 181<br />
BGB zu beachten. Danach kann ein Vertreter im Namen des<br />
Vertretenen mit sich im eigenen Namen ein Rechtsgeschäft<br />
grundsätzlich nicht vornehmen. Man spricht insoweit vom Verbot<br />
des Selbstkontrahierens. Wie aus dem Wortlaut des § 181<br />
BGB zu ersehen ist, kennt dieses Verbot Ausnahmen. Es gilt<br />
nicht, wenn entweder ausdrücklich etwas anderes vereinbart<br />
ist oder das Rechtsgeschäft ausschließlich der Erfüllung einer<br />
Verbindlichkeit dient. Der Vertreter des Minderjährigen dürfte<br />
mithin sein eigenes Angebot auf Abschluss des Erfüllungsgeschäftes<br />
(in regelmäßiger Ermangelung einer besonderen Gestattung)<br />
nur dann annehmen, wenn er hierdurch eine zuvor<br />
begründete Verbindlichkeit erfüllen würde. Diese gesetzliche<br />
Anordnung zwingt dazu, inzidenter zu prüfen, ob eine entsprechende<br />
Verbindlichkeit besteht. In Betracht kommt insoweit<br />
der jeweils zuvor oder zeitgleich abgeschlossene schuldrechtliche<br />
Schenkungsvertrag (§ 516 I BGB). Indes müsste dieser selbst<br />
ebenfalls fehlerlos zustande gekommen sein, denn »Verbindlichkeit«<br />
i.S.d. § 181 BGB ist nur die wirksame Verbindlichkeit.<br />
Diese Inzidentprüfung entfällt in dem Fall, dass der Minderjährige<br />
das Erfüllungsgeschäft selbst abgeschlossen hat. Dann<br />
muss nur § 107 BGB geprüft werden, was zu der Frage führt,<br />
ob der Minderjährige durch den Abschluss dieses Geschäftes<br />
lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt (dazu unter D.). Ist<br />
das der Fall, ist das Geschäft wirksam. Ist das nicht der Fall,<br />
muss geprüft werden, ob die Einwilligung des gesetzlichen<br />
Vertreters vorliegt. Für die Wirksamkeit einer solchen Einwilligung<br />
kommt es dabei nicht auf die vertretungsrechtlichen Vorschriften<br />
der §§ 1629 II 1, 1795, 181 BGB an. Auf das oben<br />
unter B. I. Gesagte wird verwiesen.<br />
Für die Wirksamkeit des Schenkungsvertrags gilt im Ausgangspunkt<br />
zunächst einmal nichts anderes als für den dinglichen<br />
Vertrag. Haben die Eltern für das Kind gehandelt, so ist<br />
angesichts des § 181 BGB fraglich, ob der Minderjährige bei<br />
dessen Abschluss wirksam vertreten wurde. Freilich: Das rettende<br />
Ufer der »Erfüllung einer Verbindlichkeit« ist bei der<br />
Prüfung des schuldrechtlichen Geschäftes nicht zu erreichen.<br />
Denn der Abschluss des Schenkungsvertrages dient klarerweise<br />
nicht der Erfüllung einer Verbindlichkeit, sondern stellt allenfalls<br />
selbst eine solche dar. Da wie bereits erwähnt regelmäßig<br />
auch keine besondere Gestattung des Selbstkontrahierens vorliegen<br />
wird, müsste man als Zwischenergebnis festhalten, dass<br />
der Schenkungsvertrag und in seiner Folge auch das Erfüllungsgeschäft<br />
unwirksam ist.<br />
Das Problem liegt nun darin, dass der Anwendungsbereich<br />
des § 181 BGB nach h.M. teleologisch zu reduzieren ist. 22<br />
Der Gedanke ist Folgender: Der Zweck des § 181 BGB besteht<br />
im Schutz des Vertretenen vor möglichen Interessenkollisionen,<br />
die dadurch entstehen können, dass der Vertreter in einer<br />
Person die oft gegensätzlichen Interessen zweier Seiten wahrnehmen<br />
soll. Dies wird kaum mit dem gebotenen Einsatz auf<br />
beiden Seiten möglich sein und bringt deshalb die Gefahr mit<br />
sich, dass die Interessen des Vertretenen vernachlässigt werden.<br />
23 Daraus folgt, dass § 181 BGB entgegen seinem Wortlaut<br />
nicht eingreift, wenn nach der Natur des Rechtsgeschäftes ein<br />
Interessengegensatz von vornherein ausscheidet, es des Schutzes<br />
des Vertretenen also nicht bedarf. 24 Das ist dann der Fall,<br />
wenn das Geschäft für den Vertretenen rechtlich lediglich vorteilhaft<br />
ist. Der Begriff der rechtlichen Vorteilhaftigkeit wird<br />
dabei in Anlehnung an die zu § 107 BGB ergangene Rechtsprechung<br />
bestimmt. 25 Solchermaßen wird man stets zu dem<br />
Ergebnis gelangen, dass der Schenkungsvertrag wirksam ist, ist<br />
doch der Schenkungsvertrag geradezu ein Paradigma für ein<br />
