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H EALTH S CIENCES<br />

E<br />

Per Aspera Ad Astra<br />

„Der steinige Weg zu den Sternen”<br />

Deutscher Biotechnologie-Report 2004


Information<br />

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung des Nachdrucks<br />

und der Vervielfältigung des Buches oder Teilen daraus, sind vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf<br />

ohne schriftliche Genehmigung der Ernst &Young AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in irgendeiner<br />

Form (Fotokopie, Mikrofilm, Datenträger oder einem anderen Verfahren) reproduziert oder unter<br />

Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.<br />

Die Wiedergabe von Gebrauchs- und Handelsnamen sowie Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk<br />

berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne<br />

der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und<br />

daher von jedermann benutzt werden dürfen.<br />

Die Zahlenangaben und Informationen basieren auf Daten, die im Rahmen einer Primärdatenerhebung<br />

sowie Sekundärdatenrecherche von relevanten Unternehmen ermittelt wurden. Die in<br />

diesem Report wiedergegebenen qualitativen und quantitativen Einschätzungen wurden mit hoher<br />

Sorgfalt ermittelt, jedoch übernimmt der Herausgeber keine Haftung für die Richtigkeit und<br />

Vollständigkeit der Angaben.<br />

© Ernst & Young AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Mai 2004<br />

Layout und Produktion: Flad & Flad Communication GmbH<br />

Herausgegeben von Ernst & Young AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />

Theodor-Heuss-Anlage 2, 68165 Mannheim<br />

Titelbild:<br />

UV-bestrahlte Muntjak Hautfibroblasten mit Mitochondrien-Schäden. Fixierte permeabilisierte Zellen<br />

wurden mit „Texas-Rot-Phalloidin“ gefärbt um F-Aktin im Zytoskelett sichtbar zu machen. Endogenes<br />

mitochondriales Biotin wurde mit „Alexa Fluor 488 Streptavidin“ nachgewiesen. Zellkerne sind mit<br />

„DAPI“ angefärbt.<br />

Das Bild stammt von Jerrod J. Salisbury, Molecular Probes Inc., Eugene, Oregon, und erhielt den<br />

4. Platz im “Nikon International Small World” Wettbewerb im Jahr 2002.


H EALTH S CIENCES<br />

Per Aspera Ad Astra<br />

„Der steinige Weg zu den Sternen”<br />

Deutscher Biotechnologie-Report 2004<br />

E<br />

Q


Per Aspera Ad Astra<br />

„Der steinige Weg zu den Sternen”<br />

Ernst & Youngs Deutscher Biotechnologie-Report 2004<br />

Projektleitung: Dr. Julia Schüler<br />

Unter Mitarbeit von Stefan Bauer, MBA, und Dr. Ira Oldenettel<br />

Eine Publikation dieser Art ist das Resultat der Kooperation zahlreicher Personen. Wir danken allen, deren professionelle Arbeit<br />

und Kompetenz zum Gelingen dieses Reports beigetragen haben.<br />

Als gesamtverantwortliche Projektleiterin der Studie entwickelte Dr. Julia Schüler Struktur und Inhalt des Reports und koordinierte<br />

sämtliche Arbeiten im Rahmen der Studie. Weitere Mitarbeiter des Projektes waren Stefan Bauer und Dr. Ira Oldenettel. Ihnen sei<br />

für ihre wertvolle Unterstützung während des Projektes besonders gedankt.<br />

Weiterer Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen aus dem Ernst & Young Health Sciences-Team in Mannheim. Insbesondere Dr.<br />

Siegfried Bialojan, Industry Leader Health Sciences, trug durch seine fachliche Beratung sowie redaktionelle Unterstützung<br />

wesentlich zum Gelingen der Studie bei. Auch Frau Nina Dunzweiler sei für ihren unermüdlichen Einsatz bei der Organisation des<br />

Reportes sowie vor allem des Supplements zur Vorstellung von deutschen BioParks und der Biotech-Landkarte gedankt. Den<br />

anderen Mitarbeitern im Health-Sciences Team von Ernst & Young, Dr. Manuel Bauer in München sowie Dr. Susanne Wosch in<br />

Köln, gilt ebenfalls Dank für ihre Unterstützung bei der Organisation von Beiträgen zum Report.<br />

Wir danken Alfred Müller, Mitglied des Vorstandes der Ernst & Young AG und Leiter der Deutschen Health Sciences Practice, für<br />

seine Unterstützung des Projekts.<br />

Weiterhin zum Dank verpflichtet sind wir Dr. Ludger Wess von BioCentury für seine professionelle textliche Überarbeitung sowie<br />

den Projekt-Mitarbeiterinnen der Agentur Flad & Flad Communication GmbH, Frau Katja Herrmann und Frau Grane Queitzsch<br />

für ihre professionelle und flexible Umsetzung unseres Textes und unserer Graphiken in ein ansprechendes Layout. Wir danken<br />

auch Dr. Peter Roberts, Marketing Manager Molecular Probes Europe in Leiden, Niederlande, für die Bereitstellung des Titelbildes.<br />

