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Neuer Markt - Dieter Schnaas

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Geld&Börse | <strong>Neuer</strong> <strong>Markt</strong>» durch ihre Vernetzung erst nach demEnde derjüngsten Gründerzeit erfolgten.Kurzum:AmBall zu bleiben, sein Unternehmenzu sichern, es evolutionär fortzuentwickeln–dasalleskann produktiversein als Wachstum um jeden Preis.Paulus Neef kann ein Lied davon singen.Der 49-Jährige war vor zehn Jahrendas Gesicht des „Neuen <strong>Markt</strong>es“, dieVerkörperung der Internet-Branche, dasdigitale Zeitalter in Person. Neef hatte1991 Pixelpark mitgegründet, ein Unternehmen,das der Old Economy internetgerechteAuftritte ermöglichte. 1996 stiegBertelsmann als Mehrheitseigentümerein, ein traditionsreiches Medienhaus,das wohl nur in einer Zeit des Blendensund Blasierens auf die Idee verfallenkonnte, sich der Dienste eines ManneswieThomasMiddelhoff zu versichern.Middelhoff und Neef bringen das Unternehmen1999 an die Börse, klar, sietreiben denKursvon 15 Euro auf 370, undsieheizen –unterstützt vonAlexanderDi-Pixelpark-und Mama-GründerNeefImmerunterwegs für eine bessereZukunftbelius, der für Goldman Sachs Übernahmegeschäfteorganisiert –mit dem Kaufkleiner Unternehmen die Spekulation an.Das Trio, erinnert sich Neef, fliegt damalsin Privatjets um die Welt, trifft sich aufGolfplätzen zur Lagebesprechung, kreuztin Limousinen über die Straßen europäischerHauptstädte–und verschluckt sichbei der Übernahme eines dreimal größerenInternet-Unternehmens, als der<strong>Markt</strong> im März2000 in dieKniegehtundder Kurs der Pixelpark-Aktie dahinschmilzt.Als zwei Jahre später Vorwürferuchbar werden, Neef habe beim Kaufder Unternehmensgruppe ZLU einenüberhöhten Preis bezahlt –einer Unternehmensgruppe,die dem Vater seinerlangjährigen Lebensgefährtin gehört habe–,wird er fristlos entlassen.Das KapitelPixelparkist für ihn beendet.WO SIND SIEGEBLIEBEN?Wasaus den Unternehmen des Neuen-<strong>Markt</strong>-Index Nemax 50geworden ist, welche Aktien interessant sindSechs Unternehmen schafften den Sprung in den neuen Blue-Chip-Index TecDax (Kurzanalysen auf Seiten 86und 87):Aixtron, BB Biotech, PfeifferVacuum, Qiagen,SingulusTechnologies (vom 22. MärzanimTecDax), United Internet18 weitere Unternehmen aus dem ehemaligen Nemax 50, noch mehr oder weniger lebendig und börsennotiert:Heute sagt Neef, die Stimmung habeihn damals gewissermaßenvor sich selbsthergetrieben. Analysten hätten ihm entgegengebrüllt,sich <strong>Markt</strong>anteile zu sichern,um jeden Preis zu wachsen. Sicher,er habe geahnt, dass das nicht lange gutgehen könne, dass alles ins Rutschen geratenmüsse –aber erhabe seine Zweifeldamals nicht geäußert, um den geahntenUntergang nicht zubesiegeln. Über seinVerlustseit Verlustseit Kurs-Gewinn-10. März 2000 11. Börsenkurs 2 Verhältnis Geschäftsmodell, Kommentar(Prozent) (Prozent) 2010 3(Prognose)Adva –98,1 –58,2 21,7 Designerund Hersteller von Geräten der optischenKommunikation, geschäftlichwieder im AufwindArtnet –72,3 –90,4k.A. Galerienetzwerk, das 2200 Galerien, 166 000 Kunstwerkeund 39 000 KünstlerverbindetBasler -93,9 –88,3 42,6 Technologieanbieter für künstlichesSehen,etwainder IndustrieproduktionBrain Force –93,2 –94,3k.A. Spezialistfür IT-Infrastrukturlösungen mitherbem Geschäftseinbruch 2009Cinemedia –92,7 –88,2k.A. Filmproduzent und Mediendienstleiter,andie Tele-München-Gruppe angedocktCPU –99,1 –99,1k.A. sehr kleiner BanksoftwaredienstleisterEdel –93,8 –78,7k.A. Musikunternehmen, produziertCDs/DVDs von Starswie Deep Purple und Status QuoHighlight –89,2 –31,77,6 profitabler Film-und MedienrechtehändlerI:FAO –76,8 –86,5 15,6 kleiner Anbieterfür Softwarefür GeschäftsreisebuchungenIntershop –99,9 –99,5 153,9 klassischer