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H EALTH S CIENCES<br />
E<br />
Per Aspera Ad Astra<br />
„Der steinige Weg zu den Sternen”<br />
Deutscher Biotechnologie-Report 2004
Information<br />
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung des Nachdrucks<br />
und der Vervielfältigung des Buches oder Teilen daraus, sind vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf<br />
ohne schriftliche Genehmigung der Ernst &Young AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in irgendeiner<br />
Form (Fotokopie, Mikrofilm, Datenträger oder einem anderen Verfahren) reproduziert oder unter<br />
Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.<br />
Die Wiedergabe von Gebrauchs- und Handelsnamen sowie Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk<br />
berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne<br />
der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und<br />
daher von jedermann benutzt werden dürfen.<br />
Die Zahlenangaben und Informationen basieren auf Daten, die im Rahmen einer Primärdatenerhebung<br />
sowie Sekundärdatenrecherche von relevanten Unternehmen ermittelt wurden. Die in<br />
diesem Report wiedergegebenen qualitativen und quantitativen Einschätzungen wurden mit hoher<br />
Sorgfalt ermittelt, jedoch übernimmt der Herausgeber keine Haftung für die Richtigkeit und<br />
Vollständigkeit der Angaben.<br />
© Ernst & Young AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Mai 2004<br />
Layout und Produktion: Flad & Flad Communication GmbH<br />
Herausgegeben von Ernst & Young AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />
Theodor-Heuss-Anlage 2, 68165 Mannheim<br />
Titelbild:<br />
UV-bestrahlte Muntjak Hautfibroblasten mit Mitochondrien-Schäden. Fixierte permeabilisierte Zellen<br />
wurden mit „Texas-Rot-Phalloidin“ gefärbt um F-Aktin im Zytoskelett sichtbar zu machen. Endogenes<br />
mitochondriales Biotin wurde mit „Alexa Fluor 488 Streptavidin“ nachgewiesen. Zellkerne sind mit<br />
„DAPI“ angefärbt.<br />
Das Bild stammt von Jerrod J. Salisbury, Molecular Probes Inc., Eugene, Oregon, und erhielt den<br />
4. Platz im “Nikon International Small World” Wettbewerb im Jahr 2002.
H EALTH S CIENCES<br />
Per Aspera Ad Astra<br />
„Der steinige Weg zu den Sternen”<br />
Deutscher Biotechnologie-Report 2004<br />
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Q
Per Aspera Ad Astra<br />
„Der steinige Weg zu den Sternen”<br />
Ernst & Youngs Deutscher Biotechnologie-Report 2004<br />
Projektleitung: Dr. Julia Schüler<br />
Unter Mitarbeit von Stefan Bauer, MBA, und Dr. Ira Oldenettel<br />
Eine Publikation dieser Art ist das Resultat der Kooperation zahlreicher Personen. Wir danken allen, deren professionelle Arbeit<br />
und Kompetenz zum Gelingen dieses Reports beigetragen haben.<br />
Als gesamtverantwortliche Projektleiterin der Studie entwickelte Dr. Julia Schüler Struktur und Inhalt des Reports und koordinierte<br />
sämtliche Arbeiten im Rahmen der Studie. Weitere Mitarbeiter des Projektes waren Stefan Bauer und Dr. Ira Oldenettel. Ihnen sei<br />
für ihre wertvolle Unterstützung während des Projektes besonders gedankt.<br />
Weiterer Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen aus dem Ernst & Young Health Sciences-Team in Mannheim. Insbesondere Dr.<br />
Siegfried Bialojan, Industry Leader Health Sciences, trug durch seine fachliche Beratung sowie redaktionelle Unterstützung<br />
wesentlich zum Gelingen der Studie bei. Auch Frau Nina Dunzweiler sei für ihren unermüdlichen Einsatz bei der Organisation des<br />
Reportes sowie vor allem des Supplements zur Vorstellung von deutschen BioParks und der Biotech-Landkarte gedankt. Den<br />
anderen Mitarbeitern im Health-Sciences Team von Ernst & Young, Dr. Manuel Bauer in München sowie Dr. Susanne Wosch in<br />
Köln, gilt ebenfalls Dank für ihre Unterstützung bei der Organisation von Beiträgen zum Report.<br />
Wir danken Alfred Müller, Mitglied des Vorstandes der Ernst & Young AG und Leiter der Deutschen Health Sciences Practice, für<br />
seine Unterstützung des Projekts.<br />
Weiterhin zum Dank verpflichtet sind wir Dr. Ludger Wess von BioCentury für seine professionelle textliche Überarbeitung sowie<br />
den Projekt-Mitarbeiterinnen der Agentur Flad & Flad Communication GmbH, Frau Katja Herrmann und Frau Grane Queitzsch<br />
für ihre professionelle und flexible Umsetzung unseres Textes und unserer Graphiken in ein ansprechendes Layout. Wir danken<br />
auch Dr. Peter Roberts, Marketing Manager Molecular Probes Europe in Leiden, Niederlande, für die Bereitstellung des Titelbildes.<br />
Schließlich sei den an der Primärerhebung teilnehmenden Firmen sowie den Autoren der Expertenbeiträge für Ihren wertvollen<br />
Input gedankt, ohne den diese Studie in der vorliegenden Form nicht hätte realisiert werden können. Besonderen Dank für<br />
wertvollen Input schulden wir einem Team von ausgewiesenen Branchenkennern, mit denen wir die Primärdaten und die daraus<br />
abzuleitenden Aussagen für die vorliegende Studie erörtert haben. Unsere Diskussionspartner waren: Dr. Thomas Höger (DZ<br />
Bank), Dr. Karsten Henco (Evotec OAI), Wolfgang Kroner (medgen press) sowie Dr. Peter Stadler (Artemis Pharmaceuticals).<br />
Dieser Report hat das Ziel, einen Überblick über die unternehmerisch geprägte Biotechnologie-Industrie in Deutschland zu vermitteln.<br />
Es handelt sich um einen unabhängigen Branchenbericht ohne externen Auftraggeber, auf dessen Inhalt kein Einfluss durch<br />
einzelne Unternehmen oder Institutionen ausgeübt wurde.<br />
Dr. Julia Schüler, Senior Industry Specialist Health Sciences<br />
Ernst & Young AG, Mannheim<br />
2 PER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Inhalt<br />
Grußwort von Bundesministerin Edelgard Bulmahn 4<br />
Vorwort von Alfred Müller, Vorstandsmitglied Ernst & Young AG 5<br />
Einführung von Dr. Peter Heinrich, Vorstand MediGene AG 6<br />
1. Kommerzielle Biotechnologie in Deutschland – Ein Überblick 7<br />
2. Technologien und Produkte 17<br />
2.1 Technologien, Plattformen & neue Forschungsansätze 17<br />
2.2 Produkte in der Biotechnologie 23<br />
3. Geschäfts- und Kommerzialisierungsstrategien 49<br />
3.1 Geschäftsmodelle,<br />
Strategien, Wachstumshemmnisse und Erfolge 49<br />
3.2. M&A, Partnerschaften und Deals 65<br />
3.3. Erfolgsfaktor „Wertschöpfungsnetz“ – Biotechnologie<br />
und deutsche Pharma-Industrie 77<br />
4. Finanzierung und Kapitalmarkt 85<br />
4.1 Biotech-Investoren im Blickfeld 85<br />
4.2 Die Finanzierung der Biotech-Firmen 90<br />
4.3 Kapitalmarkt und Börse 104<br />
5. Der Biotech-Standort Deutschland 109<br />
5.1 Aktivitäten auf Bundesebene 111<br />
5.2 Bio-Regionen im Visier 114<br />
Anhang 116<br />
Methodik und Definitionen 116<br />
Verzeichnis der Expertenbeiträge 118<br />
Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 120<br />
3
Grußwort<br />
Edelgard Bulmahn,<br />
Bundesministerin für Bildung und Forschung<br />
Deutschland als Land mit einer auf den Export ausgerichteten Wirtschaft besitzt ausgewiesene<br />
Kompetenz und Innovationsstärke in den Schlüsseltechnologien. Sie prägen<br />
den Strukturwandel der Wirtschaft, entscheiden über Positionen in globalen Märkten<br />
und ermöglichen zukunftssichere Arbeitsplätze.<br />
Die Biotechnologie spielt bei der Zukunftsfähigkeit des Wissenschafts- und<br />
Wirtschaftsstandortes Deutschland eine entscheidende Rolle. Nicht nur die Wissenschaft,<br />
auch die für die Kommerzialisierung der Biotechnologie eintretende Wirtschaft<br />
steht dabei am Anfang einer biotechnologischen Revolution.<br />
Das enorme Potenzial der Biotechnologie wird deutlich,<br />
wenn man allein an ihren möglichen Einfluss auf die<br />
Humanmedizin denkt. Dies ist nach wie vor das bedeutendste<br />
Anwendungsfeld mit viel versprechenden Innovations-<br />
und Marktpotenzialen, aber auch ein Anwendungsfeld,<br />
das mit großen Hoffnungen verbunden ist. Bis<br />
heute kann lediglich ein Drittel aller bekannten rund<br />
35.000 Krankheiten therapiert werden. Zu einem<br />
erheblichen Teil können dabei nach wie vor nur Symptome<br />
behandelt, die eigentlichen Krankheiten jedoch<br />
nicht geheilt werden.<br />
Ermutigt durch die Erfolge des ersten biotechnologischen Medikaments, dem Humaninsulin,<br />
vor 20 Jahren haben viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre<br />
Forschungsarbeiten vorangetrieben. Heute gibt es weltweit etwa 5.000 Biotechnologie-<br />
Unternehmen und bereits über 130 von Biotechnologie-Unternehmen entwickelte<br />
Medikamente auf dem Markt.<br />
In der weißen, der blauen und der grünen Biotechnologie ist der wissenschaftliche<br />
Erkenntnisgewinn zwischenzeitlich ebenfalls weit fortgeschritten. Die breite wirtschaftliche<br />
Anwendung steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Sie wird nach allen Vorhersagen<br />
in ihrem Innovations- und Marktpotenzial der roten Biotechnologie keinesfalls<br />
nachstehen.<br />
Neue Märkte entstehen und werden jetzt verteilt. Die Förderung von heute bewirkt die<br />
Innovationen von morgen. Durch eine gezielte Strategie werden die Kommerzialisierungsperspektiven<br />
für deutsche Unternehmen wachsen. Das Bundesministerium für Bildung<br />
und Forschung fördert daher die Genom- und Proteomforschung und auch die Bioinformatik<br />
und die Nanobiotechnologie.<br />
Die Voraussetzungen für die Verwertung biotechnologischer Neuerungen in Deutschland<br />
sind geschaffen. Seit Ende der 90er Jahre ist in unserem Land eine Biotechnologie-<br />
Branche entstanden, deren Unternehmen heute zu 80 Prozent im Life-Science-Bereich<br />
tätig sind.<br />
Wie alle neu wachsenden Industrien durchlaufen auch die jungen deutschen Biotechnologie-Unternehmen<br />
einen Wechsel von Phasen des Booms und der Konsolidierung.<br />
Mutmaßungen über Konkurse von einem Großteil der Unternehmen, wie sie noch vor<br />
wenigen Monaten häufiger zu lesen waren, sind dabei ebenso fehl am Platz wie überzogene<br />
Erwartungen an schnelle Gewinne, hohe Umsätze und signifikante Beschäftigungszuwächse<br />
quasi über Nacht. Biotechnologie braucht einen langen Atem.<br />
Ohne Zweifel kämpft die Branche nach wie vor mit Geldmangel, weil der Venture-Capital-<br />
Markt noch nicht wieder in Schwung gekommen ist. Dennoch gibt es eine Reihe von<br />
Signalen, die hoffnungsvoll für einen neuen Aufschwung stimmen. Die Anzahl der<br />
Produkte in späteren Phasen klinischer Studien ist signifikant gestiegen. Es finden<br />
wieder Neugründungen von Unternehmen statt, die zwar Abgänge<br />
noch nicht vollständig, aber zu einem erheblichen Teil kompensieren.<br />
Mehr als 70 Prozent der ausscheidenden Unternehmen werden durch<br />
neue ersetzt.<br />
Aufgrund der strategischen Bindung zwischen Biotechnologie- und<br />
Pharma-Industrie hat die Zahl der Kooperationen von der Einlizenzierung<br />
über Partnerschaften bis hin zu Beteiligungen oder Firmenübernahmen<br />
rapide zugenommen. Ende letzten Jahres ist es darüber<br />
hinaus zum ersten Mal einem deutschen Biotechnologie-<br />
Unternehmen gelungen, eine Wirkstoffzulassung zu erhalten. Auch<br />
wenn es sich hierbei um ein einlizenziertes Produkt handelt, ist dieses<br />
erfolgreiche Zulassungsverfahren positiv zu werten.<br />
Und noch eine Nachricht lässt aufhorchen. Der „Prime IG Biotechnology<br />
Kursindex“ vollzieht zurzeit eine dynamische Kursentwicklung und hat seit<br />
Dezember des letzten Jahres um mehr als 10 Prozent zugelegt. Dies zeigt, dass die<br />
Anleger an den deutschen Börsen die Biotechnologie wieder entdeckt haben.<br />
Dass in Deutschland eine starke Biotechnologie-Branche heranwächst, die nicht nur bei<br />
der Anzahl der Unternehmen, sondern auch bei Umsatz und Beschäftigung in Europa zur<br />
Spitze gehört, ist ein wesentliches Anliegen der Bundesregierung. Das Innovationspotenzial<br />
der Biotechnologie muss gezielter erschlossen und in Wachstum und Beschäftigung<br />
umgemünzt werden. Dies erfordert innovationsfreundliche Rahmenbedingungen,<br />
wissenschaftliche Exzellenz, einen funktionierenden Technologietransfer und Kapitalmarkt<br />
sowie ein erfolgreiches Unternehmertum.<br />
Die Bundesregierung hat in den letzten Monaten mit „BioChancePLUS“ für den Mittelstand,<br />
dem Beteiligungskapital-Dachfonds und dem High Tech-Masterplan ein aufeinander<br />
abgestimmtes Maßnahmenbündel gestartet, das dazu beiträgt, Innovationen aus<br />
der Biotechnologie in der gegenwärtigen Phase wirksam voranzubringen. Ich wünsche<br />
mir, dass die Branche aus den vielen hoffnungsvollen Signalen Mut schöpft und zu neuer<br />
Stärke findet.<br />
4 PER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Vorwort<br />
Alfred Müller,<br />
Mitglied des Vorstands der Ernst & Young AG und<br />
Leiter der Deutschen Health Sciences Practice –<br />
Initiator der Europäischen und Deutschen Biotech Reports<br />
Ernst &Young präsentiert Ihnen zum fünften Mal den Deutschen Biotechnologie Report.<br />
Wie in den vergangenen Jahren wird dieser Bericht mit seiner Detailübersicht über die<br />
Biotech-Industrie in Deutschland eingebettet sein in ein internationales Konzept, mit<br />
dem Ernst &Young weltweit die Biotech-Branche beobachtet, analysiert und in Form von<br />
Trendaussagen hinsichtlich ihrer zukünftigen Entwicklung beurteilt.<br />
Neben diesem Bericht werden zeitnah der 11. Europäische Biotech Report, der<br />
18. American Biotech Report sowie zum ersten Mal ein Biotech Report für die Asia<br />
Pacific Region erscheinen. In allen kontinentalen Berichten wird darüber hinaus in einem<br />
gemeinsamen Kapitel die Biotech-Industrie aus globaler Sicht<br />
beschrieben.<br />
Biotechnologie ist ein traditionell starkes Standbein der ausgeprägten<br />
Industrie-Expertise bei Ernst & Young im Bereich Health<br />
Sciences.<br />
Diese Expertise erstreckt sich jedoch ebenso auf die Pharmaindustrie<br />
sowie inzwischen zusehends stärker auch auf die Medizintechnik<br />
und den Bereich Health Care – basierend auf vielfältigen<br />
Schnittstellen zwischen diesen Teilgebieten und unserer festen<br />
Überzeugung hinsichtlich der wichtigen Funktion all dieser Segmente<br />
in einem integrierten Gesundheitssystem.<br />
Über den Schwerpunkt Biotechnologie hinausgehend wird in diesem Jahr der zweite<br />
Ernst & Young Global Pharmaceutical Report erscheinen, der sich vornehmlich mit den<br />
wichtigsten Aufgabenstellungen der internationalen Pharma-Industrie auseinandersetzt.<br />
„Per Aspera Ad Astra“, zu Deutsch: „Der steinige Weg zu den Sternen“ – der Titel des<br />
neuen Deutschen Biotechnologie Reports 2004 gibt unserer Ansicht nach am besten<br />
die gegenwärtige Situation der Biotech-Industrie in Deutschland wieder. Die bereits im<br />
letzten Jahr einsetzende Konsolidierung der Branche setzt sich weiter fort; viele Firmen<br />
müssen in diesem Zusammenhang erkennen, wie steinig der Weg tatsächlich ist und wie<br />
weit die Sterne möglicherweise noch entfernt sind.<br />
Nach wie vor bestimmen Maßnahmen zur Kostenreduktion – Freisetzung von Mitarbeitern,<br />
Aussetzen von Projekten und Fokussierung auf das Kerngeschäft – die<br />
Agenda der Firmen.<br />
Auf der anderen Seite haben sich die Auslöser der Konsolidierung, allen voran die<br />
Kapitalmärkte und die daran geknüpften Finanzierungsbedingungen für die Branche<br />
noch nicht wesentlich erholt. Wenngleich die deutlich positivere Stimmung in den USA<br />
einen Hoffnungsschimmer auch in Europa aufkommen lässt, kann in Deutschland noch<br />
nicht von der Überwindung der Talsohle gesprochen werden.<br />
Immerhin bestätigen Beobachter der Branche mittlerweile auch, dass die Unternehmen<br />
konsequent auf die Lage reagiert haben und die getroffenen Maßnahmen fruchten. Die<br />
Tatsache, dass insgesamt der größte Teil der Firmen nach wie vor operativ tätig ist, nährt<br />
die Erwartung, dass auch ein größerer Teil von ihnen die Krise überleben wird, als in den<br />
pessimistischen Prognosen befürchtet worden war.<br />
Die Erfolge von reiferen Biotech-Firmen in den USA, aber auch die Zulassung für das<br />
erste Medikament einer deutschen Biotech-Firma haben deutlich dazu beigetragen,<br />
dass Vertrauen in die Branche zurückkehrt. Dies zeigen die gestiegenen Aktienkurse,<br />
aber auch ein Anziehen der internationalen Transaktionsaktivitäten. Die bekannten<br />
„Sterne“ oder Stars der Biotechnologie beweisen auch, dass der steinige Weg erfolgreich<br />
sein kann.<br />
Zwar muss die noch junge Branche in Deutschland vorläufig noch eher Steine aus dem<br />
Weg räumen, die Sternenziele scheinen aber dennoch<br />
nicht nur Illusion.<br />
Mit der Erstellung der Biotechnologie-Reports verfolgen<br />
wir neben der Bereitstellung von Zahlen und Trends für<br />
die Industrie und assoziierte Interessengruppen deutlich<br />
weiter gehende Ziele. Die Beschäftigung mit der<br />
Branche – mit den Firmen, den Technologien, der<br />
Intellectual Property sowie mit den Geschäftsmodellen<br />
und der Situation auf der Finanzierungsseite – begründet<br />
eine vertiefte Industrieexpertise, die uns in vielen<br />
Gesprächen immer wieder bestätigt wird.<br />
Unsere Industrieexpertise setzen wir als wichtigen Bestandteil unseres Dienstleistungsportfolios<br />
zum Mehrwert für unsere Kunden ein.<br />
Die aktuelle Wirtschaftslage, die gerade die noch jungen deutschen Biotech-Firmen<br />
hart trifft, erfordert verstärkt die professionelle Unterstützung durch den „Business<br />
Advisor“, der somit in zunehmendem Maße zum Erfolgsfaktor wird. Kern dieser Dienstleistungen<br />
ist die multidisziplinäre Praxis, die alle notwendigen Fachexpertisen aus den<br />
Bereichen risikoorientierte Prüfung, Steuerberatung, Corporate Finance und Rechtsberatung<br />
in sich vereinigt. Die enge Verzahnung der multidisziplinären Praxis mit der<br />
Industrie-Expertise gewährleistet, dass ausgearbeitete Lösungen sehr spezifisch auf die<br />
Branche und den individuellen Kunden zugeschnitten werden können.<br />
Ich hoffe, dass die vorliegende Studie Ihnen neben dem Zahlenmaterial hilfreiche<br />
Anregungen liefert und würde mich freuen, wenn Ernst & Young auf Grund dieser Studie<br />
in einen konstruktiven Dialog mit Ihnen eintreten könnte.<br />
5
Einführung<br />
Die MediGene AG aus München hat es als erstes deutsches Biotech-Unternehmen geschafft,<br />
eine Medikamentenentwicklung zur Marktzulassung zu bringen und prüft zudem ein weiteres<br />
Medikament in Phase III. Dr. Peter Heinrich (CEO MediGene AG) führt mit seiner Perspektive<br />
zur Entwicklung der deutschen Biotechnologie in die Thematik dieser Studie ein.<br />
Dr. Peter Heinrich, Vorstandsvorsitzender MediGene AG,<br />
Vorstandsvorsitzender VBU<br />
Wie kann Biotechnologie ein bedeutender<br />
Wirtschaftsfaktor für Deutschland werden?<br />
Biotech ist eine spannende, innovative, unternehmerische Industrie. Ihre Anwendungsmöglichkeiten<br />
reichen von der Medizin über klassische Nahrungsmittelerzeugung<br />
und Landwirtschaft bis hin zur Bioinformatik. In zunehmendem Maß wird sie als Basisoder<br />
Schlüsseltechnologie für die kommenden<br />
Jahrzehnte bezeichnet und ihr ein ähnlicher Stellenwert<br />
wie der Mikroelektronik und der Informationstechnik<br />
beigemessen. Als noch junge Branche – ihre Ursprünge<br />
begannen Ende der 1970er-Jahre in den USA, Deutschland<br />
zog erst Anfang der 90er-Jahre nach – gehören ihr<br />
heute rund 4.500 Unternehmen weltweit an. Besonders<br />
im medizinischen Bereich haben biotechnologische<br />
Methoden bislang deutliche Fortschritte ermöglicht. Insbesondere<br />
dank der Gentechnik und neuer zellbiologischer<br />
Methoden können Krankheitsursachen besser<br />
identifiziert, Herstellungsverfahren optimiert und neue<br />
Therapeutika entwickelt werden, die häufig gezielter,<br />
schonender und effektiver wirken. Viele der heute verwendeten Medikamente sind überhaupt<br />
nur mittels biotechnischer Verfahren zugänglich. Experten gehen davon aus, dass<br />
im Jahr 2010 bereits die Hälfte aller neuen Medikamente ihren Ursprung in Biotechnologie-Firmen<br />
genommen haben werden.<br />
Während zur amerikanischen Biotech-Industrie bereits eine Reihe von reifen<br />
Unternehmen gehören, die in Profit, Mitarbeiterzahlen und Börsenwert manch alteingesessene<br />
Pharmakonzerne übertreffen, befindet sich die europäische und deutsche<br />
Biotechnologie-Branche noch in der Aufbauphase. Etwa 350 Biotechnologie-<br />
Unternehmen gibt es in Deutschland, die ältesten darunter sind kaum älter als zehn<br />
Jahre alt. Der Großteil dieser Firmen arbeitet noch mit Verlusten und wird erst in den<br />
nächsten Jahren die Gewinnschwelle erreichen. Die Entwicklung neuer Medikamente<br />
und Technologien erfordert diese Zeit. Auf dem Weg, die deutsche Biotechnologie zu<br />
einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor zu machen, haben die Unternehmen selbst, aber<br />
auch Finanzinvestoren, die Pharmabranche und nicht zuletzt die Politik eine entscheidende<br />
Rolle zu spielen.<br />
Die Unternehmen müssen in den nächsten Jahren greifbare Ergebnisse zeigen, also:<br />
Erste Medikamente auf den Markt bringen und Technologien breit vermarkten, um zu<br />
zeigen, dass ihre Ideen realisierbar und vor allem kommerzialisierbar sind. Sie müssen<br />
ihre Geschäftsmodelle verstärkt auf ihre Kunden zuschneiden, sich gegebenenfalls auf<br />
Kernbereiche fokussieren und ihre Ressourcen bündeln, um möglichst bald profitabel zu<br />
werden. Dies gilt auch für die Branche als Ganzes: Firmen sollten sich zusammenschließen,<br />
um Synergien herzustellen und Unternehmen mit ausreichender Größe zu<br />
bilden. Hierbei sind auch die Finanzinvestoren gefragt. Sie sollten diesen Prozess unterstützen<br />
und darüber hinaus ihre Finanzierungspolitik weniger nach<br />
dem Gießkannenprinzip ausrichten, sondern besser nach strengen<br />
Qualitätsmaßstäben in eine geringere Anzahl von Unternehmen<br />
investieren. Letzteres gilt auch für die staatlichen Förderinstrumente.<br />
Die Pharmabranche als Partner von Biotech ist aufgerufen, ihre<br />
Bereitschaft zur Zusammenarbeit nicht aus taktischen Gründen auf<br />
Eis zu legen, denn letztlich wird ihr eine gesunde Biotech-Branche<br />
nutzen. Schließlich müssen politische Entscheidungen getroffen<br />
werden, die Innovationen ermöglichen und die Bereitschaft von<br />
Investitionen fördern: So gilt es dringend, die steuerlichen Rahmenbedingungen<br />
zu verbessern, damit Investitionen in Deutschland<br />
wieder so interessant werden wie in anderen Ländern Europas, die<br />
bereits steuerliche Vorteile bieten. Europäisches Recht muss baldmöglichst<br />
in nationales Recht umgesetzt werden. Das betrifft z. B. die europäische<br />
Patentrichtlinie. Deutschland gehört zu den wenigen EU-Ländern, die diese noch nicht in<br />
deutsches Recht übernommen haben, obwohl sie die Gratwanderung zwischen<br />
notwendigem Schutz und erforderlichem Entwicklungsspielraum in vorbildlicher Weise<br />
meistert. Es gilt aber ebenso für die Neuformulierung des deutschen Gentechnik-<br />
Gesetzes. Hier sieht die zugrunde liegende, europäische Richtlinie zahlreiche Vereinfachungen<br />
und Erleichterungen vor, die vollständig umgesetzt werden sollten, um zu verhindern,<br />
dass Unternehmen abwandern und Investoren von Investitionen in Deutschland<br />
abgeschreckt werden. Ich halte es für gut, dass in Deutschland Bedenken gegenüber<br />
neuen Technologien ihren Platz haben. Wir dürfen aber nicht die Chancen aus den Augen<br />
verlieren, die mit neuen Möglichkeiten verbunden sind, und wir müssen uns bewusst<br />
sein, dass uns nur begrenzte Zeit bleibt, diese Chancen zu nutzen!<br />
Die Zukunftsfähigkeit des Technologiestandorts Deutschland wird entscheidend von<br />
der Entwicklung der Biotechnologie-Industrie mitbestimmt werden. Biotech gehört zu<br />
den wenigen rohstoffunabhängigen Spitzentechnologien, die wir haben. Deutschland<br />
verfügt über die wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Ressourcen, aus diesem<br />
Potential eine Erfolgsstory zu gestalten. Zum Nutzen aller: Patienten, Verbraucher,<br />
Gesellschaft und Industrie gleichermaßen.<br />
6 PER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
1. Kommerzielle Biotechnologie in Deutschland – Ein Überblick<br />
Per Aspera Ad Astra<br />
Per aspera ad astra – aus dem Lateinischen ins Deutsche<br />
übersetzt, heißt soviel wie „der steinige Weg zu den Sternen“.<br />
Dies charakterisiert die derzeitige Lage der deutschen Biotech-<br />
Industrie. Denn noch hat die deutsche Biotech-Branche die Talsohle<br />
nicht durchschritten – im Gegensatz zur US-amerikanischen<br />
Biotech-Industrie, die bereits „back on track“ und erneut<br />
energiegeladen ist.<br />
In den USA sind jedoch die Ausgangsvoraussetzungen deutlich<br />
anders: Vor dem „Downturn“ der letzten Jahre waren<br />
bereits therapeutische Produkte auf dem Markt, und es wurden<br />
mit etwa 30 Milliarden US$ Umsätze in zweistelliger<br />
Milliarden-Höhe erzielt. Zum Vergleich: Die deutsche Biotech-<br />
Industrie kam im Jahr 2001 erstmals auf einen Branchen-<br />
Umsatz von knapp über einer Milliarde €. Auch die europäische<br />
Biotech-Industrie liegt trotz zweistelliger Milliarden-Umsätze<br />
(gut 10 Mrd. €) nur bei einem Drittel des Umsatzes des USA-<br />
Sektors, obwohl es in Europa mehr Biotech-Unternehmen gibt.<br />
Doch obwohl der Weg steinig ist, führt er zu den Sternen und<br />
die Biotechnologie ist noch immer unbestritten Schlüsseltechnologie<br />
und damit ein Fixstern des 21. Jahrhunderts, denn<br />
die Aussichten für Biotech-Firmen, die es schaffen, neue<br />
Medikamente auf den Markt zu bringen, sind rosig.<br />
Bestes Beispiel dafür ist das US-Unternehmen Genentech, das<br />
bereits früh Erfolge zu verzeichnen hatte, seit es in den 80er<br />
Jahren mit Partner Eli Lilly das weltweit erste gentechnisch<br />
hergestellte Medikament auf den Markt brachte. Mittlerweile<br />
hat Genentech 13 Medikamente auf dem Markt und eine gut<br />
gefüllte Pipeline – dies zeigen die drei Zulassungen neuer<br />
Medikamente in jüngster Zeit. Allein die Nachricht von<br />
positiven Ergebnissen der klinischen Studie von Avastin –<br />
einem neuartigen Medikament gegen Krebs – sowie die<br />
nachfolgende US-Zulassung im Februar 2004 führte zur<br />
Verdreifachung des Wertes der Genentech-Aktie.<br />
Gerade aber die Erfahrung der deutschen Biotech-Industrie in den<br />
letzten Jahren zeigt, dass der „Weg zu den Sternen steinig“ ist.<br />
Steinig ist der Weg, weil Rückschläge bei der Medikamentenentwicklung<br />
eingesteckt werden mussten; steinig auch, weil die<br />
Verschlechterung der Kapitalmarktsituation mit nachfolgendem<br />
Versiegen der externen Finanzierungsquellen die Branche<br />
mitten im Aufbruch traf und somit beispielsweise auch viel<br />
versprechende Projekte mangels Kapital eingefroren werden<br />
mussten.<br />
Viele Unternehmen kämpfen nach wie vor um das Überleben<br />
und die Industrie ist somit weiterhin von Konsolidierung durch<br />
Übernahmen und Insolvenzen geprägt. Jedoch sollte die<br />
gegenwärtige Konsolidierung, die im Übrigen nach wie vor<br />
nicht in übermäßigem Ausmaß auftritt, positiv gesehen werden,<br />
da sie dazu verhilft, der Branche nach steinigen Jahren einen<br />
Neuanfang zu ermöglichen, aus dem sie gestärkt hervorgehen<br />
wird.<br />
Es gibt aber auch Positives zu vermelden: Die Münchener<br />
MediGene AG hat es als erstes deutsches Biotech-Unternehmen<br />
geschafft, ein Produkt durch die Zulassung zu bringen und wird<br />
das Krebsmedikament Eligard in Partnerschaft mit dem<br />
japanischen Pharmakonzern Yamanouchi in diesem Jahr auf den<br />
Markt bringen. Diese Zulassung dürfte der deutschen Biotech-<br />
Branche internationale Beachtung verschaffen und wesentlich<br />
zu einer Verbesserung der noch immer sehr zaghaften<br />
Stimmung und einem Zukunftsoptimismus beitragen.<br />
Die Bilanz auf einen Blick für das Jahr 2003 ergibt:<br />
• eine weitere negative Entwicklung der Kennzahlen,<br />
• dennoch Anzeichen für Fortschritt in einzelnen Bereichen wie<br />
zum Beispiel weniger Firmen, die gar keinen Umsatz haben<br />
und eine zunehmende Anzahl an Wirkstoffen in Phase I, II<br />
und III,<br />
• kein Anstieg der Insolvenzen gegenüber 2002, dafür deutlich<br />
mehr Akquisitionen,<br />
• eine Zunahme der Serviceorientierung sowie eine Neuausrichtung<br />
von Firmen durch Restrukturierung,<br />
• leicht gestiegenes Volumen an Risikokapitalfinanzierungen<br />
sowie Hoffnung auf ein sich öffnendes Börsenfenster,<br />
• neue Initiativen auf Bundesebene zur Unterstützung der<br />
Branche.<br />
7
Eckdaten<br />
Nach 2002 hat sich im Jahr 2003 zum zweiten Mal in Folge die<br />
Anzahl der Firmen verringert, die sich überwiegend auf die<br />
Kommerzialisierung der modernen Biotechnologie konzentrieren.<br />
Die Zahl der Neugründungen des Jahres 2003 konnte<br />
wiederum die gestiegene Anzahl an Insolvenzen, Geschäftsauflösungen<br />
und Übernahmen nicht aufwiegen.<br />
Weiterhin abgenommen haben ebenfalls die wichtigsten Kennzahlen<br />
wie Anzahl der Mitarbeiter, Höhe der FuE-Ausgaben<br />
und Umsatz.<br />
Technologien und Produkte<br />
Als Technologiebasis werden in den Firmen neben Genomics-<br />
Technologien insbesondere Screening- und Assay-Methoden<br />
sowie Zell- und Gewebekulturen eingesetzt. Aber auch Bioinformatik<br />
und Proteomics sind nach wie vor wichtige Grundlagen<br />
in der modernen biotechnologischen Forschung.<br />
Das Geschäftsfeld, in dem die Biotech-Firmen am stärksten<br />
aktiv sind, ist unverändert die Entwicklung von therapeutischen<br />
Wirkstoffen, obwohl ihr Anteil an der Gesamtzahl an Firmen im<br />
Vergleich zum Vorjahr leicht abgenommen hat. Danach folgen<br />
Unternehmen, die Molekulardiagnostika entwickeln. Das heißt<br />
auch, dass die überwiegende Zahl der Biotech-Unternehmen<br />
(92 Prozent) sich wie bislang mit dem „roten Bereich“ der<br />
Biotechnologie beschäftigt, also mit medizinischen Anwendungen.<br />
Erfreulicherweise hat sich die Zahl der Wirkstoffe in der<br />
Entwicklungspipeline deutscher Core-Biotech-Unternehmen im<br />
Vergleich zum Vorjahr leicht erhöht. Damit konnte der<br />
vorherige Rückgang, unter anderem verursacht durch die<br />
Akquisition von Unternehmen mit Entwicklungsprodukten<br />
durch ausländische Firmen, wieder aufgeholt werden. Sowohl<br />
bei den Wirkstoffen in Phase I und II als auch der Phase III der<br />
klinischen Entwicklung ist ein weiterer, deutlicher Fortschritt zu<br />
erkennen. Somit hat sich die Zahl der Wirkstoffe in der klinischen<br />
Pipeline mit 68 Kandidaten bemerkbar erhöht. Zudem<br />
erfolgte wie bereits erwähnt mit Eligard, einem Produkt der<br />
MediGene AG im Dezember 2003 die erste Zulassung eines<br />
Produktes einer deutschen Biotech-Firma.<br />
Dagegen sind viele von deutschen Biotech-Firmen entwickelte<br />
Molekulardiagnostika schon am Markt etabliert, und auch Produkte<br />
aus dem Bereich Tissue Engineering werden bereits als<br />
Therapeutika am Markt angeboten.<br />
KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />
Der Bereich der „grünen“ Biotechnologie, der Anwendungen in<br />
Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie umfasst, ist im<br />
Gegensatz zur „roten“ Biotechnologie nach wie vor weniger<br />
stark vertreten. Gerade mal 13 Prozent der deutschen Core-<br />
Biotech-Firmen beschäftigen sich mit diesem Bereich, der<br />
neben der Entwicklung von transgenen Pflanzen für verschiedene<br />
Zwecke vor allem die molekulare Diagnostik im<br />
Lebensmittelbereich umfasst.<br />
Gleichauf liegen mit 13 Prozent die Unternehmen, die sich mit<br />
der so genannten „grauen“ oder „weißen“ Biotechnologie<br />
befassen, das heißt, Anwendungen in Umweltschutz und<br />
Industrie verfolgen.<br />
Geschäfts- und Kommerzialisierungsstrategien<br />
Bei den Geschäftsmodellen hat sich die Zahl der rein produktentwickelnden<br />
Firmen deutlich reduziert. Entsprechend ist der<br />
Anteil an Firmen, die Produkte entwickeln und gleichzeitig<br />
Service anbieten, signifikant gestiegen. Dieser Trend bei der<br />
Geschäftsausrichtung erklärt vermutlich das Überleben vieler<br />
Firmen. Zudem vollzogen einige Firmen umfangreiche<br />
Restrukturierungsmaßnahmen, um durch eine Neuausrichtung<br />
bessere Überlebenschancen zu haben.<br />
Finanzierung und Kapitalmarkt<br />
Venture Capital war im vergangenen Jahr weiterhin die einzige<br />
Eigenkapital-Quelle für die deutsche Biotech-Industrie. Der<br />
Gesamtbetrag an investiertem Risikokapital lag mit rund 216<br />
Millionen € immerhin leicht über dem Niveau vom Jahr 2002<br />
(207 Millionen €), so dass hier kein weiterer Einbruch erfolgte.<br />
Erfolgreiche Biotech-Börsengänge in den USA nähren auch in<br />
Europa und Deutschland die Hoffnung, in näherer Zukunft<br />
wieder auf diese Finanzierungsquelle zählen zu können.<br />
Biotech-Standort Deutschland<br />
Zur Stärkung des Technologiestandortes Deutschland hat die<br />
Bundesregierung Anfang diesen Jahres den High-Tech Masterplan<br />
vorgestellt. Dieser umfasst insbesondere einen verbesserten<br />
Zugang zu Wagniskapital sowie die Schaffung international<br />
wettbewerbsfähiger steuerlicher Rahmenbedingungen und zielt<br />
insofern auch auf die deutschen Biotech-Firmen. Maßnahmen<br />
in Nachbarländern wie zum Beispiel Frankreich mit ähnlicher<br />
Zielrichtung können hier jedoch zum Teil als effektiver angesehen<br />
werden.<br />
8 PER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Stand der deutschen Core-Biotech-<br />
Industrie im Jahr 2003<br />
Im Fokus der vorliegenden Studie stehen Firmen, die vorwiegend<br />
moderne Methoden der Biotechnologie entwickeln<br />
oder nutzen und die hier als Core-Biotech-Unternehmen bezeichnet<br />
werden. Dieser Begriff wurde ursprünglich von<br />
Ernst & Young geprägt, wird jedoch zunehmend von weiteren<br />
Kreisen – leider auch oft für die Beschreibung einer anderen,<br />
eigenen Abgrenzung von Biotech-Firmen – genutzt.<br />
Ziel dieser Fokussierung ist es, den Kern der Branche abzubilden<br />
und somit eine homogene Menge an Firmen zu erfassen,<br />
die mit ähnlichen Methoden arbeiten und deshalb bezüglich der<br />
untersuchten Parameter (Geschäftsmodell, Geschäftsfelder etc.)<br />
besser vergleichbar sind.<br />
Diese Betrachtung beinhaltet folglich keine Firmen, die sich<br />
zum Beispiel mit klassischen Methoden der Biotechnologie<br />
beschäftigen oder in der Medizintechnik tätig sind. Detaillierte<br />
Ausführungen zu Definitionen, Abgrenzungen und Methodik<br />
der vorliegenden Untersuchung finden sich im Anhang.<br />
Ebenso nicht im engeren Fokus stehen traditionelle Mittelstands-<br />
und Großunternehmen aus der Pharma- und Agroindustrie,<br />
auch wenn sie mit Methoden der modernen Biotechnologie<br />
arbeiten. Um jedoch deren Bedeutung innerhalb der<br />
deutschen Core-Biotech-Industrie zu betonen, wird der deutschen<br />
Pharmaindustrie und ihrem Bezug zur Biotechnologie ein<br />
eigenes Kapitel in dieser Studie gewidmet (siehe Kapitel 3.3).<br />
Tabelle 1-1:<br />
Eckdaten der deutschen Core-Biotech-Industrie<br />
Auch wenn der weite Bereich der Firmen, die von Ernst &<br />
Young nicht zu den Core-Biotech-Unternehmen gezählt<br />
werden, nicht im Fokus dieser Studie steht, so sind sie natürlich<br />
ein wichtiger Bestandteil des „Wertschöpfungsnetzwerks<br />
Biotechnologie“. Es handelt sich hier beispielsweise um Firmen<br />
aus den Bereichen ELISA-Immundiagnostik, biomagnetische<br />
Separation, Hersteller monoklonaler Antikörper zu Forschungszwecken,<br />
Nanopartikel, Pharmakoservices, biochemische<br />
und biosensorische Analytik, klassische Fermentation,<br />
Geräte- und Materiallieferanten. Stellvertretend für viele seien<br />
hier einige große und namhafte Vertreter dieser Bereiche<br />
genannt: ScheBo Biotech und BRAHMS, Miltenyi Biotec und<br />
chemagen, BIOGENES und nanoTOOLS, Nanopharm, Across<br />
Barriers und GenPharmTox, Trace, Girindus, CyBio und Vivascience.<br />
Werden diese Firmen aus dem weiteren Bereich der Biotechnologie<br />
hinzugezählt, so finden sich in der deutschen Industrie<br />
nach verschiedenen Quellen ungefähr 500 plus X Firmen, die<br />
im weitesten Sinne mit der Biotechnologie zu tun haben.<br />
Unter Berücksichtigung der im Anhang ausführlich dargestellten<br />
Definition und Abgrenzung der Core-Biotech-Firmen durch<br />
Ernst & Young, die auch den internationalen Reports von<br />
Ernst & Young zu Grunde liegt, beläuft sich die aktuelle<br />
Firmenanzahl der deutschen Core-Biotech-Industrie auf 350<br />
Unternehmen.<br />
Gesamt-<br />
Industrie<br />
Börsennotierte<br />
Unternehmen<br />
Jahr 2001 2002 2003 2003<br />
Allgemeine Kennzahlen<br />
Anzahl der Unternehmen 365 –1 % 360 –3 % 350 11<br />
Anzahl der Beschäftigten 14.408 –7 % 13.400 –14 % 11.535 3.431<br />
in FuE 7.858 –7 % 7.308 –16 % 6.120 1.333<br />
Finanzdaten (in Mio. €)<br />
Umsatz 1.045 –3 % 1.014 –5 % 960 469<br />
FuE-Ausgaben 1.228 –11 % 1.090 –11 % 966 141<br />
Verlust –551 +20 % -661 –17 % –549 –100<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
9
Per Aspera Ad Astra<br />
Nach der „Zeit der Bewährung“ im Jahr 2002 kann der Zustand<br />
der deutschen Core-Biotech-Industrie im Jahr 2003 mit dem<br />
Bild des „steinigen Wegs zu den Sternen“ beschrieben werden.<br />
Vermutlich sind sich alle Branchenvertreter einig, dass die<br />
kommerzielle Umsetzung der modernen Biotechnologie als<br />
Schlüsseltechnologie – und damit als Stern – des 21. Jahrhunderts<br />
gilt. Dennoch musste – vor allem nach dem rasanten<br />
Wachstum zwischen den Jahren 1996 und 2000 – die Industrie<br />
in den letzten Jahren erkennen, dass viele Hoffnungen und<br />
Visionen nicht so schnell umgesetzt werden konnten, wie<br />
anfänglich erwartet. Die Biotech-Industrie ist endgültig in der<br />
Realität angekommen. Nach dem Platzen der Börsen- und<br />
anderen Erwartungsblasen haben die realen Marktbedingungen<br />
wie Finanzierung, Produktentwicklung, Vertrieb und Kundengewinnung<br />
die deutschen Biotech-Firmen wieder auf den Boden<br />
der betriebswirtschaftlichen Tatsachen gebracht.<br />
Im Grunde kann weiterhin von einer Bewährungsprobe gesprochen<br />
werden, da sich die Branche noch nicht erholt und die<br />
Phase der Stagnation bzw. der rückläufigen Kennzahlen sich<br />
weiter fortgesetzt hat. Allerdings liefern die Eckdaten, die über<br />
die Zahl von Unternehmen und Mitarbeitern sowie die<br />
finanziellen Kenndaten wie Umsatz, Forschungs- und Entwicklungsausgaben<br />
sowie Verlust Auskunft geben, lediglich ein<br />
statistisch gemitteltes Bild der deutschen Core-Biotech-<br />
Industrie. Sie spiegeln nicht wider, dass es im Einzelfall auch<br />
sehr erfolgreiche Firmenentwicklungen gab. Gerade Restrukturierungen,<br />
oft einhergehend mit Mitarbeiterabbau, waren<br />
notwendig, um die Unternehmen wieder fit für die Zukunft zu<br />
machen. Diese Bemühungen, sich auf dem „steinigen Weg zu<br />
den Sternen“ zurecht zu finden, erklären auch, warum es zum<br />
Beispiel sehr viel weniger Insolvenzen gab als vielfach<br />
erwartet. Von Entwarnung kann allerdings noch keine Rede<br />
sein, da vermutlich viele Unternehmen in eine Art<br />
„Winterschlaf“ verfallen sind, bei dem sie durch entsprechende<br />
Maßnahmen Energie sparen und Kräfte für den nächsten<br />
Frühling sammeln. Einige werden es schaffen, andere jedoch<br />
haben die Energie so weit heruntergefahren, dass ein Erwachen<br />
sehr schwer fallen oder gar nicht erfolgen wird.<br />
Wann die in der US-Biotech-Industrie bereits wieder sehr<br />
positive Stimmung Relevanz für die hiesige Industrie haben<br />
wird, bleibt einstweilen eine offene Frage.<br />
KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />
Allgemeine Kennzahlen der deutschen Core-Biotech-<br />
Unternehmen im Jahresvergleich<br />
Nach 2002 ist die Anzahl der deutschen Core-Biotech-<br />
Unternehmen (im Folgenden auch nur „Biotech-Unternehmen“<br />
genannt) im Jahr 2003 zum zweiten Mal in Folge nicht weiter<br />
gestiegen, nachdem in den wachstumsstarken Jahren zeitweise<br />
Zuwächse um mehr als 20 Prozent erfolgten.<br />
Mit 350 Firmen ist die Unternehmenszahl im Vergleich zum<br />
Vorjahr (360 Firmen) weiter gesunken. Der Rückgang beläuft<br />
sich auf rund drei Prozent.<br />
Abbildung 1-1:<br />
Historische Entwicklung der Anzahl an<br />
Core-Biotech-Unternehmen<br />
Dennoch hat ein in der Branche vielfach diskutierter und befürchteter<br />
Einbruch von 50 Prozent bei der Anzahl an Firmen nicht<br />
statt gefunden und wird vermutlich auch in Zukunft nicht erfolgen.<br />
Eine Analyse der 350 deutschen Biotech-Firmen nach ihrer<br />
Finanzierungsquelle hat ergeben, dass aktuell lediglich 32 Prozent<br />
der Unternehmen mit Risikokapital finanziert sind. Damit sind<br />
68 Prozent der deutschen Biotech-Firmen von dieser externen<br />
Kapitalquelle und ihrer derzeitigen Schwäche weitestgehend<br />
unabhängig. Mit der Annahme, dass eventuell die Hälfte der<br />
VC-finanzierten Unternehmen keine weitere Risikokapital-<br />
Finanzierung erhalten, wäre in diesem Bereich ein maximaler<br />
Einbruch von ca. 50 Firmen möglich. Allerdings ist bei einer<br />
solchen Betrachtung auch zu berücksichtigen, dass auch die<br />
nicht VC-finanzierten Firmen sich am Markt behaupten müssen.<br />
10 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
104<br />
1996<br />
173<br />
1997<br />
222<br />
1998<br />
279<br />
1999<br />
332<br />
2000<br />
365<br />
360<br />
350<br />
2001 2002 2003<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004
Der Rückgang der Zahl an Biotech-Firmen beruht darauf, dass<br />
die Zahl der Neugründungen des Jahres 2003 wiederum die<br />
gestiegene Anzahl an Insolvenzen, Geschäftsauflösungen und<br />
Übernahmen nicht aufwiegen konnte.<br />
Abbildung 1-2:<br />
Übersicht zu Abgängen und Neugründungen der letzten Jahre<br />
Anzahl der Unternehmen/Neugründungen<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
279<br />
57<br />
332<br />
6<br />
59<br />
365 360<br />
1999 2000 2001 2002<br />
Die Abgänge machen jedoch nach wie vor weniger als zehn<br />
Prozent der Gesamtzahl an Core-Biotech-Unternehmen aus; ein<br />
Anteil, der offenkundig nicht den oft erwarteten massiven<br />
Einbruch bei der Firmenanzahl repräsentiert. Insbesondere die<br />
mehr oder weniger gleich gebliebene Anzahl an Insolvenzen ist<br />
sicher nicht erwartet worden.<br />
Im Vergleich zu den hier ermittelten 24 Insolvenzen von Core-<br />
Biotech-Firmen werden in der Branche auch andere, weitaus<br />
höhere Angaben zu Insolvenzen diskutiert. Jedoch umfassen<br />
diese auch Insolvenzen von Unternehmen, die nicht im Fokus<br />
dieser Studie stehen, und somit würden bei deren Erfassung<br />
falsche Aussagen abgeleitet werden. Der Anteil an Abgängen<br />
beträgt beispielsweise nach BIOCOM im gesamten Bereich der<br />
Biotech-Industrie knapp 10 Prozent und deckt sich somit mit<br />
dem hier ermittelten Anteil.<br />
44<br />
25<br />
*350<br />
34<br />
2003<br />
*Die Zahl 350 enthält zusätzlich zwei Neuzugänge sowie einen<br />
Abgang aus früheren Jahren, die erst jetzt berücksichtigt wurden.<br />
11<br />
30<br />
23<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Insgesamt beläuft sich die Anzahl der Abgänge auf 34. Diesen<br />
Abgängen standen im letzten Jahr 23 Neugründungen gegenüber.<br />
Der Trend zu weniger Neugründungen, der im Jahre 2001<br />
begann, hat sich somit nicht weiter fortgesetzt. Allerdings ist die<br />
Zahl der Neugründungen im Vergleich<br />
Anzahl der Abgänge<br />
Unternehmen<br />
insgesamt<br />
zum Vorjahr einigermaßen stabil geblieben,<br />
ansonsten wäre der Einbruch bei der<br />
Gesamt-Firmenzahl vermutlich deutlicher<br />
ausgefallen.<br />
Von den Neugründungen sind drei mit<br />
Risikokapital finanziert worden. Die<br />
anderen bieten vor allem Service in den<br />
Bereichen Genomic-Dienstleistungen, Auftragsproduktion,<br />
und Bioinformatik an.<br />
Unter den Neugründungen finden sich<br />
auch zwei „Restarts“ vorher insolvent<br />
gemeldeter Firmen: Nascacell und<br />
BioTissue Technologies.<br />
Neugründungen<br />
Bei den Abgängen wird deutlich, dass<br />
Abgänge eine Konsolidierung nun über eine vermehrte<br />
Anzahl an Akquisitionen erfolgt.<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004 Bemerkenswert ist auch, dass immerhin<br />
drei der vorher insolvent gemeldeten<br />
Firmen später von anderen Unternehmen übernommen wurden:<br />
Abeta, bioLeads und memorec.<br />
Abbildung 1-3:<br />
Zusammensetzung der Abgänge<br />
insgesamt<br />
davon<br />
Akquisitionen<br />
davon<br />
Fusionen<br />
davon<br />
Insolvenzen/<br />
Auflösungen<br />
1<br />
1<br />
4<br />
9<br />
Anzahl der Abgänge<br />
25<br />
24<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />
30<br />
34<br />
2002<br />
2003<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
11
Mitarbeiterentwicklung<br />
Neben der Stagnation bei der Anzahl der Firmen ist als weiteres<br />
Charakteristikum der derzeitigen Branchenlage eine nochmalige<br />
deutliche Reduktion der Zahl der Beschäftigten zu<br />
beobachten.<br />
Zum einen ist dieses auf die bereits angesprochenen Abgänge<br />
zurückzuführen (wobei die Neugründungen mit eher kleiner<br />
Mitarbeiterzahl nicht viel zu einer Steigerung der Mitarbeiterzahl<br />
beitragen konnten), zum anderen wurden jedoch auf Grund<br />
von Restrukturierungsmaßnahmen in vielen Firmen Mitarbeiter<br />
abgebaut.<br />
Der Rückgang der Mitarbeiterzahl bei den 350 Unternehmen<br />
betrug im Vergleich der Jahre 2002 und 2003 7 bzw. 14 Prozent.<br />
Der Wert für 2003 liegt damit doppelt so hoch wie der Mitarbeiterabbau<br />
im Jahr 2002. Neben der Verringerung der Mitarbeiterzahl<br />
durch Restrukturierung mussten viele Unternehmen<br />
Personal entlassen, um weiter Kosten zu sparen bzw. um überhaupt<br />
eine Chance zum Überleben zu haben. Absolut gesehen<br />
sank die Beschäftigtenzahl von 13.400 auf 11.535. Es waren<br />
somit im vergangenen Jahr in der deutschen Core-Biotech-<br />
Industrie fast 2.000 Mitarbeiter weniger beschäftigt als im Vorjahr.<br />
Somit hat die deutsche Biotech-Industrie im Bereich der Mitarbeiterstärke<br />
einen Stand erreicht, der den Jahren vor der<br />
„Finanzierungsblase“ entspricht.<br />
KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />
Abbildung 1-4:<br />
Entwicklung der Anzahl an Mitarbeitern in Core-Biotech-Unternehmen<br />
Anzahl der Mitarbeiter insgesamt<br />
16.000<br />
14.000<br />
12.000<br />
10.000<br />
8.000<br />
6.000<br />
4.000<br />
2.000<br />
0<br />
23<br />
4.013<br />
25<br />
5.650<br />
29<br />
8.124<br />
32<br />
10.673<br />
39<br />
14.408<br />
37<br />
13.400<br />
33<br />
11.535<br />
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Bedauerlicherweise findet dieser weitere Rückschritt nach wie<br />
vor in einem Stadium statt, in dem die bisherige Entwicklung<br />
noch keine größere Zahl an stabilen Firmen hervorgebracht hat.<br />
Als Folge der gesunkenen Mitarbeiterzahl hat sich zwangsläufig<br />
ebenfalls die Mitarbeiterzahl pro Unternehmen weiter<br />
verringert, die bis zum Jahr 2001<br />
Mitarbeiter<br />
insgesamt<br />
Mitarbeiter pro<br />
Unternehmen<br />
kontinuierlich gewachsen war. Sie lag im<br />
Jahr 2003 bei 33 Beschäftigten pro Core-<br />
Biotech-Firma und damit deutlich niedriger<br />
als im Jahr 2002, in dem die durchschnittliche<br />
Mitarbeiterzahl nur leicht<br />
von 39 auf 37 gesunken war.<br />
Auch wenn diese Entwicklung als<br />
„Gesundschrumpfung“ begrüßt werden<br />
kann, stellt sich andererseits doch die<br />
Frage, ob der nun deutlich erkennbare<br />
Mitarbeiterrückgang in Zukunft aufgehalten<br />
werden kann, um über einen<br />
längeren Zeitraum hinweg eine stabile<br />
Industrie aufzubauen. So ist zum Beispiel<br />
in den schwierigen Jahren (1996 bis<br />
1998) der Entwicklung der US-Biotech-<br />
Industrie zwar ebenfalls die Anzahl an<br />
Unternehmen rückläufig gewesen,<br />
dennoch hat sich hier die Zahl der Mit-<br />
arbeiter stets (wenn auch teilweise gering) erhöht.<br />
Im Bereich der Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung<br />
(FuE) hat sich ein sogar noch deutlicherer Rückgang um 16<br />
Prozent ergeben. Absolut gesehen sank die Zahl der FuE-Mitarbeiter<br />
von 7.308 im Jahre 2002 auf 6.120 im Jahr 2003. Einen<br />
sehr großen Einfluss haben hierbei die börsengelisteten Core-<br />
Biotech-Unternehmen gehabt: Bei ihnen beläuft sich der Rückgang<br />
allein auf 22 Prozent. Im Vergleich dazu wurde bei den<br />
privaten Biotech-Firmen 14 Prozent der FuE-Belegschaft abgebaut.<br />
Es kann davon ausgegangen werden, dass insbesondere<br />
in den Bereichen der Technologieentwicklung bzw. der Grundlagenforschung<br />
Personal eingespart wurde, um Ressourcen<br />
vermehrt auf die Produktentwicklung zu legen. Hierzu bleibt<br />
jedoch festzuhalten, dass mit dem Weggang der Mitarbeiter<br />
auch entsprechendes Know-how verloren geht, das später<br />
gegebenenfalls wieder aufgebaut werden muss.<br />
12 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
Anzahl der Mitarbeiter pro Unternehmen<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004
Mitarbeiterverteilung<br />
Eine genaue Betrachtung der Mitarbeiterverteilung zeigt, dass<br />
die durchschnittliche Mitarbeiterzahl von 33 oder mehr<br />
Beschäftigten lediglich in 20 Prozent der Firmen vorhanden ist<br />
(siehe Abbildung 1-5). Im Vergleich zum Jahr 2002 (23 Prozent)<br />
hat sich dieser Anteil sogar noch verringert.<br />
Abbildung 1-5:<br />
Mitarbeiterverteilung der Core-Biotech-Unternehmen im Jahresvergleich<br />
1 bis 10<br />
11 bis 30<br />
31 bis 50<br />
51 bis 100<br />
101 bis 300<br />
> 300<br />
0<br />
3<br />
2<br />
1<br />
1<br />
9<br />
8<br />
Somit beschäftigen 80 Prozent aller<br />
Unternehmen weniger als 30 Mitarbeiter;<br />
im Jahr 2002 lag dieser Anteil noch bei<br />
77 Prozent.<br />
Der Vergleich der Jahre 2002 und 2003<br />
zeigt, dass das vergangene Jahr sogar<br />
eine weitere Erhöhung des Anteiles an<br />
Firmen mit weniger als zehn Beschäftigten<br />
erbrachte. Das Gleiche trifft für die<br />
Kategorie „11 bis 30 Mitarbeiter“ zu.<br />
An dieser Stelle kann jedoch auch vorsichtig<br />
die Frage gestellt werden, ob nicht<br />
gerade der hohe Anteil an kleinen Firmen<br />
mit einer Überlebensstrategie auf sehr<br />
niedrigem Niveau einen größeren Einbruch<br />
bei der Firmenzahl verhindern<br />
wird.<br />
9<br />
10<br />
33<br />
34<br />
44<br />
46<br />
2002<br />
2003<br />
Anzahl der Firmen in %<br />
10 20 30 40 50 Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Diese These wird gestützt durch die Ergebnisse der Analyse der<br />
Finanzierungsbasis der kleinen Firmen. Abbildung 1-6 zeigt<br />
hierzu die Verteilung der Mitarbeiterkategorien auf den Anteil<br />
an Unternehmen, die aktuell durch Risikokapital finanziert sind<br />
sowie auf den Anteil an Firmen, die ohne Risikokapital auskommen.<br />
Letztere finanzieren sich im Wesentlichen durch<br />
Umsätze, staatliche Mittel, Privatvermögen, tbg-Gelder und<br />
auch strategische Investoren.<br />
Insbesondere bei den Biotech-Firmen mit<br />
einer Mitarbeiterzahl bis zu 10 Beschäftigten<br />
ist der Anteil an risikokapitalunabhängigen<br />
Firmen sehr hoch. Bei<br />
diesen Firmen spielen vor allem der<br />
Umsatz, staatliche Mittel und speziell<br />
auch Privatvermögen als Finanzierungsquelle<br />
eine große Rolle.<br />
Ab der Mitarbeiterkategorie „11 bis 30<br />
Mitarbeiter“ hält sich der Anteil an nicht<br />
risikofinanzierten und VC-finanzierten<br />
Firmen die Waage.<br />
Abbildung 1-6:<br />
Mitarbeiterverteilung bei nicht VC- und VC-finanzierten Core-Biotech-<br />
Unternehmen im Jahresvergleich<br />
1 bis 10<br />
11 bis 30<br />
31 bis 50<br />
51 bis 100<br />
101 bis 300<br />
> 300<br />
10<br />
10<br />
0<br />
5<br />
6<br />
17<br />
5<br />
3<br />
4 5<br />
4 4<br />
21<br />
11<br />
34<br />
39<br />
16<br />
18 16<br />
VC-finanziert<br />
nicht VC-finanziert<br />
10<br />
10 20 30 40 50<br />
7<br />
2002<br />
2003<br />
Anzahl der Firmen in %<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
13
Finanzdaten der deutschen Core-Biotech-Unternehmen<br />
im Jahresvergleich<br />
Umsatz<br />
Nachdem die deutsche Core-Biotech-Industrie bereits im Jahr<br />
2002 erstmalig Umsatzeinbußen von drei Prozent hinnehmen<br />
musste, brachte das Jahr 2003 einen Umsatzrückgang um<br />
weitere fünf Prozent. Mit der Gesamtsumme von 960 Millionen €<br />
wurde die Grenze von einer Milliarde € Umsatz wieder unterschritten,<br />
nachdem sie im Jahre 2001 zum ersten Mal<br />
überschritten worden war.<br />
Bei den börsennotierten Unternehmen, die mit einem sehr<br />
geringen Anteil (3 Prozent) an der Gesamtzahl der Biotech-<br />
Firmen jedoch fast die Hälfte des Umsatzes stellen, ist sogar ein<br />
stärkerer Rückgang von neun Prozent zu verzeichnen. Bei<br />
diesen konnte allein Evotec OAI seinen Umsatz um 10 Prozent<br />
steigern und damit erstmals einen Gewinn vor Zinsen, Steuern<br />
und Abschreibungen erzielen.<br />
Dies bedeutet andererseits, dass bei den privaten Unternehmen<br />
der Rückgang beim Umsatz mit nur zwei Prozent eher moderat<br />
ausfällt. Erfreuliche Erkenntnisse erbringt hierbei eine Analyse<br />
der Firmen mit einem Umsatz von weniger als je vier Millionen €.<br />
Abbildung 1-7:<br />
Umsatzverteilung im Jahresvergleich<br />
Anzahl in % von antwortenden Unternehmen<br />
in 2002 und 2003<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
27<br />
16<br />
Umsatz = 0 Umsatz < 1 Umsatz<br />
1 bis 4 Mio.<br />
Der Anteil an Firmen, die gar keinen Umsatz erwirtschaften, hat<br />
sich deutlich verringert. In den Bereichen kleiner eine Million €<br />
und ein bis vier Millionen € hat sich jeweils eine Steigerung des<br />
Anteils an Firmen ergeben.<br />
43<br />
49<br />
KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />
19<br />
24<br />
11 11<br />
Umsatz<br />
> 4 Mio.<br />
Erwähnenswert zu den Firmen mit einem Umsatz im Bereich<br />
kleiner eine Million € ist, dass hier ein signifikanter Anteil<br />
deutlich über 100.000 € Umsatz erzielt und damit eine Basis<br />
geschaffen hat, den „Winterschlaf“ zu überstehen.<br />
Insgesamt eröffnet diese Entwicklung vorsichtig die Hoffnung,<br />
dass in Zukunft vermehrt Firmen den „steinigen Weg“ zum<br />
Markt finden und einen – wenn auch anfänglich bescheidenen –<br />
Umsatz erwirtschaften können.<br />
Verlust<br />
Die deutsche Core-Biotech-Branche bezifferte im vergangenen<br />
Jahr ihren Verlust auf 549 Millionen €. Der Verlust hat sich<br />
damit im Vergleich zum Vorjahr erstmals verringert. Ein sehr<br />
großer Anteil bei dieser Verringerung ist jedoch den börsennotierten<br />
Firmen zuzurechnen, die ihren Verlust um 64 Prozent<br />
reduzieren konnten. Damit ist es ihnen auch gelungen, ihren<br />
Anteil am Gesamt-Verlust der Industrie zu verkleinern: von 42<br />
Prozent auf 18 Prozent. Andererseits bedeutet dieses für die<br />
privaten Firmen einen weiteren Anstieg beim Verlust um 17<br />
Prozent. Dennoch fällt dieser Anstieg im Vergleich zum Anstieg<br />
in früheren Jahren eher moderat aus und zeigt, dass die Biotech-<br />
Firmen in der derzeitigen schwierigen wirtschaftlichen Lage<br />
nach wie vor Anstrengungen unternehmen,<br />
ihre „Burn Rate“ zu senken.<br />
Beachtlich ist an dieser Stelle jedoch,<br />
dass immerhin bereits 20 Prozent der<br />
Unternehmen angeben, Gewinn – wenn<br />
auch auf niedrigem Niveau – zu machen<br />
(2001 und 2002 je 17 Prozent).<br />
FuE-Ausgaben<br />
2002<br />
Gegenüber dem Vorjahr sind auch die<br />
FuE-Ausgaben der deutschen Core-Bio-<br />
2003<br />
tech-Unternehmen nochmals gesunken,<br />
und zwar um 11 Prozent auf 966<br />
Millionen €. Auch hier ist wiederum der<br />
Einfluss der börsennotierten Firmen sehr<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
ausschlaggebend, denn sie reduzierten<br />
den FuE-Aufwand um 34 Prozent. Bei<br />
den privaten Unternehmen belief sich der Rückgang lediglich<br />
auf sechs Prozent. Für den weiteren Fortschritt der Industrie<br />
dürfte diese Entwicklung kontraproduktiv sein. Es bleibt zu<br />
hoffen, dass der Rückgang der FuE-Ausgaben eine<br />
vorübergehende, der schlechten Konjunktur sowie der<br />
Konsolidierung geschuldete Erscheinung ist.<br />
14 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Bayern<br />
Baden-Württemberg<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Berlin<br />
Niedersachsen<br />
Hessen<br />
Brandenburg<br />
Sachsen<br />
Hamburg<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Mecklenburg-<br />
Vorpommern<br />
Thüringen 7 7<br />
Rheinland-Pfalz 6<br />
Schleswig-Holstein<br />
Bremen<br />
Saarland<br />
Abbildung 1-8:<br />
Anzahl der Core-Biotech-Unternehmen nach Bundesländern<br />
3 4<br />
3<br />
6 7<br />
0 10<br />
9<br />
11<br />
9<br />
10<br />
Die regionale Verteilung der deutschen Core-Biotech-<br />
Unternehmen<br />
8<br />
An der Rangfolge der Bundesländer hinsichtlich der Anzahl an<br />
Core-Biotech-Firmen haben sich gegenüber dem Vorjahr kaum<br />
Veränderungen ergeben. Nach wie vor nimmt Bayern mit 86<br />
Unternehmen die Spitzenstellung ein und konnte diese sogar<br />
geringfügig ausbauen.<br />
Die meisten der anderen starken Bundesländer wie Baden-<br />
Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Berlin-Brandenburg<br />
mussten jedoch einen stärkeren Rückgang bei der Firmenzahl<br />
hinnehmen, der sich dadurch ergab, dass die Anzahl an Neugründungen<br />
die Zahl der Abgänge in Form von Übernahmen<br />
und Insolvenzen nicht aufwiegen konnte.<br />
12<br />
13<br />
11<br />
11<br />
17<br />
18<br />
17 19<br />
24<br />
26<br />
33 36<br />
37<br />
42<br />
20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />
63<br />
67<br />
85<br />
86<br />
2002<br />
2003<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Eine geringfügige Zunahme bei der Firmenanzahl erfolgte in<br />
den Bundesländern Niedersachsen, Hessen, Sachsen, Sachsen-<br />
Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Hamburg, Thüringen<br />
und das Saarland blieben stabil.<br />
Zu beachten bleibt, dass es sich bei der Biotech-Branche um<br />
eine globale Industrie handelt, die mit vielen anderen Regionen<br />
in der Welt in Konkurrenz steht. Entscheidend ist letztlich nicht<br />
die Anzahl an Firmen, sondern das Vorhandensein starker<br />
Firmen mit globaler Bedeutung.<br />
Der regionale Aspekt sollte daher zunehmend in den Hintergrund<br />
treten und das nationale Interesse vornehmlich darauf<br />
ausgerichtet werden, die Industrie in Deutschland insgesamt<br />
voranzubringen.<br />
15
KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />
Abbildung 1-9:<br />
Bundesweite Verteilung der deutschen Core-Biotech-Unternehmen<br />
Düsseldorf<br />
Köln<br />
Saarbrücken<br />
Münster<br />
Mainz<br />
Freiburg<br />
Tübingen<br />
Bremen<br />
Marburg<br />
Frankfurt<br />
Darmstadt<br />
Hannover<br />
Heidelberg<br />
Stuttgart<br />
Ulm<br />
Kiel<br />
Hamburg<br />
Göttingen<br />
Würzburg<br />
München<br />
16 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
Lübeck<br />
Braunschweig<br />
Rostock<br />
Magdeburg<br />
Ein Punkt kann ein<br />
oder mehrere Unternehmen<br />
repräsentieren. Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Jena<br />
Halle<br />
Leipzig<br />
Regensburg<br />
Greifswald<br />
Potsdam<br />
Berlin<br />
Dresden
2. Technologien und Produkte<br />
2.1 Technologien, Plattformen & neue Forschungsansätze<br />
Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich – wenn nicht<br />
anders erwähnt – auf diejenigen Unternehmen, die Ernst &<br />
Young in einer Umfrage Informationen zur Verfügung gestellt<br />
haben. Ein Überblick zur Methodik der Studie findet sich im<br />
Anhang.<br />
Die Abbildung 2-1 zeigt, welche Technologien hauptsächlich<br />
die Basis für die Geschäftstätigkeit der Sample-Unternehmen<br />
sind. Bei der Hälfte der Firmen spielen Genomics, Screening &<br />
Assays sowie Zell- und Gewebekulturen eine wichtige Rolle.<br />
Auch Proteomics und Bioinformatik nehmen einen bedeutenden<br />
Anteil ein. Biochips, Molecular Modelling, kombinatorische<br />
Biologie und Chemie sowie Modellorganismen und Antikörper<br />
sind weitere Technologien bzw. Plattformen, die zu<br />
einem nennenswerten Anteil eingesetzt werden.<br />
Abbildung 2-1:<br />
Technologiebasis der Sample-Unternehmen<br />
Bioinformatik 8 %<br />
Proteomics 11 %<br />
Zell-/Gewebekultur 13 %<br />
Molecular Modelling 5 %<br />
Biochips/Mikroarray 6 %<br />
Weitere Technologien, die im Bereich „Anderes“ genannt<br />
wurden, sind zum Beispiel RNA-Interferenz, Naturstoffforschung,<br />
Biokatalyse, Peptidomics und Decoy-Oligonukleotid-Technologie,<br />
die nachfolgend von dem Unternehmen<br />
Avontec vorgestellt wird.<br />
Obwohl der Einsatz der „Target-Validierung“ als alleinige Basis<br />
für ein funktionierendes Geschäftsmodell (ohne eigene<br />
Produktentwicklung) nach einigen Insolvenzen in diesem<br />
Bereich in Frage gestellt werden kann, gibt es hier auch sehr<br />
viel versprechende Ansätze wie zum Beispiel von der<br />
Münchener Xantos Biomedicine, der im Folgenden ebenfalls<br />
vorgestellt wird.<br />
Kombinatorik 4 %<br />
Screening/Assays 17 %<br />
Modellorganismen 3 %<br />
Antikörper 2 %<br />
Anderes 11 %<br />
Genomics 20 %<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
17
Prof. Dr. Heiko von der Leyen, CSO AVONTEC GmbH,<br />
Göttingen/München<br />
Decoy-Oligonukleotid-Technologie als Plattform für<br />
neue Produkte<br />
Von den 25.000–30.000 Genen des humanen Genoms kodieren einige Tausend für<br />
spezifische Transkriptionsfaktoren, die physiologisch die Kontrolle über Entwicklung und<br />
Differenzierung des Körpers haben. Wenn Transkriptionsfaktoren zum falschen Zeitpunkt<br />
aktiviert werden, resultiert eine pathologische Genexpression mit entsprechendem<br />
Krankheitsgeschehen.<br />
Transkriptionsfaktoren sind Proteine, die im Zellkern, aber auch im Zytosol einer Zelle als<br />
negative oder positive Regulatoren die Expression bestimmter Gene beeinflussen. Diese<br />
regulatorischen Proteine binden mit hoher Selektivität im Steuerungsbereich (Promoter)<br />
des betreffenden Gens an spezifische Erkennungssequenzen ihrer Ziel-DNA. Die<br />
Bindungssequenzen sind in der Regel 6–20 Basenpaare lang. Obwohl die Interaktion<br />
zwischen Protein (Transkriptionsfaktor) und DNA (Zielgen) sequenzspezifisch ist, kann<br />
sich auf unterschiedlichen Genen das Bindungsmotiv für einen bestimmten Transkriptionsfaktor<br />
durchaus um einige Basenpaare unterscheiden. Es kann<br />
aber in der Regel ein gemeinsames zentrales Bindungsmotiv<br />
(„consensus binding site“) identifiziert werden. Die hohe Bindungsselektivität<br />
bildet einen hochinteressanten Ansatzpunkt für das<br />
Design und die Entwicklung von sequenzspezifischen Liganden für<br />
DNA-Bindungsproteine (Transkriptionsfaktoren). Solche „künstlichen“<br />
Liganden stellen einen hochwirksamen Ansatz zur (gesteuerten)<br />
Regulation von Genexpression dar. Dieser neue pharmakologische<br />
Wirkungsmechanismus ist Grundlage der Produktentwicklung der<br />
AVONTEC GmbH und benutzt kurze doppelsträngige DNA-Moleküle<br />
(„Decoy“-Oligonukleotide), die die Bindungssequenz von bestimmten<br />
Transkriptionsfaktoren auf der genomischen DNA nachahmen. Durch<br />
die kompetitive Bindung des Transkriptionsfaktors an die künstlichen<br />