Schließlich sei den an der Primärerhebung teilnehmenden Firmen sowie den Autoren der Expertenbeiträge für Ihren wertvollen<br />

Input gedankt, ohne den diese Studie in der vorliegenden Form nicht hätte realisiert werden können. Besonderen Dank für<br />

wertvollen Input schulden wir einem Team von ausgewiesenen Branchenkennern, mit denen wir die Primärdaten und die daraus<br />

abzuleitenden Aussagen für die vorliegende Studie erörtert haben. Unsere Diskussionspartner waren: Dr. Thomas Höger (DZ<br />

Bank), Dr. Karsten Henco (Evotec OAI), Wolfgang Kroner (medgen press) sowie Dr. Peter Stadler (Artemis Pharmaceuticals).<br />

Dieser Report hat das Ziel, einen Überblick über die unternehmerisch geprägte Biotechnologie-Industrie in Deutschland zu vermitteln.<br />

Es handelt sich um einen unabhängigen Branchenbericht ohne externen Auftraggeber, auf dessen Inhalt kein Einfluss durch<br />

einzelne Unternehmen oder Institutionen ausgeübt wurde.<br />

Dr. Julia Schüler, Senior Industry Specialist Health Sciences<br />

Ernst & Young AG, Mannheim<br />

2 PER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Inhalt<br />

Grußwort von Bundesministerin Edelgard Bulmahn 4<br />

Vorwort von Alfred Müller, Vorstandsmitglied Ernst & Young AG 5<br />

Einführung von Dr. Peter Heinrich, Vorstand MediGene AG 6<br />

1. Kommerzielle Biotechnologie in Deutschland – Ein Überblick 7<br />

2. Technologien und Produkte 17<br />

2.1 Technologien, Plattformen & neue Forschungsansätze 17<br />

2.2 Produkte in der Biotechnologie 23<br />

3. Geschäfts- und Kommerzialisierungsstrategien 49<br />

3.1 Geschäftsmodelle,<br />

Strategien, Wachstumshemmnisse und Erfolge 49<br />

3.2. M&A, Partnerschaften und Deals 65<br />

3.3. Erfolgsfaktor „Wertschöpfungsnetz“ – Biotechnologie<br />

und deutsche Pharma-Industrie 77<br />

4. Finanzierung und Kapitalmarkt 85<br />

4.1 Biotech-Investoren im Blickfeld 85<br />

4.2 Die Finanzierung der Biotech-Firmen 90<br />

4.3 Kapitalmarkt und Börse 104<br />

5. Der Biotech-Standort Deutschland 109<br />

5.1 Aktivitäten auf Bundesebene 111<br />

5.2 Bio-Regionen im Visier 114<br />

Anhang 116<br />

Methodik und Definitionen 116<br />

Verzeichnis der Expertenbeiträge 118<br />

Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 120<br />

3


Grußwort<br />

Edelgard Bulmahn,<br />

Bundesministerin für Bildung und Forschung<br />

Deutschland als Land mit einer auf den Export ausgerichteten Wirtschaft besitzt ausgewiesene<br />

Kompetenz und Innovationsstärke in den Schlüsseltechnologien. Sie prägen<br />

den Strukturwandel der Wirtschaft, entscheiden über Positionen in globalen Märkten<br />

und ermöglichen zukunftssichere Arbeitsplätze.<br />

Die Biotechnologie spielt bei der Zukunftsfähigkeit des Wissenschafts- und<br />

Wirtschaftsstandortes Deutschland eine entscheidende Rolle. Nicht nur die Wissenschaft,<br />

auch die für die Kommerzialisierung der Biotechnologie eintretende Wirtschaft<br />

steht dabei am Anfang einer biotechnologischen Revolution.<br />

Das enorme Potenzial der Biotechnologie wird deutlich,<br />

wenn man allein an ihren möglichen Einfluss auf die<br />

Humanmedizin denkt. Dies ist nach wie vor das bedeutendste<br />

Anwendungsfeld mit viel versprechenden Innovations-<br />

und Marktpotenzialen, aber auch ein Anwendungsfeld,<br />

das mit großen Hoffnungen verbunden ist. Bis<br />

heute kann lediglich ein Drittel aller bekannten rund<br />

35.000 Krankheiten therapiert werden. Zu einem<br />

erheblichen Teil können dabei nach wie vor nur Symptome<br />

behandelt, die eigentlichen Krankheiten jedoch<br />

nicht geheilt werden.<br />

Ermutigt durch die Erfolge des ersten biotechnologischen Medikaments, dem Humaninsulin,<br />

vor 20 Jahren haben viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre<br />