rechtlich lediglich vorteilhaftes Geschäft. 26<br />
Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man, wenn der Minderjährige<br />
das Verpflichtungsgeschäft selbst abgeschlossen hat.<br />
19 Palandt/Heinrichs (Fn. 1) Übbl. vor § 104 Rn. 22; vertiefend Stadler Gestaltungsfreiheit<br />
und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 8 ff.<br />
20 Fezer (Fn. 11) S. 131 ff.; Marburger (Fn. 12) Rn. 39 ff. (insb. 53); Olzen/Wank<br />
(Fn. 11) S. 145 ff.; Singer (Fn. 4) S. 1 ff.<br />
21 Fezer (Fn. 11) S. 131 ff.; Marburger (Fn. 11) Rn. 39 ff.; s. ferner Olzen/Wank (Fn. 11)<br />
S. 145 ff.; Ultsch Jura 1998, 524 (525). Zu familienrechtlichen Problemen im Grundbuchverfahren<br />
s. zuletzt Falk BWNotZ 2008, 48.<br />
22 Palandt/Heinrichs (Fn. 1) § 181 Rn. 9; § 181 BGB ist eine Vorschrift, die zugleich<br />
extensiver, restriktiver und berichtigender Auslegung bedarf: restriktiv, weil sie bei<br />
lediglich rechtlich vorteilhaften Geschäften aufgrund der Wertung des § 107 BGB<br />
außer Acht gelassen wird, extensiv, weil § 181 BGB auch in anderen Fallgruppen<br />
angewandt wird, etwa bei der Erteilung von Untervollmacht oder in den Fällen der<br />
§§ 875 I 2, 876, 1168 II, 1183 (Aufgabe dinglicher Rechte), wenn der Erklärende<br />
zugleich der Sache nach Erklärungsempfänger ist, berichtigend, weil das Geschäft<br />
entgegen § 181 BGB (»kann nicht«) nicht nichtig, sondern analog §§ 177 ff. BGB<br />
schwebend unwirksam ist.<br />
23 Larenz /Wolf (Fn. 9) § 46 Rn. 120.<br />
24 BGHZ 59, 236 (240); 94, 232 (235); Palandt/Heinrichs (Fn. 1) § 181 Rn. 9; instruktiv<br />
Olzen/Wank (Fn. 11) S. 145 (149); in gleicher Weise wird die Vorschrift des<br />
§ 1795 I Nr. 1 BGB teleologisch reduziert, BayObLG NJW 1998, 3574 (3575);<br />
Feller DNotZ 1989, 67.<br />
25 Olzen/Wank (Fn. 11) S. 145 (149); die Vorschrift wird aber nicht etwa analog oder<br />
gar direkt angewendet. Das sollte in der Falllösung klargestellt werden.<br />
26 Larenz /Wolf (Fn. 9) § 25 Rn. 20; anderes gilt, wenn die Schenkung mit einer Auflage<br />
(§ 525 BGB) verbunden ist.<br />
8-9/2009 563<br />
AUFSATZ
AUFSATZ<br />
AUFSATZ ZIVILRECHT · GRUNDSTÜCKSSCHENKUNG AN MINDERJÄHRIGE<br />
Dann gilt zwar nicht § 181 BGB, sondern § 107 BGB; gleichwohl<br />
kommt es in der Sache wiederum darauf an, ob das<br />
Geschäft rechtlich lediglich vorteilhaft ist. Die Antwort auf<br />
diese Frage ändert sich gegenüber dem Vertretungsfall ceteris<br />
paribus nicht. Eine Schenkung ist rechtlich vorteilhaft.<br />
Ist das Grundgeschäft danach rechtlich lediglich vorteilhaft<br />
und daher trotz § 181 BGB wirksam zustande gekommen, so<br />
könnten die Eltern das dingliche Vollzugsgeschäft ebenfalls für<br />
den Minderjährigen vornehmen. Der Abschluss des Vollzugsgeschäftes<br />
dient der Erfüllung der wirksamen Verbindlichkeit aus<br />
dem Schenkungsvertrag. Das ist die sog. Trennungslösung.<br />
II. Gesamtbetrachtungslehre<br />
Der BGH hat der Trennungslösung bereits Anfang der 1980er-<br />
<strong>Ja</strong>hre eine Absage erteilt, 27 weil das oben geschilderte »Jonglierspiel«<br />
28 zu einer nicht hinnehmbaren Aushöhlung des Minderjährigenschutzes<br />
führe. 29 Als Alternative hat er die – wie man<br />
später gesagt hat – Gesamtbetrachtungslehre entwickelt, mit der<br />
es Folgendes auf sich hat: Bei der Beurteilung des Grundgeschäftes<br />
sind die Folgen des dinglichen Geschäftes mit zu<br />
berücksichtigen. Eine allfällige rechtliche Nachteiligkeit des Erfüllungsgeschäftes<br />
führt im Wege einer wertenden Betrachtung<br />
unmittelbar zur rechtlichen Nachteiligkeit auch des Grundgeschäftes.<br />
Dann aber gilt wiederum das oben Gesagte: Ist das<br />
Grundgeschäft rechtlich nachteilig, ist es unwirksam. Das Vollzugsgeschäft<br />
ist ebenfalls unwirksam, denn weder ist es rechtlich<br />
lediglich vorteilhaft noch dient es der Erfüllung einer<br />
Verbindlichkeit. Auch das ist auf seine Art ein Jonglierspiel,<br />
freilich mit einem dem Minderjährigenschutz zuträglichen Ergebnis.<br />