DNA-Bindungsstellen (engl. „decoy“ = „Falle“) wird der Transkriptionsfaktor „weggefangen“<br />
und die Aktivierung bzw. Deaktivierung des Zielgens unterbunden.<br />
Im Gegensatz zu den von AVONTEC entwickelten doppelsträngigen „Decoy“-Oligonukleotiden<br />
zeigen andere Substanzen auf der Basis von Nukleinsäuren, wie z. B. Antisense-<br />
oder RNAi-Oligonukleotide, ohne unterstützende chemische (z. B. Liposomen)<br />
oder physikalische Maßnahmen nur eine schwache zelluläre Aufnahme. Für die doppelsträngigen<br />
„Decoy“-Oligonukleotide hat AVONTEC kürzlich einen neuen Aufnahmemechanismus<br />
identifiziert, der auch pharmakologisch beeinflusst werden kann.<br />
Dieser „carrier“-abhängige Transport wird durch ein Membranprotein ermöglicht,<br />
welches die aktive Aufnahme des Decoy-Oligonukleotids (z. B. in humane Endothelzellen)<br />
durch einen ionenabhängigen Transportmechanismus ermöglicht.<br />
T ECHNOLOGIEN, PLATTFORMEN & NEUE F ORSCHUNGSANSÄTZE<br />
Einzelsträngige RNA/DNA antisense-Oligonukleotide hybridisieren mit der Ziel-mRNA,<br />
wodurch es in der Folge zu einer Degradierung der Ziel-mRNA und Hemmung der Translation<br />
zum Protein kommt. Doppelsträngige RNAi-Oligonukleotide rufen einen ähnlichen<br />
Effekt hervor, wirken aber durch einen anderen Mechanismus. RNAi-Oligonukleotide<br />
triggern eine zelluläre Abwehr, die zum selektiven enzymatischen Abbau der Ziel-mRNA<br />
führt. Im Gegensatz zu Antisense-Oligonukleotiden scheinen RNAi-Oligonukleotide einen<br />
sich selbst verstärkenden Mechanismus zu haben, der zu einer Wirkungsverlängerung<br />
führen könnte.<br />
Unter Ausnutzung der oben beschriebenen „Decoy-Technologie“ legt die AVONTEC<br />
GmbH den Schwerpunkt auf die Entwicklung neuartiger antiinflammatorischer Substanzen<br />
zur Behandlung von chronischen Entzündungskrankheiten, für die der dringende<br />
Bedarf nach sicheren und wirksamen Medikamenten besteht. Schwerpunktmäßig<br />
entwickelt AVONTEC derzeit lokal applizierbare Produkte gegen Krankheiten des<br />
respiratorischen Systems und der Haut. Innerhalb von 18 Monaten hat AVONTEC in den<br />
Indikationen „Allergisches Asthma“ und „Psoriasis“ zwei Produkte in die klinische<br />
Prüfung (Phase IIa) geführt, drei weitere Produkte (Rheuma, Transplantation, Restenose)<br />
befinden sich in der präklinischen Entwicklung. AVONTEC hat im Mai 2003 mit der Fa.<br />
Biotronik, Berlin, eine Zusammenarbeit zur Entwicklung<br />
eines mit Decoy-Oligonukleotidbeschichteten Stents<br />
neuerer Generation vereinbart, mit dem die Restenose<br />
nach Stentimplantation wirksam und nebenwirkungsfrei<br />
behandelt werden soll. AVONTEC ist neben der<br />
Ausweitung des Indikationsspektrums vorrangig mit der<br />
klinischen Prüfung der Transkriptionsfaktor-Wirkstoffe<br />
beschäftigt. Indikationsschwerpunkte der klinischen<br />
Entwicklung sind zur Zeit chronische Entzündungserkrankungen<br />
wie Asthma und Schuppenflechte.<br />
Die AVONTEC GmbH wurde 2001 von Prof. Dr. Gerd<br />
Hasenfuß, Zentrum Innere Medizin, Abteilung Kardiologie<br />
und Pneumologie, und Prof. Dr. Markus Hecker, Abteilung Herz- und Kreislaufphysiologie,<br />
der Georg-August-Universität Göttingen, gegründet. Ziel der Gründung war<br />
die präklinische und klinische Weiterentwicklung der von den Gründern entwickelten<br />
Decoy-Oligonukleotid-Technologie. Im August 2002 wurde die erste Finanzierungsrunde<br />
geschlossen (DVC Deutsche Venture Capital, Mediport Venture GmbH, Innovations-<br />
Capital Göttingen, UBG Göttingen Hildesheim mbH und tbg). Die AVONTEC war 2.<br />
Preisträger des Businessplan-Wettbewerbs der Universität Göttingen. Im Juni 2003<br />
erhielt die AVONTEC GmbH den deutschen Gründerpreis in der Kategorie „Konzept“.<br />
www.avontec.de<br />
18 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Prof. Peter Buckel, Mitgründer und Vorsitzender des<br />
wissenschaftlichen Beirats, und Stephan Wehselau,<br />
CEO Xantos Biomedicine AG, München<br />
Industrialisierte Target-Validierung<br />
In Erwartung der „Entschlüsselung“ des menschlichen Genoms wurde Ende des letzten<br />
und zu Beginn des neuen Jahrhunderts bevorzugt in Genomforschung investiert. Venture-<br />
Capital-Firmen engagierten sich zunehmend in genomorientierten Technologie-<br />
Unternehmen. Solche Investitionen wurden zum Teil mit phantastischen Börsengängen<br />
belohnt, auch wenn in den meisten Fällen noch keine vermarktbaren Produkte sichtbar<br />
waren. Pharmafirmen gingen Partnerschaften in Höhe dreistelliger Millionenbeträge ein,<br />
um noch rechtzeitig von den Ergebnissen profitieren zu können.<br />
Diese Erwartung in die schnelle Entwicklung „genomischer Blockbuster“ konnte nicht<br />
immer erfüllt werden und hat inzwischen zu einer Technologieenttäuschung und zu einer<br />
Fokussierung der Kooperationsaktivitäten der Pharmafirmen auf<br />
klinische Produkte geführt. Jedoch kristallisiert sich nun immer mehr<br />
die Rollenverteilung der Akteure entlang der Arzneimittel-Wertschöpfungskette<br />
heraus:<br />
Aufgrund der langen Entwicklungswege von der Targetdiscovery bis<br />
zur Klinik wird der akademischen Forschung eine zunehmende Rolle<br />
bei der Aufklärung von Krankheitsmechanismen und der Targetidentifizierung<br />
zukommen, möglicherweise bis hin zur Entwicklung von<br />
frühen Leitstrukturen. Die Pharmaindustrie wird sich dagegen auf<br />
Grund ihrer globalen Infrastruktur und finanziellen Leistungsfähigkeit<br />
immer mehr auf die klinische Entwicklung und Vermarktung<br />
fokussieren.<br />
Zwischen Targetidentifizierung und global angelegten klinischen Studien liegen jedoch<br />
Leitstruktur-Suche und -Optimierung, präklinische Forschung und der Wirksamkeitsnachweis<br />
im Menschen. Diese Bereiche der Targetvalidierung decken einen hohen<br />
Wertschöpfungsgrad in einem planbaren Zeithorizont ab. Hier können sich viele Spieler<br />
mit spezifischer Kompetenz in Indikationsbereichen und (Nischen-)Märkten positionieren.<br />
Definierte Segmente der Targetvalidierung und Entwicklung bis zur klinischen<br />
Phase I/II werden in Zukunft vermehrt die Domäne der frühen Biotech-Firmen sein, die<br />
sich aktiv an der Arzneimittelentwicklung beteiligen. Schon heute ist sichtbar, dass sich<br />
viele Biotech-Unternehmen, auch solche die mit Targetdiscovery-Plattformen begonnen<br />
haben, vor allem auf die präklinsche und klinische Entwicklung konzentrieren, sobald<br />
Produktkandidaten verfügbar sind. Dennoch ist das Verständnis von Krankheitsmechanismen<br />
essentiell, um geeignete Leitstrukturen zur Wirkstoffentwicklung auswählen zu<br />
können. Diese notwendige Grundlage der Aufklärung komplexer biologischer Prozesse<br />
erfordert immer mehr genomweite Ansätze, die nur mit industrialisierten Versuchsanordnungen<br />
erreichbar sind.<br />
Wie wurden nun die wissenschaftliche Notwendigkeit der Aufklärung komplexer biologischer<br />
Prozesse und das hohe Potential industrialisierter Technologieplattformen mit<br />
den Geschäftszielen einer Biotech-Firma zusammengebracht?<br />
Die Gründung der Xantos Biomedicine AG basierte auf einer Idee aus dem akademischen<br />
Umfeld zum Aufbau einer industriellen Technologieplattform. Eine Firmengründung<br />
erschien angebracht, weil die Industrialisierung dieses genomweiten Ansatzes<br />
in einer akademischen Forschungsgruppe finanziell nicht möglich war und auch von den<br />
notwendigen standardisierten Routineabläufen nicht in das Selbstverständnis<br />
akademischer Grundlagenforschung passte. Die Technologie von Xantos ermöglicht es,<br />
praktisch jede Genfunktion in geeigneten Zellsystemen zu testen, um krankheitsrelevante<br />
Gene zu erkennen.<br />
Für die eigene Produktentwicklung fokussiert sich Xantos auf neue therapeutische<br />
Proteine oder Targets für Antikörper in den Bereichen Onkologie und Diabetes/Obesity.<br />
Solche Produkte können erfahrungsgemäß rascher in die klinische Entwicklung gebracht<br />
werden als chemische Arzneimittel. Die mittels der eigenen Technologie entdeckten<br />
neuen Wirkstoffkandidaten werden in spezifischen<br />
Indikationsfeldern bis zur klinischen Phase I/II entwickelt<br />
und dann zusammen mit Pharmafirmen bis zur Produktreife<br />
gebracht. Die Technologieplattform dient der Kooperation<br />
mit der Pharmaindustrie, steht aber vor allem<br />
akademischen Gruppen (mit Fördermittelfinanzierung)<br />
zur Verfügung, die bereits geeignete Zell- und Testsysteme<br />
haben, um rasch zu neuen Produktkandidaten<br />
zu kommen. Die Validierung und Weiterentwicklung der<br />
identifizierten Targets wird gemeinsam in Abstimmung<br />
mit dem akademischen Partner durchgeführt. Dieser<br />
verfolgt dann mehr das wissenschaftliche und Xantos<br />
das wirtschaftliche Potential.<br />
Zudem wird die Nutzung der Technologieplattform zur<br />
Identifikation und Validierung von Wirkstoffkandidaten und deren Targets auch auf einer<br />
„Fee-for-Service“-Basis angeboten. Hier bietet Xantos Möglichkeiten zum Auffinden<br />
neuer Interaktionspartner oder Signalwege für neue oder für bereits vorhandene oder in<br />
Entwicklung befindliche Arzneimittel mit bislang unbekannten Zielmolekülen. Dass<br />
Nachfrage nach derartigen Angeboten besteht, wurde durch eine im Dezember 2003<br />
geschlossene Vereinbarung mit der Roche Pharma Research in Penzberg bestätigt.<br />
Diese sieht die Identifizierung von Targets für einen Wirkstoff gegen Krebserkrankungen<br />
vor.<br />
So erlaubt das Geschäftsmodell von Xantos eine geeignete Positionierung innerhalb der<br />
Wertschöpfungskette der Arzneimittelentwicklung unter gleichzeitiger Nutzung der<br />
Technologieplattform für Produktinnovationen zum Füllen der Entwicklungspipeline.<br />
www.xantos.de<br />
19
Kombinatorik<br />
Ursprünglich aus der Chemie stammend, spielen kombinatorische<br />
Ansätze zunehmend auch in der modernen Biotechnologie<br />
eine wichtige Rolle. Kombinatorik umfasst Methoden,<br />
die es ermöglichen, über zufälliges Zusammenfügen und Kombinieren<br />
von Molekülen zu neuen Wirkstoffen und anderen<br />
gewünschten Substanzen zu gelangen.<br />
Von daher werden Firmen, die diese Technologie einsetzen, in<br />
dieser Studie als wichtiger Bestandteil der Industrie ebenfalls zu<br />
den Core-Biotech-Unternehmen gezählt.<br />
Ausgewählte Firmen, die Kombinatorik einsetzen<br />
4SC AG, München<br />
verfügt über eine virtuelle, computerbasierte Datenbank von<br />
vorhandenen Molekülen sowie über virtuelle, kombinatorische<br />
Bibliotheken auf deren Basis bei Bedarf interessante<br />
chemische Strukturen mit kombinatorischen und parallelen<br />
Synthesetechniken hergestellt werden können. Diese Technologie<br />
ermöglicht eine signifikant schnellere Wirkstofffindung.<br />
Alantos Pharmaceuticals AG, Heidelberg<br />
verfolgt einen neuartigen Ansatz in der Wirkstoffforschung<br />
namens TACE, der kombinatorische Synthese und Screening<br />
in einem Schritt vereint und somit Geschwindigkeit und<br />
Effizienz in der Wirkstoffforschung erhöht.<br />
EMC microcollections GmbH, Tübingen<br />
hat sich unter anderem auf die Auftragssynthese von kombinatorischen<br />
Molekülen für die Entwicklung von Leitstrukturen<br />
spezialisiert und bietet dabei eine beachtliche Sammlung<br />
von neuen und komplexen Strukturen an.<br />
Graffinity Pharmaceuticals AG, Heidelberg<br />
stellt mit Hilfe der kombinatorischen Chemie Bibliotheken<br />
für ihre chemischen Microarrays her, die zur Informationsgewinnung<br />
über Proteinfamilien zu einem sehr frühen<br />
Zeitpunkt vor einer funktionalen Validierung zum Einsatz<br />
kommen.<br />
T ECHNOLOGIEN, PLATTFORMEN & NEUE F ORSCHUNGSANSÄTZE<br />
In der Regel steht der Begriff Kombinatorik für chemische<br />
Syntheseverfahren, bei denen die Reaktion von chemischen<br />
Bausteinen in allen möglichen Kombinationen zu einer großen<br />
Zahl von neuen Molekülen führt. Dadurch entsteht eine Art<br />
„Bibliothek“ von Substanzen mit möglichst verschiedenen<br />
Eigenschaften, die dann in der Hochdurchsatzanalyse für eine<br />
Vielzahl unterschiedlicher biologischer Zielmoleküle Wechselwirkungs-Partner<br />
anbieten können. Letztlich ist damit das<br />
schnelle Auffinden neuer therapeutischer Wirkstoffe möglich.<br />
Kombinatorische Ansätze werden jedoch zunehmend auch mit<br />
biologischen Molekülen wie Peptiden, Enzymen, Antikörpern<br />
und Naturstoffen durchgeführt, um hier ebenfalls Bibliotheken<br />
mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Molekülen mit potenziell<br />
therapeutischer Wirkung aufzubauen.<br />
Jerini AG, Berlin<br />
nutzt die kombinatorische Synthese von Peptiden im Rahmen<br />
der so genannten SPOT-Technologie zur Herstellung von<br />
Molekülbibliotheken mit denen anschließend im Hochdurchsatz<br />
Interaktionspartner für wichtige Zielmoleküle (Targets)<br />
zur Medikamentenentwicklung identifiziert und näher<br />
charakterisiert werden können.<br />
Morphochem AG, München<br />
nutzt ihre so genannte „Multi-component reaction (MCR)“-<br />
Plattform in Verbindung mit Expertise in Medizinalchemie<br />
zur Optimierung und Synthese von neuartigen Leitstrukturen.<br />
MorphoSys AG, München<br />
verfügt über die kombinatorische HuCAL-Technologie, die<br />
ein einzigartiges und neuartiges Konzept für die In-vitro-<br />
Herstellung hochspezifischer, vollständig humaner Antikörper<br />
darstellt.<br />
Selecore GmbH, Göttingen<br />
erzeugt kombinatorische Bibliotheken aus Varianten natürlich<br />
vorkommender so genannter „Microproteine“, die später nach<br />
evolutionärer Optimierung Anwendung als innovative<br />
Therapeutika finden können.<br />
WonDrug Biosciences GmbH, Marburg<br />
erweitert natürlich vorkommende Substanzen mittels kombinatorischer<br />
Synthese, um Varianten mit veränderten Wirkeigenschaften<br />
zu finden.<br />
20 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Dr. Rolf Zettl, CEO Combinature Biopharm AG, Berlin<br />
Kombinatorische Biosynthese eröffnet neue Wege in<br />
der Naturstoffforschung<br />
Die chemische Komplexität von Naturstoffen und die daraus resultierenden Limitationen<br />
im Bezug auf deren chemische Veränderbarkeit hat in der Vergangenheit häufig dazu<br />
geführt, dass viel versprechende Wirkstoff-Entwicklungskandidaten nicht zu entsprechenden<br />
Medikamenten weiterentwickelt werden konnten. Die hiermit verbundenen<br />
Frustrationen sind ein wesentlicher Grund für die Zurückhaltung großer Pharmaunternehmen<br />
gegenüber naturstoffbasierter Wirkstoffforschung.<br />
Möglichkeiten, mit Hilfe von Enzymen und Manipulationen am genetischen Bauplan der<br />
Naturstoffe (zusammengefasst unter dem Begriff „kombinatorische Biosynthese“) diese<br />
zielgerichtet zu verändern, eröffnen nun einen neuen, innovativen Zugang zur Naturstoffforschung.<br />
Dazu hat Combinature Biopharm seit der Gründung im Jahr 2000 kontinuierlich<br />
eine leistungsstarke Technologieplattform aufgebaut, deren zentrales<br />
Element eine umfangreiche Sammlung von Enzymen bzw. Enzyme kodierenden Genen<br />
darstellt. Das Unternehmen setzt diese Technologieplattform ein, um<br />
chemisch komplexe Wirkstoffe, Entwicklungskandidaten oder auch<br />
auf dem Markt befindliche Medikamente zu verändern, insbesondere<br />
im Hinblick auf verbesserte Wirksamkeit, verbesserte physikochemische<br />
Eigenschaften (Löslichkeit, Aufnahme etc.) oder verringerte<br />
Nebenwirkungen. Combinatures Technologieplattform ist<br />
immer dann von besonderem Vorteil, wenn chemisch nicht oder nur<br />
mit großem Aufwand zu modifizierende Substanzen bearbeitet<br />
werden sollen, was insbesondere bei Naturstoffen häufig der Fall ist.<br />
Somit eröffnet Combinatures kombinatorische-Biosynthese-<br />
Technologieplattform einen Weg, das gewaltige Potenzial von<br />
Naturstoffen für die Pharmaproduktentwicklung effizient zu erschließen.<br />
Neben der zielgerichteten Modifikation bestimmter<br />
Naturstoffe ermöglicht der Einsatz der kombinatorischen Biosynthese aber auch die<br />
Herstellung gänzlich neuartiger, so genannter „unnatürlicher Naturstoffe“, die den von<br />
der Natur vorgegebenen strukturellen Diversitätsraum nochmals vergrößern. Diese<br />
strukturelle Vielfalt ist für die Zusammenstellung von Substanz-Screeningbibliotheken<br />
von hoher Bedeutung und daher für Pharmaunternehmen von besonderem Interesse.<br />
Erst kürzlich konnte mit der Schering AG erneut ein bedeutendes Pharmaunternehmen<br />
als Projektpartner und Kunde gewonnen werden. Auch in diesem Projekt wird mit Hilfe<br />
der kombinatorischen Biosynthese eine Substanz bearbeitet, die nach bestimmten<br />
Modifikationen direkt in die präklinische Forschung überführt werden soll. Aufgrund<br />
der Bedeutung des Beitrags von Combinature in diesem gemeinsamen Entwicklungs-<br />
projekt konnten neben Zahlungen für Combinatures F&E-Aufwendungen auch Meilensteinzahlungen<br />
und Royalties vereinbart werden. So ist sichergestellt, dass Combinature<br />
im Falle der erfolgreichen Entwicklung der bearbeiteten Substanz auch am wirtschaftlichen<br />
Potenzial in angemessener Weise beteiligt ist. Somit enthält Combinatures<br />
Business Model von Beginn der Unternehmensentwicklung an das Konzept der Nutzung<br />
dieser einzigartigen Technologieplattform auch für Projekte mit Partnerunternehmen.<br />
Ein unter Kommerzialisierungsaspekten entscheidender Vorteil der Technologieplattform<br />
ist hier nun die breite Nutzbarkeit auch über den Pharmabereich hinaus.<br />
So konnten bereits früh mit Degussa, DSM und Novozymes Partner für gemeinsame<br />
Projekte gefunden werden, die in den Marktsegmenten „technische Enzyme, Pharma-<br />
Intermediate“ und „Feinchemie“ anzusiedeln sind. Diese Projekte beinhalteten die<br />
Auffindung und Bereitstellung bestimmter Enzyme, wobei Combinature stets darauf<br />
achtete, dass die im Rahmen der Projekte neu gefundenen Enzyme auch nach Abschluss<br />
der Projekte für Combinature und weitere Projekte nutzbar bleiben. Im Rahmen der<br />
Projekte entstanden somit, finanziert durch die Partner-Unternehmen, aber auch<br />
gefördert durch ein BioChance-Projekt des BMBF, „werthaltige biologische Zwischenprodukte<br />
– assets“, die nun in zukünftigen Projekten<br />
eingesetzt werden können.<br />
Trotz der im Pharmageschäft zu erzielenden attraktiveren<br />
Vertragskonstruktionen ist das Enzymgeschäft in<br />
keiner Weise zu vernachlässigen. Der Bedarf an enantiomerenreinen<br />
Wirkstoffen wächst und viele Pharmafirmen<br />
verstärken ihre Biokatalyse und Biotransformationskapazitäten.<br />
Aus diesen Bedürfnissen entwickelt<br />
sich auch ein zunehmendes Bestreben nach Enzym-<br />
Discovery-Projekten oder ein konkreter Bedarf nach<br />
bereits existierenden Enzymsammlungen, welcher von<br />
Combinature gedeckt werden kann.<br />
Neben den beschriebenen „Co-Development“-Projekten werden aber auch interne Projekte<br />
vorangetrieben. Schwerpunkt der eigenen Produktenwicklung sind Naturstoff-Substanzen<br />
mit antiinfektiver Wirkung, die bei geeigneter Wirksamkeit in die Präklinik überführt<br />
und anschließend auslizenziert werden. Zusammengefasst ist es Combinature<br />
gelungen, eine einzigartige Technologieplattform zu entwickeln und für Wirkstoff-Optimierungsprojekte<br />
zum Einsatz zu bringen und gleichzeitig das zentrale Element der<br />
Technologieplattform, nämlich die Enzymsammlung, separat zu kommerzialisieren.<br />
Durch Kooperationsprojekte wurden gleichermaßen Werte geschaffen und Umsatz<br />
generiert. Mittels dieser Strategie kann eine Unabhängigkeit vom VC-Markt durchaus<br />
erreicht werden, was vielen reinen „Produkt-Unternehmen“ in der Phase der Produktentwicklung<br />
verwehrt ist.<br />
www.combinature.com<br />
21
Systembiologie<br />
Ziel der Systembiologie ist es, aus der Kenntnis aller molekularen<br />
Bestandteile eines biologischen Systems ein Verständnis<br />
für den Gesamtorganismus zu entwickeln. Sie gehört zu den<br />
ambitionierten Forschungsgebieten, die aus den Ergebnissen<br />
des Humangenomprojekts erwachsen sind. Wurden über lange<br />
Jahre mittels Genomics, Proteomics sowie weiterer „omics“-<br />
Technologien die einzelnen Moleküle der Zelle intensiv<br />
erforscht, stellte sich anschließend die Herausforderung, die<br />
Resultate in einen Gesamtzusammenhang zu bringen, um die<br />
Funktion und Bedeutungsweise der einzelnen Moleküle im<br />
Gesamtorganismus vollständig zu verstehen.<br />
In der Systembiologie, die das umfangreiche Datenmaterial<br />
über biologische Systeme virtuell zu einem Gesamtbild modelliert,<br />
werden mittels computergestützter Modelle Untersuchungen<br />
zur Gesamtfunktion der Zelle durchgeführt. Dabei werden<br />
Methoden aus der Biologie, der Mathematik, den Systemwissenschaften,<br />
der Informatik und den Ingenieurwissenschaften<br />
eng ver-<br />
zahnt. Aber erst<br />
durch die weitere<br />
Entwicklung von<br />
Computern mit<br />
enormer Rechnerkapazität<br />
konnte<br />
dieses Ziel letztlich<br />
verwirklicht<br />
werden. Im Fokus<br />
steht die Schaf-<br />
Technologie<br />
erste<br />
Generation<br />
fung virtueller Zellen, die funktionelle Zusammenhänge der<br />
einzelnen Zellkomponenten bis auf die molekulare Ebene<br />
abbilden und Reaktionen auf äußere Einflüsse simulieren und<br />
vorhersagen können.<br />
Bereits 1999 wurde in Seattle das erste Institut für Systembiologie<br />
gegründet. Mit der Gründung dieses Instituts begann in<br />
den USA eine ganze Welle ähnlicher Projekte und Dutzende<br />
von Universitäten und Biotech-Firmen riefen in der Folge interdisziplinäre<br />
Programme mit systembiologischen Inhalten ins<br />
Leben. Dabei genießt das Institut für Systembiologie in Seattle<br />
immer noch den besten Ruf und hat ein Netzwerk mit führenden<br />
Wissenschaftlern gegründet, dessen Ziel es ist, viele der hoch<br />
automatisierten Arbeitsabläufe der Systembiologie auf einem<br />
Silizium-Chip von nur einem Quadratzentimeter Größe<br />
unterzubringen. Entschlüsselt ist bereits der Hefe-Stoffwechsel.<br />
T ECHNOLOGIEN, PLATTFORMEN & NEUE F ORSCHUNGSANSÄTZE<br />
dritte<br />
Generation<br />
heute<br />
zweite<br />
Generation<br />
Quelle: www.insilico-biotechnology.com<br />
Auch in Deutschland wurde das Potenzial der Systembiologie<br />
bereits erkannt. So steht im Mittelpunkt einer BMBF-Förderaktivität<br />
zur Systembiologie, die im Januar 2004 gestartet<br />
wurde, das Modellsystem „Leber“ mit Fokus auf den Hepatozyten.<br />
Die Auswahl dieses Modells erfolgte auf Grund seiner<br />
zentralen Funktion im Organismus höherer Lebewesen und den<br />
sich daraus unmittelbar ableitenden Applikationsmöglichkeiten<br />
für Medizin, Pharmaforschung und andere Bereiche.<br />
Gefördert wird ein Netzwerk von Projektverbünden: In<br />
Stuttgart beschäftigen sich verschiedene Arbeitsgruppen mit<br />
dem hepatischen Metabolismus und insbesondere Entgiftungsprozessen<br />
der Leber. In Freiburg und Heidelberg liegt der Fokus<br />
auf den molekularen Mechanismen der Leber-Regeneration.<br />
Eine Gruppe von Forschern aus Aachen widmet sich der<br />
Erforschung von Membrantransport und Rezeptorinternalisierung<br />
bei Hepatozyten. Sämtliche Projektverbünde sollen in<br />
Zukunft durch die Leipziger „Plattform Zellbiologie“ mit Invitro-Systemen<br />
von Hepatozyten versorgt werden.<br />
Der gesamte Verbund „Systembiologie“ soll in den nächsten<br />
drei Jahren mit ca. 14 Millionen €<br />
gefördert werden.<br />
Und auch die Industrie beschäftigt sich<br />
bereits mit der Systembiologie: So misst<br />
Boehringer Ingelheim der rechnergestützten<br />
Analyse von intrazellulären<br />
Signal-, Stoffwechsel- und Genregulationsvorgängen<br />
Bedeutung für die Wirkstoffforschung<br />
zu. Um die Chancen der<br />
Zeit systembiologischen Analyse komplexer<br />
Netzwerke zu nutzen, setzt Boehringer<br />
auf eine Kooperation mit der Stuttgarter Biotech-Firma Insilico<br />
biotechnology.<br />
Dabei wird Insilico am Computer ein in silico-Modell einer<br />
kompletten Säugerzelle erstellen, das auch In-vivo-Daten aus<br />
gemeinsam mit Boehringer durchgeführten Experimenten integrieren<br />
kann. Die Ergebnisse werden dann sowohl für diagnostische<br />
Zwecke als auch bei der Entwicklung rationaler Metabolic-Engineering-Strategien<br />
eingesetzt. Dem Biotech-Unternehmen<br />
fließen über die Kooperation einmalige sowie weitere,<br />
erfolgsabhängige Zahlungen in nicht genannter Höhe zu.<br />
Systembiologie<br />
„-omics”-Technologien<br />
klassische Biotechnologien<br />
22 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
2.2 Produkte in der Biotechnologie<br />
Das vergangene Jahr hat im Bereich der Produktentwicklung<br />
einen deutlichen Fortschritt gebracht. Dennoch steht ein Marktdurchbruch<br />
von Wirkstoffen, die von deutschen Core-Biotech-<br />
Firmen entwickelt wurden, erst noch bevor.<br />
Produkte, die sich bereits auf dem Markt befinden, umfassen<br />
vor allem Molekular- und Lebensmitteldiagnostika, Tissue-<br />
Engineering-Produkte, Biochips, Enzyme sowie Bioinformatik-<br />
Lösungen. Darüber hinaus werden Dienstleistungen in verschiedensten<br />
Bereichen angeboten, die jedoch erst in Kapitel 3.1<br />
betrachtet werden.<br />
Die unten stehende Abbildung zeigt im Überblick die am<br />
stärksten vertretenen Produktbereiche der Unternehmen, deren<br />
Aussagen dieser Studie zugrunde liegen. Nach wie vor steht die<br />
Entwicklung von biopharmazeutischen Therapeutika im<br />
Vordergrund.<br />
Abbildung 2-2:<br />
Produktbereiche der Sample-Unternehmen im Jahresvergleich<br />
Therapeutika<br />
Molekulardiagnostika<br />
Drug Delivery<br />
Tissue Engineering<br />
Feinchemikalien<br />
Lebensmittel (inkl. Diagnostik)<br />
Bioinformatik<br />
transgene Pflanzen<br />
4<br />
3<br />
4<br />
5<br />
5<br />
3<br />
8<br />
7<br />
8<br />
6<br />
6<br />
9<br />
Anzahl der Firmen in % (Mehrfachnennungen möglich)<br />
Ungefähr die Hälfte der befragten deutschen Core-Biotech-<br />
Firmen konzentriert sich auf diesen Teilbereich der „roten“<br />
Biotechnologie. Im Jahresvergleich hat jedoch der Anteil an<br />
Firmen, die Therapeutika entwickeln, leicht abgenommen. Dies<br />
ist vermutlich auf die derzeit angespannte Finanzierungssituation<br />
zurückzuführen, die dazu geführt hat, dass sich einige<br />
Firmen aus diesem Bereich (vorerst) zurückgezogen haben, um<br />
Ressourcen zu strecken. Zudem sind einige Produktentwickler<br />
im letzten Jahr insolvent geworden.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt liegt bei den Molekulardiagnostika.<br />
Der Anteil an Sample-Firmen, die sich damit beschäftigen, hat<br />
im Jahresvergleich ebenfalls abgenommen. Hier schlagen vermutlich<br />
auch einige der Insolvenzen zu Buche.<br />
Unter Berücksichtigung weiterer Felder der „roten“ Biotechnologie<br />
– Drug-Delivery-Systeme und Tissue Engineering – ist<br />
somit der überwiegende Teil der deutschen Core-Biotech-<br />
Firmen in diesem Segment beschäftigt.<br />
28<br />
2002<br />
2003<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60<br />
30<br />
52<br />
56<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
23
Wirkstoffentwicklung<br />
P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />
Während im Jahr 2002 die Anzahl an Wirkstoffen in der<br />
Entwicklungspipeline der deutschen Core-Biotech-Unternehmen<br />
in den meisten Phasen eher rückläufig war, so ist für das vergangene<br />
Jahr ein deutlicher Fortschritt zu erkennen.<br />
Abbildung 2-3:<br />
Wirkstoff-Entwicklungspipeline der Sample-Unternehmen nach Phase<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
69<br />
122 117<br />
Präklinik<br />
133<br />
11<br />
27 34<br />
Phase I<br />
Die Anzahl an Projekten in der Präklinik ist stark gestiegen.<br />
Wenn auch die Zunahme in Phase I und II nicht entsprechend<br />
kräftig ausfällt, so wird doch sehr deutlich, dass sich in der<br />
deutschen Core-Biotech-Industrie mittlerweile eine „Pipeline“<br />
aufbaut.<br />
Ein sehr positives Ereignis für die ganze deutsche Branche war<br />
hierbei der Zulassungsbescheid für die Münchener MediGene<br />
im Dezember für ihr Krebsmedikament Leuprogel ® , das in<br />
diesem Jahr zusammen mit dem japanischen Partner Yamanouchi<br />
unter dem neuen Namen Eligard ® in Deutschland auf den Markt<br />
gebracht wird.<br />
Kurz vor der Zulassungsphase steht die LipoNova aus<br />
Hannover, die laut einer Meldung von Anfang diesen Jahres als<br />
erstes Unternehmen in Europa den Antrag auf europaweite Zulassung<br />
eines autologen Tumorimpfstoffs gegen Nierenkrebserkrankungen<br />
bei der Europäischen Zulassungsbehörde<br />
(EMEA) gestellt hat. Experten betonen den Pioniercharakter<br />
des Antrags in Europa, da hierdurch erstmals Rahmenbedingungen<br />
für die Zulassung, Vermarktung und rechtliche<br />
Bewertung von Tumorimpfstoffen geschaffen werden.<br />
Zur finanziellen Absicherung des Zulassungsprozesses hatte<br />
LipoNova bereits im April 2003 eine zweite Finanzierungs-<br />
38<br />
15<br />
27 22 26<br />
Phase II<br />
runde mit der SHS Gesellschaft für Beteiligungsmanagement<br />
mit Sitz in Tübingen und Leipzig abgeschlossen. Zudem konnte<br />
die Firma Anfang des Jahres vermelden, dass sie mit dem<br />
international agierenden Pharmaunternehmen STADA ein<br />
strategisches Bündnis geschlossen und damit die Weichen für die<br />
europaweite Markteinführung des neuen Tumorimpfstoffes<br />
gestellt hat, dessen<br />
Phase III<br />
Zulassung für das<br />
zweite Halbjahr 2004<br />
erwartet wird.<br />
Bei den Phase-III-<br />
Produkten hat sich<br />
im Jahresvergleich<br />
nur eine Änderung<br />
ergeben: GPC Biotech<br />
erhielt im September<br />
die Freigabe<br />
der FDA für den<br />
Beginn der Phase-<br />
III-Studie für das<br />
Anti-Krebsmedikament<br />
Satraplatin.<br />
Ein sehr deutlicher<br />
Sprung ist dagegen<br />
bei den Wirkstoffen in Phase II zu verzeichnen, obwohl hier<br />
einige Produkte zunächst aus der Statistik genommen werden<br />
mussten, da die entwickelnde Firma (Zentaris) von einem<br />
ausländischen Unternehmen übernommen wurde. Zudem<br />
wurde die weitere Entwicklung des in Phase I/II befindlichen<br />
G207-Projekts von MediGene aus Kostengründen ausgesetzt.<br />
Des Weiteren gab ein anderer Therapeutika-Entwickler<br />
verschiedene Indikationen und damit Phase-II-Projekte auf.<br />
Zu den 12 deutschen Core-Biotech-Unternehmen, die bereits<br />
Wirkstoffe in Phase II entwickeln, kamen im vergangenen Jahr<br />
12 Firmen hinzu, die ein Produkt neu in die Phase II bringen<br />
konnten. So startete beispielsweise das Unternehmen Avontec nach<br />
Abschluss einer Phase-I-Studie im November 2003 noch im selben<br />
Jahr die Phase II für ihr Projekt AVT-01 gegen allergisches<br />
Asthma. Mittlerweile hat auch ein zweites Produkt, AVT-02 zur<br />
Therapie von Psoriasis, die klinische Phase II erreicht.<br />
Auf Grund der Erteilung des „Orphan-Drug-Status“ durch die<br />
FDA war es der Münchener CellControl Biomedical Laboratories<br />
möglich, eine beschleunigte Produktentwicklung für ihren Wirkstoff<br />
ACA 125 zur Behandlung epithelialer Ovarialkarzinome<br />
durchzuführen.<br />
24 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
0<br />
4 4<br />
5<br />
1999<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
0 3 1 0<br />
Zulassungs-Phase<br />
Quelle: Ernst & Young, Stand 31.12.2003
Dr. Nils Behnke, CEO CellControl Biomedical<br />
Laboratories AG, Martinsried<br />
Vorteile in der Produktentwicklung<br />
durch Orphan Drug Status<br />
Der Orphan Drug Status (ODS) ist zu deutsch die „Ausweisung von Arzneimitteln als<br />
Arzneimittel für seltene Leiden“. Er wird in der Entwicklung befindlichen Medikamenten<br />
auf Antrag durch die Zulassungsbehörden EMEA für die EU und die FDA für die USA<br />
zuerkannt. Als „seltene Leiden“ sind in der EU Erkrankungen definiert, von denen nicht<br />
mehr als 5 in 10.000 Menschen betroffen sind, also rund 200.000<br />
Fälle in der gesamten Gemeinschaft. In den USA beträgt die Obergrenze<br />
ebenfalls 200.000 erkrankte Personen.<br />
Mit dem ODS sollen besondere ökonomische Anreize für die pharmazeutische<br />
Industrie geschaffen werden, damit auch Medikamente<br />
für Erkrankungen mit nur relativ wenigen betroffenen Patienten<br />
entwickelt werden. Da in diesen „Nischenindikationen“ vornehmlich<br />
Biotech-Unternehmen tätig sind, ist dieses Thema für die Biotech-<br />
Branche von großer Bedeutung.<br />
Ein Beispiel für eine seltene Erkrankung ist das Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs),<br />
die gefährlichste gynäkologische Krebserkrankung, an<br />
der in Deutschland zwar nur 7.400 Patientinnen pro Jahr neu erkranken (Zum Vergleich:<br />
An Darmkrebs erkranken jährlich 57.000 Menschen neu.), an der aber mehr als 70 % der<br />
Erkrankten versterben. Damit besteht ein erhebliches medizinisches Interesse an der<br />
Entwicklung neuer Medikamente hierzu. Für diese Indikation wurde dem führenden<br />
Produkt der CellControl Biomedical Laboratories AG, dem Krebsmedikament ACA 125, in<br />
2003 der ODS in den USA und in der EU erteilt. Dabei konnten einige interessante<br />
Erfahrungen gesammelt werden:<br />
Zunächst einmal führt, entgegen landläufiger Meinung, die Erteilung des ODS nicht per<br />
se zu einer Beschleunigung der Produktentwicklung, auch wenn die Erteilung dieses<br />
Status häufig die Basis für eine später zugestandene beschleunigte Zulassung bildet.<br />
Darüber hinaus ist die Erteilung des ODS mit einer Reihe zusätzlicher Vorteile verbunden.<br />
Besonders attraktiv ist eine Marktexklusivität für Orphan Drugs von sieben (USA) bzw.<br />
zehn Jahren (EU) und die darin begründete Möglichkeit, gleichartige Medikamente von<br />
Wettbewerbern vom Marktzutritt in dieser Periode auszuschließen, falls diese sich nicht<br />
als erheblich effektiver erweisen. Weitere Vorteile dieses Status liegen u. a. in der<br />
Verbilligung der Zulassung, Steuervorteilen (USA), der verbesserten wissenschaftlichen<br />
Beratung durch die Zulassungsbehörden (EU) und ggf. der Bereitstellung von<br />
Forschungszuschüssen. Aufgrund dieser Vergünstigungen ist in den letzten Jahren im<br />
Bereich der biopharmazeutischen Krebsmedikamentenentwicklung die Anmeldung zum<br />
Orphan Drug in kleineren Indikationen von den Biotech-Unternehmen mit Nachdruck<br />
verfolgt worden.<br />
Der Erfolg der Orphan-Drug-Ausweisung hat allerdings für die Unternehmen in jüngerer<br />
Zeit zu einem Problem geführt – das Feld ist in einigen „populären“ Krebsindikationen<br />
mittlerweile sehr eng geworden, weil z. T. bereits mehrere Medikamente den ODS erhalten<br />
haben. Deswegen versuchen einerseits die Biotech-Unternehmen, so früh wie<br />
möglich neue Medikamente zum Orphan Drug anzumelden, andererseits fordert die<br />
EMEA in letzter Zeit zunehmend detailliertere Informationen, insbesondere zur klinischen<br />
Wirksamkeit der Produkte, bereits vor einer Orphan-Drug-Designation. Hier ist<br />
seitens der Unternehmen ein genaues Verständnis des Wirkmechanismus vonnöten,<br />
damit im Hinblick auf eine spätere Marktexklusivität die notwendige Abgrenzung von<br />
anderen Produkten, insbesondere solchen mit bereits<br />
erteiltem ODS, vorgenommen werden kann. Der Cell-<br />
Control Biomedical Laboratories AG ist dies für den ACA<br />
125 durch die Darlegung klinischer Daten gelungen, mit<br />
denen gegenüber Antikörpern mit funktioneller<br />
Ähnlichkeit eine klinische Überlegenheit auf Grund<br />
höherer Immunogenität und besserem Nebenwirkungsprofil<br />
dargestellt werden konnte.<br />
Wenn man bedenkt, dass insgesamt bis Ende 2003 bei<br />
der EMEA 322 Anträge auf ODS eingereicht worden sind<br />
und bereits 12 solcher Produkte in Europa vermarktet<br />
wurden, erklärt dies eine zunehmende Selektivität der<br />
EMEA bezüglich der Vergabe des ODS. Weit bedenklicher erscheint jedoch die gegenwärtige<br />
Diskussion in Europa über „exzessive“ Gewinne, die angeblich bei Pharmaunternehmen<br />
durch die „Ausnutzung“ der Orphan-Drug-Regulierung entstünden. Diese<br />
Diskussion passt zwar in das gegenwärtige Bild strikter europäischer Preisfestsetzungen,<br />
widerspricht jedoch dem Grundgedanken der Orphan-Drug-Designation: Die<br />
wirtschaftliche Attraktivität der Produktentwicklung ist doch ihr erklärtes Ziel gewesen.<br />
Sollte es hier zu preispolitisch motivierten Einschränkungen kommen, wird dies sicherlich<br />
nicht helfen, die EU im Bereich der Biotechnologie an die Spitze der internationalen<br />
Wettbewerbsfähigkeit zu bringen. Trotz dieser aktuellen Diskussion kann insgesamt kein<br />
Zweifel daran bestehen, dass die Vorteile des ODS dessen Nachteile bei weitem<br />
überwiegen.<br />
Die CellControl Biomedical Laboratories AG aus Martinsried ist dem medizinischen<br />
Fortschritt in der Krebsbehandlung verpflichtet. Ihr führendes Produkt ist der ACA 125,<br />
ein anti-idiotypischer Antikörper gegen das tumorassoziierte Antigen CA 125. Erste<br />
klinische Prüfungen haben das günstige Nebenwirkungsprofil und die hohe Wirksamkeit<br />
dieser neuen Therapieform beim Ovarialkarzinom bestätigt.<br />
Voraussichtlich im Herbst dieses Jahres wird der ACA 125 in die klinischen Phase III in<br />
Europa und den USA gehen. Bei erfolgreichem Abschluss dieser Prüfungen wird das<br />
Medikament Krebspatienten in spätestens vier Jahren zur Verfügung stehen.<br />
www.cellcontrol.de<br />
25
P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />
Auch die Regensburger Antisense Pharma hat im April vergangenen<br />
Jahres eine Phase-II-Studie gestartet, nachdem die<br />
klinischen Studien zur Phase I/II des Wirkstoffkandidaten AP<br />
12009 zur Behandlung maligner Hirntumoren erfolgreich<br />
abgeschlossen wurden. Zudem hat das Medikament sowohl in<br />
Europa als auch in den USA den „Orphan Drug Status“<br />
erhalten. Micromet’s humaner Antikörper MT 201 mit der<br />
Indikation Prostatakarzinom befindet sich nun ebenfalls in<br />
Phase II, wie auch der Wirkstoff MBT-0206 zur Behandlung<br />
von fortgeschrittenem metastasierenden Brust- und Pankreaskrebs<br />
des Unternehmens Munich Biotech.<br />
Der Berliner Jerini, die derzeit sogar gleich zwei Wirkstoffe in<br />
Phase II prüft, wurde im vergangenen Jahr ebenfalls von der<br />
FDA der „Orphan Drug Status“ für den Kandidaten Icatibant<br />
zur Behandlung des Angioödems zugesprochen. Bei der Paion<br />
aus Aachen wird bereits ein Protokoll für eine Phase-III-Studie<br />
entwickelt, nachdem im Oktober die Phase II mit dem<br />
Medikament Desmoteplase erfolgreich abgeschlossen wurde,<br />
obwohl die Indikation Schlaganfall als besonders schwierig gilt:<br />
In der Vergangenheit scheiterten mehr als 50 Prozent der<br />
Medikamentenkandidaten in diesem Sektor. An der Schwelle<br />
zur Phase III steht schließlich auch der monoklonale Antikörper<br />
Rencarex (WX-G250) der Münchener Wilex mit der Indikation<br />
metastasierender Nierenzellkrebs. Zudem testet das Unternehmen<br />
den Krebswirkstoff WX-G250RIT seit Ende Juni 2003<br />
zur Behandlung des selten auftretenden Gallenblasen- und<br />
Gallengangkrebs in einer klinischen Studie I/II.<br />
Die Anzahl neu hinzugekommener Unternehmen mit<br />
Kandidaten in Phase I fällt nicht so deutlich aus wie bei den<br />
Phase-II-Wirkstoffen (siehe Abbildung 2-4).<br />
Neu in die Phase I kam beispielsweise bei Wilex WX-UK1, der<br />
nun an Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren geprüft wird. Die<br />
FDA bewilligte ein Prüfungsprotokoll für eine klinische Phase-<br />
I-Studie in den USA.<br />
Auch die Münchener Curacyte erhielt Anfang Juli von der FDA<br />
die Erlaubnis für den Beginn einer Phase-I-Studie, um den<br />
Wirkstoff PHP in Kombination mit einer hoch dosierten Interleukin-Therapie<br />
bei Patienten mit metastasischem Nierenzellkarzinom<br />
oder Melanom zu testen. Die 4SC aus München hat<br />
im vergangenen Jahr mit der klinischen Phase I ihres ersten<br />
niedermolekularen Produktkandidaten SC12267 zur Behandlung<br />
rheumatoider Arthritis begonnen. Weitere Wirkstoffkandidaten<br />
in Phase I meldeten die ebenfalls in München<br />
ansässigen Unternehmen Switch Biotech mit ihrem Wirkstoff<br />
SWT01.100 gegen Schuppenflechte sowie die IDEA mit ihrem<br />
Projekt IDEA-070 zur Behandlung von Hautreaktionen, die<br />
durch Sonnenbrand, Histamin oder Capsaicin ausgelöst werden.<br />
Besonders beeindruckend ist der starke Anstieg von Projekten<br />
in der Präklinik im vergangenen Jahr. Es bleibt zu hoffen, dass<br />
aus diesen Projekten erfolgreich klinische Produkte entstehen.<br />
Ein Beispiel ist die Münchener Procorde mit ihrem Kandidaten<br />
PR-15 mit Indikation Herzinfarkt und Schlaganfall.<br />
Abbildung 2-4:<br />
Wirkstoff-Entwicklungspipeline nach Anzahl<br />
Unternehmen im Jahresvergleich<br />
Anzahl Wirkstoffe<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
133<br />
70<br />
117<br />
4 5<br />
Präklinik Phase I Phase II Phase III<br />
26 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
56<br />
23 26<br />
34<br />
38<br />
Anzahl Unternehmen<br />
Anzahl Wirkstoffe 2002<br />
Anzahl Wirkstoffe 2003<br />
14<br />
22<br />
25<br />
26<br />
4 5<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Anzahl Unternehmen<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004
Dr. Wolfgang Söhngen, CEO PAION GmbH, Aachen<br />
Management des Produktportfolios in Zeiten knapper<br />
Mittel<br />
Die hinlänglich bekannten Veränderungen der Kapitalmärkte in den letzten Jahren haben<br />
hohe und teilweise sehr widersprüchliche Anforderungen an Produkt entwickelnde<br />
Firmen gestellt. Finanzierungsentscheidungen waren in 2002/2003 noch stärker als<br />
zuvor geprägt von dem Wunsch, Risiko zu minimieren und das Unternehmen bis zu einem<br />
profitablen Ausstieg finanzieren zu können. Aus Investorensicht bedeutet dies ein<br />
breites und viel versprechendes Produktportfolio mit großer Marktnähe in einer sicheren<br />
Indikation und damit eine Abkehr von Plattformtechnologien. Dieser Trend hin zu Product<br />
Companies ist getrieben von der Tatsache, dass ein anderer Ausstieg als ein Börsengang<br />
mit einem relativ reifen Projekt die höchste Realisierungschance hat.<br />
Das Management der klinischen Studien und die mit<br />
zunehmender Marktnähe des Produkts steigenden regulatorischen<br />
Auflagen – z. B. Produktion nach Maßstab<br />
der Good Manufacturing Practice (GMP) und Anforderungen<br />
der FDA – stellen eine große Herausforderung<br />
für die Unternehmen dar. Der Wunsch der Investoren<br />
nach klinischen Projekten ist damit derzeit durch Firmen<br />
in Europa nur adressierbar, wenn die späte klinische<br />
Entwicklung von Pharma-Partnern mitgetragen wird. Für<br />
die Unternehmen ergibt sich ein Spagat zwischen<br />
Finanzierungsfähigkeit und Wertentwicklung. Versuchen<br />
die Firmen, frühzeitig Pharmapartner zur Erhöhung der<br />
Liquidität zu finden, so geben sie auch frühzeitig Rechte zu einem niedrigen Preis ab und<br />
reduzieren die Chance auf hohen Wertzuwachs und einen attraktiven Ausstieg in der<br />
Zukunft. Das Management des Produktportfolios ist damit auch ein Management von<br />
Investoreninteressen.<br />
Die PAION GmbH hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 2000 auf den Schlaganfall als eine<br />
Indikation mit sehr hohem medizinischen Bedarf und erheblichem Marktpotenzial<br />
konzentriert. Der Schlaganfall gilt aber auch als hoch riskante Indikation. In den letzten<br />
Jahrzehnten sind etliche, insbesondere neuroprotektive Substanzen in diesem Bereich<br />
gescheitert. Für das in der Pipeline am weitesten entwickelte Produkt Desmoteplase<br />
prüft PAION einen klaren und durch die schon vermarktete Substanz rt-PA grundsätzlich<br />
bewiesenen Wirkzusammenhang in kleinen klinischen Studien. So wurde die Erschließung<br />
einer Indikation mit hohen Gewinnmöglichkeiten bei niedrigem Risiko möglich.<br />
Nach dem September 2001 und der vorübergehenden Zurückstellung eines IPO zur<br />
Finanzierung eines breiten Portfolio wurden die Ressourcen auf die Desmoteplase als<br />
den größten Werttreiber fokussiert. Mit begrenztem Personal wurden in kürzester Zeit<br />
gute Ergebnisse in der klinischen Entwicklung erzielt. So hat PAION den Proof of<br />
Principle zu einem Bruchteil der Kosten erreicht, die bei einem etablierten Pharmaunternehmen<br />
angefallen wären. Gleichzeitig musste eine zur Erweiterung des Portfolios<br />
von Millennium Inc. lizenzierte Substanz zurückgegeben werden, da es zum damaligen<br />
Zeitpunkt nicht möglich war, ausreichende finanzielle Mittel für die Entwicklung zu<br />
akzeptablen Bewertungen einzuwerben. Ebenso wurden die anderen präklinischen<br />
Projekte zurückgestellt und Ende 2003 entschieden, nicht weiter in die vorhandene<br />
Plattformtechnologie zu investieren. Letztlich wurde durch die Einbeziehung von<br />
Privatinvestoren aktiv der zur Verfügung stehende Kapitalmarkt erweitert.<br />
Für die PAION GmbH sind die sehr guten Ergebnisse der Phase II von Desmoteplase der<br />
beste Startpunkt für die Suche nach einem globalen oder mehreren regionalen Partnern<br />
für Desmoteplase. Auf diesem Weg kann das finanzielle Risiko der Phase III geteilt<br />
werden und es entsteht Liquidität für den Ausbau eines fokussierten<br />
Portfolios. Die Verhandlungen sind ein Balanceakt zwischen der<br />
Notwendigkeit, kurzfristig Kapital für die klinische Entwicklung von<br />
Desmoteplase und weiteren Produkten einzuholen und sich dennoch<br />
über Teilrechte Optionen auf Vermarktung und eigene Gewinne in der<br />
Zukunft zu erhalten. Mit der möglichen Einbehaltung von Vermarktungsrechten<br />
für einzelne Regionen oder von Zweitvermarktungsrechten<br />
würde zudem mittelfristig die Option für einen Börsengang<br />
entstehen. Die PAION GmbH wird versuchen, bei einer guten Entwicklung<br />
der Finanzmärkte den bisherigen Shareholdern den IPO<br />
weiterhin als eine unter anderen möglichen Ausstiegsoptionen bieten<br />
zu können.<br />
Wenn für Unternehmen mit klinischem Proof of Principle – auch wenn sie noch privat<br />
sind – durch ein gutes Partnering die Liquidität steigt, können weitere Mittel<br />
eingeworben werden, um das Portfolio weiter auszubauen. Entscheidend ist dabei der<br />
Zeitpunkt des Partnerings – wobei der Entwicklungszustand des Produkts mit den u. U.<br />
sehr verschiedenen Interessen der Shareholder und der Lage des Kapitalmarktes<br />
abgestimmt werden muss. Das Management des Produktportfolios in Zeiten knapper<br />
Mittel bewegt sich zwischen verschiedensten Investoreninteressen: Fokussierung (Burn<br />
Rate), Breite (IPO Story) sowie kurz- und langfristigen Zielen. Im Auf und Ab der Märkte<br />
nicht nur zu überleben, sondern sich zukunftsorientiert weiterzuentwickeln, stellt hohe<br />
Anforderungen und ist dann am aussichtsreichsten, wenn die Kernkompetenz zur<br />
klinischen Entwicklung im Unternehmen vorhanden ist. Es wird erwartet, dass die<br />
Probleme und Risiken der Transformation von einer reinen Plattform Company zu einer<br />
Product Company in Zukunft auf deutscher und europäischer Ebene vermehrt durch<br />
M&A-Aktivitäten überwunden werden – viele Experten sehen dies als unvermeidbaren<br />
Schritt an.<br />
www.paion.de<br />
27
Prof. Dr. Jens Schneider-Mergener, CEO Jerini AG, Berlin<br />
Beschleunigte Wirkstoffentwicklung mit Peptiden<br />
P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />
Mit der Aufklärung des menschlichen Genoms im Jahre 2000 ist ein wichtiger Schritt<br />
gelungen, die molekularen Ursachen der Entstehung von Krankheiten immer besser zu<br />
verstehen. Ein entscheidender Schritt wird nun die Aufklärung des komplexen Wechselspiels<br />
von Proteinen im menschlichen Organismus sein. Dieses wird für die erfolgreiche<br />
Entwicklung von Medikamenten für viele bisher nicht heilbare Krankheiten essentiell<br />
sein. Es gibt im menschlichen Organismus mehr als 30.000 unterschiedliche Proteine,<br />
von denen etwa 3.000–5.000 als mögliche Zielorte („Targets“) für Medikamente<br />
betrachtet werden. In den 90er Jahren haben sich im Wesentlichen zwei technologische<br />
Ansätze zur Adressierung von Wirkstofftargets etabliert: die chemische Hochdurchsatzsynthese<br />
von so genannten „small molecules“ oder die Herstellung von<br />
Antikörpern/ Proteinen mit Hilfe gentechnologischer<br />
Methoden. Beide Verfahren haben ihre Stärken und<br />
Schwächen und können jeweils nur für bestimmte<br />
Klassen von Targets eingesetzt werden.<br />
Die Jerini AG erforscht nun eine dritte Klasse von<br />
Molekülen – so genannte Peptide – für den systematischen<br />
Einsatz in der Wirkstofffindung. Peptide sind aus<br />
Aminosäuren zusammengesetzte kleine Einweißbausteine<br />
(Proteinbruchstücke), die synthetisch hergestellt<br />
werden können und sich dabei bau- und wirkungsgleich<br />
zu körpereigenen Substanzen verhalten. Die Firma<br />
erkannte das Potential dieser „Stoffklasse“ schon früh<br />
und fokussierte sich auf Peptide als Vorläufer für die<br />
medizinische Wirkstoffforschung und -entwicklung. Als Basis diente die so genannte<br />
SPOT-Technologie, die neben der Synthese mehrerer tausend Peptide gleichzeitig, auch<br />
die Untersuchung ihrer Wechselwirkungen mit potentiellen Targetproteinen, welche bei<br />
Krankheiten eine wichtige Rolle spielen, ermöglicht. Mit dieser Methode können<br />
Wirkstoffe einfacher und schneller identifiziert sowie die Entwicklungszeiten für neue<br />
Medikamente verkürzt werden.<br />
Schnelle Produktentwicklung durch Peptides-to-Drugs- (P2D)-Strategie<br />
Hat Jerini ein Target als interessant identifiziert, entwickelt die Firma in einem dualen<br />
Ansatz mit Hilfe seiner Peptides-to-Drugs- (P2D)-Plattform entweder so genannte<br />
Peptidmimetika und/oder „small molecules“. Welche dieser beiden Verbindungsklassen<br />
eingesetzt wird, hängt von der jeweiligen Indikation ab.<br />
Der Vorteil der P2D-Strategie liegt in folgenden Punkten:<br />
• die „attrition rates“ (Ausschussraten) bis zum Eintritt und beim Durchlaufen der<br />
klinischen Phasen können verringert werden,<br />
• es können sowohl akute als auch chronische Indikationen mit dem gleichen Target<br />
adressiert werden,<br />
• der duale Ansatz erlaubt auf einem Target mehr als ein Lizenz- und/oder<br />
Marketingabkommen einzugehen.<br />
Vorteilhaft für eine schnelle Produktentwicklung war zudem eine gezielte und frühe<br />
Fokussierung auf wenige Projekte, um die vorhandenen Personal- und Finanzressourcen<br />
effizient einsetzen zu können. Das Unternehmen hat in enger Zusammenarbeit mit<br />
Experten relevante Indikationen bzw. Nischenindikationen identifiziert. Ein professionelles<br />
Projekt- inkl. Risikomanagement haben diese Maßnahmen begleitet. Wichtigste<br />
Basis der nachhaltigen und erfolgreichen Weiterentwicklung von Jerini war das<br />
Einwerben benötigter Expertise durch gezielte Erweiterung des Managements um<br />
Mitglieder mit jahrelanger Erfahrung im Pharmabereich.<br />
1994 als Spin-off des Universitätsklinikums Charité Berlin gegründet, ist die Jerini AG<br />
inzwischen in zwei Segmente gegliedert: Jerini Peptide Technologies (JPT) und Jerini<br />
Pharmaceuticals. Der Dienstleistungsbereich JPT produziert ein breites Spektrum von<br />
Peptiden und peptidbasierten Chips für internationale Pharma- und Biotech-<br />
Unternehmen sowie Forschungsinstitutionen. JPT ist profitabel und<br />
führt seine Gewinne an den Pharmabereich ab. Im Drug-Discovery-<br />
Bereich setzt Jerini seine Technologie sowohl in Kooperationen mit<br />
Pharmaunternehmen als auch auf eigenen Projekten ein. Das erste<br />
Produkt, das sich in klinischer Testung befindet, ist der Wirkstoff<br />
Icatibant, der für Anwendungen beim erblichen Angioödem sowie bei<br />
der refraktären Aszites in Leberzirrhose entwickelt wird. Icatibant<br />
wurde 2001 von der Firma Aventis einlizenziert, weil Jerini den<br />
Wirkstoff als wichtige strategische Option identifiziert hat. Der<br />
Wirkstoff komplementiert Jerinis Pipeline perfekt und ermöglichte<br />
eine Vorwärtsintegration in Richtung Marktnähe. Icatibant ist<br />
ein Peptidomimetikum, das hochspezifisch den menschlichen<br />
Bradykinin-B2-Rezeptor blockiert. Es wurde in den beiden o. g.<br />
Indikationen bereits in der Phase II mit positivem Ausgang getestet. In der Indikation<br />
Angioödem beginnt Jerini in diesem Jahr bereits mit der Zulassungsstudie. Die<br />
Markteinführung ist für das Jahr 2006 geplant.<br />
Jerini startete 1994 ganz ohne Venture Capital und sicherte die Unternehmensexpansion<br />
und die Weiterentwicklung der Technologien durch erfolgreiche Auftragsforschung<br />
und -entwicklung für renommierte, internationale Pharmaunternehmen. Die<br />
erste Finanzierungsrunde erfolgte im Januar 2000 (4,5 Mio. €) mit dem Ziel der<br />
Umwandlung von einer Dienstleistungsfirma/Technologiefirma in eine Drug-Discovery-<br />
Company. Im Oktober 2001 schloss Jerini eine zweite Finanzierungsrunde (20 Mio. €) ab.<br />
Jerini hat Lizenz- und Kooperationsabkommen mit den Firmen Bayer, Baxter und Merck<br />
KGaA abgeschlossen.<br />
www.jerini.com<br />
28 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Insgesamt befinden sich bei den analysierten deutschen Biotech-Firmen<br />
202 Wirkstoffe in der Entwicklungspipeline, das<br />
sind 14 Prozent mehr als im Jahr 2002. Von den 202 Wirkstoffen<br />
sind 69 in der klinischen Entwicklung, das heißt in<br />
Phase I bis III oder in der Zulassung. Auf dem Markt waren im<br />
Jahr 2003 noch keine aus der Entwicklung einer deutschen<br />
Core-Biotech-Firma stammenden Wirkstoffe. Dies wird jedoch<br />
für das laufende Jahr von MediGene<br />
erwartet.<br />
Eine Ausnahme stellen bereits auf dem<br />
Markt befindliche Produkte der autologen<br />
Zelltransplantation dar, die von<br />
einigen zwar als Wirkstoff bzw. Therapeutikum<br />
angesehen werden, in strengem<br />
Sinne jedoch eher dem Tissue Engineering<br />
zuzuordnen sind. Diese Therapeutika<br />
sind gerichtete Arzneimittel, die<br />
keine Zulassung, sondern nur eine Herstellerlaubnis nach<br />
Arzneimittelgesetz benötigen.<br />
Beispiele hierfür sind die autologen Chondrozyten-Transplantate<br />
der Firmen CellGenix und CellTec. Ebenfalls als Rezepturarzneimittel<br />
angeboten werden azelluläre Therapeutika wie<br />
beispielsweise autologe Wachstumsfaktoren der Leipziger<br />
Firma euroderm.<br />
Abbildung 2-5 zeigt die Anzahl der Entwicklungsprojekte pro<br />
Firma in den Produktportfolios der Sample-Unternehmen. Hier<br />
hat sich im Jahresvergleich auf Grund der gestiegenen<br />
absoluten Anzahl an Wirkstoffen in der Entwicklungspipeline<br />
ebenfalls ein Fortschritt ergeben.<br />
Abbildung 2-5:<br />
Wirkstoffportfolio der Sample-Unternehmen im Jahresvergleich<br />
Anzahl Firmen<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
27<br />
1<br />
30<br />
20<br />
2<br />
22<br />
11<br />
Anzahl der Wirkstoffe in der Entwicklungspipeline<br />
3<br />
13<br />
Wenn auch die Zahl an Firmen weiter zugenommen hat, die nur<br />
ein oder zwei Wirkstoffe im Portfolio haben, so ist mit einer<br />
Verdoppelung der Zahl an Firmen mit je vier oder fünf Wirkstoffen<br />
in der Pipeline eine wesentlich deutlichere Zunahme zu<br />
verzeichnen.<br />
Dies ist vor dem Hintergrund der derzeit sehr angespannten<br />
Finanzierungssituation eine sehr erfreuliche Entwicklung.<br />
Tabelle 2-1:<br />
Anzahl der Wirkstoffe in der Entwicklungspipeline nach Firmenstatus<br />
(Firmenanzahl in Klammern)<br />
Status Präklinik Ph I Ph II Ph III<br />
Jahr 2002 2003 2002 2003 2002 2003 2002 2003<br />
privat 110 (53) 125 (67) 30 (21) 35 (25) 19 (12) 24 (23) 3 (3) 3 (3)<br />
börsennotiert 7 (3) 8 (3) 4 (2) 3 (1) 3 (2) 2 (2) 1 (1) 2 (2)<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
4<br />
8<br />
4 5<br />
9<br />
4 4<br />
Damit besteht natürlich der Wunsch bzw. die Hoffnung, dass<br />
diese Fortschritte durch bessere Möglichkeiten zur Kapitalaufnahme<br />
bald weiter vorangetrieben werden können. Denn<br />
nach wie ist die Wirkstoffentwicklung ein sehr kostspieliger<br />
Prozess. Viele Firmen konzentrieren derzeit ihre Ressourcen<br />
daher auf die am weitesten fortgeschrittenen Produkte, um über<br />
eine Vermarktung letztlich auch wieder Nachfolgeprodukte mit<br />
finanzieren zu können.<br />
Die oben stehende Tabelle zeigt die Aufteilung der Entwicklungspipeline<br />
auf private und börsennotierte Firmen. Die Bedeutung<br />
der privaten Biotech-Firmen ist im Vergleich zum Vorjahr<br />
konstant geblieben. Ihr Anteil an der Anzahl aller Wirkstoffe<br />
in der Entwicklungspipeline lag nach wie vor bei 92 Prozent.<br />
2002<br />
2003<br />
2<br />
mehr als 5<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Insgesamt wird die Entwicklungspipeline<br />
der deutschen Core-Biotech-Industrie<br />
derzeit durch 82 Unternehmen repräsentiert.<br />
Davon sind börsennotiert die GPC<br />
Biotech, MediGene, Mologen und<br />
MorphoSys. Hinzu kommen 30 Firmen,<br />
die bisher lediglich Projekte in der<br />
Forschung vorweisen können.<br />
29
Einlizenzierung versus Eigenentwicklung<br />
P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />
Die unten stehende Abbildung zeigt den Anteil an einlizenzierten<br />
und eigenentwickelten Wirkstoffen in der Entwicklungspipeline<br />
der analysierten deutschen Core-Biotech-Unternehmen<br />
im Jahresvergleich. Unterschieden wurde dabei nach Einlizenzierungen<br />
aus der Pharma- und Biotech-Industrie sowie aus<br />
dem akademischen Bereich.<br />
Es wird dabei deutlich, dass Produkte, die aus eigener Entwicklung<br />
stammen, sich überwiegend in der Präklinik oder bereits in<br />
der Phase I befinden.<br />
Abbildung 2-6:<br />
Herkunft der Produkte in der Entwicklungspipeline:<br />
Eigenentwicklung versus Einlizenzierung im Jahresvergleich<br />
Präklinik<br />
Phase I<br />
Phase II<br />
0<br />
Anzahl der Wirkstoffe in %<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />
2002<br />
2003<br />
Zudem ist klar erkennbar, dass der Anteil von Wirkstoffen aus<br />
der akademischen Forschung eine nicht unwesentliche Rolle<br />
spielt. Solche Wirkstoffe sind neuerdings auch zu einem größeren<br />
Anteil bei Wirkstoffen zu finden, die derzeit in Phase II<br />
getestet werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass im Jahr<br />
2003 12 Unternehmen mit 12 Produkten neu in die Phase II<br />
gekommen sind und hierbei allein 4 Wirkstoffe ursprünglich<br />
aus der akademischen Forschung einlizenziert worden waren.<br />
Der Anteil an Eigenentwicklungen ist bei den Phase-II-Wirkstoffen<br />
immerhin noch doppelt so hoch wie der Anteil von Produkten,<br />
die von Pharmafirmen einlizenziert wurden.<br />
Für die Biotech-Unternehmen haben die aus der Pharmaindustrie<br />
stammenden Wirkstoffe insofern eine große Bedeutung,<br />
da sie ein nicht ausreichendes Portfolio an eigenentwickelten<br />
Projekten ergänzen und damit die Zeit bis zum Markteintritt<br />
verkürzen können.<br />
Die Phase III, die hier nicht abgebildet ist, ist noch deutlicher<br />
zugunsten der Einlizenzierung verschoben. (in 2002: eine<br />
Eigenentwicklung/drei Einlizenzierungen; in 2003: eine Eigenentwicklung/vier<br />
Einlizenzierungen).<br />
Eigenentwicklung<br />
von Akademie<br />
von Biotech<br />
von Pharma<br />
Wirkstoff-Portfolio nach Indikation<br />
In der aktuellen Entwicklungs-Pipeline ist nach wie vor die<br />
Indikation Krebs vor den Infektionskrankheiten am stärksten<br />
vertreten, obwohl im Jahresvergleich der Anteil an Wirkstoffen<br />
in diesen Indikationen abgenommen hat (siehe Abbildung 2-7).<br />
Auf absoluter Basis stecken jedoch sechs Krebswirkstoffe mehr<br />
in der Entwicklungs-Pipeline als im Jahr zuvor. Die Verschiebung<br />
des Anteils ergibt sich somit auf Grund eines<br />
erhöhten Anteils an Wirkstoffen in den Indikationen Entzündung,<br />
Herz-Kreislauf, Haut sowie Metabolismus.<br />
Wirkstoffe gegen Entzündungserkrankungen lösen damit die<br />
ZNS-Wirkstoffe in der Rangfolge auf Platz drei ab. Alle weiteren<br />
aufgezeigten Indikationsgebiete erreichen einen Anteil von<br />
weniger als fünf Prozent. Acht Prozent der Wirkstoffe sind<br />
anderen Indikationen zuzuordnen.<br />
30 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Abbildung 2-7:<br />
Entwicklungsportfolio nach Indikation im Jahresvergleich<br />
Onkologie<br />
Infektion<br />
13<br />
12<br />
ZNS 7<br />
10<br />
Entzündung 6<br />
8<br />
Kardiovaskular 5<br />
6<br />
Haut 4<br />
6<br />
Atemwege<br />
1<br />
3<br />
Stoffwechsel 2<br />
5<br />
Magen/Darm 1<br />
1<br />
Schmerz 1<br />
2<br />
Produktportfolio nach Art des Wirkstoffs<br />
Die Analyse des Entwicklungsportfolios der Biotech-Firmen<br />
nach Art des Wirkstoffs zeigt, dass der größte Anteil der in<br />
Entwicklung befindlichen Produkte die so genannten „small<br />
molecules“ sind. Sie nehmen einen Anteil von 34 Prozent ein.<br />
An zweiter Stelle folgen die rekombinanten Proteine mit einem<br />
Anteil von 18 Prozent, dicht gefolgt von<br />
den therapeutischen Antikörpern mit 16<br />
Prozent. Die Antikörper werden üblicherweise<br />
heute ebenfalls auf rekombinanter<br />
Basis gewonnen, wurden hier jedoch auf<br />
Grund ihrer zunehmenden Bedeutung als<br />
gesonderte Wirkstoffklasse aufgeführt.<br />
Weitere Wirkstoffarten mit bedeutsamem<br />
Anteil sind Impfstoffe sowie Zelltherapeutika.<br />
2002<br />
2003<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />
Wirkstoffe in der Entwicklungspipeline in %<br />
weitere 8 % sind anderen Indikationen zuzuordnen<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
44<br />
49<br />
In der unten stehenden Abbildung ist darüber hinaus noch der<br />
Anteil an Antisense/Nukleotid-Wirkstoffen, Gentherapie sowie<br />
Peptiden dargestellt.<br />
Im Jahresvergleich ist eine deutliche Zunahme, vor allem bei<br />
den therapeutischen Antikörpern, zu erkennen. Ursache ist die<br />
Aufnahme mehrerer neuer Wirkstoffe dieser Art in die<br />
Präklinik.<br />
Abbildung 2-8:<br />
Entwicklungsportfolio nach Art des Wirkstoffs im Jahresvergleich<br />
small molecule<br />
rekombinantes Protein<br />
20<br />
Antikörper (Fragment)<br />
Impfstoff<br />
8<br />
Zelltherapie 4<br />
10<br />
Antisense/Nukleotid<br />
Gentherapie 3<br />
Peptide 3<br />
4<br />
2002<br />
Sonstiges<br />
5<br />
10<br />
2003<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />
9<br />
34<br />
16<br />
5<br />
1<br />
5<br />
34<br />
18<br />
12<br />
Wirkstoffe in der Entwicklungspipeline in %<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
31
P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />
Die Zunahme der therapeutischen Antikörper in der Entwicklungspipeline<br />
ist in einzelnen Indikationen besonders deutlich<br />
ausgeprägt, so zum Beispiel bei der Entwicklung von Wirkstoffen<br />
gegen Krebs und Entzündungen, wie auch bei Projekten in der<br />
Forschung gegen Infektionskrankheiten (siehe Abbildung 2-9).<br />
Abbildung 2-9:<br />
Ausgewählte Indikationen nach Art des Wirkstoffs im Jahresvergleich<br />
Krebstherapien nach Art des Wirkstoffs (in der Entwicklungspipeline)<br />
Small<br />
molecule<br />
Antikörper<br />
(Fragment)<br />
rekombinantes<br />
Protein<br />
Impfstoff<br />
8<br />
9<br />
14<br />
18<br />
18<br />
0 10 20 30 40 50<br />
Anteil Wirkstoffe in %<br />
(Auf die Darstellung der Anteile der restlichen Wirkstoffe wurde verzichtet.)<br />
27<br />
29<br />
33<br />
2002<br />
2003<br />
Die zunehmende Bedeutung von therapeutischen Antikörpern<br />
wird im Folgenden im Detail betrachtet.<br />