Forschungsarbeiten vorangetrieben. Heute gibt es weltweit etwa 5.000 Biotechnologie-<br />

Unternehmen und bereits über 130 von Biotechnologie-Unternehmen entwickelte<br />

Medikamente auf dem Markt.<br />

In der weißen, der blauen und der grünen Biotechnologie ist der wissenschaftliche<br />

Erkenntnisgewinn zwischenzeitlich ebenfalls weit fortgeschritten. Die breite wirtschaftliche<br />

Anwendung steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Sie wird nach allen Vorhersagen<br />

in ihrem Innovations- und Marktpotenzial der roten Biotechnologie keinesfalls<br />

nachstehen.<br />

Neue Märkte entstehen und werden jetzt verteilt. Die Förderung von heute bewirkt die<br />

Innovationen von morgen. Durch eine gezielte Strategie werden die Kommerzialisierungsperspektiven<br />

für deutsche Unternehmen wachsen. Das Bundesministerium für Bildung<br />

und Forschung fördert daher die Genom- und Proteomforschung und auch die Bioinformatik<br />

und die Nanobiotechnologie.<br />

Die Voraussetzungen für die Verwertung biotechnologischer Neuerungen in Deutschland<br />

sind geschaffen. Seit Ende der 90er Jahre ist in unserem Land eine Biotechnologie-<br />

Branche entstanden, deren Unternehmen heute zu 80 Prozent im Life-Science-Bereich<br />

tätig sind.<br />

Wie alle neu wachsenden Industrien durchlaufen auch die jungen deutschen Biotechnologie-Unternehmen<br />

einen Wechsel von Phasen des Booms und der Konsolidierung.<br />

Mutmaßungen über Konkurse von einem Großteil der Unternehmen, wie sie noch vor<br />

wenigen Monaten häufiger zu lesen waren, sind dabei ebenso fehl am Platz wie überzogene<br />

Erwartungen an schnelle Gewinne, hohe Umsätze und signifikante Beschäftigungszuwächse<br />

quasi über Nacht. Biotechnologie braucht einen langen Atem.<br />

Ohne Zweifel kämpft die Branche nach wie vor mit Geldmangel, weil der Venture-Capital-<br />

Markt noch nicht wieder in Schwung gekommen ist. Dennoch gibt es eine Reihe von<br />

Signalen, die hoffnungsvoll für einen neuen Aufschwung stimmen. Die Anzahl der<br />

Produkte in späteren Phasen klinischer Studien ist signifikant gestiegen. Es finden<br />

wieder Neugründungen von Unternehmen statt, die zwar Abgänge<br />

noch nicht vollständig, aber zu einem erheblichen Teil kompensieren.<br />

Mehr als 70 Prozent der ausscheidenden Unternehmen werden durch<br />

neue ersetzt.<br />

Aufgrund der strategischen Bindung zwischen Biotechnologie- und<br />

Pharma-Industrie hat die Zahl der Kooperationen von der Einlizenzierung<br />

über Partnerschaften bis hin zu Beteiligungen oder Firmenübernahmen<br />

rapide zugenommen. Ende letzten Jahres ist es darüber<br />

hinaus zum ersten Mal einem deutschen Biotechnologie-<br />

Unternehmen gelungen, eine Wirkstoffzulassung zu erhalten. Auch<br />

wenn es sich hierbei um ein einlizenziertes Produkt handelt, ist dieses<br />

erfolgreiche Zulassungsverfahren positiv zu werten.<br />

Und noch eine Nachricht lässt aufhorchen. Der „Prime IG Biotechnology<br />

Kursindex“ vollzieht zurzeit eine dynamische Kursentwicklung und hat seit<br />

Dezember des letzten Jahres um mehr als 10 Prozent zugelegt. Dies zeigt, dass die<br />

Anleger an den deutschen Börsen die Biotechnologie wieder entdeckt haben.<br />

Dass in Deutschland eine starke Biotechnologie-Branche heranwächst, die nicht nur bei<br />

der Anzahl der Unternehmen, sondern auch bei Umsatz und Beschäftigung in Europa zur<br />

Spitze gehört, ist ein wesentliches Anliegen der Bundesregierung. Das Innovationspotenzial<br />

der Biotechnologie muss gezielter erschlossen und in Wachstum und Beschäftigung<br />

umgemünzt werden. Dies erfordert innovationsfreundliche Rahmenbedingungen,<br />

wissenschaftliche Exzellenz, einen funktionierenden Technologietransfer und Kapitalmarkt<br />

sowie ein erfolgreiches Unternehmertum.<br />

Die Bundesregierung hat in den letzten Monaten mit „BioChancePLUS“ für den Mittelstand,<br />

dem Beteiligungskapital-Dachfonds und dem High Tech-Masterplan ein aufeinander<br />

abgestimmtes Maßnahmenbündel gestartet, das dazu beiträgt, Innovationen aus<br />

der Biotechnologie in der gegenwärtigen Phase wirksam voranzubringen. Ich wünsche<br />

mir, dass die Branche aus den vielen hoffnungsvollen Signalen Mut schöpft und zu neuer<br />