Begründet wurde dieser Ansatz damit, dass zum Schutz des<br />
Minderjährigen auf die Einheit des Lebensvorganges und nicht<br />
auf die vom Gesetz künstlich geschaffene Unterscheidung in<br />
Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft abzustellen sei. Der<br />
maßgebliche Gesichtspunkt sei der, ob sich das Rechtsgeschäft<br />
im Ergebnis für den Minderjährigen als rechtlich lediglich<br />
vorteilhaft erweise oder nicht. Daher dürfe das Ergebnis des<br />
Verfügungsgeschäftes beim Verpflichtungsgeschäft nicht außer<br />
Acht gelassen werden. Gelegentlich 30 wird auch ein Analogieschluss<br />
zu § 816 I 1 BGB ins Feld geführt: Nach dieser<br />
Vorschrift ist ein Nichtberechtigter, der über einen Gegenstand<br />
eine Verfügung trifft, die dem Berechtigten gegenüber wirksam<br />
ist, dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung<br />
Erlangten verpflichtet. § 816 I 1 BGB setze damit das durch<br />
das Verfügungsgeschäft Erlangte mit dem gleich, was aufgrund<br />
des Verpflichtungsgeschäftes erlangt werden sollte und schränke<br />
dadurch das Abstraktionsprinzip ein. Gleiches habe für die<br />
Frage rechtlichen Vorteils zu gelten. Das muss man nicht<br />
überzeugend finden.<br />
Gegen die Gesamtbetrachtungslehre wurde eingewandt, sie<br />
stelle einen Verstoß gegen das Trennungs- und Abstraktionsprinzip<br />
dar. 31 Denn indem sie die Vorteilhaftigkeit des Grundgeschäftes<br />
anhand derer des Erfüllungsgeschäftes beurteile, verknüpfe<br />
sie in letzter Konsequenz auch die rechtliche<br />
Wirksamkeit beider Geschäfte miteinander. Entgegnet wird<br />
dem von den Verfechtern der Gesamtbetrachtungslehre, dass<br />
nicht schuldrechtliches und dingliches Geschäft verknüpft werden,<br />
sondern dass lediglich eine wertende Betrachtung stattfindet<br />
– was das Abstraktionsprinzip grundsätzlich nicht untersage.<br />
32<br />
Entscheidend ist aber die Einsicht, dass die Gesamtbetrachtungslehre<br />
nur den Schluss von der Nachteiligkeit des Erfüllungsgeschäftes<br />
auf die des Grundgeschäftes ermöglicht, aber<br />
nicht umgekehrt. Das war schon immer so und wurde vom<br />
564<br />
8-9/2009<br />
BGH kürzlich bekräftigt: Sei die dingliche Übertragung eines<br />
Grundstücks an einen Minderjährigen bei isolierter Betrachtung<br />
rechtlich lediglich vorteilhaft, bedürfe seine Auflassungserklärung<br />
auch dann nicht der Mitwirkung eines Ergänzungspflegers,<br />
wenn die zu Grunde liegende schuldrechtliche Vereinbarung<br />
mit rechtlichen Nachteilen verbunden ist. Eine<br />
Gesamtbetrachtung des schuldrechtlichen und des dinglichen<br />
Rechtsgeschäfts sei in diesem Fall nicht veranlasst. 33<br />
In der Literatur wurde diese Entscheidung als »Einschränkung«<br />
der Gesamtbetrachtungslehre verstanden. 34 Zu Unrecht:<br />
35 Der Anwendungsbereich der Gesamtbetrachtungslehre<br />
war auch vor der Entscheidung des BGH nicht größer als er<br />
es jetzt ist. Stets konnte jene nur dazu dienen, den rechtlich<br />
nachteiligen Charakter des Erfüllungsgeschäftes auf den Charakter<br />
des Verpflichtungsgeschäftes durchschlagen zu lassen.<br />
Noch nie hat der BGH oder sonst ein Obergericht dagegen<br />
behauptet, die Gesamtbetrachtungslehre ermögliche den Schluss<br />
von der rechtlichen Nachteiligkeit des Verpflichtungsgeschäftes<br />
auf diejenige des Erfüllungsgeschäftes. Das wäre auch unsinnig:<br />
Denn wenn das Verpflichtungsgeschäft rechtlich nachteilig und<br />
damit wegen § 181 oder § 107 unwirksam ist, so ist das gesamte<br />
Geschäft zunächst einmal (s. aber §§ 1909, 1915 BGB)<br />
gescheitert, ohne dass für diese Feststellung auf irgendwelche<br />
Theorien zurückgegriffen werden müsste. Denn dann kann der<br />
Abschluss des (naturgemäß ebenfalls nachteiligen) Erfüllungsgeschäftes<br />
nicht mehr der Erfüllung einer Verbindlichkeit dienen,<br />
weshalb es schon nach dem Wortlaut des § 181 beim Verbot<br />
des Selbstkontrahierens bleibt. Auf das eingangs Ausgeführte<br />
wird verwiesen.<br />