Krebstherapien nach Art des Wirkstoffs (in der Forschung)<br />
Small<br />
molecule<br />
Antikörper<br />
(Fragment)<br />
rekombinantes<br />
Protein<br />
Impfstoff<br />
0 10 20 30 40 50<br />
Anteil Wirkstoffe in %<br />
(Auf die Darstellung der Anteile der restlichen Wirkstoffe wurde verzichtet.)<br />
Infektionstherapien nach Art des Wirkstoffs (in der Entwicklungspipeline) Infektionstherapien nach Art des Wirkstoffs (in der Forschung)<br />
Small<br />
molecule<br />
Antikörper<br />
(Fragment)<br />
rekombinantes<br />
Protein<br />
Impfstoff<br />
Entzündungs-Therapien nach Art des Wirkstoffs (in der Entwicklungspipeline) Entzündungs-Therapien nach Art des Wirkstoffs (in der Forschung)<br />
Small<br />
molecule<br />
Antikörper<br />
(Fragment)<br />
rekombinantes<br />
Protein<br />
4<br />
5<br />
14<br />
0 10 20 30 40 50<br />
Anteil Wirkstoffe in %<br />
11<br />
13<br />
19<br />
22<br />
25<br />
27<br />
29<br />
32<br />
38<br />
2002<br />
2003<br />
0 10 20 30 40 50 60 70<br />
Anteil Wirkstoffe in %<br />
44<br />
67<br />
2002<br />
2003<br />
Small<br />
molecule<br />
Antikörper<br />
(Fragment)<br />
rekombinantes<br />
Protein<br />
Impfstoff<br />
Small<br />
molecule<br />
Antikörper<br />
(Fragment)<br />
rekombinantes<br />
Protein<br />
32 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
0<br />
6<br />
8<br />
8<br />
8<br />
11<br />
17<br />
17<br />
21<br />
23<br />
25<br />
29<br />
46<br />
2002<br />
2003<br />
0 10 20 30 40 50<br />
Anteil Wirkstoffe in %<br />
17<br />
18<br />
18<br />
18<br />
28<br />
28<br />
33<br />
44<br />
2002<br />
2003<br />
2002<br />
2003<br />
0 10 20 30 40 50<br />
Anteil Wirkstoffe in %<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
45
Entwicklung und Markt therapeutischer Antikörper<br />
Therapeutische Antikörper sind nach der Entwicklung rekombinanter<br />
Proteine die wichtigste Innovation in der Biotech-<br />
Industrie der letzten 20 Jahre.<br />
Basierte die Produktion von monoklonalen Antikörpern 1975<br />
noch auf der Immunisierung mit Antigenen in murinen Systemen,<br />
wurde schon 1976 mittels der neuartigen Hybridoma-<br />
Technologie eine Herstellung in vitro – also ohne die Nutzung<br />
von Versuchstieren – ermöglicht. Bei dieser Methode werden<br />
monoklonale Antikörper durch die Fusion von immortalisierten<br />
Zellen mit antikörperproduzierenden Lymphozyten hervorgebracht.<br />
Kommerziell wurde die neue Technologie bereits früh von dem<br />
Unternehmen Roche genutzt, um monoklonale Antikörper für<br />
den Einsatz in der diagnostischen Forschung zu entwickeln.<br />
Die Hoffnungen auf einen Einsatz als hochspezifische Therapeutika,<br />
die zielgenau und neben-<br />
wirkungsarm eingesetzt werden<br />
können, zerschlugen sich<br />
aber zunächst. Denn monoklonale<br />
Maus-Antikörper sind<br />
für den humantherapeutischen<br />
Einsatz schlecht geeignet, da<br />
ihre murine Herkunft das<br />
menschliche Immunsystem zu<br />
Abwehrreaktionen aktiviert.<br />
Als Folge wird die gewünschte<br />
Wirkung unterdrückt und es<br />
kann sogar zu anaphylaktischen<br />
Schockreaktionen kommen.<br />
Die ersten chimären und<br />
humanisierten Antikörper, die<br />
in der Lage waren, diese Probleme<br />
zu umgehen, wurden in<br />
der zweiten Hälfte der 80er Jahre hergestellt. Bei humanisierten<br />
Antikörpern stammen nur noch die kleinen, Antigen bindenden<br />
Regionen von den Maus-Antikörpern, während der gesamte<br />
Rest einem humanen Antikörper entspricht.<br />
Doch auch diese Form der Antikörper führte letztlich vor allem<br />
bei Dauerapplikation zur Bildung von Anti-Idiotypen und damit<br />
einhergehendem Wirkverlust. Die weitere Entwicklung zielte<br />
deshalb darauf ab, die Antikörper vollständig zu humanisieren.<br />
Dazu wurden beispielsweise transgene Mäuse erzeugt, in deren<br />
Genom der gesamte Genabschnitt, der zur Bildung von<br />
Antikörpern erforderlich ist, vom Menschen stammt.<br />
C H2<br />
C H3<br />
Maus<br />
Antikörper<br />
C H1<br />
C L<br />
Erst Techniken der Molekularbiologie ermöglichten somit die<br />
Herstellung von heute üblichen humanen Antikörpern zur<br />
therapeutischen Anwendung.<br />
Laut Datamonitor waren bereits 2001 weltweit mehr als 100<br />
Antikörper oder Antikörperfragmente in klinischen Versuchen.<br />
Der über die letzten Jahre unerwartet hohe Anstieg an FDAzugelassenen<br />
und an in der klinischen Entwicklung befindlichen<br />
monoklonalen Antikörpern stellt große Herausforderungen an<br />
das „Scale-up“ von Produktionsprozessen biotechnologisch<br />
hergestellter Antikörper. Mit der Erwartung weiterer Zulassungen<br />
von therapeutischen Antikörpern besteht eine große Nachfrage<br />
an Produktionskapazitäten und somit auch an neuartigen<br />
Produktionstechnologien. Zur Zeit werden 75 Prozent der<br />
Säugerzell-Produktionskapazitäten allein von drei Unternehmen<br />
gehalten: Genentech, Boehringer Ingelheim und Lonza.<br />
Dabei bieten die beiden zuletzt genannten Firmen die Produktion<br />
als Service an. Darüber hinaus wurde von der Greenovation<br />
in Kooperation mit der bri-<br />
V H<br />
chimärer Antikörper humanisierter Antikörper<br />
V L<br />
CDR<br />
Menschlicher<br />
Antikörper<br />
tischen Aeres im vergangenen<br />
Jahr eine erfolgreiche Antikörperproduktion<br />
in Pflanzenzellen<br />
(Moos) demonstriert.<br />
Bislang wurden folgende<br />
therapeutische Antikörperklassen<br />
entwickelt: murine,<br />
chimäre, humanisierte, vollständig<br />
humane, Konjugate<br />
sowie Antikörperfragmente.<br />
Obwohl laut Datamonitor das<br />
Marktwachstum auf dem Anstieg<br />
humanisierter und vollständiger<br />
humaner Antikörper<br />
beruhen wird, dominieren momentan<br />
noch die chimären<br />
Antikörperprodukte den Markt.<br />
Führend bei den chimären Antikörperprodukten sind Remicade<br />
von Centocor/Johnson & Johnson sowie Rituxan von<br />
Genentech/Biogen Idec. Remicade ist ein anti-TNF Antikörper,<br />
der seit 1998 bei Morbus Crohn sowie seit 1999 für rheumatoide<br />
Arthritis zugelassen ist. Rituxan (Rituximab) ist ein Antikörper<br />
zur Behandlung von B-Zell-Non Hodgkin’s Lymphomen. Mit<br />
Remicade hat Johnson & Johnson allein im dritten Quartal des<br />
Jahres 2002 Umsätze von 300 Millionen US$ erzielt. Der Umsatz<br />
von Rituxan ist seit 2001 von 819 Millionen US$ auf 1,4<br />
Milliarden US$ in 2003 gestiegen.<br />
33
P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />
Der weltweite Gesamtmarkt – basierend auf 200 „Global<br />
Playern“, die in Forschung, Entwicklung, Produktion und<br />
Marketing involviert sind – wird nach Datamonitor auf derzeit<br />
5,4 Milliarden US$ geschätzt (2002) und soll sich bis 2008 auf<br />
bis zu 16,7 Milliarden US$ verdreifachen. Die chimären Antikörper<br />
nehmen vom derzeitigen Markt einen Anteil von 70,5<br />
Prozent ein. Allein zwischen den Jahren 2001 und 2002 ist der<br />
Wert des therapeutischen Antikörper-Marktes um 37,5 Prozent<br />
gestiegen, wobei das Wachstum der chimären Antikörper bei<br />
43,2 Prozent und das der humanisierten Antikörper bei 29<br />
Prozent lag.<br />
Große Hoffnungen werden vor allem in therapeutische Antikörper<br />
zur Behandlung von Krebserkrankungen, immunologischen<br />
Dysfunktionen (zum Beispiel rheumatoide Arthritis),<br />
Asthma sowie der Multiplen Sklerose gesetzt.<br />
Tabelle 2-2:<br />
Jüngst zugelassene und in Phase III befindliche therapeutische Antikörper<br />
Produktname Target Indikation Phase Entwickler/Partner<br />
Viele Analysten bezeichnen das jüngst zugelassene Darmkrebsmedikament<br />
Avastin von Genentech als das wichtigste<br />
Produkt, das seit Jahren aus der Biotech-Industrie hervorgegangen<br />
ist. Es werden dafür Umsatzprognosen von über zwei<br />
Milliarden US$ im Jahr und mehr abgegeben. In den USA wird<br />
Avastin von Genentech vertrieben, in Europa von der Schweizer<br />
Roche, die im Dezember 2003 die europäische Zulassung bei<br />
der EMEA beantragt hat. Eine Therapie mit Avastin wird in den<br />
USA um die 4.400 US$ kosten.<br />
Im Vergleich dazu kostet eine Therapie mit Erbitux von<br />
ImClone, ebenfalls gegen Darmkrebs, um die 10.000 US$, wird<br />
jedoch eine kürzere Anwendungszeit benötigen, da Avastin als<br />
Abschlusstherapie mit einer begleitenden Chemotherapie<br />
eingesetzt wird. Seit Dezember 2003 hält die deutsche Merck<br />
die Zulassung von Erbitux in der Schweiz. Die europaweite<br />
Zulassung wird für Mitte 2004 erwartet.<br />
Nachfolgende Tabelle zeigt einen Überblick der in 2003 und<br />
2004 zugelassenen sowie in Phase III befindlichen therapeutischen<br />
Antikörper.<br />
Erbitux Verschiedene Zulassung ImClone/BMS (Vertrieb USA)/<br />
(cetuximab) Anti-EGFr Krebs-Formen Februar 2004 Merck KGaA (Vertrieb Deutschland)<br />
Bexxar Non-Hodgkin- Zugelassen bei der Corixa/GSK<br />
(tositumomab) Anti-CD20 Lymphoma FDA Mitte 2003<br />
Zugelassen bei der<br />
Xolair Anti-IgE Asthma FDA Juni 2003 Novartis/Tanox/Genentech<br />
Raptiva Zugelassen bei der<br />
(vorher Xanelim) Anti-CD11a Psoriasis FDA Oktober 2003 Genentech/Xoma/Serono<br />
Rheumatoide Zugelassen bei der<br />
Humira Anti-TNF Arthritis FDA Dezember 2003 CAT/Abbott<br />
Zugelassen bei der<br />
Avastin Anti-VEGF Darmkrebs FDA Februar 2004 Genentech/Roche<br />
Pemtumomab Anti-PEM Eierstockkrebs Phase III Antisoma/Roche<br />
Anti-idiotypischer<br />
BEC 2 Ganglioside GD3<br />
Mitumomab Imitator SCLC Phase III ImClone/Merck KGaA<br />
Phase III, Elan/Biogen Idec<br />
Antegren Multiple FDA-Zulassung wird<br />
(natalizumab) Anti-VLA-4 Sklerose Mitte 2004 beantragt<br />
Anti-TNF Rheumatoide<br />
CDP-870 alpha Arthritis Phase III Celltech/Pfizer<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
34 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Tabelle 2-3:<br />
Ausgewählte Projekte zu therapeutischen Antikörpern bei deutschen Core-Biotech-Firmen<br />
Produktname Target Indikation Phase Entwickler/Partner<br />
WX-250/Rencarex MN Antigen Nierenzellkrebs In Kürze Phase III Centocor/Wilex<br />
1D09C3 MHC-Klasse II Lymphoma Präklinik GPC Biotech/MorphoSys<br />
Moleküle<br />
MT-201 EpCAM Prostatakrebs Phase II Micromet<br />
Triomab EpCAM/Her2/neu Eierstockkrebs Phase I/II Trion Pharma<br />
(removab/rexomun)<br />
1999 lizenzierte Wilex den Antikörper Rencarex/WX-G250 von<br />
Centocor ein und brachte ihn in die klinische Entwicklung.<br />
Wilex erhielt von den Zulassungsbehörden FDA und EMEA für<br />
Rencarex in der Indikation Nierenkrebs den „Orphan Drug Status“,<br />
der dem Unternehmen ein exklusives Vermarktungsrecht für 7<br />
Jahre in den USA und für 10 Jahre in der Europäischen Union,<br />
jeweils ab Marktzulassung, garantiert. Der chimäre monoklonale<br />
Antikörper stellt nach Ansicht führender Onkologen einen der<br />
vielversprechendsten Therapieansätze zur Behandlung von<br />
Nierenzellkrebs dar. Gegen Nierenzellkrebs ist derzeit keine<br />
sichere und gut verträgliche Standardtherapie verfügbar. Wilex<br />
entwickelt ebenfalls den radioaktiv markierten Antikörper WX-<br />
G250RIT als Radio-Immuntherapie zur Behandlung von nicht<br />
operablem Gallenblasen- und Gallengangkrebs. In dieser Indikation<br />
ist derzeit ebenfalls keine Standardtherapie verfügbar.<br />
Wilex besitzt die weltweiten Marketingrechte für WX-G250<br />
und WX-G250RIT. Ausgenommen sind die USA, in denen die<br />
Vermarktungsrechte bei Centocor/Johnson & Johnson liegen.<br />
GPC Biotech präsentierte im September 2003 neue viel<br />
versprechende Daten für den Anti-Krebs-Antikörper 1D09C3 in<br />
Kombination mit Rituxan. Dieser Antikörper wurde in Zusammenarbeit<br />
mit MorphoSys aus deren HuCAL-Bibliothek komplett<br />
humaner Antikörper isoliert. 1D09C3 bindet an spezifische<br />
Zelloberflächenrezeptoren, so genannte MHC-Klasse-II-<br />
Moleküle. Dies führt zum gezielten Absterben aktivierter, sich<br />
vermehrender MHC-Klasse-II-positiver Tumorzellen, darunter<br />
B-Zell- und T-Zell-Lymphome sowie weiterer Blutkrebszellen.<br />
Bei einem In-vivo-Modell des Non-Hodgkin-Lymphoms konnte<br />
in Kombinationsstudien mit Rituxan deutlich eine synergistische<br />
Wirksamkeit der beiden Antikörper gezeigt werden.<br />
Genehmigungen zum Beginn klinischer Studien in Europa<br />
liegen bereits vor.<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Micromet setzt Antikörper ein, um das Immunsystem für die<br />
Erkennung von Tumoren zu sensibilisieren und verwendet dazu<br />
voll humane Antikörper. Der humane MT201-Antikörper<br />
befindet sich zur Zeit in einer klinischen Phase-II-Studie zur<br />
Behandlung von Prostatakrebs und Micromet hat mit Boehringer<br />
Ingelheim eine Allianz zur Produktion und Prozessentwicklung<br />
geschlossen. Darüber hinaus entwickelt Micromet Antikörper-<br />
Derivate, neuartige Substanzen, die bestimmte T-Zellen aktivieren,<br />
die die wirksamsten Killer-Zellen des Immunsystems<br />
sind. Im Vergleich zu traditionellen Antikörpern sind die<br />
Derivate um den Faktor 100.000 wirksamer.<br />
Trion Pharma entwickelt eine neue Generation von intakten<br />
bispezifischen Antikörpern (triomab), die spezifisch gegen<br />
charakteristische Antigene epithelialer Tumore gerichtet sind.<br />
Die triomab-Antikörper removab und rexomun haben den<br />
Vorteil, dass sie gleichzeitig zwei immunologische Kaskaden<br />
aktivieren. Sie erkennen die auf Tumorzellen vorkommenden<br />
Antigene EpCAM und Her2/neu und koppeln ferner an die<br />
beiden freien Bindungsstellen der triomab-Antikörper T-<br />
Lymphozyten und Fresszellen an. Durch die effektive Ausbildung<br />
eines Tri-Zell-Komplexes werden die Immunzellen<br />
direkt an den Tumor herangeführt und gezielt aktiviert. Diese<br />
Konstellation führt zu einer von herkömmlichen therapeutischen<br />
Antikörpern bisher nicht erreichten Effizienz bei der<br />
Zerstörung von Krebszellen. Die Wirksamkeit der triomab<br />
Antikörper wurde in Tiermodellen sowie bei der Entfernung<br />
von Tumorzellen aus Stammzellpräparaten von Brust- und<br />
Eierstockkrebs-Patientinnen eindeutig belegt. Mit Beginn der<br />
klinischen Prüfungen und der bereits abgeschlossenen Phase-<br />
I/II-Studie bei Eierstockkrebs-Patientinnen mit malignem<br />
Aszites wurde bereits eine neue Stufe der Arzneimittelentwicklung<br />
erreicht.<br />
35
Bio-Generika<br />
P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />
Bis zum Jahr 2006 werden 11 biopharmazeutische Produkte aus<br />
der ersten Generation (Markteintritt in den 80er und frühen 90er<br />
Jahren) mit heute über 13 Milliarden € Umsatz ihren Patentschutz<br />
verlieren. Damit werden sie zum Ziel von Generika-<br />
Herstellern, denn mit ihren potenziell hohen Umsätzen und<br />
komfortablen Margen, die oft höher liegen als diejenigen<br />
klassischer Pharmazeutika, sind die Biopharmazeutika ein<br />
attraktives Geschäftsfeld.<br />
Vom Ablauf der Patente wird zuerst der europäische Markt<br />
betroffen sein, denn in den USA sind die meisten dieser Produkte<br />
noch einige Jahre geschützt. Noch in diesem Jahr wird<br />
beispielsweise in Europa das Patent für das gentechnisch<br />
hergestellte Erythropoietin der Firma Amgen ablaufen. So ist es<br />
nur konsequent, dass bereits einige Firmen in den Startlöchern<br />
stehen, um nachgeahmte Biopharmazeutika, so genannte Bio-<br />
Generika, zu entwickeln und zu vermarkten. Beispiele hierfür<br />
sind die Hexal und die Stada Arzneimittel, die über ihre<br />
Tochterfirma Biogenerics in Kooperation mit der niederländischen<br />
DSM-Gruppe die Produktion von Bio-Generika<br />
verfolgt. Auch die Ratiopharm entwickelt mit ihrer Biotech-<br />
Tochter BioGeneriX aus Mannheim solche Substanzen.<br />
Noch im Jahr 1989 wurde laut Adamant Biomedical Investments<br />
mit Biopharmazeutika weniger als 50 Millionen US$<br />
Umsatz gemacht, in 2003 belief sich deren weltweites<br />
Marktvolumen bereits auf rund 30 Milliarden US$ und soll sich<br />
bis 2010 noch verdoppeln. Bei den Bio-Generika rechnen<br />
Analysten der DZ Bank für den europäischen und USamerikanischen<br />
Markt mit einem Umsatzvolumen von vier<br />
Milliarden US$ in 2005. In Osteuropa, Asien und Südamerika<br />
besteht bereits heute ein Markt für Bio-Generika. Hier sind die<br />
gesetzlichen Bestimmungen für Patente und Entwicklungen<br />
patentgeschützter Medikamente nicht so streng wie in den USA<br />
oder Europa. Auf Grund des in Europa noch nicht gesicherten<br />
gesetzlichen Zulassungsrahmens für Bio-Generika sowie einer<br />
Reihe von komplexen Fragen zu Produktions- und Qualitätssicherung<br />
ist mit einer Vermarktung in Europa frühestens in<br />
2005/2006 zu rechnen.<br />
Die Herausforderung bei der Entwicklung, Produktion und<br />
Zulassung von Bio-Generika liegt darin, dass die Herstellungsprozesse<br />
auf lebenden Zellen oder Organismen basieren.<br />
Hierbei kann oftmals nicht von einer qualitativ und quantitativ<br />
reproduzierbaren Herstellung ausgegangen werden.<br />
Genau dies ist jedoch das Merkmal klassischer, chemischsynthetisch<br />
hergestellter Generika, die dem Ursprungsprodukt<br />
des Originalherstellers insofern weitgehend gleichen, als dass<br />
sie den gleichen Wirkstoff in der gleichen Menge enthalten. Der<br />
Wirkstoff ist somit qualitativ und quantitativ identisch mit dem<br />
Wirkstoff des Originalpräparates. Nur deswegen wird im<br />
Zulassungsverfahren von der therapeutischen Gleichwertigkeit<br />
des Generikums ausgegangen und auf eine erneute klinische<br />
Prüfung auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit weitgehend<br />
verzichtet. Die Zulassung des Generikums erfolgt somit unter<br />
Berufung auf entsprechende Unterlagen des Originalherstellers.<br />
Als einzige Anforderung muss lediglich die Bioäquivalenz in<br />
kleineren und wenig kostspieligen Studien nachgewiesen<br />
werden.<br />
Bei den Biopharmazeutika dagegen können bereits kleine<br />
Änderungen im Herstellungsprozess, zum Beispiel der<br />
Fermentationsbedingungen, zu Unterschieden im Wirkmolekül<br />
führen, die die Wirksamkeit des Medikaments oder auch dessen<br />
Verträglichkeit nachhaltig verändern. Schon kleine Veränderungen<br />
in der räumlichen Molekülstruktur können Allergien<br />
und Immunreaktionen hervorrufen. Zudem kann es sehr<br />
spezifische Formulierungsbedingungen (zum Beispiel Hilfsstoffe,<br />
Konjugation oder spezielle, chemikalische oder<br />
physikalische Bedingungen) erfordern, um bei der Verabreichung<br />
eine bestimmte biologische Aktivität zu entfalten.<br />
Diese Faktoren müssen bei der Entwicklung und Produktion<br />
von Bio-Generika berücksichtigt werden. Der stringente Nachweis<br />
der klinischen Äquivalenz kann zeitaufwändig und teuer<br />
sein und wird durch das Fehlen klarer Zulassungsrichtlinien<br />
erschwert, denn in der EU gibt es bisher keine speziellen<br />
Vorschriften für biologische Generika. So muss in Europa für<br />
jedes biogenerische Produkt individuell abgeklärt werden,<br />
welcher Nachweis nötig sein wird und ob neue Tier- und<br />
Humanversuche durchgeführt werden müssen. Selbst in den<br />
USA ist die FDA mit klaren Richtlinien für Bio-Generika<br />
zurückhaltend.<br />
Einige Generikaproduzenten entwickeln bereits Kopien von<br />
Biopharmazeutika und versuchen dabei auch, den Patentschutz<br />
zu umgehen, indem sie einen alternativen Weg für die<br />
Herstellung identischer oder fast identischer Wirksubstanzen<br />
suchen. Patenthürden zu umgehen, erweist sich aber als<br />
besonders schwierig, da der Originalhersteller meist nicht nur<br />
das Patent für die Wirksubstanz sondern auch Patente auf den<br />
Herstellungsprozess und die Formulierung besitzt.<br />
36 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Elmar Schäfer, CEO und Dr. Klaus Maleck, CFO<br />
BioGeneriX AG, Mannheim<br />
Mit Biogenerika zum voll integrierten Biotech-Unternehmen<br />
– Herausforderungen an Geschäftsstrategien<br />
und Entwicklungskompetenz<br />
Kunststudenten kopieren große Meister, um ihre technischen Fähigkeiten so weit zu<br />
verbessern, dass sie ihre eigenen Ideen eines Tages selbst umsetzen können. Die in einigen<br />
Bereichen zurück liegende, deutsche Biotech-Industrie würde davon profitieren,<br />
große (zumeist US-amerikanische) Meister nachzuahmen, um eine nachhaltige Strukturentwicklung<br />
in dieser Schlüsselbranche zu ermöglichen. Besonders die Fähigkeit zur<br />
Produktentwicklung, Grundlage, um aus kreativen Plänen auch kommerziell verwertbare<br />
Produkte entstehen zu lassen, weist Schwächen auf.<br />
Die BioGeneriX AG betritt seit Mitte 2000 neue Wege, um risikooptimiert zu einem integrierten<br />
Biotech-Unternehmen heranzuwachsen. Als Pilotprojekte dienen dazu „similar<br />
biologics“, also Arzneimittel, deren Wirkmechanismus bekannt ist und die vom Markt als<br />
„me-too’s“ charakterisiert, regulatorisch aber als neue Wirkstoffmoleküle angesehen<br />
werden. Der Markt für diese Produkte, der sich auf Grund von Patentabläufen erst jetzt<br />
und sukzessiv öffnet, wird in den nächsten 5 Jahren auf knapp 20 Mrd. Euro anwachsen.<br />
Biotechnologisch hergestellte Wirkstoffe wie Insulin, G-CSF und Erythropoeitin verlieren<br />
in diesen Jahren ihren (europäischen)<br />
Patentschutz und werden auf Grund<br />
ihrer überragenden therapeutischen<br />
Eigenschaften und des damit verbundenen<br />
Markterfolgs Ziel von Nachentwicklungen<br />
sein. In diesen Fällen<br />
handelt es sich nicht um reine Generika-Entwicklungen.<br />
Vielmehr müssen<br />
alle Stufen der komplexen Arzneimittelentwicklung<br />
neu gestaltet und<br />
durchlaufen werden, um moderne,<br />
qualitativ hochstehende und sichere<br />
Medikamente anbieten zu können.<br />
Diese eigenständigen Entwicklungen umfassen insbesondere die Erprobung des<br />
Arzneimittels am Menschen in klinischen Prüfungen.<br />
Die Projektwahl der „similar biologics“ ermöglicht also nicht nur das frühe Forschungsund<br />
spätere Vermarktungsrisiko überschaubar zu halten, sondern erlaubt auch eine<br />
ganzheitliche und optimierte Projektplanung der diversen Entwicklungsphasen von Beginn<br />
an. Diese Fokussierung begründet eine resultatorientierte, strategische Ausrichtung und<br />
die Ableitung eines Zielsystems, das die Motivation aller BioGeneriX-Mitarbeiter plausibel<br />
unterstützt. Organisatorisch spiegelt sich die projektbedingte Komplexität in der<br />
funktional breiten Aufstellung seit dem ersten Jahr wieder: die klinische Forschung und<br />
die Zulassung waren nach weniger als einem Jahr ebenso an Bord wie die pharmazeutische<br />
und biotechnologische (Verfahrens-)Entwicklung sowie das Business Development.<br />
Obwohl jeder Bereich zunächst nur durch jeweils einen Spezialisten abgedeckt wurde,<br />
erlaubte dies ein interdisziplinäres, vorausschauendes Arbeiten an den Projekten.<br />
In dieser frühen Phase wurden sämtliche praktische Arbeiten fremdvergeben und durch<br />
die internen Spezialisten betreut und ausgewertet. Dieses „semi-virtuelle“ Konzept<br />
wurde bewusst gewählt, um einerseits den strengen Anforderungen an eine Arzneimittelentwicklung<br />
gerecht zu werden, andererseits aber die Investitionen und Fixkosten<br />
gering zu halten. Eine Fixkostenbegrenzung schien notwendig, da die Risiken der<br />
Entwicklung und Vermarktung besonders zu Beginn, sehr hoch waren. Ungeklärte<br />
regulatorische und politische Rahmenbedingungen, patentrechtliche Probleme, Abwehrstrategien<br />
von Originatoren (inklusive Nachfolgepräparate), neue Marketingstrategien<br />
und schwierige Vertriebsbedingungen zwangen zu dieser finanziellen Vorsicht. Die Synergien<br />
zum bekannten Generika-Geschäft wurden als gering eingeschätzt. Dies begründete<br />
auch die Entscheidung, eine dedizierte, autonome Firma auszugründen, die gezielt<br />
Flexibilität im Umgang mit langen Zeitachsen und hohen Kosten ermöglichen sollte.<br />
Die BioGeneriX AG hat sich seit dem Jahr 2000 als kompetenter und versierter Auftraggeber<br />
für viele Biotech- und mittelständische Pharmafirmen national und international<br />
etablieren können. Projektkoordination ist folglich eine der tragenden Säulen<br />
unseres Geschäfts geworden.<br />
Mit der Einweihung des S1-Labors im High-Tech-Park Mannheim stehen der BioGeneriX<br />
seit Juni 2001 auch eigene Entwicklungskompetenzen zur Verfügung. Zell- und<br />
molekularbiologische sowie proteinanalytische Arbeiten werden nun verstärkt in Eigenregie<br />
durchgeführt. Die erste Kompletteigenentwicklung<br />
soll in diesem Jahr in<br />
die präklinischen Phasen gebracht<br />
werden. Dazu wird das Labor auf einen<br />
„GMP-like“ Status gebracht, der die<br />
Entwicklung und Herstellung von Wirkstoff<br />
im Pilotmaßstab ermöglicht. Eine<br />
Ausdehnung der Laborkapazitäten zur<br />
galenischen Entwicklung von Proteinformulierungen<br />
ist ebenso nahe<br />
liegend. Mit fortschreitenden Projekten<br />
(4 Projekte werden im Jahr 2004 in<br />
den klinischen Phasen sein) spielen<br />
auch Herstellkosten zunehmend eine Rolle. Langfristig wird es Sinn machen, die Herstellkosten<br />
zu senken und sowohl die Wirkstoff- als auch die Arzneimittelproduktion zu<br />
integrieren.<br />
Zusammen mit der Vermarktungskompetenz unserer Vertriebspartner ist die BioGeneriX<br />
somit auf dem Weg, zu einem der ersten voll integrierten Biotech-Unternehmen in<br />
Deutschland zu werden. In der Folge wird BioGeneriX prädestiniert sein, wissenschaftlich<br />
anspruchsvollere und innovative Projekte zu bearbeiten. Bereits heute verfügt<br />
BioGeneriX über mehrere eigene Patente und ausgezeichnetes proprietäres Know-how<br />
im Bereich therapeutischer Proteine.<br />
www.biogenerix.com<br />
37
Molekulardiagnostika<br />
P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />
Das zweithäufigste Geschäftsfeld, auf dem die deutschen Core-<br />
Biotech-Unternehmen der „roten“ Biotechnologie aktiv sind,<br />
sind die Molekulardiagnostika.<br />
Molekulardiagnostik umfasst alle Methoden zur Identifizierung<br />
von Krankheiten oder deren Prädisposition mittels der<br />
Analyse von DNA oder RNA eines Organismus. Insbesondere<br />
die Detektion von Infektionskrankheiten, die virale Genotypisierung,<br />
die Krebs- und Prädispositionsdiagnostik, genetische<br />
Tests von Erbkrankheiten sowie forensische und pharmakogenetische<br />
Tests profitieren vom Einsatz der Molekulardiagnostika.<br />
Derartige Testsysteme beruhen vor allem auf dem<br />
Einsatz der PCR-Technologie, deren grundlegende Lizenz bei<br />
der Schweizer Roche liegt, jedoch im Jahre 2005 abläuft. Auf<br />
Basis dieser Technologie lassen sich in der Regel sehr spezifisch<br />
und schnell diagnostische Ergebnisse erzielen.<br />
Es kann davon ausgegangen werden, dass mittelfristig die<br />
gezielte Molekulardiagnostik durch ihre Präzision dazu beitragen<br />
wird, Kosten für aufwändige und langwierige Diagnoseverfahren<br />
und anschließende Therapiemaßnahmen zu senken.<br />
Jedoch muss auch gesehen werden, dass die Umsetzung<br />
von neuen Technologien und Anwendungen in der Klinik sehr<br />
langsam vorangeht. Die Gründe liegen zum einen bei den<br />
derzeitigen Einsparungsbestrebungen im Gesundheitssystem.<br />
Zum anderen sehen sich innovative Biotech-Unternehmen mit<br />
ihren Dienstleistungen und neuen Produkten aber auch dem<br />
Problem mangelnder Akzeptanz seitens der Kliniken gegenüber.<br />
So gab eine in der Molekulardiagnostik tätige Firma als Wachstumshemmnis<br />
an, dass die DNA-Diagnostik, die von Naturwissenschaftlern<br />
(Chemikern, Biologen) durchgeführt wird,<br />
keine Lobby hat und mit Medizinern in Konflikt gerät, die<br />
dagegen eine starke Lobby haben. Auch werden Firmen mit<br />
einem starken Preisverfall konfrontiert, der aus den angebotenen<br />
Konkurrenzprodukten aus Tschechien, Australien,<br />
England und den USA resultiert.<br />
Dennoch wird der Molekulardiagnostik ein großer zukünftiger<br />
Markt zugeschrieben. Laut dem Cambridge Institute of Health<br />
ist der klinische Markt für derartige Produkte weltweit in einer<br />
Dekade von weniger als 50 Millionen US$ auf über eine<br />
Milliarde US$ angewachsen und wird sich bis zum Jahr 2008<br />
weiter auf drei Milliarden US$ steigern.<br />
Vor allem die Krebsdiagnostik wird hierbei eine wichtige Rolle<br />
spielen. Auf dieses Feld setzt zum Beispiel die Heidelberger<br />
mtm Laboratories, die sich mit ihrer molekularbiologischen<br />
Herangehensweise auf die Detektion von Gebärmutterhalskrebs<br />
fokussiert. Der Glaube an die Zukunftsperspektiven der Firma<br />
wurde im vergangenen Jahr durch den Abschluss einer zweiten<br />
Finanzierungsrunde mit insgesamt 12 Millionen € eindeutig<br />
unterstrichen.<br />
Mit dem Aufkommen der Lungenkrankheit SARS im vergangenen<br />
Jahr, die durch eine Variante des Coronavirus verursacht<br />
wird, konnte die Molekulardiagnostik zeigen, welches Potenzial<br />
in ihr steckt: Der Erreger-Virus kann inzwischen mit Hilfe neu<br />
entwickelter molekularbiologischer Tests innerhalb von nur<br />
zwei Stunden nachgewiesen werden. Die weltweit erste Markteinführung<br />
eines SARS-Tests und damit die Marktführerschaft<br />
gelang hierbei einem deutschen Biotech-Unternehmen, der<br />
Hamburger artus. Zudem arbeitet die Berliner Minerva Biolabs<br />
an der Entwicklung eines schnellen SARS-Nachweissystems.<br />
Konkurrenz erhalten die Biotech-Firmen dabei vom Diagnostik-<br />
Weltmarktführer Roche, der in einer Rekord-Entwicklungszeit<br />
von nur acht Wochen an seinem Forschungsstandort Penzberg<br />
ebenfalls einen Test zum Nachweis des SARS-Virus entwickelt<br />
hat. Der Test wird weltweit jedoch ausschließlich zum Einsatz<br />
in der Forschung vermarktet.<br />
Ein anderer Erreger mit hohem Bekanntheitsgrad, das BSE-<br />
Prion, wird in Kürze mit einem hochsensitiven Post-mortem-<br />
Test der Leipziger Roboscreen nachgewiesen werden können.<br />
Alle entscheidenden Testbausteine – unter anderem ein rekombinantes<br />
Prionenprotein und ein monoklonaler Antikörper –<br />
stellt das Unternehmen selbst her. Der Test soll laut Roboscreen<br />
erhebliche Preisvorteile gegenüber anderen, bereits auf dem<br />
Markt befindlichen Test haben.<br />
Im Bereich „LabChips“ ist die Erlanger november über ihre<br />
Kooperation mit der Regensburger Wilden einen Schritt weitergekommen.<br />
Als Marktführer in der Fertigung medizinischer<br />
Kunststoffsysteme wird Wilden in die Weiterentwicklung und<br />
Serienfertigung eines Chips aus transparentem mikrostrukturiertem<br />
Kunststoff eingebunden. Auf dem Chip werden für die<br />
Nukleinsäurediagnostik verschiedene Funktionsbereiche wie<br />
Probeaufnahme, Vorratsbehälter, Reaktionskammer und Detektionseinheit<br />
integriert, mit dem Ziel, eine Bedienungszeit von<br />
weniger als einer Minute zu erreichen.<br />
38 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Ulrich Spengler, Geschäftsführer und Mitgründer<br />
artus GmbH, Hamburg – San Francisco – Kuala Lumpur<br />
Molekulardiagnostik<br />
– Die Zukunft für Diagnostik-Unternehmen<br />
SARS und die jüngsten Fälle der Übertragung der Vogelgrippe auf den Menschen<br />
machen deutlich, dass Infektionskrankheiten im 21. Jahrhundert eine der großen<br />
medizinischen Herausforderungen darstellen werden. Die SARS-Epidemie im Frühling<br />
des vergangenen Jahres zeigt zudem, dass Infektionserreger heute durch den globalen<br />
Flugverkehr innerhalb sehr kurzer Zeit über die ganze Welt verbreitet werden können.<br />
Eine schnelle Diagnose des Erregers ist daher nicht nur wichtig, um<br />
die einzelne infizierte Person zu behandeln, sondern auch um die Ausdehnung<br />
der Infektion zu begrenzen.<br />
Die artus GmbH stellt sich dieser neuen Herausforderung und bietet<br />
mit Hilfe molekulardiagnostischer Nachweisverfahren schnelle und<br />
moderne Möglichkeiten der Detektion und der Prävention von<br />
Infektionserkrankungen. So entwickelt, produziert und vertreibt das<br />
Unternehmen Erregerdiagnostika für den humanen und veterinären<br />
Bereich. Mit seinen RealArt-Erreger-Nachweissystemen, die auf der<br />
Real-time-PCR-Technologie (PCR = engl. „polymerase chain reaction“,<br />
dt. Polymerase-Kettenreaktion) beruhen, ist das Biotechnologieunternehmen<br />
weltweit einer der größten Anbieter auf diesem Gebiet<br />
und eine der wenigen Firmen, die diese IVD-Produkte (IVD = In-vitro-<br />
Diagnostika) weltweit lizenziert anbieten kann.<br />
artus als Anbieter hochwertiger Diagnostikprodukte<br />
Als Hersteller von Real-time PCR basierten Nachweissystemen für Erreger hat sich die<br />
artus GmbH weltweit den Ruf eines universellen Anbieters dieser hochwertigen und<br />
modernen Diagnostikprodukte erworben. Neben einer möglichst breit angelegten<br />
Produktpalette, die die Diagnose einer Vielzahl von Infektionserkrankungen erlaubt,<br />
fokussiert das Unternehmen insbesondere auf die Entwicklung von Nachweisverfahren<br />
für neu auftretende Erreger, wie z. B. das HPA-Coronavirus der SARS-Infektion. Die<br />
schnelle und flexible Bereitstellung derartiger Verfahren im Markt stärkt wiederum die<br />
Position der artus GmbH als kompetenten Ansprechpartner für Real-time PCR basierte<br />
Nachweissysteme. Begleitet werden die Einführung und der Verkauf der Produkte durch<br />
eine intensive Beratung und Betreuung, die das Unternehmen den Kunden über seine<br />
drei Niederlassungen in Hamburg, Kuala Lumpur und San Francisco anbietet.<br />
artus bietet derzeit mehr als 60 Produkte, d. h. Testsysteme, die auf dem Verfahren der<br />
Real-time PCR beruhen, für den spezifischen Nachweis von Viren, Bakterien und<br />
Parasiten. Die Kunden für diese Produkte sind in erster Linie Diagnostiklabore, Krankenhaus-<br />
und Forschungseinrichtungen sowie die Industrie, die sich mit molekulardiagnostischen<br />
Verfahren beschäftigen.<br />
Die Real-time PCR<br />
Die PCR ist eine Methode zur Vervielfältigung von spezifischen Nukleinsäureabschnitten<br />
und mittlerweile eine Standardmethode in vielen Analyse-Laboren geworden. Das<br />
Verfahren wird u. a. im Bereich der Infektiologie, der Genetik und der Onkologie<br />
routinemäßig eingesetzt. Die Real-time PCR ist eine Weiterentwicklung des PCR-<br />
Verfahrens, mit dessen Hilfe die Nukleinsäureabschnitte durch Fluoreszenzfarbstoffe<br />
im Verlauf der Vervielfältigung nachgewiesen und auf einem Monitor dargestellt werden<br />
können. Im Vergleich zu klassischen Methoden der Diagnostik ermöglicht das Real-time-<br />
PCR-Verfahren einen sehr schnellen, sensitiven und hoch spezifischen Nachweis der<br />
Erreger.<br />
Über artus<br />
Die artus GmbH ist eine Ausgründung des Bernhard-<br />
Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNI), Hamburg. Hier<br />
wagten 1998 sechs Wissenschaftler den Sprung in die<br />
Selbstständigkeit mit dem Ziel, diagnostische Nachweisverfahren<br />
auf Real-time-PCR-Basis zu entwickeln und zu<br />
vertreiben.<br />
1999 erwarb das Unternehmen die exklusive Lizenz der<br />
Firma Prionics, Schweiz, zur Durchführung von BSE-Tests<br />
in Norddeutschland. Rund ein Jahr später identifizierte<br />
artus als erstes Labor in Deutschland ein positives BSE-<br />
Rind und zog weltweites Interesse auf sich. Mitte April<br />
2003 rückte das Unternehmen erneut ins Zentrum des<br />
öffentlichen Interesses, als es in Zusammenarbeit mit dem Bernhard-Nocht-Institut als<br />
erste Firma ein HPA-Coronavirus-Detektionssystem – zum Nachweis des SARS-Erregers<br />
– auf den Markt brachte. 2002 erwarb artus von der F. Hoffmann-La Roche Lizenzen zur<br />
diagnostischen Nutzung der Polymerase-Kettenreaktion zum Nachweis von Herpesviren,<br />
tierpathogenen Erregern und Tropenkrankheiten mittels PCR und legte damit den Grundstein<br />
für die weltweite Vermarktung erster PCR-gestützter Nachweissysteme. Im<br />
Dezember 2003 folgte die dritte, so genannte breite Lizenz, mit der artus seine<br />
RealArt-PCR-Kits für die In-vitro-Diagnostik beim Menschen in den Bereichen<br />
Infektiologie, Genetik, Onkologie, Gewebetypisierung sowie zur Überwachung<br />
medikamentöser Therapien herstellen und auf dem Markt vertreiben darf. Heute<br />
beschäftigt artus mehr als 80 Mitarbeiter. Der weltweite Vertrieb erfolgt über die Büros<br />
in Hamburg, San Francisco und Kuala Lumpur sowie über Vertriebspartner in mehr als 30<br />
Ländern Europas, Asiens, Lateinamerikas und des pazifischen Raums.<br />
www.artus-biotech.de<br />
39
Tissue Engineering<br />
P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />
Auch der Bereich „Tissue Engineering“ – also die Herstellung<br />
von menschlichen Zellen, Geweben und ganzen Organen aus<br />
körpereigenen Zellen – wird von einigen der deutschen Core-<br />
Biotech-Firmen verfolgt.<br />
Eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik<br />
und Innovationsforschung in Karlsruhe für die EU-Kommission<br />
zeigt jedoch, dass sich für die Biotechnologie-, Pharma- und<br />
Medizintechnikbranche die Umsatzhoffnungen des „Tissue<br />
Engineerings“ bislang nicht erfüllt haben. Danach erzielt die<br />
Branche derzeit weltweit nicht mehr als 60 Millionen € Umsatz<br />
pro Jahr. Dennoch gibt die Studie auch Prognosen für die<br />
Zukunft ab, nach denen die Hoffnungen „nicht gleich komplett<br />
begraben“ werden müssen. So wird das Potenzial für Geweberekonstruktion<br />
und regenerative Medizin als wesentlich größer<br />
eingeschätzt, als es der aktuelle Markt auf Grund erster<br />
vermarktbarer Produkte, wie in vitro gezüchtetem Knorpel-,<br />
Knochen- und Hautersatz, zeigt.<br />
Nach den Prognosen verschiedener Experten soll beispielsweise<br />
der Markt für Hautersatz und Wundheilung, in dem laut<br />
Studie zur Zeit ein Jahresumsatz von 20 Millionen € erzielt<br />
wird, mittelfristig auf eine Größe zwischen 800 Millionen € und<br />
gut sechs Milliarden € anwachsen.<br />
Auswahl deutscher Biotech-Firmen, die sich mit Tissue<br />
Engineering beschäftigen<br />
Ars Arthro AG, Esslingen<br />
Entwicklung, Vertrieb und Produktion von menschlichem<br />
Gewebe auf Basis einer patentierten Kollagen-I-Matrix; erstes<br />
Produkt am Markt ist ein autologes, matrixgekoppeltes<br />
Chondrozytentransplantat.<br />
AutoTissue GmbH, Berlin<br />
Erforschung und Produktion von kardiovaskulären Implantaten,<br />
wie z. B. biologische Herzklappen und Bypass-Gefäße<br />
CellTec GmbH, Hamburg<br />
Herstellung von autologen Zelltransplantaten<br />
Im Bereich der künstlichen Knorpel kann der aktuell bestehende<br />
Weltmarkt von 40 Millionen € ein Volumen von 1,5<br />
Milliarden bis 25 Milliarden € erreichen. Auf den Gebieten<br />
Herz-Kreislauf-Erkrankungen (künstliche Herzklappen, Gefäße<br />
und Kardiomyozoten), Neurologie und extrakorporale Organe<br />
wie künstliche Leber und Pankreas können neue Wachstumsmärkte<br />
erschlossen werden.<br />
Der ernüchternde Befund liegt laut den Autoren der Studie<br />
darin, dass künstliche Gewebe erst noch beweisen müssten, dass<br />
sie als Ersatz für etablierte Behandlungsmethoden langfristig<br />
wirksamer oder Kosten sparender sind. Zudem ist die Kostenübernahme<br />
durch die Krankenkassen vielfach noch ungeklärt.<br />
Ein weiterer Hemmschuh – die rechtliche Unsicherheit – soll<br />
nach Angaben der EU-Kommission schon bald durch eine<br />
spezielle Verordnung für das Inverkehrbringen von Produkten<br />
des Tissue Engineerings ausgeräumt werden.<br />
Von den Sample-Unternehmen, die sich auf „Tissue<br />
Engineering“ konzentrieren, sind bereits ein Drittel der Produkte<br />
auf dem Markt. Die anderen zwei Drittel der Projekte befinden<br />
sich noch in Forschung und Entwicklung. Neben den bereits<br />
bekannten und börsennotierten Firmen wie der co.don aus Berlin<br />
und der mittlerweile von der Börse genommenen und neu<br />
gegründeten BioTissue Technologies aus Freiburg gibt es eine<br />
Reihe weiterer privater Tissue-Engineering-Firmen.<br />
euroderm GmbH, Leipzig<br />
Herstellung von Hauttransplantaten für den Wundmarkt<br />
Heart BioSystems GmbH, Heidelberg<br />
Tissue Engineering mit adulten Stammzellen<br />
Phenion GmbH & Co. KG, Frankfurt am Main<br />
Entwicklung und Vermarktung innovativer Produkte/<br />
Wirkstoffe für die Haut<br />
TETEC AG, Reutlingen<br />
Zellkultivierung für autologe Chondrozytentransplantation.<br />
Weiterentwicklung im Bereich des Stütz- u. Bewegungsapparates<br />
40 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
„Grüne“ Biotechnologie<br />
In der „grünen“ Biotechnologie, sprich den Anwendungen der<br />
modernen Biotechnologie im Agrarsektor, sind die kleinen<br />
Biotech-Firmen nach wie vor eher in Nischen tätig. Der Markt<br />
wird von den großen Agro-Konzernen beherrscht und noch<br />
immer von Diskussionen zur „Gefahr“ transgener Pflanzen<br />
sowie entsprechenden Regelwerken beeinträchtigt.<br />
„Kabinett legt Entwurf vor“<br />
Quelle: transkript, März 2004<br />
Die Bundesregierung hat dem von Verbraucherministerin Künast<br />
vorgelegten Entwurf für ein neues Gentechnik-Gesetz Mitte<br />
Februar zugestimmt. Künast bezeichnete das Regelwerk bei<br />
seiner Vorstellung in Berlin als „Gesetz zum Schutz des gentechnikfreien<br />
Anbaus in Deutschland“ und zeigte sich optimistisch,<br />
dass es nach der Sommerpause rechtskräftig werde. Bundesforschungsministerin<br />
Edelgard Bulmahn meinte: „Wir haben die<br />
Interessen der Forschung und des Verbraucherschutzes in ein<br />
ausgewogenes Verhältnis gebracht.“<br />
Einhellige Ablehnung<br />
Kritik hagelte es dagegen von Verbänden, die sich für oder gegen<br />
den Anbau gentechnisch veränderter (GV) Pflanzen in Deutschland<br />
engagieren – für einen Vertreter des Verbraucherschutzministeriums<br />
„ein Zeichen, dass man mit dem Gesetz die<br />
richtige Mitte getroffen habe“. Den Gentechnik-Gegnern gehen<br />
Künasts Regeln, die ein Nebeneinander von GV- und anderen<br />
Pflanzen gewährleisten sollen, nicht weit genug. Die Befürworter<br />
sprechen dagegen von einem „Gentechnik-Verhinderungsgesetz“,<br />
das Bauern, die GV-Pflanzen anbauen wollen,<br />
einseitig Steine in den Weg lege. Angeheizt wurde die<br />
Stimmung davon, dass keiner der zahlreichen Änderungsvorschläge,<br />
die die Verbände auf einer eigens vom Verbraucherschutzministerium<br />
anberaumten Anhörung in Bonn eingebracht<br />
hatten, in dem Gesetzestext berücksichtigt wurde. Entsprechend<br />
erzürnt reagierten die Verbandsvertreter.<br />
Den 20 in Bonn versammelten Vertretern der Gentechnik-<br />
Skeptiker geht der Gesetzesentwurf nicht weit genug und<br />
gewährleistet „keinen gentechnikfreien Anbau“. Sie forderten<br />
Mitte Januar diesen Jahres hat sich nach drei Verhandlungsrunden<br />
im Bundeskanzleramt das Verbraucherministerium mit<br />
dem Bundesforschungs- und Bundeswirtschaftsministerium auf<br />
gemeinsame Eckpunkte für ein novelliertes Gentechnik-Gesetz<br />
geeinigt. Das Gesetz wurde Mitte Februar beschlossen und<br />
damit die Freisetzungsrichtlinie der EU zu transgenen Pflanzen<br />
umgesetzt. Geregelt werden vor allem die Risikobewertung, das<br />
Risikomanagement, die Kennzeichnung und die Überwachung<br />
von gentechnisch veränderten Organismen.<br />
unter anderem, dass die Verursacher von „Gentechnik-<br />
Verunreinigungen“ in konventionellen und Ökoprodukten bei<br />
Rechtsstreitigkeiten die Analysenkosten tragen müssten oder<br />
dass zumindest ein Haftungsfonds eingerichtet werden müsse.<br />
Zudem sollten – nach Ansicht von Greenpeace – nicht nur die<br />
Bauern, sondern auch Verbände das Recht erhalten, detaillierte<br />
Auskünfte über die Standorte gentechnisch veränderter<br />
Pflanzen zu erhalten. „Der Entwurf des deutschen Gentechnik-<br />
Gesetzes regelt nicht, wer haftet, wenn Umweltschäden<br />
entstehen“, kritisierte Dr. Felix Prinz zu Löwenstein vom Bund<br />
ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Das Öko-Institut<br />
Freiburg plädierte dafür, gentechnikfreie Anbauflächen zu<br />
schaffen.<br />
Dr. Ricardo Gent, Geschäftsführer der Deutschen Industrievereinigung<br />
Biotechnologie, kritisierte dagegen gemeinsam mit<br />
neun Verbänden aus dem Lager der Gentechnik-Befürworter,<br />
dass durch das Gesetz den Bauern einseitig kostenträchtige<br />
Vorsorgepflichten und Haftungsrisiken aufgezwungen würden,<br />
wenn sie GV-Pflanzen anbauen wollen. Dies behindere jede<br />
Anwendung der grünen Gentechnik. Als „bürokratisch, einseitig<br />
und innovationsfeindlich“ bezeichneten auch die Präsidenten<br />
der Gesellschaft für Genetik, Prof. Dr. Rudi Balling, und<br />
des Verbandes deutscher Biologen, Dr. Hans-Jörg Jacobsen, die<br />
Vorlage. Zusätzliche Kontrollinstanzen wie das Bundesamt für<br />
Naturschutz erzeugen laut Balling nur „zusätzliche Kosten und<br />
verzögern Forschung und Entwicklung“. Zugleich schade das<br />
Gesetz der Forschung, „denn die Bedingungen von Freisetzungen<br />
zu wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Zwecken<br />
werden gleichgestellt“, so Jacobsen.<br />
In den Beratungen über das zustimmungspflichtige Gesetz im<br />
Bundestag und -rat liegen die Positionen von Regierung und<br />
Opposition so weit auseinander, dass ein Vermittlungsverfahren<br />
bevorsteht.<br />
41
P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />
Als Vertreter eines Biotech-Unternehmens hat sich Dr. Harald<br />
Seulberger von der Sungene in Gatersleben zu den aktuellen<br />
Entwicklungen geäußert.<br />
Grüne Biotechnologie erobert die Welt – Wo bleibt<br />
Deutschland?<br />
Dr. Harald Seulberger, SunGene GmbH & Co. KGaA, Gatersleben<br />
Grüne Biotechnologie bewährt sich weltweit<br />
Die wirtschaftliche Nutzung von Produkten aus der grünen<br />
Biotechnologie schreitet weltweit rasant voran. Inzwischen werden<br />
global fast 70 Millionen Hektar an gentechnisch verbesserten<br />
Pflanzen angebaut. Der Flächenzuwachs lag 2003 bei<br />
15 %. Dabei werden transgene Pflanzen inzwischen von nahezu<br />
7 Millionen Landwirten in 18 Ländern eingesetzt, 85 % davon<br />
sind Kleinbauern aus Schwellen- und Entwicklungsländern.<br />
Der großflächige Anbau und die Sicherheitsbegleitforschung<br />
der letzten 15 Jahre zeigen dabei ganz eindeutig: Die heute<br />
zugelassenen transgenen Pflanzen und die daraus hergestellten<br />
Produkte sind mindestens so sicher wie konventionell gezüchtete<br />
Pflanzen. Dies wurde auch seitens der Bundesregierung<br />
mehrfach bestätigt.<br />
Wirtschaftliches Potenzial der grünen Biotechnologie<br />
Die erste Produktgeneration der grünen Biotechnologie umfasst<br />
hauptsächlich innovative Problemlösungen im Pflanzenschutz,<br />
d. h. für die Unkraut- und Schädlingsbekämpfung, und trägt<br />
primär zu einer höheren Wertschöpfung beim Landwirt bei. Im<br />
globalen Markt erhöht sie damit seine Wettbewerbsfähigkeit.<br />
Nach aktuellen Studien wird das Marktpotenzial für diese<br />
Produkte bis zum Jahr 2015 weltweit auf 30 Milliarden US$<br />
geschätzt. Ein noch größeres Potenzial von über 100 Milliarden<br />
US$ wird gemäß diesen Studien von den Produkten der zweiten<br />
und dritten Generation zu erwarten sein.<br />
Diese umfassen Pflanzen mit Veränderungen des Gehalts oder<br />
der Zusammensetzung von wertvollen Pflanzeninhaltsstoffen.<br />
Durch das so veränderte Eigenschaftsprofil kann die Pflanze<br />
im Hinblick auf ihre jeweilige Verwendung erheblich an Wert<br />
gewinnen, wie etwa Pflanzenöle, die durch veränderte<br />
Fettsäurezusammensetzung helfen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
zu verhindern. Schließlich können gentechnisch veränderte<br />
Pflanzen als „grüne Fabriken“ dienen. Sie sollen künftig<br />
Materialien wie Kunststoffe, Fasern oder auch industrielle Fette<br />
und Öle auf ökonomische, umwelt- und ressourcenschonende<br />
Weise herstellen.<br />
Seulberger gab auf einem von der DECHEMA initiierten<br />
Pressegespräch im Februar, zum Thema „Quo vadis grüne<br />
Gentechnik“ das nachfolgende Statement ab.<br />
Trotz Bewegung in Brüssel, weiter Hürden in Berlin?<br />
Entgegen dem internationalen Trend kommt die wirtschaftliche<br />
Nutzung der grünen Biotechnologie in Europa und Deutschland<br />
seit Jahren nicht voran. Das 5-jährige De-facto-Moratorium für<br />
die Zulassung gentechnisch veränderter Nutzpflanzen in der EU<br />
sowie die Blockadepolitik aus dem Bundesministerium für<br />
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL)<br />
haben nahezu zu einem Stillstand auf diesem Arbeitsgebiet<br />
geführt. Landwirte und Verbraucher erhalten nicht die Chance,<br />
sich mit den Produkten der grünen Biotechnologie vertraut zu<br />
machen.<br />
Inzwischen haben sich die Voraussetzungen auf europäischer<br />
Ebene geändert und wir gehen davon aus, dass das Moratorium<br />
mit der europäischen Zulassung neuer GVO-Sorten bald auch<br />
praktisch fällt. Getragen von dieser positiven Entwicklung hat<br />
der Anbau von GVO-Mais in Spanien im letzten Jahr um etwa<br />
30 % zugelegt. In Deutschland hingegen werden immer wieder<br />
Hürden errichtet, die eine schnelle Nutzung und Weiterentwicklung<br />
dieser innovativen Technologie verhindern.<br />
Keine Verschärfungen bei der Umsetzung der EU-<br />
Freisetzungsrichtlinie<br />
Inzwischen wurde vom BMVEL die zügige Umsetzung der<br />
Freisetzungsrichtlinie in Aussicht gestellt. Auch wenn wir<br />
diesen längst überfälligen Schritt begrüßen, darf es dabei zu<br />
keinen nationalen Verschärfungen und zu keiner einseitigen<br />
Benachteiligung des Anbaus transgener Kulturpflanzen<br />
kommen.<br />
Der neue Gesetzesentwurf stellt die grüne Biotechnologie aber<br />
fälschlicherweise als Risikotechnologie dar und enthält<br />
Verschärfungen, die über die EU-Richtlinie hinausgehen.<br />
Sollten diese Verschärfungen, insbesondere hinsichtlich der<br />
Haftung, tatsächlich deutsches Recht werden, würden die<br />
Anwender von transgenen Kulturpflanzen so benachteiligt, dass<br />
die wirtschaftliche Nutzung der grünen Biotechnologie in<br />
Deutschland praktisch unmöglich würde.<br />
42 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Nationale Haftungsregelungen ausreichend<br />
Der neue Gesetzesentwurf enthält Verschärfungen, die sich<br />
insbesondere auf die Haftung beziehen. Dabei geht es primär<br />
um das Vorkommen von nicht vermeidbaren Spuren an gentechnisch<br />
verbesserten Pflanzen in konventionell oder ökologisch<br />
angebauten Produkten, die technisch bedingt bzw. durch<br />
Auskreuzungen im Rahmen der Koexistenz der verschiedenen<br />
Anbauformen entstehen könnten. Sollte ein Produkt deshalb mit<br />
abweichender Kennzeichnung und nur mit einem Preisabschlag<br />
verkauft werden können, könnte gemäß dem Gesetzesentwurf<br />
ein Haftungsfall entstehen. Durch die Einführung einer allgemeinen<br />
Verursachungsvermutung und einer damit im Zusammenhang<br />
stehenden gesamtschuldnerischen Haftung zulasten<br />
der GVO-Anwender werden diese in unakzeptabler Weise<br />
einseitig benachteiligt.<br />
Das geltende deutsche Recht enthält bereits umfangreiche<br />
Regelungen zur Haftung. Es besteht kein Bedarf an der<br />
Änderung bestehender Haftungsgesetze und wir lehnen diese<br />
strikt ab. Mit den vorgesehenen Änderungen wird lediglich der<br />
an sicheren transgenen Pflanzen interessierte Landwirt von der<br />
Nutzung der Technologie abgeschreckt.<br />
Register nicht missbrauchen<br />
Ziel des Anbauregisters in der EU-Freisetzungsrichtlinie ist es<br />
vorrangig, den Behörden Hilfestellung für das so genannte<br />
Monitoring zu geben, das sich bei Bedarf aus der Umweltverträglichkeitsprüfung<br />
ergeben kann. Daran muss sich auch<br />
die Umsetzung in deutsches Recht orientieren. Das BMVEL<br />
plant offensichtlich, dass über Register die genaue Lage der Felder<br />
mit gentechnisch veränderten Pflanzen zugänglich wird. Auch<br />
wir unterstützen den Ruf nach mehr Transparenz und Information.<br />
Aber diese Maßnahmen werden eher militante Gentechnikgegner<br />
unterstützen, die bereits in der Vergangenheit durch<br />
Zerstörungen große wirtschaftliche Schäden verursacht haben.<br />
Entscheidungsfreiheit für den Anbau mit und ohne Gentechnik<br />
Die deutsche Biotechnologieindustrie will eine verantwortungsbewusste<br />
Anwendung und Weiterentwicklung der<br />
grünen Biotechnologie auf der Basis wissenschaftlicher Bewertungen<br />
und nachvollziehbarer Standards. Dies kann nur unter<br />
Praxisbedingungen gelingen. Dazu bedarf es neben einer Wahlfreiheit<br />
für die Konsumenten auch einer Wahlfreiheit für die<br />
Produzenten. In der Praxis benötigen wir also eine faire Koexistenz<br />
der verschiedenen Anbauformen mit und ohne<br />
Gentechnik.<br />
Der Agrarkommissar der EU, Franz Fischler, hat den Mitgliedstaaten<br />
Leitlinien zur Koexistenz an die Hand gegeben.<br />
Ziel ist es, keine der Anbauformen zu benachteiligen oder<br />
auszuschließen. Die Kommission hat sich bewusst für diese<br />
Rechtsform anstelle von starren gesetzlichen Einheitsregelungen<br />
entschieden. Leitlinien bieten den Landwirten die nötige Handlungsfreiheit,<br />
zugleich aber auch eine Orientierungslinie für die<br />
Anbaupraxis, die den regionalen Besonderheiten Rechnung<br />
trägt.<br />
Wir unterstützen diesen Impuls der EU-Kommission und sind<br />
der Auffassung, dass der Landwirt selbst entscheiden soll,<br />
welche Anbaumaßnahmen für ihn effizient, kostengünstig und<br />
praktikabel sind, um die gewünschten Produktqualitäten zu erzielen.<br />
Wir fordern daher, so schnell wie möglich in Abstimmung<br />
und im Dialog mit der Landwirtschaft und unterstützt<br />
durch die Politik mit Erprobungsanbauprogrammen in Deutschland<br />
zu beginnen. Sie sollen helfen, die jeweils konkreten und<br />
sinnvollen regionalen Maßnahmen für die Koexistenz zu<br />
beschreiben. Eine Festlegung von Koexistenzmaßnahmen am<br />
grünen Tisch ist aus unserer Sicht hierbei wenig zielführend.<br />
Nationale Biotechnologiestrategie mit sicherem Umfeld für die<br />
grüne Gentechnik<br />
Die EU-Kommission hat in ihrem Aktionsplan zur Förderung<br />
der Biowissenschaften die politischen Entscheidungsträger<br />
aufgefordert, eine von Sachlichkeit geprägte Führungsrolle in<br />
der Gentechnik-Diskussion zu übernehmen. Die Bundesregierung<br />
sollte diese Chance ergreifen und eine nationale<br />
Umsetzungsstrategie für die Biotechnologie entwerfen, die auch<br />
ein sicheres rechtliches Umfeld für die grüne Gentechnik<br />
schafft. Und die Zeit drängt: Unternehmen und Fachkräfte<br />
wandern ins Ausland ab, Start-ups auf dem Gebiet der grünen<br />
Biotechnologie können kaum noch Finanzmittel einwerben oder<br />
sind von Insolvenz bedroht.<br />
Die grüne Biotechnologie trägt seit über zehn Jahren in fast<br />
allen Teilen der Erde zu einer effizienteren und Ressourcenschonenderen<br />
Landwirtschaft mit qualitativ besseren Produkten<br />
bei. Viele Regionen, mit denen wir im globalen Wettbewerb<br />
stehen, haben die Weichen gestellt: Dort beobachten wir eine<br />
steigende Zahl von Zulassungen für gentechnisch verbesserte<br />
Pflanzen und kontinuierlich wachsende Anbauflächen. Auch die<br />
Europäer und wir Deutschen sollten eigene Innovationen der<br />
grünen Biotechnologie fördern. Es bleibt uns noch eine Chance,<br />
das Label „Green Biotechnology made in Germany“ zu einem<br />
Gütezeichen für Wissenschaft, Wirtschaft und Landwirtschaft<br />
zu machen. Aber dafür brauchen wir jetzt eindeutige politische<br />
Signale aus allen zuständigen Ministerien. Anderenfalls wird<br />
Deutschland den Anschluss bei dieser innovativen Technologie<br />
verpassen.<br />
43
Die europäische Ebene<br />
P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />
In den Staaten der Europäischen Gemeinschaft ist die Zahl der<br />
Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen seit<br />
1998 um etwa 80 Prozent gesunken. Das zeigt eine Untersuchung,<br />
die das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und<br />
Innovationsforschung ISI, Karlsruhe, zusammen mit der<br />
Universität Hohenheim und dem Institute for Prospective<br />
Technological Studies, Sevilla (Spanien), für die Europäische<br />
Kommission erstellte. Grund dafür war das EU-weit geltende<br />
Moratorium für einen Anbau solcher Pflanzen. Weltweit stieg<br />
die Fläche, auf der gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut<br />
wurden, im Jahr 2002 dagegen auf fast 60 Millionen Hektar.<br />
Die Gründe für die Zurückhaltung in Europa sind vielfältig.<br />
Zusätzlich zu dem Moratorium, auf das sich der EU-Umweltministerrat<br />
1999 geeinigt hatte, ist die Akzeptanz gentechnisch<br />
veränderter Produkte bei den Verbrauchern ausgesprochen<br />
gering. Daraus ergeben sich erhebliche Marktunsicherheiten für<br />
die Hersteller. So ist es nicht verwunderlich, dass vornehmlich<br />
multinationale, finanzkräftige Firmen auf diesem Gebiet aktiv<br />
sind. Sie führen gut 65 Prozent aller Freisetzungsversuche<br />
durch. Kleine oder mittlere Unternehmen sind mit einem Anteil<br />
von 6 Prozent dagegen wesentlich zurückhaltender und versuchen,<br />
sich vorwiegend in Nischenmärkten zu positionieren.<br />
Der Rest der Freisetzungen entfällt auf öffentliche Forschungsstätten,<br />
Universitäten oder andere Einrichtungen.<br />
Dennoch ist die Pipeline mit gentechnisch veränderten Organismen<br />
für die Landwirtschaft auch in den europäischen Ländern<br />
prall gefüllt. Seit im Oktober vergangenen Jahres eine EU-<br />
Richtlinie das Freisetzen gentechnisch veränderter Organismen<br />
neu regelte, erwartet die Europäische Union wieder ein Anwachsen<br />
bei den Feldversuchen. Zunächst konzentrieren sich<br />
die Hersteller nach den Untersuchungen des Fraunhofer ISI auf<br />
die Herbizidresistenz von Pflanzen sowie auf die Stärkung der<br />
Widerstandskräfte gegenüber Insektenbefall und Krankheiten.<br />
Voraussichtlich erst im nächsten Jahrzehnt sind dann verstärkt<br />
Pflanzen mit gesundheitsfördernden Substanzen oder allergenreduzierte<br />
Pflanzen für die menschliche Ernährung zu erwarten.<br />
Ergebnisse einer Studie der Deutschen Bank zur<br />
„grünen“ Biotechnologie<br />
Autor: Uwe Perlitz, Januar 2004<br />
• Über den Einsatz der grünen Biotechnologie wird in Europa<br />
heftig diskutiert. Der liberalen Einstellung der EU-Kommission<br />
steht die ablehnende Haltung der Mehrheit der EU-<br />
Mitgliedsstaaten gegenüber. Die Regierungen folgen dabei<br />
vor allem den Vorschlägen für schärfere Auflagen von Verbraucherschützern.<br />
Bei der Umsetzung der EU-Richtlinien<br />
(z. B. Freisetzungsrichtlinie) kommt es daher zu zeitlichen<br />
Verzögerungen.<br />
• Deutschland ist zwar führend auf dem Gebiet der Grundlagenforschung.<br />
Durch die zögerliche Umsetzung könnten<br />
Unternehmen aber noch mehr als bisher gezwungen sein, auf<br />
andere Geschäftsfelder auszuweichen (z. B. Biopharmazeutika)<br />
oder ihre F&E-Aktivitäten nach Übersee zu verlagern.<br />
• Während in Europa Genpflanzen (von Ausnahmen abgesehen)<br />
nur zu Versuchszwecken angebaut werden, erreichte<br />
die weltweite Anbaufläche 2002 schon 60 Mio. Hektar; dies<br />
ist etwa sechsmal so viel wie die gesamte landwirtschaftliche<br />
Anbaufläche in Deutschland.<br />
• Die Gen-Anbaufläche in der Welt könnte sich bis 2010 in<br />
etwa verdoppeln, während sie in Europa kaum zunehmen<br />
dürfte. Die größte Fläche werden auch weiterhin die USA<br />
aufweisen, gefolgt von Argentinien und Kanada.<br />
• Da weltweit die landwirtschaftliche Nutzfläche ohne massive<br />
technologische und organisatorische Fortschritte (z. B.<br />
Bewässerung) kaum wesentlich vergrößert werden kann,<br />
müssen zur Versorgung einer zunehmenden Bevölkerungszahl<br />
in der Welt die Hektarerträge deutlich gesteigert werden.<br />
Hier liegen große Chancen der grünen Gentechnik. Sie wird<br />
traditionelle Anbaumethoden zwar nicht ersetzen, aber<br />
wesentlich ergänzen und erweitern.<br />
• Vorteile der Genpflanzen gegenüber dem traditionellen<br />
Anbau bestehen vor allem in höheren Erträgen, verbesserter<br />
Erntequalität und einer Entlastung der Umwelt. Nachteile<br />
könnten in noch nicht absehbaren ökologischen und<br />
gesundheitlichen Risiken liegen.<br />
• In der EU dürfte der Austausch von traditionellem Mais,<br />
Zuckerrüben und Kartoffeln durch entsprechende Gensorten<br />
die Erntemengen um knapp 8 Mio. Tonnen (+ rd. 4 %)<br />
und die Nettoeinkommen der Landwirte um 1 Mrd. € pro<br />
Jahr steigern; absolut und relativ am höchsten wären die<br />
Vorteile in Frankreich und in Deutschland.<br />
• Die Akzeptanz von Genpflanzen ließe sich in Europa erhöhen,<br />
wenn die Vorteile stärker transparent würden. So<br />
haben etwa viele genetisch veränderte Lebensmittel gesundheitsfördernde<br />
Wirkungen (sog. Functional-Food). Allerdings<br />
dürfte vor allem in Deutschland der Weg der Aufklärung<br />
und Überzeugung lang und dornenreich sein, da sich<br />
derzeit noch 70 % der Bevölkerung gegen gentechnisch<br />
veränderte Lebensmittel aussprechen.<br />
44 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Akzeptanz<br />
Ende Dezember 2003 wurde in Brüssel eine neue Studie zur<br />
Akzeptanz gentechnisch hergestellter Lebensmittel vorgestellt.<br />
Sie umfasst Ergebnisse einer Befragung von 3.500 Bürgern der<br />
Europäischen Union (EU), die Marktforscher der KRC Research<br />
Mitte vorigen Jahres in Großbritannien, Frankreich, Deutschland,<br />
Italien und Spanien durchgeführt haben. Auftraggeber der<br />
Studie war ein Konsortium von sechs in der grünen Biotechnologie<br />
engagierten Unternehmen.<br />
Der Anteil der Befragten, die „auf keinen Fall gentechnisch<br />
veränderte Produkte kaufen würden“, lag bei 48 Prozent (2001:<br />
61 Prozent). Zugleich erhöhte sich der Anteil unentschlossener<br />
Verbraucher von drei auf 29 Prozent. Gentechnisch veränderte<br />
Lebensmittel kaufen würden 23 Prozent (2001: 36 Prozent).<br />
Nach der aktuellen Umfrage sind weniger Europäer (31 Prozent)<br />
der Meinung, gentechnisch veränderte Nutzpflanzen und<br />
Ausgewählte deutsche Core-Biotech-Firmen, die in der<br />
„grünen“ Biotechnologie tätig sind<br />
Agrobiogen GmbH, Hilgertshausen<br />
Forschung und Entwicklung; Service und Dienstleistung im<br />
Bereich Rückverfolgbarkeit von Tieren und Lebensmitteln;<br />
Tierseuchenbekämpfung; Generierung von transgenen Tieren;<br />
Genotypisierungen<br />
GreenTec GmbH, Köln<br />
Konventionelle und molekularbiologische Methoden zur Entwicklung,<br />
Produktion und Dienstleistung im Bereich Nutraceuticals,<br />
Phytopharmaka und molekulare Marker<br />
Metanomics GmbH & Co. KGaA, Berlin<br />
Metabolite-profiling; Services für die Agro-Biotech, Pharma<br />
und Ernährungsindustrie; neue Leitgene für Pflanzen-Traits<br />
SunGene GmbH & Co. KGaA, Gatersleben<br />
Forschung und Entwicklung; Prototypen von Kulturpflanzen<br />
mit gesteigerten Konzentrationen an wertvollen Inhaltsstoffen.<br />
Auftragsforschung zur Pflanzentransformation und<br />
Screening nach Regulationselementen<br />
daraus hergestellte Nahrungsmittel seien weniger sicher als<br />
konventionell gezüchtete Nutzpflanzen und Lebensmittel. Zugleich<br />
stieg die Zahl der in dieser Frage Unentschiedenen seit<br />
2001 um 30 Prozent an.<br />
Gleichwohl unterstützen aktuell nur 21 Prozent der europäischen<br />
Verbraucher (2002: 16 Prozent) die Anwendung gentechnisch<br />
veränderter Nutzpflanzen und der daraus hergestellten<br />
Nahrungsmittel. Zur Frage der Regulationen antworteten 2003<br />
51 Prozent (2001: 62 Prozent) der Befragten, dass Pflanzen<br />
nicht streng genug reglementiert sind. Gleichzeitig glauben<br />