Stärke findet.<br />

4 PER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Vorwort<br />

Alfred Müller,<br />

Mitglied des Vorstands der Ernst & Young AG und<br />

Leiter der Deutschen Health Sciences Practice –<br />

Initiator der Europäischen und Deutschen Biotech Reports<br />

Ernst &Young präsentiert Ihnen zum fünften Mal den Deutschen Biotechnologie Report.<br />

Wie in den vergangenen Jahren wird dieser Bericht mit seiner Detailübersicht über die<br />

Biotech-Industrie in Deutschland eingebettet sein in ein internationales Konzept, mit<br />

dem Ernst &Young weltweit die Biotech-Branche beobachtet, analysiert und in Form von<br />

Trendaussagen hinsichtlich ihrer zukünftigen Entwicklung beurteilt.<br />

Neben diesem Bericht werden zeitnah der 11. Europäische Biotech Report, der<br />

18. American Biotech Report sowie zum ersten Mal ein Biotech Report für die Asia<br />

Pacific Region erscheinen. In allen kontinentalen Berichten wird darüber hinaus in einem<br />

gemeinsamen Kapitel die Biotech-Industrie aus globaler Sicht<br />

beschrieben.<br />

Biotechnologie ist ein traditionell starkes Standbein der ausgeprägten<br />

Industrie-Expertise bei Ernst & Young im Bereich Health<br />

Sciences.<br />

Diese Expertise erstreckt sich jedoch ebenso auf die Pharmaindustrie<br />

sowie inzwischen zusehends stärker auch auf die Medizintechnik<br />

und den Bereich Health Care – basierend auf vielfältigen<br />

Schnittstellen zwischen diesen Teilgebieten und unserer festen<br />

Überzeugung hinsichtlich der wichtigen Funktion all dieser Segmente<br />

in einem integrierten Gesundheitssystem.<br />

Über den Schwerpunkt Biotechnologie hinausgehend wird in diesem Jahr der zweite<br />

Ernst & Young Global Pharmaceutical Report erscheinen, der sich vornehmlich mit den<br />

wichtigsten Aufgabenstellungen der internationalen Pharma-Industrie auseinandersetzt.<br />

„Per Aspera Ad Astra“, zu Deutsch: „Der steinige Weg zu den Sternen“ – der Titel des<br />

neuen Deutschen Biotechnologie Reports 2004 gibt unserer Ansicht nach am besten<br />

die gegenwärtige Situation der Biotech-Industrie in Deutschland wieder. Die bereits im<br />

letzten Jahr einsetzende Konsolidierung der Branche setzt sich weiter fort; viele Firmen<br />

müssen in diesem Zusammenhang erkennen, wie steinig der Weg tatsächlich ist und wie<br />

weit die Sterne möglicherweise noch entfernt sind.<br />

Nach wie vor bestimmen Maßnahmen zur Kostenreduktion – Freisetzung von Mitarbeitern,<br />

Aussetzen von Projekten und Fokussierung auf das Kerngeschäft – die<br />

Agenda der Firmen.<br />

Auf der anderen Seite haben sich die Auslöser der Konsolidierung, allen voran die<br />

Kapitalmärkte und die daran geknüpften Finanzierungsbedingungen für die Branche<br />

noch nicht wesentlich erholt. Wenngleich die deutlich positivere Stimmung in den USA<br />

einen Hoffnungsschimmer auch in Europa aufkommen lässt, kann in Deutschland noch<br />

nicht von der Überwindung der Talsohle gesprochen werden.<br />

Immerhin bestätigen Beobachter der Branche mittlerweile auch, dass die Unternehmen<br />

konsequent auf die Lage reagiert haben und die getroffenen Maßnahmen fruchten. Die<br />

Tatsache, dass insgesamt der größte Teil der Firmen nach wie vor operativ tätig ist, nährt<br />

die Erwartung, dass auch ein größerer Teil von ihnen die Krise überleben wird, als in den<br />

pessimistischen Prognosen befürchtet worden war.<br />

Die Erfolge von reiferen Biotech-Firmen in den USA, aber auch die Zulassung für das<br />

erste Medikament einer deutschen Biotech-Firma haben deutlich dazu beigetragen,<br />

dass Vertrauen in die Branche zurückkehrt. Dies zeigen die gestiegenen Aktienkurse,<br />

aber auch ein Anziehen der internationalen Transaktionsaktivitäten. Die bekannten<br />

„Sterne“ oder Stars der Biotechnologie beweisen auch, dass der steinige Weg erfolgreich<br />

sein kann.<br />

Zwar muss die noch junge Branche in Deutschland vorläufig noch eher Steine aus dem<br />