E-Commerce-Softwareanbieter, über Startup-Niveau kaum hinausgekommenIntertainment –98,9 –98,2k.A. kleiner FilmrechtevermarkterMedion –86,9 –23,1 17,6 Elektronik-Großhändler und sehr bekannter Aldi-LieferantNemetschek –73,1 –61,7 10,8 Konstruktionssoftwarefür Architekten, hielt sich auch im Krisenjahr2009 gutRealtech –92,9 –78,9 12,9 IT-Dienstleister, enge Verbindung zu SAPSCM Microsystems –99,0 –93,5 16,2 Sicherheitstechnologieanbieter und Smartcardgerätehersteller,heute Teil der Identive GroupTelegate –95,8 –59,8 13,6 Verona Poothmacht die Telefonauskunftbekannt („Hier werden Sie geholfen“)Teleplan –95,8 –59,78,1 Dienstleisterfür Informations-,Kommunikationstechnologie und KonsumelektronikbrancheTeles –97,5 –93,4 40,0 kleiner Vertreiber von Infrastruktur-Systemenund skyDSL-DienstenSechs Unternehmen wurden mehrheitlich übernommen, ihre Aktien sind noch an der Börse notiert (Großaktionär):Abacho (Holtzbrinck), CE Consumer(Management), IDS Scheer (SoftwareAG),LHS Group(Sema, Ericsson), Primacom (Escaline),Utimaco (Sophos)Acht Unternehmen wurden aufgekauft und von der Börse genommen (Aufkäufer):Consors(BNP Paribas),Cybernet (Swisscom),Infor (Agilysis), Ixos Software (Open Text), Jumptec (Kontron), EM.TV (Constantin), Mobilcom(Fusionmit Freenet), Hamatech (Singulus)Drei Unternehmen wurden insolvent und später zum Teil verkauft (Käufer):Bintec (Funkwerk), Kinowelt (Vivendi),Brain (Infor)Neun Unternehmen gingen endgültig oder zwischenzeitlich pleite, ihre Aktien sind zum Teil noch als fast wertlose Pennystocks börsennotiert:Brokat, Heyde, Infomatec,MBSoftware, Micrologica, Fortune City, Senator, SERSystems, Teldafax1 Allzeithoch des Neuen<strong>Markt</strong>es; 2 erster Kurs am Tagdes Börsengangs; 3 k.A.: keinevaliden Schätzungen verfügbar;Quelle: Bloomberg,Thomson Reuters, eigeneRecherchenFOTO: ANDREAS CHUDOWSKIVermögen will Paulus Neef nicht reden,auch nicht darüber,obund wieviele Millionener durch den Verkauf seiner Pixelpark-Anteileverdient hat –nur so viel:„Ich binfroh, dass ich mirnichts habe zuschuldenkommenlassen.“Und sogehört esvielleicht zu seinengrößten Erfolgen, dass er in denvergangenenacht Jahren seine Selbstsicherheitkonservieren konnte. Die finanziellen EngagementsbeiTXTR(„Die Lösung für diekrisengebeutelte Publishing-Industrie),Perfect Stream („supergeile Technologie“)und inder Print Technology(„Da bin ichganz dick drin“) haben ihn auf Dauernicht ausgelastet, weshalb Neef vor dreiMonaten dazu übergegangen ist, eineneue Firma aus derTaufe zu heben: „Ichbinhalt ein Vollblut-Unternehmer.“Ja, das ist erganz bestimmt,wie manihn reden hört von der „Authentizität“,dem „klarem Wertesystem“ und von der„Mission“, bei all seinen UnternehmungendenMenscheninden Mittelpunkt zustellen. Mit „Mama“ wagt Neef also denNeuanfang, Mamawie Mutter Erde, „MamaSustainable Incubation AG“, um genauzusein,wasin etwa bedeutet,dassdasUnternehmen sich als eineArt Brutkastenversteht, als Fonds, der die (<strong>Markt</strong>-)Entwicklungnachhaltiger Lösungen auf denGebieten alternativer Energien und „grüner“Technologien finanziert und vorantreibt–„zur Gestaltung einer besserenZukunft“,sagtNeef–verstehtsich.Was sich ein bisschen zuwolkig undwohlig anhört, um wahr zu sein,ist durchausmit Substanz unterlegt. Niemand unterschätzePaulus Neef! Das Dow-Jones-Unternehmen 3M istbei Mamaeingestiegen,um sein „Bekenntniszuökologischerund sozialer Verantwortung“ zu unterstreichen;der Aufsichtsrat tagt unter demVorsitz von Carlo Jäger, Professor amPotsdam-Institut für Klimafolgenforschung.50Millionen Euro will Neef fürsErste einsammeln; 50Projekte evaluieren,fünf auf denWeg bringen –und zeigen,dassdieKluft zwischen Grundlagenforschungund der „<strong>Markt</strong>fähigkeit vongroßartigen Ideen“überbrückbar ist. „Ichwill noch mal was Großes