weniger EU-Verbraucher (2003: 48 Prozent, 2001: 62 Prozent),<br />
dass gentechnisch veränderte Pflanzen und Nahrungsmittel vor<br />
ihrer Anwendung nicht ausreichend getestet wurden.<br />
Für eine eindeutige Etikettierung von gentechnisch veränderten<br />
Nahrungsmitteln sprechen sich derweil fast alle Befragten (96<br />
Prozent) aus. 82 Prozent äußerten die Meinung, dass Verbraucher<br />
die Wahl haben sollten, ob sie diese kaufen oder nicht.<br />
Epigene GmbH, Freising<br />
Differentielle Genexpressionsuntersuchungen an Pflanzenpathogenen<br />
(v. a. Pilze), Pflanzenschutzresistenzuntersuchungen,<br />
Lebensmitteldiagnostik, Umweltmonitoring<br />
TraitGenetics GmbH, Gatersleben<br />
Forschung, Entwicklung und Dienstleistungen im Bereich<br />
molekularer Marker; Genomforschung für die Pflanzenzüchtung,<br />
Diagnostik wichtiger landwirtschaftlicher Merkmale,<br />
Saatgutqualität<br />
TaRes Targeted Research GmbH, Hamburg<br />
Molekularbiologische Bearbeitung (Phyto-)pathogener Pilze;<br />
Suche nach Virulenz-/Pathogenitätsgenen; Produkte können<br />
für rationales Fungizid-Design oder das Design resistenter<br />
transgener Pflanzen verwendet werden.<br />
VitiGen AG, Siebeldingen<br />
Entschlüsselung und Verkauf aller Gene der Weinrebe; Funktionsaufklärung;<br />
gewebespezifische Promotoren; zelluläre<br />
Lokalisation von Genprodukten<br />
45
Prof. Dr. Yuri Y. Gleba, CEO Icon Genetics AG,<br />
München/Halle<br />
Pflanzenbiotechnologie – mehr als gene food<br />
P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />
Mit der Aufhebung des Moratoriums für den Import und Anbau transgener<br />
Kulturpflanzen in Europa und der Umsetzung der europäischen GVO-Freisetzungs- und<br />
Kennzeichnungsverordnungen in nationales Recht gewinnt auch der europäische<br />
Binnenmarkt an Bedeutung für die „grüne Biotechnologie“. Die inländische Kommerzialisierung<br />
der Pflanzenbiotechnologie wird dann mit einer Verspätung von 10–15<br />
Jahren gegenüber Nordamerika, Argentinien, Brasilien, China und weiteren wichtigen<br />
Produzentenländern erfolgen, die 2003 bereits gentechnisch veränderte Kulturpflanzen<br />
auf insgesamt 67 Mio. Hektar angebaut haben. Pflanzenbiotechnologie ist damit ein<br />
Paradebeispiel dafür, wie die Umsetzung von Innovationen und wissenschaftlichtechnischer<br />
Kompetenz in wirtschaftliches Geschehen über Jahre verzögert werden<br />
kann, wenn „erst über die Risiken diskutiert wird und dann über die Chancen“. Die<br />
Entscheidungsgründe, warum Landwirte andernorts transgene Hochleistungssorten<br />
präferieren, und die Tatsache, dass Abnehmer und Konsumenten<br />
die daraus hergestellten Lebensmittel keineswegs<br />
verschmähen, überzeugen Öffentlichkeit und Verbraucher<br />
hierzulande offenbar nicht. Die Diskussion in<br />
Deutschland benötigt nach über 10 Jahren auch neue<br />
Impulse. Ein wichtiger Beitrag, um von der Theoriedebatte<br />
hin zu praktischen Erfahrungen zu kommen,<br />
könnte der Erprobungsanbau sein, der in Sachsen-<br />
Anhalt für 2004 initiiert worden ist.<br />
Pflanzenbiotechnologie ist aber weit mehr als „gene<br />
food“. Grüne Gentechnik senkt bereits heute den<br />
Chemikalieneinsatz in der Landwirtschaft, und hier<br />
insbesondere den Einsatz von Pestiziden, und leistet<br />
damit einen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz und der Pflanzengesundheit.<br />
Pflanzengesundheit bedeutet gesündere Nahrung und bessere Qualität. Genau darauf<br />
zielt auch der Einsatz weiterer transgener Merkmale, die z. B. die in Mittel- und<br />
Nordeuropa von Virusbefall bedrohten Getreidearten verbessern sollen. Virusresistente<br />
Pflanzen sind weniger anfällig gegen Pilzbefall, Brot- und Futtergetreide aus<br />
virusresistenten Sorten ist weniger Mykotoxin-belastet – „eingebauter Pflanzenschutz“<br />
ist ökologischer Pflanzenschutz par excellence.<br />
Die Pflanze als neues eukaryotisches Expressionssystem<br />
Pflanzenbiotechnologie macht die Pflanze auch für Anwendungsbereiche nutzbar, die<br />
völlig außerhalb des Nahrungsmittelsektors liegen – als Arzneipflanzen für rekombinante<br />
Proteinwirkstoffe. Weltweit arbeiten ca. 20 Biotechnologieunternehmen mit<br />
Pflanzen als eukaryotischen Expressionswirten für Antikörper, Impfstoffe und humanidentische<br />
Proteinwirkstoffe. Als Expressionswirte bieten sich dabei insbesondere<br />
solche Pflanzen an, die keine Verwendung im Nahrungs- und Futtermittelbereich finden.<br />
Die Pflanze stellt damit der pharmazeutischen Industrie ein zusätzliches rekombinantes<br />
Produktionsverfahren neben mikrobiellen Systemen und der tierischen Zellkultur zur<br />
Verfügung.<br />
Industriepflanzen mit neuen Inhaltsstoffen<br />
Chancen für das System Pflanze als „Fabrik“ bestehen insbesondere auch im Bereich<br />
neuer chemisch-technischer Inhaltsstoffe. Auch hier ist das Potenzial der klassischen<br />
Pflanzenzüchtung, die mit Mais, Raps und Zuckerrübe bereits wichtige Rohstoffe für die<br />
industrielle Verarbeitung zu Food- und Non-Food-Produkten geschaffen hat, nahezu<br />
erschöpft. Pflanzen mit neuen Inhaltsstoffen, die auf dem pflanzlichen Primärstoffwechsel<br />
aufbauen, lassen sich nur durch gentechnische Verfahren züchten.<br />
Der Ansatz von Icon Genetics<br />
Icon Genetics steht diesem breiten Anwendungspotenzial der Pflanzenbiotechnologie<br />
und der gentechnisch optimierten Kulturpflanzen in jeder Hinsicht positiv gegenüber, hat<br />
aber auch die Grenzen der grünen Gentechnik der „ersten Generation“ im Visier. Als<br />
Biotechnologieunternehmen entwickelt Icon Genetics neue<br />
pflanzliche Genexpressionsverfahren, die „schneller, besser, sicherer<br />
und kostengünstiger sind“ – das ist unser Leistungsangebot. Der<br />
Bedarf dafür ist groß. Die Testung neuer genetischer Konstrukte in<br />
Zielpflanzen dauert Jahre. Icon Genetics hat ein transientes<br />
Expressionssystem entwickelt, das das Tabakblatt wie die Petrischale<br />
der Mikrobiologen benutzt: Hunderte von neuen genetischen<br />
Konstrukten können parallel auf einer einzigen Tabakpflanze auf<br />
biologische Wirksamkeit getestet werden – die Ergebnisse liegen<br />
nach 7–10 Tagen vor. Auch für die Pflanze als „Fabrik“ haben wir<br />
wesentliche Verbesserungen erreicht. Mit unseren proviralen<br />
Hochexpressionssystemen können wir den Stoffwechsel gezielt auf<br />
Produktsynthese umprogrammieren, beispielsweise nur in der<br />
Blattmasse oder nur in den Samen. Pflanzenwachstum und<br />
Produktbildung können auf diese Weise völlig voneinander getrennt werden, so dass<br />
sich neue Proteine und biochemische Inhaltsstoffe selbst dann mit wirtschaftlich hoher<br />
Produktivität herstellen lassen, wenn sie das Pflanzenwachstum negativ beeinflussen.<br />
Die von Icon Genetics entwickelte Genfragment-Technologie verhindert, dass transgene<br />
Merkmale in funktional aktiver Form auf die Folgegeneration übertragen werden oder<br />
sich durch Pollenflug in der Umwelt verbreiten. Neben derartigen „eingebauten“<br />
Sicherheitsmaßnahmen bietet Icon Genetics ein universelles DNA-barcoding-System<br />
für die routinemäßige Identifizierung transgenen Materials in Endprodukten an. Unsere<br />
neuen Technologien sind mit über 40 Schutzrechtsfamilien gesichert, so dass Icon<br />
Genetics seinen Kunden Hightech-Performance und Freedom to Operate als „one-stopshopping“<br />
anbieten kann.<br />
www.icongenetics.com<br />
info@icongenetics.com<br />
46 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
„Weiße“ und „graue“ Biotechnologie<br />
Die „weiße“ Biotechnologie befasst sich mit industriellen<br />
Anwendungen in der Chemie- und Kosmetikindustrie. Der<br />
Einsatz der modernen Biotechnologie liegt dabei vor allem in<br />
der rekombinanten Herstellung von technischen Enzymen und<br />
anderen Feinchemikalien (Vitamine, Detergentien). Dabei hat<br />
sie ein sehr hohes Potenzial, die Entwicklung von Treibhausgasen<br />
und die Verwendung fossiler Brennstoffe und Rohstoffe<br />
signifikant zu verringern und zu sauberen und nachhaltigeren<br />
Industrieprozessen zu führen.<br />
Eine Studie von McKinsey sieht die Zukunftsaussichten der<br />
weißen Biotechnologie rosig: Je nach dem Tempo der Marktdurchdringung<br />
– in manchen Sparten könnte ein Drittel der<br />
Produktion per Biotech erfolgen – wird für das Jahr 2010 ein<br />
zusätzlicher Profit für die chemische Industrie von 11 bis 22<br />
Milliarden € prognostiziert.<br />
Ausgewählte deutsche Biotech-Firmen, die in der<br />
„weißen/grauen“ Biotechnologie tätig sind<br />
BioSpring GmbH, Frankfurt am Main<br />
Die Plattform PHENOlution ® ermöglicht eine schnelle, effiziente<br />
und möglichst optimale Anpassung eines Enzyms an<br />
bestimmte industrielle Anwendungen.<br />
bitop GmbH, Witten<br />
Fermentation extremophiler Mikroorganismen: kompatible<br />
Solute, Stabilisatoren; Anwendung in Pharma und Kosmetik<br />
B.R.A.I.N AG, Zwingenberg<br />
Erschließung mikrobieller Ressourcen für BioActives und<br />
Enzyme. Proprietäre Metagenom-Technologie für unkultivierbare<br />
Mikroorganismen; Prozessentwicklung und Proteinexpression<br />
DIREVO Biotech AG, Köln<br />
Proprietäre Technologieplattform zur effizienten Erzeugung<br />
von Mutanten und rekombinierten Genen; Anwendung auch<br />
im Bereich von technischen und Lebensmittelenzymen<br />
Der Begriff der „grauen“ Biotechnologie bezieht sich auf deren<br />
Einsatz im Bereich Umwelt. Dazu zählen der Umweltschutz<br />
sowie die molekulare Diagnostik im Umweltbereich.<br />
Beide Anwendungsbereiche haben innerhalb der modernen<br />
Biotechnologie bei weitem nicht den Stellenwert erreicht wie<br />
die „rote“ Biotechnologie. Wie bereits erwähnt, wird insbesondere<br />
der „weißen“ Biotechnologie eine größere Bedeutung<br />
in der Zukunft zugesprochen. Neben den großen deutschen<br />
Chemieunternehmen wie BASF, Henkel und Degussa oder<br />
ausländischen Firmen wie DSM, Novozymes und DuPont tritt<br />
die Handvoll deutscher Core-Biotech-Unternehmen in diesem<br />
Bereich vermeintlich in den Hintergrund. Jedoch entwickeln<br />
gerade diese kleinen Unternehmen sehr innovative Ansätze, die<br />
dann sogar Interesse der Großen finden, wie einige Partnerschaften<br />
zum Beispiel der B.R.A.I.N oder Direvo zeigen.<br />
Jülich Fine Chemicals GmbH, Jülich<br />
Produktion von Spezialenzymen für die chemische und<br />
pharmazeutische Industrie<br />
MiB Munich Innovative Biomaterials GmbH, Marburg<br />
Weltweit der einzige Hersteller von rekombinanten Bakteriorhodopsin-Farbstoffen<br />
in technisch relevanten Mengen zum<br />
Einsatz in der Darstellung, Speicherung und Verarbeitung<br />
optischer Informationen<br />
vermicon AG, München<br />
Die vermicon AG entwickelt innovative Nachweissysteme zur<br />
Analyse von Mikroorganismen in Klärschlamm.<br />
X-Zyme GmbH, Düsseldorf<br />
Neue molekularbiologische Methoden für die Zufalls- und<br />
ortsspezifische Mutagenese mit dem Ziel der Erschaffung<br />
großer Bibliotheken von Enzymvarianten<br />
47
Dr. Jiri Snaidr, CEO vermicon AG, München<br />
Mit Gensonden auf Bakterien und Wachstum zielen<br />
P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />
Alles wäre besser, wenn die Menschen mit den Bakterien tauschen könnten. Wir würden<br />
nicht mit dem Problem der Überbevölkerung kämpfen. In einem Milliliter Klärschlamm<br />
könnten 5 Milliarden Menschen leben und sich an den Abfällen der „bakteriellen<br />
Zivilisation“ satt essen. Während die unflexiblen abfallproduzierenden Bakterien nur<br />
einen Wimpernschlag lang die Erde bewohnen würden, wären wir sicher, nach den<br />
Anfängen allen Lebens, in vielen Milliarden Jahren auch die spektakuläre Supernova,<br />
den letzten Moment auf dem blauen Planeten, erleben zu dürfen.<br />
Stattdessen sind es wir, die kontinuierlich Unmengen an Abfall<br />
produzieren. Allein in Deutschland reinigen Tausende von Kläranlagen<br />
täglich unser Abwasser. Paradoxerweise konzentrieren sich die<br />
Ingenieure bei der Konstruktion der Anlagen auf viele verschiedene<br />
Parameter, nicht aber auf die Hauptverantwortlichen der Schadstoffeliminierung<br />
– die Bakterien. Diese einfach aufgebauten Zellen<br />
zerlegen u. a. mühelos komplexe hochmolekulare organische<br />
Verbindungen, wozu ansonsten ein hoher Energieaufwand notwendig<br />
wäre. Und doch gibt es heutzutage nur wenige Erkenntnisse über die<br />
komplexe mikrobielle Diversität. Der Grund hierfür liegt an der Art<br />
und Weise wie Bakterien heutzutage mühsam über Kultivierung<br />
nachgewiesen werden. Die Bakterien werden hierbei aus ihrem natürlichen Lebensraum<br />
auf künstliche Nährmedien übertragen und im Brutschrank zum Wachstum angeregt.<br />
Mittlerweile ist aber bekannt, dass nur 0,1–1 % aller Bakterien im Abwasser mittels<br />
Kultivierung nachgewiesen werden können. Der Bau einer Kläranlage jedoch, die auf den<br />
Ergebnissen der Kultivierung fußt, ist vergleichbar mit dem Bau eines Wolkenkratzers<br />
„per Daumenfaktor“. Mag sein, dass er nicht umfällt, aber wehe, eine unvorhergesehene<br />
Störung tritt ein.<br />
Die vermicon AG verwendet die VIT (vermicon identification technology) Gensondentechnologie<br />
zum Nachweis von Bakterien. Hierbei können nahezu 100 % aller Bakterien<br />
mit kultivierungsunabhängigen Verfahren direkt im Belebtschlamm nachgewiesen<br />
werden. Sie bedient sich programmierter farbstoffmarkierter Gensonden, die die<br />
Bakterien zum Leuchten bringen und unter dem Fluoreszenzmikroskop spezifisch<br />
sichtbar machen. Auf diese Weise können in Kläranlagen die Bakterienpopulationen<br />
schnell und spezifisch nachgewiesen und deren Veränderungen verfolgt werden. Eine<br />
völlig neue und effiziente Anlagenführung wird ermöglicht. Das Verfahren vermarktet<br />
vermicon in einfach zu handhabenden „Testkits“ – kleinen Minilabors, die alle<br />
notwendigen Reagenzien enthalten und dem Betriebsleiter die Durchführung des<br />
Bakteriennachweises direkt vor Ort auf der Anlage erlauben. Ein Beitrag zur<br />
Kostensenkung, zur sichereren Betriebsführung und zum Umweltschutz.<br />
Als das Unternehmen im Jahr 2001 mit dem ersten Produkt zum Nachweis von nitrifizierenden<br />
Bakterien auf den Markt kam, da erwarteten wir neben dem Leuchten der<br />
Bakterien im Klärschlamm auch ein Leuchten der Begeisterung im Auge der Anwender<br />
vorzufinden. So groß war der Quantensprung für die Anlagenführung, so groß die<br />
Vorteile gegenüber allem Bisherigen, dass wir sehr optimistisch waren, alsbald Einzug<br />
auf allen Kläranlagen Deutschlands halten zu können. Die vermicon AG war und ist bis<br />
heute weltweit das einzige Unternehmen, das derartige Lösungen anbietet. Doch wie in<br />
anderen Märkten auch, ist der Vorbehalt gegenüber neuen Technologien oft sehr groß<br />
und muss durch jahrelange Verbands- und Sisyphusarbeit mühsam abgebaut werden.<br />
Die vermicon AG hat zwar recht kurze Produktentwicklungszeiten,<br />
doch im Gegensatz zur roten<br />
Biotechnologie steht die graue Biotechnologie nicht<br />
unter solch einem Leidensdruck. Im Gegenteil: Unter<br />
dem Motto: „Wir Deutsche sind doch sowieso führend<br />
im Umweltschutz“, wird Innovationen oft nur wenig<br />
Beachtung geschenkt. Daher benötigt ein Unternehmen,<br />
welches in die graue Biotechnologie investiert, vor allem<br />
eins: Zeit. Unglücklicherweise ist diese Ressource in der<br />
vom schnelllebigen Venture Capital getriebenen Investitionslandschaft<br />
Deutschland nicht im Überfluss zu<br />
finden. Es war für das Unternehmen daher wichtig,<br />
Partner zu finden, die auf quantifizierbare Nachhaltigkeit<br />
setzen. Mit den Konzernen RWE, MVV Energie und Henkel wurden Partner gefunden, die<br />
das langfristige Potenzial der Gensondentechnologien erkannten und bereit waren,<br />
neben dem Aufbau und Ausbau des Unternehmens, in die langjährige, aber stetig<br />
steigende Marktpenetration zu investieren. Sie unterstützen damit die Entwicklung eines<br />
Unternehmens, das Werte und Umsatz durch ein konstant wachsendes Produktportfolio<br />
schafft. Eigentlich eine kleine Besonderheit in unserer kurzlebigen und von Insolvenzen<br />
arg belasteten deutschen Biotechnologielandschaft.<br />
Die vermicon AG wurde 1997 gegründet und entwickelt und vermarktet Testkits zum<br />
schnellen und spezifischen Nachweis von Mikroorganismen in Wasser, Abwasser,<br />
Getränken und Lebensmitteln. Die Testkits basieren auf Hochleistungs-Gensondentechnologien<br />
und ermöglichen dem Anwender die Durchführung einer hocheffizienten<br />
In-house-Diagnostik. Die einfach zu handhabenden Testkits setzen durch ihre<br />
Schnelligkeit und Sicherheit neue Standards in der mikrobiellen Diagnostik. Im Jahre<br />
2000 beteiligte sich die Henkel KGaA an der vermicon AG, im Jahre 2003 folgten die<br />
Venture-Capital-Gesellschaften der Konzerne RWE AG und MVV Energie AG. Die Testkits<br />
werden neben Deutschland und Europa u. a. erfolgreich in den USA, Japan, Korea,<br />
Australien und Neuseeland vertrieben.<br />
www.vermicon.com<br />
48 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
3. Geschäfts- und Kommerzialisierungsstrategien<br />
3.1 Geschäftsmodelle, Strategien, Wachstumshemmnisse und Erfolge<br />
Die folgende Darstellung geht der Frage nach, mit welchen<br />
Strategien die deutschen Core-Biotech-Unternehmen den Markt<br />
erfolgreich erreichen und sich dort etablieren können.<br />
Dem Motto „per aspera ad astra“ folgend, mussten die Biotech-<br />
Firmen im letzten Jahr einige Anstrengungen unternehmen, um<br />
den „steinigen Weg“ bzw. die harten Zeiten geringer externer<br />
Finanzierung bei gleichzeitig noch nicht marktfähigen Produkten<br />
durchzustehen. Dies trifft streng genommen hauptsächlich<br />
auf die Geschäftsmodelle derjenigen Firmen zu, die Wirkstoffe<br />
entwickeln, denn sie benötigen zwangsläufig einen langen<br />
Atem. Auf der anderen Seite gibt es in der deutschen Core-<br />
Biotech-Industrie durchaus viele Firmen, die bereits Produkte<br />
am Markt anbieten und somit Umsatz tätigen. Oft reicht dieser<br />
Umsatz jedoch noch nicht aus, um gegenüber den Aufwendungen<br />
im Saldo ein Plus zu erzielen. Die Entwicklung zeigt jedoch<br />
in die richtige Richtung.<br />
Abbildung 3-1:<br />
Sample-Unternehmen nach ihrer Geschäftsausrichtung<br />
Produkt 33 %<br />
davon VC-finanziert 24 %<br />
ohne VC 9 %<br />
Service & Produkt 50 %<br />
davon VC-finanziert 13 %<br />
ohne VC 37 %<br />
Service 17 %<br />
davon VC-finanziert 3 %<br />
ohne VC 14 %<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Zur kurzfristigen Generierung von Einnahmen ist im vergangenen<br />
Jahr darüber hinaus eine zunehmende Zahl von Firmen<br />
dazu übergegangen, Serviceleistungen am Markt anzubieten.<br />
Diese Entscheidung trafen auch solche Unternehmen, die in den<br />
Jahren zuvor beschlossen hatten, sich auf die Entwicklung von<br />
Wirkstoffen zu konzentrieren.<br />
Dieser Strategiewechsel kann als ein gewisser Lichtblick<br />
gesehen werden, denn in der Hype-Phase von 2000/2001 sind<br />
viele Firmen auf Druck ihrer Investoren in eine Falle gelaufen,<br />
indem sie sich allein auf die Entwicklung von Therapeutika<br />
konzentrierten. Im gleichen Zeitraum kam nämlich eine gewisse<br />
Zurückhaltung der Pharmaindustrie auf, Kooperationen mit<br />
Biotech-Unternehmen abzuschließen. Die Investoren selbst<br />
mussten in dieser Situation feststellen, dass sie das reine<br />
Produktmodell nicht vollständig mit Risikokapital durchfinanzieren<br />
können. Damit fehlte ein wichtiges Glied in der<br />
„Biotech-Wertschöpfungskette“.<br />
Abbildung 3-1 zeigt die Geschäftsausrichtung des dieser<br />
Untersuchung zugrunde liegenden Samples an Core-Biotech-<br />
Firmen. Im Vergleich zum Jahr 2002, in dem fast die Hälfte<br />
aller Firmen angab, sich allein auf die Entwicklung von Produkten<br />
wie pharmazeutischen Wirkstoffen, Molekulardiagnostika,<br />
Tissue-Engineering-Produkten, Drug-Delivery-Systemen,<br />
Bioinformatik-Lösungen oder – im „grünen“ und „weißen“<br />
Bereich der Biotechnologie – von transgenen Pflanzen und<br />
Enzymen zu konzentrieren, ist deren Anteil im Jahr 2003 auf 33<br />
Prozent gesunken. Bei nahezu gleich bleibendem Anteil von<br />
Firmen, deren Geschäftsstrategie rein auf dem Anbieten von<br />
Dienstleistungen beruht, hat somit der Anteil an Unternehmen,<br />
die neben der Produktentwicklung auch Service anbieten, stark<br />
zugenommen und lag im Jahr 2003 bei 50 Prozent. Im voran<br />
gegangenen Jahr lag dieser Anteil noch bei 36 Prozent.<br />
49
Interessant ist bei der Analyse der Geschäftsausrichtung die<br />
Unterscheidung zwischen Firmen, die mit Risikokapital finanziert<br />
sind und solchen, die davon unabhängig sind.<br />
Insgesamt beläuft sich nämlich der Anteil der aktuell mit<br />
Venture Capital (VC) finanzierten Firmen an den insgesamt 350<br />
deutschen Core-Biotech-Unternehmen auf lediglich 32 Prozent.<br />
Der Rest der Unternehmen finanziert sich derzeit über eigenen<br />
Umsatz, staatliche Fördermittel, Privatvermögen, strategische<br />
Investoren oder stille Beteiligungen von Beteiligungsgesellschaften<br />
bzw. der tbg.<br />
Aus Abbildung 3-1 ist ersichtlich, dass sich der 33-prozentige<br />
Anteil der rein produktorientierten Unternehmen zu 24 Prozent<br />
aus VC-finanzierten und zu neun Prozent aus nicht VCfinanzierten<br />
Firmen zusammensetzt. Die reine Produktentwicklung<br />
wird somit hauptsächlich von Risikokapital unterstützt.<br />
Gerade die kostenintensive Wirkstoff-Forschung und -entwicklung<br />
ist hier häufig auf große Summen an Eigenkapital angewiesen.<br />
Bei den Firmen, die gleichzeitig Produktentwicklung betreiben<br />
und Service anbieten, kehrt sich das Verhältnis von VC- und<br />
nicht VC-finanzierten Unternehmen dagegen um. Die Zusammensetzung<br />
liegt hier bei 13 Prozent Firmen, die mittels Risikokapital<br />
finanziert und 37 Prozent, die davon unabhängig sind.<br />
Zwangsläufig muss hier der größere Teil an nicht-risikofinanzierten<br />
Unternehmen seine Existenz mit anderen Mitteln –<br />
so zum Beispiel Umsatz durch Service – bestreiten.<br />
Bei den Firmen, die ausschließlich Dienstleistungen anbieten,<br />
liegt der Schwerpunkt mit 14 zu 3 Prozent notwendigerweise<br />
eindeutig bei den Firmen, die von Risikokapital unabhängig<br />
sind. Unternehmen, die sich trotz VC-Finanzierung nur auf<br />
Service konzentrieren, bieten in der Regel Plattformen an, die<br />
einer gewissen Anschubfinanzierung bedürfen, bis sie sich über<br />
die Dienstleistung kostenmäßig selber tragen.<br />
Abbildung 3-1a zeigt die Aufteilung der Geschäftsausrichtung<br />
im Sample der VC-finanzierten Firmen. Hier wird die<br />
eindeutige Fokussierung der VC-Investoren auf produktorientierte<br />
Unternehmen sehr deutlich. Die Verteilung auf<br />
Produktorientierung, Produktentwicklung plus Service bzw.<br />
Service allein beträgt 60 zu 33 Prozent zu sieben Prozent.<br />
G ESCHÄFTSMODELLE, STRATEGIEN, WACHSTUMSHEMMNISSE UND E RFOLGE<br />
Abbildung 3-1a:<br />
VC-finanzierte Sample-Unternehmen<br />
nach ihrer Geschäftsausrichtung<br />
Produkt 60 %<br />
Aufschlussreich ist auch eine Analyse der Geschäftstätigkeiten<br />
der Firmen, die Therapeutika entwickeln. Fast ein Drittel der<br />
Unternehmen fokussiert sich dabei allein auf die Entwicklung<br />
von Therapeutika, 29 Prozent bieten daneben noch zusätzliche<br />
Dienstleistungen an und 40 Prozent sind darüber hinaus auf<br />
noch weiteren Feldern tätig, wie zum Beispiel im Bereich<br />
Molekulardiagnostika, Drug Delivery, Tissue Engineering oder<br />
Feinchemikalienproduktion.<br />
50 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
Service 7 %<br />
Service & Produkt 33 %<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Abbildung 3-2:<br />
Verteilung von Geschäftstätigkeiten bei Sample-<br />
Unternehmen, die Therapeutika entwickeln<br />
Therapeutika<br />
& Service &<br />
Anderes<br />
41 %<br />
nur Therapeutika<br />
30 %<br />
Therapeutika<br />
& Service<br />
29 %<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004
Dr. Holger Eickhoff, CEO SCIENION AG, Berlin<br />
Solides Geschäft mit moderner Technologie:<br />
Erfolgreiche Kombination aus Service und Produkten<br />
Die Geschäftsstrategie geht auf: Nicht das vielfach favorisierte Geschäftsmodell für die<br />
Entwicklung von Medikamenten wird bei der Scienion AG verfolgt, sondern die<br />
Vermarktung einer soliden Technologie, die Probleme nachhaltig löst und von einem<br />
plattformweiten Service begleitet wird. Im dynamischen und kompetitiven Wettbewerbsumfeld<br />
der BioChip-Technologie hat sich das im Dezember 2000 gegründete Berliner<br />
Unternehmen mittlerweile erfolgreich etabliert.<br />
Ein leichter Weg war das nicht – auch Scienion musste<br />
sich von einigen Visionen aus den Zeiten der Firmengründung,<br />
in der Biotechnologie noch geboomt hat,<br />
verabschieden. Zum Beispiel von dem Plan, Protein-<br />
Microarrays anzubieten. Im Vergleich zu DNA-Arrays ist<br />
die Entwicklung von Protein-Arrays wesentlich kostenintensiver.<br />
Scienion hat Projekte auf diesem Gebiet<br />
deshalb vorerst auf Eis gelegt, denn ohne gesicherten<br />
Absatz der Produkte – etwa durch Kooperationen mit<br />
Pharmafirmen – ist die Finanzierung aus Eigenmitteln<br />
nicht machbar. Es gab noch weitere Anpassungen des<br />
ursprünglichen Businessplans: Das Unternehmenswachstum<br />
wurde nach unten korrigiert und als Folge des<br />
eingebrochenen Kapitalmarkts wurde der umsatzgenerierende Servicebereich deutlich<br />
ausgebaut. Wertvoll für Scienion war und ist dabei die offene und konstruktive Kommunikation<br />
mit den Investoren – Hauptinvestoren sind die 3i Group, PEPPERMINT. Financial<br />
Partners und die IBB Beteiligungsgesellschaft. Die kontinuierliche Analyse äußerer und<br />
unternehmensinterner Bedingungen sowie die Bereitschaft, eigene Positionen kritisch<br />
zu hinterfragen und neu auszurichten, sind die beste Voraussetzung, zukunftsgerichtete<br />
Veränderungsprozesse gezielt zu steuern und umzusetzen. Ein wesentlicher Faktor dabei<br />
ist die Teambildung zwischen Investoren, Management und Belegschaft, um gemeinsam<br />
an einem Strang zu ziehen.<br />
Ausschlaggebend für den bisherigen Firmenerfolg ist die ausgeprägte Marktorientierung.<br />
Neuentwicklungen von Scienion werden konsequent an Kundenbedürfnissen<br />
orientiert – und in enger Kooperation mit Partnern aus Industrie und Forschung vorangetrieben.<br />
Dies gilt für alle Geschäftsbereiche: BioChip-Produkte, -Hardware und -Services.<br />
Innovation, Kundenorientierung und hohe Qualität spiegeln sich auch in den<br />
Unternehmenszahlen wider. Nach nur einer einzigen Finanzierungsrunde im Frühjahr<br />
2001 verzeichnen die Berliner Biochipspezialisten kontinuierlich wachsende Umsätze –<br />
im Jahr 2003 ein Umsatzwachstum von 230 Prozent. Zu den Kunden zählen Pharma- und<br />
Biotech-Unternehmen ebenso wie zahlreiche akademische Forschungseinrichtungen.<br />
Noch in diesem Jahr will das Unternehmen schwarze Zahlen schreiben, um sich auch<br />
weiterhin auf Kunden und die Geschäftsentwicklung zu konzentrieren und nicht auf die<br />
Akquise neuer Investoren.<br />
Verstärkte Nachfrage nach maßgeschneiderten Chips<br />
Im Geschäftsfeld BioChips liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung kundenspezifischer<br />
Microarrays für die Grundlagenforschung und Diagnostik in zwei Bereichen.<br />
Für die Humangenomforschung entwickelt Scienion individuell nach Kundenbedürfnissen<br />
DNA-Microarrays mit Genen, die für die jeweiligen Indikationen relevant sind.<br />
Daneben produziert und vertreibt Scienion Ready-to-use-Chips im Bereich Herz-Kreislauf<br />
und Entzündung sowie Chips mit Genen, die bei programmiertem Zelltod (Apoptose) und<br />
Differenzierungsprozessen eine Rolle spielen.<br />
Besondere Expertise besteht auch bei der Entwicklung von Chips für die funktionelle<br />
Genomforschung und Diagnostik von Mikroorganismen, die beispielsweise<br />
im Hinblick auf Antibiotikaresistenzen aber auch für die<br />
Seuchenprävention und zur Erforschung und schnellen Detektion von<br />
biologischen Waffen eine zentrale Bedeutung haben.<br />
Alle Arrays werden mit Hilfe von Scienions patentierter Plattformtechnologie<br />
hergestellt. Ein herausragendes Merkmal dieser<br />
Technologie ist, dass sie auf alle relevanten Molekülklassen anwendbar<br />
ist. Das bedeutet, DNA- und RNA-Microarrays können damit<br />
genauso hergestellt werden wie Chips, die mit Proteinen, Antikörpern<br />
oder Small Molecules bestückt werden.<br />
Innovative Hardware für Array-Experimente<br />
Mit dem sciFLEXARRAYER hat Scienion ein modular aufgebautes,<br />
flexibles Dispensiersystem auf den Markt gebracht, welches in der<br />
Lage ist, auch komplette Zellen funktional zu aspirieren und dispensieren. Mit Hilfe eines<br />
piezosaktuierten Liquid-Handling-Systems lassen sich kleinste Flüssigkeitsmengen – bis<br />
in den Pikoliterbereich – präzise und kontaktfrei, auch in verschiedene Arrayformate<br />
dosieren. Der sciFLEXARRAYER ist ein zentrales Integrationswerkzeug für die Verbindung<br />
von konventioneller Mikrotiterplattentechnik mit hochintegrierten Lab-On-A-Chip-<br />
Systemen.<br />
Zukunftsvision: Systembiologie und Medizin auf einer Plattform<br />
Parallel zu einem hohen Serviceanteil hat sich Scienion zu einem hochinnovativen<br />
Unternehmen entwickelt, welches in der Lage ist, auch allerneueste Technologien in<br />
kürzester Zeit in den Markt zu bringen. Zu den Alleinstellungsmerkmalen des<br />
Unternehmens zählt die Entwicklung einer technologischen Plattform, die es erlaubt, alle<br />
relevanten Biomoleküle wie DNA, Proteine und Antikörper genauso zu untersuchen wie<br />
komplette Zellen, siRNAs und small molecules. Die Verbindung dieser Plattform gepaart<br />
mit einer exzellenten Marktkenntnis und kompetentem Service verspricht auch für die<br />
Zukunft, insbesondere in der Diagnostik, ein erhebliches Wachstumspotenzial.<br />
www.scienion.de<br />
51
Eine Analyse der Dienstleister unter den Sample-Unternehmen<br />
ergibt, dass immerhin 67 Prozent der Firmen Services in Form<br />
von Auftragsforschung oder Auftragsproduktion durchführen.<br />
Ein Viertel davon sind VC-finanzierte Unternehmen und ein<br />
Drittel der 143 Firmen mit Serviceangebot entwickeln<br />
Therapeutika.<br />
Die Verteilung von Service auf verschiedene Felder zeigt<br />
Abbildung 3-3. Dabei waren Mehrfachnennungen möglich.<br />
Abbildung 3-3:<br />
Verteilung von Services im Bereich Auftragsforschung/-produktion<br />
Screening- & Diagnostik-Services<br />
DNA/RNA-Services<br />
Auftragsproduktion<br />
Sonstiges<br />
Protein-/Peptid-Services<br />
Lead-Discovery-Services<br />
Bioinformatik-Services<br />
0 10<br />
Der größte Anteil entfällt danach auf Dienstleistungen im<br />
Bereich Screening und Diagnostik, gefolgt von DNA/RNA-<br />
Services sowie der Auftragsproduktion. Protein- und Peptid-<br />
Services werden von einem Viertel der Firmen angeboten.<br />
Jeweils knapp 20 Prozent wird bei Dienstleistungen im Bereich<br />
„Lead Discovery“ sowie Bioinformatik erreicht.<br />
Gerade bei den „Lead Discovery“-Services nehmen die Firmen,<br />
die gleichzeitig in der Wirkstoff-Entwicklung tätig sind, den<br />
größten Anteil ein. Offensichtlich gibt es hier entsprechende<br />
Synergien, die für das Anbieten von Dienstleistungen zur<br />
kurzfristigen Generierung von Umsatz genutzt werden können.<br />
4<br />
15<br />
15<br />
G ESCHÄFTSMODELLE, STRATEGIEN, WACHSTUMSHEMMNISSE UND E RFOLGE<br />
21 14<br />
15<br />
24 3<br />
19 9<br />
17 8<br />
1<br />
9<br />
20 30 40<br />
Anteil Firmen in % (Mehrfachnennungen möglich)<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Unter den Therapeutika-Entwicklern ist der Anteil von Unternehmen,<br />
die DNA/RNA- oder Bioinformatik-Services anbieten,<br />
am geringsten. Diese Art von Service wird eher von klassischen<br />
Genomics-Dienstleistern bzw. rein auf Bioinformatik ausgerichteten<br />
Firmen angeboten.<br />
nicht Therapeutika<br />
entwickelnde Firmen<br />
Therapeutika<br />
entwickelnde Firmen<br />
Das bisher oft gezeichnete Bild einer<br />
deutschen Biotech-Industrie, die rein abhängig<br />
von Risikokapital ist und allein<br />
Geschäftsmodelle der Produktausrichtung<br />
verfolgt, kann somit nicht mehr aufrecht<br />
erhalten werden.<br />
Die Umfrage unter den Produktfirmen<br />
nach bereits auf dem Markt befindlichen<br />
Produkten sowie für die kommenden<br />
Jahre geplanten Produkteinführungen<br />
ergab, dass immerhin knapp ein Drittel<br />
bereits ein Produkt auf dem Markt<br />
anbietet. Hierbei handelt es sich zumeist<br />
um Firmen, die sich auf Molekular-<br />
diagnostika spezialisiert haben, aber auch um Unternehmen aus<br />
dem Bereich Tissue Engineering.<br />
Gut ein Viertel der Firmen gab an, Produkteinführungen im<br />
Laufe dieses Jahres zu planen. Ein weiteres knappes Drittel<br />
plant dieses in den nächsten drei Jahren. Nur etwa 10 Prozent<br />
der Firmen wird es erst in vier Jahren oder später möglich sein,<br />
ein Produkt auf den Markt zu bringen. Hierbei handelt es sich<br />
ausnahmslos um Wirkstoffentwickler. Immerhin sind unter den<br />
Unternehmen, die angeben, innerhalb der nächsten drei Jahre<br />
ein Produkt auf den Markt bringen zu wollen, einige<br />
Therapeutika-Firmen.<br />
52 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Strategien<br />
Abbildung 3-4 gibt einen Überblick über die Entwicklungs- und<br />
Vermarktungsstrategien der Sample-Unternehmen.<br />
Abbildung 3-4:<br />
Entwicklungs- und Vermarktungsstrategien der Sample-Unternehmen<br />
eigene Entwicklung &<br />
Vermarktung<br />
eigene Entwicklung ohne<br />
eigene Vermarktung<br />
eigene Entwicklung<br />
bis bestimmte Phase<br />
(ohne eigene Vermarktung)<br />
11 35<br />
8 7<br />
0 10<br />
Anzahl Firmen in %<br />
20 30 40<br />
Fast die Hälfte der befragten Biotech-Firmen strebt eine eigene<br />
Entwicklung und Vermarktung von Produkten an. Dienstleistungen<br />
werden zwangsläufig selbst direkt am Markt angeboten.<br />
Ein kleinerer Teil der Unternehmen folgt der Strategie, ein<br />
Produkt bis zur Marktreife zu entwickeln, ohne jedoch die<br />
Vermarktung selbst zu übernehmen. 40 Prozent der Firmen<br />
wollen Produkte lediglich bis zu einer Phase entwickeln, bei<br />
der der komplette Entwicklungsprozess noch nicht abgeschlossen<br />
ist.<br />
Abbildung 3-5:<br />
Aufteilung von alternativen Vermarktungsstrategien bei<br />
Sample-Firmen, die Produkte nicht selbst vermarkten<br />
Auslizenzierung/<br />
Verkauf<br />
24 %<br />
Co-Entwicklung/<br />
Co-Vermarktung<br />
21 %<br />
38<br />
2<br />
Auslizenzierung/<br />
Verkauf & Co-<br />
Entwicklung/<br />
-Vermarktung<br />
55 %<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
nur Therapeutika<br />
entwickelnde Firmen<br />
nicht Therapeutika<br />
entwickelnde Firmen<br />
50<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Bei der Datenerhebung wurde auch die Frage gestellt, welche<br />
Schritte geplant sind, wenn keine eigene Vermarktung erfolgt.<br />
Als Optionen wurden Auslizenzierung bzw. Verkauf sowie Co-<br />
Entwicklung bzw. Co-Vermarktung angegeben.<br />
Abbildung 3-5 zeigt die Verteilung dieser Alternativen unter den<br />
Sample-Unternehmen.<br />
Demnach strebt über die Hälfte der Firmen beide Optionen an.<br />
Für 24 Prozent der Unternehmen kommt allein die Auslizenzierungs-<br />
bzw. Verkaufsalternative in Betracht und 21<br />
Prozent verfolgen lediglich die Strategie der Co-Entwicklung<br />
bzw. Co-Vermarktung.<br />
53
Abbildung 3-6:<br />
Entwicklungsstrategien der Therapeutika entwickelnden Sample-<br />
Unternehmen<br />
bis Proof of<br />
Concept/Präklinik<br />
bis Phase I<br />
bis Phase I/II<br />
bis Phase II<br />
bis Phase II/III<br />
bis Phase III<br />
0<br />
5<br />
8<br />
Anzahl Firmen in %<br />
Bei der Analyse der Entwicklungs- und Vermarktungsstrategien<br />
fällt eine Divergenz zwischen Therapeutika-Entwicklern und<br />
dem Rest der Firmen auf.<br />
So liegt – wie aus Abbildung 3-4 ersichtlich – der Schwerpunkt<br />
bei den Therapeutika-Entwicklern eindeutig bei der Strategie,<br />
eigene Produkte nur bis zu einer bestimmten Entwicklungsstufe<br />
zu entwickeln und sie nicht selbst zu vermarkten. Eine Strategie<br />
der komplett eigenen Entwicklung und Vermarktung verfolgen<br />
dagegen hauptsächlich Unternehmen, die sich nicht auf den Geschäftsbereich<br />
Therapeutika fokussieren.<br />
Diese Divergenz beruht zwangsläufig auf den beträchtlichen<br />
zeitlichen, finanziellen und organisatorischen Anforderungen<br />
der Therapeutikaentwicklung. Für viele kleine Biotech-Unternehmen<br />
ist die Bewältigung des gesamten Prozesses von der<br />
Erforschung über die Entwicklung und Vermarktung von<br />
neuartigen Arzneimitteln ressourcenmäßig einfach nicht möglich.<br />
Die Entwicklungs- und Vermarktungsstrategien müssen<br />
hier zwangsläufig eine andere Richtung einschlagen als<br />
beispielsweise bei der Entwicklung von Molekulardiagnostika<br />
und anderen Produkten.<br />
Bei der Strategie der kompletten eigenen Entwicklung ohne<br />
eigene Vermarktung halten sich die beiden Geschäftstypen –<br />
Firmen mit und ohne Therapeutika-Fokus – die Waage.<br />
Abbildung 3-6 zeigt, bis zu welcher Stufe bzw. Phase Therapeutika-Firmen<br />
ihre Produkte entwickeln.<br />
11<br />
12<br />
19<br />
G ESCHÄFTSMODELLE, STRATEGIEN, WACHSTUMSHEMMNISSE UND E RFOLGE<br />
5 10 15 20 25 30 35 40 45 50<br />
Hier wird ganz deutlich, dass fast die<br />
Hälfte der befragten Unternehmen mit<br />
dem Schwerpunkt Wirkstoff-Entwicklung<br />
eine eigene Entwicklung bis zur<br />
Phase II anstreben. Diese Strategie ist<br />
sinnvoll, denn je weiter die Firmen mit<br />
ihrer eigenen Wirkstoff-Entwicklung<br />
kommen, desto höher ist der Wert ihres<br />
Produktes, wenn es dann an Pharmaoder<br />
andere Biotech-Unternehmen auslizenziert<br />
oder verkauft wird.<br />
Der Anteil an Firmen, die ihre Wirkstoffe<br />
noch bis in spätere Phasen wie Phase<br />
II/III oder Phase III bringen möchten, ist<br />
zwangsläufig am geringsten, da gerade<br />
diese abschließenden Phasen der klinischen<br />
Entwicklung sehr aufwändig und<br />
teuer sind. Um dieses Entwicklungsstadium zu erreichen, ist<br />
daher eine gewisse kritische Masse und beträchtliches Knowhow<br />
im Unternehmen notwendig. Diesen Anforderungen genügen<br />
zur Zeit nur wenige Firmen in der deutschen Biotech-<br />
Industrie.<br />
Neben der Gruppe von Firmen, die Wirkstoffe bis zur Phase II<br />
entwickeln möchten, ist mit 19 Prozent der Anteil an Firmen am<br />
größten, die die Wirkstoff-Entwicklung bis in Phase I/II planen.<br />
Mit 11 bzw. 12 Prozent etwa gleich hoch liegt der Anteil an<br />
Unternehmen, die ihr Produkt bis zum „Proof of Concept“ oder<br />
Präklinik bzw. bis zur Phase I voranbringen möchten. Hierfür<br />
sind sehr viel weniger Ressourcen nötig, so dass bei der<br />
derzeitigen Finanzierungssituation diese Strategien durchaus<br />
sinnvoll erscheinen.<br />
54 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
46<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004
IP-Value-Management für Biotech-Unternehmen<br />
– Wie nutzt man das geistige Eigentum zur Wertsteigerung<br />
des Unternehmens?<br />
In Deutschland wird die Bedeutung des geistigen Eigentums von vielen Unternehmen<br />
immer noch zu gering eingestuft. Gerade in jungen, innovativen Unternehmen besteht<br />
der Wert des Unternehmens oft zu 80 % und mehr aus geistigem Eigentum. Die<br />
Biotechnologie ist hierfür ein Paradebeispiel. Vor dem Erreichen des Marktzugangs mit<br />
neuen Produkten sind oft langwierige Entwicklungsprozesse durchzustehen, in denen<br />
keine Umsätze erzielt werden und Bewertungen sich meist nur auf die vorhandene IP-<br />
Basis und damit verknüpfte Zukunftsprognosen beziehen können.<br />
Dennoch wissen viele Firmen oft nicht einmal, welches geistige Eigentum sie überhaupt<br />
besitzen und wie sie es wirtschaftlich sinnvoll nutzen könnten. Gerade in wirtschaftlich<br />
schwierigen Zeiten kann ein professionelles IP- (Intellectual Property) Management aber<br />
den entscheidenden Unterschied zur Konkurrenz ausmachen und zu einer Wertschöpfung<br />
führen, die weit über Kostensenkung oder Risikominimierung hinausgeht.<br />
Besser ist es also, von Anfang an dafür zu sorgen, dass Rechte des Unternehmens richtig<br />
und professionell geschützt und bei den zuständigen Institutionen registriert werden.<br />
Für nicht durch öffentliche Register geschütztes geistiges Eigentum muss mit vertraglichen<br />
Vereinbarungen sichergestellt werden, dass Miturheber oder Dritte keine Rechte<br />
beanspruchen können.<br />
2. Strategieentwicklung<br />
Jede IP-Strategie sollte vornehmlich darauf abzielen, das geistige Eigentum künftig<br />
besser, Gewinn bringend und im Einklang mit der Gesamtstrategie des Unternehmens zu<br />
nutzen. Nur mit einem klaren Bild über die IP-Rechte in einem Unternehmen kann man<br />
die richtige Strategie für das vorhandene Portfolio entwickeln. Hierbei ist zunächst zu<br />
fragen, welche IP-Rechte künftig benötigt werden oder überflüssig sind und welche<br />
Rechte bestritten sind oder ganz fehlen.<br />
Professioneller Rat ist hier ebenfalls hilfreich. Denn es geht nicht nur um die oftmals<br />
schwierigen juristischen Fragen. Entscheidend für eine erfolgreiche IP-Strategie ist auch,<br />
sich ein möglichst seriöses Bild vom Wert der einzelnen IP-Rechte zu machen und die<br />
Die häufigsten strategi-<br />
steuerrechtlichen Ausschen<br />
Ziele eines pro-<br />
Bestandsaufnahme<br />
Strategieentwicklung<br />
Implementierung<br />
wirkungen zu analysieren.<br />
fessionellenIP-Managements liegen in Folgendem:<br />
IP Inventur<br />
Portfolio-<br />
Bewertung<br />
ZielfestsetzungEntscheidungsprozess<br />
Sicherung<br />
der Rechte<br />
Werte schaffen<br />
Portfolio nutzen<br />
Die Schwierigkeit vieler<br />
Unternehmen besteht ge-<br />
• Schutz und Sicherung<br />
Nutzung des geistigen Eigentums des Unternehmens zur Steigerung des Unternehmeswertes<br />
rade darin, dass sie (z. B.<br />
bestehender und künf-<br />
in der Rechts- oder Steutig<br />
entstehender IP-Rechte gegenüber Wettbewerbern<br />
erabteilung) über Sachverstand im eigenen Haus verfügen, um diese Informationen<br />
• Kostensenkung durch zentrales IP-Portfolio-Management<br />
abzurufen. Diese Bereiche arbeiten beim Thema IP oft aber nicht genug zusammen, so<br />
• Erschließung neuer Einnahmequellen durch entgeltliche Überlassung von IP-Rechten dass eine unternehmenseinheitliche Strategie nicht verfolgt wird. Bei größeren<br />
• Optimierung der Nutzung des IP-Portfolios nach Akquisitionen und Umstrukturierun- Unternehmen mit mehreren Tochtergesellschaften und Beteiligungen mit vielfach dezengen<br />
(IP-Post-Merger-Integration)<br />
tralem IP-Management kann sich oft eine konzerneinheitliche IP-Strategie schon aus<br />
• Entwicklung besicherungsfähiger Vermögenswerte (geistiges Eigentum als diesem Grund nicht entwickeln.<br />
Kreditsicherheit)<br />
Ernst & Young mit seiner Industrieexpertise im Bereich der Biotechnologie kann als<br />
• Aktivierung verdeckter Unternehmenswerte<br />
externer Berater alle drei Bereiche (Recht, Bewertung und Steuern) abdecken und somit<br />
• Erfüllung neuer Bilanzierungsstandards (IAS)<br />
ein integriertes Konzept für das IP-Value-Management anbieten.<br />
• Nutzung steuerlicher Chancen (z. B. durch Gründung einer IP-Holding)<br />
• Steueroptimale Festlegung von IP-Verrechnungspreisen<br />
3. Umsetzung<br />
Auch hier sollte professionell gehandelt werden. Dies gilt einmal für die notwendigen<br />
IP-Value-Management erfolgt nach einem logisch aufgebauten Prozess, der im Vertragsgestaltungen im Konzern und mit Dritten. Neben den erforderlichen, „gerichts-<br />
Folgenden näher beschrieben wird:<br />
festen“ juristischen Regelungen gilt es, ein betriebswirtschaftlich vernünftiges Entgelt<br />
festzulegen, das einerseits den bilanzrechtlichen Regelungen entspricht und anderer-<br />
1. Bestandsaufnahme<br />
seits den bestehenden steuerrechtlichen Spielraum im Sinne der zuvor definierten IP-<br />
Es empfiehlt sich, zunächst zu prüfen, welches geistige Eigentum im Unternehmen Strategie des Unternehmens ausnutzt. Oft wird es vorher jedoch nötig sein, vorhan-<br />
vorhanden ist. Oft stellt sich dabei heraus, dass bestimmte Rechte (z. B. Patente und denes und künftig entstehendes geistiges Eigentum formal zu schützen oder gegen<br />
Lizenzen) gar nicht eindeutig und vollständig dem Unternehmen zugerechnet werden<br />
können. Deshalb sollte in Kooperations- wie auch in Arbeitsverträgen von Anfang an<br />
Wettbewerber zu verteidigen.<br />
klar geregelt werden, wo das (künftige) Recht liegt und inwieweit die Vergütung auch die Nur solche Biotech-Unternehmen, die rechtzeitig und konsequent eine IP-Strategie<br />
gewerbliche Nutzung umfasst. Auch von außen drohen unliebsame Überraschungen, entwickeln und umsetzen, können die Chancen aus einem professionellen IP-Valuewenn<br />
festgestellt wird, dass vermeintlich im eigenen Unternehmen gemachte Erfindungen Management nutzen, um den Wert des Unternehmens nachhaltig zu erhöhen.<br />
durch Dritte gefährdet sind, die schneller waren und ähnliche geistige Schöpfungen bei Von Dr. Fritjof Boerner, EYLaw Luther Menold Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Köln<br />
den zuständigen Stellen rechtlich schützen ließen.<br />
fritjof.boerner@de.eylaw.com<br />
55
Um die rauen Zeiten der letzten ein bis zwei Jahre zu überstehen,<br />
haben viele Firmen Änderungen ihrer Geschäftsstrategie<br />
vorgenommen.<br />
So orientierten sich sehr viele Unternehmen neu, um sich auf<br />
Kernkompetenzen oder auf „machbare“ Projekte zu konzentrieren.<br />
Gleichzeitig wurde die Anzahl von Projekten, vor<br />
allem im Forschungsbereich, reduziert. Die Reduktion der<br />
Projekte steht zunächst im Widerspruch zur im voran<br />
gegangenen Kapitel aufgezeigten Aus-<br />
weitung der Wirkstoff-Entwicklungspipeline.<br />
Dies bedeutet jedoch, dass sich<br />
die Biotech-Firmen auf das Voranbringen<br />
von Projekten in der klinischen Entwicklung<br />
fokussierten.<br />
Weiterhin gab es den Angaben der<br />
Firmen zufolge häufig eine Änderung in<br />
der Unternehmensstrategie in Richtung<br />
Service-Orientierung. Um zu überleben,<br />
konzentrierten die Firmen sich auf<br />
Produkte mit hohem Umsatzpotenzial<br />
oder eine intensivierte Produktentwicklung,<br />
um früher auf den Markt kommen<br />
zu können. Da sich die Entwicklungsgeschwindigkeit<br />
bei Wirkstoffentwick-<br />
lern jedoch nicht beliebig verkürzen lässt, trifft diese Aussage<br />
mehrheitlich auf Firmen aus anderen Bereichen zu. Darüber<br />
hinaus wurde oft der eher „taktische“ Weg des „Downsizings“,<br />
sprich Mitarbeiterabbau und damit Kostenreduktion beschritten.<br />
Insgesamt zielen alle diese Maßnahmen auf die höchstmögliche<br />
Reduktion der „Burn Rate“ ab.<br />
Eine andere Form der Umorientierung bei strategischen<br />
Ausrichtungen war es, Expansionspläne zu verschieben. Einige<br />
Firmen hatten sich jedoch bereits auf eine Verschlechterung der<br />
Branchensituation eingerichtet und von vorneherein bei<br />
Gründung bzw. bereits noch zur Hype-Phase eine vorsichtige<br />
Strategie, beispielsweise eines dualen Geschäftsmodells,<br />
gewählt. Ferner haben sich viele Unternehmen bemüht, Umsatz<br />
in eher kleinen Schritten zu erzielen, das heißt zum Beispiel,<br />
Partnerschaften früher einzugehen oder Produkte eher auszulizenzieren.<br />
Firmen, die bereits Produkte auf dem Markt<br />
haben, orientierten sich stärker auf den Vertrieb. Schließlich<br />
sehen auch einige Unternehmen nach wie vor die Möglichkeit,<br />
durch Fusion oder Übernahme die bestehende Struktur zu<br />
stärken.<br />
G ESCHÄFTSMODELLE, STRATEGIEN, WACHSTUMSHEMMNISSE UND E RFOLGE<br />
„IDEA hat bereits frühzeitig den<br />
Schwerpunkt auf die Entwicklung marktnaher<br />
Produkte gesetzt. Vor dem Hintergrund<br />
der aktuellen Branchensituation<br />
wurde diese Fokussierung konsequent<br />
fortgesetzt. Ein Strategiewechsel war<br />
insofern nicht erforderlich, wohl aber<br />
zwingen der enge finanzielle Kapitalmarkt<br />
bzw. der eigene Finanzrahmen zu<br />
sehr maßvollen Investitionen.“<br />
Prof. Gregor Cevc, CEO IDEA AG,<br />
München<br />
Restrukturierungsmaßnahmen und das Anvisieren ausländischer<br />
Märkte waren weitere strategische Optionen der Neuausrichtung.<br />
Insbesondere bei einigen börsennotierten Biotech-Unternehmen<br />
erfolgten einschneidende Aktionen wie Neuausrichtung,<br />
Restrukturierung oder Fokussierung, um die Firmen<br />
besser für die derzeitigen Marktherausforderungen aufzustellen.<br />
So zwangen Anfang letzten Jahres die schwierigen Marktbedingungen<br />
im Biochip-Bereich und<br />
eine erfolglose Partnersuche die<br />
GeneScan Europe AG zur Restrukturierung.<br />
Das Unternehmen konzentriert sich<br />
derzeit nur noch auf den Bereich<br />
AgroFood; für die Tochter Biochip<br />
Technologies GmbH musste Insolvenz<br />
angemeldet werden. Später übernahm<br />
dann der französische Konzern Eurofins<br />
68 Prozent der Anteile von GeneScan.<br />
Die MWG Biotech AG liegt nach einer<br />
Mitte 2001 begonnenen und inzwischen<br />
abgeschlossenen Neuausrichtung auf<br />
deutlichem Erfolgskurs, wie die Firma<br />
im Februar 2003 mitteilte. Bei der Umstrukturierung<br />
wurden drei Geschäftsbereiche<br />
des Unternehmens auf zwei Geschäftsfelder aufgeteilt<br />
und ein Teil der Mitarbeiter entlassen.<br />
Auch GPC Biotech hat sich im vergangenen Jahr verschlankt,<br />
um mit den Einsparungen den Ausbau der Krebs-Medikamentenpipeline<br />
voran zu treiben. Vom Stellenabbau sind vor allem<br />
Mitarbeiter im Bereich der frühen Technologieplattform betroffen.<br />
Trotz der Verstärkung des Fokus auf die Entdeckung und<br />
Entwicklung neuartiger Krebsmedikamente wurde darauf<br />
geachtet, dass die Kompetenz zur Entwicklung innovativer<br />
Technologien weiterhin besteht und entsprechende Mitarbeiter<br />
beschäftigt werden.<br />
MediGene will durch die Verlegung des US-Forschungsbereiches<br />
an den deutschen Hauptstandort München rund fünf<br />
Millionen € pro Jahr sparen. Zudem wurde die ehemalige<br />
Kardiologie-Sparte in Form der Larnax GmbH ausgegründet,<br />
wodurch rund 6,5 Millionen € eingespart werden können.<br />
56 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Herbert Liebl, VP Finance<br />
Ingenium Pharmaceuticals AG, München<br />
Restrukturierung als Basis für eine erfolgreiche<br />
Finanzierungsrunde<br />
Mitte Dezember 2003 gab Ingenium die erfolgreiche Durchführung der 3. Finanzierungsrunde<br />
bekannt. Wie war es möglich vor dem Hintergrund eines nach wie vor konservativen<br />
und zurückhaltenden Investitionsklimas 13,8 Mio. € einzuwerben?<br />
Gestartet war die Ingenium mit dem ersten Entwicklungsziel, mittels eines weltweit<br />
einzigartigen genetischen Screens Zielgene für potentielle innovative Therapien zu<br />
identifizieren. Als nächstes Entwicklungsziel galt die weitere Validierung, um aus der<br />
Vielzahl der klonierten Zielgene die erfolgversprechendsten zu identifizieren und<br />
fokussiert zu bearbeiten. Die wirtschaftliche Verwertung durch den<br />
Abschluss eines großen Kooperationsvertrages war trotz intensiver<br />
Bemühungen und ernstem Interesse auf Seiten verschiedener<br />
Gesprächspartner noch nicht gelungen.<br />
Zeitgleich dazu erfolgte der dramatische Rückgang der Kapitalmärkte<br />
für Biotech als wesentlicher Wachstumsfaktor der noch jungen<br />
Industrie insbesondere in Deutschland. So reichten die finanziellen<br />
Mittel Mitte 2002 noch mehr als ein Jahr für den damaligen<br />
operativen Geschäftsbetrieb aus.<br />
Diese Situation führte zu der Entscheidung, eine tief gehende<br />
Restrukturierung des Unternehmens durchzuführen, mit folgenden<br />
beiden Zielen:<br />
• Stärkung des langfristigen Wertsteigerungspotentials durch Fokussierung auf die<br />
erfolgversprechendsten Forschungsergebnisse und gleichzeitige deutliche Verlängerung<br />
des Cash Horizontes durch Reduktion der Ausgaben<br />
• Realisierung früher wirksam werdender Umsatzpotentiale mittels Entwicklung neuer<br />
Geschäftsfelder basierend auf existierender Technologie<br />
Einfaches „Kostensparen“ ohne Abstimmung zu einer langfristigen Wertsteigerungsstrategie<br />
wurde als strategische Sackgasse erkannt und frühzeitig verworfen. Im<br />
Einzelnen wurden folgende Maßnahmen konzipiert:<br />
1. Einstellung der in der Breite vorgenommenen Untersuchung des Genoms, da mehr<br />
potentielle therapeutische Ansätze zu diesem Zeitpunkt entdeckt wurden als ohne<br />
Partnerschaften weiterverfolgt werden konnten und fokussierte Verwertung der<br />
bereits umfangreich vorliegenden Ergebnisse in Richtung Drug Discovery.<br />
2. Konzentration auf wenige Indikationsfelder mit der einhergehenden Verkleinerung<br />
des Unternehmens (Tiefe anstatt Breite)<br />
3. Vermarktung der aus dem genetischen Screen entwickelten Technologieplattform<br />
INGENOtyping in einer Vielzahl von Kooperationen, um daraus ab 2003 regelmäßig<br />
Umsatz zu generieren.<br />
Diese Eckpunkte der Geschäftsstrategie waren im Juni 2002 formuliert, ergänzt um die<br />
wesentlichen monetären Ziele. Ein Projektteam wurde ins Leben gerufen, um die<br />
organisatorischen Änderungen zu erarbeiten, zugeschnitten auf die modifizierten<br />
Anforderungen. Danach sollte der Mitarbeiterbestand von 140 auf 80 Mitarbeiter<br />
zurückgehen und ein Standort geschlossen werden. Diese deutlich verringerte<br />
Infrastruktur musste immer noch ausreichend dimensioniert sein, um die beabsichtigte<br />
ausbalancierte Strategie von kurzfristigen Einsparungseffekten und langfristiger Wertgenerierung<br />
mit fokussierten Projekten zu gewährleisten. Ein Projektplan mit<br />
Maßnahmen und Umsetzungs-Verantwortlichkeiten sicherte die Realisierung und<br />
inhaltliche Zielerreichung; ein so genanntes Restrukturierungs-Budget je Abteilung die<br />
finanzielle Zielerreichung.<br />
Anfang Juli wurde der Restrukturierungsplan der Belegschaft vorgestellt. Oberste<br />
Maßgabe dabei war es, die ernste Gesamtsituation, die modifizierte Strategie und die<br />
sich daraus unvermeidlich ergebenden Maßnahmen<br />
offen zu kommunizieren. Nach einer Unternehmensversammlung<br />
wurde in den einzelnen Abteilungen weiter<br />
diskutiert und zuletzt in Einzelgesprächen zwischen allen<br />
Mitarbeitern und Vorgesetzen individuell kommuniziert.<br />
Somit war die Phase der Unsicherheit im Unternehmen<br />
sehr kurz. Außerdem wurde für die betroffenen<br />
Mitarbeiter ein gut ausgestatteter Abfindungsplan aufgelegt.<br />
Eine vor kurzem durchgeführte Mitarbeiterbefragung<br />
bescheinigte dem Unternehmen ein positives<br />
Betriebsklima und bestätigte die Richtigkeit des oben<br />
beschriebenen, offenen und direkten Vorgehens.<br />
Im 4. Quartal 2002 waren die Maßnahmen umgesetzt,<br />
der neue Business-Plan, der vor allem das Hybrid-Geschäftsmodell präzisieren sollte,<br />
konnte geschrieben werden. Im 1. Quartal 2003 wurde dieser Plan dem Aufsichtsrat<br />
vorgestellt. Mittlerweile war mit Roche ein erster Partner für THERAmapping gefunden, die<br />
technische Machbarkeit der INGENOtyping-Technologie erwiesen und die Erkenntnisse<br />
des CRA-1-Neurobiologie-Projektes als wichtiges Modell für die ALS-Erkrankung in der<br />
Zeitschrift Science publiziert. Die grundlegende, wirtschaftliche Validierung erhielt<br />
INGENIUM im März 2003, als mit ELAN nach längeren Verhandlungen eine Kooperation<br />
auf dem Gebiet der Schmerzforschung mit einem Volumen von bis zu 50 Mio. €<br />
vereinbart wurde. Zudem wird seit Ende 2002 die INGENOtyping Technologie an mehr als<br />
20 Partner weltweit vermarktet.<br />
Eine restrukturierte Firma, ein überzeugender Businessplan und das Einhalten aller darin<br />
aufgezeigten Meilensteine, hatten für Ingenium den Effekt, dass der Aufsichtsrat im<br />
2. Quartal 2003 für eine neue Finanzierungsrunde grünes Licht gab. Mit HBM war im Juni<br />
2003 ein neuer, externer Lead-Investor gefunden, der von TVM und Polaris unterstützt<br />
wurde. Die Tatsache, dass sich der operative Umsatz und die Kostenstruktur auch im<br />
2. Halbjahr wie geplant entwickelte, war wesentlich, um die Finanzierung wie<br />
beabsichtigt in 2003 abschließen zu können.<br />
www.ingenium-ag.com<br />
57
Trotz einer Restrukturierung und strategischen Neuausrichtung<br />
im Jahr 2002, bei der der Geschäftsschwerpunkt vom hart<br />
umkämpften Markt der Hautersatzprodukte zur Orthopädie<br />
verlagert wurde, musste die Freiburger BioTissue Technologies<br />
auf Grund einer geplatzten Kapitalerhöhung Anfang Juli letzten<br />
Jahres die Insolvenz anmelden. Der Schock war um so größer,<br />
da es sich um die erste Insolvenz eines börsennotierten Core-<br />
Biotech-Unternehmens handelte. Der Firma ist laut Finanzvorstand<br />
schlicht und einfach „die Zeit davon gelaufen“,<br />
nachdem eine Bank im letzten Moment überraschend abgesprungen<br />
war und damit eine Kapitalerhöhung verhindert hatte,<br />
die die Liquidität bis zum angestrebten Erreichen der<br />
Gewinnschwelle im Jahr 2005 sichern sollte. Mit der Deutschen<br />
Industrie Holding fand sich jedoch später ein Investor, der<br />
die Wiederbelebung der Firma ermöglichte: Es erfolgte eine<br />
übertragende Sanierung sowie Neugründung unter dem Namen<br />
BioTissue Technologies GmbH. Die AG wurde abgewickelt und<br />
ein Delisting der Aktie von der Deutschen Börse vollzogen.<br />
Die Insolvenz der BioTissue hat sicher die größte Aufmerksamkeit<br />
erregt, war jedoch nicht die einzige im vergangenen<br />
Jahr: In der deutschen Core-Biotech-Industrie gab es insgesamt<br />
24 Insolvenzen (nicht eingerechnet: Biochip Technologies, da<br />
sie zur GeneScan-Gruppe gehörte und nicht einzeln in der<br />
Statistik geführt wurde). Anschließender Restart (BioTissue,<br />
Nascacell) oder Aufkauf (Abeta, bioLeads, memorec) hat für<br />
einige dieser Firmen immerhin eine Fortführung gebracht, so<br />
dass Know-how und Mitarbeiter gehalten werden konnten.<br />
Auch die Meldung von Genovac ist hier nicht gezählt, da sie bis<br />
zum Ende des Jahres 2003 noch existierte und in Verhandlungen<br />
mit Übernahmepartnern stand.<br />
Von vielen Beobachtern war eine weit höhere Zahl von<br />
Insolvenzen erwartet worden, doch die Gesamtzahl lag mit 24<br />
letztlich sogar noch unter den 25 Insolvenzen des Jahrs 2002.<br />
Die 24 Firmen mit insgesamt 543 Mitarbeitern waren mit 51<br />
Millionen € Risikokapital finanziert, die somit von den<br />
Investoren abgeschrieben werden müssen. Aber auch etwa 18<br />
Millionen € öffentliche Mittel bzw. Gelder von Beteiligungsgesellschaften<br />
waren investiert.<br />
G ESCHÄFTSMODELLE, STRATEGIEN, WACHSTUMSHEMMNISSE UND E RFOLGE<br />
Im Vergleich zum Jahr 2002, in dem nur zwei Firmen mit mehr<br />
als 40 Mitarbeitern in die Insolvenz gingen, hat sich im vergangenen<br />
Jahr mit vier Konkursen diese Anzahl verdoppelt (siehe<br />
Abbildung 3-7). Ein großer Teil an insolventen Firmen hatte<br />
eine Mitarbeiterzahl zwischen 11 und 20.<br />
Abbildung 3-7:<br />
Mitarbeiterverteilung der Insolvenzen im Jahresvergleich<br />
Die meisten zahlungsunfähigen Unternehmen waren bereits<br />
älter als drei Jahre. Dies impliziert, dass als Hauptursache für<br />
das Scheitern eine nicht erfolgte zweite Finanzierungsrunde<br />
verantwortlich ist. In der Tat befanden sich die meisten insolventen<br />
Firmen in diesem Stadium, wie später gezeigt wird. Der<br />
Rückgang der Insolvenzen jüngerer Firmen könnte darauf hindeuten,<br />
dass diese möglicherweise doch auf sicherer Grundlage<br />
gegründet wurden.<br />
58 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
< = 10<br />
11 bis 20<br />
21 bis 30<br />
31 bis 40<br />
> 40<br />
0<br />
1<br />
2<br />
3<br />
3<br />
Anzahl Firmen<br />
4<br />
4<br />
7<br />
6<br />
9<br />
10<br />
2002<br />
2003<br />
5 10 15<br />
Abbildung 3-8:<br />
Firmenalter der Insolvenzen im Jahresvergleich<br />
1 bis 2 Jahre<br />
2 bis 3 Jahre<br />
3 bis 5 Jahre<br />
> 5<br />
0<br />
1<br />
Anzahl Firmen<br />
3<br />
3<br />
6<br />
7<br />
9<br />
9<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
11<br />
2 4 6 8 10 12<br />
2002<br />
2003<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004
Dr. Fritz Grunert, CSO Genovac GmbH, Freiburg<br />
Gibt es ein (Firmen-)Leben nach der Insolvenz?<br />
Die Firma GENOVAC wurde Ende 1999 als Spin-off der Universität Freiburg gegründet.<br />
Neben einer großen Aufbruchsstimmung, die in das damalige, allgemeine, wirtschaftliche<br />
Klima passte, brachten die drei Gründer eine zündende Idee mit. Diese versprach, gezielt<br />
poly- und monoklonale Antikörper höchster biologischer Qualität gegen fast beliebige<br />
Genprodukte (Proteine) herstellen zu können, ohne das<br />
Protein selber zu benötigen. Nur die Erbinformation ist<br />
notwendig.<br />
Nach einer Anlaufphase in Räumen der Universität<br />
mietete sich GENOVAC eigene Räume und wuchs von 3<br />
auf eine Mitarbeiterzahl von 20. Aufgrund der<br />
wirtschaftlichen Lage Ende 2002 musste sich die Firma<br />
dann aber auf 13 Mitarbeiter verkleinern, obwohl die<br />
Umsätze von 27 Tsd. € 1999 auf über 1 Mio. € 2003<br />
gesteigert werden konnten. Von geplanten 5,5 Mio. €<br />
Kapital konnten 3 Mio. € eingeworben werden. Mitte<br />
2003 wurde dann klar, dass trotz erfolgreicher Lizenzvereinbarungen<br />
mit einer großen, japanischen Firma die<br />
Finanzdecke zu kurz war, um den für 2004/5 geplanten Break-even zu erreichen. Am<br />
5. August 2003 wurde die Insolvenz angemeldet.<br />
Mit der genetischen Immunisierung zielt GENOVAC auf einen kurzfristigen (Dienstleistungs-)<br />
und einen langfristigen (Produktentwicklungs-)Aspekt. Dienstleistungsaufträge<br />
ermöglichen neben sofortigem Umsatz, einem breiten Kundenkreis zu zeigen, dass die<br />
GENOVAC-Technologie das hält, was sie verspricht. Vor allem der direkte Weg vom Gen<br />
zum Antikörper ist nicht nur schneller, sondern führt darüber hinaus zu hochqualitativen<br />
Antikörpern, die in besonderer Weise für den Einsatz in der Identifizierung und Validierung<br />
von krankheitsrelevanten Zielmolekülen, Diagnose und Therapie geeignet sind.<br />
Mit zunehmender Akzeptanz wurde damit auch die Grundlage für den weitaus lukrativeren<br />
Aspekt, die Produktentwicklung, erzeugt. Produktentwicklung bedeutet für<br />
GENOVAC nicht das am Markt fertige Medikament, sondern Miteigentumsrechte an den<br />
von Auftraggebern und Kooperationspartnern zum Therapeutikum oder Diagnostikum<br />
weiterentwickelten Antikörpern. Diese Rechte führen zu Lizenzzahlungen während der<br />
Entwicklung zum Endprodukt und im Stadium der Vermarktung zu einer Umsatzbeteiligung.<br />
Der Markt für die GENOVAC-Technologie war da, die Dienstleistung war akzeptiert, die<br />
Technik zeigte hohe Erfolgsraten: Was ist schiefgegangen?<br />
Ganz banal, das Geld hat nicht gereicht. Zum einen konnten wir trotz guter Wachstumsraten<br />
die zu ehrgeizig gesetzten Umsatzziele nicht erreichen. Ohne diese überehrgeizigen<br />
Ziele hätten wir jedoch kaum eine Chance gehabt, eine Finanzierung zu<br />
bewerkstelligen. Allerdings haben wir den notwendigen Vertriebs- und Marketingaufwand<br />
stark unterschätzt. Zum anderen waren wir von Anfang an unterkapitalisiert.<br />