Weg räumen, die Sternenziele scheinen aber dennoch<br />

nicht nur Illusion.<br />

Mit der Erstellung der Biotechnologie-Reports verfolgen<br />

wir neben der Bereitstellung von Zahlen und Trends für<br />

die Industrie und assoziierte Interessengruppen deutlich<br />

weiter gehende Ziele. Die Beschäftigung mit der<br />

Branche – mit den Firmen, den Technologien, der<br />

Intellectual Property sowie mit den Geschäftsmodellen<br />

und der Situation auf der Finanzierungsseite – begründet<br />

eine vertiefte Industrieexpertise, die uns in vielen<br />

Gesprächen immer wieder bestätigt wird.<br />

Unsere Industrieexpertise setzen wir als wichtigen Bestandteil unseres Dienstleistungsportfolios<br />

zum Mehrwert für unsere Kunden ein.<br />

Die aktuelle Wirtschaftslage, die gerade die noch jungen deutschen Biotech-Firmen<br />

hart trifft, erfordert verstärkt die professionelle Unterstützung durch den „Business<br />

Advisor“, der somit in zunehmendem Maße zum Erfolgsfaktor wird. Kern dieser Dienstleistungen<br />

ist die multidisziplinäre Praxis, die alle notwendigen Fachexpertisen aus den<br />

Bereichen risikoorientierte Prüfung, Steuerberatung, Corporate Finance und Rechtsberatung<br />

in sich vereinigt. Die enge Verzahnung der multidisziplinären Praxis mit der<br />

Industrie-Expertise gewährleistet, dass ausgearbeitete Lösungen sehr spezifisch auf die<br />

Branche und den individuellen Kunden zugeschnitten werden können.<br />

Ich hoffe, dass die vorliegende Studie Ihnen neben dem Zahlenmaterial hilfreiche<br />

Anregungen liefert und würde mich freuen, wenn Ernst & Young auf Grund dieser Studie<br />

in einen konstruktiven Dialog mit Ihnen eintreten könnte.<br />

5


Einführung<br />

Die MediGene AG aus München hat es als erstes deutsches Biotech-Unternehmen geschafft,<br />

eine Medikamentenentwicklung zur Marktzulassung zu bringen und prüft zudem ein weiteres<br />

Medikament in Phase III. Dr. Peter Heinrich (CEO MediGene AG) führt mit seiner Perspektive<br />

zur Entwicklung der deutschen Biotechnologie in die Thematik dieser Studie ein.<br />

Dr. Peter Heinrich, Vorstandsvorsitzender MediGene AG,<br />

Vorstandsvorsitzender VBU<br />

Wie kann Biotechnologie ein bedeutender<br />

Wirtschaftsfaktor für Deutschland werden?<br />

Biotech ist eine spannende, innovative, unternehmerische Industrie. Ihre Anwendungsmöglichkeiten<br />

reichen von der Medizin über klassische Nahrungsmittelerzeugung<br />

und Landwirtschaft bis hin zur Bioinformatik. In zunehmendem Maß wird sie als Basisoder<br />

Schlüsseltechnologie für die kommenden<br />

Jahrzehnte bezeichnet und ihr ein ähnlicher Stellenwert<br />

wie der Mikroelektronik und der Informationstechnik<br />

beigemessen. Als noch junge Branche – ihre Ursprünge<br />

begannen Ende der 1970er-Jahre in den USA, Deutschland<br />

zog erst Anfang der 90er-Jahre nach – gehören ihr<br />

heute rund 4.500 Unternehmen weltweit an. Besonders<br />

im medizinischen Bereich haben biotechnologische<br />

Methoden bislang deutliche Fortschritte ermöglicht. Insbesondere<br />

dank der Gentechnik und neuer zellbiologischer<br />

Methoden können Krankheitsursachen besser<br />

identifiziert, Herstellungsverfahren optimiert und neue<br />

Therapeutika entwickelt werden, die häufig gezielter,<br />

schonender und effektiver wirken. Viele der heute verwendeten Medikamente sind überhaupt<br />

nur mittels biotechnischer Verfahren zugänglich. Experten gehen davon aus, dass<br />

im Jahr 2010 bereits die Hälfte aller neuen Medikamente ihren Ursprung in Biotechnologie-Firmen<br />

genommen haben werden.<br />

Während zur amerikanischen Biotech-Industrie bereits eine Reihe von reifen<br />

Unternehmen gehören, die in Profit, Mitarbeiterzahlen und Börsenwert manch alteingesessene<br />

Pharmakonzerne übertreffen, befindet sich die europäische und deutsche<br />

Biotechnologie-Branche noch in der Aufbauphase. Etwa 350 Biotechnologie-<br />

Unternehmen gibt es in Deutschland, die ältesten darunter sind kaum älter als zehn<br />