III. Teleologische Reduktion des § 181 letzter Hs. BGB<br />
Als Alternative zur Gesamtbetrachtungslehre wurde in der Literatur<br />
vorgeschlagen, § 181 letzter HS BGB in den Fällen teleologisch<br />
zu reduzieren, in denen die Erfüllung des Verpflichtungsgeschäftes<br />
für den Vertretenen nicht rechtlich lediglich<br />
vorteilhaft ist. 36 Begründet wurde dies zum einen mit angeblichen<br />
dogmatischen Unstimmigkeiten, zu denen die Gesamtbetrachtungslehre<br />
führe – es sei nicht erklärbar, warum sie gerade<br />
zu einem Vertretungsverbot führe. Ferner wurde der Normzweck<br />
des § 181 letzter HS BGB ins Feld geführt und behauptet,<br />
die teleologische Reduktion des § 181 letzter HS BGB<br />
sei methodisch und teleologisch der überzeugendste Weg, den<br />
Vertretenen vor einer Verletzung seiner Interessen zu schützen.<br />
27 BGHZ 78, 28 (30) = NJW 1981, 109 (110) = JuS 1982, 292 Nr. 2 im Anschluss<br />
an BayObLGZ 1979, 243; Lange NJW 1955, 1339 (1342), Harry Westermann JZ<br />
1955, 244; zu dieser Entscheidung s. die Anm. von Gitter/Schmitt JuS 1982, 253;<br />
<strong>Ja</strong>uernig JuS 1982, 576; Werner/Neureither 22 Probleme aus dem BGB Allgemeiner<br />
Teil, 7. Aufl. 2005, S. 19, 76; Ultsch Jura 1998, 524.<br />
28 Lange NJW 1955, 1339.<br />
29 Ebenso Larenz /Wolf (Fn. 9) § 46 Rn. 130.<br />
30 S. bei Werner/Neureither (Fn. 27) S. 19.<br />
31 Erman/Palm BGB, 12. Aufl. 2008, § 107 Rn. 5; <strong>Ja</strong>uernig JuS 1982, 576; Feller<br />
DNotZ 1989, 66 (74); Kern JA 1990, 281 (284); Ultsch Jura 1998, 524 (528).<br />
32 Gitter JR 1981, 283 (284); Olzen/Wank (Fn. 11) S. 145 (151); Palandt/Heinrichs<br />
(Fn. 1) § 107 Rn. 6; MüKo-BGB/Schwab (Fn. 15) § 1909 Rn. 21.<br />
33 BGH NJW 2005, 415 (LS 1). Zu dieser Entscheidung Wojcik DNotZ 2005, 655;<br />
Führ/Menzel FamRZ 2005, 1729; Führ JR 2005, 418; Staudinger Jura 2005, 547;<br />
Röthel/Krackhardt Jura 2006, 161; Müßig JZ 2006, 150; Lorenz LMK 2005, 25;<br />
Feller MittBayNot 2005, 412; Schmitt NJW 2005, 1090; Servatius NJW 2006, 334;<br />
Sonnenfeld NotBZ 2005, 154; Reiß RNotZ 2005, 224; Böttcher Rpfleger 2006, 293;<br />
Linnartz sj 2005, Nr. 8, 40; Ultsch WuB IV A § 107 BGB 1.05; Everts ZEV 2005,<br />
69; Joswig ZfIR 2005, 292; Krüger ZNotP 2006, 202.<br />
34 Emmerich JuS 2005, 457 (459).<br />
35 Der BGH selbst bezeichnet seine Entscheidung als eine »Abgrenzung« gegenüber der<br />
oben zitierten, grundlegenden Entscheidung zur Gesamtbetrachtungslehre.<br />
36 Feller DNotZ 1989, 76 ff.; <strong>Ja</strong>uernig JuS 1982, 576; ders. JuS 1993, 614; Soergel/<br />
Hefermehl (Fn. 9) § 107 Rn. 5; Larenz, AT, 6. Aufl. 1983, § 30 II a); Erman/Palm<br />
(Fn. 31) § 107 Rn. 5 u. § 181 Rn. 28; offengelassen in BGH NJW 2005, 415<br />
(417).
AUFSATZ ZIVILRECHT · GRUNDSTÜCKSSCHENKUNG AN MINDERJÄHRIGE<br />
Ungeachtet der Frage, welcher Theorie man sich im Ergebnis<br />
anschließt, bleibt abschließend noch eine (die wichtigste) Frage<br />
zu klären: Wann ist das Erfüllungsgeschäft rechtlich lediglich<br />
vorteilhaft und wann nicht?<br />
D. DER BEGRIFF DES »RECHTLICHEN VORTEILS«<br />
Wie bereits angedeutet, wird der Begriff des rechtlichen Vorteils<br />
im Zuge der teleologischen Reduktion des § 181 BGB<br />
genau so interpretiert wie derjenige in § 107 BGB. 37 Zu dieser<br />
Frage existiert umfangreiche Rechtsprechung, deren Grundlinien<br />
bekannt sein sollten. 38 Ausgangspunkt ist der allgemeine<br />
Satz, dass ein auf den Erwerb eines Gegenstands gerichtetes<br />
Rechtsgeschäft für den Minderjährigen nicht rechtlich lediglich<br />
vorteilhaft ist, wenn er in dessen Folge mit Verpflichtungen<br />
belastet wird, für die er nicht nur mit dem erworbenen Gegenstand,<br />
sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen<br />
haftet. 39 Darauf, ob das Geschäft wirtschaftlich gesehen vorteilhaft<br />
ist, kommt es nach h.M. nicht an. 40<br />
Auf dieser Grundlage hat der BGH Schenkungen für unwirksam<br />
gehalten, wenn das geschenkte Grundstück vom<br />
Schenker vermietet worden war. 41 Der Erwerb eines vermieteten<br />
