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Anzeiger ORNITHOLOGISCHER 49. - OG Bayern

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Dietmar Walter: Brutbiologie, Phänologie und Bestandsentwicklung einer voralpinen Population des Sumpfrohrsängers<br />

Acrocephalus palustris im Allgäu (<strong>Bayern</strong>/Deutschland)<br />

Überführen dieser in digitalisierbare Form war<br />

zwar manchmal sehr mühsam und langwierig,<br />

jedoch konnten dabei viele sehr schöne (und<br />

weniger schöne) Erinnerungen dieser 15-jährigen<br />

Feldarbeit (ein Lebensabschnitt!) nochmals<br />

durchlebt werden.<br />

Was war es für ein bewegender und ergreifender<br />

(in beiden Bedeutungen!) Moment, einen<br />

6-jährigen Sumpfrohrsänger, den man schon als<br />

„Baby“ in den Händen hielt, aus dem Netz zu lösen<br />

und in ehrfürchtigem Staunen sich der gewaltigen<br />

Leistung dieses 12 g leichten Vögelchens<br />

bewusst zu werden. Um von seinem Geburtsort<br />

in sein südafrikanisches Ruheziel und wieder zurück<br />

zu gelangen, musste es zehnmal (!) mit eigener<br />

Muskelkraft eine Strecke von 9.500-10.500 km<br />

zurücklegen und dabei ständig um sein Leben<br />

bangen. Solche Augenblicke wogen jahrelangen<br />

Verzicht auf Urlaubsreisen, körperliche Mühseligkeiten<br />

und Schmerzen bei weitem wieder<br />

auf. Das stoische Ertragen-Müssen von Mückenund<br />

Bremsenstichen an schwülen Junitagen beim<br />

diffizilen Vermessen der zerbrechlichen Eier oder<br />

stundenlanges Ausharren in durchnässter Kleidung<br />

an bitterkalten Maitagen sind im Vergleich<br />

zu den Leistungen der Hauptakteure dieser Arbeit<br />

nur marginale Bagatellen.<br />

Aber vielleicht haben sich die Unannehmlichkeiten,<br />

die die Rohrsänger durch diese<br />

Untersuchung zweifellos hinnehmen mussten,<br />

für sie insofern gelohnt, als dadurch anthropogenen<br />

Verschlechterungen ihres Lebensraumes<br />

künftig vorgebeugt oder sogar Verbesserungen<br />

durchgeführt werden können. In Anbetracht<br />

zurückliegender, negativer Erfahrungen allerdings<br />

vielleicht nicht ganz realitätsnah:<br />

Als der Autor vor ca. 25 Jahren der Unteren<br />

Naturschutzbehörde des Landkreises Oberallgäu<br />

einen neuen illegal angelegten Dränagegraben<br />

in einer Orchideenwiese mit ca. 1.800<br />

Orchis incarnata-Pflanzen im Betzigauer Moos<br />

meldete, erfolgte wenigstens kurz darauf eine<br />

Ortsbesichtigung. Wenn auch die Angelegenheit<br />

mit der Begründung „Wenn wir das Verfüllen<br />

des Grabens anordnen, wird der Flurschaden<br />

nur noch größer“ sehr bald im Sande<br />

bzw. Moos verlief. Wenige Jahre später, nach<br />

Wechsel des Dienststellenleiters, erhielt der<br />

Verfasser auf ähnliche Vorfälle nicht einmal<br />

mehr ein Antwortschreiben!<br />

Doch zurück zu den Sumpfrohrsängern: Der<br />

(sehr sparsame, aber wissbegierige) Autor<br />

würde einiges dafür geben, um eine Reihe rät-<br />

selhafter Beobachtungen aus dem Leben dieser<br />

Sangeskünstler definitiv richtig beantwortet zu<br />

bekommen. An kalten, stürmisch-regnerischen<br />

Sommertagen bin ich manchmal immer noch in<br />

Gedanken bei „meinen“ Sumpfrohrsängern im<br />

Betzigauer Moos in ihrem Kampf um die Weitergabe<br />

ihres Erbgutes!<br />

Zusammenfassung<br />

143<br />

Von 1994-2008 wurden im Betzigauer Moos (47°<br />

45’ N, 10° 23’ E; ca. 450 ha, 710-720 m NN;<br />

<strong>Bayern</strong>, Deutschland), einem Feuchtgebiet östlich<br />

von Kempten (Allgäu) auf einer 6 ha großen<br />

Probefläche Untersuchungen zur Fortpflanzungsbiologie<br />

und Phänologie des Sumpfrohrsängers<br />

Acrocephalus palustris durchgeführt. Dazu<br />

wurden sowohl 401 Nestlinge als auch 264 in<br />

Japannetzen gefangene Vögel individuell beringt.<br />

Die Reviere (M41 = 1005 m 2 ) der jährlich<br />

12-25 Brutpaare wurden kartiert sowie verschiedene<br />

Nestparameter (Standhöhe M 188 = 50,2;<br />

Nesthöhe M 149 = 9,3; Außendurchmesser M 148 =<br />

9,6 x 10,5; Innendurchmesser M 159 = 5,2 x 5,6<br />

cm; Muldentiefe M 157 = 43,8 mm), Gelegegröße<br />

(M 120 = 4,4) , Eigröße (M 563 = 18.6 x 13,6 mm)<br />

u.a. notiert. Angaben zum Legebeginn, Kuckucks-Parasitierung,<br />

Brut- (M 55 = 11,5) und<br />

Nestlingsdauer (M 19 = 11,2 d), Mischbruten,<br />

Bruterfolg (Nest-: 62%, Schlüpf-: 60%, Ausfliege-Erfolg:<br />

56%), Verlustursachen, Ortstreue,<br />

Siedlungsdichte und Verbreitung im Oberallgäu<br />

werden diskutiert. Neben Körpermaßen (Flügellänge:<br />

M 104 = 67,2 für dj, M 17 = 68,1 mm für<br />

ndj; Gewicht: M 101 = 12,1 für dj, M 17 = 12,5 g für<br />

ndj) erfolgen auch phänologische Angaben wie<br />

Heimzug, Gesangsperiode, Wegzug u. Ä.<br />

Dank. Die Raiffeisenbank Kempten eG gestattete<br />

mir freundlicherweise, auf Ihren verpachteten<br />

Grundstücken im Betzigauer Moos meine<br />

wissenschaftlichen Untersuchungen durchzuführen,<br />

und die Höhere Naturschutzbehörde<br />

der Regierung von Schwaben erlaubte in diesem<br />

Gebiet den wissenschaftlichen Vogelfang.<br />

Diversen Mitarbeitern der Vogelwarte Radolfzell,<br />

insbesondere den Herrn W. Fiedler und V.<br />

Salewski, danke ich für das prompte Eingehen<br />

auf Bitten und Anfragen, was heutzutage leider<br />

nicht bei allen Behörden so gepflegt wird.<br />

Meine Frau und Herr P. Harsch (Waltenhofen)<br />

waren in den Anfangsjahren dem noch Ungeübten<br />

eine sehr große Hilfe beim damals noch

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