Jahre alt. Der Großteil dieser Firmen arbeitet noch mit Verlusten und wird erst in den<br />

nächsten Jahren die Gewinnschwelle erreichen. Die Entwicklung neuer Medikamente<br />

und Technologien erfordert diese Zeit. Auf dem Weg, die deutsche Biotechnologie zu<br />

einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor zu machen, haben die Unternehmen selbst, aber<br />

auch Finanzinvestoren, die Pharmabranche und nicht zuletzt die Politik eine entscheidende<br />

Rolle zu spielen.<br />

Die Unternehmen müssen in den nächsten Jahren greifbare Ergebnisse zeigen, also:<br />

Erste Medikamente auf den Markt bringen und Technologien breit vermarkten, um zu<br />

zeigen, dass ihre Ideen realisierbar und vor allem kommerzialisierbar sind. Sie müssen<br />

ihre Geschäftsmodelle verstärkt auf ihre Kunden zuschneiden, sich gegebenenfalls auf<br />

Kernbereiche fokussieren und ihre Ressourcen bündeln, um möglichst bald profitabel zu<br />

werden. Dies gilt auch für die Branche als Ganzes: Firmen sollten sich zusammenschließen,<br />

um Synergien herzustellen und Unternehmen mit ausreichender Größe zu<br />

bilden. Hierbei sind auch die Finanzinvestoren gefragt. Sie sollten diesen Prozess unterstützen<br />

und darüber hinaus ihre Finanzierungspolitik weniger nach<br />

dem Gießkannenprinzip ausrichten, sondern besser nach strengen<br />

Qualitätsmaßstäben in eine geringere Anzahl von Unternehmen<br />

investieren. Letzteres gilt auch für die staatlichen Förderinstrumente.<br />

Die Pharmabranche als Partner von Biotech ist aufgerufen, ihre<br />

Bereitschaft zur Zusammenarbeit nicht aus taktischen Gründen auf<br />

Eis zu legen, denn letztlich wird ihr eine gesunde Biotech-Branche<br />

nutzen. Schließlich müssen politische Entscheidungen getroffen<br />

werden, die Innovationen ermöglichen und die Bereitschaft von<br />

Investitionen fördern: So gilt es dringend, die steuerlichen Rahmenbedingungen<br />

zu verbessern, damit Investitionen in Deutschland<br />

wieder so interessant werden wie in anderen Ländern Europas, die<br />

bereits steuerliche Vorteile bieten. Europäisches Recht muss baldmöglichst<br />

in nationales Recht umgesetzt werden. Das betrifft z. B. die europäische<br />

Patentrichtlinie. Deutschland gehört zu den wenigen EU-Ländern, die diese noch nicht in<br />

deutsches Recht übernommen haben, obwohl sie die Gratwanderung zwischen<br />

notwendigem Schutz und erforderlichem Entwicklungsspielraum in vorbildlicher Weise<br />

meistert. Es gilt aber ebenso für die Neuformulierung des deutschen Gentechnik-<br />

Gesetzes. Hier sieht die zugrunde liegende, europäische Richtlinie zahlreiche Vereinfachungen<br />

und Erleichterungen vor, die vollständig umgesetzt werden sollten, um zu verhindern,<br />

dass Unternehmen abwandern und Investoren von Investitionen in Deutschland<br />

abgeschreckt werden. Ich halte es für gut, dass in Deutschland Bedenken gegenüber<br />

neuen Technologien ihren Platz haben. Wir dürfen aber nicht die Chancen aus den Augen<br />

verlieren, die mit neuen Möglichkeiten verbunden sind, und wir müssen uns bewusst<br />

sein, dass uns nur begrenzte Zeit bleibt, diese Chancen zu nutzen!<br />

Die Zukunftsfähigkeit des Technologiestandorts Deutschland wird entscheidend von<br />

der Entwicklung der Biotechnologie-Industrie mitbestimmt werden. Biotech gehört zu<br />

den wenigen rohstoffunabhängigen Spitzentechnologien, die wir haben. Deutschland<br />

verfügt über die wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Ressourcen, aus diesem<br />

Potential eine Erfolgsstory zu gestalten. Zum Nutzen aller: Patienten, Verbraucher,<br />