Grundstücks sei nicht rechtlich lediglich vorteilhaft, da der<br />
Erwerber nach Maßgabe der § 566 f. BGB in das Mietverhältnis<br />
eintrete. Durch den Eintritt in das Mietverhältnis werde<br />
eine persönliche Verpflichtung des Erwerbers begründet. Diese<br />
Rechtsprechung hat das BayObLG auf den Fall ausgedehnt,<br />
dass das geschenkte Grundstück mit einem Nießbrauch belastet<br />
ist und der Nießbraucher das Grundstück vermietet hat. 42 Zur<br />
Begründung hat es ausgeführt, dass nach § 1056 I BGB im<br />
Falle der Beendigung des Nießbrauchs der Grundstückseigentümer<br />
in entsprechender Anwendung des § 566 BGB in das<br />
Mietverhältnis eintrete, weshalb dieser Fall nicht anders zu<br />
beurteilen sei als derjenige der Vermietung durch den Eigentümer<br />
selbst. Dass dem (neuen) Eigentümer gem. § 1056 II<br />
BGB ein Sonderkündigungsrecht zustehe, vermöge demgegenüber<br />
den rechtlichen Nachteil nicht zu beseitigen, da die Bindung<br />
des Grundstückseigentümers während des Fortdauerns<br />
des Mietverhältnisses bestehe. Ist ein Grundstück mit einer<br />
Reallast belastet, stellt seine Übereignung wegen der Rechtsfolgen<br />
des § 1108 BGB kein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft<br />
dar. 43 Ebenfalls nicht rechtlich lediglich vorteilhaft ist<br />
die Schenkung von Wohnungseigentum, wenn in der Gemeinschaftsordnung<br />
wesentlich strengere Pflichten verankert sind,<br />
als sie das WEG vorsieht, 44 oder wenn mit dem Erwerb der<br />
Eintritt in einen Verwaltervertrag verbunden ist. 45 Endlich ist<br />
die Übertragung eines Grundstücks rechtlich nachteilig, wenn<br />
in dem Schenkungsvertrag ein vertragliches Rücktrittsrecht<br />
(§§ 346 ff. BGB) vereinbart wurde, weil der Beschenkte im<br />
Fall der Ausübung des Rücktrittsrechts nach Übertragung des<br />
Grundstückseigentums nicht nur das Grundstück zurückzugewähren<br />
hätte (§ 346 I BGB), sondern darüber hinaus auch<br />
zum Wertersatz oder Schadensersatz, insbesondere wegen einer<br />
zwischenzeitlichen Verschlechterung des Grundstücks, verpflichtet<br />
sein könnte (§ 346 II-IV BGB). 46<br />
Die aus der Eigentumsübertragung folgende Haftung des<br />
Erwerbers für die gewöhnlichen öffentlichen Lasten des Grundstücks<br />
begründet demgegenüber keinen Rechtsnachteil. 47 Sie<br />
sind ihrem Umfang nach begrenzt, können in der Regel aus<br />
den laufenden Erträgen des Grundstücks gedeckt werden und<br />
führen typischerweise zu keiner Vermögensgefährdung. Wollte<br />
man anders entscheiden, dann müsste man folgerichtig auch<br />
jede Zuwendung von Vermögenswerten, die eine Verpflichtung<br />
zur Zahlung von Schenkungssteuer begründet, als zustimmungspflichtig<br />
ansehen. 48 Die Übereignung eines Grundstücks<br />
an einen Minderjährigen ist auch dann rechtlich lediglich vorteilhaft,<br />
wenn es mit einem Grundpfandrecht belastet ist. 49<br />
Ein solches verpflichtet den Grundstückseigentümer gem.<br />
§§ 1192 I, 1147 BGB nur dazu, die Zwangsvollstreckung des<br />
Gläubigers in das Grundstück zu dulden. 50 Die mit dem Erwerb<br />
des belasteten Grundstücks verbundene Haftung des<br />
Beschenkten ist demnach auf die ihm zugewendete Sache beschränkt.<br />
Diese Haftung mindert zwar den im Eigentumserwerb<br />
liegenden Vorteil, beseitigt ihn jedoch nicht. 51 Eine Auflassungsvormerkung<br />
(§ 883 BGB) setzt das Entstehen des zu<br />
sichernden schuldrechtlichen Übereignungsanspruchs voraus,<br />
begründet diesen jedoch nicht und hat auch sonst keine persönlichen<br />
Verpflichtungen des Grundstückseigentümers zur<br />
Folge. Ihre Eintragung beseitigt deshalb den mit dem Eigentumserwerb<br />
verbundenen Vorteil nicht. 52 Endlich führt auch<br />
37 BGHZ 78, 28 = NJW 1981, 109; BayObLGZ 1979, 49 (53); OLG Dresden<br />
MittBayNot 1996, 288 (289 f.); OLG Köln ZMR 2004, 189 (191); im Schrifttum<br />
ist die Auslegung des § 107 BGB umstritten. Die grundlegenden Abhandlungen<br />
hierzu stammen von Stürner (AcP 173 [1973], 402 – wirtschaftliche Betrachtungsweise)<br />
