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9. Erotik ehepaare:musterseite Sonderbände 7.2

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nicht unbedingt auffallen, dass nicht er allein, seinem<br />

männlichen Selbstverständnis entsprechend, den sexuellen<br />

Kontakt beginnt. In der «Lysistrate» weist Schminke,<br />

mit der sich die Frauen attraktiv machen, zwar auf ihre<br />

Lüsternheit hin, aber dezent verwendet, könnte es sein,<br />

dass der Mann die Spuren der Verschönerung überhaupt<br />

nicht bemerkt. Bei Xenophon allerdings übertreibt die<br />

junge Frau des Ischomachos, so dass er ihr nachdrücklich<br />

vom Gebrauch der Schminke abrät (Xen. Oik. X 7).<br />

Letztendlich kann man für die Antike kaum Genaues<br />

über eheliches Sexualverhalten, erotische Tricks, gestillte<br />

und ungestillte Liebeswünsche herausfinden. Einerseits<br />

begründet sich der Mangel an bildlichen Darstellungen<br />

von Zärtlichkeiten oder gar Liebesakten, die im Ehebett<br />

vorstellbar sind, sicherlich aus der Tatsache, dass positiv<br />

empfundenes, erfülltes Sexualleben in der Ehe gegenüber<br />

der pragmatisch geforderten Zeugung von Nachkommenschaft<br />

eine geringere Bedeutung zukam. Andererseits ist<br />

der Mangel an bildnerisch umgesetztem Ehegeschehen<br />

primär damit zu erklären, dass die Regeln des bürgerlichen<br />

Anstands es verboten, eheliche Intimitäten in die Öffentlichkeit<br />

zu tragen. E. C. Keuls vermutet, dass die Frau<br />

beim ehelichen Sexualverkehr ihre Kleidung anbehielt.<br />

Meint sie, aus Scham? Gewiss, denn für ihren Forschungskontext<br />

ist der Gedanke an reizvolle Liebe unter<br />

dem Chiton, der den Körper nicht einengte, makellos<br />

wogende Körperformen attraktiv umfloss oder weniger<br />

schöne Figurteile geschickt verbarg, unpassend. Wer auch<br />

in innigen Paarbildern sinnliche Kommunikation rezipiert,<br />

könnte Vasenmalereien mit dem Abschied des Kriegers<br />

von seiner Frau (Abb. 70) zu jenen Ehepaarbildern<br />

zählen, die Erotisches freisetzen. Die Darstellung erlaubt<br />

m. E. den Bezug zum Terminus philótes, der in<br />

der 2. Hälfte des 7. Jhs. v. Chr. vom archaischen Dichter<br />

Mimnermos von Kolophon verwendet wurde für erotische<br />

Verbindungen, die Aphrodite gewährt. Gemäß<br />

B. Wagner-Hasel bezeichnet philótes im Epos allgemeine<br />

Bindungsverhältnisse, die «nicht qua Geburt oder Kon-<br />

98 | <strong>Erotik</strong> bei Ehepaaren<br />

vention bestehen, sondern über ein bestimmtes Ritual erst<br />

gestiftet werden». Und ein solches ist ja die Eheschließung,<br />

welche Bindung u. a. durch geschlechtliche Vereinigung<br />

begründet.<br />

Zarte erotische Signale entsenden auch Darstellungen<br />

aus dem Bereich des Grabkults (Kap. XII). Grabepigramme<br />

des 6./5. Jhs. loben Frauen bezüglich Tüchtigkeit,<br />

Fleiß, Zurückhaltung, Qualität als Wirtschafterin. Erst im<br />

4. Jh. v. Chr. bezeugen sie Liebe zwischen Ehepartnern.<br />

Auf Erotisches abzielende Erinnerungsschriften fehlen.<br />

Zwei Reliefs an Lekythen reihte C. Reinsberg der verhalten<br />

erotischen Ehepaardarstellung ein, indem sie die<br />

Funktion des Ehebettes ansprach. Es handelt sich um<br />

Bildfindungen an Salbölfläschchen aus attischen Gräbern.<br />

Auf dem Gefäß aus der Zeit um 350 v. Chr., das verschollen<br />

ist, lagert der Bräutigam auf dem Ruhebett und<br />

spendet der Liebesgöttin ein Weihrauchopfer ins Thymiaterion.<br />

Es steht neben dem Bett. Ein kleiner Eros unterstreicht<br />

das hochzeitliche Thema. Der Szene attributiv zugeordnet,<br />

hockt er am Boden. Am Fuß der Kline sitzen<br />

Braut und Brautführerin; eine weitere Frau gesellt sichstehend<br />

hinzu. Im Relief des anderen Gefäßes (375/350<br />

v. Chr. Staatliche Museen Berlin, Antikensammlung,<br />

F 2704) sind die Vermählten allein gemeint, vorausgesetzt,<br />

man deutet die beidseitig der Kline auf einem Stuhl<br />

sitzenden Frauen vorstellig, also sieht in ihnen die jung<br />

Verheiratete in ihrer zukünftigen Rolle als Ehe- und Hausfrau.<br />

Die Braut hat ihr Gewand vom Körper gezogen und<br />

hält es mit ihrer Rechten dekorativ hinter sich, ähnlich<br />

wie es Aphrodite tut (Typus Neapel/Paris; römische<br />

Kopie nach griechischem Original um 420 v. Chr.; Paris,<br />

Musée du Louvre, 525). Ansonsten erscheint die Jungvermählte<br />

nackt bis auf das verhüllte rechte Bein. Ob in den<br />

Lekythenreliefs tatsächlich Ehepaare dargestellt sind? Direkter<br />

Bezug auf die Liebesgöttin wäre einleuchtender, besonders<br />

für jene Komposition, in der die Braut fast nackt<br />

gezeigt wird. Ist die «normale» Braut gemeint, dann muss<br />

eine ikonographische Identifikation mit Aphrodite vorlie-<br />

Abb. 70<br />

Ob er heimkehrt, weiß sie nicht. Weinmischgefäß<br />

(Stamnos), um 430 v. Chr. München, Staatliche Antikensammlungen,<br />

Museum antiker Kleinkunst, 2415.

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