Gesellschaft und Industrie gleichermaßen.<br />

6 PER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


1. Kommerzielle Biotechnologie in Deutschland – Ein Überblick<br />

Per Aspera Ad Astra<br />

Per aspera ad astra – aus dem Lateinischen ins Deutsche<br />

übersetzt, heißt soviel wie „der steinige Weg zu den Sternen“.<br />

Dies charakterisiert die derzeitige Lage der deutschen Biotech-<br />

Industrie. Denn noch hat die deutsche Biotech-Branche die Talsohle<br />

nicht durchschritten – im Gegensatz zur US-amerikanischen<br />

Biotech-Industrie, die bereits „back on track“ und erneut<br />

energiegeladen ist.<br />

In den USA sind jedoch die Ausgangsvoraussetzungen deutlich<br />

anders: Vor dem „Downturn“ der letzten Jahre waren<br />

bereits therapeutische Produkte auf dem Markt, und es wurden<br />

mit etwa 30 Milliarden US$ Umsätze in zweistelliger<br />

Milliarden-Höhe erzielt. Zum Vergleich: Die deutsche Biotech-<br />

Industrie kam im Jahr 2001 erstmals auf einen Branchen-<br />

Umsatz von knapp über einer Milliarde €. Auch die europäische<br />

Biotech-Industrie liegt trotz zweistelliger Milliarden-Umsätze<br />

(gut 10 Mrd. €) nur bei einem Drittel des Umsatzes des USA-<br />

Sektors, obwohl es in Europa mehr Biotech-Unternehmen gibt.<br />

Doch obwohl der Weg steinig ist, führt er zu den Sternen und<br />

die Biotechnologie ist noch immer unbestritten Schlüsseltechnologie<br />

und damit ein Fixstern des 21. Jahrhunderts, denn<br />

die Aussichten für Biotech-Firmen, die es schaffen, neue<br />

Medikamente auf den Markt zu bringen, sind rosig.<br />

Bestes Beispiel dafür ist das US-Unternehmen Genentech, das<br />

bereits früh Erfolge zu verzeichnen hatte, seit es in den 80er<br />

Jahren mit Partner Eli Lilly das weltweit erste gentechnisch<br />

hergestellte Medikament auf den Markt brachte. Mittlerweile<br />

hat Genentech 13 Medikamente auf dem Markt und eine gut<br />

gefüllte Pipeline – dies zeigen die drei Zulassungen neuer<br />

Medikamente in jüngster Zeit. Allein die Nachricht von<br />

positiven Ergebnissen der klinischen Studie von Avastin –<br />

einem neuartigen Medikament gegen Krebs – sowie die<br />

nachfolgende US-Zulassung im Februar 2004 führte zur<br />

Verdreifachung des Wertes der Genentech-Aktie.<br />

Gerade aber die Erfahrung der deutschen Biotech-Industrie in den<br />

letzten Jahren zeigt, dass der „Weg zu den Sternen steinig“ ist.<br />

Steinig ist der Weg, weil Rückschläge bei der Medikamentenentwicklung<br />

eingesteckt werden mussten; steinig auch, weil die<br />

Verschlechterung der Kapitalmarktsituation mit nachfolgendem<br />

Versiegen der externen Finanzierungsquellen die Branche<br />

mitten im Aufbruch traf und somit beispielsweise auch viel<br />

versprechende Projekte mangels Kapital eingefroren werden<br />

mussten.<br />

Viele Unternehmen kämpfen nach wie vor um das Überleben<br />

und die Industrie ist somit weiterhin von Konsolidierung durch<br />

Übernahmen und Insolvenzen geprägt. Jedoch sollte die<br />

gegenwärtige Konsolidierung, die im Übrigen nach wie vor<br />

nicht in übermäßigem Ausmaß auftritt, positiv gesehen werden,<br />

da sie dazu verhilft, der Branche nach steinigen Jahren einen<br />

Neuanfang zu ermöglichen, aus dem sie gestärkt hervorgehen<br />

wird.<br />

Es gibt aber auch Positives zu vermelden: Die Münchener<br />

MediGene AG hat es als erstes deutsches Biotech-Unternehmen<br />

geschafft, ein Produkt durch die Zulassung zu bringen und wird<br />

das Krebsmedikament Eligard in Partnerschaft mit dem<br />

japanischen Pharmakonzern Yamanouchi in diesem Jahr auf den<br />

Markt bringen. Diese Zulassung dürfte der deutschen Biotech-<br />

Branche internationale Beachtung verschaffen und wesentlich<br />

zu einer Verbesserung der noch immer sehr zaghaften<br />

Stimmung und einem Zukunftsoptimismus beitragen.<br />

Die Bilanz auf einen Blick für das Jahr 2003 ergibt:<br />

• eine weitere negative Entwicklung der Kennzahlen,<br />

• dennoch Anzeichen für Fortschritt in einzelnen Bereichen wie<br />

zum Beispiel weniger Firmen, die gar keinen Umsatz haben<br />

und eine zunehmende Anzahl an Wirkstoffen in Phase I, II<br />

und III,<br />