und Köhler (JZ 1983, 225 – sorgerechtliche Betrachtungsweise). S. ferner<br />
Brox/Walker BGB AT, 32. Aufl. 2008 Rn. 235 ff.; Coester-Waltjen Jura 1994, 668;<br />
Gitter/Schmitt JuS 1982, 253 (254); Harder JuS 1977, 149; ders. JuS 1978, 84;<br />
Lange NJW 1955, 1339; Staudinger/Knothe (Fn. 10) § 107 Rn. 2; Palandt/Heinrichs<br />
(Fn. 1) § 107 Rn. 2; MüKo-BGB/Schmitt (Fn. 14) § 107 Rn. 28 ff.; Larenz /Wolf<br />
(Fn. 9) § 25 Rn. 18; Bamberger/Roth/Wendtland BGB, 2003, § 107 Rn. 3.<br />
38 Wilhelm NJW 2006, 2353; Preuß JuS 2006, 305; Rastätter BWNotZ 2006, 1 (4 ff.);<br />
Stutz MittRhNotK 1993, 205 (210), alle mit Fallgruppenbildung.<br />
39 Der historische Gesetzgeber wollte ursprünglich formulieren, dass der Minderjährige<br />
zu solchen Rechtgeschäften nicht der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters<br />
bedürfe, »durch welche er lediglich Rechte erwerbe oder lediglich von Verbindlichkeiten<br />
befreit werde« (zitiert nach Planck/Flad [Fn. 10] § 107 Anm. I. 1.).<br />
40 A.A. Stürner AcP 173 (1973), 402.<br />
41 BGHZ 78, 28 = NJW 1981, 109; BayObLG NJW 2003, 1129; OLG Oldenburg<br />
NJW-RR 1988, 839; Palandt/Heinrichs (Fn. 1) § 107 Rn. 4; <strong>Ja</strong>uernig/ders. (Fn. 14)<br />
§ 107 Rn. 4; Musielak Grundkurs BGB, 10. Aufl. 2007 Rn. 298; Larenz /Wolf (Fn. 9)<br />
§ 25 Rn. 26; a.A. Jerschke DNotZ 1982, 473.<br />
42 BayObLG NJW 2003, 1129.<br />
43 Olzen/Wank (Fn. 11) S. 145 (150); MüKo-BGB/Schmitt (Fn. 15) § 107 Rn. 43; Bamberger/Roth/Wendtland<br />
(Fn. 14) § 107 Rn. 8.<br />
44 BGHZ 78, 28 (32) = NJW 1981, 109 (110); OLG München NJW Spezial 2008,<br />
360; Medicus Bürgerliches Recht, 21. Aufl. 2007, Rn. 172a. Weniger streng Larenz /<br />
Wolf (Fn. 9) § 46 Rn. 130, wonach bereits die gesetzlichen Verpflichtungen aus § 16<br />
II und IV WEG zur rechtlichen Nachteiligkeit des Geschäftes führen.<br />
45 OLG Celle NJW 1976, 2214 (2215); OLG München NJW Spezial 2008, 360;<br />
MüKo-BGB/Schmitt (Fn. 15) § 107 Rn. 48; Bamberger/Roth/Wendtland (Fn. 14)<br />
§ 107 Rn. 8.<br />
46 BGH NJW 2005, 415. Anderes gilt aber wegen § 818 III BGB dann, wenn die<br />
Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht vollzogen werden soll, so MüKo-BGB/<br />
Schmitt (Fn. 15) § 107 Rn. 32; Staudinger/Dilcher (Fn. 10) § 107 Rn. 14; Flume<br />
Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band 2, 4. Aufl. 1992, S. 193; Klüsener<br />
RPfleger 1981, 258 (264); Larenz /Wolf (Fn. 9) § 25 Rn. 24; Stürner AcP 173 (1973),<br />
402 (424). Zu Rückforderungsklauseln s. ferner Fembacher/Franzmann MittBayNot<br />
2002, 78 ff.<br />
47 BGH NJW 2005, 415 (418) und hierzu Schmitt NJW 2005, 1090 (1091 f.);<br />
BayObLGZ 1908, 523 (526); 1967, 245 (247); 1968, 1 (2); 1974, 61 (70); 1979,<br />
243 (247); 1998, 139 (144); Staudinger/Dilcher (Fn. 10) § 107 Rn. 15; Erman/Palm<br />
(Fn. 31) § 107 Rn. 6; Feller DNotZ 1989, 66 (71); Flume (Fn. 46) S. 192; Klüsener<br />
RPfleger 1981, 461 (466); RGRK/Krüger-Nieland 12. Aufl. 1974, § 107 Rn. 2; Medicus<br />
(Fn. 44) Rn. 172; Palandt/Heinrichs (Fn. 1) § 107 Rn. 4; Planck/Flad (Fn. 10)<br />
§ 107 Anm. I. 2. d); MüKo-BGB/Schmitt (Fn. 15) § 107 Rn. 39; Soergel/Hefermehl<br />
(Fn. 9) § 107 Rn. 4; Stürner AcP 173 (1973), 402 (427 f.); Harry Westermann<br />
JZ 1955, 244 (245) sowie die umfangreichen Nachweise bei Werner/Neureither<br />
(Fn. 27) S. 9 ff.<br />
48 Musielak (Fn. 41) Rn. 298.<br />
49 BayObLGZ 1967, 245 (247); 1979 (49); 1979, 243 (247). Zu Fällen, in denen<br />
der Beschenkte durch eine Auflage verpflichtet wird, ein Grundpfandrecht zu bestellen<br />
MüKo-BGB/Schmitt (Fn. 15) § 107 Rn. 40.<br />
50 BGH NJW 1952, 1175.<br />
51 BGH NJW 2005, 415 (417); BayObLGZ 1979, 49 (53); OLG Dresden MittBayNot<br />
1996, 288 (290); Erman/Palm (Fn. 31) § 107 Rn. 6; MüKo-BGB/Schmitt (Fn. 15)<br />
§ 107 Rn. 40; Palandt/Heinrichs (Fn. 1) § 107 Rn. 4; Soergel/Hefermehl (Fn. 9) § 107<br />
Rn. 4; Flume (Fn. 46) S. 192; Larenz /Wolf (Fn. 9) § 25 Rn. 24; Medicus (Fn. 44)<br />