Vor dem Platzen der Biotech-Börsen-Blase, als es noch leichter möglich war, größere<br />
Summen an Eigenkapital einzuwerben, war es unser Ehrgeiz, möglichst solide und<br />
sparsam zu sein. Als wir erkannten, dass eine neue Finanzierungsrunde notwendig sein<br />
würde, war die Hochstimmung vorbei. So was nennt sich wohl antizyklisch. Wir haben<br />
viele Wege beschritten, um neues Kapital zu beschaffen. Wir sind an Privatinvestoren,<br />
Venture-Capital-Unternehmen, das Land Baden-Württemberg herangetreten – aber es<br />
war einfach nicht genug Geld zu Konditionen zu kriegen, die vertretbar gewesen wären.<br />
In dieser Situation waren wir gezwungen, die Insolvenz anzumelden,<br />
die wir aber nicht als das Ende, sondern als Weg zur Sanierung<br />
betrachteten.<br />
In unseren Augen gab es zwei Sanierungskonzepte in der Insolvenz:<br />
1. In einer anderen Firma mit vergleichbaren Kundenstrukturen und<br />
synergistischen Techniken aufzugehen und daher durch gemeinsame<br />
Ressourcen-Nutzung von Verwaltung, Vertrieb etc. zu signifikanten<br />
Einsparungen und früherem Erreichen der Gewinnschwelle<br />
zu kommen. Erkauft würde das allerdings mit der Aufgabe des<br />
Standortes, dem Verlust von Arbeitsplätzen und Mitarbeitern<br />
(besser Mitkämpfern) und deren Know-how.<br />
2. Übertragen der GENOVAC als Einheit auf eine neue Firma unter<br />
dem Dach einer Muttergesellschaft (übertragende Sanierung). Nicht nur durch Sparen,<br />
sondern durch Wachstum könnte die neue „GENOVAC“ in die Gewinnzone gebracht<br />
werden. Hierzu sollten die Nutzung der Ressourcen der Mutterfirma beitragen. Von<br />
entscheidender Bedeutung wären auch hier die Synergien im Vertrieb, der Marktpräsenz<br />
und des Know-hows, eine höhere Stabilität durch breitere Aufstellung am Markt und ein<br />
dickeres Eigenkapitalpolster.<br />
Es wurde dann aber schmerzlich bewusst, dass alle Zukunfts-Planungen der insolventen<br />
Firma nur so weit tragen, wie ein neuer Eigentümer, wenn er denn gefunden ist, mitgeht.<br />
Mit einem Merger vor Insolvenz hätte man zwar mehr Schulden aber vermutlich auch die<br />
besseren Mitspracherechte. Es liegt auf der Hand, dass wir die Alternative 2 bevorzugten.<br />
Dieses Konzept wurde auch durch den Insolvenzverwalter forciert, was wohl<br />
durchaus nicht selbstverständlich ist.<br />
Mittlerweile sind wir erfolgreich als gesamte GENOVAC von einer amerikanischen Firma<br />
übernommen worden. Ausschlaggebend für die Übernahme war neben dem hohen technischen<br />
Know-how der Standort von GENOVAC im Herzen Europas. Erstaunlich für uns<br />
war die Erfahrung, dass sich keine deutsche oder europäische Firma entschließen<br />
konnte, die Chance bzw. das Risiko einer Investition in angemessener Höhe zu tätigen. Es<br />
blieben zuletzt zwei amerikanische Firmen als ernsthafte Interessenten übrig. Für beide<br />
war ein Stützpunkt in Europa wichtig.<br />
www.genovac.com<br />
59
Es stellt sich die Frage, ob weitere Gemeinsamkeiten als Ursache<br />
für die Insolvenzen vorhanden sind, etwa bei Geschäftsmodellen<br />
oder Kommerzialisierungsstrategien.<br />
Abbildung 3-9:<br />
Geschäftsfelder/Geschäftsmodelle der insolventen<br />
Firmen im Jahresvergleich<br />
Plattformtechnologie<br />
Therapeutika &<br />
Tissue Engineering<br />
Diagnostik<br />
Bioinformatik<br />
Service<br />
Drug Delivery<br />
grüne Biotech &<br />
Feinchemikalien<br />
0<br />
0<br />
1<br />
1<br />
Anzahl Firmen<br />
2<br />
2<br />
2<br />
2<br />
Abbildung 3-9 ist zu entnehmen, dass in den beiden letzten<br />
Jahren jeweils die höchste Zahl an Insolvenzen bei Firmen zu<br />
verzeichnen war, die Plattformtechnologien, Therapeutika oder<br />
Tissue-Engineering-Produkte entwickelten. Gerade in diesen<br />
Segmenten hat es anscheinend Firmengründungen und Finanzierungen<br />
gegeben, deren Konzept in späteren Runden von<br />
anderen/weiteren Investoren nicht mehr akzeptiert wurde.<br />
Immerhin musste hier bis zum Zeitpunkt der Insolvenz der<br />
größte Anteil des investierten Risikokapitals, nämlich 43<br />
Millionen € (84 Prozent) von den insgesamt 51 Millionen €<br />
Verlust bei allen Insolvenzen abgeschrieben werden.<br />
3<br />
4<br />
4<br />
G ESCHÄFTSMODELLE, STRATEGIEN, WACHSTUMSHEMMNISSE UND E RFOLGE<br />
2002<br />
2003<br />
2 4 6 8 10<br />
6<br />
6<br />
7<br />
9<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Die Analyse der Insolvenzen nach ihrem letzten Finanzierungsstatus<br />
ergibt, dass die VC-finanzierten, insolventen Firmen<br />
bereits eine erste Finanzierungsrunde abgeschlossen hatten.<br />
Dieses war im Jahr 2002 ähnlich. Hauptursache für das<br />
Scheitern war somit eine nicht erfolgte, zweite Finanzierungsrunde.<br />
Aber auch nicht VC-finanzierte Firmen wurden im Jahr 2003<br />
insolvent und ihre Zahl ist gegenüber 2002 sogar angestiegen<br />
(siehe Abbildung 3-10).<br />
Die entgegen anderer Erwartungen geringer ausgefallene Zahl<br />
an Insolvenzen bedeutet, dass viele Unternehmen über einschneidende<br />
Maßnahmen und Einschränkungen versuchen, die<br />
gegenwärtige Eiszeit zu überdauern. Auf der anderen Seite<br />
heißt dies jedoch auch, dass jegliche Wachstumsbemühungen in<br />
vielen Fällen brach liegen.<br />
Abbildung 3-10:<br />
Finanzierungsstatus der insolventen Firmen im<br />
Jahresvergleich<br />
Seed-Finanzierung<br />
nach 1. VC-Runde<br />
nach 2. VC-Runde<br />
ohne VC<br />
Anzahl Firmen<br />
60 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
0<br />
1<br />
2<br />
4<br />
4<br />
6<br />
8<br />
11<br />
13<br />
2002<br />
2003<br />
5 10 15<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004
Wachstumshemmnisse<br />
So gab bei der Frage nach Wachstumshemmnissen ein Großteil<br />
der Sample-Unternehmen den Mangel an ausreichenden<br />
Finanzmitteln an. Insbesondere wird die mangelnde Risikobereitschaft<br />
und die deutliche Zurückhaltung der Investoren<br />
kritisiert. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass auch<br />
VC-Investoren unter Druck stehen, weil sie ihre Kundschaft –<br />
nämlich die Geldgeber – mit einem „Return on Investment“<br />
bedienen müssen. Insofern kann dem derzeit geschlossenen<br />
Kapitalmarkt, der keine Exits ermöglicht, die entscheidende<br />
Rolle als Wachstumshemmer zugesprochen werden. Dennoch<br />
werden die Investoren vermutlich auch bei Besserung der<br />
Kapitalmarktsituation Geschäftskonzepte kritischer prüfen als<br />
früher. Im Biotech-Bereich erfahrene Investoren haben dies<br />
schon früher getan, doch der Hype hatte dazu geführt, dass sehr<br />
viele Biotech-unerfahrene Investoren auf den Zug aufgesprungen<br />
sind, ohne nun den Dampf zu haben, durchzuhalten.<br />
Dementsprechend muss mangelndes Verständnis branchenfremder<br />
Investoren bzw. Gesellschafter ebenfalls als ein Wachstumshemmnis<br />
gesehen werden.<br />
Die Suche nach Kapital zieht ein weiteres Problem mit sich:<br />
Das Management vieler Biotech-Firmen ist derzeit fast ausschließlich<br />
mit der Finanzierung beschäftigt. Durch die Suche<br />
nach Geld und Investoren wird zu viel Managementkapazität<br />
gebunden, die letztlich für die Unternehmensführung fehlt.<br />
Wenn denn überhaupt Finanzierungen erfolgen, so ist dieses für<br />
manche Unternehmen oft sehr teuer. In Folge geringer Bewertungen<br />
durch die Investoren sind die Firmen zur Aufnahme von<br />
einem geringeren Kapitalbetrag gezwungen als eigentlich erforderlich.<br />
Oft müssen sie daher in relativ kurzem Zeitabstand<br />
wieder mit der Geldsuche beginnen, was erneut Managementkapazität<br />
bindet.<br />
Weitere Hemmnisse sind fehlende Investitionssicherheit, eine<br />
fehlende Business-Angel-Kultur sowie die schwierige<br />
Umstrukturierung der stillen Einlagen von TBG/MBG in<br />
Eigenkapital. Schließlich besteht das Problem, dass limitierte<br />
Ressourcen eine limitierte Projektauswahl zur Folge haben.<br />
Insgesamt müssen also neue Investmentstrategien gefunden<br />
werden, die es der deutschen Biotech-Industrie ermöglichen,<br />
eine durchgängige Finanzierungskette von „Angel Money“ bis<br />
zum IPO bzw. Follow-on zu etablieren.<br />
Die allgemein schlechte wirtschaftliche Lage in Verbindung mit<br />
der speziellen Marktkonsolidierung der Biotech-Branche wird<br />
von den Sample-Unternehmen am zweithäufigsten als Ursache<br />
für Wachstumshemmnisse genannt. Ist die Firma nämlich<br />
einmal so weit gekommen, dass sie Produkte oder Dienstleistungen<br />
am Markt anbietet, so sieht sie sich mit rückläufigen<br />
Forschungsetats im öffentlichen und privaten Bereich konfrontiert.<br />
Teilweise wird die Ansicht geäußert, dass ein Wachstum<br />
meist erst nach Erreichen des „break-even“ möglich ist.<br />
Insbesondere das organische Wachstum stößt bei den Biotech-<br />
Unternehmen daher noch oft an seine Grenzen. Auch die<br />
Marktpenetration stellt für viele Unternehmen noch eine große<br />
Herausforderung dar. Teilweise erweist sich ebenso die<br />
Marktgröße als ein Problem für Wachstum, so zum Beispiel im<br />
Bereich Serviceleistungen. Manche Firmen haben die<br />
Erfahrung gemacht, dass sie mit den Komplettlösungen auf<br />
Grund deren Komplexität und Größe nicht die erhoffte Marktakzeptanz<br />
finden.<br />
Speziell in der Pharmaindustrie, die der bedeutendste Kunde<br />
bzw. Partner von Biotech-Unternehmen ist, haben einige<br />
Firmen eine verringerte Bereitschaft zur Investition in und<br />
Kooperationen mit FuE-Unternehmen verspürt. In diesem<br />
Zusammenhang wird auch eine geringe Bedeutung der Pharmaforschung<br />
am Standort Deutschland im Vergleich zu den USA<br />
herausgestellt.<br />
Ein drittes, größeres Wachstumshemmnis wird in der aktuellen<br />
Gesundheitsreform gesehen, insbesondere in Verbindung mit<br />
der Kostenerstattung durch die gesetzlichen Kassen. Vor allem<br />
Firmen, die Tissue-Engineering-Produkte anbieten, haben daher<br />
Schwierigkeiten in der Marktentwicklung. Weitere politische<br />
Rahmenbedingungen wie Steuerpolitik und Rechtssystem<br />
stellen nach Ansicht der Biotech-Firmen ein nicht zu unterschätzendes<br />
Wachstumshemmnis dar. Manche sehen daher<br />
Vorteile für Wettbewerber aus dem Ausland. Zudem wird<br />
wiederholt die deutsche Bürokratie beklagt, die viele Prozesse<br />
verlangsamt, die zum Teil entscheidend für kleine und/oder<br />
junge Unternehmen sind. Speziell in der „grünen“ Biotechnologie<br />
erschweren oder verhindern die gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />
in Deutschland das Wachstum der in diesem<br />
Segment tätigen Firmen.<br />
Teilweise haben die Firmen auch Probleme, kompetentes<br />
Personal für Schlüsselpositionen zu gewinnen, um das nächste<br />
Entwicklungsstadium des Unternehmens in Angriff zu nehmen.<br />
61
Michael Raab, Vorstand Fairvest AG, Nürnberg<br />
Wie viel CFO braucht das Biotech-Unternehmen?<br />
In den letzten Jahren haben viele Biotech-Investoren erhebliche Wertberichtigungen in<br />
ihren Portfolien durchführen müssen. Dieser Abschreibungsbedarf sowie die oft nicht<br />
erfüllten Erwartungen ihrer Geldgeber haben das Fundraising in der jüngeren Vergangenheit<br />
deutlich erschwert. Parallel hierzu setzte ein intensives Nachdenken über die<br />
bestmögliche Verwendung der investierten Mittel ein. Ein wesentliches Ergebnis dieses<br />
Prozesses war eine prinzipielle Aufwertung kaufmännischer Fragestellungen.<br />
Kaufmännische Effizienz dringend erforderlich<br />
Dies wird nachfolgend an drei Beispielen verdeutlicht.<br />
Rechtliche Komplexität<br />
Die gängige Praxis, sehr schnell in eine AG zu wandeln und komplexe Stock-Option-Pläne<br />
(SOP’s)/Wandelschuldverschreibungen zu verabschieden, ist oftmals einer vorsichtigeren<br />
kaufmännischen Sichtweise gewichen. Typische Fragen,<br />
die aktuell in Beiräten diskutiert werden, sind: „Wie<br />
lassen sich zu hohe Due-Diligence-Kosten vermeiden?<br />
Wie wahrscheinlich ist ein Börsengang wirklich? Kann ein<br />
SOP noch einige Jahre warten?“<br />
Internationale Rechnungslegung<br />
Biotech ist immer internationales Business. Insofern<br />
richten viele deutsche Biotechs ihre Finanzierungsrunden<br />
zunehmend europäisch/US-amerikanisch aus. Hiermit<br />
verbunden ist regelmäßig ein englischsprachiges,<br />
monatliches Reporting nach US-GAAP/IFRS. Andererseits<br />
ist die Finanzbuchhaltung für den deutschen<br />
Jahresabschluss nach HGB-Standards auszurichten. Eine<br />
zeitnahe internationale Rechnungslegung verlangt effiziente interne IT-Systeme, eine<br />
gut funktionierende Buchhaltung, eine controllingfähige Unternehmensplanung und<br />
nicht zuletzt einen guten Wirtschaftsprüfer mit Branchenerfahrung.<br />
Finanzierungsrunden<br />
Die Zeit zwischen zwei Finanzierungsrunden hat sich in den letzten Jahren erheblich<br />
verkürzt, bei gleichzeitig gestiegenem Zeitbedarf pro Finanzierungsrunde. Die Auszahlung<br />
erfolgt oft stufenweise, wenn wichtige Milestones erreicht werden. Neben der<br />
rechtzeitigen Ausrichtung des Unternehmens auf die Erreichung der Milestones sichert<br />
der kaufmännische Bereich hier den Erfolg durch ein professionelles Reporting und<br />
straffes Projektcontrolling, insbesondere im Product Development.<br />
Doch wer stellt die kaufmännische Effizienz sicher?<br />
CFO – „Allrounder wanted !“<br />
Der erste Schritt ist getan, wenn zwischen Gründern und Investoren eine positive Grundsatzentscheidung<br />
für einen CFO getroffen wurde. Nicht ganz trivial ist dann die genaue<br />
G ESCHÄFTSMODELLE, STRATEGIEN, WACHSTUMSHEMMNISSE UND E RFOLGE<br />
Definition der Stelle. Nach unseren Erfahrungen ist es besonders wichtig, folgende<br />
Aspekte genau zu definieren: Abgrenzung zum CEO, Bedarf an Erfahrung in Finanzierungsverhandlungen<br />
und Notwendigkeit der Teilnahme an Lizenzverhandlungen.<br />
Unerlässlich für jeden guten Biotech-CFO sind weiterhin Branchenkenntnis, Erfahrung<br />
mit Venture-Capital-Investoren, ein zumindest gutes rechtliches Erfahrungswissen und<br />
Führungsqualitäten im täglichen Umgang mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern.<br />
Durchaus hilfreich ist es weiterhin, wenn bereits Berufserfahrung aus kleinen oder<br />
mittelgroßen Unternehmen vorhanden ist.<br />
Neben den bereits erwähnten Anforderungen muss sich der Biotech-CFO um das Rechnungswesen<br />
und eine ganze Reihe von administrativen Aufgaben kümmern. Erwähnenswert<br />
erscheint hier insbesondere das Management von Buchhaltung, Personalabrechnung,<br />
Zahlungsverkehr, Controlling und Financial Reporting. Während Letzteres<br />
regelmäßig Vorbehaltsaufgabe des CFO ist, erfolgt die laufende Durchführung des Rechnungswesens<br />
in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße durch eigene interne Mitarbeiter<br />
oder Dienstleistungsunternehmen. Nach unserer Erfahrung ist es wichtig, sehr<br />
früh ausreichend Zeit in die Definition und Einrichtung einer zur Unternehmensgröße,<br />
den Investorenanforderungen und den Unternehmenszielen passenden<br />
Struktur zu investieren.<br />
Zur Skalierbarkeit des CFO-Bereichs<br />
Da entsprechend geeignete Biotech-CFOs oft nicht zeitnah verfügbar<br />
sind, im Vorfeld neuer Finanzierungsrunden i. d. R. keine Einstellungen<br />
vorgenommen werden oder die Biotech-Unternehmen noch zu klein<br />
sind, einen CFO sinnvoll auszulasten, kann ein Interim-CFO eine gute<br />
Alternative sein. Je nach Einzelfall kann der Interim-CFO von wenigen<br />
Monaten (oft Vollzeit) bis zu zwei Jahren (einige Tage pro Monat) tätig<br />
sein. Hierdurch kann die Zeitspanne bis zur Beschäftigung eines fest<br />
angestellten CFOs ideal überbrückt und ggf. ausreichend Zeit für die<br />
Suche nach dem Top-Kandidaten gewonnen werden. Ein zusätzlicher<br />
Vorteil aus dem Einsatz eines Interim-CFOs im Vorfeld nahender<br />
Finanzierungsrunden ist dessen oft vorhandene Kenntnis über das aktuelle Investitionsverhalten<br />
von Venture-Capital-Gebern sowie im Einzelfall entsprechend gute<br />
Kontakte.<br />
Fazit<br />
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Bedeutung des CFO im Biotech-<br />
Unternehmen stark zugenommen hat und eine vielseitige und anspruchsvolle Managementaufgabe<br />
darstellt.<br />
Kurzprofil der Fairvest AG<br />
Die Fairvest AG unterstützt Biotech-Unternehmen durch Interim-Management sowie den<br />
Aufbau und Betrieb des kaufmännischen Bereichs. Seit der Unternehmensgründung im<br />
Jahr 2000 wurden deutschlandweit 25 Biotech-Kunden in über 40 Projekten betreut.<br />
Das Unternehmen beschäftigt aktuell 15 Mitarbeiter und hat seinen Umsatz seit der<br />
Gründung jährlich verdoppelt.<br />
www. fairvest.de<br />
62 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Dabei erschweren hohe Lohn- und Lohnnebenkosten zum Teil<br />
die Neueinstellungen. Und schließlich stellt der derzeitige<br />
Dollar-Wechselkurs für viele Unternehmen eine Herausforderung<br />
dar. So hätte beispielsweise bei gegenüber 2002<br />
unverändertem Wechselkurs die Evotec OAI ein Umsatzwachstum<br />
von 21 Prozent erzielt und damit die im November<br />
2002 abgegebene Prognose deutlich übertroffen. Mit der<br />
Schwäche des US-Dollars gegenüber dem Euro lag das<br />
Umsatzwachstum nur bei 10 Prozent.<br />
Auch bei der MWG Biotech ist für das<br />
Jahr 2003 ein Umsatzrückgang auf<br />
Währungseffekte durch den gegenüber<br />
Dollar und Pfund sehr hohen Euro<br />
zurückzuführen.<br />
Die Wachstumshemmnisse hinderten die<br />
Branche jedoch nicht, auch hervorragende<br />
Innovationen auf den Weg zu<br />
bringen. Die Verleihung von verschiedenen<br />
Preisen belegt dies eindrucksvoll.<br />
So wurde der bayerische Gründungspreis<br />
für den „Aufsteiger des Jahres“ an die<br />
Regensburger Geneart vergeben. Dabei<br />
hatten die Jury ein außerordentliches Umsatzwachstum und das<br />
Potenzial zur Marktführerschaft überzeugt. Das Bremer<br />
Biotech-Unternehmen alcedo biotech erhielt bei den deutschen<br />
Gründer- und Unternehmertagen die Auszeichnung „Gründer-<br />
Champion 2003“. Zuvor wurde die Firma bereits als einer von<br />
drei Landessiegern in einem Start-up-Wettbewerb gekürt. Den<br />
deutschen Gründerpreis 2003 in der Kategorie „Konzept“<br />
erhielt die Göttinger Avontec. Partner beim Gründerpreis sind<br />
der STERN, die Sparkassen, McKinsey & Company sowie das<br />
ZDF. Ein weiterer Preis, der „Freiburger Innovation Award<br />
2002“, wurde im Januar 2003 an die Freiburger Proqinase<br />
vergeben, die die Auszeichnung neben zwei weiteren<br />
Unternehmen erhielt. Schließlich wurde im vergangenen Jahr<br />
erstmals der „European Biotechnica Award for Excellence in<br />
Biotech Business“ verliehen: Der erste Preis in Höhe von<br />
20.000 € ging an die Münchener GPC Biotech, den zweiten<br />
Platz belegte die Intercell aus Wien. Wilex aus München konnte<br />
den dritten Platz für sich verbuchen. Weitere Finalisten waren<br />
die Aachener Paion und die MediGene.<br />
Die Verleihung fand im Rahmen der Eröffnungsfeier zur<br />
letztjährigen Biotechnica-Messe statt, die dieses Mal als ganz<br />
besonderes Stimmungsbarometer galt:<br />
„Insgesamt zeichnete sich das Jahr 2003<br />
durch einen tiefen Pessimismus nicht nur<br />
seitens der Biotech-Branche sondern<br />
insbesondere seitens der Geldgeber und<br />
Investoren aus. Wenn die Euphorie im<br />
Jahre 2002 80 Punkte über die Null Linie<br />
ausschlug, so schlägt der derzeitige<br />
Pessimismus mindestens 140 Punkte<br />
unter der Null-Linie aus.“<br />
Prof. Paul Cullen, CEO, ogham GmbH,<br />
Münster<br />
Den Erfolg der Messe zeigte nicht nur die gute Stimmung an<br />
den Ständen, sondern auch das Ausbleiben eines größeren<br />
Einbruchs der Besucher- und Ausstellerzahlen, der wegen der<br />
derzeitigen Branchenkonsolidierung im Vorfeld erwartet<br />
worden war.<br />
Obwohl ein Großteil der befragten Firmen die Fortdauer der<br />
aktuellen Konsolidierungsphase befürchtet, gibt es auch<br />
vorsichtigen Optimismus. Dabei zeigen die Unternehmen einen<br />
„neuen Realismus“: Orientierung am<br />
Machbaren und Wertorientierung. Es<br />
besteht Konsens, dass gute Unternehmen<br />
gestärkt aus dem Jahr 2004 hervorgehen<br />
werden. Humorvoll wurde dieses in<br />
einem Kommentar wie folgt beschrieben:<br />
„Wer es bis hierher geschafft hat, der ist<br />
auch in Zukunft nicht klein zu kriegen.“<br />
Zudem lassen positive Nachrichten die<br />
Branche auf leichte Erholung hoffen.<br />
Manche glaubten, dass die Talsohle der<br />
Konsolidierungsphase bereits durchschritten<br />
ist und das Wiedereinsetzen von<br />
Wagnisfinanzierungen und gesteigerte<br />
Risikobereitschaft die Branche beflügeln<br />
werden. Dennoch wird es zu einer noch stärkeren Differenzierung<br />
zwischen überlebensfähigen Unternehmen/Geschäftsmodellen<br />
und dem Rest kommen. In gewisser Weise liegt auch<br />
„ein langsamer Neubeginn von (fast) ganz bei Null“ vor, wie<br />
eine Aussage zu der Frage nach Trends lautete.<br />
Ein wichtiger Baustein zur Stärkung der Industrie könnte die<br />
Bildung von Netzwerken sein. Mustergültig zum „Drug<br />
Discovery Net“ zusammengetan haben sich bereits acht Firmen<br />
vorrangig aus dem Raum Tübingen-Reutlingen: Sourcon<br />
Padena, EMC microcollections, CureVac, Labor Dr. Glatthaar,<br />
Dr. Tetry genmedics, ChemCon, das Koordinierungszentrum<br />
Klinische Studien sowie die ActinoDrug Pharmaceuticals.<br />
Letztere wurde jedoch bereits Opfer der Konsolidierung und<br />
ging in die Insolvenz.<br />
Das SciTrix-Netzwerk stellt einen weiteren Verbund dar, dem<br />
die Unternehmen BioGenes, Biosyntan, Proteome Factory,<br />
InVivo und BioProof angehören.<br />
Derartige Netzwerke könnten eine Basis zur Schaffung von<br />
kritischer Masse ohne Übernahmen und Fusionen bilden.<br />
63
Prof. Dr. Paul Cullen, CEO ogham GmbH, Münster<br />
Beschleunigte Entwicklung neuartiger Gen-<br />
Diagnostika durch Netzwerkbildung<br />
In einer Schlüsselszene des Martin-Scorsese-Films „Gangs of New York“ erhält der Held<br />
Amsterdam Vallon folgende irische Lebensweisheit von seinem Mentor Monk McGinn:<br />
„An té nach bhfuil láidir, is gá dó bheith glic“, was so viel heißt wie: „Bist du nicht stark,<br />
so musst du schlau sein.“<br />
So stellt sich auch das Problem vieler kleiner Firmen in der Biotech-<br />
Branche dar. Gegenüber der nahezu heroischen Arbeit, die die<br />
Entwicklung eines neuen Medikaments darstellt, ist die Entwicklung<br />
neuer Diagnostika eine vergleichbar bescheidene Aufgabe. Dennoch<br />
stellt die gesamte Prozesskette von Basistechnologie über Definition<br />
und Zulassung der Anwendung bis zum Markteintritt und schließlich<br />
dem Erfolg am Markt eine Hürde dar, die kaum eine kleine David-Firma<br />
in dieser Welt von Goliath-Multis bewältigen kann.<br />
Daher hat die ogham GmbH die Strategie der Netzwerkbildung<br />
gewählt, um möglichst rasch nach Gründung mit einer völlig neuen<br />
Möglichkeit der genetischen Diagnostik am Markt zu sein.<br />
Schon die Gründung der ogham GmbH im Juni 2000 geht auf eine<br />
Kooperation mit der ClonDiag Chip Technologies GmbH in Jena zurück. ClonDiag verfügt<br />
über eine proprietäre Technologie, DNA-Mikroarrays („Genchips“) von niedriger bis<br />
mittlerer Dichte herzustellen. Daher konnten wir uns bei der ogham GmbH voll auf unsere<br />
Kernkompetenz in der Biologie und Medizin konzentrieren. Nach einiger Zeit wurde klar,<br />
dass ogham nur dann in der hochentwickelten Laborlandschaft erfolgreich sein würde,<br />
wenn es ein ausgereiftes, online-fähiges, diagnostisches System anbietet. So hat ogham<br />
sich an die Systec GmbH in Münster gewandt, einen Spezialisten auf dem Gebiet der<br />
Mechatronik. Mechatronik umfasst die Bereiche Mechanik, Elektronik und Informatik.<br />
Systec war für die Entwicklung und Herstellung des Chip-Readers – sowohl Hardware als<br />
auch Software – verantwortlich. Um eine Vernetzung des Systems im Labor gewährleisten<br />
zu können, ist ogham weiterhin eine Kooperation mit der Firma PrimoCon eingegangen,<br />
die auf die Entwicklung von maßgeschneiderten EDV-Lösungen für medizinische<br />
Laboratorien spezialisiert ist.<br />
Die Gründung dieses schnellen und flexiblen Netzwerks hat es uns erlaubt, bereits im<br />
September 2003 – also erst drei Jahre nach Gründung – das weltweit erste System für<br />
die medizinische Diagnostik auf Genchip-Basis in den Markt zu bringen. Als kleine Bestätigung<br />
unserer guten Zusammenarbeit wurde unser Netzwerk als einziges Beispiel aus<br />
der Biotechnologie im bundesweiten Wettbewerb „Die Beste Kooperation“, gesponsert<br />
vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und von der Zeitschrift<br />
„Wirtschaftswoche“, prämiert.<br />
G ESCHÄFTSMODELLE, STRATEGIEN, WACHSTUMSHEMMNISSE UND E RFOLGE<br />
Die erfolgreiche Einführung eines neuen Produkts in den Diagnostikamarkt ist eine<br />
Herausforderung, die den Strapazen der technischen Entwicklung in nichts nachsteht.<br />
Neben dem Problem der allgemein zu knappen Finanzierung tun sich die meisten<br />
Gründer mit ihrem meist rein wissenschaftlichen Hintergrund sehr schwer, diesen Schritt<br />
ohne externe Hilfe zu bewältigen. Das Chaos am Gesundheitsmarkt in Deutschland<br />
macht eine Markteinführung in der heutigen Zeit ebenfalls nicht leichter.<br />
Die derzeit verfügbaren ogham-Tests zielen in erster Linie auf Selbstzahler, die bereit<br />
sind, neben ihrer Krankenversicherung einen privaten<br />
Beitrag zur Krankheitsvermeidung zu leisten. Obwohl<br />
dynamisch wachsend, steckt dieses Marktsegment in<br />
Deutschland noch in den Kinderschuhen und bedarf<br />
einer besonderen Aufarbeitung.<br />
Neben der Betreuung von Schlüsselkunden durch einen<br />
eigenen Außendienst hat ogham deshalb ein umfassendes<br />
Marketing-Konzept erarbeitet, um es den<br />
großen, privaten Laboratorien zu erleichtern, die ogham-<br />
Tests an ihre einsendenden Ärzte zu vermitteln. Dieses<br />
Konzept umfasst die Bereitstellung von umfangreichem<br />
Informationsmaterial für Arzt und Patient, eine wissenschaftlich<br />
fundierte Kommentierung der Ergebnisse<br />
sowie die Organisation von Informationsveranstaltungen für interessierte Ärzte. Im<br />
Weiteren ist eine Medienkampagne zur Bedeutung der genetischen Risikodiagnostik<br />
geplant, um ebenfalls eine Nachfrage „von unten“ zu generieren.<br />
Trotz dieser Maßnahmen gehen wir davon aus, dass es uns nicht gelingen wird, mittelund<br />
langfristig eine ausreichende Marktpenetranz zu erreichen, ohne eine Kooperation<br />
mit einem größeren, am Markt etablierten Unternehmen einzugehen. Erst eine solche<br />
Kooperation wird auch eine international bedeutsame Marktpräsenz ermöglichen.<br />
Neben dem Gen-Chip-Lesegerät „solas 1“ verkauft ogham derzeit vier Genchips, die es<br />
erlauben, das genetische Risiko für verschiedene Erkrankungen zu bestimmen. So gibt<br />
es neben den Genchips thrombo|check (genetisches Risiko für Thrombose und<br />
Lungenembolie) und coro|check (genetisches Risiko für Herzinfarkt) auch die Produkte<br />
osteo|check (genetisches Risiko für Osteoporose) und stroke|check (genetisches Risiko<br />
für Schlaganfall). Weitere Genchips zur Aufklärung genetischer Unfruchtbarkeit beim<br />
Mann (ferti|check-m) sowie zur Diagnostik verschiedener genetischer Erkrankungen<br />
werden im Laufe des Jahres 2004 folgen, zusammen mit Mikroarrays im Bereich der<br />
Infektionsdiagnostik und der Pharmakogenomik.<br />
www.ogham.de<br />
64 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
3.2 M&A, Partnerschaften und Deals<br />
Noch zur Boomphase lag der Schwerpunkt von Akquisitionen<br />
beim Erwerb ausländischer Biotech-Firmen durch deutsche<br />
Unternehmen. Im Rahmen einer Expansionsstrategie ins Ausland<br />
wurden vor allem im Jahr 2000 ausländische Unternehmen<br />
gekauft, und zwar hauptsächlich in den USA. Insgesamt wurden<br />
11 Akquisitionen durch deutsche Biotech-Firmen gezählt.<br />
Tabelle 3-1:<br />
Fusionen und Übernahmen in der deutschen Core-Biotech-Industrie im Jahr 2003<br />
Käufer/Partner 1 Gekaufter/Partner 2 Land Bekanntgabe Anmerkung<br />
Heute sieht die Lage dagegen komplett anders aus: Insgesamt<br />
neun deutsche Core-Biotech-Unternehmen wurden von Firmen<br />
aus dem Ausland übernommen. Dieses waren entweder Übernahmen<br />
von in Insolvenzverwaltung stehenden Unternehmen,<br />
komplette Übernahmen oder Mehrheitsbeteiligungen. Weitere<br />
vier Übernahmen erfolgten unter rein deutscher Beteiligung.<br />
Fusionen & Akquisitionen<br />
Ende Dezember Beteiligung zu 100 %,<br />
Aeterna Laboratories Inc. Zentaris GmbH<br />
COSMIX molecular<br />
KAN/D 2002 Übernahme quasi in 2003 erst wirksam<br />
Gryphon Therapeutics Inc. biologicals GmbH<br />
phase-it intelligent<br />
USA/D Januar Beteiligung zu 100 %<br />
EUROPROTEOME AG Solutions AG<br />
Alpha Bioverfahrens-<br />
D/D Februar Beteiligung zu 100 %<br />
Siegfried Holding AG technik GmbH<br />
GTB GenTherapeutika<br />
CH/D Februar Beteiligung zu 75 %<br />
Bavarian Nordic A/S<br />
Alnylam Pharmaceuticals,<br />
Berlin-Buch GmbH DK/D Mai Beteiligung zu 100 %<br />
Inc. Ribopharma AG USA/D Juli Beteiligung zu 100 %<br />
NewLab Bioquality AG BiBiTec AG<br />
metaGen Pharmaceuticals<br />
D/D August Fusion<br />
Astex Technology Ltd GmbH UK/D Oktober Beteiligung zu 100 %<br />
ViaCell, Inc Kourion Therapeutics AG USA/D November Beteiligung zu 100 %<br />
DeveloGen AG<br />
Ganymed<br />
Peptor Ltd D/Israel November Bekanntgabe der Absicht zu fusionieren<br />
Pharmaceuticals AG ImmuGenics AG D/D Dezember Beteiligung zu 100 %<br />
Akquisitionen von in 2003 als insolvent gemeldeten Firmen (in der Statistik als Abgänge über Insolvenz gezählt)<br />
The Genetics Company Abeta GmbH CH/D Juni Akquisition der „Key Assets“<br />
Biofrontera<br />
Pharmaceuticals BioLeads fungiert nun als<br />
Holding AG bioLeads GmbH D/D Juli Biofrontera Discovery GmbH<br />
Memorec Biotec GmbH fungiert<br />
nun als Tochterfirma von<br />
Miltenyi Biotec GmbH Memorec Stoffel GmbH D/D Juli Miltenyi Biotec GmbH<br />
Akquirierte Firmen, die für 2003 noch in der Statistik eingeschlossen sind<br />
Eurofins Scientific SA GeneScan Europe AG F/D Februar/Juni Eurofins hält 68 % der Anteile von GeneScan<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
65
Dr. Stephan Wnendt, Vorstand Kourion Therapeutics AG,<br />
Langenfeld<br />
Akquisition durch US-BioTech-Unternehmen stärkt die<br />
zukünftige Entwicklung<br />
Sicherlich gibt es viele Beispiele für negativ belegte Akquisitionen im Biotech-Bereich:<br />
Transaktionen, bei denen es ausschließlich um den Erwerb einer Technologie ging;<br />
solche, bei denen der strategische Fit überschätzt wurde, oder jene, bei denen am Ende<br />
die Chemie zwischen den Leitungsmitgliedern nicht passte. Doch es geht auch anders:<br />
Wir sind im Herbst 2003 ganz bewusst und gezielt einen Zusammenschluss mit einem<br />
US-BioTech-Unternehmen eingegangen, weil hierin die besten Chancen für eine erfolgreiche<br />
Entwicklung unserer Technologie und für die Wahrnehmung der Interessen<br />
unserer Aktionäre und Mitarbeiter bestehen.<br />
Die Kourion Therapeutics AG gehört zu den wenigen deutschen BioTech-Unternehmen,<br />
die sich auf die Entwicklung von Stammzell-Therapeutika konzentrieren. Als Grundlage<br />
für die Therapeutikaentwicklung dient uns ein spezieller Typ nicht<br />
hämatopoietischer Stammzellen aus dem menschlichen Nabelschnurrestblut,<br />
die so genannten Unrestricted Somatic Stem Cells<br />
(USSCs), die sich sehr gut in der Zellkultur vermehren lassen – aus<br />
dem Nabelschnurrestblut eines Neugeborenen werden etwa eine<br />
Milliarde gleichartiger Stammzellen gewonnen. Das bei der Geburt<br />
anfallende Nabelschnurrestblut wird normalerweise verworfen; es<br />
handelt sich somit um eine ethisch unbedenkliche Quelle. Als Einsatzgebiete<br />
für diese Nabelschnurblut-Stammzellen wurden Herzinfarkt,<br />
Herzinsuffizienz sowie Knochen- und Knorpeldefekte ausgewählt.<br />
Finanziert durch ein Investment von MPM Capital und eine<br />
Förderung des Landes NRW konnten die ersten präklinischen Erfolge<br />
in einer Reihe von Tierversuchen erzielt werden. Doch der Weg bis<br />
zum zugelassenen Produkt ist bekanntlich recht lang und kann von einem Unternehmen<br />
mit etwa 20 Mitarbeitern ohne massive Mittelzufuhr in der Regel nicht alleine erreicht<br />
werden. Aus diesem Grunde haben wir seit März 2003 intensiv auf den Zusammenschluss<br />
mit einem führenden Unternehmen der Branche hingearbeitet: der Firma ViaCell<br />
in Boston, Massachusetts.<br />
ViaCell entwickelt wie Kourion Stammzelltherapeutika aus dem Nabelschnurrestblut<br />
und bietet darüber hinaus als private Blutbank die Einlagerung von Nabelschnurrestblut<br />
an. Damit verfügt ViaCell über eine eigene Einnahmequelle, die zur Finanzierung der<br />
Therapeutikaentwicklung beiträgt. ViaCell gehört mit seiner Tochter ViaCord in den USA<br />
zu den drei großen Unternehmen, die die Einlagerung von Nabelschnurrestblut für<br />
private Kunden anbieten. Der Umsatz im Jahr 2003 lag bei über 30 Mio. US$. Die Therapeutikaentwicklung<br />
konzentriert sich auf die Rekonstitution des Blut bildenden und des<br />
Immunsystems bei Krebspatienten, die Behandlung der muskulären Dystrophie und des<br />
M&A, PARTNERSCHAFTEN UND D EALS<br />
Diabetes. ViaCell hat in der Krebstherapie Anfang 2004 die erste klinische Studie gestartet,<br />
wobei eine eigene Technologie zur Vermehrung hämatopoietischer Stammzellen<br />
im Nabelschnurrestblut eingesetzt wurde. Die Mitarbeiterzahl lag vor der Akquisition<br />
von Kourion bei 225 nach dem Zusammenschluss bei 245.<br />
Die Akquisition von Kourion war für ViaCell in verschiedener Hinsicht interessant.<br />
Kourion arbeitet mit den USSC an einem besonderen Typ von Stammzellen aus dem<br />
Nabelschnurblut und hat insbesondere in der Anwendung in der Kardiologie ein Erfolg<br />
versprechendes Konzept etabliert. Zugleich bietet Kourion für ViaCell die Plattform für<br />
die europäische Expansion im Bereich der privaten Nabelschnurbluteinlagerung und<br />
weitergehender Serviceangebote sowie klinische Entwicklungsaktivitäten. Für Kourion<br />
eröffnet der Zusammenschluss mit ViaCell den Zugang zum US-Markt, erhöht die<br />
kritische Masse in der Durchführung der Entwicklungsprojekte und bildet das finanzielle<br />
Fundament für die zeitaufwendige Entwicklung der Stammzelltherapeutika bis zum<br />
zugelassenen Arzneimittel. Hinzu kommt die Ausweitung der Geschäftstätigkeit auf die<br />
private Nabelschnurbluteinlagerung und damit verbundene Investitionen in Infrastruktur<br />
und Personal, die ohne den Zusammenschluss als Standalone<br />
nicht realisiert worden wären. Aus übergeordneter,<br />
europäischer Sicht kann die Akquisition auch als positive<br />
Bewertung einer hier entwickelten Technologie<br />
gesehen werden – wobei hervorzuheben ist, dass es sich<br />
nicht um ein Beispiel für den Ausverkauf europäischer<br />
Technologie handelt, denn die Technologie der USSC<br />
wird am bisherigen Standort mit voller Kraft weiterentwickelt<br />
und für die klinische Anwendung in Europa<br />
vorbereitet.<br />
Aus unserer Sicht waren die vier wesentlichen Voraussetzungen<br />
für einen erfolgreichen Zusammenschluss:<br />
1. Strategischer Fit<br />
2. Gute Chemie zwischen dem Management beider Firmen<br />
3. Unterstützung durch die Aktionäre<br />
4. Unermüdliches M&A-Management durch eine externe Agentur.<br />
Die Integration von Kourion in ViaCell verlief sehr gut und ohne Reibungsverluste, nicht<br />
zuletzt weil wir mit diesem Prozess schon in der späten Phase der Deal-Vorbereitung<br />
begonnen haben – man könnte hier eher von einem Merger als von einer Akquisition<br />
sprechen. Das Management arbeitet sehr eng zusammen und hat eine gemeinsame<br />
Vision, Strategie und Entscheidungsfindung. Damit – so hoffen wir – sind die besten<br />
Voraussetzungen für eine erfolgreiche, gemeinsame, globale Entwicklung des<br />
Unternehmens geschaffen.<br />
www.kouriontx.com<br />
66 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Die Fusion der NewLab Bioquality mit der Bibitec im August<br />
vergangenen Jahres war die einzige Fusion, die zu einem Abgang<br />
eines Unternehmens in der Statistik führte.<br />
Eine weitere Fusion – diejenige zwischen DeveloGen und der<br />
israelisch-deutschen Peptor – wurde im vergangenen Jahr zwar<br />
bekannt gegeben, aktuell aber noch nicht vollzogen. Am 31.<br />
Dezember 2003 wurde auch noch die Fusion der Sireen mit der<br />
NAD zur Sirenade bekannt gegeben, jedoch wird dieser<br />
Zusammenschluss hier nicht mehr in den Untersuchungszeitraum<br />
eingerechnet.<br />
Dass die Bekanntgabe einer Fusion nicht unbedingt gleich den<br />
Vollzug bedeuten muss, hat nach der geplatzten Fusion von<br />
MorphoSys und British Biotech im Jahr 2002 auch die<br />
abgesagte Fusion zwischen der Biofrontera Pharmaceuticals<br />
Holding und der niederländischen Kiadis gezeigt. Mitte<br />
November gaben Biofrontera und Kiadis die Beendigung ihrer<br />
seit vergangenem Februar laufenden Fusionsverhandlungen<br />
bekannt, da sich im Laufe des Fusionsprozesses bei beiden<br />
Firmen Entwicklungen ergaben, die auf beiden Seiten die<br />
Bewertungsgrundlage veränderten. So nahm Biofrontera die<br />
Gelegenheit wahr, die unter Insolvenzverwaltung stehende<br />
bioLeads zu übernehmen. Diese gehörte ursprünglich sogar zu<br />
dem engeren Kreis potenzieller Fusionspartner und konnte<br />
damit eine wichtige technologische Lücke bei Biofrontera<br />
schließen. Die holländische Kiadis übernahm ihrerseits ein<br />
Unternehmen mit Schwerpunkt im Bereich der organischen<br />
Synthese und konnte so ebenfalls fehlendes Know-how ergänzen.<br />
Unbeeinträchtigt vom Abbruch der Fusion bleibt die<br />
zwischen beiden Firmen bestehende Forschungskooperation zur<br />
Entwicklung neuer Wirkstoffe gegen neuropathischen Schmerz.<br />
Die Anzahl an vollzogenen Fusionen in der deutschen Biotech-<br />
Branche bleibt somit durch den einen Zusammenschluss auf<br />
dem gleichen, niedrigen Niveau wie im Jahr 2002, in dem es die<br />
eine Fusion zwischen Curacyte und VitaResc gab.<br />
Mit Blick auf die allgemeine Erwartung einer noch fortdauernden<br />
Konsolidierung der deutschen Branche scheint diese<br />
konstant geringe Anzahl an Fusionen weiterhin paradox – um so<br />
mehr, als gerade die befragten Unternehmen selbst zu einem<br />
Großteil von einer Fortsetzung der Konsolidierung ausgehen.<br />
Dies wirft die Vermutung auf, dass viele Unternehmen glauben,<br />
dass andere sich zusammentun, ohne dies für das eigene Unternehmen<br />
zu erwarten – eine durchaus erstaunliche Denkweise.<br />
Allerdings haben die befragten Firmen auch Hindernisse von<br />
Übernahme- und Fusionsprozessen (Merger & Acquisitions:<br />
M&A) thematisiert.<br />
Gründe für Hindernisse werden dabei sowohl extern als auch<br />
intern gesehen. Auf externer Seite spielen vor allem die<br />
beteiligten Investoren eine wichtige Rolle. Nach Ansicht<br />
fusionswilliger Unternehmen liegt dort zum Teil unzulängliche<br />
Kompromissbereitschaft vor, die unter anderem anscheinend<br />
auf unterschiedliche Interessen (Exit-Erwartungen) der verschiedenen<br />
Investoren zurückzuführen ist. So befürchten<br />
manche Unternehmen, dass VC-Partner auf Grund von Steuergesetzgebung<br />
und Rückversicherung eine Insolvenz oft für<br />
günstiger erachten als einen „billigen“ Verkauf. Zudem sind laut<br />
akquisitions- oder fusionsinteressierten Firmen Bewertungsfragen,<br />
Liquidationspräferenzen und „Anti-Dilution-Klauseln“<br />
der VC-Gesellschaften sowie auch stille Beteiligungen und die<br />
potenzielle Verpflichtung zur Zurückzahlung von Fördermitteln<br />
bei zu übernehmenden Unternehmen ein Hemmnis für M&A-<br />
Bestrebungen. Ferner wird bemerkt, dass es wenige erfahrene<br />
VC-Firmen in Deutschland gibt, die einen M&A-Deal<br />
„attraktiv orchestrieren“ können. Und nicht nur Interessensdivergenzen<br />
bei den Investoren untereinander, sondern ebenso<br />
zwischen Kapitalgebern und Management können Probleme<br />
ergeben. Letztlich besteht auch die Frage nach der Finanzierbarkeit<br />
fusionierter Unternehmen, da eine gemeinsame Equity-<br />
Story nicht immer leicht darzustellen ist.<br />
Hinzu kommen weiterhin mögliche, unvereinbare Vorstellungen<br />
der Management-Teams untereinander: Individualismus,<br />
das Ego von Gründern, die persönliche Chemie, die Klärung<br />
der „CEO-Frage“ oder die fehlende Bereitschaft, eigene Positionen<br />
zur Weiterentwicklung des Unternehmens aufzugeben,<br />
sind Stichworte, die von den befragten Unternehmen als<br />
Hindernisse genannt wurden. Ein wichtiger Punkt hierbei ist<br />
zudem die Standortfrage. Auch wird oft angezweifelt, dass ein<br />
echter „strategischer Fit“ vorhanden ist oder dass sich Synergiepotentiale<br />
realisieren lassen. So kann die Post-Merger-Integration<br />
ein großes Risiko für kleine Unternehmen sein. Hier spielt<br />
vermutlich auch mangelnde Erfahrung der Akteure eine Rolle.<br />
Überdies lassen Finanzknappheit und fehlende Ressourcen<br />
keine Zeit zur professionellen Vorbereitung und Durchführung<br />
von M&A-Aktivitäten.<br />
Das Hauptproblem ist vermutlich, dass es bisher keine echten<br />
Erfolgs-Stories in der deutschen Szene gab, aus der sich „role<br />
models“ ableiten ließen.<br />
67
Dr. Alexander Asam, Partner, Deutsche Venture Capital<br />
(DVC), München<br />
„Große“ und „kleine“ Hindernisse bei M&A-Transaktionen<br />
Oftmals werden Gründer, Vorstände oder Kapitalgeber als primäres Hindernis für M&A-<br />
Aktivitäten angesehen. Die Realität ist aber vielschichtig und vor dem Hintergrund<br />
zahlreicher Gespräche und einiger Transaktionen wird ein Sachverhalt, der sich in der<br />
Realität als wichtig herausstellte, bislang aber wenig in der Diskussion beachtet wurde,<br />
beleuchtet.<br />
In der Venture-Capital- (VC-)Szene ist in den letzten Jahren die Realität schmerzlich<br />
gereift, dass M&A-Aktivitäten vielfach und von allen möglichen Parteien propagiert<br />
werden, aber letztlich ein mühevoller Weg sind, der nur in einer geringen Zahl der<br />
avisierten Fälle zum Abschluss führt.<br />
Grundsätzlich sind drei Ebenen für eine M&A-Transaktion<br />
zu beachten. Zu Beginn prüft das Management, ob<br />
ein sinnvoller Zusammenschluss in Bezug auf die wissenschaftliche<br />
Ebene erreicht werden kann. Auf dieser<br />
Ebene stellt sich sehr schnell heraus, ob sich beide<br />
Unternehmen sinnvoll ergänzen. Erfahrungsgemäß wird<br />
hier rasch entschieden, ob die weitere Prüfung einer<br />
Firmenfusion fortgesetzt werden sollte. Selten treten<br />
hier größere Komplikationen auf. Der nächste Schritt ist<br />
die Finanzebene: die Finanzstruktur der Transaktion, die<br />
relativen Bewertungen, die notwendigen Finanzmitteln<br />
für die Zukunft etc. Als dritte Ebene ist abschließend die Personalebene zu nennen.<br />
Diese befasst sich z. B. mit der Organisationsstruktur, welche Expertise braucht das<br />
„neue“ Unternehmen und wie setzen sich Vorstand und Aufsichtsrat zusammen.<br />
Auf der Finanzebene kommt ein Anteilseignerkreis in der Diskussion um M&A hinzu,<br />
der bislang wenig berücksichtigt wurde. Investoren, die nur einen kleinen Anteil am<br />
Unternehmen halten und nicht in der Lage sind, frisches Geld zu investieren, fühlen sich<br />
oftmals in einer M&A-Transaktion übervorteilt. Maßgeblich an der Gründung des<br />
Unternehmens beteiligt gewesen zu sein und nun mit ansehen zu müssen, wie der eigene<br />
Anteil drastisch reduziert oder im Extremfall durch die Anwendung von Liquidationspräferenzen<br />
gar auf Null gesetzt wird, ist schwierig. Venture Capital, insbesondere im<br />
Biotech-Sektor, ist aber dadurch geprägt, hohe Investitionssummen über mehrere<br />
Finanzierungsrunden bereit zu stellen und einen Investitionszeitraum von 4 bis 8 Jahren<br />
in Betracht zu ziehen. Zu Beginn einmalig eine Investition zu tätigen und auf den raschen<br />
Exit mit hohem Ertrag zu bauen, ist kein valides Businessmodell für Investitionen im<br />
Biotech-Sektor. So wie es für viele VC-Unternehmen in Deutschland schwierig war, über<br />
M&A, PARTNERSCHAFTEN UND D EALS<br />
die letzten Jahre fast nur Wertberichtigungen vorzunehmen, so ist es für diese Investoren<br />
schwer, erkennen zu müssen, dass sich ein finanzieller Ertrag ohne Folgeinvestition<br />
nicht erzielen lässt. Dennoch haben Anteilseigner, auch wenn ihr Prozentanteil nur<br />
gering ist, gestützt durch das deutsche Aktienrecht, die Möglichkeit eine Transaktion<br />
deutlich zu verlangsamen oder gar zu verhindern. Schuldrechtlich sind diese Anteilseigner<br />
über die Investitionsverträge verpflichtet, den vorgegebenen Mehrheiten zu<br />
folgen, aktienrechtlich ist dies jedoch nicht der Fall. M&A-Transaktionen stehen meist<br />
unter erheblichem Zeitdruck und Rechte einzuklagen dauert lange und ist für die<br />
Transaktion nicht förderlich. Die Fronten können sich während der Transaktion schnell<br />
verhärten, was weder zielführend ist, noch der Gesellschaft für die Zukunft hilft. Die<br />
„großen“ Investoren, die in der Regel mit dem Management die Transaktion vorbereiten<br />
und strukturieren, sehen diese Anteilseigner als potentielles Risiko für die Gesellschaft.<br />
Grund ist das ansonsten passive Verhalten und wenig konstruktive<br />
In-den-Vordergrund-Stellen der eigenen Position während der Transaktion,<br />
ohne durch neue Kapitalzufuhr die Zukunft der Gesellschaft<br />
sichern zu können. Für die betroffenen kleinen Anteilseigner sind die<br />
„großen“ Investoren die „Bösen“, da sich diese über frisches Geld in<br />
eine vorteilhafte Lage bringen. Verfestigen sich diese Standpunkte<br />
und tritt die emotionale Komponente in den Vordergrund kann dies<br />
schnell zum Scheitern der Transaktion führen.<br />
Die „großen“ Investoren müssen daraus lernen, einen schwierigen<br />
Balanceakt zu meistern: möglichst viele Anteilseigner früh einbinden<br />
und Überzeugungsarbeit für die Transaktion leisten, ohne jedoch jede<br />
Idee mit allen Gesellschaftern diskutieren zu müssen, bevor diese<br />
eine reale Chance hat, verwirklicht zu werden. Auf der anderen Seite<br />
müssen prozentual kleine Anteilseigener akzeptieren, dass manche Entscheidung zur<br />
Sicherung und Stärkung des Unternehmens zu starker Verdünnung oder gar zum Verlust<br />
des Anteils führt und nur kompensiert werden kann, wenn man in der Lage ist, neues<br />
Kapital zuzuführen.<br />
Auch der oben angesprochene Aspekt zeigt, dass M&A-Transaktionen vielschichtige<br />
Prozesse beinhalten und ausgezeichnetes Projektmanagement erfordern. In einem über<br />
die letzten Jahre schwierigen Umfeld werden nur sehr wenige Transaktionen erfolgreich<br />
abgeschlossen, da die Risikobereitschaft niedrig ist und mögliche Hindernisse stärker in<br />
den Vordergrund gerückt werden. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass dagegen in einem<br />
positiven Umfeld mit hohen Bewertungen M&A-Aktivitäten viel leichter vonstatten<br />
gehen. Im Vergleich mit den USA erleben viele VC-Investoren und Anteilseigner in<br />
Deutschland diesen „down cycle“ zum ersten Mal. Die Lernkurve dabei ist steil, die Konsequenzen<br />
daraus nicht einfach zu verkraften, aber für den nächsten Zyklus werden<br />
sie sehr hilfreich sein.<br />
www.dvcg.de<br />
68 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Anderseits stellt sich die Frage, ob in der deutschen Biotech-<br />
Industrie mit ihren vielen unterkritisch kleinen Unternehmen<br />
durch Fusionen tatsächlich Firmen mit hinreichender Masse<br />
entstehen können. Ein Zusammenschluss von zwei eher<br />
schwachen Unternehmen muss nicht zwangsläufig eine starke<br />
Firma ergeben. Von daher stellt sich die Frage nach strategisch<br />
sinnvollen M&As bei nicht ausreichend kritischer Masse.<br />
Zudem wird sich eventuell der derzeit bestehende Käufermarkt<br />
weiter auf der internationalen Ebene auswirken und<br />
möglicherweise vermehrt Übernahmen durch ausländische<br />
Firmen bringen.<br />
Angesichts der geschilderten Schwierigkeiten bei Fusionen und<br />
Akquisition ist zu bedenken, ob nicht eher Partnerschaften und<br />
Firmennetzwerke zu einer Konsolidierung beitragen und damit<br />
eine Alternative zu Firmenzusammenschlüssen und -übernahmen<br />
darstellen können. Immerhin gaben im vergangenen Jahr<br />
wieder zahlreiche deutsche Core-Biotech-Firmen Neuabschlüsse<br />
von kommerziellen Kooperationen bekannt.<br />
Die Aufteilung dieser Deals in verschiedene Kategorien<br />
verdeutlicht Abbildung 3-11.<br />
Abbildung 3-11:<br />
Kommerzielle Deals im Jahr 2003<br />
Produkt-<br />
Kooperation<br />
43 %<br />
Marketing-<br />
Kooperation<br />
13 %<br />
Technologie-<br />
Kooperation<br />
44 %<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Bei den Technologie-Kooperationen handelt es sich in der Regel<br />
um den Einsatz einer Technologie-Plattform für Forschungszwecke<br />
beim Partner oder um Kooperationen in der früheren<br />
Phase der Forschung und Entwicklung.<br />
Produkt-Kooperationen zielen auf die gemeinsame Entwicklung<br />
eines Produktes, zumeist eines Wirkstoffes für den<br />
pharmazeutischen Bereich. Der Schwerpunkt der Kooperation<br />
liegt somit insbesondere in späteren Phasen der Entwicklung.<br />
Mit Marketing-Kooperationen werden Vereinbarungen zum<br />
gemeinsamen Vertrieb marktreifer Produkte bezeichnet, so zum<br />
Beispiel auf ausländischen Märkten, auf denen einer der Partner<br />
bereits präsent ist.<br />
Im Vergleich zum Jahr 2002, in dem etwa die Hälfte der<br />
abgeschlossenen kommerziellen Deals auf Technologie-<br />
Kooperationen entfiel, ist deren Anteil im vergangenen Jahr auf<br />
44 Prozent gesunken. Der Anteil an Produktkooperationen ist<br />
dagegen dementsprechend gestiegen, und zwar auf 43 Prozent.<br />
Diese Entwicklung spiegelt in gewisser Weise den Fortschritt in<br />
der Wirkstoff-Entwicklungspipeline wider. Weitere 13 Prozent<br />
entfallen auf Marketing-Kooperationen. Diese Verteilung<br />
charakterisiert im Prinzip den Stand der deutschen Biotech-<br />
Industrie: Der Schwerpunkt liegt hier nach wie vor auf<br />
Forschung und Entwicklung. Bei den Marketing-Kooperationen<br />
sind zumeist solche Firmen vertreten, die bereits marktreife<br />
Produkte anbieten, wie zum Beispiel Qiagen, MWG Biotech<br />
oder LION bioscience.<br />
Zum Gesamt-Rückgang der Technologie-Kooperationen ist zu<br />
bemerken, dass hiervon nicht die Kooperationen mit<br />
Pharmaunternehmen betroffen sind, sondern eher diejenigen<br />
zwischen den Biotech-Firmen selbst. Dieses wird aus<br />
Abbildung 3-12 ersichtlich. Die Abbildung zeigt die Verteilung<br />
der bekannt gegebenen kommerziellen Deals im Jahresvergleich<br />
nach Partner und Art.<br />
Im Segment der Produktkooperationen haben die Kooperationen<br />
mit Pharmaunternehmen zugunsten derjenigen mit Partnern<br />
aus anderen industriellen Bereichen abgenommen. Bei den<br />
Marketingkooperationen wird ganz deutlich, dass hier die<br />
Zusammenarbeit mit anderen industriellen Partnern die größte<br />
Rolle spielt.<br />
69
Abbildung 3-12:<br />
Kommerzielle Deals nach Partnerart<br />
Technologie-Kooperationen<br />
Produkt-Kooperationen<br />
Marketing-Kooperationen<br />
Abbildung 3-13 zeigt im Jahresvergleich die veröffentlichten<br />
kommerziellen Deals der deutschen Biotech-Industrie nach<br />
Partnerland.<br />
Technologie-Kooperationen wurden demzufolge zumeist mit<br />
deutschen Biotech-Partnern geschlossen, dicht gefolgt jedoch<br />
von den europäischen Partnern.<br />
Im Segment der Produkt-Kooperationen spielten im Jahr 2003<br />
deutsche Partner eine größere Rolle als noch im Jahr 2002.<br />
Abgenommen hat dagegen der Anteil von US-Partnern. Dies<br />
kann als erfreuliche Entwicklung zur Vernetzung der deutschen<br />
Biotech-Industrie untereinander gewertet werden. Der Rückgang<br />
des Anteils von Partnern aus den<br />
USA kann eventuell in Verbindung mit<br />
Bestrebungen zu Kosteneinsparungen<br />
gebracht werden. Denn zur intensiven<br />
Pflege von Partnerschaften sind sicher<br />
auch häufige persönliche Besuche in den<br />
USA notwendig, die entsprechend Kosten<br />
verursachen.<br />
Bei den Marketing-Kooperationen fällt<br />
auf, dass nach wie vor nur wenige Vereinbarungen<br />
mit deutschen Partnern getroffen<br />
wurden. Im Jahresvergleich liegt in<br />
2003 der Anteil immerhin geringfügig<br />
höher.<br />
M&A, PARTNERSCHAFTEN UND D EALS<br />
Partner Biotech<br />
Partner Pharma<br />
Partner anderer<br />
industrieller Bereich<br />
0 20 40 60 80 100<br />
Anzahl in % Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Hier wird wiederum der derzeitige Stand<br />
der deutschen Industrie deutlich, die vergleichsweise<br />
weniger marktreife Produkte<br />
anzubieten hat als die restliche europäische<br />
und US-Industrie. In diesem<br />
Segment hat im Jahresvergleich insbesondere<br />
der Anteil an Kooperationen<br />
mit Partnern aus den USA zugenommen.<br />
Vermutlich bemühen sich die deutschen<br />
Biotech-Firmen aus Kostengründen vermehrt<br />
darum, statt dem Aufbau eines<br />
eigenen US-Vertriebsbüros eine Marketing-Partnerschaft<br />
mit einem Unterneh-<br />
men vor Ort zu verfolgen.<br />
Der starke Rückgang bei dem Anteil asiatischer Vermarktungs-<br />
Partner kann eventuell damit begründet werden, dass nach einer<br />
anfänglichen Euphorie in Bezug auf die Erschließung des<br />
asiatischen Marktes eine gewisse Ernüchterung auf Grund<br />
kultureller und wirtschaftlich-politischer Herausforderungen<br />
eingekehrt ist. Zudem ist anzunehmen, dass die Durchdringung<br />
des asiatischen Marktes mit höheren Investments verbunden ist,<br />
die wiederum aus Kostengründen nicht verstärkt verfolgt<br />
werden.<br />
70 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
2002<br />
2003<br />
Abbildung 3-13:<br />
Kommerzielle Deals nach Partnerland<br />
Technologie-Kooperationen<br />
Produkt-Kooperationen<br />
Marketing-Kooperationen<br />
0 20 40 60 80 100<br />
2002<br />
2003<br />
Partner Deutsch<br />
Partner Europa<br />
Partner USA<br />
Partner Asien<br />
Anzahl in % Quelle: Ernst & Young, 2004
Dr. Simon E. Moroney, CEO MorphoSys AG, München<br />
Abschied vom Standard Deal zwischen Biotech und<br />
Big Pharma<br />
Wie schafft es eine Biotech-Firma, erfolgreich große Pharma-Deals abzuschließen? Für<br />
die Beantwortung dieser Frage gibt es, wie die Erfahrungen der vergangenen Jahre<br />
gezeigt haben, keine vorgefertigte Antwort. Das grundlegende Prinzip ist bekannt und<br />
wird auch von Pharma-Seite nicht bestritten: Big Pharma braucht die Innovationskraft<br />
der Biotechnologie! Angesichts auslaufender Patente für umsatzstarke Medikamente<br />
und Lücken in den Entwicklungspipelines sind die Global Player der Pharmabranche auf<br />
die innovativen Entwicklungen junger Firmen mehr denn je angewiesen. Ein Standard-<br />
Modell für eine erfolgreiche Kooperation zwischen Biotech und Big Pharma kann es<br />
hingegen nicht geben. Das vergangene Jahr hat allerdings<br />
gezeigt, dass die Pharma-Branche insgesamt<br />
wählerischer und konservativer entscheidet, welche<br />
Partner attraktiv für Sie sind. Pharma-Konzerne achteten<br />
in 2003 viel stärker als früher darauf, dass einlizenzierte<br />
Technologien, Targets sowie Wirkstoffkandidaten eine<br />
höhere Wahrscheinlichkeit haben, marktfähige Produkte<br />
hervorzubringen. Die Tage, in denen Big Pharma bereit<br />
war, in Technologien zu investieren, die in einer frühen<br />
Phase und am Markt noch nicht voll etabliert sind,<br />
scheinen gezählt. Besteht der Biotech-Partner jedoch<br />
diese Prüfungen, sind auch Kooperation mit hohem<br />
finanziellen Volumen keine Seltenheit. Ein zweiter Trend,<br />
der sich im vergangenen Jahre herauskristallisierte, war, dass therapeutische Antikörper<br />
– das Feld, in dem auch MorphoSys aktiv ist – in den Fokus einer sehr großen Zahl von<br />
Kooperationen rückten.<br />
Die Rückkehr der Early-Stage-Deals<br />
Welchem Muster die Partnerschaft zwischen Biotech und Pharma folgen soll, steht seit<br />
langer Zeit im Mittelpunkt einer zum Teil heftig geführten Diskussion. Im Jahr 2002<br />
wurden so genannte Late-Stage- oder Produkt-Deals als zukunftsweisendes Modell für<br />
die Zusammenarbeit zwischen Biotech-Firmen und Big Pharma angepriesen. Das<br />
vergangene Jahr sah hingegen die Rückkehr der so genannten Early-Stage-Deals, bei<br />
denen den Biotech-Unternehmen die Last der Entwicklungsrisiken größtenteils von den<br />
Schultern genommen wird. Eine beträchtliche Anzahl der wichtigsten Partnerschaften<br />
drehte sich dabei direkt um Antikörper oder wurde von Antikörpern beeinflusst. In den<br />
Vereinigten Staaten etwa verhalf die Nachricht über Erfolge in der klinischen<br />
Entwicklung des Krebsantikörpers Avastin dessen Hersteller, Genentech, und sogar der<br />
gesamten US-Börsenlandschaft zu neuer Dynamik. Weniger Beachtung fand hingegen,<br />
dass die klinischen Ergebnisse von Avastin auch die lang erwartete Validierung des<br />
Zielmoleküls VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) darstellten. Im Fahrwasser<br />
dieser Erkenntnis folgte ein Vertrag zwischen Aventis und der US-amerikanischen<br />
Regeneron Pharmaceuticals Inc., der Aventis Zugang zu dem Anti-Angiogenese-Wirkstoff<br />
VEGF-Trap sicherte. Aventis zahlt seinem biopharmazeutischen Partner für die<br />
Kommerzialisierungsrechte 125 Mio. US$ – rund zwei Drittel davon up-front, also als<br />
direkte Zugangszahlung zur Technologie. Das Fusionsprotein VEGF-Trap befindet sich<br />
derzeit in der Phase I der klinischen Entwicklung.<br />
Drei direkt von Antikörpern handelnde Kooperationsverträge veranschaulichen den<br />
gestiegenen Appetit von Big Pharma auf größere Moleküle, insbesondere Antikörper. So<br />
war es erneut der Aventis-Konzern, der sich Mitte Juli entschloss, seine Onkologie-<br />
Sparte durch eine Kooperation zur Entwicklung neuartiger Krebsantikörper mit<br />
ImmunoGen zu erweitern. Der Pharma-Partner sicherte sich die Vermarktungsrechte für<br />
drei Produktkandidaten, die sich derzeit in der frühen Phase von ImmunoGens<br />
Forschungs-Pipeline befinden.<br />
AstraZeneca schloss Mitte Oktober mit der US-amerikanischen Firma<br />
Abgenix eine Zusammenarbeit, bei der in der ersten Instanz<br />
Antikörper gegen bis zu 36 Krebs-Targets identifiziert werden – die<br />
Kooperation geht also von einem sehr frühen Stadium der Wirkstoff-<br />
Forschung aus. Bemerkenswert ist ferner die Vergütungsmethode:<br />
AstraZeneca investiert rund 100 Mio. US$ in Form von<br />
Wandelanleihen.<br />
Im vergangenen Dezember konnte MorphoSys einen Vertrag mit dem<br />
weltgrößten Pharma-Konzern Pfizer abschließen. Pfizers Interesse an<br />
Antikörpern aus der HuCAL®-GOLD-Bibliothek markierte für uns den<br />
gelungenen Ausklang des Jahres 2003. Der US-Pharmakonzern wird<br />
die präklinische und klinische Entwicklung durchführen und ist im Anschluss auch für die<br />
Vermarktung der aus der Kooperation entstandenen Produkte verantwortlich. Diese<br />
Vereinbarung hat einen potenziellen Gesamtwert für MorphoSys von mehr als<br />
50 Mio. US-$.<br />
Ebenso wie Aventis, AstraZeneca und Pfizer bauten auch andere Pharma-Riesen wie<br />
Roche oder Merck KGaA ihre Aktivitäten in puncto Biotechnologie deutlich aus. Das<br />
Interesse an Antikörpern wird dabei maßgeblich durch den wachsenden Erfolg dieser<br />
Medikamenten-Klasse geschürt. Im vergangenen Jahr erhielten vier therapeutische<br />
Antikörper die Marktzulassung – Raptiva, Xolair, Bexxar und Erbitux. Es ist zu erwarten,<br />
dass sich dieser Trend in 2004 weiter fortsetzt und wir neue wichtige Kooperationen<br />
zwischen Biotech und Pharma sehen werden.<br />
Auch das neue Jahr wird dabei einen Mix aus Early-Stage- und Late-Stage-Deals sehen.<br />
Außerdem nimmt die Diversität auch in Hinblick auf die Zahlungsmethode zu. Neben der<br />
üblichen Vergütung in Form von Up-front-, Meilenstein-Zahlungen und Tantiemen werden<br />
sich auch wieder verstärkt Mischformen aus „cash“ und Unternehmensanteilen häufen.<br />
www.morphosys.com<br />
71
M&A, PARTNERSCHAFTEN UND D EALS<br />
Tabelle 3-2:<br />
Ausgewählte, veröffentlichte „Deals“ nach Partnerland und Partnertyp im Jahr 2003<br />
Biotech – Biotech<br />
Biotech – Pharma<br />
Biotech – anderer<br />
industrieller Partner<br />
privat<br />
börsennotiert<br />
privat<br />
börsennotiert<br />
privat<br />
börsennotiert<br />
Deutsch-Deutsch Deutsch-Europäisch Deutsch-US<br />
4 SC – ProQinase<br />
4 SC – Switch Biotech<br />
amaxa – Qiagen<br />
Axxima Pharmaceuticals – Evotec OAI<br />
B.R.A.I.N – BioSpring<br />
EUROPROTEOME – WITA<br />
Evotec OAI – KeyNeurotek<br />
Evotec OAI – DeveloGen<br />
Evotec OAI – Biofrontera<br />
Qiagen – artus<br />
MWG BIOTECH – LYNKEUS BioTech<br />
4 SC – Boehringer Ingelheim<br />
Artemis Pharmaceuticals – Bayer<br />
Biofrontera Pharmaceuticals – Schering<br />
Cellzome – Bayer<br />
Cenix BioScience – Bayer<br />
Combinature Biopharm – Schering<br />
Jerini – Bayer<br />
TeGenero – Boehringer Ingelheim<br />
MorphoSys – Boehringer Ingelheim<br />
MWG BIOTECH – Bayer<br />
Avontec – Biotronik<br />
november – Wilden<br />
EUROPROTEOME – Transgene<br />
Graffinity Pharmaceuticals – Serono<br />
Ingenium Pharmaceuticals – Elan<br />
Ingenium Pharmaceuticals – Oxagen<br />
Evotec OAI – British Biotech<br />
Evotec OAI – Euroscreen<br />
Evotec OAI – Oxagen<br />
MWG BIOTECH – Quanta Biotech<br />
MWG BIOTECH – Allegro Technologies<br />
BioVision – Astra Zeneca<br />
Cardion – Roche<br />
Cellzome – Janssen-Cilag<br />
Epigenomics – Roche<br />
PheneX Pharmaceuticals – Roche<br />
ProCorde – Aventis<br />
morphochem – Novartis<br />
Qiagen – Novartis<br />
Obwohl bei den Kooperationen der Anteil an US-Partnern im<br />
vergangenen Jahr abgenommen hat, konnten folgende deutsche<br />
Biotech-Firmen neue Abschlüsse mit hochrangigen US-<br />
Pharmaunternehmen bekannt geben: Epigenomics, EvotecOAI,<br />
GPC Biotech und MorphoSys.<br />
Zudem wurden von PheneX, BioVision, morphochem,<br />
Procorde und Epigenomics Partnerschaften mit europäischen<br />
Pharmakonzernen wie Roche, Novartis, Aventis und Astra<br />
Zeneca abgeschlossen.<br />
Auch die deutschen Pharmafirmen Bayer, Boehringer Ingelheim<br />
und Schering spielten in 2003 eine wichtige Rolle:<br />
MorphoSys – Lonza<br />
november – Hueck Folien<br />
apovia – Corixa<br />
Cenix BioScience – Ambion<br />
Graffinity Pharmaceuticals – Genentech<br />
Ingenium Pharmaceuticals – Sequenom<br />
Micromet – MedImmune<br />
morphochem – Xenogen<br />
Evotec OAI – Dynogen Pharmaceuticals<br />
Qiagen – Affymetrix<br />
Qiagen – Intradigm<br />
Epigenomics – Wyeth<br />
MorphoSys – Pfizer<br />
GPC Biotech – Eli Lilly<br />
greenovation – Dow Chemical<br />
Xantos Biomedicine – Ardais<br />
LION bioscience – Delta Soft<br />
LION bioscience – Silicon Genetics<br />
Qiagen – Thermo Hybaid<br />
Qiagen – AgilentTechnologies<br />
72 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Sie kooperierten zum Beispiel mit 4 SC, Artemis, Biofrontera,<br />
Cellzome, Cenix, Combinature, Jerini, MorphoSys, ProBioGen<br />
oder TeGenero.<br />
Insgesamt sehr aktiv beim Abschluss neuer Kooperationen<br />
waren im vergangenen Jahr die deutschen Biotech-Firmen<br />
MorphoSys, 4SC, Ingenium, november und EvotecOAI mit der<br />
Bekanntgabe von jeweils mindestens drei und mehr neuen<br />
Deals. Spitzenreiter bei der Anzahl an neu abgeschlossenen<br />
Kooperationen waren jedoch die börsennotierte MWG Biotech<br />
und Qiagen.