machen“, sagtNeef –und dabei nicht weniger, als sichselbst übertreffen: Paulus Neef, derGründer,für deneskeineGründerzeit braucht.VORWÄRTS, IMMER VORWÄRTSAlexanderOlekist auch so einer.Der promovierteMolekulargenetiker hat bereitszwei Unternehmen geführt undsich aus »{Existenzgründung}»Flurschaden«Qiagen-ChefPeer Schatz kritisiertSteuerpolitik und Industriesubventionen,siehtaberdennoch Chancen für Gründer.Herr Schatz, würden Sie heute nochinDeutschlandein Unternehmen gründen?Wenn mandie Wahl hat, eher nicht. DieSteuerpolitik hatinder Vergangenheitimmensen Flurschadenangerichtet. Sohatzum Beispiel diebegrenzte Möglichkeit,Anlaufverlusteaus Neugründungensteuerlich geltendzumachen,Gründungenmassivbehindert.Unsere Gründungsquoteliegt um zweiDrittel unter der in vergleichbarenIndustrienationen.Ist dasnur ein Steuerthema?Nein, nichtnur.Fatal istauch, dass diePolitik weniger kleineGründerfirmenalsvielmehrdie alten Industrien fördert.Dabei sind es geradedie neuen Unternehmen,diepositiveVeränderung undmoderneArbeitsplätze schaffen. Offensichtlichistdoch, dass diePolitik gemeinsammitdenSozialpartnernhier vorallem bewahrt undverwaltet. Das istleideroftBestandteil desSystems. Darunterleiden Zukunftsbranchen wiedie Biotech-Industrie.In denMinisterien fehltes meistanintelligenterQuerschnittspolitik, dieSoziales, SteuernundForschung verknüpft.Dennoch bleiben SieIhremStammsitz in HildenbeiDüsseldorftreu?Ja,wir sind ja auch keinStartup mehr.Von derlokalen undder LandespolitikbekommenwirUnterstützung.Logistik,Infrastruktur undNähezu Universitäten stimmen.Hilden istabernureiner unter unserenweltweitüber 30 Standorten,wenn auch ein sehrwichtiger.In der Forschung istDeutschlandWeltspitze,viele Innovationen schaffenaber nichtden Sprungan den <strong>Markt</strong>, wieetwadashier entwickelte DateiformatMP3.Warum?Schatz, 44, stieß 1993 zumBiotech-ZuliefererQiagen, dermit30Mitarbeitern zwei MillionenDollar Umsatzauswies.Seit 2004 ist er Vorstandschef.2009 setzte Qiagen mit 3500Beschäftigten eineMilliardeDollarum. Bei 3,8MilliardenEuro BörsenwertzähltdasEx-<strong>Neuer</strong>-<strong>Markt</strong>-Unternehmenzu den Kandidaten füreinenDax-Aufstieg.Hervorragende Forscherhaben wirsehrviele, aber zu vielVerwaltungund zu wenigNetzwerke,dieeine Kommerzialisierungvorantreiben. In US-Universitätenwird beiForschung undEntwicklungsofortauchhöchst professionellanVermarktunggedacht.Diese Mentalitätmüssenwir stärkerentwickeln.Viele Anlegerhaben zu Zeiten des Neuen<strong>Markt</strong>es Geldverloren. Sind da Hemmungen,in riskante Geschäftsmodellezuinvestieren, nicht verständlich?Übertreibungen wird es immergeben,Begeisterungfür neue Technologienführtedamals zur Fehllenkungvon Kapital.Andersals in Deutschlandhatte aberin denUSA dieKapitalbeschaffungjungerUnternehmen einelängereHistorie.Der Neue <strong>Markt</strong> war ein wichtiger undfür denIndustriestandort notwendigererster Schritt in Richtungeiner Plattform,umdenKapitalbedarfjungerUnternehmen zu befriedigen.Aus denErfahrungen,denke ich, habenwir allegelernt.IndustrieundAnleger sind heute reiferals vorzehnJahren.AlsBörsenratsmitgliedhaben Sie 2003den Neuen <strong>Markt</strong> mitzu Grabe getragen.DieEntscheidungistunsallen damals nichtleichtgefallen.Wie kommen Gründerheute an Kapital?Risikokapital gibtes–wenn Sie ein gutes Projekthabenund KapitalgeberspätereAusstiegsmöglichkeitensehen.Dieser Exit ist, vorallemüber denVerkaufan ein anderesUnternehmen,nachwievorsehr gut möglich.Eswäresehrpositiv,wennwirmehrGründungenförderten.■christof.schürmann@wiwo.de88Nr.10I8.3.2010 IWirtschaftsWocheWirtschaftsWoche I8.3.2010 INr. 10 89© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de. © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.

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