Rn. 172; Musielak (Fn. 41) Rn. 298; Klüsener RPfleger 1981, 258 (261); Stürner<br />
AcP 173, 429; a.A. Lange NJW 1955, 1339 (1341). Allerdings kann sich eine den<br />
Eigentümer persönlich treffende Zahlungspflicht daraus ergeben, dass er die Kosten<br />
des zur Zwangsvollstreckung in das Grundstück erforderlichen Titels tragen muss<br />
(Staudinger/Wolfsteiner [Fn. 10] § 1147 Rn. 18, 29).<br />
52 BGH NJW 2005, 415 (417); OLG Dresden MittBayNot 1996, 288 (291); Klüsener<br />
RPfleger 1981, 258 (261 f.).<br />
8-9/2009 565<br />
AUFSATZ
AUFSATZ<br />
AUFSATZ ZIVILRECHT · GRUNDSTÜCKSSCHENKUNG AN MINDERJÄHRIGE<br />
die Bestellung eines Vorkaufsrechtes an einem zu übertragenden<br />
Miteigentumsanteil nicht zur rechtlichen Nachteiligkeit des<br />
Geschäftes. 53<br />
Bei der Belastung des Grundstücks mit einem Nießbrauch<br />
ist zu unterscheiden: Hat der Nießbraucher über §§ 1042 S. 2,<br />
1047 BGB hinaus auch die Kosten außergewöhnlicher Ausbesserungen<br />
und Erneuerungen sowie die außergewöhnlichen<br />
Grundstückslasten zu tragen und ist der Eigentümer insoweit<br />
also nicht zum Aufwendungs- oder Verwendungsersatz gem.<br />
§§ 1049, 677 ff. BGB verpflichtet, so ist der Erwerb des<br />
Grundstücks rechtlich lediglich vorteilhaft. 54 Verbleiben die genannten<br />
Lasten beim (neuen) Eigentümer, so ist das Geschäft<br />
demgegenüber nachteilig. 55<br />
E. SCHLUSS<br />
Es ist nun die ganze Zeit die Rede davon gewesen, ob und<br />
unter welchen Voraussetzungen die Grundstücksschenkung an<br />
Minderjährige zulässig ist. Zum Schluss soll die Perspektive für<br />
einen Augenblick verändert und folgende Frage gestellt werden:<br />
AUFSATZ STRAFRECHT · NIEDRIGE BEWEGGRÜNDE BEI § 211 II StGB<br />
Professor Dr. Dr. Kristian Kühl, Universität Tübingen *<br />
Die drei speziellen niedrigen Beweggründe des § 211 II StGB<br />
§ 211 II versieht das Mordmerkmal »aus niedrigen Beweggründen«<br />
mit dem Adjektiv »sonst«. Das bedeutet für die davor stehenden<br />
Merkmale »aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus<br />
Habgier«, dass sie als spezielle Ausformungen von niedrigen Beweggründen<br />
zu verstehen sind. Es handelt sich um gesetzliche Beispiele<br />
niedriger Beweggründe. 1 Das bedeutet für die Fallbearbeitung, dass<br />
man sich zuerst diesen speziellen Beweggründen zuwenden muss, bevor<br />
man überlegt, ob ein »sonst« niedriger Beweggrund vorliegt. Weiterhin<br />
bedeutet diese Systematik, dass ein »sonst« niedriger Beweggrund<br />
nicht mehr zu prüfen ist, wenn ein spezieller niedriger<br />
Beweggrund wie etwa die Habgier das Handeln des Täters bestimmt<br />
hat. 2 Man kann auch sagen, dass der »sonst« niedrige Beweggrund<br />
eine »subsidiäre« Generalklausel ist. 3 Das gilt allerdings nur dann,<br />
wenn der Täter nur einen Beweggrund hat, der sowohl als spezieller<br />
niedriger Beweggrund als auch als »sonst« niedriger Beweggrund eingestuft<br />
werden kann. Hat aber z.B. die Ehefrau, die ihren Mann<br />
tötet, sowohl den Beweggrund der Habgier (»frühere Erbschaft«) als<br />
auch einen »sonst« niedrigen Beweggrund (»im Stich lassen des hilfsbedürftigen<br />
Ehemanns, um sich einem jüngeren Liebhaber zuzuwenden«),<br />
so liegen zwei Mordmerkmale vor.<br />
A. MORDLUST<br />
Mordlust liegt vor, wenn das Motiv, das den Täter zur Tötung<br />
eines anderen Menschen bringt, allein in dieser Tötung – dem<br />
Tötungsvorgang und dem Tötungserfolg – besteht. 4 Auf<br />
diese Definition hat sich im Kern – bei sprachlichen Abweichungen<br />
5 – die Strafrechtswissenschaft in Anlehnung an die Rechtsprechung<br />
des BGH inzwischen geeinigt. Sie kann deshalb der<br />
Fallprüfung zugrunde gelegt werden. Diese Fallprüfung kann bei<br />
einschlägigen Sachverhalten in Übungs- und Prüfungsarbeiten<br />
nicht deshalb verweigert werden, weil man verfassungsrechtliche<br />
Bedenken hinsichtlich dieses Mordmerkmals hat; 6 – das Bundesverfassungsgericht<br />
hat seine Bedenken auf die Mordmerkmale der<br />
Heimtücke und der Verdeckungsabsicht konzentriert. 7 In der<br />