Jörn Aldag, CEO, Evotec OAI AG, Hamburg<br />
Kooperationsstrategien der Evotec OAI AG<br />
Die Konsolidierung in der Pharmaindustrie schreitet weiter voran. Durch weiteres Wachstum<br />
beabsichtigen führende Pharmaunternehmen, Einsparungspotentiale („economies<br />
of scale“) in der Produktentwicklung sowie in Marketing und Vertrieb zu realisieren. In<br />
der früheren Forschung sind sie heute mehr denn je in der frühen Forschung auf Partner<br />
angewiesen, um ihre Produktentwicklung mit neuen Arzneistoffkandidaten zu versorgen.<br />
Ihre Nachfrage nach Substanzen mit nachgewiesener Wirksamkeit am Menschen übersteigt<br />
das Angebot ihrer eigenen F&E-Abteilungen bei weitem. Zur Ergänzung ihrer<br />
Produktpipeline kaufen sie daher Arzneistoffkandidaten zu, heute oft schon in der präklinischen<br />
Phase.<br />
Auf der anderen Seite verfügen viele Biotech-<br />
Unternehmen über ein tiefes Verständnis der molekularen<br />
Ursachen von Erkrankungen; ihnen fehlen jedoch<br />
oft das Know-how in der modernen Wirkstoffforschung<br />
sowie die kritische Masse und finanziellen Mittel, um die<br />
Entwicklung ihrer Substanzen bis in die klinische Phase<br />
alleine voranzutreiben. Auch sie tun sich mit starken<br />
Partnern zusammen, um sich im Wettbewerb um Kapital<br />
und neue Wirkstoffe zu behaupten.<br />
Dieses Umfeld birgt große Chancen für Evotec OAI, die<br />
einen industrialisierten Forschungsprozess und qualitativ<br />
hochwertige Arzneistoffkandidaten anbietet. Mit<br />
einer hoch modernen, integrierten Forschungsplattform<br />
und der notwendigen kritischen Masse haben wir ein weltweit führendes Forschungsunternehmen<br />
aufgebaut, das die Kluft zwischen früher Wirkstoffforschung und klinischer<br />
Prüfung für unsere Kunden optimal überbrückt. Um den Wert und die Flexibilität unseres<br />
Angebots voll auszuschöpfen und es bestmöglich auf die Kundenbedürfnisse<br />
zuzuschneiden, haben wir unsere Aktivitäten in der Wirkstoffforschung auf zwei Bereiche<br />
aufgeteilt:<br />
Discovery and Development Services (DDS)<br />
DDS bietet Auftragsforschung und -entwicklung für externe Kunden und für unsere<br />
internen Programme. Für unsere Leistungen erhalten wir eine aufwands- und/oder<br />
ergebnisbezogene Vergütung, ggf. auch Meilensteinzahlungen bei erfolgreicher<br />
klinischer Entwicklung und Umsatzbeteiligungen. Für die Substanzen, die wir in der<br />
Zusammenarbeit entwickeln, hält ausschließlich der Kunde die Produkt- und Patentrechte,<br />
während wir Rechte an unserer Forschungsplattform schützen und ausbauen. Mit<br />
unserem Servicegeschäft haben wir ein dichtes Netzwerk an Pharma- und Biotech-<br />
Kunden aufgebaut. Es ist zudem unser wichtigster Umsatzträger.<br />
Dank der Breite und des Integrationsgrads unseres Angebots können wir unsere Kunden<br />
durch mehr Phasen der Wirkstoffforschung und -entwicklung begleiten als jeder unserer<br />
Wettbewerber. So arbeiten wir in diesem Bereich mit zahlreichen Top-10-Pharmaunternehmen,<br />
wie AstraZeneca, GlaxoSmithKline, Merck, Novartis, Pfizer und Roche,<br />
sowie mit führenden Biotech-Unternehmen, u. a. Amgen, Biogen und Vertex, erfolgreich<br />
zusammen.<br />
Unsere strategische Positionierung als Integrator zwischen der „Krankheitsbiologie“ auf<br />
der einen Seite und der späteren klinischen Entwicklung auf der anderen Seite hat zu<br />
neuartigen Vertragsstrukturen geführt. Wir haben 2002 eine innovative Rahmenvereinbarung<br />
mit der VC-Gesellschaft Oxford Bioscience Partners (OBP) geschlossen, die uns<br />
nach sorgfältiger Due Diligence als bevorzugten Partner an die Unternehmen aus ihrem<br />
Beteiligungsportfolio weiterempfiehlt. Dabei kam es OBP darauf an, dass sich ihre<br />
Portfoliounternehmen auf ihre Kernkompetenz – das Krankheitsverständnis – konzentrieren<br />
können und wir alle notwendigen Schritte übernehmen, um Arzneistoffkandidaten<br />
für die klinischen Studien zu entwickeln. Dieses Konzept<br />
erweist sich als sehr erfolgreich, da wir heute bereits für sieben OBP-<br />
Unternehmen arbeiten. Mit einer weiteren, international führenden<br />
VC-Gesellschaft, der MPM Capital, haben wir eine ähnliche Vereinbarung<br />
geschlossen und sprechen zurzeit mit einigen ihrer<br />
Beteiligungsunternehmen über eine mögliche Zusammenarbeit.<br />
Discovery Programs Division (DPD)<br />
In DPD entscheiden wir uns, selbst Patentrechte zu entwickeln und<br />
Phasen der Medikamentenentwicklung auf eigenes Risiko zu durchlaufen.<br />
Wir führen also in eigener Regie oder mit ausgewählten<br />
Partnern Forschungsaktivitäten durch, um viel versprechende<br />
Substanzen zu entwickeln und sie an Pharmakunden zur Stärkung<br />
ihrer Pipelines auszulizenzieren. Bei Aufgaben, bei denen es auf eine<br />
hochwertige Entwicklungsplattform ankommt, kooperiert DPD eng mit DDS und vergibt<br />
Aufträge an unseren Servicebereich. Indem wir in der Forschung in Vorleistung gehen<br />
und gezielt selbst investieren, baut DPD eigenes, geistiges Eigentum auf, um so im<br />
Gegenzug höhere Meilensteinzahlungen und Umsatzbeteiligungen für Evotec OAI zu<br />
generieren. Wir treten dabei nicht mit Pharmaunternehmen in Wettbewerb, sondern<br />
gehen mit ihnen ergebnisorientierte Partnerschaften ein, bei denen sich beide Partner<br />
Chancen und Risiken teilen.<br />
Im Jahr 2003 haben wir in DPD große Fortschritte gemacht. Mit DeveloGen sind wir eine<br />
wegweisende Zusammenarbeit im Bereich Stoffwechselerkrankungen eingegangen und<br />
unsere Tochtergesellschaft Evotec Neurosciences hat einen 20-Mio.-Euro-Vertrag mit<br />
Takeda abgeschlossen sowie fünf Arzneistoffkandidaten für die Behandlung neurodegenerativer<br />
Erkrankungen von Roche einlizenziert.<br />
Unser wichtigstes Ziel für 2004 ist es, unsere strategische Positionierung in der<br />
Wirkstoffforschung weiter auszubauen – als Partner in der Auftragsforschung und als<br />
Anbieter hochwertiger pharmazeutischer Zwischenprodukte.<br />
www.evotecoai.com<br />
73
Einige der in Tabelle 3-2 aufgezählten Deals sind nachfolgend<br />
exemplarisch mit zusätzlichem Hintergrund beschrieben.<br />
Ausgewählte Deals deutscher Core-Biotech-<br />
Unternehmen im Jahr 2003<br />
Quelle: transkript<br />
4SC AG, Martinsried<br />
Neue Wirkstoffkandidaten gegen bestimmte Targets bei<br />
Erkrankungen des Zentralnervensystems soll 4SC mit Hilfe<br />
ihrer 4SCan-Screening-Technologie für die spanische Esteve<br />
S.A. identifizieren. Außerdem wird 4SC die Substanzdatenbank<br />
auf ihre Wirksamkeit gegen drei Krankheitstargets der<br />
Boehringer Ingelheim GmbH hin testen und aussichtsreiche<br />
Kandidaten zur weiteren Untersuchung an den Pharmakonzern<br />
liefern.<br />
BioVisioN AG, Hannover<br />
BioVisioN und der Pharmakonzern AstraZeneca suchen nach<br />
neuen Biomarkern für entzündliche Krankheiten. BioVisioN<br />
wird ihre Phänotypisierungstechnologie anwenden, die auf der<br />
Erstellung hochauflösender Profile von Peptiden und<br />
Proteinen basiert.<br />
Cenix BioScience GmbH, Dresden<br />
Cenix Bioscience hat eine Forschungskooperation mit der<br />
Bayer Healthcare AG geschlossen. Alle bekannten, humanen,<br />
„druggable“ Gene sollen unter Verwendung der RNA-Interferenz-Technologie<br />
gescreent werden, um neue therapeutische<br />
Zielgene für Krankeitsindikationen zu identifizieren und<br />
validieren.<br />
Epigenomics AG, Berlin<br />
Epigenomics hat eine Zusammenarbeit mit der amerikanischen<br />
Wyeth Pharmaceuticals vereinbart. Im Rahmen des<br />
Projekts untersucht Epigenomics die Veränderungen<br />
bestimmter DNA-Methylierungs-Biomarker in Xenotransplantationsmodellen<br />
der Maus nach Verabreichung eines von<br />
Wyeth entwickelten Anti-Krebs-Wirkstoffes. Des Weiteren<br />
schloss Epigenomics eine Kooperation mit Roche<br />
Diagnostics ab, welche die Entwicklung von Produkten zur<br />
Früherkennung von Krebs zum Ziel hat.<br />
M&A, PARTNERSCHAFTEN UND D EALS<br />
Die Vorteile einer Partnerschaft mit einem etablierten Unternehmen<br />
zeigt das Beispiel der Trion Pharma.<br />
Ingenium Pharmaceuticals AG, München<br />
Gemeinsam wollen Ingenium und die irische Elan neue<br />
Schmerztherapeutika entwickeln. Hierzu bringt Ingenium<br />
ihre „Deductive Genomics-Plattform” ein, die eine schnelle<br />
Identifikation und Klonierung von Zielgenen ermöglicht.<br />
PheneX Pharmaceuticals AG, Heidelberg<br />
PheneX wird im Auftrag des Roche-Konzerns nach neuen<br />
Wirkstoffen fahnden, die an einen nukleären Rezeptor<br />
binden. Hierzu wird das Biotech-Unternehmen seine<br />
SNuRM-Plattform (selektiver Nuklearer Rezeptor Modulator)<br />
einsetzen.<br />
Procorde GmbH, Martinsried<br />
Im Kampf gegen Arteriosklerose wollen ProCorde und<br />
Aventis Pharma Deutschland GmbH künftig zusammenarbeiten<br />
und nach neuen Targets zur Entwicklung von<br />
Wirkstoffen suchen. Aventis stellt ausgewählte Kandidatengene<br />
zur Verfügung, die von ProCorde in einem Krankheitsmodell<br />
validiert werden. Anschließend übernimmt Aventis die<br />
weitere Entwicklung zur Identifizierung spezifischer niedermolekularer<br />
Wirksubstanzen.<br />
Protagen AG, Dortmund<br />
Die Beschleunigung der Entwicklung von Protein-Biochips<br />
ist das Ziel einer Zusammenarbeit zwischen Protagen und der<br />
britisch-amerikanischen NextGen Sciences Ltd. auf dem<br />
Gebiet der Proteinproduktion. Die UNIclone-Proteinexpressionsbibliothek<br />
von Protagen und die expressionfactory<br />
® von NextGen sollen zu einer Technologieplattform<br />
für die Proteinproduktion kombiniert werden.<br />
Xerion Pharmaceuticals AG, München<br />
Durch eine Options- und Lizenzvereinbarung mit der<br />
britischen CAT plc. erhält Xerion die Rechte zur Entwicklung<br />
und Vermarktung von humanen, monoklonalen Antikörpern,<br />
die sie aus CATs Antiköper-Bibliothek gewonnen hat und die<br />
gegen Targets gerichtet sind, welche mit Hilfe von Xerions<br />
Xstream -Technologie identifiziert wurden.<br />
74 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Dr. Horst Lindhofer, CEO TRION Pharma GmbH, München<br />
Vorteile der Partnerschaft mit einem mittelständischen<br />
Life-Science-Unternehmen<br />
Aufgrund bestehender, wissenschaftlicher Kontakte der Gründer zum Fresenius-Konzern<br />
wurde sehr bald nach der Gründung der Trion Pharma GmbH ein Kooperations-, Lizenzund<br />
Vertriebsvertrag mit einer Finanzierungskomponente geschlossen, der die Einbindung<br />
von VC-Gesellschaften und damit auch den zeitlichen Druck eines IPO-Exits<br />
erübrigte.<br />
Die vertragliche Vereinbarung mit Fresenius beinhaltet u. a. das Einbringen von zwei trifunktionellen<br />
Antikörpern zur Behandlung epithelialer Tumore, wie z. B. Darm-, Brust-,<br />
Magen-, Eierstock und Lungenkarzinom, welche TRION für den Markt produzieren und<br />
Fresenius klinisch entwickeln, zulassen und vertreiben wird.<br />
Die Vorteile der Vereinbarung für TRION sind:<br />
• Long-term-Investment<br />
• Strategische Allianz mit einem starken Partner, der<br />
Verständnis für langfristige Arzneimittelentwicklung<br />
onkologischer Produkte hat<br />
• Kein kostspieliger Aufbau von Ressourcen im Bereich<br />
Marketing und Vertrieb etc., da durch Fresenius<br />
Biotech GmbH abgedeckt<br />
• Schlanke Strukturen mit Konzentration auf TRIONspezifische<br />
Aufgaben<br />
Da sowohl TRION als auch Fresenius die gleichen Entwicklungsziele<br />
verfolgen und Synergien effizient genutzt<br />
werden, war TRION in der Lage mit einer überschaubaren Anzahl von Mitarbeitern eine<br />
eigene GMP-Produktion für die beiden trifunktionellen Antikörper removab® und<br />
rexomun® aufzubauen. Dies sicherte zum einen das eigene, patentierte Produktions-<br />
Know-how und lieferte zum anderen die Voraussetzung für die Durchführung<br />
zulassungsrelevanter Studien. TRION konnte daher ihre erste Phase-I/II-Studie „Maligner<br />
Aszites beim Ovarialkarzinom“ selbstständig planen, gemeinsam mit Fresenius durchführen<br />
und hat diese im September 2003 erfolgreich abgeschlossen, wobei wertvolle<br />
Erfahrungen für die weiteren Schritte gesammelt wurden.<br />
Durch den überzeugenden Erfolg dieser Studie bei Endstadium-Patienten mit dem<br />
Antikörper removab® (22 von 23 Patientinnen sprachen auf die Therapie an bei einer<br />
Gesamtdosis von nur 45–480 µg), entsteht nun ein erhöhter Bedarf an qualifizierten<br />
Mitarbeitern. Daher plant TRION im Jahr 2004 um weitere 25 % zu wachsen.<br />
Weiterhin erbrachten die Studienresultate den Nachweis der Übertragbarkeit des neuen<br />
Wirkprinzips der trifunktionellen Antikörper von der Präklinik in die Klinik und wecken für<br />
die anderen angelaufenen Studien bei Brust-, Lungenkarzinom, Peritonealkarzinose und<br />
malignen Pleuraergüssen Erwartungen auf eine ähnliche Wirksamkeit. Die Erfolg<br />
versprechenden, klinischen Ergebnisse, welche mit einer neuartigen, weltweit<br />
patentierten Technologie erreicht werden konnten, sowie die eigene GMP-<br />
Produktionsanlage geben TRION eine Sonderstellung im deutschen Biotech-Sektor. Dies<br />
sowie auch positiv zu erwartende Zukunftsaussichten veranlassten Fresenius im<br />
Frühjahr 2002 dazu, sich an TRION mit 25 % zu beteiligen.<br />
Die Strategie der aus dem Fresenius-Konzern neu gegründeten Fresenius Biotech GmbH,<br />
die bisherige Kooperation mit TRION sowie das Zukunftsszenario wurden im Januar 2004<br />
in dem Fresenius-Capital-Market-Day deutlich aufgezeigt. Dabei ergeben sich für<br />
Fresenius folgende Vorteile aus der Kooperation:<br />
• Schlanke eigene Forschungsstrukturen<br />
• Know-how-Austausch/-Transfer<br />
• Früher „Proof of Concept“ durch triomab-Antikörper bereits erfolgt<br />
Sofern eine erfolgreiche Reproduktion der ersten Wirksamkeitsdaten aus der Phase- I/II-<br />
Studie in der in diesem Jahr startenden Phase-II/III-Studie (maligner<br />
Aszites) bestätigt wird, ist die erste Zulassung für Ende 2007 zu<br />
erwarten. Dies bedeutet für TRION Lizenzeinnahmen und damit erste<br />
Umsätze aus operativem Geschäft.<br />
Der bereits jetzt gezeigte „Proof of Concept“ für den removab®-<br />
Antikörper der triomab-Antikörperfamilie hat selbstverständlich<br />
weitere positive Effekte auf die anderen Zukunftsprojekte der TRION,<br />
sowohl im klinischen Bereich als auch für die Produktion. So besitzt<br />
TRION zwei weitere Antikörper in der Entwicklung, die auf dem<br />
gleichen modularen Prinzip aufbauen und gegen B-Zell-Lymphome<br />
und Malignes Melanom gerichtet sind. Für diese Pipelineprodukte ist<br />
TRION momentan noch frei.<br />
TRION Pharma GmbH besitzt ein weltweit einzigartiges, biotechnologisches Verfahren<br />
zur einfachen und kostengünstigen Herstellung von trifunktionellen, bispezifischen<br />
Antikörpern (triomab®). Mit dieser Plattformtechnologie können bereits große Mengen<br />
der patentierten triomab®-Antikörper gemäß GMP produziert werden.<br />
Ziel der Therapie mit den triomab®-Antikörpern ist die vollständige und dauerhafte<br />
Zerstörung von nach Operation und Chemotherapie im Körper verbliebenen, ausgestreuten<br />
Tumorzellen. Diese neuartigen Antikörper haben auf Grund ihrer Trifunktionalität<br />
gegenüber den konventionellen bzw. bispezifischen Antikörpern einen entscheidenden<br />
Vorteil: Sie können nicht nur T-Zellen, sondern zusätzlich über ihre Fc-Region auch akzessorische<br />
Zellen wie Makrophagen, dendritische Zellen und NK-Zellen an die Tumorzellen<br />
heranführen. Die simultane Aktivierung beider Immunzelltypen führt über verschiedene<br />
Zerstörungsmechanismen zu einer besonders effektiven Beseitigung auch von Tumorzellen<br />
mit geringer Zielantigenexpression. Insbesondere durch die Aufnahme von Tumormaterial<br />
durch akzessorische Zellen kann es ebenfalls zur Induktion einer Immunantwort<br />
gegen den Tumor kommen, wie bereits im Tiermodell erfolgreich gezeigt wurde. Die<br />
Krebspatienten könnten somit langfristig im Sinne einer Impfung vor einem Rückfall der<br />
Erkrankung geschützt werden.<br />
www.trionpharma.de<br />
75
Wie Tabelle 3-3 zeigt, haben einige der deutschen Biotech-<br />
Firmen in den vergangenen Jahren bereits ein beachtliches<br />
Netzwerk an Kooperationen aufgebaut.<br />
Nach rechts aufgetragen finden sich in obiger Matrix namhafte<br />
deutsche und internationale Pharmakonzerne; nach unten<br />
aufgetragen ausgewählte deutsche Core-Biotech-Unternehmen,<br />
die mit den entsprechenden Pharma-Firmen kooperieren. Die<br />
Kooperation ist durch ein Kreuz gekennzeichnet.<br />
Insbesondere die börsennotierten Unternehmen Evotec OAI,<br />
GPC Biotech, MorphoSys und Qiagen können jeweils bereits<br />
eine ansehnliche Zahl (vier oder mehr) an verschiedenen<br />
Pharma-Kooperationen aufweisen.<br />
M&A, PARTNERSCHAFTEN UND D EALS<br />
Tabelle 3-3:<br />
Ausgewählte Kooperationsbeziehungen deutscher Biotech-Firmen mit Pharmaunternehmen<br />
Astra<br />
Kooperationspartner aus Pharmaindustrie<br />
Boehringer<br />
Altana Zenca Aventis Baxter Bayer Ingelheim Eli Lilly Merck & Co. Novartis Pfizer Roche Schering Wyeth<br />
4SC<br />
Alantos<br />
x x<br />
Pharmaceuticals<br />
Biofrontera<br />
x<br />
Pharmaceuticals x<br />
Cellzome<br />
Cenix<br />
x<br />
BioScience x<br />
Epigenomics x x<br />
Evotec OAI<br />
GPC<br />
x x x x x<br />
Biotech<br />
Graffinity<br />
x x x x x<br />
Pharmaceuticals x<br />
Jerini<br />
LION<br />
x x<br />
bioscience x<br />
MediGene x x<br />
Micromet x<br />
Morphochem x x x<br />
MorphoSys x x x x x<br />
Qiagen x x x x<br />
Aus Sicht der Pharmakonzerne kooperieren mit deutschen<br />
Biotech-Firmen besonders intensiv (drei oder mehr Partnerschaften)<br />
die deutschen Pharma-Unternehmen Altana, Bayer,<br />
Boehringer Ingelheim und Schering sowie die ausländischen<br />
Pharma-Firmen Aventis, Eli Lilly, Novartis und Roche.<br />
Die Vielzahl der Kooperationen zeigt, dass die großen Pharmakonzerne<br />
durchaus ein Potenzial in den deutschen Biotech-<br />
Firmen sehen und die neuen Technologien und Produkte, die<br />
diese anbieten, schätzen.<br />
Darüber hinaus besteht auch unter den Biotech-Unternehmen<br />
an sich (innerhalb Deutschlands und international) ein<br />
intensives Kooperationsnetzwerk, welches an dieser Stelle der<br />
Wichtigkeit halber zwar angeführt, jedoch nicht gezeigt wird.<br />
76 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004
3.3 Erfolgsfaktor „Wertschöpfungsnetz“<br />
Der vorliegende Biotechnologie-Report von Ernst & Young<br />
beschäftigt sich traditionell mit dem Kern der Branche, den so<br />
genannten Core-Biotech-Unternehmen. Dabei ist klar, dass eine<br />
umfassendere Betrachtung auch solche Unternehmen einschließen<br />
müsste, die entweder klassische, biotechnische<br />
Prozesse als Teil ihrer Wertschöpfungskette nutzen oder als<br />
Dienstleister und Zulieferer wichtige Funktionen für die<br />
Biotech-Branche erfüllen.<br />
Daher soll im Folgenden das erweiterte Umfeld der Core-<br />
Biotech-Industrie und dessen Bedeutung für die Entwicklung<br />
der Biotechnologie in Deutschland im Überblick beleuchtet<br />
werden.<br />
Abbildung 3-14 stellt das erweiterte Biotech-Netzwerk aus<br />
Dienstleistern und Zulieferern schematisch dar.<br />
Im vorliegenden Report liegt der Schwerpunkt auf der<br />
Darstellung der Bedeutung der Pharmaindustrie in diesem<br />
Wertschöpfungsnetz. In Folgeberichten werden entsprechend<br />
auch die weiteren Marktteilnehmer unter die Lupe genommen<br />
werden.<br />
Abbildung 3-14:<br />
Wertschöpfungsnetz Biotechnologie<br />
Chemieindustrie<br />
„Extended-Core”-<br />
Biotech-Firmen<br />
Zulieferer<br />
Pharmaindustrie<br />
Core-Biotech<br />
Diagnostik-Industrie<br />
Biotechnologie und deutsche Pharma-Industrie<br />
Vor einigen Jahrzehnten galt Deutschland mit Pharmafirmen<br />
wie Bayer, Schering und Hoechst als „Apotheke der Welt“.<br />
Heute gibt die Pharmaindustrie in Deutschland ein völlig<br />
anderes Bild ab, nachdem verschiedene Faktoren zur Verlagerung<br />
von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten ins Ausland<br />
geführt haben (Beispiele: Hoechst/Boston, BASF/Boston,<br />
Bayer/New Haven).<br />
Ursachen waren unter anderem die Behinderung der Forschung<br />
und Entwicklung durch die frühen Versionen des Gentechnikgesetzes,<br />
aber auch die in den USA früh gestartete Biotech-<br />
Industrie mit fortgeschrittenem Know-how.<br />
Heute bremst die Gesundheitsgesetzgebung der letzten Jahre<br />
die Bereitschaft zur Innovation weiter, so dass weitere Pharmafirmen<br />
abwandern bzw. signifikante Teile ihrer Forschungs- und<br />
Entwicklungsaktivitäten ins Ausland verlagern.<br />
Universitäten<br />
Forschungseinrichtungen<br />
Contract-Research-<br />
Organisations<br />
77
Die Bedeutung der Biotechnologie aus Sicht des VFA<br />
Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) vertritt die Interessen von<br />
41 Firmen in Deutschland. Diese repräsentieren zwei Drittel des deutschen Arzneimittelmarktes<br />
und umfassen kleine Biotech-Start-ups, etablierte Biotech-Firmen und Pharmafirmen<br />
mittlerer Größe sowie die führenden, global tätigen Konzerne.<br />
Gemeinsames Merkmal dieser Firmen ist ihr Fokus auf Forschung und Entwicklung und<br />
damit auf Innovation: Die F&E-Ausgaben liegen im Durchschnitt bei 16 Prozent des<br />
Umsatzes. Daraus erklärt sich die große Bedeutung der Biotechnologie für diese Firmen,<br />
denn an dieser Technologie kommt keine Firma vorbei, die sich mit der Erforschung und<br />
Entwicklung von neuen innovativen Arzneimitteln befasst.<br />
In allen VFA-Firmen sind biotechnologische Methoden seit längerer Zeit integraler<br />
Bestandteil beim Aufspüren von neuen Angriffspunkten<br />
(Targets) für Arzneimittel, bei der Validierung dieser<br />
Targets und bei der Suche nach geeigneten Wirkstoffen.<br />
Dieser Forschungsbereich hat durch die Entzifferung des<br />
menschlichen Erbguts einen großen Aufschwung<br />
genommen. Aber auch bei der Weiterentwicklung eines<br />
Wirkstoffs, d. h. bei dessen Prüfung auf Wirksamkeit und<br />
Verträglichkeit, kommen inzwischen vermehrt biotechnologische<br />
Methoden zum Einsatz und schließlich werden viele Wirkstoffe mit Hilfe der<br />
Gentechnik hergestellt. Dies hat dazu geführt, dass inzwischen kein Arzneimittel mit<br />
einem neuen Wirkstoff mehr auf den Markt kommt, bei dessen Erforschung, Entwicklung<br />
oder Herstellung die Biotechnologie nicht eine Rolle gespielt hat.<br />
Von den in Deutschland zugelassenen 104 gentechnisch hergestellten Arzneimitteln<br />
mit 75 Wirkstoffen stammen über 80 % von Mitgliedsfirmen des VFA. Und bei den<br />
Entwicklungsprojekten, die voraussichtlich bis zum Jahr 2007 marktreif sind, liegt der<br />
Anteil biotechnologischer Produkte bei geschätzten 20 Prozent. Die VFA-Firmen haben<br />
eine ganze Reihe von Entwicklungsprodukten von Biotech-Start-ups einlizenziert und<br />
unterhalten eine Vielzahl von Forschungs- und/oder Vertriebskooperationen mit solchen<br />
Firmen, sei es, um bei der Entwicklung von konkreten Produkten zusammenzuarbeiten<br />
oder um bestimmte Plattformtechnologien zu nutzen.<br />
Um die Anbahnung solcher Kooperationen zu erleichtern, gibt es auf der VFA-Internetseite<br />
eine eigene Sektion, in der die Präferenzen der einzelnen Firmen mit den jeweiligen<br />
Ansprechpartnern aufgeführt sind. In der Strategiekommission Biotechnologie arbeiten<br />
Vertreter von Biotech-Firmen und der Biotech-Sparten von großen Pharmafirmen sowie<br />
Biotech-Start-ups zusammen, um die Rahmenbedingungen für die Biotechnologie auf<br />
nationaler und europäischer Ebene zu verbessern.<br />
E RFOLGSFAKTOR „WERTSCHÖPFUNGSNETZ“<br />
Zu den in diesem Rahmen behandelten Themen gehören:<br />
• Beschleunigung der Zulassungsverfahren,<br />
• Förderung von Arzneimitteln gegen seltene Krankheiten (Orphan Drugs),<br />
• spezifische Erstattungsprobleme und<br />
• die Nutzenbewertung von Biotech-Arzneimitteln.<br />
Die Mitglieder der Strategiekommission Biotechnologie bringen die hierzu erarbeiteten<br />
Positionen bei Anhörungen und Gesprächen mit Politikern und Ministerien sowie bei<br />
Veranstaltungen und Seminaren ein. Durch die personelle Verzahnung der Strategiekommission<br />
Biotechnologie mit den Arbeitsausschüssen des VFA ist ein kontinuierlicher<br />
Informationsfluss und die Einbringung von biotech-spezifischen Aspekten in die<br />
VFA-Positionen sichergestellt.<br />
Die Zukunftsperspektiven für die pharmazeutische Industrie und<br />
damit auch für die Biotechnologie sind sehr gut: Bisher kann erst ein<br />
Drittel der 30.000 bekannten Krankheiten adäquat behandelt werden<br />
und die weiter steigende Lebenserwartung der Menschen stellt neue<br />
Herausforderungen an die Prävention und Behandlung insbesondere<br />
von chronischen Krankheiten. Hinzu kommen neue Bedrohungen<br />
durch neu entstandene oder neue entdeckte Infektionserreger wie<br />
Ebola, Hanta-, West-Nil-Virus, SARS oder der Vogelgrippe.<br />
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, bietet die Biotechnologie noch ein riesiges,<br />
bisher weitgehend unerschlossenes Potential, z. B. im Bereich der Pharmakogenetik<br />
(Berücksichtigung von individuellen Unterschieden im Erbgut bei der Auswahl und<br />
Dosierung eines Arzneimittels) und in der Zell- und Gentherapie.<br />
Der VFA setzt sich deshalb dafür ein, in einer konzertierten Aktion die Rahmenbedingungen<br />
in der Forschungs-, Wirtschafts-, Steuer- und vor allem in der Gesundheitspolitik<br />
so zu setzen, dass dieses Potential auch in Deutschland im Interesse der Patienten, aber<br />
auch der Industrie genutzt werden kann.<br />
Von Dr. Siegfried Throm, Forschung, Entwicklung, Innovation, Verband Forschender<br />
Arzneimittelhersteller e. V., Berlin<br />
www.vfa.de<br />
78 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Davon sind auch deutsche Standorte ausländischer Pharmafirmen<br />
betroffen. Pfizer beispielsweise gab im letzten Jahr unter<br />
Verweis auf die Neuerungen aus dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz<br />
(GMG) bekannt, dass es als Folge dieser<br />
Gesetzgebung seine Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten<br />
von Karlsruhe nach Großbritannien verlegen wird.<br />
Auch die Investitionsbereitschaft geht zurück. So hat die<br />
Darmstädter Merck KGaA auf Grund der Reformen eine<br />
Großinvestition für die Produktion von Krebsmedikamenten in<br />
Jena auf Eis gelegt.<br />
Ein weiterer Faktor für die Abnahme der Bedeutung des<br />
Pharmastandorts Deutschland sind Konzentrationsprozesse, wie<br />
zum Beispiel die „Mega-Merger“, die die heutigen Spitzenreiter<br />
Pfizer, GlaxoSmithKline oder Astra Zeneca hervorgebracht<br />
haben. Diese Giganten haben die deutschen Konzerne von den<br />
einstigen Spitzenplätzen auf der Weltrangliste der Pharmaunternehmen<br />
verdrängt.<br />
Dennoch haben die deutschen Pharmafirmen an der Entwicklung<br />
der modernen Biotech-Industrie in Deutschland einen<br />
wesentlichen Anteil.<br />
Zu Beginn der 90iger Jahre war auf Grund einer extrem emotional<br />
geführten Diskussion um die Risiken der Gentechnologie<br />
der Aufbau einer breiteren Biotech-Industrie hierzulande nicht<br />
denkbar. In dieser Zeit – immerhin hatten es parallel einige US-<br />
Firmen bereits zu beträchtlichem Erfolg gebracht – wurde die<br />
moderne Biotechnologie in Deutschland lediglich von einer<br />
Handvoll kleiner, beherzter Biotech-Pioniere (zum Beispiel<br />
Rentschler, Qiagen, MWG Biotech, MorphoSys, Orpegen,<br />
Biopharm und Symbiotec) kommerzialisiert und war ansonsten<br />
auf akademische Forschungseinrichtungen und die großen<br />
Pharmafirmen beschränkt. Letztere standen natürlich damals<br />
bereits im internationalen Wettbewerb und mussten entsprechend<br />
auf die neuen Technologien setzen. Wenngleich das<br />
Gentechnikgesetz vor seiner entscheidenden Novellierung<br />
Mitte der 90iger Jahre bei vielen Firmen die Ausweitung dieser<br />
Aktivitäten verhinderte bzw. deren Verlagerung ins Ausland<br />
bewirkte, waren und sind die Pharmaunternehmen von der<br />
Unverzichtbarkeit der Biotechnologie überzeugt.<br />
So haben heute alle forschenden Pharmafirmen in Deutschland<br />
die Biotechnologie als integralen Bestandteil ihrer Forschungsund<br />
Entwicklungsaktivitäten etabliert. Viele namhafte Unternehmen<br />
setzen zusehends auch auf „Biologicals“ in ihrer<br />
Entwicklungspipeline.<br />
Firmen wie Boehringer Ingelheim, die bereits früh das Potenzial<br />
der Biotechnologie erkannten, begannen denn auch entsprechend<br />
früh, in Deutschland zu investieren. So baute<br />
Boehringer Ingelheim den Standort Biberach aus, der heute als<br />
international anerkannte Top-Adresse für die biotechnologische<br />
Herstellung von Pharmazeutika in Zellkulturen gilt. Das<br />
Unternehmen bietet die gesamte biopharmazeutische Prozesskette<br />
von der genetischen Entwicklung der Zelle bis zum<br />
marktfähigen Arzneimittel im wirtschaftlichen Maßstab an.<br />
Darüber hinaus forscht die Firma auf den Gebieten Atemwege,<br />
Herz/Kreislauf, Stoffwechsel, zentrales Nervensystem, Virologie,<br />
Immunologie, Entzündungen, Onkologie, zellbiologische<br />
und molekularbiologische Grundlagenforschung. Durch eine<br />
Kooperation mit der Münchener GPC Biotech konnten neue<br />
Targets für die Prävention und Behandlung des humanen<br />
Papillomavirus (HPV-Infektionen) identifiziert und biochemisch<br />
validiert werden. Zudem arbeitet Boehringer<br />
gemeinsam mit Micromet an der Prozessentwicklung und<br />
Produktion von Micromets Anti-Krebs-Antikörper.<br />
Aber auch die Altana aus Konstanz/Bad Homburg engagiert<br />
sich in der deutschen Biotechnologie. Der eigene Biotechnologiefond,<br />
ALTANA Technology Projects, wurde mit 100<br />
Millionen US$ ausgestattet und verstärkt somit systematisch<br />
die Zusammenarbeit mit Biotech-Partnern. Eine Zusammenarbeit<br />
mit GPC Biotech zielt auf die Identifizierung von Targets<br />
zur Medikamentenentwicklung im Bereich Tumorforschung. Im<br />
Bereich Onkologie wird auch mit der Berliner atugen zusammengearbeitet.<br />
Ziel dieser Kooperation ist die Evaluierung und<br />
Validierung von Arzneimitteltargets, die mit Krebs und Erkrankungen<br />
des Immunsystems assoziiert sind. Ein eigenes<br />
Genomic/Proteomic-Forschungsinstitut wird dagegen von<br />
Altana in den USA betrieben. Dort wurden 120 Millionen US$<br />
investiert.<br />
79
Rolf. G. Werner, Boehringer Ingelheim GmbH<br />
Marktwachstum von Biopharmazeutika aus Sicht der<br />
Pharma-Industrie<br />
Weltweite Geschäftsentwicklung<br />
Der Markt für Biopharmazeutika wächst doppelt so stark wie der für Pharmazeutika und<br />
erreichte in 2003 über 35 Milliarden US$ und wird für das Jahr 2010 mit 100 Milliarden<br />
US$ prognostiziert. Dabei liegen die Hauptmarktanteile für 2003 in Nordamerika mit<br />
22,7 Milliarden US$ und in Europa mit 8,3 Milliarden US$.<br />
Das jährliche Marktwachstum der Biopharmazeutika von durchschnittlich 18 % wird<br />
durch die nachhaltige Pipeline innovativer Forschungsfirmen und forschungsorientierter<br />
Pharma-Unternehmen gestützt. Die therapeutischen Ansätze basieren auf molekularbiologischen<br />
Grundlagen von Krankheitsphänomenen und stellen in den meisten Fällen<br />
einen bedeutenden therapeutischen Fortschritt dar. Die vergleichsweise kurzen Entwicklungszeiten<br />
von 5 bis 8 Jahren zusammen mit den hohen Erfolgsraten<br />
in der Produktentwicklung, die bis zu 20 % über denen für chemischpharmazeutische<br />
Produkte liegen, gewährleisten einen frühen Payback<br />
und lange Patentlaufzeiten. Beides attraktive Faktoren sowohl<br />
für die Anwendung in Therapiegebieten, wo bislang nur unzureichende<br />
Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen, als auch für KMUs und<br />
die forschende Pharma-Industrie, die in diese Forschung investieren.<br />
Pipeline der Biopharmazeutika<br />
Der Hauptfokus der biopharmazeutischen Forschung liegt auf der<br />
Onkologie. Ein Therapiegebiet, für das noch keine zufrieden stellenden<br />
Arzneimittel zur Verfügung stehen und in dem die molekularbiologischen<br />
Zusammenhänge der Pathophysiologie oft zu komplex<br />
sind für einen monokausalen Therapieansatz. Die Entdeckung tumorrelevanter Rezeptoren<br />
bietet jedoch vielfach die Möglichkeit über monoklonale Antikörper,<br />
Immuntoxinkonjugate oder radioaktiv markierte Antikörper ein Drug Targeting und einen<br />
Therapieerfolg zu erzielen. 2003 waren mehr als 130 Biopharmazeutika in präklinischen<br />
Untersuchungen und mehr als 30 in klinischen Prüfungen.<br />
Dieses Therapiegebiet wird gefolgt von der Immunologie mit den Indikationen rheumatoide<br />
Arthritis, multiple Sklerosis, Psoriasis, Krohn’sche Erkrankung und Immunsuppression.<br />
Mehr als 40 Biopharmazeutika sind in präklinischer Forschung und 30 in<br />
klinischen Studien. In anderen therapeutischen Gebieten wie Herz/Kreislauf, Metabolismus,<br />
Virologie und Atemwegserkrankungen sind ungefähr je 15 Biopharmazeutika in der<br />
Präklinik und 5 in der Klinik.<br />
Die pharmazeutische Industrie wird an dem starken Marktwachstum, das auf dem therapeutischen<br />
Potential der Biopharmazeutika beruht, durch Kooperationen mit<br />
forschungsorientierten KMUs und etablierten Forschungsfirmen partizipieren. Die<br />
E RFOLGSFAKTOR „WERTSCHÖPFUNGSNETZ“<br />
Forschungsfirmen werden dabei den Part der Identifizierung neuer therapeutisch relevanter<br />
und validierter Targets und die Entwicklung spezifischer, monoklonaler, humaner<br />
Antikörper bis hin zum Proof of Concept übernehmen. In den Therapiegebieten<br />
Herz/Kreislauf, Atemwegserkrankungen und Metabolismus wird die Umsetzung der<br />
Erkenntnisse aus funktioneller Genomik und Proteomik in therapierelevante Prinzipien<br />
im Vordergrund stehen. Für diese Therapiegebiete werden insbesondere Moleküle der<br />
zweiten Generation entwickelt, bei denen das natürliche physiologische Prinzip für die<br />
therapeutische Anwendung optimiert wird. Die Orientierung dieser Entwicklung zielt auf<br />
die höhere Selektivität für validierte Targets, bessere Wirksamkeit sowie längere Bioverfügbarkeit<br />
ab und resultiert in niedrigeren therapeutischen Dosen sowie kompetitiven<br />
Therapie-Kosten.<br />
Kooperationen als Erfolgskonzept<br />
Die Pharmaindustrie bietet für Forschungsfirmen, die auf diesem innovativen Thema<br />
arbeiten, die Orientierung für eine marktgerechte Entwicklung, die in Präklinik und Klinik<br />
für eine weltweite Registrierung der Produkte ausgelegt<br />
ist, sowie finanzielle Unterstützung in der Entwicklungsphase<br />
und weltweite Vermarktung, die wiederum<br />
durch Royalties die forschenden Firmen finanziell<br />
stärken.<br />
Eine entscheidende Voraussetzung für die erfolgreiche<br />
Entwicklung von Biopharmazeutika ist die Verfügbarkeit<br />
von Entwicklungs- und Produktionskapazitäten. Ein<br />
wichtiger Erfolgsfaktor ist dabei der Zugang zu der<br />
gesamten Prozesskette, beginnend bei der Etablierung<br />
von Hochexpressionssystemen, genetisch stabilen Produktionsorganismen,<br />
hochtitrigen Fermentationsprozessen,<br />
effizienten Reinigungsverfahren mit hohen Ausbeuten, galenische Formulierungen<br />
mit Langzeitstabilitäten bei Raumtemperatur, die einen unkomplizierten Transport und<br />
Lagerung ermöglichen, bis hin zu patientenfreundlichen Applikationssystemen. Frühzeitig<br />
müssen cGMP-Produktionskapazitäten in Anlagen reserviert werden, die durch<br />
die FDA, EMEA und die MHLW registriert sind. Hierfür kommen insbesondere Partner in<br />
Frage, die in der Lage sind, derartige Großinvestitionen zu tätigen. Neben CMOs bietet<br />
sich auch hier die Pharmaindustrie als idealer Partner für die forschenden Unternehmen<br />
an, die dadurch ein Gesamtkonzept von Entwicklung, Produktion und Vermarktung<br />
erhalten. Die Produktion muss ein integraler Bestandteil der innovativen Entwicklungsstrategie<br />
von Biopharmazeutika sein.<br />
Stärker als in der konventionellen Pharmaentwicklung ist der Erfolg der Biopharmazie<br />
durch Kooperationen geprägt, bei denen sich innovative Forschungsfirmen und die<br />
Pharma-Industrie in hervorragender Weise ergänzen.<br />
www.boehringer-ingelheim.com<br />
80 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Die Berliner Schering investiert in innovative Therapien und<br />
nutzt eine Reihe von neuen Technologien wie die biotechnologische<br />
Herstellung von Wirkstoffen über so genannte<br />
„small molecules“ bis zum Einsatz der regenerativen Medizin.<br />
Schering wendet diese Technologien in einer Reihe von<br />
Entwicklungsprojekten mit Fokus auf Neurologie (Multiple<br />
Sklerose), Tumorforschung (Leukämie) sowie Herz-Kreislauf-<br />
Erkrankungen an. Gegenwärtig führt Schering mit über 900<br />
Patienten die größte klinische Gentherapie-Studie auf dem<br />
Gebiet der Herz-Kreislauf-Forschung durch. Der Ansatz ist auf<br />
dem Gebiet der regenerativen Medizin für das Herz einmalig.<br />
Per Virus wird der Fibroblasten-Wachstumsfaktor 4 (FGF-4) in<br />
die Herzkranzgefäße eingeschleust, um dort das Wachstum<br />
neuer Blutgefäße im Herzmuskel anzuregen.<br />
Schering verfügt über ein weites Netzwerk an Forschungs- und<br />
Entwicklungskooperationen mit führenden akademischen und<br />
industriellen Partnern. Das Unternehmen kooperiert zum<br />
Beispiel mit der Berliner atugen, um mit deren Antisense-<br />
Technologie Targets zu validieren. Eine Kooperation mit der<br />
MorphoSys dient zur Entwicklung von so genannten „singlechain-Antikörpern“<br />
für die Antikörper-Diagnostik und<br />
-Therapie von Krebs.<br />
Die deutsche Merck aus Darmstadt arbeitet mit vier Technologieplattformen<br />
an der Entwicklung gezielter, innovativer<br />
Ansätze zur Krebsbehandlung:<br />
• EGFR-spezifische, monoklonale Antikörper, die das Tumorwachstum<br />
hemmen,<br />
• Immunzytokine, die eine lokale Immunantwort des körpereigenen<br />
Abwehrsystems auslösen,<br />
• Angiogenese-Hemmer, die den Tumor von der für Wachstum<br />
und Absiedelung notwendigen Blutversorgung abschneiden<br />
sowie<br />
• Tumorvakzine, die eine spezifische Immunantwort auslösen.<br />
Mit der Berliner Jerini hat Merck in diesem Jahr eine<br />
Kooperation über 50 Millionen € abgeschlossen.<br />
Merck und seine Tochtergesellschaft Merck Biosciences vermarkten<br />
zudem innovative Produkte und Lösungen für die biotechnologische<br />
Forschung, so zum Beispiel Produkte für die<br />
Aufreinigung von Proteinen und Nukleinsäuren sowie Reagenzien,<br />
Kits und Services für die medizinische Forschung.<br />
Als Teilkonzern der Bayer produziert und vertreibt die Bayer<br />
HealthCare innovative Produkte und bündelt dabei die<br />
Aktivitäten der Divisionen Animal Health, Biologische Produkte,<br />
Consumer Care, Diagnostika sowie Pharma. In dem<br />
Marktsegment Biologische Produkte ist Bayer einer der<br />
weltweit führenden Anbieter. Dieser Geschäftsbereich<br />
beschäftigt 3.000 Mitarbeiter und ist in mehr als 62 Ländern<br />
aktiv. Pionier ist diese Abteilung in der Entwicklung von<br />
gentechnisch hergestellten Proteinen, wie zum Beispiel der<br />
Kogenate-Produktlinie zur Behandlung der Bluterkrankheit.<br />
Hinzu kommt eine Palette von biologischen Produkten, die aus<br />
Blutplasma gewonnen werden. Besonders viel versprechend ist<br />
das aus menschlichem Blutplasma hergestellte Enzym Plasmin,<br />
denn es ist in der Lage, Blutgerinnsel schnell und wirksam<br />
aufzulösen. Intensive Forschung ist bei den biologischen<br />
Produkten der Schlüssel für die Erfolge. So gibt es<br />
Neuentwicklungen wie den Alpha-1-Proteinase-Inhibitor<br />
(Wirkstoff von Prolastin), der aus der Milch transgener Schafen<br />
gewonnen wird und auch in inhalierbarer Form angeboten<br />
werden soll.<br />
Partnerschaften in Forschung und Entwicklung bestehen unter<br />
anderem mit den deutschen Biotech-Unternehmen MorphoSys,<br />
LION bioscience und Epidauros.<br />
Der deutsche Standort Penzberg der schweizerischen Roche gilt<br />
mit 3.050 Mitarbeitern als einer der größten Biotechnologie-<br />
Standorte Europas. Penzberg ist außerdem zu einem der<br />
weltweit größten Zentren für die Krebsforschung avanciert. 72<br />
Millionen € investierte der Konzern in die neuen Gebäude und<br />
Anlagen. In den Labors arbeiten die Wissenschaftler daran, den<br />
entscheidenden genetischen Ursachen für Krebs auf die Spur zu<br />
kommen und gezielt Gegenmittel zu entwickeln. Roche ist<br />
weiterhin ein bedeutender Biotechnologie-Investor. Über<br />
Kooperationen bzw. Beteiligungen hat Roche allein in den<br />
letzten zwei Jahren 350 Millionen US$ in Biotech-<br />
Unternehmen der Zukunft investiert. Dabei nutzt die Firma die<br />
hervorragende Forschung und die schnellen Entscheidungswege<br />
der Biotech-Unternehmen.<br />
Neben zahlreichen Kooperationen mit US-, UK- sowie japanischen<br />
Unternehmen, hat Roche auch Partnerschaften mit<br />
deutschen Biotech-Firmen geschlossen: Dazu gehören<br />
Epigenomics, LION bioscience, MorphoSys, PheneX und Scil.<br />
Von der Cardion hat das Unternehmen im letzten Jahr ein<br />
präklinisches Produkt (Interleukin-15-Antagonist) einlizenziert.<br />
81
Bei der Initialzündung der deutschen Biotech-Industrie im<br />
Zusammenhang mit dem BioRegio-Wettbewerb spielten die<br />
deutschen Pharmafirmen bereits eine wichtige Rolle. Ohne das<br />
(auch finanzielle) Engagement von Firmen wie Boehringer<br />
Mannheim (heute Roche Diagnostics), Merck oder BASF wäre<br />
beispielsweise die Ausgangsbasis der Rhein-Neckar-Region<br />
deutlich geschwächt worden.<br />
Neben den großen Spielern und den wenigen nach wie vor im<br />
Mittelfeld etablierten Unternehmen existieren in Deutschland<br />
ca. 500 kleine Pharmafirmen, die allerdings oft nur geringe<br />
oder gar keine Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten haben<br />
und vielfach mit veralteten Portfolien einer zusehends ungewissen<br />
Zukunft im Umfeld der neuen Gesundheitsgesetzgebung<br />
(Erstattung, Negativlisten, Preisregelung) entgegensehen.<br />
All diese Entwicklungen haben deutliche Auswirkungen auf die<br />
Erfolgsprognosen für die deutsche Biotech-Industrie.<br />
Da sich die Core-Biotech-Firmen deutlich auf die Entwicklung<br />
von Medikamenten fokussieren, müssen sie Partner aus dem<br />
Pharmabereich gewinnen, da ihnen die nötige Erfahrung in<br />
Sachen Entwicklung, Zulassung und Vermarktung fehlt; vor<br />
allem aber fehlen die Finanzmittel, um die kostenintensiven und<br />
langwierigen Prozesse alleine bestreiten zu können. Pharmafirmen<br />
als Partner sind somit ein wesentlicher Faktor für den<br />
Erfolg dieses Wertschöpfungsnetzwerkes Biotechnologie. Eine<br />
abnehmende Zahl an führenden Pharmaunternehmen verringert<br />
allerdings die Chancen für erfolgreiche Partnerschaften.<br />
Ausgewählte Pharma-/Life-Sciences-Mittelstandsfirmen<br />
mit Biotechnologie-Aktivitäten<br />
HEXAL AG, Holzkirchen<br />
Hexal gründete in 1998 die Hexal Gentech, um neue molekulare<br />
Therapeutika und Diagnostika gegen Infektions- und<br />
Krebskrankheiten zu entwickeln. Über die Hexal Biotech verfügt<br />
das Unternehmen über ein breites Spektrum an gentechnologischen<br />
und biopharmazeutischen Methoden.<br />
Schwarz Pharma AG, Monheim<br />
Schwarz Biosciences ist die Forschungs- und Entwicklungsorganisation<br />
der Schwarz Gruppe mit dem deutschen Standort<br />
in Monheim sowie weiteren Standorten in Irland, den USA<br />
und Japan. Ein internationales Team arbeitet dabei an neuro-<br />
E RFOLGSFAKTOR „WERTSCHÖPFUNGSNETZ“<br />
Zwar muss die Allianzbildung global angegangen werden;<br />
Tatsache ist jedoch, dass in den letzten beiden Jahren<br />
transatlantische Allianzen deutlich zurückgegangen sind und<br />
somit die regionale Situation an Bedeutung gewinnt. Hinzu<br />
kommt die klare Präferenz der Pharmaindustrie für „late stage“-<br />
Produkte mit hohem Marktpotenzial und geringerem Risikoprofil.<br />
Hier klafft gerade in Deutschland leider eine Lücke, da<br />
sich die überwiegende Zahl der Projekte noch in frühen Phasen<br />
der Entwicklung befindet.<br />
Zusammengenommen lässt sich hieraus eine eher düstere<br />
Prognose für das Fortbestehen vieler deutscher Biotech-<br />
Unternehmen ableiten. Dennoch gibt es eine Reihe von<br />
Pharma-Allianzen, die wichtige Beiträge für die Überlebensstrategie<br />
von Biotech-Firmen leisten. Zudem hat die Krisensituation<br />
weiteres kreatives Potenzial freigesetzt.<br />
Eine Initiative des Bundesverbands der Pharmazeutischen<br />
Industrie (BPI) zielt auf die Zusammenführung von kleinen und<br />
mittleren Pharma- mit Biotech-Firmen, um Synergien aus dem<br />
Innovationspotenzial der Biotechnologie und der Entwicklungsund<br />
Vermarktungsexpertise der Pharmaseite zu entwickeln. Vor<br />
dem Erfolg dieser Initiative wird aber vor allem die<br />
Finanzierung solcher Kooperationen zu klären sein. Darüber<br />
hinaus ist auch hier das bereits beschriebene „Gap“ zwischen<br />
frühen Projekten der deutschen Biotech-Industrie und dem<br />
Bedarf der Pharmafirmen für reife Produkte vorhanden,<br />
wenngleich hier kein Anspruch nach „Blockbustern“ besteht.<br />
logischen und urologischen Projekten. In der Pipeline befinden<br />
sich Produkte für die Parkinson Krankheit, Epilepsie,<br />
schmerzhafte diabetische Neuropathien sowie dem Restless-<br />
Leg-Syndrom. Die Urologie-Projekte haben ihre Schwerpunkte<br />
in den Indikationen Blasenhyperaktivität/Inkontinenz<br />
und gutartige Prostatavergrößerung.<br />
Fresenius AG, Bad Homburg<br />
Fresenius Biotech ist ein Tochter-Unternehmen des Gesundheitskonzerns<br />
Fresenius. Die Fresenius Biotech GmbH ist auf<br />
die Entwicklung und Vermarktung von Biopharmazeutika im<br />
Bereich der Onkologie, Immunologie und der regenerativen<br />
Medizin ausgerichtet. In einer Kollaboration mit Xcyte<br />
Therapies arbeitet Fresenius Biotech an einem T-Zell<br />
basierten Gentherapie-Programm zur Behandlung von HIV.<br />
82 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Kooperationsstrategien für Biotech-Unternehmen und<br />
den pharmazeutischen Mittelstand in Deutschland<br />
Die meisten jungen Biotech-Unternehmen in Deutschland sind im Bereich Biomedizin<br />
tätig und wollen Arzneimittel entwickeln. Dieses ist ein Gewinn für den Pharmastandort<br />
Deutschland, der – einst „Apotheke der Welt“ – heute durch etwa 500 Unternehmen<br />
überwiegend mittlerer Größe geprägt ist. Viele dieser standorttreuen Unternehmen<br />
betreiben eigene F&E und haben langjährige Erfahrung in der Entwicklung sowie bei der<br />
Herstellung und Vermarktung von Arzneimitteln. Die internationale Wettbewerbssituation<br />
und insbesondere die veränderte Gesundheitsgesetzgebung in Deutschland führen<br />
dazu, dass viele dieser Unternehmen jetzt die Weichen für die Zukunft neu stellen<br />
müssen. Sie kommen nicht umhin, sich zukünftig neben der Beschäftigung mit dem<br />
Bewährten verstärkt der Entwicklung des Neuen zu widmen.<br />
Entwicklungsansätze für innovative Arzneimittel kommen dabei zunehmend von jungen<br />
Biotech-Uunternehmen. Somit passen Biotech-Unternehmen als Ideenlieferanten und<br />
Pharmaunternehmen als Know-how-Träger ideal zusammen.<br />
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e. V.<br />
hat vor mehr als zwei Jahren zusammen mit Partnern<br />
eine Initiative begonnen mit dem Ziel, Biotechs mit<br />
geeigneten Projekten und pharmazeutische Unternehmen<br />
mit Erfahrung und Kooperationswillen zusammenzubringen<br />
und so die internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Unternehmen am Standort Deutschland zu<br />
erhöhen.<br />
Eine der Erkenntnisse dieses Projektes war, dass trotz<br />
der von allen anerkannten Synergien zwischen Pharma<br />
und Biotech der Prozess der gemeinsamen Entwicklung<br />
von Innovationen von alleine nicht läuft. Es klafft<br />
zwischen Biotechs, die sich meist im präklinischen<br />
Forschungsbereich bewegen und der Pharmaindustrie, die an Produkten in den späteren<br />
Phasen der klinischen Prüfung oder gar fertigen Produkten interessiert ist, eine strategische<br />
Lücke. Für die am Standort Deutschland tätigen pharmazeutischen Unternehmen<br />
konnte gezeigt werden, dass gerade in dieser strategischen Lücke eine große Chance<br />
liegt: Durch das vorhandene Prozess-Knowdhow für klinische Prüfung und Zulassung<br />
und durch kurze Entscheidungswege können diese Unternehmen dafür sorgen, dass<br />
eine zügige Entwicklung der innovativen Ansätze von Biotechs erreicht wird. Für die<br />
Vermarktung stehen dann die bestehenden Vertriebswege und Vertriebspartnerschaften<br />
der Pharmaunternehmen zur Verfügung.<br />
Die Finanziers sehen in solchen Kooperationen durchaus für sich eine Risikominderung<br />
und sind bereit, bei geeigneten Projekten mit einzusteigen. Die an der Initiative<br />
teilnehmenden Biotechs erkannten, dass für eine Vielzahl ihrer „Anentwicklungen“<br />
gerade die standorttreue Industrie ein geeigneter Partner für sie sein kann und<br />
signalisierten Interesse an Kooperationen.<br />
Dennoch: Einige Hürden müssen noch beseitigt werden:<br />
So fehlt es an effizienten Mechanismen zur Identifikation geeigneter Projekte und<br />
Partner, man kennt sich unter Pharmamittelstand und Biotech kaum. Häufig mangelt es<br />
auch an der Finanzierungsbereitschaft für Projekte. Als gravierend offenbarten sich<br />
Kommunikationsprobleme, die auf Grund der unterschiedlichen Kulturen der beiden<br />
Unternehmenscluster bestehen und dazu führen, dass nicht selten nach ersten<br />
Kontakten die Bildung von Kooperationen verhindert bzw. erschwert wird. Auch besteht<br />
vielfach Investitionszurückhaltung bei den Unternehmen auf Grund unsicherer und<br />
wenig innovationsfördernder Rahmenbedingungen.<br />
Zur Überwindung der Hürden wurde im Rahmen der Initiative ein Konzept entwickelt.<br />
Dieses beinhaltet eine spezifische Beratungsstelle beim BPI, die individuell bei der<br />
Suche nach geeigneten Kooperationspartnern berät und Strukturen liefert, durch die<br />
Kompetenzen in Wissenschaft, Biotech und Pharma identifiziert und zusammengefügt<br />
werden können. Angeschlossen daran ist ein Netzwerk von Experten, das bedarfsgerechte<br />
Unterstützungsleistungen, Finanzdienstleistungen und<br />
Mediation bietet.<br />
Viele Aktivitäten im Rahmen dieses Konzeptes sind inzwischen<br />
angelaufen und werden fortgeführt. Über die individuelle Beratung<br />
und Vermittlung hinaus werden spezifische Partneringveranstaltungen<br />
für Biotech- und pharmazeutische Unternehmen sowie<br />
Informationsveranstaltungen, mit denen Impulse gesetzt werden,<br />
angeboten. Hierdurch ist es bereits zu vielen Kontakten gekommen<br />
und das Bewusstsein über diese Partneringmöglichkeit in Deutschland<br />
ist gewachsen. Dazu beigetragen hat, dass die Unternehmen bei<br />
konkreten Kooperationsgesprächen Hilfestellungen aus dem angeschlossenen<br />
Netzwerk nutzen konnten.<br />
Wichtig ist jetzt, die Stärken des Standortes zur Produktivitätssteigerung<br />
voll zu nutzen. Diese sind heute im Pharmabereich zum einen die Forschung<br />
und einige hundert kreative Biotechs, zum anderen die zahlreichen, etablierten, pharmazeutischen<br />
Unternehmen. Ein Zusammenbringen dieser beiden Bereiche lässt<br />
Synergien frei werden, die Deutschland als Pharmastandort auch international wieder<br />
aufholen lassen.<br />
Durch Umsetzung der aus der Initiative resultierenden Strategie „Innovation durch<br />
Kooperation“ gelingt es, Wertschöpfung im Land zu generieren und international zu<br />
vermarkten. Das Potential ist in Deutschland vorhanden, Impulse sind gesetzt, kompetente<br />
Unterstützung wird angeboten. Von Seiten der Politik muss jetzt alles dafür<br />
getan werden, die Rahmenbedingungen und Incentives so zu gestalten, dass die<br />
Unternehmen diesen Weg erfolgreich gehen können. Dabei wird Time-to-Market<br />
entscheidend für unsere Zukunft sein!<br />
Von Dr. Gudrun Tiedemann, Geschäftsführerin Biotechnologie/FuE, Bundesverband der<br />
Pharmazeutischen Industrie e. V., Berlin<br />
www.bpi.de<br />
83
Alternativen zum klassischen Partnering mit Pharmafirmen<br />
werden derzeit von Contract Research Organisationen (CRO)<br />
entwickelt. Sie haben neues Geschäftspotenzial bei Biotech-<br />
Firmen entdeckt und versuchen, über kreative Partnering-Deals<br />
einerseits den Finanzierungsengpass zu beseitigen und andererseits<br />
die Weiterentwicklung und Wertsteigerung der Pipelines<br />
voranzutreiben (siehe auch Beitrag aai Pharma in Kapitel 4.2).<br />
Die gegenwärtige Diskussion zum Thema Interaktion zwischen<br />
Pharma und Biotech wird allzu oft reduziert auf Partnerschaften<br />
zur gemeinsamen Entwicklung von Medikamenten. Die damit<br />
einhergehenden Probleme wurden bereits hinlänglich diskutiert.<br />
Neuerdings reift aber vor allem bei sehr kleinen Biotech-<br />
Unternehmen die Erkenntnis, dass zur Sicherung des Überlebens<br />
auch Dienstleistungen entsprechende Beiträge leisten<br />
können. In diesem Zusammenhang wird die Pharma-Wertschöpfungskette<br />
wieder aus einem anderen Blickwinkel<br />
betrachtet und mögliche Kooperationen mit Pharma auf<br />
breiterer Ebene ins Auge gefasst.<br />
E RFOLGSFAKTOR „WERTSCHÖPFUNGSNETZ“<br />
Abbildung 3-15:<br />
Kooperationsmöglichkeiten in der Pharma-Wertschöpfungskette<br />
Forschung<br />
Präkl.<br />
Forschung<br />
Outsourcing-Bereiche Pharma<br />
Entsprechend bietet auch der in der Pharmaindustrie<br />
zunehmende Trend zum „Outsourcing“ deutlich mehr Möglichkeiten<br />
der Zusammenarbeit beispielsweise auf den Gebieten der<br />
Targetforschung, der Identifizierung und Optimierung von Leitstrukturen,<br />
der präklinischen Forschung (Tiermodelle, Toxizitätsanalysen),<br />
der Diagnostik bis hin zur Produktion von<br />
Biologicals. Selbstverständlich ist diese Art der Zusammenarbeit<br />
nicht neu; es ist dennoch wichtig, dass sie wieder stärker<br />
ins Bewusstsein gerückt und besonders von den kleinen<br />
Biotech-Unternehmen intensiver betrieben wird.<br />
Wenngleich diese servicebasierten Geschäftsmodelle nicht mit<br />
den erhofften Traummargen einer Medikamentenentwicklung<br />
mithalten können, so sind sie sehr wohl in der Lage, essentielle<br />
Beiträge zum Überleben zu leisten und damit als Basis für ein<br />
Anschluss-Wachstum in wirtschaftlich besseren Zeiten zu<br />
dienen.<br />
Formulierung Klinik I Klinik II Klinik III Produktion Marketing Vertrieb Distribution<br />
Kooperationsfelder Biotech<br />
Technologie/Service Produkte<br />
84 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
4. Finanzierung und Kapitalmarkt<br />
4.1 Biotech-Investoren im Blickfeld<br />
Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde eine Umfrage unter<br />
Investoren durchgeführt, die Beteiligungen an Biotech-Unternehmen<br />
halten.<br />
Fragen zur Firmen- bzw. Investitionsstruktur umfassten dabei<br />
die Faktoren Kapitalquelle, Fundraising, bevorzugter Exit, Art<br />
und Ziel der Investition sowie Investitionsaktivitäten in Biotechnologie<br />
explizit im Jahre 2003.<br />
Zum Punkt Kapitalquelle gibt nachfolgende Abbildung 4-1 eine<br />
Übersicht.<br />
Im Jahresvergleich haben sich hier sichtbare Verschiebungen<br />
nur bei den Privatinvestoren ergeben. Ansonsten machen nach<br />
wie vor institutionelle Investoren als Geldgeber den größten<br />
Anteil aus, gefolgt von öffentlichen bzw. staatlichen Kapitalquellen.<br />
Insgesamt der geringste Anteil wird von strategischen<br />
Investoren (in der Regel Industrieunternehmen als Geldgeber)<br />
gestellt.<br />
Abbildung 4-1:<br />
Kapitalquellen des Investorensamples<br />
institutionelle Investoren<br />
öffentlich/staatlich<br />
private Investoren<br />
sonstige Quellen<br />
strategische Investoren<br />
0<br />
7<br />
6<br />
7<br />
14<br />
18<br />
21<br />
28<br />
29<br />
34<br />
36<br />
2002<br />
2003<br />
10 20 30 40<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Lediglich zwei der antwortenden 35 Investoren haben im Jahr<br />
2003 einen neuen Fonds aufgelegt. So gelang es beispielsweise<br />
dem EMBL-Fonds mit einer Summe von eingeworbenen 25<br />
Millionen € die ursprünglich geplanten 17 Millionen € sogar zu<br />
übertreffen.<br />
Das soll nicht heißen, dass der Wille dazu bei anderen Gesellschaften<br />
nicht vorhanden war, jedoch verspürten diese eine der<br />
allgemeinen Wirtschaftslage entsprechende zurückhaltende<br />
Investitionsbereitschaft der Fonds-Investoren. Insbesondere die<br />
allgemeine Zurückhaltung des Bankensektors gestalteten das<br />
Fundraising schwierig. So ist das Fundraising in 2003 auch für<br />
namhafte VC-Investoren noch kritischer geworden. Obwohl in<br />
den USA bereits wieder stark investiert wird, passt sich Europa<br />
dieser Entwicklung nur langsam an. Da die Geldgeber einen<br />
gewissen „Track-Record“ für ihre Investments verlangen,<br />
stecken viele VC-Gesellschaften wegen der nicht vorhandenen<br />
Exit-Möglichkeiten in einer Zwickmühle. Die Latte der Anforderungen<br />
liegt hoch. Auf Grund des verschlossenen Kapitalmarktes<br />
sind manche Investoren dennoch erfolgreich dazu<br />
übergangen, einen Exit über den Verkauf der Beteiligung an<br />
einen strategischen Käufer (Trade Sale) zu erzielen (siehe auch<br />
Abbildung 4-2).<br />
Nachdem der Trade Sale als bevorzugter Exit bereits im Jahr<br />
2002 an Attraktivität gegenüber dem Börsengang (IPO: Initial<br />
Public Offering) gewonnen hatte (im Jahr 2001 lagen beide<br />
Exitmöglichkeiten gleichauf), hat sich dessen Beliebtheit im<br />
vergangenen Jahr nochmals erhöht. So bevorzugen 89 Prozent<br />
der antwortenden Investoren einen Exit über Trade Sale, im Jahr<br />
2002 lag dieser Anteil noch bei 86 Prozent.<br />
Dennoch würden die Investoren nach wie vor auch gern einen<br />
Exit über den Börsengang sehen. Diese Option wurde am<br />
zweithäufigsten genannt.<br />
85
Abbildung 4-2:<br />
Bevorzugter Exit der Investoren im Jahresvergleich<br />
IPO<br />
Trade Sale<br />
Buy Back/MBO/MBI<br />
institutioneller Investor<br />
anderes<br />
3<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
10<br />
11<br />
12<br />
18<br />
0 20<br />
B IOTECH-INVESTOREN IM B LICKFELD<br />
40 60 80<br />
Anteil der Investoren in % (Mehrfachnennungen möglich)<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
Anteilsmäßig drückt sich das folgendermaßen aus: 74 Prozent<br />
der Investoren würden ihre Beteiligung gerne an der Börse<br />
veräußern. Im Vergleich zum Jahr 2002 ist hier ein sprunghaft<br />
erstarktes Interesse zu erkennen. Dies hängt sicher damit<br />
zusammen, dass in den USA bereits seit letzten Herbst wieder<br />
Biotech-Börsengänge erfolgten. Die Hoffnung besteht daher,<br />
dass sich diese Bewegung ebenfalls auf den europäischen und<br />
auch deutschen Kapitalmarkt auswirkt. Allerdings ist es den<br />
Investoren auch möglich, einen Exit in den USA anzustreben.<br />
Da die Portfolios vieler Gesellschaften, insbesondere bei international<br />
tätigen Investoren, zur Risikostreuung auch mit nichtdeutschen<br />
Firmen bestückt sind, ist ein Exit an ausländischen<br />
Börsensegmenten geplant. So ist aus obiger Abbildung ebenfalls<br />
ersichtlich, dass drei Viertel der Investoren ein nichtdeutsches<br />
Börsensegment bevorzugen.<br />
Mit der allgemeinen Zurückhaltung der Banken geht auch der<br />
deutlich rückläufige Verkauf von Beteiligungen an institutionelle<br />
Investoren einher (siehe Abbildung 4-2): Hier sehen im<br />
Vergleich zu 2002 mit 18 Prozent lediglich noch sechs Prozent<br />
der Investment-Gesellschaften eine geeignete Exit-Option.<br />
61<br />
75<br />
74<br />
77<br />
86<br />
89<br />
Dagegen wird mit 11 Prozent Anteil die Exitmöglichkeit über<br />
Buy Backs (Rückkauf durch Altgesellschafter), MBOs<br />
(Management-Buy-Out) und MBIs (Management-Buy-In) eher<br />
favorisiert.<br />
Dass die befragten Investoren auch in nichtdeutsche Firmen<br />
investieren, wurde bereits erwähnt. Mit der Möglichkeit der<br />
Mehrfachnennung gaben 46 bzw. 34 Prozent der Investment-<br />
Gesellschaften an, auch Anteile an Unternehmen aus dem<br />
europäischen bzw. nichteuropäischen Ausland zu halten. Da die<br />
Auswahl der angeschriebenen Investoren danach erfolgte, dass<br />
sie in deutschen Firmen beteiligt sind, liegt dieser Anteil<br />
zwangsläufig bei 100 Prozent. Fast die Hälfte davon gehen<br />
jedoch rein deutsche Beteiligungen ein. Dagegen beläuft sich<br />
der Anteil an Investoren, die nur zu weniger als 50 Prozent in<br />
deutsche Firmen investieren, auf lediglich sechs Prozent.<br />
Bei der Art der Investitionen liegt die deutliche Mehrheit bei<br />
offenen Beteiligungen (94 Prozent), wobei immerhin fast drei<br />
Viertel der Investoren ausschließlich auf offene Beteiligungen<br />
setzen. Insgesamt geben knapp ein Drittel der befragten<br />
Gesellschaften auch stille Beteiligungen als Investitionsart an.<br />
Interessanterweise sind bei den 33 Investoren, die offene<br />
Beteiligungen eingehen, immerhin fast 40 Prozent dabei, die<br />
nur Minderheitsbeteiligungen halten.<br />
57 Prozent der Investoren schlossen im letzten Jahr auch Erstfinanzierungen<br />
ab, 71 Prozent meldeten Folgefinanzierungen.<br />
86 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
100<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Bevorzugtes Börsensegment<br />
NASDAQ<br />
27 %<br />
LSE<br />
18 %<br />
AIM<br />
11 %<br />
TecDAX<br />
26 %<br />
SWX<br />
18 %<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004
Nur drei Investoren tätigten nur Erstinvestments und acht nur<br />
Folgeinvestments in Biotech-Unternehmen. 17 Investment-<br />
Gesellschaften verfolgten im vergangenen Jahr eine zweigleisige<br />
Strategie von Erst- und Folgeinvestments. Der höhere<br />
Anteil an Folge-Investments überrascht nicht, waren doch zahlreiche<br />
Biotech-Firmen darauf angewiesen, von ihren Investoren<br />
weiterfinanziert zu werden.<br />
Abbildung 4-3 gibt einen Überblick über die größten Hemmnisse<br />
für Neuinvestitionen und somit wichtige Entscheidungskriterien<br />
von Investoren. Danach wird fehlende Qualität des<br />
Managements als das größte Investitionshindernis angesehen.<br />
Danach folgen eine fehlende Alleinstellung bzw. Innovation der<br />
Technologie sowie ein inkonsistentes Geschäftskonzept.<br />
Weitere Barrieren mit noch mittlerer Bedeutung sind nach<br />
Einschätzung der Investoren zu hoher Kapitalverbrauch, die<br />
Kapitalmarktlage, fehlende Produkt-Pipeline, zukünftiger<br />
Kapitalbedarf, fehlende Marktpositionierung, bestehende<br />
Unternehmensbewertung, fehlender Patentschutz, fehlendes<br />
Kapital bei den Investoren selbst sowie ein zu weit entfernter<br />
Break-Even.<br />
Abbildung 4-3:<br />
Ranking von Investitionshemmnissen<br />
Fehlende Business-Development-Aktivitäten sowie fehlende<br />
klinische Studienergebnisse stellen ebenfalls Investitionshemmnisse<br />
dar, die von der Bedeutung her zwar nicht mehr<br />
gleichauf mit den Vorgenannten liegen, dennoch aber durchaus<br />
noch eine Rolle bei den Entscheidungen der Investoren spielen.<br />
Der geringste Einfluss kommt den Aussagen der Investoren<br />
zufolge der zukünftigen Verwässerung, der bestehenden<br />
Gesellschafter- bzw. Kapitalstruktur, der Gesetzgebung, einem<br />
fehlenden Lead-Investor sowie fehlendem Umsatz zu.<br />
Neben diesen Investitionshemmnissen gibt es weitere Punkte,<br />
die bei der Selektion von Investments von den Investoren als<br />
wichtig erachtet werden. So wurde zum Beispiel die Fähigkeit<br />
der Zielfirmen angeführt, „Konsolidierungschancen oder einen<br />
strategischen Fit mit anderen Biotech-Unternehmen zu haben“.<br />
Auch der Reifegrad des Unternehmens (Time-to-Market), eine<br />
klare Vision und ein solides Business-Modell mit eindeutigen<br />
zeitlichen Meilensteinen wird favorisiert. Investitionen werden<br />
bevorzugt in Konsortien mit kleineren Investitionsbeträgen<br />
getätigt. Ganz klar war darüber hinaus im vergangenen Jahr die<br />
weitere Tendenz zu Spätphasenfinanzierung mit der Folge von<br />
weniger Frühphasenprojekten.<br />
Hier lässt sich die Frage stellen, ob die Investoren damit nicht<br />
relativ kurzfristig denken und Investitionen in die Zukunft<br />
verfehlen. Gleichwohl ist hier zu berücksichtigen, dass auf<br />
Grund der fehlenden Exitmöglichkeiten die existierenden Mittel<br />
vorrangig für das bestehende Portfolio aufgewendet werden<br />
müssen.<br />
fehlende Qualität des Managements 3,61<br />
fehlende Alleinstellung/Innovation der Technologie 3,16<br />
inkonsistentes Geschäftskonzept 2,74<br />
zu hoher Kapitalverbrauch 2,48<br />
Kapitalmarktlage 2,45<br />
fehlende Produkt-Pipeline 2,40<br />
zukünftiger Kapitalbedarf 2,40<br />
fehlende Markpositionierung 2,35<br />
Unternehmensbewertung 2,35<br />
fehlender Patentschutz 2,34<br />
fehlendes Kapital 2,33<br />
Break-Even zu weit entfernt 2,33<br />
fehlende Business-Development-Aktivitäten 2,12<br />
fehlende klinische Studienergebnisse 1,98<br />
zukünftige Verwässerung 1,82<br />
bestehende Kapital-/Gesellschafterstruktur 1,80<br />
Gesetzgebung 1,77<br />
fehlender Lead-Investor 1,69<br />
fehlender Umsatz<br />
1,65<br />
1,00 2,00<br />
3,00<br />
4,00<br />
unbedeutend = 1<br />
bedeutend = 6<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
87
Dr. Joachim Rautter, Director Investmentmanagement<br />
PEPPERMINT. Financial Partners, Berlin<br />
Die Notwendigkeit von Frühphasenfinanzierungen<br />
B IOTECH-INVESTOREN IM B LICKFELD<br />
„Ihr Konzept finden wir sehr spannend, allerdings wäre es gut, wenn sie mindestens<br />
einen Produktkandidaten in der Klinik hätten. Wir würden uns daher ihr Projekt gerne<br />
dann wieder anschauen.“<br />
Auf ähnliche Aussagen trafen im vergangenen Jahr viele Unternehmen mit viel versprechenden<br />
Technologieplattformen oder präklinischen Produktportfolios. Im gegenwärtigen<br />
Marktumfeld ist es selbst für gute Konzepte schwer, VC-Investoren zu gewinnen.<br />
Dahinter steht der seit 2001 anhaltende Trend einer Verschiebung des Investmentfokus<br />
zugunsten von späteren Phasen. Während in 2000 noch die Hälfte aller VC-Engagements<br />
Erstinvestments waren, dominieren heute Folgeinvestments mit ca.<br />
80 % das Geschehen in Deutschland. Die Ursachen dieser Entwicklung<br />
sind vielfältig. Im Wesentlichen sind sie jedoch in früheren<br />
Fehlentwicklungen und den daraus resultierenden wirtschaftlichen<br />
Zwängen für Investoren zu suchen.<br />
Warum werden heute so wenig Frühphasenfinanzierungen getätigt ?<br />
Hauptgrund ist, dass in den Boomjahren durch die hohe Verfügbarkeit<br />
von Venture Capital und Fördermitteln zu viele, teilweise nicht<br />
tragfähige Geschäftsmodelle ohne klaren USP auf den Weg gebracht<br />
wurden. Im Ergebnis mussten alle VCs mit Randbedingungen und<br />
Finanzierungsstrukturen aus diesen Boomzeiten-Deals zurechtkommen,<br />
die im Lichte eines realistischen Marktes oft wenig Sinn<br />
machten.<br />
Erschwerte Exitbedingungen sowie der schnelle Aufbau von umfangreichen Portfolios<br />
hat bei vielen VCs zu einem Engpass an Mitteln geführt, so dass die Stabilisierung des<br />
eigenen Portfolios an Priorität gewinnt. Die Knappheit an verfügbarem Kapital verbunden<br />
mit zu hohen Bewertungen hat die gefürchteten Down-Rounds und eine neue<br />
Schärfe in der Anwendung von Investorenschutzrechten zur Folge. Daraus ist ein Klima<br />
der Unsicherheit erwachsen, das deutlich über die Vermeidung der inhärenten Risiken<br />
bei Frühphaseninvestments hinausgeht.<br />
Verstärkt wird diese Abkehr noch durch die Konsolidierung der VC-Branche. Neben dem<br />
Verschwinden meist kleinerer Fonds bauten auch große Player Personal ab und<br />
schlossen Büros in Deutschland. Frühphasenengagements sind jedoch sehr arbeitsintensiv,<br />
da notwendige Strukturen im Unternehmen etabliert werden müssen. Die<br />
notwendige, enge, strategische Begleitung erfordert bei einem Investor sowohl die<br />
Bereitschaft als auch die Fähigkeit eine entsprechende Hands-on-Betreuung für<br />
Unternehmen vor Ort zu gewährleisten. Alles zusammen hat den Trend zu Spätenphaseninvestments<br />
so verstärkt, dass in den letzen Jahren das Pendel zu weit in die entgegengesetzte<br />
Richtung ausgeschlagen ist.<br />
Gibt es einen Seed-Gap?<br />
Aufgrund der Kapitalmarktlage herrscht nach wie vor ein hoher Selektionsdruck bei VC-<br />
Gesellschaften. Institutionelle Investoren, die in VC-Fonds im Early-Stage-Bereich<br />
investieren, sind momentan rar und sehr selektiv. Zu groß waren die Verluste, die in der<br />
Vergangenheit erlitten wurden. Selbst für etablierte VC-Gesellschaften mit exzellentem<br />
Ruf ist es gegenwärtig schwer, neue Fonds in diesem Segment aufzulegen. Dies führt zu<br />