Übungsfall-Literatur und in der Praxis sind Mordlust-Mordfälle<br />
selten. 8<br />
566<br />
8-9/2009<br />
Können die Eltern ein Grundstück des Minderjährigen verschenken,<br />
gar an sich selbst? Die Antwort ergibt sich aus<br />
§ 1641 S. 1 56 und 2 BGB: Die Eltern können in Vertretung<br />
des Kindes keine Schenkungen machen. Ausgenommen sind<br />
Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf<br />
den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird. Eine<br />
Umgehung des § 1641 S. 1 BGB durch Pflegerbestellung scheitert<br />
an §§ 1915, 1804 BGB. 57<br />
53 BayObLG NJW 1998, 3574 (3576).<br />
54 BGH NJW 2005, 415 (417); OLG Dresden MittBayNot 1996, 288 (290); vgl.<br />
auch BayObLGZ 1979, 49 (54 f.); OLG Celle MDR 2001, 931; OLG Köln<br />
RPfleger 1998, 159; ZMR 2004, 189 (191); Erman/Palm (Fn. 31) § 107 Rn. 6;<br />
Palandt/Heinrichs (Fn. 1) § 107 Rn. 4; MüKo-BGB/Schmitt (Fn. 15) § 107 Rn. 40;<br />
Stürner AcP 173 (1973), 402 (428); Larenz /Wolf (Fn. 9) § 25 Rn. 24.<br />
55 BGH NJW 1981, 141 (142); BFH NJW-RR 1990, 1035 (1036); Larenz /Wolf<br />
(Fn. 9) § 25 Rn. 26.<br />
56 § 1641 S. 1 BGB ist nach h.M. (MüKo-BGB/Huber 5. Aufl. 2008, § 1641 Rn. 7<br />
m.w.N.) Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB.<br />
57 Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht, 5. Aufl. 2006, § 61 Rn. 12.<br />
Der Wortlaut des Merkmals hat zu dieser Verständigung<br />
und der daraus hervorgehenden Definition beigetragen. Er setzt<br />
mit dem Wortteil ›Mord‹ voraus, was das Merkmal ›Mordlust‹<br />
leisten soll, nämlich zu sagen, wann ein Mord vorliegt. 9 Morde,<br />
die sich aus anderen Mordmerkmalen wie etwa Heimtücke<br />
ergeben, sind ja nicht gemeint. Kein Wunder also, dass sich<br />
die Rechtsprechung zunächst auf den Wortteil ›Lust‹ »warf« 10<br />
und diese mit dem Wort ›Freude‹ persiflierte. Das aber brachte<br />
nicht viel und führte sogar in die Irre, als der BGH diese<br />
›Freude‹ mit dem Adjektiv ›unnatürliche‹ versah. Ganz abgesehen<br />
davon, ob es denn überhaupt eine natürliche Freude an<br />
der Tötung eines anderen Menschen geben kann, 11 legt die<br />
»unnatürliche Freude« 12 eher eine (verminderte) Schuldfähigkeit<br />
nahe, als dass sie ein gesteigertes Tötungsunrecht oder<br />
eine gesteigerte Tötungsschuld ausdrückt. 13<br />
* Der Autor ist Inhaber eines Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie<br />
an der Universität Tübingen.<br />
1 BGHSt 3, 132 (133); Lackner/Kühl StGB, 26. Aufl. 2006, § 211 Rn. 4.<br />
2 Rengier BT II, 10. Aufl. 2009, § 4 Rn. 22a; im Übungsfall Beulke KK I, 4. Aufl.<br />
2008, Fall 8, Rn. 275 u. 280 sowie Hilgendorf Fallsammlung, 5. Aufl. 2008, Fall 5,<br />
S. 25 u. 26.<br />
3 Mitsch JuS 1996, 121 (125).<br />
4 Vgl. Küper BT, 7. Aufl. 2008, S. 237; Lackner/Kühl (Fn. 1) § 211 Rn. 4; Schroth<br />
BT, 4. Aufl. 2006, S. 65.<br />
5 Wessels/Hettinger BT 1, 2. Aufl. 2008, Rn. 94, sprechen von »Wunsch« statt von<br />
Motiv.<br />
6 So etwa Kargl StraFo 2001, 365 (366): rechtsstaatswidriges Merkmal.<br />
7 BVerfGE 45, 187 ff.<br />
8 Rengier (Fn. 2) § 4 Rn. 11; Eisele BT I, 2008, Rn. 80; zur geringen praktischen<br />
Bedeutung BGHSt 34, 59 (60); für Streichung des Merkmals deshalb Köhne Jura<br />
2009, 100 (102).<br />
9 Zu diesem Tautologie-Einwand näher Kelker Zur Legitimität von Gesinnungsmerkmalen<br />
im Strafrecht, 2007, S. 594; Karg StraFo 2001, 365 (366); Schroeder JuS<br />
1984, 272 (277) u. in: Maurach/Schroeder/Maiwald BT 1, 9. Aufl. 2003, § 2 Rn. 31.<br />
10 So noch heute Köhne Jura 2009, 100 (101 f.); in diese Richtung verstehen das<br />
Mordmerkmal auch Gössel/Dölling BT 1, 2. Aufl. 2004, § 4 Rn. 40.<br />
11 Arzt/Weber/Hilgendorf BT, 2. Aufl. 2009, § 2 Rn. 54; NK/Neumann StGB, 2. Aufl.<br />
2005, § 211 Rn. 8.<br />
12 So BGH NJW 1953, 1440; heute noch Jäger BT, 2. Aufl. 2007, Rn. 28.<br />
13 Vgl. Rüping JZ 1979, 617 (620); Kargl StraFo 2001, 365 (366); Kelker (Fn. 9)<br />
S. 595; Schönke/Schröder/Eser 27. Aufl. 2006, § 211 Rn. 15.