klaren Angebotslücken. Am stärksten unterversorgt ist die Seed-Phase, denn hier<br />
brauchen Investoren einen langen Atem, tiefe Taschen und speziell bei Unternehmen im<br />
Bereich des Drug Developments, die Bereitschaft ein hohes Entwicklungsrisiko mitzutragen.<br />
So gelingt es auch nur wenigen Neugründungen aus dem Biotech-Bereich in Deutschland,<br />
eine erfolgreiche Finanzierung zu erhalten. Neben staatlichen Programmen spielen<br />
heute regionale Beteiligungsgesellschaften der Sparkassen oder Landesbanken hier<br />
eine wichtige Rolle. VC-Runden dagegen sind selten zu<br />
beobachten. Selbst Unternehmen mit eindeutigen Alleinstellungsmerkmalen<br />
und neuartigen Therapieansätzen<br />
haben in diesem Umfeld nur eine Chance, wenn<br />
es ihnen gelingt, früh im Prozess einen Leadinvestor zu<br />
begeistern. Dies gelang im vergangenen Jahr nur wenigen<br />
Unternehmen wie den MPG-Ausgründungen JadoLabs<br />
(Dresden) und NeuroNova (München).<br />
Wer finanziert heute die Spätphasen von morgen?<br />
Deutlich gestiegene Qualitätsanforderungen von Investoren<br />
sind natürlich grundsätzlich zu begrüßen. Mit Aussagen<br />
wie „das regelt der Markt“ oder „gute Projekte<br />
finden auch einen Investor“ macht man es sich aber zu<br />
einfach. Denn Investoren finden für Frühphaseninvestments im Moment ideale Bedingungen<br />
vor. Hohe Barrieren sorgen für motivierte Gründerteams, daneben ist erfahrenes<br />
Management aus der ersten „Gründungswelle“ verfügbar. Attraktive Bewertungen und<br />
geringe Konkurrenz bieten hohe Chancen. Dafür ist jedoch mehr Mut zu antizyklischem<br />
Verhalten seitens der institutionellen Investoren und VC-Gesellschaften erforderlich.<br />
Um für eine nachhaltige Entwicklung der deutschen Biotechnologie zu sorgen, müssen<br />
diese denn auch auf den eigenen Nachschub achten, da es sonst langfristig kaum<br />
Unternehmen geben wird, in deren Spätphase man investieren kann.<br />
Dies wurde auch von der Bundesregierung und dem European Investment Fund erkannt.<br />
Um die Fundraising-Chancen im Frühphasenbereich zu erhöhen, sollen mit dem neuen<br />
EPR-EIF-Dachfonds in den nächsten 5 Jahren 500 Mio. € in VC-Fonds investiert werden.<br />
Nun bleibt zu hoffen, dass private Investoren sich auch daran erinnern, dass der Early-<br />
Stage-Bereich im Branchendurchschnitt der vergangenen 20 Jahre die besten Renditen<br />
geliefert hat. Erstes Indiz für eine Trendwende ist vielleicht der Erfolg von immatics<br />
(Tübingen), der im Februar 2004 die größte Erstrundenfinanzierung eines deutschen<br />
Biotechunternehmens seit 2002 gelang.<br />
www.peppermint-vc.de<br />
88 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Tabelle 4-1:<br />
Investorensample<br />
Investorenname www<br />
Aurelia Private Equity www.aurelia-pe.de<br />
BayTech Venture Capital www.btvc.de<br />
BioM www.bio-m.de<br />
BioMed Venture www.biomed-venture.de<br />
bm-t beteiligungsmanagement<br />
thüringen www.bm-t.com<br />
Breslin Biotech www.breslin.ch<br />
DEWB www.dewb-vc.com<br />
DVC Deutsche Venture Capital www.dvcg.de<br />
Earlybird www.earlybird.com<br />
EMBL Technology Fund www.embl-ventures.com<br />
First Ventury www.firstventury.com<br />
Global Life Science Ventures www.glsv-vc.com<br />
Grazia Equity www.grazia-equity.de<br />
HBM BioVentures www.hbmbioventures.com<br />
Heidelberg Innovation www.hd-innovation.de<br />
HypoVereinsbank www.hvb.de<br />
IBB www.ibb-bet.de<br />
Investorenname www<br />
LeVenture www.leventure.de<br />
LSP www.lspvc.com<br />
MBG Baden-Württemberg www.mbg.de<br />
MBG Hessen www.mbg-hessen.de<br />
MBG Schleswig-Holstein www.mbg-sh.de<br />
Mulligan BioCapital www.mulliganbio.com<br />
Nextech Venture www.nextechventure.com<br />
Park Venture Private Equity www.parkventure.de<br />
PEPPERMINT www.peppermint-vc.de<br />
PolyTechnos Venture-Partners www.polytechnos.com<br />
SWG www.swgmbh.de<br />
SEED www.seed-gmbh.de<br />
SHS www.shsvc.net<br />
S-Refit www.s-refit.de<br />
Süd Venture Capital www.suedvc.de<br />
VCM www.vcm-capital.de<br />
Wellington www.wellington.de<br />
LEA www.l-bank.de Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Weitere wichtige Punkte im Bereich der Finanzierung von<br />
Biotech-Unternehmen, die von den Investoren genannt wurden,<br />
umfassen zum Beispiel die Notwendigkeit einer geschlossenen<br />
Kette „Geldgeber – VC-Gesellschaft – Zielunternehmen - Exit“,<br />
bei der kein Einzelglied ausfallen darf, da sonst die gesamte<br />
Kette bricht. Dies bedeutet eine Kapitalausstattung des<br />
Investorenkreises, die auch für Folgeinvestitionen reicht, sowie<br />
starke Investorensyndikate und reputable Co-Investoren. Ferner<br />
ist bei den Biotech-Firmen selbst ein aktiver und erfahrener<br />
Aufsichtsrat/Beirat essentiell.<br />
Insgesamt werden folgende Trends gesehen:<br />
• Das Closing von Finanzierungsrunden wird schwieriger.<br />
• Viele Firmen, auch gute, sind unterkritisch finanziert.<br />
• Spin-offs werden ins Auge gefasst.<br />
• Restrukturierung der VC-Branche erfolgt ebenfalls.<br />
• Realistische Einschätzung des totalen Finanzierungsvolumens.<br />
• Wenige Unternehmen werden große Finanzierungsrunden<br />
erreichen.<br />
• Indikatoren für gestiegene Finanzierungsbereitschaft sind<br />
bereits sichtbar.<br />
• Keine frühen Wirkstoffentwicklungen; Fokus auf Med-Tech<br />
und Applikationen.<br />
• Spreu trennt sich vom Weizen; mehr ernsthafte IPO-<br />
Vorbereitungen.<br />
• Mehr erfolgsabhängige Bewertungen.<br />
89
4.2 Die Finanzierung der Biotech-Firmen<br />
Nicht alle der Biotech-Unternehmen sind auf eine externe<br />
Finanzierung angewiesen. Dieses Resultat erbrachte die Frage<br />
an die Core-Biotech-Firmen nach ihrer Finanzierungsphase. So<br />
trifft diese Frage für knapp ein Drittel der antwortenden<br />
Unternehmen nicht zu, da sie sich bereits am Markt befinden<br />
und ihn als Finanzierungsquelle nutzen (siehe Abbildung 4-4).<br />
Angesichts der weiterhin angespannten externen Finanzierungssituation<br />
in der Branche ist dies ein erfreulicher Anteil. Die<br />
Frage stellt sich, wie sich die restlichen Firmen finanzieren,<br />
wenn lediglich – wie bereits dargestellt – insgesamt ein weiteres<br />
knappes Drittel der Firmen mit Risikokapital finanziert sind.<br />
Neben der Marktpräsenz und der reinen VC-Finanzierung<br />
nutzen die Biotech-Unternehmen ebenfalls Privatvermögen,<br />
strategische Investoren sowie Fördergelder als Finanzierungsquelle.<br />
Auch hier kann dann von verschiedenen Finanzierungsphasen<br />
bzw. -runden gesprochen werden.<br />
Der geringste Anteil an Firmen ist börsennotiert (fünf Prozent),<br />
jeweils knapp 10 Prozent entfällt auf Unternehmen in der<br />
Gründungs- und in späteren Finanzierungsphasen. Mit je rund<br />
einem Viertel sind diejenigen Firmen vertreten, die bereits eine<br />
erste oder zweite Finanzierungsrunde vollzogen haben.<br />
Abbildung 4-4:<br />
Finanzierungsphase der Sample-Unternehmen<br />
Alle<br />
nicht zutreffend/<br />
Markt<br />
29 %<br />
börsennotiert<br />
5 %<br />
spätere<br />
Finanzierungsrunde<br />
9 %<br />
Gründung/<br />
vor VC-Finanzierung<br />
9 %<br />
nach 1.<br />
Finanzierungsrunde<br />
23 %<br />
nach 2.<br />
Finanzierungsrunde<br />
25 %<br />
In der Gruppe der VC-finanzierten Biotech-Unternehmen<br />
entfällt der größte Anteil auf Firmen nach einer zweiten<br />
Finanzierungsrunde, gefolgt von denjenigen nach einer Erstrunde.<br />
Der Anteil an bereits in späteren Finanzierungsphasen<br />
stehenden Unternehmen beläuft sich auf 24 Prozent und hat<br />
durch einige erfolgte „Later-Stage“-Finanzierungen im vergangenen<br />
Jahr zugenommen.<br />
Ebenfalls hat der Anteil an Firmen nach zweiter Runde<br />
zugenommen, da auch diese im Jahr 2003 von den Investoren<br />
zu Ungunsten der Erstrundenfinanzierungen favorisiert wurden.<br />
Es bleibt zu hoffen, dass der Anteil an Biotech-Firmen, die sich<br />
über den Markt finanzieren können, in Zukunft zunehmen wird.<br />
Wie im vorangegangenen Kapitel 3 dargestellt, existiert bereits<br />
eine gewisse Anzahl Unternehmen, die in den kommenden<br />
Jahren eine Produkteinführung und damit einen Marktzugang<br />
planen. Allerdings heißt das Operieren am Markt nicht immer<br />
auch, dass ein Unternehmen bereits unabhängig von weiteren<br />
Finanzierungsquellen ist. Denn erst das Erreichen des „Break-<br />
Evens“, also der Gewinnzone, sichert den Unternehmen eine<br />
gewisse Unabhängigkeit. Die befragten Firmen gaben in diesem<br />
Rahmen auch Auskunft darüber, wann sie glauben, den Break-<br />
Even zu erzielen.<br />
VC-finanziert<br />
Gründung<br />
2 %<br />
spätere<br />
Finanzierungsrunde<br />
24 % nach 1.<br />
Finanzierungsrunde<br />
31 %<br />
nach 2.<br />
Finanzierungsrunde<br />
43 %<br />
90 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004
Neben den 20 Prozent der befragten Core-Biotech-Unternehmen<br />
in Deutschland, die bereits Gewinn erzielen und somit<br />
den Break-Even bereits erreicht haben, erhofft sich ein nicht<br />
ganz so großer Anteil (15 Prozent) die Überschreitung der<br />
Gewinnschwelle für dieses Jahr. Über die Hälfte der antwortenden<br />
Firmen glaubt darüber hinaus, die Gewinnzone innerhalb<br />
der nächsten drei Jahre erzielen zu können. Darunter befinden<br />
sich wiederum zur Hälfte VC-finanzierte Biotech-Unternehmen,<br />
von denen fast 70 Prozent Therapeutikaentwicklung<br />
betreiben. Diese Erwartungen könnten fast optimistisch<br />
stimmen und wären auf jeden Fall ein Signal für die Erstarkung<br />
der deutschen Biotech-Branche.<br />
Das Erreichen der Gewinnzone würde für die investierten VC-<br />
Gesellschaften jedoch nicht zwangsläufig einen Exit bedeuten.<br />
Allerdings erhöhen sich dementsprechend die Chancen eines<br />
Trade Sales oder eines Börsenganges der Portfolio-Firmen.<br />
Im Moment ist ein solcher Status jedoch noch nicht erreicht<br />
und viele Firmen sind weiterhin auf externe Eigenkapitalquellen<br />
angewiesen. Auf Grund nicht statt gefundener Börsengänge<br />
im vergangenen Jahr nimmt dabei das Risikokapital<br />
wiederum die bedeutendste Stellung ein. Mit einer Summe von<br />
216 Millionen € erhöhte sich das in deutsche Core-Biotech-<br />
Firmen investierte VC-Kapital im Jahresvergleich sogar<br />
geringfügig (siehe Abbildung 4-5).<br />
Abbildung 4-5:<br />
Aufgenommenes Eigenkapital im Jahresvergleich (€ Mio.)<br />
1.600 2000<br />
2001<br />
1.400 2002<br />
2003<br />
1.200<br />
1.000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
565 525<br />
207 216<br />
VC-Kapital<br />
655<br />
23 0<br />
IPO<br />
153<br />
0 1<br />
Follow-on<br />
Bei allen Angaben sind nur deutsche Core-Biotech-Unternehmen berücksichtigt.<br />
0<br />
3<br />
1373<br />
Zusammen mit der Kapitalerhöhung eines bereits börsennotierten<br />
Unternehmens (Follow-on) wurde somit im Jahr 2003<br />
ein Betrag von 219 Millionen € Eigenkapital von den deutschen<br />
Core-Biotech-Firmen eingenommen. Das Niveau von 2002<br />
wurde somit leicht überschritten, die Beträge der Boomjahre<br />
2000 und 2001 blieben jedoch unerreicht.<br />
Abbildung 4-6:<br />
VC-Finanzierung der Core-Biotech-Unternehmen seit 1996<br />
Mio. €<br />
VC-Finanzierung<br />
Ohne die Boomjahre wäre – wie aus Abbildung 4-6 ersichtlich<br />
– die Entwicklung bei der Risikokapitalfinanzierung der Biotech-Firmen<br />
recht konstant gewesen.<br />
Vielleicht wäre eine solche Entwicklung<br />
für die Branche insgesamt nachhaltiger<br />
gewesen, da nicht so viele Erwartungen<br />
geweckt worden wären. Allerdings wären<br />
dann beispielsweise im Jahr 2001 auch<br />
Firmen wie Micromet, DeveloGen,<br />
Cellzome, Axxima, Graffinity, Munich<br />
Biotechnology, Xantos oder Jerini nicht<br />
mit je über 20 Millionen € unterstützt<br />
worden. Insgesamt summierte sich deren<br />
Finanzierung allein auf rund die Hälfte<br />
548<br />
des gesamten Risikokapitals in 2001.<br />
208 219<br />
Gesamt<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
21<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
61<br />
145<br />
175<br />
565<br />
525<br />
1996 1997 1998 1999 2000 2001<br />
207<br />
2002<br />
216<br />
2003<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
91
Die Anzahl der VC-Runden hat sich im vergangenen Jahr erneut<br />
reduziert. Ähnlich wie im Jahr 2001, konnte sich im Jahr 2003<br />
das durchschnittliche Finanzierungsvolumen bei gleichzeitig<br />
weniger Runden erhöhen. Es lag im Jahr 2003 bei 5,1 Millionen €<br />
und stieg von 4,3 Millionen € im Jahr 2002 an.<br />
Abbildung 4-7:<br />
Verteilung VC-Runden im Jahresvergleich<br />
Volumen (Mio. €)<br />
kleiner 5<br />
5 bis 20<br />
20 bis 35<br />
35 bis 50<br />
0<br />
0<br />
3<br />
4<br />
4<br />
5<br />
7<br />
0 10<br />
Anzahl VC-Runden an Gesamtzahl in %<br />
20 30 40<br />
Abbildung 4-7 zeigt die Finanzierungsrunden deutscher Core-<br />
Biotech-Unternehmen über die letzten Jahre nach Volumina.<br />
Danach ist der Anteil an Runden, die<br />
kleiner als fünf Millionen € liegen, deutlich<br />
gestiegen: von 65 Prozent im Jahr<br />
2002 auf 71 Prozent im Jahr 2003.<br />
Insgesamt nehmen diese kleinvolumigen<br />
Finanzierungsrunden somit auch den<br />
weitaus größten Anteil der Gesamtzahl<br />
ein. Im Bereich einer Finanzierungshöhe<br />
zwischen fünf und 20 Millionen € ist der<br />
Anteil an Runden dagegen im Jahresvergleich<br />
deutlich gesunken. Dafür hat<br />
sich der Anteil an Runden mit einem<br />
Volumen zwischen 20 und 35 Millionen €<br />
wieder erhöht.<br />
10<br />
17<br />
19<br />
21<br />
31<br />
D IE F INANZIERUNG DER B IOTECH-FIRMEN<br />
Mehr als 35 Millionen €, wie es in den Boomjahren der Fall<br />
war, wurde in den letzten beiden Jahren in keine deutsche<br />
Biotech-Firma investiert.<br />
Es zeigt sich somit deutlich, dass der Rückgang im mittleren<br />
Segment zugunsten des Anstieges der<br />
Anteile an kleineren und größeren<br />
Runden erfolgte. Die Tendenz besteht,<br />
dass sich der VC-Markt anscheinend in<br />
72<br />
viele kleinvolumige „Low-Risk-Invest-<br />
69<br />
ments“ und einige großvolumige Spät-<br />
65<br />
phaseninvestments bewegt.<br />
71<br />
Aufschlussreich ist zudem die Analyse der<br />
Core-Biotech-Risikokapitalfinanzierungen<br />
des Jahres 2003 nach Beteiligung von<br />
deutschen und internationalen Investoren.<br />
So hat sich der Anteil an internationalen<br />
Investoren im Jahresvergleich von 21 auf<br />
42 Prozent verdoppelt. Noch deutlicher<br />
wird die Erhöhung des Anteiles ausländischer<br />
VC-Gesellschaften bei Betrachtung<br />
von Runden mit einem Volumen von<br />
mehr als fünf Millionen €: der Anteil<br />
springt von 30 auf 65 Prozent.<br />
Dies ist sicher eine sehr erfreuliche<br />
Entwicklung, zeigt sie doch, dass das<br />
Potenzial deutscher Biotech-Firmen vermehrt<br />
auch von internationalen Investoren<br />
erkannt wird.<br />
92 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
50 60 70 80<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Abbildung 4-8:<br />
Herkunft der Investoren der VC-Runden im Jahresvergleich<br />
alle Runden<br />
Runden > 5 Mio.<br />
79 21<br />
58 42<br />
70<br />
35 65<br />
0 20 40 60 80 100<br />
Anteil Investoren in %<br />
2002<br />
2003<br />
30<br />
deutsche Investoren<br />
internationale Investoren<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004
Dr. Ed Stuart, CBO U3 Pharma AG, München<br />
Zweitrundenfinanzierung mit internationaler<br />
Beteiligung in schwierigen Zeiten<br />
Eine besondere Herausforderung an das Management-Team eines nicht börsennotierten<br />
Biotech-Unternehmens ist die Beschaffung von Kapital in einer Zeit angespannter<br />
Finanzmärkte. In letzter Zeit fanden sich daher viele Businessmanager in Europa,<br />
vornehmlich in Deutschland, in einer scheinbar unendlichen „VC-Roadshow“ wieder.<br />
Als einer der größten Stolpersteine auf diesem Weg (zur Finanzierung) erwies sich die<br />
Skepsis der internationalen Finanzwelt gegenüber der deutschen Biotech-Industrie.<br />
Zumal viele ausländische Investoren glauben, dass eine erhebliche Diskrepanz zwischen<br />
der Höhe von Investitionen in die deutsche Biotechnologie und dem damit<br />
erwirtschafteten Gegenwert besteht. Tatsächlich sind die Finanzierungsinstrumente, die<br />
in den Anfängen der deutschen Biotech-Industrie eingesetzt<br />
wurden, bis heute nie optimiert worden. Wir sehen<br />
uns daher nun mit der Bewältigung der Folgen unkontrolliertem<br />
Wachstums der deutschen Branche konfrontiert,<br />
statt mit einem nachhaltig kontrollierten Aufbau.<br />
Diese Punkte geben für internationale Investoren wenig<br />
Anreiz, neue Investments in Deutschland zu tätigen.<br />
Demgegenüber steht der Kapitalbedarf der Industrie,<br />
der die vorhandenen Mittel übersteigt. Wie dem auch<br />
sei – jedes Management-Team muss Lösungen für<br />
seinen spezifischen Finanzierungsbedarf finden unter<br />
gleichzeitiger Berücksichtigung der Wertschaffung.<br />
Seit der Gründung im Jahre 2001 hat U3 Pharma erfolgreich zwei Finanzierungsrunden<br />
abgeschlossen und ca. 18 Millionen € eingespielt, das entspricht ungefähr 1 Mio. €<br />
pro Mitarbeiter. Das wurde in Zeiten eines enormen Konjunktureinbruchs der deutschen<br />
Biotech-Branche erreicht und durch die vier folgenden Prinzipien möglich:<br />
• Höchstmögliche Bündelung von Ressourcen in die Forschung und Entwicklung<br />
• Klare Fokussierung auf den Geschäftsplan und seine Erfüllung<br />
• Offene Kommunikation zwischen jetzigen und zukünftigen, neuen Investoren<br />
• Versprochen wird nur, was auch eingehalten werden kann.<br />
U3 Pharma profitierte dabei von Prof. Axel Ullrich’s weltweit renommierten wissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen, begleitet von einer sehr konsequenten Denkweise in Bezug auf<br />
Produktentwicklung und der Art und Weise wie diese Vision und dieses Engagement die<br />
gesamte Firma durchdringt. Unsere Herangehensweise an die Forschung und Entwicklung<br />
ist eine Kombination aus der Zusammenführung aller Schritte der Produktentwicklung:<br />
insbesondere hervorragende Wissenschaft, ein tiefes Verständnis für die<br />
Biologie, die einer Krankheit zugrunde liegt, sowie innovative Technologien und<br />
qualifizierte Mitarbeiter.<br />
Zudem existiert ein erfahrenes und international ausgerichtetes Management-Team, das<br />
hohe Glaubwürdigkeit in der Wissenschafts-, Medizin-, Geschäfts- und Finanzwelt<br />
genießt. Schließlich wurde ein spezielles Geschäftsmodell konzipiert, das den Wandel<br />
von Marktbedingungen berücksichtigt, ohne das Kernkonzept der Entwicklung von<br />
neuartigen Krebsmedikamenten aus den Augen zu verlieren. Während die Industrie in<br />
den vergangenen drei Jahren den allgemeinen Trends gefolgt ist – von Plattform über<br />
Hybriden zu Turbohybriden und „nur-produktorientiert“, hat U3 Pharma stets an seinen<br />
ursprünglichen Zielen festgehalten und Meilensteine erfüllt.<br />
Es ist Teil der Philosophie des Managements, eine konsistente und kontinuierliche<br />
Kommunikation mit den Investoren zu führen, um bisherigen Investoren Transparenz zu<br />
vermitteln und konstant am Aufbau der Beziehung zu neuen Investoren zu arbeiten. Das<br />
hat der Firma die Möglichkeit gegeben, sich auf die Finanzierung zu konzentrieren, ohne<br />
dabei das laufende Tagesgeschäft aus den Augen zu verlieren.<br />
Schlussendlich verlangen das Management und die Erfüllung von<br />
Investorenerwartungen, dass gegebene Versprechen eingehalten<br />
werden. Den Managern von U3 Pharma war von Anfang an klar, dass<br />
die Gewinnung zukünftiger neuer Geldgeber eng mit der Unterstützung<br />
bestehender Investoren verknüpft ist. Das wiederum konnte<br />
nur erreicht werden durch eine klare Darstellung der Verwendung von<br />
Einnahmen sowie einem verantwortungsvollen und Kosten-Nutzen<br />
effektiven Wachstum der Firma. Zudem wurde der Exit sowie der Weg<br />
dorthin klar definiert.<br />
Unter Verwendung dieser Prinzipien ist es U3 Pharma gelungen, die<br />
konjunkturelle Krise der Vergangenheit zu überstehen und im<br />
September 2003 eine Finanzierungsrunde über 13,25 Mio. €<br />
abzuschließen. Die Firma hat genügend Interesse bei drei neuen institutionellen<br />
Investoren geweckt: Atlas Venture, LCF Rothschild Venture Partners und Singapore EDB.<br />
Gemeinsam mit den bereits existierenden Investoren – unter der Führung von Alta<br />
Partners und allen anderen Aktionären – bilden sie eine solide Basis, auf der U3 Pharma<br />
seine neuen Therapeutika entwickeln kann.<br />
Tatsächlich gab es im Jahr 2003 in Deutschland wenig Aktivität bei Neuinvestitionen,<br />
Refinanzierungen beschränkten sich auf Brückenfinanzierungen. Seitdem jedoch<br />
Cellzome, Alantos und U3 Pharma den Abschluss ihrer Finanzierungsrunden bekannt<br />
gaben, besteht die Hoffnung, dass sich das Fenster für Neufinanzierungen langsam<br />
wieder öffnet und damit eine Erholungsphase eingeleitet wird. Das wird auch sicherlich<br />
geschehen, solange Firmen, in die bereits investiert wurde, echte Wertschaffung unter<br />
Beweis stellen können.<br />
www.u3pharma.com<br />
93
D IE F INANZIERUNG DER B IOTECH-FIRMEN<br />
Tabelle 4-2:<br />
Top-10-Venture-Capital-Runden deutscher Core-Biotech-Firmen im Jahr 2003<br />
Unternehmen Volumen Runde Bekanntgabe Lead Investor ausgewählte, weitere Investoren<br />
(Mio. €)<br />
Advent International, Atlas Venture, Heidelberg Innovation,<br />
INVESCO Private Index Ventures, Schroder Ventures Life Sciences,<br />
Cellzome AG 30 Series C März Capital Societe Generale Asset Management, Sofinnova Partners<br />
Oxford Bioscience ABN Amro Capital, Auriga Partners, Earlybird, Heidelberg<br />
Alantos Pharmaceuticals AG 24,1 2 Februar Partners Innovation, Schroder Ventures Life Sciences, Ventech<br />
3i Group, Abingworth Management, Deutsche Venture<br />
Epigenomics AG 21 Series C März Capital, MPM Capital, Wellcome Trust<br />
HBM Bioventures, IKB Venture Capital, Index Ventures,<br />
Ingenium TVM, Polaris Venture Schroder Ventures Life Sciences,<br />
Pharmaceuticals AG 13,8 3 Dezember Partners Sofinnova Partners<br />
Atlas Venture,<br />
LCFRothschild<br />
U3 Pharma AG 13,25 2 September Venture Partners Alta Partners, Bio M , Medicis Venture Management<br />
HBM Bioventures,<br />
MTM Laboratories AG 12 2 Oktober Wellington Partners Heidelberg Innovation<br />
Deutsche Venture<br />
4SC AG 9 3 Mai Capital 3i Group, BDW, Bio M , Mulligan BioCapital<br />
3i Group, NeoMed Management, S-VC RisikoKapital Fonds,<br />
Paion GmbH 8,3 3 Mai Vertex Management<br />
Biofrontera<br />
Pharmaceuticals AG 7,6 3 Juli Heidelberg Innovation 3i Group, LeVenture, Technomedia<br />
Antisense Pharma GmbH 6,5 2 April S-Refit<br />
Quelle: VentureOne, Ernst & Young 2004<br />
Tabelle 4-2 listet die zehn größten publizierten VC-Runden der<br />
deutschen Biotech-Industrie des vergangenen Jahres auf.<br />
Spitzenreiter war die Heidelberger Cellzome mit einer Zusage<br />
von 30 Millionen €. Das Kapital wird zur Intensivierung der<br />
Forschung und Entwicklung sowie zur Durchführung von<br />
Studien für einen „Proof of Concept“ verwendet. Immerhin<br />
wurde damit der gleiche Spitzenwert wie von der febit im Jahr<br />
2002 erzielt.<br />
Weitere Runden über 20 Millionen € konnten sich die<br />
Heidelberger Alantos Pharmaceuticals sowie die Berliner<br />
Epigenomics sichern. Neben den Spät-Runden von Cellzome<br />
und Epigenomics wurden „Later-Stage“-Finanzierungen von<br />
vier weiteren Unternehmen abgeschlossen:<br />
Ingenium Pharmaceuticals, 4SC, Paion und Biofrontera<br />
Pharmaceuticals.<br />
Unter den Top-10-Finanzierungen gab es immerhin noch vier<br />
Zweitrundenfinanzierungen. Die größte davon gelang mit 13<br />
Millionen € der U3 Pharma aus Martinsried, dicht gefolgt von<br />
der Heidelberger mtm Laboratories mit 12 Millionen €.<br />
Schließlich konnte auch die Regensburger Antisense Pharma<br />
eine zweite Finanzierungsrunde abschließen, die noch höher als<br />
fünf Millionen € lag.<br />
Bei den Top 10 knapp nicht dabei war die Finanzierung der neu<br />
gegründeten NeuroNova aus München. Sie konnte eine<br />
Seedfinanzierung über vier Millionen € mit der niederländischen<br />
VC-Gesellschaft Life Science Partners abschließen,<br />
die ein Büro in München unterhält.<br />
94 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Die NeuroNova wurde im vergangenen Jahr von Dr. Herbert<br />
Stadler mitgegründet, der seinerseits bereits 1997 die Gründung<br />
der Göttinger DeveloGen mitgetragen hat. Der Hauptgründer<br />
und wissenschaftliche Kopf, Prof. Dr. Florian Holsboer, kommt<br />
vom Münchener Max-Planck-Institut für Psychiatrie und<br />
bestimmt somit die Ausrichtung der NeuroNova auf innovative<br />
Therapien zerebraler Störungen.<br />
Zwei weitere Seed-Finanzierungen im vergangenen Jahr fielen<br />
mit einem Volumen von jeweils deutlich unter einer Million €<br />
sehr viel geringer aus. Dazu zählen die Marburger WonDrug<br />
Biosciences sowie die Scanbec aus Halle. Der Zellmembran-<br />
Spezialist JadoLabs aus Dresden konnte in einer Erstrunde eine<br />
Summe von 1,8 Millionen € vom VC-Konsortium<br />
PEPPERMINT, Dresden Fonds sowie einem Privatinvestor<br />
einwerben.<br />
Deutlich wird der geringe Anteil an Seed- und Erstrundenfinanzierungen<br />
ebenfalls in der Abbildung 4-9. Im Vergleich<br />
zum Jahr 2002 hat deren Anteil im vergangenen Jahr<br />
abgenommen. Besonders trifft dies für die Erstrundenfinanzierungen<br />
zu, die bezogen auf die Gesamtzahl an VC-<br />
Investments von einem Anteil von 39 Prozent im Jahr 2002 auf<br />
10 Prozent in 2003 gefallen sind.<br />
Abbildung 4-9:<br />
VC-Finanzierungsrunden nach Phasenschwerpunkt im Jahresvergleich<br />
Seed<br />
2. Runde<br />
Later Stage 11<br />
6<br />
8<br />
1. Runde 39<br />
10<br />
0 10<br />
11<br />
in % von Gesamtzahl<br />
15<br />
25<br />
33<br />
39<br />
49<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
54<br />
20 30 40 50 60<br />
Deutlich zulegen konnte dagegen im Jahresvergleich jeweils der<br />
Anteil an Zweitrunden- und „Later-Stage“-Finanzierungen.<br />
Insgesamt spielten diese die Hauptrolle bei der Anzahl an<br />
Biotech-VC-Runden. Diese Erkenntnis ist nicht weiter<br />
verwunderlich und stimmt mit den Aussagen der Investoren<br />
überein, sich auf spätere Phasen zu konzentrieren. Die VC-<br />
Gesellschaften versuchen, ihre Portfolio-Firmen mit Blick auf<br />
zukünftige Exit-Möglichkeiten weiter voranzubringen und<br />
attraktiver zu machen.<br />
Insbesondere der Bereich „Later Stage“, das heißt Finanzierungen<br />
ab der dritten Runde nahmen sowohl nach Anzahl als<br />
auch nach Volumen zu. So umfassen diese Art Finanzierungen<br />
über die Hälfte des investierten Gesamtbetrags an Risikokapital<br />
(siehe Abbildung 4-9 rechter Teil). Der zweitgrößte Anteil liegt<br />
volumenmäßig gesehen bei den Zweitrundenfinanzierungen.<br />
Die Seed- und Erstrundenfinanzierungen spielen dagegen wertmäßig<br />
kaum eine Rolle. Dies hängt zwangsläufig mit den<br />
geringen Beträgen derartiger Finanzierungsstadien zusammen.<br />
Jedoch ist erkennbar, dass im Jahresvergleich ein sehr<br />
deutlicher Einbruch beim Volumen der Erstrunden stattfand.<br />
Der Anteil ist von immerhin noch 29 bzw. 31 Prozent in den<br />
Jahren 2001 bzw. 2002 auf lediglich zwei Prozent im Jahr 2003<br />
gesunken.<br />
Seed<br />
2. Runde<br />
0<br />
1<br />
2<br />
1. Runde 31<br />
2<br />
Later Stage 28<br />
0 10<br />
in % vom Gesamtvolumen<br />
29<br />
29<br />
42<br />
40<br />
44<br />
52<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
20 30 40 50 60<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
95
Abbildung 4-10:<br />
VC-Finanzierungsrunden nach Segmenten im Jahresvergleich<br />
Therapeutika<br />
Plattform/<br />
Therapeutika<br />
Plattform/<br />
Service<br />
Diagnostika<br />
Tissue<br />
Engineering<br />
Drug-Delivery-<br />
Systeme<br />
0<br />
0<br />
3<br />
6<br />
10<br />
16<br />
in % von Gesamtzahl<br />
23<br />
23<br />
26<br />
2002<br />
2003<br />
Abbildung 4-10 veranschaulicht die Verteilung der Risikokapitalfinanzierungen<br />
der Jahre 2002 und 2003 auf verschiedene<br />
Segmente der Core-Biotech-Firmen. Der linke Teil zeigt<br />
dabei den Anteil an der Gesamtzahl an Runden, der rechte Teil<br />
den Anteil am Gesamtvolumen.<br />
In beiden Jahren lag sowohl beim Volumen als auch bei der<br />
Anzahl der Schwerpunkt der Investitionen bei Unternehmen,<br />
die mit oder ohne eigene Plattform Therapeutika entwickeln.<br />
Aus dem Vergleich der beiden Jahre 2002 und 2003 ergibt sich<br />
in dieser Gruppe, dass die Investoren die plattformbasierten<br />
Therapeutikaentwickler bevorzugen. Dies trifft sowohl für die<br />
Analyse nach der Gesamtzahl wie auch dem Gesamtvolumen<br />
zu. Vermutlich sehen die investierenden VC-Gesellschaften hier<br />
breitere Möglichkeiten, dass Produkte entwickelt werden<br />
können.<br />
Nach dem Therapeutika-Bereich folgen als zweitgrößter Anteil<br />
die Finanzierungen in Diagnostika-Firmen. Diagnostik kann<br />
zwar nicht die Returns der Therapeutika-Entwicklung bringen,<br />
ist jedoch dafür wesentlich marktnäher. Neben der Therapie<br />
wird zudem die Bedeutung der Diagnostik in Zukunft wachsen.<br />
39<br />
42<br />
D IE F INANZIERUNG DER B IOTECH-FIRMEN<br />
48<br />
48<br />
10 20 30 40 50<br />
Therapeutika<br />
Plattform/<br />
Therapeutika<br />
Plattform/<br />
Service<br />
Diagnostika<br />
Tissue<br />
Engineering<br />
Drug-Delivery-<br />
Systeme<br />
in % vom Gesamtvolumen<br />
So hat auch gemessen an der Gesamtzahl der VC-Runden der<br />
Anteil an Firmen zugelegt, die in der Diagnostikentwicklung<br />
tätig sind.<br />
Im Jahresvergleich ebenfalls deutlich zugelegt hat das Interesse<br />
der Investoren an Tissue-Engineering-Firmen, und zwar sowohl<br />
zahlen- als auch volumenmäßig. Damit steht diese Analyse ein<br />
wenig im Widerspruch zu den Ausführungen des Standes<br />
derartiger Unternehmen in Kapitel 2. Jedoch wird von den<br />
Investoren vermutlich damit gerechnet, dass sich die Marktakzeptanz<br />
entsprechender Produkte erhöhen bzw. die Problematik<br />
der Kostenerstattung lösen wird. Zumindest der Bedarf an<br />
solchen therapeutischen Konzepten scheint angesichts fehlender<br />
Behandlungsalternativen vorhanden.<br />
Firmen, die sich mit der Entwicklung von Drug-Delivery-<br />
Systemen beschäftigen, erhielten im vergangenen Jahr keine<br />
Risikofinanzierung. Der zahlenmäßige Anteil belief sich im<br />
Jahr 2002 immerhin auf noch sechs Prozent und lag damit höher<br />
als derjenige der Tissue-Engineering-Unternehmen.<br />
Wie bereits erwähnt, war die externe Finanzierung über Risikokapital<br />
die hauptsächliche Eigenkapitalquelle für die Biotech-<br />
Unternehmen im vergangenen Jahr. Mit der aufgeführten Problematik,<br />
dass die VC-Gelder nicht allzu üppig ausfielen, stellt<br />
sich die Frage nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten.<br />
96 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
0<br />
3<br />
2<br />
0<br />
9<br />
6<br />
7<br />
17<br />
21<br />
29<br />
28<br />
57<br />
65<br />
2002<br />
2003<br />
10 20 30 40 50 60 70<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004
Alternative Finanzierungsmöglichkeiten<br />
Die sicherlich am häufigsten diskutierte Alternative für die<br />
Aufnahme von Eigenkapital ist der Börsengang. Insbesondere<br />
aus Sicht der Investoren steht diese Alternative für eine der<br />
wichtigsten Ablösemöglichkeiten ihrer Engagements in Biotech-Firmen.<br />
Allerdings ließ die aktuelle Kapitalmarktlage in<br />
der jüngeren Vergangenheit keine Biotech-Börsengänge zu und<br />
der Zeitpunkt, wann sich diese Option<br />
wieder ergibt, kann derzeit noch nicht<br />
genau definiert werden.<br />
Daneben wurden von den befragten<br />
Investoren teilweise die Möglichkeiten<br />
der Wandelanleihen sowie „PIPE-Investments“<br />
genannt. In der US-Biotech-<br />
Branche sind diese Finanzierungsinstrumente<br />
bereits weit verbreitet. So konnte<br />
beispielsweise Amgen im Jahr 2002<br />
allein 2,5 Milliarden US$ über die Ausgabe<br />
von Wandelanleihen einnehmen.<br />
Auch die damalige IDEC Pharmaceuticals<br />
erhielt über dieses Finanzierungsinstrument<br />
einen noch recht hohen<br />
Betrag von 675 Millionen US$. Zu den<br />
insgesamt neun Finanzierungen über<br />
Wandelanleihen kamen im Jahr 2002 in<br />
der US-Biotech-Industrie bei den 16 Top-Finanzierungen noch<br />
sieben PIPEs.<br />
In der deutschen Biotech-Industrie spielen insbesondere PIPEs<br />
keine große Rolle, da lediglich fünf Prozent der Unternehmen<br />
börsennotiert sind. In den USA liegt der Anteil öffentlich<br />
gelisteter Biotech-Firmen dagegen bei 22 Prozent. Die größere<br />
Reife der US-Unternehmen ermöglicht auch eher den Einsatz<br />
von Wandelanleihen, die hierzulande höchstens in Form von<br />
Zwischenfinanzierungen mit geringen Volumina von VC-<br />
Gesellschaften abgeschlossen werden.<br />
Der überwiegende Teil der befragten Investoren gab daher auch<br />
an, keine alternativen Finanzierungsinstrumente neben dem<br />
klassischen Risikokapital einzusetzen und dies auch für die<br />
Zukunft nicht zu planen.<br />
Wie bereits erwähnt, nutzen die deutschen Biotech-<br />
Unternehmen neben VC und anderem Beteiligungskapital<br />
vornehmlich den Markt selbst sowie strategische Investoren,<br />
Privatvermögen und Fördermittel.<br />
Fördermittel<br />
Wandelanleihe<br />
Eine Schuldverschreibung eines Unternehmens,<br />
die dem Inhaber das Recht<br />
einräumt, die Anleihe unter bestimmten<br />
Bedingungen und gegen Zahlung<br />
eines bestimmten Geldbetrages in<br />
Aktien des Unternehmens zu tauschen<br />
beziehungsweise zu wandeln.<br />
PIPE (Private Investments in Public<br />
Entities)<br />
Börsennotierte Unternehmen können<br />
statt der Aktienemission am öffentlichen<br />
Kapitalmarkt auch private Kapitalgeber<br />
mittels eines Private Placements<br />
ansprechen.<br />
Staatliche Unterstützung, sei es von Bund oder Land, kann in<br />
manchen Fällen einen stattlichen Betrag erreichen. So<br />
existieren in einigen Bundesländern wie NRW und Bayern<br />
Förderprogramme mit signifikanten Zuwendungssummen.<br />
Der Leverkusener Biofrontera Pharmaceuticals ist es beispielsweise<br />
gelungen, für den Zeitraum 2003 bis 2005 Forschungsmittel<br />
in Höhe von 4 Millionen €<br />
vom Land NRW einzuwerben. Die<br />
Fördergelder werden für die Entdeckung<br />
neuartiger Medikamente in den<br />
Indikationen Schmerz und Morbus<br />
Parkinson eingesetzt.<br />
In der gleichen Größenordnung (jeweils<br />
3,9 Millionen €) liegt die Fördersumme<br />
bei den Unternehmen Direvo aus Köln<br />
und Wilex aus München. Direvo erhält<br />
die Mittel über einen Zeitraum von vier<br />
Jahren ebenfalls vom Land Nordrhein-<br />
Westfalen (Technologie- und Innovationsprogramm<br />
TIP), und zwar zur Finanzierung<br />
eines pharmazeutischen Entwicklungsprojektes.<br />
Die Förderung von Wilex stellt streng<br />
genommen einen Preis des US-Verteidigungsministeriums<br />
dar und wurde im Rahmen eines Brustkrebs-Forschungsprogrammes<br />
an das Münchener Unternehmen<br />
gemeinsam mit seinem akademischen US-Partner Fox Chase<br />
Center vergeben. Die Fördergelder dienen der Finanzierung<br />
zweier klinischer Studien des Medikamentenkandidats WX-<br />
UK1 an Brustkrebspatientinnen, die am Fox Chase Center<br />
durchgeführt werden sollen.<br />
Aus Mitteln der Bayerischen Forschungsstiftung werden die<br />
Sireen aus Martinsried und ihre akademischen Partner mit einer<br />
Million € gefördert. Das Ziel ist, mit Hilfe von Sireens<br />
Technologieplattform neuartige und selektive Wirkstoffe für die<br />
Darmkrebstherapie zu identifizieren.<br />
Mit Unterstützung durch EU-Fördermittel führt die Münchener<br />
4SC in Zusammenarbeit mit Forschern verschiedener<br />
europäischer Universitäten (Lund, Göteborg, Krakau, Sheffield,<br />
Dublin und Warschau) ein Projekt zur Entwicklung neuer<br />
Medikamente gegen Infektionen durch.<br />
97
Eine Analyse, die auf der öffentlich zugänglichen BMBF-<br />
Förderdatenbank (Berichtsjahr 2002, Biotechnologie) beruht,<br />
gibt interessante Einblicke in die Förderprojekte des Bundes. In<br />
dieser Datenbank, die über den Projektträger Jülich zur Verfügung<br />
gestellt wird, sind Detailinformationen zu Förderprogramm,<br />
Inhalt des Projektes, Laufzeit und Fördersumme<br />
vorhanden.<br />
Für den Zeitraum 2000 bis 2003 wurde für die vorliegende<br />
Studie speziell zu den in der Datenbank gelisteten Core-<br />
Biotech-Unternehmen Anzahl, Zuordnung und Förderhöhe der<br />
Projekte untersucht. Dabei wurden Projekte, die vor dem<br />
Untersuchungszeitraum begannen und solche, die darüber<br />
hinausreichen, kostenmäßig nur anteilig berücksichtigt. Zudem<br />
wurde zur Ermittlung der Fördersumme auch nur der<br />
Förderanteil des BMBF berücksichtigt, der in der Regel 50<br />
Prozent des Gesamtvolumens der einzelnen Projekte beträgt.<br />
Die Förderquote durch das BMBF kann dabei aber prinzipiell<br />
von 25 bis 100 Prozent variieren.<br />
Im analysierten Zeitraum lag die Gesamtsumme der Förderung<br />
von Core-Biotech-Firmen bei 51 Millionen €. Diese verteilte<br />
sich auf 107 Firmen mit 140 Projekten. So lag im Schnitt die<br />
Fördersumme bei 0,48 Millionen € pro Firma. Jedoch weichen<br />
absolut gesehen die Förderbeträge pro Firma stark voneinander<br />
ab: von 0,03 bis 2,4 Millionen €. Vereinzelt können derartige<br />
Fördersummen also durchaus eine beachtliche Ergänzung zu<br />
anderen Finanzierungen sein.<br />
D IE F INANZIERUNG DER B IOTECH-FIRMEN<br />
Abbildung 4-11:<br />
Verteilung von Biotech-Förderungen im Zeitraum 2000 bis 2003<br />
nach Anzahl der Projekte<br />
Verbundprojekte<br />
51 %<br />
Sonstige<br />
15 %<br />
BioRegio<br />
12 %<br />
BioChance<br />
21 %<br />
BioProfile<br />
1 %<br />
Beispielsweise wird mit einer Summe von gut zwei Millionen €<br />
ein Verbundprojekt der Frankfurter IonGate gefördert. Die<br />
Firma entwickelt zusammen mit Wissenschaftlern von Aventis,<br />
der MCS Micro Carrier Systems sowie dem Max-Planck-<br />
Institut für Biophysik in Frankfurt neue Wirkstoffe gegen Herz-<br />
Kreislauf-Krankheiten. Die Münchener Axxima erhält eine<br />
BMBF-Förderung in Höhe von einer Million € über drei Jahre<br />
im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Neue effiziente<br />
Verfahren für die funktionelle Proteomanalyse“.<br />
Fördermaßnahmen des BMBF sind entweder den bekannten<br />
Förderprogrammen (BioRegio, BioChance, BioProfile) zuzuordnen<br />
oder sie laufen als individuelle Förderungen, die hier in<br />
einer Kategorie „Verbundprojekte“ sowie „sonstige Einzelprojekte“<br />
zusammengefasst sind.<br />
Aus Abbildung 4-11 ist ersichtlich, dass zwei Drittel der<br />
geförderten Projekte individuelle Fördermaßnahmen an Firmen<br />
oder Konsortien sind; lediglich ein Drittel entfällt auf die<br />
BMBF-Förderprogramme. Bezogen auf die Fördervolumina<br />
ergeben sich geringfügige Verschiebungen zugunsten der<br />
Förderprogramme BioRegio, BioChance und BioProfile.<br />
nach Volumen der Projekte<br />
Sonstige<br />
26 %<br />
Verbundprojekte<br />
33 %<br />
BioRegio<br />
14 %<br />
BioProfile<br />
1 %<br />
98 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
BioChance<br />
26 %<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004
Abbildung 4-12:<br />
Aufteilung der Biotech-Förderung im Zeitraum<br />
2000 bis 2003 nach Mitarbeiterkategorien<br />
Mitarbeiterzahl der Firmen<br />
23<br />
1 bis 10 23<br />
7,7<br />
11 bis 30<br />
51 bis 100<br />
5<br />
8,5<br />
> 100 10<br />
4,9<br />
0 10<br />
17,2<br />
15<br />
20<br />
31 bis 50 25<br />
12,9<br />
24<br />
20 30 40 50 60<br />
Abbildung 4-12 zeigt die Verteilung der analysierten Förderprojekte<br />
und -summen auf Kategorien an Mitarbeiterzahlen bei<br />
den geförderten Firmen. Hier wird deutlich, dass die größte<br />
44<br />
58<br />
Anzahl Firmen<br />
Anzahl Projekte<br />
Fördersumme (Mio. €)<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
Tabelle 4-3:<br />
Übersicht zu ausgewählten Förder-/Beteiligungsprogrammen ohne Fachgebietsbezug<br />
Programm Kontakt Ziel<br />
Zahl an Projekten Firmen mit 11 bis 30 Beschäftigten betraf.<br />
Entsprechend floss hier auch die größte Fördersumme. Firmen<br />
mit mehr als 100 Mitarbeitern erhielten die geringste Fördersumme<br />
bei gleichzeitig geringster Anzahl an Projekten. Allerdings<br />
muss dazu erwähnt werden, dass in der Gruppe von<br />
Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten lediglich fünf<br />
Firmen vertreten sind.<br />
So ergibt sich für die Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern<br />
ein durchschnittlicher Wert der Förderung von knapp<br />
einer Million €, womit sie bei der Förderung eindeutig an der<br />
Spitze liegen. Im Vergleich dazu beläuft sich der Durchschnittsförderbetrag<br />
bei den Firmen mit 51 bis 100 Beschäftigten bzw.<br />
31 bis 50 Mitarbeitern auf 0,57 bzw. 0,64 Millionen €. Alle Firmen<br />
mit weniger als 30 Mitarbeitern erhalten einen noch niedrigeren<br />
(0,3 bis 0,4 Millionen €) durchschnittlichen Förderbetrag.<br />
Über die fachbezogene Förderung des BMBF hinaus gibt es<br />
eine Reihe weiterer Fördermaßnahmen des Bundes, die auf<br />
kleine und junge Unternehmen abzielen (siehe Tabelle 4-3).<br />
Oftmals stellt die umfassende Eruierung relevanter Förderprogramme<br />
auf nationaler und internationaler Ebene sowie die<br />
Antragstellung selbst einen erheblichen Aufwand dar, der von<br />
Firmen nicht akzeptiert wird und letztlich oftmals zur Vernachlässigung<br />
dieser „Einnahmequelle“ führt. Das Einbeziehen entsprechender<br />
Beratungskompetenzen kann hier einwertvolles<br />
Investment sein.<br />
ERP-Kapital für Gründung/Wachstum KfW Mittelstandsbank Verbreiterung der Eigenkapitalbasis und Erleichterung der Aufnahme von Krediten<br />
zur Finanzierung der Gründungs- oder Festigungs-/Wachstumsinvestitionen<br />
ERP-Beteiligungsprogramm KfW Mittelstandsbank Förderung des Engagements von Beteiligungsgesellschaften<br />
BTU-Start-up-Phase tbg Begleitung innovativer Vorhaben in der Regel mit einer stillen Beteiligung unter der<br />
Voraussetzung, dass sich ein Leadinvestor in gleicher Höhe wie die tbg beteiligt.<br />
BTU-Frühphase tbg Finanzierung junger, innovativer Unternehmen (insbesondere Ausgründungen aus<br />
Hochschulen und Forschungseinrichtungen) in der Frühphase (Pre-Seed-Phase)<br />
Technologie-Beteiligungsprogramm tbg Ergänzung des BTU-Programms mit Schwerpunkt auf Technologieunternehmen<br />
FUTOUR BMWA/PT Jülich Unterstützung von technologieorientierten Unternehmensgründungen in den neuen<br />
Bundesländern und Berlin-Ost<br />
ERP-Innovationsprogramm – KfW Mittelstandsbank Mobilisierung von Beteiligungskapital für innovative Mittelständler. Das Beteiligungs-<br />
Beteiligungsvariante kapital kann für FuE-Maßnahmen und die Markteinführung neuer Produkte oder Verfahren<br />
eingesetzt werden.<br />
KfW-Risikokapitalprogramm KfW Mittelstandsbank Beteiligungsgarantie gegenüber VC-Gesellschaften, insbesondere im Later-Stage-<br />
Bereich, bei Erschließung neuer Geschäftsfelder, Nachfolgeregelungen und Brückenfinanzierungen<br />
Quelle: KfW, Ernst & Young<br />
99
Alternative Finanzierungsquellen:<br />
Fördermittel für Unternehmen der Biotech-Branche<br />
Die Finanzierung innovativer Vorhaben über Risikokapital oder Fremdkapital ist in den<br />
vergangenen Jahren immer schwieriger geworden. Dies trifft auf die Biotech-Branche in<br />
besonderem Maße zu, denn in wenigen Wirtschaftszweigen weisen Neuentwicklungen<br />
ähnlich lange Entwicklungszeiträume mit dauerhaft hohen Entwicklungskosten und<br />
Entwicklungsrisiken auf.<br />
Da verwundert es nicht, dass alternative Finanzierungsquellen wie Fördermittel zunehmend<br />
an Bedeutung gewinnen. Deutschland bietet eine sehr umfassende,<br />
öffentliche Förderinfrastruktur. Länder, Bund und EU haben ein breites Angebot an<br />
Förderprogrammen geschaffen, von denen einige ausdrücklich auf Biotech-<br />
Unternehmen zugeschnitten sind. Allerdings ist<br />
es angesichts der Vielzahl von Fördermöglichkeiten<br />
für Unternehmen nicht immer leicht, den<br />
Überblick zu behalten und die jeweils passenden<br />
aus über 2.000 in Deutschland verfügbaren<br />
Förderprogrammen auszuwählen.<br />
Viele Unternehmen wissen schlicht nicht, welche<br />
Programme es gibt. Zudem ist die Meinung weit verbreitet, Fördergelder seien nur für<br />
notleidende Unternehmen, kleine Betriebe oder Vorhaben in den neuen Bundesländern<br />
vorgesehen. Die Tatsache, dass auch florierende Unternehmen in den Genuss von<br />
staatlicher Unterstützung kommen können, ist einer überraschend hohen Zahl von<br />
Unternehmen nicht bekannt.<br />
Ein weiterer Grund für die geringe Inanspruchnahme von Fördermöglichkeiten mag auch<br />
die Angst vor Bürokratie sein. Fakt ist allerdings, dass Unternehmen, die sich in puncto<br />
Fördermöglichkeiten kompetent beraten lassen und die bestehenden Möglichkeiten<br />
ausschöpfen, deutliche Vorteile gegenüber der Konkurrenz erzielen können. So können<br />
bei Investitionsvorhaben, aber auch bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten oftmals<br />
bis zu 50 Prozent der projektrelevanten Kosten durch nicht rückzahlbare Zuschüsse<br />
abgedeckt werden. Bei der Investitionsförderung werden Vorhaben zur Expansion,<br />
Investitionen in einen neuen Standort oder der Erwerb eines stillgelegten oder von der<br />
Stilllegung bedrohten Unternehmens unterstützt. Diese Art der Förderung findet in von<br />
der EU festgelegten Fördergebieten sowohl in den neuen als auch in den alten<br />
Bundesländern statt. Kleine und mittelständische Unternehmen können je nach<br />
Standort im Rahmen der Investitionsförderung für ihre Vorhaben Fördersätze von bis zu<br />
50 Prozent erhalten. Große Unternehmen können mit bis zu 35 Prozent der<br />
Investitionskosten gefördert werden.<br />
D IE F INANZIERUNG DER B IOTECH-FIRMEN<br />
Die Länder, der Bund und die EU fördern zudem Forschungs- und Entwicklungsvorhaben<br />
im Bereich der Biotechnologie. Auf Ebene der Bundesländer steht eine Förderung i. d. R.<br />
im Rahmen der allgemeinen Innovationsförderprogramme primär kleinen und mittleren<br />
Unternehmen zur Verfügung. Auf Bundesebene gibt es ein eigenes Rahmenprogramm<br />
Biotechnologie, das auch großen Unternehmen attraktive Fördermöglichkeiten im<br />
Rahmen verschiedener Ausschreibungen bietet. Ebenfalls von Interesse für viele<br />
Biotech-Unternehmen ist das Rahmenprogramm Gesundheitsforschung. Beide<br />
Rahmenprogramme werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />
aufgelegt.<br />
Schließlich stehen auch auf europäischer Ebene umfangreiche Fördermittel für den<br />
Biotechnologie-Sektor bereit. Hier ist das 6. Forschungsrahmenprogramm der EU zu<br />
nennen, das in den Jahren 2002 bis 2006 für Vorhaben im Themenfeld „Genomik und<br />
Biotechnologie“ im Rahmen von verschiedenen<br />
Ausschreibungen rd. 2,3 Mrd. Euro an Zuschüssen<br />
bereitstellt.<br />
Öffentliche Fördermittel stellen damit eine<br />
attraktive Möglichkeit dar, Investitions- sowie<br />
Forschungs- und Entwicklungskosten erheblich<br />
zu reduzieren. So hat – ceteris paribus – in einem Unternehmen mit fünf Prozent<br />
Umsatzrendite ein Zuschuss von 500.000 Euro dieselbe Ertragswirkung wie ein Umsatz<br />
von zehn Mio. Euro. Jedoch erfordert die Einreichung eines erfolgreichen Förderantrags<br />
nicht nur einen gewissen Eigenaufwand, sondern auch Erfahrung in der Zusammenarbeit<br />
mit Verwaltungen und Behörden.<br />
Ernst & Young unterstützt mit einem multidisziplinären Expertenteam Unternehmen in<br />
allen Projektphasen – von der Auswahl des richtigen Förderprogramms über die<br />
Identifikation und Einbindung von Projektpartnern sowie die Projektkonzeption und die<br />
Antragstellung selbst bis hin zur Fördermitteladministration. Die deutsche Ernst &Young<br />
Förderberatung ist Teil des weltweiten Global-Incentives-Advisor-Netzwerkes. Allein in<br />
Europa ist Ernst &Young mit über 250 Förderberatern und Projektentwicklern im Einsatz.<br />
Wichtiger Bestandteil des Global-Incentives-Advisor-Netzwerks ist ein eigenes EU-<br />
Kontaktbüro in Brüssel. Unsere Förderspezialisten halten vor Ort den direkten Kontakt zu<br />
Vertretern der Europäischen Kommission und anderen europäischen Einrichtungen.<br />
Von Stephan Naumann, Partner bei Ernst & Young Hamburg und Leiter der Abteilung<br />
Förderberatung und Projektentwicklung in Deutschland<br />
Stephan.Naumann@de.ey.com<br />
100 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Partnerschaften als alternative Finanzierungsquelle<br />
Die gegenwärtige Finanzierungssituation, vor allem im Eigenkapitalbereich,<br />
konzentriert sich nach wie vor sehr stark auf die<br />
klassischen Instrumente wie VC. Dabei hat es sich in den<br />
letzten Jahren deutlich gezeigt, dass VC-Finanzierungen sehr<br />
selektiv geworden sind und die Investoren bei weitem nicht in<br />
der Lage sind, das von ihnen favorisierte Geschäftsmodell der<br />
Medikamentenentwickler allein durchzufinanzieren.<br />
Partnerschaften mit Pharmafirmen, die sich entweder in<br />
Produktentwicklungsprogrammen engagieren und dabei auch<br />
finanzielle Verpflichtungen eingehen bis hin zu Trade Sales als<br />
Exit-Optionen werden als zunehmend wichtig erachtet.<br />
Leider werden von diesen Wunschvorstellungen nach wie vor<br />
zu wenige realisiert. Dies liegt vor allem daran, dass die<br />
deutsche Biotech-Industrie als Ganzes fast nur frühe<br />
Entwicklungsprodukte und Forschungsansätze mit dem<br />
entsprechenden Risikoprofil zu bieten hat, während auf der<br />
Einkaufsliste der Pharmafirmen präferentiell marktnahe Entwicklungen<br />
mit entsprechend hoher Markteintrittswahrscheinlichkeit<br />
und konkreten Umsatzgrößen stehen. Dazu kommt die<br />
Tendenz der Pharmafirmen, Kooperationsverträge mit Biotech-<br />
Firmen so zu gestalten, dass sie die bestehenden Risiken zu<br />
einem großen Teil mittragen; Up-front-Zahlungen werden vielfach<br />
zu Gunsten von Meilenstein- und Royalty-Verpflichtungen<br />
niedrig angesetzt. Die somit in die Zukunft projizierten<br />
Zahlungsströme kommen dem Pharmapartner im Sinne der<br />
Risikominimierung entgegen, helfen dem finanzschwachen<br />
Biotech-Unternehmen aber nicht, seine aktuelle Finanzierungsnot<br />
nachhaltig zu überwinden, geschweige denn in Wachstum<br />
umzusetzen.<br />
Auch die im Kapitel 3 beschriebenen Versuche, kleine und<br />
mittlere Pharmafirmen in Deutschland mit Biotech-Firmen<br />
zusammenzubringen, könnten vor allem an der Finanzierung<br />
dieser Modelle scheitern.<br />
Es stellt sich die Frage, wie diese Schere zwischen<br />
Entwicklungsprojektstadien (früh – spät) und Finanzierung<br />
(Mittel zur Weiterentwicklung bis in spätere Phasen) anderweitig<br />
geschlossen werden kann. Eine sich entwickelnde Alternative<br />
kommt aus dem Feld der Contract Research Organisations<br />
(CRO).<br />
Waren CROs in der Vergangenheit oftmals nur der verlängerte<br />
Arm von Pharmafirmen mit dem Auftrag, klinische Studien<br />
nach vorgegebenem Entwicklungsplan als Service-Leistung<br />
durchzuführen, so kommt Ihnen heute zusehends eine wichtigere<br />
Bedeutung zu. Insbesondere für Biotech-Firmen spielen<br />
sie vielfach über die Dienstleistung hinausgehend die Rolle des<br />
Beraters, der einen Entwicklungsplan erstellt und die Planung<br />
entsprechend realisiert.<br />
Damit ist allerdings noch keine Lösung für das finanzielle<br />
Dilemma bei den Biotech-Firmen gefunden.<br />
Hier bewegen sich jedoch die Fronten insofern, als CROs<br />
stärker als zuvor aktiv überlegen, gegen Überlassung von<br />
Produktrechten auch finanzielle Verpflichtungen einzugehen.<br />
Hier könnte tatsächlich eine Brücke gebaut werden, die es<br />
Biotech-Firmen erlauben würde, ihre Entwicklungskandidaten<br />
weiter voranzubringen und deren Wert und Attraktivität entscheidend<br />
zu steigern. CROs hingegen können dank ihres<br />
großen Know-hows im Entwicklungsprozess im eigenen Interesse<br />
sicherstellen, dass die durchgeführten Studien qualitativ<br />
einwandfrei und zielführend ablaufen.<br />
Solche Modelle könnten für Biotech-Unternehmen eine Reihe<br />
von Vorteilen bieten:<br />
• konkrete Finanzierungsquelle<br />
• Erfahrungszuwachs durch qualifizierten Entwicklungspartner<br />
• Wertsteigerungsmöglichkeit im eigenen Unternehmen<br />
• Steigerung der Attraktivität für Pharmapartner (später oder<br />
zusammen mit CRO)<br />
Dieses Modell sollte auch den Interessen von VC-Investoren<br />
entgegenkommen. Je nach Ausgestaltung einer solchen Partnerschaft<br />
können sich der reduzierte Finanzierungsbedarf, die<br />
Einbeziehung eines erfahrenen Entwicklungspartners im Sinne<br />
eines externen Evaluierers wie auch die Möglichkeit eines Exits<br />
selbst als Entscheidungskriterium für eine weitere Finanzierungsrunde<br />
positiv auswirken. Im Folgenden wird ein entsprechendes<br />
Partnerschaftsmodell konkret vorgeschlagen und mit verschiedenen<br />
Optionen näher diskutiert.<br />
Ob solche Modelle sich als Zwischenlösung oder generell als<br />
Ersatz für die geforderten, aber nicht im notwendigen Umfang<br />
tatsächlich stattfindenden Pharma-Biotech-Partnerschaften<br />
eignen, wird die Zukunft zeigen müssen.<br />
101
Brad Benson, aaiPharma – Division AAI Development<br />
Services, Wilmington, NC, USA<br />
APartnership Model for Virtual and Start-up<br />
BioPharmaceutical Companies<br />
This is a new paradigm for how small biotherapeutic companies, virtual or not, can<br />
benefit from a partnership with aaiPharma. This unique, two-pronged business approach<br />
of aaiPharma provides the vehicle for an evolving model or paradigm for working with<br />
small and virtual companies with early funding from venture capital companies or private<br />
investors.<br />
The model in detail is described as follows:<br />
• Development of a product is carried out by AAI Development at some decreased or<br />
no cost to the company or venture capital provider in return for other deferred<br />
compensation.<br />
• The resulting developed molecule or device could then find one of several pathways<br />
for commercialization:<br />
1) aaiPharma could finish the development and add<br />
this product to its growing portfolio of products<br />
for marketing while the virtual company and<br />
venture capital provider would recognize royalties<br />
and/or licensing fees.<br />
2) The product could be licensed to a third party<br />
such as a large Pharma company for marketing<br />
using the business development expertise of<br />
aaiPharma with aaiPharma having added value in<br />
development and sharing in licensing and royalty<br />
compensation.<br />
3) The entire virtual company could be acquired by<br />
aaiPharma if there was a proper strategic fit in terms of pipeline and/or technology<br />
providing earlier exit for the venture capital organization.<br />
4) And finally the product could be carried forward by the virtual company<br />
reimbursing AAI Development for its earlier efforts by royalties, milestone<br />
payments, equity, or whatever other reimbursement vehicle deemed appropriate<br />
by all of the parties involved.<br />
These scenarios offer a virtual company and its venture capital partners a new paradigm<br />
for not only adding value to their company and products, but mechanisms for recognizing<br />
the value more rapidly.<br />
D IE F INANZIERUNG DER B IOTECH-FIRMEN<br />
The described model may also help bridge the gap between German Biotech companies<br />
with an early pipeline and current financial constraints and Pharma companies focusing<br />
their partnering interest primarily on later stage products with proven patient efficacy.<br />
This flexibility provided by aaiPharma allows additional exit strategies for venture capital<br />
providers, who provide funds to start and maintain virtual and small biopharmaceutical<br />
companies as well as helping the small company add value to its products or projects.<br />
However, the traditional IPO route is not excluded in this current example, in fact, a<br />
public offering could occur in a shorter period of time due to skilled drug development<br />
expertise adding value to the product(s) of the smaller company. In this case, aaiPharma<br />
may have taken equity in the virtual company and when funds are obtained from the<br />
public marketplace, aaiPharma would be compensated by its equity position in the small<br />
company.<br />
The business strategy or model of aaiPharma’s is unique and can be described as one of<br />
acquiring therapeutically relevant compounds at various stages of development, as well<br />
as providing world class scientific expertise through its contract<br />
pharmaceutical development division, AAI Development Services.<br />
With a field sales force of nearly 250 representatives, aaiPharma<br />
markets a growing portfolio of well-known branded products while<br />
applying its R&D expertise to increase the commercial potential of<br />
these products. The R&D organization of aaiPharma is also developing<br />
new products to position the company for further near and long term<br />
growth.<br />
While being named by Fortune among the fastest-growing companies<br />
in the U.S. (19th in overall growth, 2nd for earnings growth) aaiPharma<br />
through its AAI Development division, continues to be a world leader<br />
in pharmaceutical development, providing services to customers in<br />
the pharmaceutical, generic, biotechnology and medical device sectors. The range of<br />
service capabilities of AAI Development is among the broadest in the pharmaceutical<br />
development industry. Its capabilities include full formulation development for all types<br />
of dosage forms and containers, stability and laboratory testing, full clinical<br />
development, clinical and niche commercial manufacturing for all types of solid and<br />
liquid dosages, and bioanalytical testing. Underlying all of these services is a<br />
commitment to quality and a regulatory capability developed from nearly a quartercentury<br />
of experience working closely with regulatory agencies. The sizes of the client<br />
companies vary from virtual ones to the largest international Pharma companies.<br />
www.aaidevelopment.com<br />
102 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Kapitalbedarf und Barreserven<br />
Trotz der erfolgreichen Finanzierungen der Core-Biotech-<br />
Industrie im vergangenen Jahr besteht dennoch derzeit eine<br />
enorme Finanzierungslücke. Dies trifft insbesondere auf die<br />
VC-finanzierten Firmen zu.<br />
Abbildung 4-13:<br />
Kapitalbedarf bei den Sample-Unternehmen je nach Geschäftsmodell<br />
davon Produkt<br />
davon Service<br />
3<br />
5<br />
Die für die Studie befragten Unternehmen haben nach eigenen<br />
Angaben einen aktuellen Kapitalbedarf von insgesamt knapp<br />
800 Millionen €, der sich auf rund 100 Firmen, das heißt 46<br />
Prozent der analysierten Unternehmen verteilt. Von den Firmen,<br />
die Kapitalbedarf angegeben haben, entfällt der größere Anteil<br />
(55 Prozent) auf die bereits mit Risikokapital finanzierten<br />
Firmen. Aber auch Firmen, die nicht mit VC finanziert sind,<br />
könnten weiteres Kapital gebrauchen, um weiteres Wachstum<br />
oder das Überleben zu sichern.<br />
VC-finanzierte und nicht VC-finanzierte Unternehmen unterscheiden<br />
sich dabei hinsichtlich des benötigten Kapital-<br />
Volumens beträchtlich (siehe Abbildung 4-13, rechter Teil). Die<br />
56 bereits mit VC ausgestatteten, jedoch neues Kapital<br />
suchenden Firmen der Studie benötigen 640 Millionen €, und<br />
damit einen Anteil von 80 Prozent des Gesamtkapitalbedarfs<br />
der Industrie.<br />
Deutlich wird auch, dass unter den VC-finanzierten Firmen vor<br />
allem die reinen Produktfirmen, die keinerlei Service anbieten,<br />
den größten Kapitalbedarf haben.<br />
Im Gegensatz dazu zeigt sich, dass unter den nicht VCfinanzierten<br />
Firmen Unternehmen, die Produktentwicklung und<br />
Service integrieren, den größten Kapitalbedarf haben.<br />
Anteil an allen Kapital suchenden Firmen in % Anteil am Gesamtkapitalbedarf in %<br />
insgesamt<br />
davon Produkt &<br />
Service<br />
0<br />
4<br />
18<br />
35<br />
35<br />
44<br />
VC-finanziert<br />
55<br />
nicht VC-finanziert<br />
10 20 30 40 50 60<br />
insgesamt<br />
davon Produkt<br />
davon Produkt &<br />
Service<br />
davon Service<br />
0<br />
2<br />
1<br />
1<br />
15<br />
24<br />
Wie Abbildung 4-14 belegt, ist der Zeitdruck bei den Firmen,<br />
die Kapital aufnehmen wollen, beträchtlich. 68 Prozent der VCfinanzierten<br />
Unternehmen stehen Barreserven für weniger als<br />
ein Jahr zur Verfügung. Dies sind in der Tat alarmierende<br />
Ergebnisse, die den weiteren Bestand von einigen Firmen stark<br />
in Zweifel ziehen.<br />
Abbildung 4-14:<br />
Cash-Reserven der Kapital suchenden,<br />
VC-finanzierten Firmen<br />
≤6 Monate<br />
20 %<br />
6 bis 12 Monate<br />
48 %<br />
20<br />
58<br />
80<br />
VC-finanziert<br />
nicht VC-finanziert<br />
20 40 60 80 100<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
> 12 Monate<br />
32 %<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
103
4.3 Kapitalmarkt und Börse<br />
Im vergangenen Jahr wurde die Umstrukturierung an der<br />
Deutschen Börse abgeschlossen: Nachdem zum 1. Januar 2003<br />
die vom Börsenrat der Frankfurter Wertpapierbörse beschlossene<br />
neue Segmentierung des Aktienmarktes in Kraft trat,<br />
entstand für Aktien und aktienvertretende Zertifikate – neben<br />
dem General Standard mit den gesetzlichen Mindestanforderungen<br />
des Amtlichen Marktes oder des Geregelten<br />
Marktes – das neue Segment Prime Standard mit einheitlichen<br />
Zulassungsfolgepflichten.<br />
Das frühere Börsensegment des Neuen Marktes wurde komplett<br />
aufgelöst. Die bis dato dort gelisteten Firmen wurden auf<br />
die anderen neuen und bestehenden Segmente verteilt. 15 der<br />
zuletzt am Neuen Markt gelisteten Biotech-Firmen sind mittlerweile<br />
in das neue Prime-Standard-Segment integriert; unter<br />
anderem sind dies die börsennotierten Core-Biotech-Firmen<br />
Evotec OAI, GPC Biotech, LION bioscience, MediGene,<br />
MorphoSys, MWG Biotech, november und Qiagen.<br />
Die Aktien der ebenfalls börsennotierten Core-Biotech-<br />
Unternehmen Mologen, codon sowie GeneScan Europe werden<br />
im Geregelten Markt geführt.<br />
Am 24. März 2003 begann die Berechnung der neuen Indexsystematik,<br />
die neben dem DAX, MDAX, SDAX und TecDAX<br />
als Hauptindizes weitere Subindizes mit Branchenausrichtung<br />
umfasst.<br />
Der bisherige „Neue Markt Biotech Index“ wurde auf den<br />
„Prime IG Biotechnology Index“ umgestellt, der jedoch<br />
weniger Werte enthält als der Biotech-Index des früheren Neuen<br />
Marktes.<br />
Abbildung 4-15 zeigt eine Fortführung der Marktkapitalisierung<br />
der im ehemaligen „Neuen Markt Biotech Index“ geführten<br />
und heute noch bestehenden Unternehmen, um eine<br />
Vergleichbarkeit zu früheren Jahren zu ermöglichen. Es handelt<br />
sich hier um keine Indexdarstellung, da nicht eine prozentuale<br />
Veränderung, sondern der tatsächliche Wert der Marktkapitalisierung<br />
in Millionen € aufgetragen wird.<br />
Abbildung 4-15:<br />
Veränderung der Gesamtmarktkapitalisierung der Unternehmen im ehemaligen Neuen Markt Biotech Index<br />
Mio. €<br />
22.000<br />
20.000<br />
18.000<br />
16.000<br />
14.000<br />
12.000<br />
10.000<br />
8.000<br />
6.000<br />
4.000<br />
2.000<br />
0<br />
Jul 99<br />
Sep 99<br />
Nov 99<br />
Jan 00<br />
Mrz 00<br />
Mai 00<br />
Jul 00<br />
Sep 00<br />
Nov 00<br />
Jan 01<br />
Mrz 01<br />
Mai 01<br />
104 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />
Jul 01<br />
Sep 01<br />
Nov 01<br />
Jan 02<br />
Mrz 02<br />
Mai 02<br />
Jul 02<br />
Sep 02<br />
Nov 02<br />
Jan 03<br />
Mrz 03<br />
Mai 03<br />
Jul 03<br />
Sep 03<br />
Nov 03<br />
Jan 04<br />
Quelle: Deutsche Börse, Ernst & Young, 2004
Nach dem Börsenboom, der im September 2000 seinen Höhepunkt<br />
fand, ist die Marktkapitalisierung der deutschen Biotech-<br />
Firmen stark gesunken. Sie lag Ende Januar 2004 auf dem<br />
gleichen Niveau wie Mitte 1999. Neben dem Verfall der<br />
Marktkapitalisierung auf Grund der allgemeinen schlechten<br />
Börsenverfassung hat sich die Gesamtkapitalisierung auch<br />
deswegen reduziert, weil einige der früher gelisteten Biotech-<br />
Unternehmen (inländische wie ausländische) die deutsche<br />
Börse verlassen haben.<br />
Im Vergleich zu dem absoluten Tiefpunkt zu Anfang des Jahres<br />
2003 konnte sich die Marktkapitalisierung allerdings wieder<br />
stark erhöhen. Dies wird in der Skala mit den Spitzenwerten<br />
von September/Oktober 2000 (mit über 20 Milliarden €) in<br />
Abbildung 4-15 nicht ganz deutlich.<br />
Das Niveau bleibt zwar im Vergleich nach wie vor gering,<br />
dennoch konnte im Verlauf des Jahres 2003 ein sprunghafter<br />
Anstieg von immerhin über 60 Prozent erzielt werden.<br />
Abbildung 4-16 dient hier einer anschaulicheren Darstellung<br />
(zu beachten ist wiederum, dass es sich hier um keine<br />
Indexdarstellung handelt).<br />
Dies ist eine erfreuliche Entwicklung, nährt sie doch die<br />
Hoffnung, dass die Anleger wieder mehr Vertrauen in die<br />
Biotechnologie finden. Die positive Entwicklung an der<br />
NASDAQ im letzten Jahr hat hier sicher einen größeren<br />
Einfluss gehabt.<br />
Der Zuwachs von 60 Prozent bei der Gesamtmarktkapitalisierung<br />
spiegelt dabei nicht den Erfolg einzelner Aktien wieder.<br />
Spitzenreiter in der Jahres-Performance (Stichtag 26. März<br />
2004) war die Aktie der MWG Biotech mit 366 Prozent<br />
Zuwachs, dicht gefolgt vom Kurs der GPC Biotech mit einem<br />
Zuwachs von mehr als 341 Prozent. Auch die Aktienkurse der<br />
november und der Evotec OAI konnten noch Sprünge von 200<br />
oder mehr Prozent erzielen. Das jeweilige Anfangsniveau war<br />
jedoch sehr niedrig gewesen und schwankte bei den genannten<br />
Aktien zwischen 0,5 und 3 €.<br />
Die in den USA bereits im vergangenen Jahr erfolgten Börsengänge<br />
haben natürlich auch in Europa und in Deutschland die<br />
Zuversicht geweckt, wieder mit dieser Eigenkapitalquelle<br />
rechnen zu können. Die meisten Experten sind sich einig, dass<br />
die positive Stimmung aus den USA auch auf den hiesigen<br />
Märkten Auswirkung haben wird. Die bereits öfter gestellte<br />
Frage hierzu lautet: Wann?<br />
Abbildung 4-16:<br />
Veränderung der Gesamtmarktkapitalisierung der Unternehmen im ehemaligen Neuen Markt Biotech Index im Jahr 2003<br />
Mio. €<br />
3.500<br />
3.000<br />
2.500<br />
2.000<br />
Jan 03<br />
Feb 03<br />
Mrz 03<br />
Apr 03<br />
Mai 03<br />
Jun 03<br />
Jul 03<br />
Aug 03<br />
Sep 03<br />
Okt 03<br />
Nov 03<br />
Dez 03<br />
Jan 04<br />
Quelle: Deutsche Börse, Ernst & Young, 2004<br />
105
Biotech-Börsengänge in Deutschland:<br />
Perspektiven aus Sicht der DZ BANK<br />
K APITALMARKT UND B ÖRSE<br />
Die Anzeichen mehren sich, dass das Kapitalmarktvertrauen in die Biotechnologie wieder<br />
erstarkt. Es scheint, als würde die Enttäuschung der Anleger über die massiven Wertverluste<br />
vieler börsennotierter Biotechs, die sowohl durch Fehlschläge in der klinischen<br />
Entwicklung neuer Medikamente, durch mangelnde Anwendungsbreite oder Vermarktungsgeschwindigkeit<br />
neuer Technologien oder teilweise einfach durch Fehleinschätzung der<br />
eigenen Patentsituation verursacht wurden, einem gesünderen Risikobewusstsein weichen.<br />
Hinzu kommt die Erkenntnis, dass Life Sciences und insbesondere der Biotechnologie<br />
bei der Gesunderhaltung und Ernährung einer sich ständig vergrößernden und<br />
überalternden Bevölkerung eine Schlüsselrolle zukommt und schon allein deswegen ein<br />
attraktives Investment in unsere Zukunft darstellt.<br />
An den Aktienmärkten spiegelt sich diese gestiegene Zuversicht in mehrerer Hinsicht<br />
wieder. Im Zuge der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung und beschleunigt durch<br />
Entwicklungsfortschritte bei innovativen Therapien (z. B. Avastin von Genentech, Erbitux<br />
von ImClone) haben die Biotech-Indizes in den letzten 12 Monaten stark an Wert<br />
gewonnen (31.3.04: Nasdaq Biotech-Index (NBI): + 52 %, DZ BANK EU Biotech-Index: + 95 %,<br />
jew. in Landeswährung), wobei nicht nur Produktentwickler (+ 46 %), sondern auch technologie-orientierte<br />
Biotechs (= Dienstleister und Zulieferer (+ 69 %)) von diesem Aufschwung<br />
profitieren konnten. Die US Large Caps haben dabei eher eine mäßige Kursentwicklung<br />
gezeigt, so dass das von kleineren und mittelgroßen Firmen dominierte, europäische<br />
Biotech-Universum den Nasdaq Biotech-Index deutlich outperformen konnte (s.<br />
Abbildung 1).<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
Abbildung 1: Indexierte Kursverläufe von Nasdaq Biotech Index, EU-Biotech-Index (DZ<br />
BANK), Produktentwicklern (EU + US) und Technologie-Providern (EU + US)<br />
vom 31.03.03 bis 31.03.04 Quelle: DZ BANK<br />
50<br />
Mrz03 Apr03 Mai03 Jun03 Jul03 Aug03 Sep03 Okt03 Nov03 Dez03 Jan04 Feb04 Mrz04<br />
EU Biotech all NASDAQ Biotech (US) Technologieanbieter Produkte<br />
In Bezug auf Börsengänge ist der US-Markt jedoch schon einen großen Schritt vorausgeeilt.<br />
Allein von Oktober 2003 bis März 2004 haben sich weit über ein Dutzend klassischer<br />
Biotechs an der Nasdaq notieren lassen und noch mehr Unternehmen haben<br />
dieses Vorhaben durch ihr SEC-Filing bereits untermauert. Es fällt auf, dass der größte<br />
Teil dieser Firmen bereits über Produkte in der klinischen Phase III oder am Markt<br />
verfügt, womit die Emittenten den gestiegenen Reifeanforderungen der Investoren bzw.<br />
deren erhöhter Risikoaversion Rechnung tragen wollen. Ähnlichkeiten existieren auch<br />
hinsichtlich des Emissionsvolumens, welches meist bei 50–100 Mio. US$ lag bzw. liegen<br />
wird. Die derzeit zu beobachtende Sekundärmarktperformance ist dagegen eher enttäuschend,<br />
positive Überraschungen gibt es nur wenige. Nur sieben der insgesamt 17 Unternehmen<br />
notieren derzeit über ihrem Ausgabekurs, wobei sechs von ihnen auch den NBI<br />
schlagen konnten (s. Tab. 1). Europäische Biotech-Firmen geben sich mit ihren Börsenambitionen<br />
generell bescheidener, was jedoch wohl eher am potenziellen Imageverlust<br />
bei Abkehr von dieser Entscheidung als an mangelnder Klasse liegt. Bisher haben<br />
lediglich die mit sehr reifer Pipeline versehene Ark Therapeutics (UK) sowie Basilea (CH)<br />
im März 2004 den Sprung an die Börse gewagt, und der noch mit reichlich VC-Kapital<br />
ausgestattete, hochintegrierte Impfstoffentwickler Intercell (A) hat vor kurzem seine<br />
IPO-Pläne öffentlich konkretisiert.<br />
Auch wenn ein in Phase III befindliches oder bereits vermarktetes Medikament ein gutes<br />
Argument für ein baldiges IPO darstellt, sollte Börsenreife für Biotechs nicht<br />
ausschließlich über den Entwicklungsstand des fortgeschrittensten Produktes definiert<br />
werden. Größe und Wettbewerbssituation der Zielmärkte, Risikodiversifizierung durch<br />
unterschiedliche Wirkstoff- oder Technologie-Plattformen, vermarktungsfähige Basistechnologien,<br />
nachgewiesene Innovationskraft, hohe In-house-Wertschöpfung, erteilte<br />
und nicht nur beantragte Kernpatente, externe Validierung durch Partnerschaften und<br />
Kunden (v. a. bei Technologie-Providern) sind wesentliche, fundamentale Kriterien, die für<br />
einen erfolgreichen Börsengang sprechen. Organisatorische Börsenreife vorausgesetzt,<br />
sollten unabhängig vom Geschäftsmodell auch ein post-IPO-Wert von idealerweise mehr<br />
als 250 Mio. €, ein Liquiditätsbestand der nicht zum Börsengang „zwingt“, ein überzeugender<br />
Mittelverwendungsplan sowie branchenerfahrene Managementmitglieder<br />
und ggf. Investoren vorhanden sein. Zu den aussichtsreichsten Unternehmen aus Europa,<br />
die sehr viele dieser Anforderungen erfüllen, zählen unseres Erachtens Biovitrum (S),<br />
Proskelia (F), Cyclacel (UK), IDM (F), Intercell (A) sowie aus Deutschland u. a. Wilex,<br />
Micromet, Epigenomics und Eppendorf. Sollte bei diesen Firmen ein IPO in Planung sein,<br />
werden derzeit vor allem Fragen nach dem optimalen Zeitpunkt (und damit implizit auch<br />
der Bewertung) sowie nach dem richtigen Börsenplatz die interne Diskussion beherrschen.<br />
Beide Faktoren sind wichtige Einflussgrößen auf Platzierungssicherheit, Höhe<br />
des Mittelzuflusses für das Unternehmen und Sekundärmarktperformance der Aktie.<br />
Zum Thema Timing und Bewertung: auch wenn es grundsätzliches Ziel jedes IPO-<br />
Aspiranten ist, die Kapitalaufnahme beim Börsengang zu maximieren, darf dabei das<br />
Interesse der Investoren nach anschließender und anhaltender Kurssteigerung nicht<br />
vernachlässigt werden. Daher sollte sich die Auswahl des richtigen IPO-Zeitpunkts nicht<br />
auf das optimale Ausnutzen eines günstigen Kapitalmarktmomentums konzentrieren.<br />
Die meisten der o. a. IPO-Kandidaten sind auf Grund ihres Geschäftsmodells als Produktentwickler<br />
auf absehbare Zeit ohnehin nur fundamental und nicht mit klassischen<br />
Marktmultiplikatoren zu bewerten und daher von steigenden Bewertungsniveaus weitgehend<br />
entkoppelt. Zudem haben Investoren und Emissionsbanken gelernt, mit Hilfe<br />
größerer Branchenkenntnisse und risikoadjustierter Pipeline-Bewertungsmodelle realistischer<br />
in der Beurteilung von Biotech-Firmen zu sein, so dass sich ein weiteres Ansteigen<br />
der Biotech-Branchenindizes nur geringfügig auf den erzielbaren Emissionspreis<br />
auswirken dürfte. Eine Bewertungsverbesserung durch Verschiebung des Börsenganges<br />
ist also nur dann zu erwarten, wenn noch operative oder klinische Meilensteine erreicht<br />
werden können, welche das Anlegervertrauen und damit indirekt auch die Platzierungssicherheit<br />
erhöhen, ohne gleichzeitig die Kurssteigerungsphantasien spürbar zu beeinträchtigen.<br />
Auch die Wahl des richtigen Börsenplatzes wird unserer Erfahrung nach von<br />
mehreren Faktoren bestimmt.<br />
106 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Der zu erwartenden Aktienliquidität und der voraussichtlichen Intensität der Analystencoverage<br />
kommen dabei besondere Bedeutung zu. Eine Analyse der DZ BANK bei 198<br />
notierten Biotechs (US: 135, EU: 63) zeigt, dass Nasdaq-gelistete Biotech-Firmen zwar<br />
über Liquiditätsvorteile verfügen, die Unterschiede gegenüber kleinen bis mittelgroßen<br />
Firmen mit Notierung in Europa jedoch relativ gering sind und darüber hinaus auch stark<br />
vom Geschäftsmodell abhängen (s. Abb. 2). Die höhere prozentuale Liquidität der USgelisteten<br />
Firmen mit Marktkapitalisierungen von mehr als 500 Mio. € spielt dabei in der<br />
Praxis eine geringere Rolle, da bei dieser Größenordnung die meisten Transaktionen,<br />
auch der institutionellen Investoren, den Kurs ohnehin kaum beeinflussen werden. Eine<br />
hohe Intensität der Analystenaufmerksamkeit ist unserer Untersuchung zufolge bei einem<br />
Listing innerhalb Europas weitaus wahrscheinlicher als bei Notierung in den USA und das<br />
unabhängig von der Unternehmensgröße. Besonders auffällig werden diese Unterschiede<br />
bei Firmen mit dem Geschäftsfokus „Drug Discovery Services“ (s. Abb. 3). Eine Nasdaq-<br />
Notierung oder Dual-Listing sind aus diesem Blickwinkel daher nur für Großunternehmen<br />
mit stark US-lastigem Geschäft interessant, da sie mit hoher Sekundärmarktliquidität<br />
und guter Analystencoverage rechnen können.<br />
Aufgrund der sich innerhalb Europas sehr ähnelnden, formalen Listing-Anforderungen<br />
bleiben nur noch wenige Kriterien, welche die Wahl des richtigen Börsenplatzes beeinflussen.<br />
Wer Währungsrisiken bei der Kapitalaufnahme ausschließen und gleichzeitig<br />
seinen lokalen Bekanntheitsgrad, z. B. zur Sekundärmarktstabilisierung durch Retailanleger,<br />
ausnutzen möchte, wird sich ohnehin für einen heimatnahen Börsenplatz entscheiden.<br />
Gute Vergleichsunternehmen sind jedoch nicht überall vorhanden, wobei eine<br />
größere Anzahl an Peers mit sehr ähnlichem Geschäftsmodell am gleichen Marktplatz<br />
nicht nur Vorteile birgt, denn sowohl die eigenen Stärken, als auch zeitweilige Schwächeperioden<br />
des Emittenten werden für die Anleger schneller offensichtlich.<br />
Gerade beim Börsenantritt kommt dem Zugang zu qualitativ hochwertigen Biotech-<br />
Investoren eine Schlüsselrolle zu. Ihnen können die komplexen Zusammenhänge, das<br />
Zukunfts- und Risikopotenzial des Unternehmens und damit die Attraktivität der Equity<br />
Story am besten verdeutlicht werden und von ihrem Zeichnungsverhalten hängt ein<br />
Großteil des IPO-Erfolges ab. Obwohl davon ausgegangen werden kann, dass institutionelle<br />
Investoren bei entsprechender Attraktivität des Unternehmens unabhängig vom<br />
Coverage, Mittelwert<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
USA Biotech<br />
Europa Biotech<br />
0<br />
Produkte Instrumente Drug<br />
Discovery<br />
Services<br />
Consumables<br />
Segment 0–500 Mio. € Marktkapitalisierung<br />
Börsenplatz investieren, sollten Emittent und Emissionsbank bei der Planung der Roadshow<br />
vor dem Börsengang geographische Faktoren berücksichtigen. Unsere Analyse zur<br />
Herkunft der institutionellen Investorengelder in europäische Biotechs kommt zu dem<br />
Ergebnis, dass im Durchschnitt zwar englische und US-Investorenvorherrschen (~ 40 bzw.<br />
~ 30 % des Investitionsvolumens), auf der jeweiligen Landesebene aber häufig lokale<br />
institutionelle Investoren dominieren. Bei deutschen Biotechs stammen z. B. nicht mehr<br />
70 %, sondern nur noch nur noch 27 % des Investitionsvolumens aus England und den<br />
USA, während allein deutsche institutionelle Anleger fast 26 % beisteuern und ein<br />
weiterer großer Block von skandinavischen Investoren kommt (Quelle: Carson – Global<br />
Equity Ownership, Stand: Ende 2003). Dies verdeutlicht, wie wichtig eine gut<br />
vorbereitete und ausgewogene Ansprache dieser Investorengruppen ist, um die<br />
Platzierungssicherheit beim IPO zu maximieren.<br />
von Dr. Bernd Goergen und Sascha Rinno, Abt. Equities und M&A, DZ Bank AG, Frankfurt/M<br />
www.dzbank.de<br />
Tabelle 1:<br />
Übersicht der bisherigen Performance der jüngsten Biotech-IPOs seit Notierungsaufnahme an der NASDAQ Stand: Ende 31.03.04, Quelle: Bloomberg, Preisangaben in Landeswährung<br />
Gelistete Firmen Erstnotiz Emissionsvol. Book- Marktkap. % Perf. vs. % Perf.<br />
(Mio.) building (Mio.) 1. Kurs vs. NBI<br />
Acusphere 07.10.03 $ 52,5 13–15 $ 132,22 –40,36 % –43,09 %<br />
Advancis Pharmaceutical 17.10.03 $ 60,0 12–14 $ 210,73 –8,60 % –17,38 %<br />
Anadys Pharmaceuticals 26.03.04 $ 44,1 11–13 (7–8$) $ 152,4 2,57 % –0,30 %<br />
Ark Therapeutics 03.03.04 £ 55,3 120–146p £ 162,19 –5,56 % –3,51 %<br />
Basilea 25.03.04 CHF 205,8 90–115 CHF 715,78 –1,28 % –7,03 %<br />
CancerVax 29.10.03 $ 72,0 12–14 $ 279,66 –11,58 % –20,09 %<br />
Corgentech 11.02.04 $ 96,0 14–16 $ 482,1 17,00 % 19,63 %<br />
Dynavax Technologies 19.02.04 $ 45,0 12–14 $ 170,45 1,07 % 1,34 %<br />
Eyetech Pharmaceuticals 30.01.04 $ 136,5 18–20 $ 1.283,80 58,10 % 57,66 %<br />
Genitope 30.10.03 $ 33,3 9–13 $ 195,28 26,89 % 17,61 %<br />
GTx 03.02.04 $ 78,3 13–15 $ 250,11 –28,28 % –26,69 %<br />
Myogen 29.10.03 $ 70,0 14–16 $ 424,51 –21,79 % –30,29 %<br />
NitroMed 05.11.03 $ 66,0 11–13 $ 187,49 –28,64 % –38,55 %<br />
Pharmion 05.11.03 $ 84,0 14–16 $ 523,28 61,00 % 51,08 %<br />
Renovis 04.02.04 $ 66,0 13–15 $ 260,11 –15,42 % –16,40 %<br />
Tercica 12.11.03 $ 49,5 11–13 $ 211,30 13,56 % 9,72 %<br />
Xcyte Therapies 10.11.03 $ 32,0 13–15 $ 108,56 –6,38 % –10,21 %<br />
Aktienliquidität, Mittelwert<br />
1,2 %<br />
1,0 %<br />
0,8 %<br />
0,6 %<br />
0,4 %<br />
0,2 %<br />
USA Biotech<br />
Europa Biotech<br />
0,0 %<br />
Produkte Instrumente Drug<br />
Discovery<br />
Services<br />
Consumables<br />
Segment 0–500 Mio. € Marktkapitalisierung<br />
Abbildung 2:<br />
Abhängigkeit der Aktienliquidität<br />
von der Geschäftsausrichtung<br />
bei 159 in den USA<br />
oder Europa notierten Biotechs.<br />
(Liquiditätsmaß ist<br />
durchschnittliche Anzahl täglich<br />
gehandelter Aktien innerhalb<br />
der letzten 6 Monate im<br />
Verhältnis zu Gesamtaktienzahl,<br />
Stand: 31.03.04)<br />
Abbildung 3:<br />
Zusammenhang zwischen Intensität<br />
der Analystencoverage,<br />
gemessen als Anzahl unterschiedlicher<br />
Analystenhäuser<br />
des Unternehmens in den<br />
letzten 12 Monaten, und des<br />
Business-Modells. (Basis:<br />
159 Biotech-Unternehmen<br />
mit Listing in den USA oder in<br />
Europa, Stand: 31.03.04)<br />
107
K APITALMARKT UND B ÖRSE<br />
Dass auch in Deutschland wieder konkret über einen Börsengang<br />
nachgedacht wird, zeigt sich daran, dass sich der Anteil<br />
der Sample-Unternehmen, die sich einen Börsengang als Exit<br />
konkret vorstellen können, im Vergleich der Jahre 2002 und<br />
2003 nahezu verdoppelt hat. Rund ein Viertel der Sample-<br />
Unternehmen hat Pläne in der Schublade, die sich in einem<br />
Zeitfenster von bis zu 36 Monaten bewegen.<br />
Aus Abbildung 4-17 ist ersichtlich, dass dabei der größte Anteil<br />
auf solche Firmen entfällt, die eher mittelfristig für die nächsten<br />
drei Jahre einen Börsengang erwägen. Angesichts der noch<br />
nicht gefestigten Stimmung für erfolgreiche Börsengänge<br />
erscheint ein solcher Zeithorizont bzw. eine entsprechende<br />
Flexibilität sinnvoll. Dennoch gibt es auch forschere Unternehmen,<br />
die einen Börsengang innerhalb der nächsten zwei<br />
Jahre für denkbar halten. Vier Unternehmen gaben an, innerhalb<br />
der nächsten 12 Monate, also noch im Laufe diesen Jahres an<br />
die Börse gehen zu wollen.<br />
Abbildung 4-17:<br />
Planung Börsengang bei Sample-Unternehmen<br />
Anzahl Firmen in %<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
2002<br />
2003<br />
20<br />
32<br />
5<br />
8<br />
0<br />
12 M 24 M 36 M<br />
Quelle: Ernst & Young, 2004<br />
52<br />
Für einen erfolgreichen Börsengang sind viele Faktoren zu<br />
beachten.<br />
Dazu zählt vor allem eine übersichtliche und transparente<br />
Organisationsstruktur des Unternehmens. Dem potentiellen<br />
Investor muss es möglich sein, die Strukturen der Aufbau- und<br />
Ablauforganisation und die Beteiligungsverhältnisse nachzuvollziehen.<br />
Die Erstellung eines vollständigen Businessplans<br />
gilt als eines der wichtigsten Kriterien. Hierbei sind der Analyse<br />
der eigenen Position gegenüber den Wettbewerbern sowie der<br />
Betrachtung von Markteintrittsbarrieren, Perspektiven der<br />
Branche und preispolitischen Spielräumen besondere Aufmerksamkeit<br />
zu schenken.<br />
Auf der Grundlage des Businessplans wird die so genannte<br />
Equity Story „geschrieben“, das heißt, eine spannende<br />
„Verpackung“ des Geschäftsmodells des Unternehmens, die<br />
den Investor für das Unternehmen begeistern soll. Ein funktionierendes<br />
internes und externes Rechnungswesen, das zu zeitnahen<br />
und verwertbaren Ergebnissen führt, ist nicht nur auf<br />
Grund der einzuhaltenden Publizitätspflichten notwendig<br />
(Quartalsberichterstattung nach IAS oder US-GAAP), sondern<br />
auch unerlässlich zur effizienten Steuerung des Unternehmens.<br />
Es ist jedoch darauf zu achten, Prognosen zukünftiger Erträge<br />
plausibel darzulegen und anhand des Businessmodells und der<br />
verfolgten Strategie die geplante Mittelverwendung klar<br />
aufzuzeigen.<br />
Die Erfahrung und die fachliche Kompetenz des Managements<br />
stellt eine Kernvoraussetzung dar. Außerdem muss berücksichtigt<br />
werden, dass der Börsengang viel Zeit beansprucht und<br />
hierfür genügend Managementkapazitäten einzuplanen sind.<br />
Im Rahmen der Equity Story ist das Alleinstellungsmerkmal<br />
des Unternehmens (USP) hervorzuheben. Die Abgrenzung<br />
eigener Produkte und Dienstleistungen zu denen der Konkurrenz<br />
muss dem potentiellen Investor deutlich kommuniziert<br />
werden. Auch nach dem Börsengang ist eine kontinuierliche<br />
Investorenpflege (Investor Relations) erforderlich.<br />
108 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
5. Der Biotech-Standort Deutschland<br />
Die deutsche Biotech-Industrie wird wie andere technologisch<br />
ausgerichtete und innovative Branchen von vielschichtigen<br />
Faktoren beeinflusst, die die Leistungsfähigkeit des Standortes<br />
Deutschland bestimmen.<br />
Im Rahmen dieser Thematik wird vom BMBF seit 1998 jährlich<br />
ein Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands<br />
herausgegeben. Der zuletzt verfügbare Bericht für das<br />
Jahr 2002 wurde im Februar 2003 veröffentlicht.<br />
Danach ist die technologische Leistungsfähigkeit der deutschen<br />
Wirtschaft nach wie vor hoch. So hat Deutschland im Jahr 2002<br />
eine gesamtwirtschaftliche FuE-Intensität von 2,5 Prozent<br />
halten können. Für das Jahr 2003 wurde dagegen erwartet, dass<br />
die Verunsicherung der Unternehmen über die mittelfristigen<br />
Markt- und Wachstumserwartungen durchschlagen werden,<br />
denn die seit Anfang der 90er Jahre schwache binnenwirtschaftliche<br />
Dynamik geht auch nicht spurlos am Technologiestandort<br />
Deutschland vorüber. Der Aufhol- und Expansionsprozess<br />
Deutschlands im Bereich der Spitzentechnologie gegen<br />
Mitte und Ende der 90er Jahre ist in den vergangenen zwei<br />
Jahren erheblich ins Stocken geraten.<br />
In der Studie wird festgehalten: „Alles andere als ein<br />
Rückfahren der FuE-Budgets dürfte daher überraschen.“<br />
Abbildung 5-1:<br />
Rangplatz Deutschlands nach wichtigen Kriterien der technologischen<br />
Leistungsfähigkeit<br />
Erwerbstätigenproduktivität<br />
Wissensintensive Wirtschaft<br />
IuK-Ausgaben<br />
Hochtechnologiehandel<br />
Sekundarabschluss<br />
Weltmarktpatente<br />
technikrelevante HS-Absolventen<br />
Abbildung 5-1 zeigt den Rangplatz Deutschlands nach<br />
wichtigen Kriterien der technologischen Leistungsfähigkeit.<br />
Verglichen werden dabei die G7-Länder plus die Schweiz,<br />
Schweden, Finnland, die Niederlande und die Republik Korea.<br />
Bei Indikatoren, die gewachsene Strukturen beschreiben, steht<br />
Deutschland recht weit vorne (Wirtschafts- und Außenhandelsstruktur).<br />
Bei investiven Anstrengungen, die den künftigen<br />
Strukturwandel und die Bereitschaft dazu kennzeichnen, fällt<br />
Deutschland dagegen leicht zurück (Bildungs-, FuE- und IuK-<br />
Ausgaben).<br />
Laut Bericht stimmen Wirtschaftsstruktur sowie die Richtung<br />
des Strukturwandels, aber viele andere Länder sind dynamischer<br />
und ziehen nach und nach an Deutschland vorbei. Die<br />
Hauptgründe liegen in einer zunehmenden Knappheit im<br />
Angebot hoch qualifizierter Fachkräfte und in einer über einen<br />
langen Zeitraum hinweg verhaltenen Neigung zu Zukunftsinvestitionen<br />
in FuE, Bildung und IuK. Einzelne erfreuliche<br />
Kursänderungen der letzten Jahre konnten diese Entwicklung<br />
bisher nicht wettmachen.<br />
Abbildung 5-1 zeigt, dass es nicht einen einzigen Faktor gibt,<br />
bei dem Deutschland seine Position signifikant verbessert hat.<br />
Zwar ist es anderen Ländern – vornehmlich<br />
aus Mitteleuropa, z. T. aber auch Japan<br />
– im letzten Jahrzehnt ähnlich ergangen,<br />
Bildungsausgaben<br />
FuE-Ausgaben<br />
Forschungsbeachtung<br />
Quelle: BMBF, Studie zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands, 2003<br />
doch darf das kein Maßstab sein, denn<br />
wer die wirtschaftlichen und sozialen<br />
Probleme in Deutschland bewältigen und<br />
in der Weltspitze mitspielen will, darf die<br />
Messlatte im internationalen Technologiewettbewerb<br />
nicht nach unten verschieben.<br />
Er muss vielmehr die Anstrengungen<br />
erhöhen, um wieder die Position<br />
einnehmen zu können, die dem originären<br />
Anspruch – hohes Einkommen und<br />
hoher Beschäftigungsstand – gerecht<br />
wird.<br />
109
Dr. Yoram Karmon, CEO Axxima Pharmaceuticals AG,<br />
München<br />
Eine Lanze für die Internationalisierung<br />
Worin liegt eigentlich der Charme, ein breit gefächertes, internationales Investorenkonsortium<br />
um eine kleine Firma zu scharen, wie bei Axxima geschehen? Jeder Vielreisende<br />
weiß ein Lied zu singen von den Wartezeiten in Lounges, in Check-in-Schlangen, von<br />
kurzen Nächten in fremden Hotelbetten und von langen Flugzeiten. Das ist Zeit, die für<br />
das Führen einer Firma vor Ort verloren geht, die nicht den Kollegen und Mitarbeitern<br />
und ihren Projekten gewidmet werden kann. Nun ist aber die pharmazeutische Industrie,<br />
und in ihrem Gefolge notwendigerweise auch die Biotechnologie, ein sehr internationales<br />
Geschäft. Biotech-Firmen, die langfristig erfolgreich sein<br />
wollen, werden sich früher oder später damit<br />
auseinandersetzen.<br />
Internationalisierung ist auch eines der beiden Schlagworte,<br />
die das Wirtschaftsleben in Deutschland im<br />
vergangenen Jahr mehr geprägt haben als viele andere.<br />
In der öffentlichen Debatte wird Internationalisierung<br />
gerne mit Stellenabwanderung und Preis- oder Lohndumping<br />
verwechselt. Ein Hoffnungsschimmer sind<br />
Hochlohnjobs mit entsprechender Wertschöpfung, zum<br />
Beispiel in Forschung und Entwicklung. Das zweite<br />
Schlagwort ist daher die Innovationsoffensive.<br />
Die Biotech-Industrie darf von sich behaupten, dass Innovation ihr Hauptanliegen ist. Sie<br />
entwickelt Produkte und bietet Dienstleistungen an, die durchweg Neuheitscharakter<br />
haben. Solche Produkte sind immer stark erklärungsbedürftig.<br />
Die Axxima Pharmaceuticals AG zum Beispiel entwickelt Medikamente auf Basis kleiner<br />
Moleküle, die spezifisch bestimmte Proteine, die Kinasen, adressieren. Kinasen spielen<br />
in zellulären Prozessketten (Stichwort: Signaltransduktion) eine zentrale Rolle. Solche<br />
Prozessketten laufen normalerweise „gesund“ ab. Sie können aber auch degenerieren<br />
oder beispielsweise von Krankheitserregern missbraucht werden. Man kennt inzwischen<br />
die Rolle von Kinasen in zahlreichen Krankheitsbildern, wie Krebs, Infektions- oder<br />
Entzündungskrankheiten.<br />
Axxima hat eine einzigartige Technologieplattform auf dem Gebiet der Protein-Kinasen<br />
etabliert, die sich durch eine vollständige Integration von Biologie und Chemie auszeichnet.<br />
Genau diese Technologie, KinaTor genannt, ist der herausragende, strategische<br />
Baustein für Axxima. Der KinaTor ermöglicht u. a. die Selektivität von Kinase-<br />
Hemmstoffen vollständig zu erfassen. Auf diese Weise werden neue, spezifischere und<br />
weniger toxische Entwicklungskandidaten generiert. Axxima hat die notwendige Infrastruktur<br />
geschaffen, um von neu identifizierten Zielmolekülen über neue Leitstrukturen<br />
bis in die klinische Entwicklung der entsprechenden Substanzen zu gelangen.<br />
D ER B IOTECH-STANDORT D EUTSCHLAND<br />
Innovative Medikamentenentwicklung ist immer von sehr hohen Misserfolgsraten<br />
geprägt. Axxima hat also gleichzeitig zwei risikoreiche Wege beschritten: Zur Gründungszeit<br />
waren die Erfolgschancen von Kinasehemmstoffen noch generell angezweifelt<br />
worden. Inzwischen aber hat die Industrie mit Glivec (Novartis) und Iressa (Astra Zeneca)<br />
zwei erfolgreiche Medikamente auf den Markt gebracht und die Ideen der Firma<br />
bestätigt. Viele pharmazeutische Unternehmen verfolgen in der Zwischenzeit dieselben<br />
Strategien und sind auf der Suche nach neuen Wirkstoffen.<br />
Um auf ihrem Weg voranzukommen, hat Axxima daher von Beginn an mit ausgewählten<br />
Investoren zusammengearbeitet. Sie kennzeichnet eine hohe technologische Expertise<br />
und große Erfahrung aus der pharmazeutischen Industrie. Nur solchen Investoren sind<br />
komplexe Innovationen vermittelbar. Es sind auch Investoren, die oft<br />
aus persönlicher Kenntnis heraus von den kurzfristigen Hindernissen<br />
und Rückschlägen der pharmazeutischen Forschung unbeeindruckt<br />
bleiben. Diese Spezialisten haben in der Regel in den Big Pharmas<br />
internationale Erfahrung gesammelt sowie Netzwerke geknüpft und<br />
bleiben auch als VC international aktiv.<br />
Neben der pharmazeutischen Industrie ist auch die Finanzwelt selbst<br />
ein äußerst internationales Geschäft. Die Mechanismen der Finanzbranche<br />
sind deshalb überall ähnlich. Investiert wird nicht aus<br />
Altruismus. Professionelle Investoren, gleich aus welchem Erdteil,<br />
arbeiten ergebnis- und bewertungssensitiv. Kapital überwindet<br />
außerdem schnell alle Grenzen. Für VCs tun sich ständig in diversen<br />
Biotech-Clustern der westlichen Welt, schon bald vielleicht auch in<br />
Ländern wie China, neue Opportunitäten auf. Biotech-Firmen stehen daher auch auf der<br />
Finanzierungsseite in einem stetigen, internationalen Wettbewerb. Investoren werden<br />
auch nicht betriebsblind. Jede Finanzierungsrunde, auch vor den eigenen, bestehenden<br />
Investoren, wird zu einem neuen Werbefeldzug für das Businessmodell und die innovativen<br />
Ideen, die dahinterstecken. Biotech-Unternehmen haben sich daher in letzter<br />
Zeit überall auf kleinere oder gestückelte Private-Equity-Runden einstellen müssen, die<br />
Investoren mehr Spielräume lassen und ihnen die Chancen kurzfristiger Bindung<br />
eröffnen.<br />
Um in diesem Finanzierungsumfeld überhaupt wahrgenommen zu werden, muss ein<br />
Biotechunternehmen sein Profil geschärft haben: Mit einer klaren, finanzierbaren<br />
Strategie, einer nachvollziehbaren, technologischen Fokussierung mit wenigen, dafür<br />
aber umso Erfolg versprechenderen Produkten in der Pipeline und einer erkennbaren<br />
Exitmöglichkeit mit guten Renditechancen für den Private-Equity-Investor. Letztlich aber<br />
wird das Management immer gefordert bleiben, on the road dieses Firmenprofil<br />
Investoren und Partnern weltweit zu vermitteln.<br />
www.axxima.com<br />
110 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
5.1 Aktivitäten auf Bundesebene<br />
Pünktlich zu den 5. BMBF-Biotechnologie-Tagen wurde im<br />
vergangenen Oktober in Leipzig von Bundesforschungsministerin<br />
Edelgard Bulmahn ein neues, mit 100 Millionen €<br />
ausgestattetes Programm für kleine und mittlere Biotech-Unternehmen<br />
vorgestellt. Das Mittelstandsförderprogramm namens<br />
BioChancePLUS ist sehr gut angenommen worden, denn bis<br />
Februar diesen Jahres wurden bereits über 220 Projekt-Skizzen<br />
eingereicht.<br />
Inhaltlich liegt der Schwerpunkt der eingereichten Skizzen bei<br />
biomedizinischer Therapie und Diagnostik. Etwa die Hälfte<br />
aller Antragsteller geht davon aus, innerhalb der nächsten zwei<br />
bis drei Jahre Prototypen entwickeln zu können. Rund 90<br />
Prozent der Vorschläge wurden über die Geschäftsstellen der<br />
vom BMBF geförderten Biotechnologie-Regionen eingereicht.<br />
Die meisten Skizzen kamen dabei aus den Regionen München,<br />
Berlin, Stuttgart und Hannover. Bis Ende März 2004 wurde<br />
entschieden, welche Skizzen zu Anträgen weiterentwickelt<br />
werden. Um möglichst viele Unternehmen fördern zu können,<br />
soll der private Finanzanteil im Durchschnitt bei 60 Prozent<br />
liegen. Das Förderprogramm soll so insgesamt 250 Millionen €<br />
mobilisieren.<br />
Nicht direkt biotech-spezifisch, jedoch auf technologieorientierte<br />
Unternehmen ausgerichtet, ist die Initiative der<br />
Bundesregierung zur Verbesserung von Rahmenbedingungen<br />
für Gründungen kleinerer und mittlerer Unternehmen (KMU) in<br />
Deutschland. Im Rahmen der Innovationsoffensive wurde<br />
Anfang diesen Jahres der bereits im Jahr 2003 angekündigte<br />
Die wichtigsten Punkte im High-Tech Masterplan<br />
Quelle: High-Tech Masterplan, herausgegeben vom BMWA und BMBF<br />
• Beteiligungskapital: Mit neuen öffentlichen Finanzierungsinstrumenten<br />
wird der Zugang für junge Technologieunternehmen<br />
verbessert.<br />
• Steuerpolitik: Mit einer Reihe von steuerpolitischen<br />
Verbesserungen für Wagniskapitalgeber und junge Technologieunternehmen<br />
sollen international wettbewerbsfähige<br />
steuerliche Rahmenbedingungen erreicht werden.<br />
• Hightech-Börse: Die Einrichtung eines Segments für junge<br />
Technologieunternehmen kann die Wachstumsfinanzierung<br />
langfristig stärken und die Attraktivität von Börsengängen<br />
erhöhen.<br />
„High-Tech Masterplan“ vorgestellt.<br />
Kernpunkte sind ein verbesserter Zugang zu Wagniskapital, die<br />
Schaffung international wettbewerbsfähiger steuerlicher Rahmenbedingungen<br />
sowie neue Modelle der Zusammenarbeit<br />
zwischen öffentlicher Forschung und KMU. Die Initiative<br />
enthält als wichtiges Element den gemeinsam mit dem<br />
Europäischen Investitionsfonds EIF geschaffenen Dachfonds<br />
für Beteiligungskapital. Mit insgesamt 500 Millionen € sollen<br />
jungen Hightech-Unternehmen wieder Finanzierungsmöglichkeiten<br />
für ihre innovativen Ideen eröffnet werden. Damit<br />
sollen in den nächsten fünf Jahren für diese Unternehmen<br />
zusammen mit privaten Mitteln insgesamt bis zu 1,7 Milliarden €<br />
mobilisiert werden.<br />
Diese Initiative ist sicherlich zu begrüßen. Hinsichtlich der<br />
neuen Kapitalquellen muss jedoch sichergestellt werden, dass<br />
eine im VC-Bereich übliche und entsprechende stringente<br />
Prüfung (Due Diligence) die Vergabe von Finanzmitteln<br />
begleitet. Da die Gelder des Dachfonds an VC-Firmen direkt<br />
gehen soll, ist dieses hoffentlich gewährleistet.<br />
Neben der Gründung des Dachfonds, die Anfang März offiziell<br />
erfolgte, wurden weitere Instrumente der Beteiligungskapitalförderung<br />
an die aktuelle Situation angepasst. So wird ein Start-<br />
Fonds für Investments in Einzelunternehmen aufgelegt, bei dem<br />
offene Beteiligungen möglich sind, um Unternehmen nicht<br />
durch laufende Zinszahlungen für stille Beteiligungen zu<br />
belasten. Bei Bedarf sollen auch spätere Folgefinanzierungen<br />
möglich sein.<br />
• Spin-offs: Der Transfer von Forschungsergebnissen über<br />
Ausgründungen (Spin-offs) von Unternehmen aus Hochschulen<br />
und Forschungseinrichtungen wird durch den Ausbau<br />
entsprechender Förderinstrumente forciert.<br />
• Forschungsförderung: Die Einbindung junger Technologieunternehmen<br />
in Forschungs- und Innovationsnetzwerke wird<br />
verbessert; ihre Forschungsprojekte werden im Rahmen<br />
spezifischer Fachprogramme unterstützt.<br />
• Gründerausbildung und -motivation: Konzepte zur Förderung<br />
einer Gründermentalität in Schulen und Hochschulen werden<br />
ausgebaut, Gründeraktivitäten und -netzwerke an Hochschulen<br />
gestärkt.<br />
111
A KTIVITÄTEN AUF BUNDESEBENE<br />
Zudem wird die Auflage eines Seed-Fonds für FuE-basierte<br />
Gründungen geprüft, um die Finanzierung von frühen Unternehmensphasen<br />
sicherzustellen. Aber auch bereits etablierte<br />
innovative Mittelständler sollen von der neuen Initiative<br />
profitieren können: Unter Federführung der KfW-Mittelstandsbank<br />
wurden zwei Pilotvorhaben entwickelt, die den bisher<br />
vom Markt kaum abgedeckten Bereich zwischen 1 und<br />
5 Millionen € Beteiligungskapital stimulieren sollen.<br />
Neben den seit 2004 geltenden Regelungen der Steuerreform,<br />
die den Höchststeuersatz auf 42 Prozent begrenzt, der damit der<br />
niedrigste Satz ist, den es bisher in der Bundesrepublik gab,<br />
wurde der Körperschaftssteuersatz einheitlich auf 25 Prozent<br />
gesenkt. Dennoch wird durch diese Maßnahmen nicht erreicht,<br />
was Vertreter der Biotech-Unternehmensverbände seit langem<br />
fordern: Die Verrechnung von Verlustvorträgen mit Gewinnen<br />
über einen längeren Zeitraum als acht Jahre sowie die Befreiung<br />
der Unternehmen von Körperschaftssteuern für einen definierten<br />
Zeitraum. Auch die steuerliche Behandlung von Kapitalbeteiligungen<br />
bzw. von Veräußerungsgewinnen geht den<br />
Verbänden nicht weit genug. Hier sieht der High-Tech Masterplan<br />
vor, dass zur Besteuerung des erhöhten Gewinnanteils von<br />
Fonds-Initiatoren das Halbeinkünfteverfahren angewandt wird.<br />
Damit bleibt eine totale Steuerbefreiung ausgenommen.<br />
Statement zum High-Tech Masterplan<br />
Quelle: transkript, März 2004<br />
Dr. Ricardo Gent, Geschäftsführer Deutsche Industrievereinigung<br />
Biotechnologie DIB<br />
Der High-Tech Masterplan ist ein wichtiger Schritt der<br />
Bundesregierung, die technologische Leistungsfähigkeit des<br />
Mittelstandes in Deutschland zu stärken. Wir freuen uns, dass<br />
Aspekte der international wettbewerbsfähigen Besteuerung von<br />
Beteiligungskapital Eingang gefunden haben, wie etwa die<br />
Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens bei Besteuerung von<br />
Carried Interest. Einige steuerliche Hemmnisse blieben leider<br />
unangetastet, die wichtig sind für KMU. Zwei Anliegen sollen<br />
hier einmal genannt werden. Zum einen müssen die körperschaftssteuerlichen<br />
Verlustvorträge unbedingt erhalten bleiben,<br />
Der Transfer von Forschungsergebnissen über Ausgründungen<br />
von Unternehmen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen<br />
(Spin-offs) soll durch den Ausbau entsprechender Förderinstrumente<br />
forciert werden. Bereits bestehende Instrumentarien<br />
sind zum Beispiel:<br />
• Die BMBF-Pilotmaßnahme „Erleichterung von Existenzgründungen<br />
aus Forschungseinrichtungen (EEF)“,<br />
• die bereits initiierte Gründung eines Venture-Fonds der Fraunhofer-Gesellschaft<br />
gemeinsam mit externen Investoren,<br />
• die Gründung der Verwertungsgesellschaft „Ascenion“ der<br />
lebenswissenschaftlich orientierten Helmholtz-Zentren. Die<br />
Ascenion GmbH soll die Verwertung von „Life-Science“-<br />
Forschungsergebnissen ermöglichen und unter Umständen<br />
auch über die Helmholtz-Gemeinschaft hinaus aktiv werden.<br />
• Mit der Fördermaßnahme „EXIST-Seed“ wurden in den<br />
ersten fünf EXIST-Regionen bislang über 100 Gründungsvorhaben<br />
mit mehr als 150 beteiligten Gründerinnen und<br />
Gründern gefördert.<br />
um die mit hohen Beträgen in die Forschung investierenden<br />
Biotechnologie-Unternehmen auf den Finanzmärkten nicht zu<br />
benachteiligen. Zum anderen ist die steuerrechtliche Behandlung<br />
von Veräußerungsgewinnen bei Gründern und privaten,<br />
externen Investoren besonders kritisch für eine nachhaltige<br />
Entwicklung von Biotechnologie-Unternehmen und anderen<br />
Hightech-Unternehmen, da bei den risikoorientierten Investitionsentscheidungen<br />
der zu erwartende Wertzuwachs und der<br />
durch eine Veräußerung der Anteile zu erwartende Gewinn eine<br />
wichtige Rolle spielen. Es ist wichtig, die Wesentlichkeitsgrenze<br />
zumindest wieder auf 10 % zu erhöhen. Zudem sollte die<br />
Haltefrist für die steuerfreie Veräußerung von Beteiligungen<br />
von derzeit fünf auf zwei Jahre verkürzt werden. Diese und<br />
andere Hemmnisse müssen noch unbedingt in Angriff<br />
genommen werden.<br />
112 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Schließlich wird im High-Tech Masterplan neben der Stärkung<br />
der Forschungsförderung, wie zum Beispiel über das Programm<br />
BioChancePLUS, auch auf neue Konzepte zum Ausbau von<br />
Gründerausbildung und -motivation gesetzt.<br />
Nach der Studie „Global Entrepreneurship Monitor“, die im<br />
Februar 2003 von der Initiative GEM (in Zusammenarbeit mit<br />
Ernst & Young und der Deutschen Ausgleichsbank) zum Stand<br />
der Gründungsaktivitäten des Jahres 2002 in Deutschland im<br />
internationalen Vergleich veröffentlicht wurde, wird vor allem<br />
in der Schulausbildung weltweit zu wenig Wert auf<br />
Gründungsinhalte gelegt. Größter Schwachpunkt sind Inhalte<br />
mit direktem Gründungsbezug (Entrepreneurship, Unternehmensgründung),<br />
aber auch grundlegende Kenntnisse und<br />
Fertigkeiten (Wirtschaftskenntnisse, Kreativität, Eigeninitiative)<br />
werden nicht ausreichend vermittelt. Im Rahmen des<br />
High-Tech Masterplans werden daher von der Bundesregierung<br />
Projekte gestärkt, die bereits heute in Schulen von der öffentlichen<br />
Hand gefördert werden, so zum Beispiel:<br />
• Das Projekt JUNIOR: unter der Schirmherrschaft des BMWA<br />
wird Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit eröffnet,<br />
spielerisch ein eigenes Unternehmen zu gründen und zu<br />
führen.<br />
• Der Planspielwettbewerb „Jugend gründet“: Im Rahmen des<br />
vom BMBF ausgerichteten Wettbewerbs werden die verschiedenen<br />
Phasen forschungs- und technologieorientierter Gründungen<br />
von der Erstellung eines Business-Plans über die<br />
Produktentwicklung und den Markteintritt bis zum Börsengang<br />
virtuell simuliert.<br />
Aber auch in den Hochschulen wird an der Verbesserung des<br />
Gründungsklimas gearbeitet: In den letzten fünf Jahren wurden<br />
fast 50 Lehrstühle für Gründungsforschung und Entrepreneurship<br />
an Fachhochschulen und Universitäten eingerichtet, die zu<br />
zwei Dritteln privatwirtschaftlich finanziert sind. Seit Mitte<br />
2002 hat das BMBF im Rahmen von EXIST-Transfer die<br />
Förderung von Gründungsnetzwerken von zunächst fünf auf<br />
jetzt 15 Hochschulregionen ausgeweitet.<br />
Die Zukunft wird zeigen, inwieweit sich diese Maßnahmen der<br />
Bundesregierung auf den Technologie- und damit auch Biotech-<br />
Standort Deutschland auswirken. Zumindest ist ein erster Schritt<br />
getan, letztlich wird es weltweit jedoch immer konkurrierende<br />
Standorte mit eventuell besseren Bedingungen geben.<br />
Forderungen der VBU (Vereinigung Deutscher<br />
Biotechnologie-Unternehmen) zur Verbesserung von<br />
wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen<br />
Quelle: VBU, Stand Januar 2004<br />
1) Die steuerlichen Rahmenbedingungen<br />
• Befreiung von Körperschaftssteuern und anderen Unternehmenssteuern<br />
für einen definierten Zeitraum<br />
• Verrechnung des Verlustvortrags mit Gewinnen über einen<br />
längeren Zeitraum als acht Jahre<br />
• Zeitliche Ausdehnung der Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen<br />
von echten und stillen Beteiligungen<br />
• Stock Options werden nicht als geldwerter Vorteil eingestuft<br />
und Verwässerungen derselben sind steuerfrei zu stellen.<br />
• Gewinnanteile der VC-Fonds (carried interest) sind steuerfrei<br />
zu stellen<br />
2) Schaffung eines Technologiesegments an der Deutschen Börse<br />
• Wachstumsfinanzierung der Innovationsunternehmen muss<br />
sichergestellt werden.<br />
• Der Kreis der Finanzierung muss geschlossen bleiben.<br />
(VCs können langfristig nur finanzieren, wenn Exit-<br />
Möglichkeit durch die Börse besteht.)<br />
3) Besserer und intensiverer Technologietransfer aus den<br />
Hochschulen<br />
• Sensibilisierung der Studierenden bezüglich Patenschutz<br />
von Forschungsergebnissen<br />
• Offene Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Forschungseinrichtungen<br />
und Unternehmen<br />
4) Bessere Interaktion mit und erhöhte Präsenz bei der EU<br />
• Aktivere Mitwirkung in der EU bei der Planung von neuen,<br />
unsere Branche betreffenden Gesetzen und Förderprogrammen<br />
• Umgehende Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht<br />
• Einsetzen für ein europäisches Gemeinschaftspatent<br />
• Vereinfachung von Verfahren<br />
5) Mehr Anreize für eine echte Gründungskultur<br />
6) Umsetzung des bereits in 2003 vom BMBF und der Regierung<br />
diskutierten High-Tech Masterplans für neue Arbeitsplätze durch<br />
Gründung und Wachstumsförderung junger Innovations-<br />
Unternehmen<br />
113
5.2 Bio-Regionen im Visier<br />
Biotechnologiestrategie in Sachsen-Anhalt<br />
und im mitteldeutschen Wirtschaftsraum<br />
Auf die Frage nach wichtigen Biotechnologie-Clustern würde einem nicht spontan<br />
Sachsen-Anhalt einfallen. Dennoch hat diese Region in den letzten Jahren einen interessanten<br />
Weg bestritten. Ebenfalls nicht ganz unwichtig: Die Biotechnologie wird über<br />
Parteigrenzen hinweg als Innovationsmotor angesehen. Mit weit über 100 Millionen Euro<br />
allein in den kommenden fünf Jahren will die Landesregierung diese Entwicklung im<br />
Rahmen ihrer Biotechnologie-Offensive weiter fördern.<br />
Was sind die Besonderheiten der Biotechnologie-Region Sachsen-Anhalt?<br />
Auf den Punkt gebracht, lassen sich folgende Merkmale nennen:<br />
• Umfassende Strategie<br />
• Ausbau von Netzwerken – Pharmabereich/<br />
Neurotechnologie<br />
• Ausbau von Netzwerken – Pflanzenbiotechnologie<br />
• Schaffung von Infrastruktur<br />
• Klare politische Unterstützung<br />
• Rechtliche Rahmenbedingungen<br />
• Wille zur Kooperation mit angrenzenden Regionen<br />
Pläne zur Förderung der Biotechnologie gibt es wie Sand am Meer – aber eine<br />
umfassende, in sich schlüssige Strategie, in der die einzelnen Bausteine ineinander<br />
greifen, findet man selten. Förderpolitik umfasst heute mehr als nur die finanzielle Unterstützung<br />
von Unternehmensgründungen und Forschungsprojekten. Wichtig ist zum<br />
Beispiel auch ein Engagement im Bereich der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Die<br />
Biotechnologie-Strategie in Sachsen-Anhalt fokussiert sich auf bestehende Stärken und<br />
will diese weiter ausbauen. Hierzu gehören die Pflanzenbiotechnologie, die biopharmazeutische<br />
Entwicklung und Produktion sowie die Neurotechnologie. Biotech-Start-ups<br />
haben innovative Ideen – aber nur allzu oft noch keine Produkte auf dem Markt. Bestehende<br />
Pharmafirmen haben hier einen Vorsprung – und von denen gibt es in Sachsen-<br />
Anhalt einige: Bayer Bitterfeld, Salutas Pharma, Serumwerk Bernburg, Impfstoffwerk<br />
Dessau-Tornau und die esparma. Aus der Idee, diese beiden Player stärker zusammenzubringen,<br />
sind die Wachstumskerne PharmaMD in Magdeburg (Verknüpfung von Neurobiologie<br />
und Biotechnologie) und der Verbund WWW in Halle (Wertschöpfung mit<br />
Proteinen als Wirkstoffe und Werkzeuge) entstanden.<br />
Keine andere Region in Deutschland hat so gute Voraussetzungen für die Entwicklung<br />
und Anwendung biotechnologischer Verfahren im Agrarbereich. Speziell im Bereich<br />
Pflanzenbiotechnologie ist jedes zweite relevante Start-up in Sachsen-Anhalt angesiedelt.<br />
Die Leibniz-Institute in Gatersleben und Halle sowie das Bundesamt für<br />
Züchtungsforschung in Quedlinburg und die Fachhochschule Anhalt sind international<br />
anerkannt. Diese Ansammlung von Kompetenzen führte im Herbst 2000 zur Prämierung<br />
des InnoRegio-Wettbewerbsbeitrages „InnoPlanta“ durch das BMBF mit ca. 20 Mio. €.<br />
Der regionale Schwerpunkt wird zudem durch die traditionelle Präsenz von Saatzucht-<br />
unternehmen in dieser Region flankiert. Mit einer auf großen Flächen agierenden Landwirtschaft<br />
und einer beachtlichen Veredlungsindustrie sind die potenziellen Anwender<br />
am Standort vorhanden. Mit dem Bio-Zentrum Halle, dem Biotech-Gründerzentrum<br />
Gatersleben (speziell für Pflanzenbiotechnologie) und dem Zentrum für Neurowissenschaftliche<br />
Innovation (ZENIT) in Magdeburg verfügt das Land über eine gute<br />
Gebäudeinfrastruktur. In den Chemieparks Leuna und Bitterfeld existieren günstige<br />
Ansiedlungsbedingungen für biotechnologische Produktionsunternehmen. Der Themenschwerpunkt<br />
Pflanzenbiotechnologie spiegelt sich auch bei den Infrastrukturmaßnahmen<br />
wieder: So ist der Bau eines Bioparks in Gatersleben zur Ansiedlung von Firmen mit<br />
einem maximalen Finanzvolumen von 35 Millionen € und einer Förderung in Höhe von<br />
maximal 90 % geplant. Zielkunden sind vor allem Pflanzenbiotechnologieunternehmen.<br />
Es wird viel über Innovation geredet. Nur<br />
allzu leicht wird dabei vergessen, dass die<br />
Möglichkeit zur Vermarktung genauso<br />
dazu gehört, wie kreative Forschungsansätze.<br />
Aus diesem Grunde hat sich die<br />
Landesregierung entschlossen, die relevanten<br />
Unternehmen bei deren Anbau von<br />
gentechnisch veränderten Pflanzen in<br />
Sachsen-Anhalt zu unterstützen („Initiative<br />
Erprobungsanbau“). Es geht heute nicht mehr nur um Forschungsgelder und Investitionshilfen.<br />
Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen stimmen. Sachsen-<br />
Anhalt hat sich deshalb per Bundesratsinitiative dafür eingesetzt, dass die EU-Freisetzungsrichtlinie<br />
1:1 in deutsches Recht übernommen wird.<br />
Derjenige, der die wirtschaftliche Entwicklung einer Region voranbringen will, darf mit<br />
seinem Denken und Handeln nicht an Ländergrenzen Halt machen. Deshalb hat die interregionale<br />
Zusammenarbeit eine hohe Bedeutung und hier insbesondere der mitteldeutsche<br />
Wirtschaftsraum mit den Ländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.<br />
Beispiel sind gemeinsame Ausbildungsverbünde oder auch länderübergreifende Wachstumskerne<br />
zum Beispiel zwischen Leipzig und Halle.<br />
Die EU-Kommission hat vor kurzem eine interessante Studie veröffentlicht, wonach<br />
beide Faktoren – Diversität und Exzellenz – eine entscheidende Rolle bei der Attraktivität<br />
eines Clusters spielen. Es geht also nicht nur darum, in einem Bereich Spitze zu<br />
sein, sondern durchaus auch, unterschiedliche Expertisen vorweisen zu können. Diesem<br />
Anspruch kann keines der drei Länder, die den mitteldeutschen Wirtschaftsraum<br />
prägen, alleine gerecht werden. Im Verbund jedoch wird aus den isolierten Parzellen mit<br />
ihren unterschiedlichen Themenschwerpunkten eine attraktive Gesamtregion.<br />
von Dr. Jens Katzek, Geschäftsführer Bio-Mitteldeutschland GmbH, Halle<br />
www.bio-mitteldeutschland.de<br />
114 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
BioRiver – Life Science im Rheinland<br />
Die Bedeutung der Biotechnologie wurde im Rheinland früh erkannt: 1977 entstand im<br />
Forschungszentrum Jülich das Institut für Biotechnologie, 1982 in Köln das inzwischen<br />
weltbekannte Genzentrum. Mit Qiagen entstand 1984 Deutschlands erfolgreichstes und<br />
größtes Biotechnologie-Unternehmen als Spin-off der Universität Düsseldorf. Folgerichtig<br />
gehörte das Rheinland auch zu den drei Gewinner-Regionen des BioRegio-<br />
Wettbewerbs.<br />
In der Folgezeit wurde der Aufbau eines funktionierenden Netzwerks, die Förderung der<br />
Firmen und der Aufbau der Infrastruktur mit Hilfe der landesweit agierenden Initiative<br />
Bio-Gen-Tec NRW vorangetrieben. Bisher fehlte dem Rheinland noch eine regionale<br />
Institution für einen gemeinschaftlichen Auftritt des Rheinlands mit seinen vier<br />
Kernstädten Aachen, Bonn, Köln und Düsseldorf.<br />
Um das Potential des Rheinlandes in das nationale und<br />
internationale Blickfeld zu rücken, aber vor allem auch<br />
um die interregionale Zusammenarbeit der vier Kernregionen<br />
zu stärken, wurde eine Initiative gegründet,<br />
deren Name an das verbindende Element der Region,<br />
den Rhein, anknüpft: BioRiver. Die traditionsgepflegte Rivalität der so genannten rheinischen<br />
Schwestern Köln und Düsseldorf ist hier einer vorbildlichen Zusammenarbeit<br />
gewichen, die in gleicher Weise auch für die anderen Städte und Institutionen von<br />
BioRiver gilt.<br />
Der Struktur der polyzentrischen Region BioRiver wird Rechnung getragen, indem die<br />
regionalen Kompetenzen in vier funktionalen Säulen zusammengefasst sind:<br />
BioRiver Science<br />
Die international renommierten Universitäten und Forschungsinstitute bilden dabei<br />
unter der Säule BioRiver Science regionale Forschungsschwerpunkte: Medizintechnik<br />
und Biomaterialien (Aachen), Neurowissenschaften und Ethik (Bonn), Entzündungen,<br />
Infektionen und Onkologie (Köln) und Biotechnologie-Plattform (Düsseldorf, Jülich). Als<br />
Ergebnis der hier einzigartigen Konzentration von öffentlichen und privaten Lehr- und<br />
Forschungseinrichtungen ist BioRiver damit eine der führenden Wissenschaftsregionen<br />
in Deutschland. Gleichzeitig ist diese Region mit über 150.000 Studierenden eine der<br />
wichtigsten Regionen der Hochschulbildung in Europa.<br />
BioRiver Cities<br />
Die BioRiver Cities Aachen, Bonn, Köln und Düsseldorf stellen die geographischen<br />
Knotenpunkte von BioRiver dar. Sie sind untereinander eng vernetzt und bilden zusammen<br />
mit ihren jeweils benachbarten Städten und Kreisen regional vernetzte Einheiten.<br />
Die BioRiver Cities koordinieren dabei in Zusammenarbeit mit den anderen Säulen das<br />
Standortmarketing und den Außenauftritt von BioRiver und sind Bindeglied für die<br />
interne Vernetzung der Regionen und Säulen.<br />
BioRiver Parks<br />
Als BioRiver Parks haben sich 18 rheinländische Technologiezentren zusammengeschlossen<br />
und verfügen über 200.000 m2 Gesamtfläche, davon über 70.000 m2 Laborfläche.<br />
Die BioRiver Parks ergänzen sich hier in ihren Schwerpunkten sehr gut. Die Bandbreite<br />
reicht von spezialisierten Gründerzentren und Inkubatoren mit Universitäts-<br />
Anbindung bis hin zu Technologie- und Entwicklungszentren mit Kompetenz in<br />
pharmazeutischer Produktentwicklung.<br />
BioRiver Companies<br />
Kaum eine deutsche Bioregion verfügt über mehr Arbeitsplätze, Umsatz oder Gewinne<br />
in der Biotechnologie als BioRiver. Vielfalt ist dabei das hervorstechende Merkmal der<br />
BioRiver Companies. Die Firmen rund um Bonn, Köln und Düsseldorf zeigen biotechnologische<br />
Kompetenz in der Diagnostik und der<br />
molekularen Medizin, der Biochiptechnologie, im nicht<br />
viralen Gentransfer, im Tissue Engineering und in der<br />
Stammzelltherapie. Die Region Aachen/Jülich ergänzt<br />
das Spektrum insbesondere um bioverfahrenstechnische<br />
Kompetenz.<br />
Das bereits 1984 in Düsseldorf gegründete Unternehmen Qiagen ist Deutschlands<br />
erstes börsennotiertes und bei weitem größtes Biotechnologie-Unternehmen, das auch<br />
global zu den erfolgreichsten überhaupt gehört. Weltweit sind mehr als 1.500 Mitarbeiter<br />
in rund zehn Ländern beschäftigt. Ein weiteres Schwergewicht in der deutschen<br />
Biotechnologie ist Miltenyi Biotec in der Nähe von Köln – mit über 750 Mitarbeitern (davon<br />
600 in Deutschland) ebenfalls global aufgestellt.<br />
Auch Produkt entwickelnde, biopharmazeutische Unternehmen sind in der Region<br />
BioRiver ganz vorne mit dabei. Das bereits 1985 gegründete Unternehmen Rhein<br />
Biotech, jetzt zur Berna Biotech Gruppe gehörend, hat bereits seit mehreren Jahren<br />
Impfstoff-Produkte am Markt. Unternehmen wie z. B. Biofrontera AG, Coley Pharmaceuticals<br />
oder Paion verfügen über Produktpipelines, die bis in die Phase II/III reichen.<br />
Chemie und Pharma<br />
BioRiver zählt auch zu einem der größten Pharma- und Chemiestandorte Europas: Der<br />
Welt-Konzern Bayer AG mit seinen drei Sparten Pharma, Polymere und Pflanzenschutz,<br />
ebenso Aventis, Degussa, Henkel, Cognis, Grünenthal, Schwarz Pharma oder Madaus.<br />
Professionelle Produktionsmöglichkeiten (cGMP Facilities) befinden sich bei Bayer<br />
HealthCare in Wuppertal und bei Girindus in der Nähe von Köln, wo zusätzlich das<br />
komplette Repertoire von Forschung und Verfahrensentwicklung angeboten wird.<br />
Das Rheinland ist mit BioRiver neu gestartet und wird vor allem die Internationalisierung der<br />
Region vorantreiben, verstärkt die Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft fördern<br />
und die Chancen und Entwicklungspotentiale der Life Sciences im Rheinland bündeln.<br />
von Martin Kretschmer, Koordination BioRiver – Life Science im Rheinland<br />
www.bioriver.de<br />
115
Anhang<br />
Methodik und Definitionen<br />
Methodik<br />
Die vorliegende Studie basiert auf einer Befragung von<br />
deutschen Core-Biotech-Unternehmen. Es wurden dazu die 350<br />
Unternehmen angeschrieben, die der Definition eines Core-<br />
Biotech-Unternehmens von Ernst & Young entsprechen. Der<br />
Rücklauf an Antworten betrug über 60 Prozent. Bei risikokapital-finanzierten<br />
Unternehmen betrug der Rücklauf 75<br />
Prozent. Bei den 39 Firmen mit mehr als 50 Mitarbeitern betrug<br />
der Rücklauf 90 Prozent.<br />
Zudem wurde eine Befragung bei in- und ausländischen<br />
Investoren, die in deutsche Firmen der Biotechnologie investieren,<br />
durchgeführt. Die Rücklaufquote der Fragebögen betrug<br />
hier 40 Prozent.<br />
Der Inhalt wurde ferner durch intensive Sekundärrecherchen<br />
ergänzt. Die themenbezogenen Beiträge wurden von externen<br />
Experten verfasst und stellen somit deren Meinung dar.<br />
Definition Biotechnologie<br />
Die Ernst & Young-Definition von „Biotechnologie“ ist<br />
weitestgehend angelehnt an die OECD-Definition zur<br />
modernen Biotechnologie. Demnach werden unter „moderner<br />
Biotechnologie“ alle innovativen Methoden, Verfahren oder<br />
Produkte verstanden, die die Nutzung von lebenden Organismen<br />
oder ihrer zellulären und subzellulären Bestandteile<br />
beinhalten. Ferner umfasst diese auch die kommerzielle<br />
Umsetzung von Erkenntnissen der Molekularbiologie,<br />
Virologie, Mikrobiologie und Zellbiologie.<br />
Zu den Verfahren zählen vor allem rekombinante DNA-<br />
Techniken; cDNA-Techniken und Biochips; Herstellung von<br />
und Arbeiten mit Antikörpern sowie Proteinen als Tools,<br />
Therapeutika und Diagnostika; Auftragsproduktion, wenn<br />
rekombinante Verfahren involviert sind; biologische Assays und<br />
zelluläre Systeme; Zellkulturen für Therapie und Produktion;<br />
Gentherapie und Drug Delivery; molekulare Diagnostik sowie<br />
moderne pflanzenbiotechnologische Verfahren.<br />
Ebenfalls hinzugezählt werden Produkte und Verfahren, die<br />
nicht im engeren Sinne „bio“-technologisch sind, jedoch wichtige<br />
Bausteine in der Wertschöpfungskette der Biotech-Industrie<br />
darstellen (zum Beispiel Bioinformatik und Kombinatorik).<br />
Definition Core-Biotech-Unternehmen<br />
Beruhend auf dieser Definition der Biotechnologie wurden von<br />
Ernst & Young Unternehmen selektiert, deren Hauptgeschäftszweck<br />
die Kommerzialisierung der modernen Biotechnologie<br />
ist. Die Kommerzialisierung umfasst die Erforschung, Entwicklung<br />
und Vermarktung von Produkten, Technologien und<br />
Dienstleistungen auf Basis der modernen Biotechnologie.<br />
Diese Firmen werden als Core-Biotech-Firmen bezeichnet. Ziel<br />
der Fokussierung ist es, den „Kern“ der Branche abzubilden<br />
und somit eine homogene Menge von Firmen zu erfassen, die<br />
mit ähnlichen Methoden arbeiten und deshalb bezüglich der<br />
untersuchten Parameter (Geschäftsmodell, Geschäftsfelder etc.)<br />
besser vergleichbar sind.<br />
Die fachliche Ausrichtung des Unternehmens ist das primäre<br />
Selektionskriterium. Ein weiteres Merkmal eines Core-Biotech-<br />
Unternehmens ist die Neuartigkeit bzw. Originalität der<br />
Technologie (Innovationskriterium), welches sich durch Patente<br />
bzw. Patentanmeldungen belegen lässt. Eine auf Wachstum<br />
ausgerichtete Geschäftsstrategie, die beispielweise auf Kooperationen<br />
mit anderen Biotech-Unternehmen abzielt, sowie<br />
der Einsatz von Risikokapital sind weitere wichtige, aber nicht<br />
ausschließliche Kriterien der Zuordnung.<br />
116 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Ausschlusskriterien<br />
Diese Studie beinhaltet nicht Firmen, die sich mit klassischen<br />
Methoden der Biotechnologie beschäftigen, also zum Beispiel<br />
Verfahren aus der Umweltbiotechnologie (klassische biologische<br />
Verfahren der Schadstoffbeseitigung wie Abwasserreinigung<br />
oder Biofilter), der Pflanzenbiotechnologie (klassische<br />
Pflanzenzucht und Vermehrung, Saatgutherstellung), der<br />
Nahrungsmittelherstellung (Bierbrauer) und der industriellen<br />
Biotechnologie (Fermentation/Transformationen zur Herstellung<br />
von Antibiotika oder Feinchemikalien, klassische Enzymtechnologie).<br />
Ebenso werden Firmen ausgeschlossen, die allein analytische<br />
Techniken einsetzen. Auch rein biochemisches Arbeiten (zum<br />
Beispiel klassische Labor-, klinische und genetische Diagnostik)<br />
sowie mikroskopische Diagnostik werden nicht berücksichtigt.<br />
Der Fokus liegt stark auf dem Einsatz der Molekularbiologie.<br />
So sind zum Beispiel Firmen, die sich vorwiegend mit<br />
gängigen Technologien der Immunologie (ELISA und<br />
ähnliches) beschäftigen, ebenfalls nicht in die Untersuchung<br />
eingeschlossen. Eine Ausnahme stellen Firmen dar, die in<br />
eigener Entwicklung beispielsweise Antigene für immundiagnostische<br />
Zwecke in größerem Maße rekombinant<br />
herstellen.<br />
Reine Geräte- und Verbrauchsmaterialhersteller werden ebenfalls<br />
nicht berücksichtigt (hierzu zählen auch Biosensoren,<br />
selbst wenn ein biologisches Molekül zur Messung von<br />
biologischen und nicht biologischen Parametern eingesetzt<br />
wird).<br />
Ebenfalls ausgeschlossen sind Firmen, die sich ausschließlich<br />
mit dem Vertrieb von biologischen Produkten (zum Beispiel<br />
Biochemikalien) beschäftigen oder die Biotechnologie nicht als<br />
Hauptgeschäftszweck betreiben.<br />
Damit sind auch traditionelle Mittelstands- und Großunternehmen<br />
aus der Pharma- und Agroindustrie ausgeschlossen,<br />
auch wenn sie mit Methoden der modernen Biotechnologie<br />
arbeiten. Denn der Einsatz der Biotechnologie ist hier nicht<br />
Hauptgeschäftszweck. Auch Niederlassungen von ursprünglich<br />
ausländischen Core-Biotech-Firmen sowie Unternehmen aus<br />
der Medizintechnik bleiben unberücksichtigt, wie auch Tochterunternehmen<br />
deutscher Konzerne, die in deren Jahresabschluss<br />
voll konsolidiert werden.<br />
Diese Ausschlusskriterien sind nicht als negative Selektion zu<br />
verstehen. Tatsächlich stehen viele der nicht berücksichtigten<br />
Firmen in engem Zusammenhang mit der Core-Biotech-<br />
Industrie. Die klare Abgrenzung soll vielmehr dem interessierten<br />
Leser Daten zur Verfügung stellen, die auf einem vergleichbaren<br />
Sample beruhen.<br />
Abgrenzung zu anderen Erhebungen<br />
Mit dieser bewusst sehr restriktiven, aber klar definierten<br />
Auswahl von Core-Biotech-Firmen bestehen Unterschiede zu<br />
Erhebungen anderer Institutionen, wie zum Beispiel dem<br />
Informationssekretariat Biotechnologie (ISB) oder der<br />
BIOCOM AG. Die wesentlichen Unterschiede liegen darin,<br />
dass Ernst & Young weder Großunternehmen noch Firmen, die<br />
sich nicht ausschließlich mit der modernen Biotechnologie<br />
beschäftigen, in seine Untersuchung einschließt. Darüber<br />
hinaus werden in der Ernst & Young-Studie keine Firmen der<br />
klassischen Biotechnologie berücksichtigt.<br />
Die Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Selektionskriterien<br />
beruhen auf unterschiedlichen Zielsetzungen der<br />
angesprochenen Erhebungen. So veröffentlicht die BIOCOM<br />
AG ein jährlich erscheinendes „BioTechnologie Jahr- und<br />
Adressbuch“, das ISB publiziert im Internet einen<br />
„Firmenatlas“.<br />
Ernst & Young fokussiert sich auf die vertiefte Analyse der<br />
Schlüsselfaktoren der Core-Biotech-Industrie und daraus<br />
abzuleitenden Trends.<br />
117
Verzeichnis der Expertenbeiträge<br />
Kapitel 2: Technologien und Produkte<br />
Decoy-Oligonukleotid-Technologie als Plattform für neue Produkte<br />
Prof. Dr. Heiko von der Leyen, Avontec GmbH 18<br />
Industrialisierte Target-Validierung<br />
Prof. Peter Buckel und Stephan Wehselau, Xantos Biomedicine AG 19<br />
Kombinatorische Biosynthese eröffnet neue Wege in Naturstoffforschung<br />
Dr. Rolf Zettl, Combinature Biopharm AG 21<br />
Vorteile in der Produktentwicklung durch Orphan Drug Status<br />
Dr. Nils Behnke, CellControl Biomedical Laboratories AG 25<br />
Management des Produktportfolios in Zeiten knapper Mittel<br />
Dr. Wolfgang Söhngen, Paion GmbH 27<br />
Beschleunigte Wirkstoffentwicklung mit Peptiden<br />
Prof. Dr. Jens Schneider-Mergener, Jerini AG 28<br />
Mit Biogenerika zum voll integrierten Biotech-Unternehmen<br />
– Herausforderungen an Geschäftsstrategien und Entwicklungskompetenz<br />
Elmar Schäfer und Dr. Klaus Maleck, BioGeneriX AG 37<br />
Molekulardiagnostik – Die Zukunft für Diagnostik-Unternehmen<br />
Ulrich Spengler, artus GmbH 39<br />
Pflanzenbiotechnologie – mehr als gene food<br />
Prof. Dr. Yuri Y. Gleba, Icon Genetics AG 46<br />
Mit Gensonden auf Bakterien und Wachstum zielen<br />
Dr. Jiri Snaidr, vermicon AG 48<br />
Kapitel 3: Geschäfts- und Kommerzialisierungsstrategien<br />
Solides Geschäft mit moderner Technologie: Erfolgreiche Kombination aus Service und Produkten<br />
Dr. Holger Eickhoff, SCIENION AG 51<br />
IP-Value-Management für Biotech-Unternehmen<br />
– Wie nutzt man das geistige Eigentum zur Wertsteigerung des Unternehmens?<br />
Dr. Fritjof Boerner, EYLaw Luther Menold Rechtsanwaltsgesellschaft mbH 55<br />
Restrukturierung als Basis für eine erfolgreiche Finanzierungsrunde<br />
Herbert Liebl, Ingenium Pharmaceuticals AG 57<br />
Gibt es ein (Firmen-)Leben nach der Insolvenz?<br />
Dr. Fritz Grunert, Genovac GmbH 59<br />
Wie viel CFO braucht das Biotech-Unternehmen?<br />
Michael Raab, Fairvest AG 62<br />
Beschleunigte Entwicklung neuartiger Gen-Diagnostika durch Netzwerkbildung<br />
Prof. Dr. Paul Cullen, ogham GmbH 64<br />
Akquisition durch US-BioTech-Unternehmen stärkt die zukünftige Entwicklung<br />
Dr. Stephan Wnendt, Kourion Therapeutics AG 66<br />
118 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
„Große“ und „kleine“ Hindernisse bei M&A-Transaktionen<br />
Dr. Alexander Asam, Deutsche Venture Capital 68<br />
Abschied vom Standard Deal zwischen Biotech und Big Pharma<br />
Dr. Simon E. Moroney, MorphoSys AG 71<br />
Kooperationsstrategien der Evotec OAI AG<br />
Jörn Aldag, Evotec OAI AG 73<br />
Vorteile der Partnerschaft mit einem mittelständischen Life-Science-Unternehmen<br />
Dr. Horst Lindhofer, TRION Pharma GmbH 75<br />
Die Bedeutung der Biotechnologie aus Sicht des VFA<br />
Dr. Siegfried Throm, Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. 78<br />
Marktwachstum von Biopharmazeutika aus Sicht der Pharma-Industrie<br />
Rolf G. Werner, Boehringer Ingelheim GmbH 80<br />
Kooperationsstrategien für Biotech-Unternehmen und pharmazeutischen Mittelstand in Deutschland<br />
Dr. Gudrun Tiedemann, Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. 83<br />
Kapitel 4: Finanzierung und Kapitalmarkt<br />
Die Notwendigkeit von Frühphasenfinanzierungen<br />
Dr. Joachim Rautter, PEPPERMINT. Financial Partners 88<br />
Zweitrundenfinanzierung mit internationaler Beteiligung in schwierigen Zeiten<br />
Dr. Ed Stuart, U3 Pharma AG 93<br />
Alternative Finanzierungsquellen: Fördermittel für Unternehmen der Biotech-Branche<br />
Stephan Naumann, Ernst & Young AG 100<br />
A Partnership Model for Virtual and Start-Up BioPharmaceuticals Companies<br />
Brad Benson, aaiPharma Inc. 102<br />
Biotech-Börsengänge in Deutschland: Perspektiven aus Sicht der DZ-Bank<br />
Dr. Bernd Goergen und Sascha Rinno, DZ BANK AG 106<br />
Kapitel 5: Der Biotech-Standort Deutschland<br />
Eine Lanze für die Internationalisierung<br />
Dr. Yoram Karmon, Axxima Pharmaceuticals AG 110<br />
Biotechnologiestrategie in Sachsen-Anhalt und im mitteldeutschen Wirtschaftsraum<br />
Dr. Jens Katzek, Bio-Mitteldeutschland GmbH 114<br />
BioRiver – Life Science im Rheinland<br />
Martin Kretschmer, BioRiver 115<br />
119
Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen<br />
Tabelle 1-1 Eckdaten der deutschen Core-Biotech-Industrie 9<br />
Tabelle 2-1 Anzahl der Wirkstoffe in der Entwicklungspipeline nach Firmenstatus 29<br />
Tabelle 2-2 Jüngst zugelassene und in Phase III befindliche therapeutische Antikörper 34<br />
Tabelle 2-3 Ausgewählte Projekte zu therapeutischen Antikörpern bei deutschen Core-Biotech-Firmen 35<br />
Tabelle 3-1 Fusionen und Übernahmen in der deutschen Core-Biotech-Industrie im Jahr 2003 65<br />
Tabelle 3-2 Ausgewählte, veröffentlichte „Deals“ nach Partnerland und Partnertyp im Jahr 2003 72<br />
Tabelle 3-3 Ausgewählte Kooperationsbeziehungen deutscher Biotech-Firmen mit Pharmaunternehmen 76<br />
Tabelle 4-1 Investorensample 89<br />
Tabelle 4-2 Top-10-Venture-Capital-Runden deutscher Core-Biotech-Firmen im Jahr 2003 94<br />
Tabelle 4-3 Übersicht zu ausgewählten Förder-/Beteiligungsprogrammen ohne Fachgebietsbezug 99<br />
Abbildung 1-1 Historische Entwicklung der Anzahl an Core-Biotech-Unternehmen 10<br />
Abbildung 1-2 Übersicht zu Abgängen und Neugründen der letzten Jahre 11<br />
Abbildung 1-3 Zusammensetzung der Abgänge 11<br />
Abbildung 1-4 Entwicklung der Anzahl an Mitarbeitern in Core-Biotech-Unternehmen 12<br />
Abbildung 1-5 Mitarbeiterverteilung der Core-Biotech-Unternehmen im Jahresvergleich 13<br />
Abbildung 1-6 Mitarbeiterverteilung bei nicht VC- und VC-finanzierten Core-Biotech-Unternehmen im Jahresvergleich 13<br />
Abbildung 1-7 Umsatzverteilung im Jahresvergleich 14<br />
Abbildung 1-8 Anzahl der Core-Biotech-Unternehmen nach Bundesländern 15<br />
Abbildung 1-9 Bundesweite Verteilung der deutschen Core-Biotech-Unternehmen 16<br />
Abbildung 2-1 Technologiebasis der Sampleunternehmen 17<br />
Abbildung 2-2 Produktbereiche der Sample-Unternehmen im Jahresvergleich 23<br />
Abbildung 2-3 Wirkstoff-Entwicklungspipeline der Sample-Unternehmen nach Phase 24<br />
Abbildung 2-4 Wirkstoff-Entwicklungspipeline nach Anzahl Unternehmen im Jahresvergleich 26<br />
Abbildung 2-5 Wirkstoffportfolio der Sample-Unternehmen im Jahresvergleich 29<br />
Abbildung 2-6 Herkunft der Produkte in der Entwicklungspipeline:<br />
Eigenentwicklung versus Einlizenzierung im Jahresvergleich 30<br />
Abbildung 2-7 Entwicklungsportfolio nach Indikation im Jahresvergleich 31<br />
Abbildung 2-8 Entwicklungsportfolio nach Art des Wirkstoffs im Jahresvergleich 31<br />
Abbildung 2-9 Ausgewählte Indikationen nach Art des Wirkstoffs 32<br />
Die Illustration zu Antikörpern auf Seite 33 wurde freundlicherweise von Herrn Christian Josef zur Verfügung gestellt.<br />
120 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Abbildung 3-1 Sample-Unternehmen nach ihrer Geschäftsausrichtung 49<br />
Abbildung 3-1a VC-finanzierte Sample-Unternehmen nach ihrer Geschäftsausrichtung 50<br />
Abbildung 3-2 Verteilung von Geschäftstätigkeiten bei Sample-Unternehmen, die Therapeutika entwickeln 50<br />
Abbildung 3-3 Verteilung von Services im Bereich Auftragsforschung/-produktion 52<br />
Abbildung 3-4 Entwicklungs- und Vermarktungsstrategien der Sample-Unternehmen 53<br />
Abbildung 3-5 Aufteilung von alternativen Vermarktungsstrategien bei Sample-Firmen, die Produkte nicht selbst vermarkten 53<br />
Abbildung 3-6 Entwicklungsstrategien der Therapeutika entwickelnden Sample-Unternehmen 54<br />
Abbildung 3-7 Mitarbeiterverteilung der Insolvenzen im Jahresvergleich 58<br />
Abbildung 3-8 Firmenalter der Insolvenzen im Jahresvergleich 58<br />
Abbildung 3-9 Geschäftsfelder/Geschäftsmodelle der insolventen Firmen im Jahresvergleich 60<br />
Abbildung 3-10 Finanzierungsstatus der insolventen Firmen im Jahresvergleich 60<br />
Abbildung 3-11 Kommerzielle Deals im Jahr 2003 69<br />
Abbildung 3-12 Kommerzielle Deals nach Partnerart 70<br />
Abbildung 3-13 Kommerzielle Deals nach Partnerland 70<br />
Abbildung 3-14 Wertschöpfungsnetz Biotechnologie 77<br />
Abbildung 3-15 Kooperationsmöglichkeiten in der Pharma-Wertschöpfungskette 84<br />
Abbildung 4-1 Kapitalquellen des Investorensamples 85<br />
Abbildung 4-2 Bevorzugter Exit der Investoren im Jahresvergleich 86<br />
Abbildung 4-3 Ranking von Investitionshemmnissen 87<br />
Abbildung 4-4 Finanzierungsphase der Sample-Unternehmen 90<br />
Abbildung 4-5 Aufgenommenes Eigenkapital im Jahresvergleich 91<br />
Abbildung 4-6 VC-Finanzierung der Core-Biotech-Unternehmen seit 1996 91<br />
Abbildung 4-7 Verteilung VC-Runden im Jahresvergleich 92<br />
Abbildung 4-8 Herkunft der Investoren der VC-Runden im Jahresvergleich 92<br />
Abbildung 4-9 VC-Finanzierungsrunden nach Phasenschwerpunkt im Jahresvergleich 95<br />
Abbildung 4-10 VC-Finanzierungsrunden nach Segment im Jahresvergleich 96<br />
Abbildung 4-11 Verteilung von Biotech-Förderungen im Zeitraum 2000 bis 2003 98<br />
Abbildung 4-12 Aufteilung der Biotech-Förderung im Zeitraum 2000 bis 2003 nach Mitarbeiterkategorien 99<br />
Abbildung 4-13 Kapitalbedarf bei den Sample-Unternehmen je nach Geschäftsmodell 103<br />
Abbildung 4-14 Cash-Reserven der Kapital suchenden, VC-finanzierten Firmen 103<br />
Abbildung 4-15 Veränderung der Gesamtmarktkapitalisierung der Unternehmen im ehemaligen Neuen Markt Biotech Index 104<br />
Abbildung 4-16 Veränderung der Gesamtmarktkapitalisierung der Unternehmen<br />
im ehemaligen Neuen Markt Biotech Index im Jahr 2003 105<br />
Abbildung 4-17 Planung Börsengang bei Sample-Unternehmen 108<br />
Abbildung 5-1 Rangplatz Deutschlands nach wichtigen Kriterien der technologischen Leistungsfähigkeit 109<br />
121
122 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
123
124 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004
Thought Leadership &<br />
Industrial Knowledge<br />
Global Biotechnology Reports • Assurance & Advisory<br />
Services<br />
• Audit<br />
• Nat. & int. Accounting<br />
Pharma<br />
(IAS, US-GAAP)<br />
• Business Risk<br />
• Internal Audit<br />
• Compensation & Benefits<br />
• German Perspective<br />
• European Perspective<br />
• Americas Perspective<br />
• Asia-Pacific Perspective<br />
Pharmaceutical Reports<br />
Health Science M&A Surveys<br />
We combine<br />
Health Market<br />
BioTech MedTech<br />
Ernst & Young AG<br />
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />
Health-Sciences Competence Center<br />
Theodor-Heuss-Anlage 2<br />
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Telefon (06 21) 42 08 - 1 34 54<br />
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