• kein Anstieg der Insolvenzen gegenüber 2002, dafür deutlich<br />

mehr Akquisitionen,<br />

• eine Zunahme der Serviceorientierung sowie eine Neuausrichtung<br />

von Firmen durch Restrukturierung,<br />

• leicht gestiegenes Volumen an Risikokapitalfinanzierungen<br />

sowie Hoffnung auf ein sich öffnendes Börsenfenster,<br />

• neue Initiativen auf Bundesebene zur Unterstützung der<br />

Branche.<br />

7


Eckdaten<br />

Nach 2002 hat sich im Jahr 2003 zum zweiten Mal in Folge die<br />

Anzahl der Firmen verringert, die sich überwiegend auf die<br />

Kommerzialisierung der modernen Biotechnologie konzentrieren.<br />

Die Zahl der Neugründungen des Jahres 2003 konnte<br />

wiederum die gestiegene Anzahl an Insolvenzen, Geschäftsauflösungen<br />

und Übernahmen nicht aufwiegen.<br />

Weiterhin abgenommen haben ebenfalls die wichtigsten Kennzahlen<br />

wie Anzahl der Mitarbeiter, Höhe der FuE-Ausgaben<br />

und Umsatz.<br />

Technologien und Produkte<br />

Als Technologiebasis werden in den Firmen neben Genomics-<br />

Technologien insbesondere Screening- und Assay-Methoden<br />

sowie Zell- und Gewebekulturen eingesetzt. Aber auch Bioinformatik<br />

und Proteomics sind nach wie vor wichtige Grundlagen<br />

in der modernen biotechnologischen Forschung.<br />

Das Geschäftsfeld, in dem die Biotech-Firmen am stärksten<br />

aktiv sind, ist unverändert die Entwicklung von therapeutischen<br />

Wirkstoffen, obwohl ihr Anteil an der Gesamtzahl an Firmen im<br />

Vergleich zum Vorjahr leicht abgenommen hat. Danach folgen<br />

Unternehmen, die Molekulardiagnostika entwickeln. Das heißt<br />

auch, dass die überwiegende Zahl der Biotech-Unternehmen<br />

(92 Prozent) sich wie bislang mit dem „roten Bereich“ der<br />

Biotechnologie beschäftigt, also mit medizinischen Anwendungen.<br />

Erfreulicherweise hat sich die Zahl der Wirkstoffe in der<br />

Entwicklungspipeline deutscher Core-Biotech-Unternehmen im<br />

Vergleich zum Vorjahr leicht erhöht. Damit konnte der<br />

vorherige Rückgang, unter anderem verursacht durch die<br />

Akquisition von Unternehmen mit Entwicklungsprodukten<br />

durch ausländische Firmen, wieder aufgeholt werden. Sowohl<br />

bei den Wirkstoffen in Phase I und II als auch der Phase III der<br />

klinischen Entwicklung ist ein weiterer, deutlicher Fortschritt zu<br />

erkennen. Somit hat sich die Zahl der Wirkstoffe in der klinischen<br />

Pipeline mit 68 Kandidaten bemerkbar erhöht. Zudem<br />

erfolgte wie bereits erwähnt mit Eligard, einem Produkt der<br />

MediGene AG im Dezember 2003 die erste Zulassung eines<br />

Produktes einer deutschen Biotech-Firma.<br />

Dagegen sind viele von deutschen Biotech-Firmen entwickelte<br />

Molekulardiagnostika schon am Markt etabliert, und auch Produkte<br />

aus dem Bereich Tissue Engineering werden bereits als<br />

Therapeutika am Markt angeboten.<br />

KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />

Der Bereich der „grünen“ Biotechnologie, der Anwendungen in<br />

Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie umfasst, ist im<br />

Gegensatz zur „roten“ Biotechnologie nach wie vor weniger<br />

stark vertreten. Gerade mal 13 Prozent der deutschen Core-<br />

Biotech-Firmen beschäftigen sich mit diesem Bereich, der<br />

neben der Entwicklung von transgenen Pflanzen für verschiedene<br />

Zwecke vor allem die molekulare Diagnostik im<br />

Lebensmittelbereich umfasst.<br />

Gleichauf liegen mit 13 Prozent die Unternehmen, die sich mit<br />

der so genannten „grauen“ oder „weißen“ Biotechnologie<br />

befassen, das heißt, Anwendungen in Umweltschutz und<br />

Industrie verfolgen.<br />

Geschäfts- und Kommerzialisierungsstrategien<br />

Bei den Geschäftsmodellen hat sich die Zahl der rein produktentwickelnden<br />

Firmen deutlich reduziert. Entsprechend ist der<br />

Anteil an Firmen, die Produkte entwickeln und gleichzeitig<br />

Service anbieten, signifikant gestiegen. Dieser Trend bei der<br />

Geschäftsausrichtung erklärt vermutlich das Überleben vieler<br />

Firmen. Zudem vollzogen einige Firmen umfangreiche<br />

Restrukturierungsmaßnahmen, um durch eine Neuausrichtung<br />

bessere Überlebenschancen zu haben.<br />

Finanzierung und Kapitalmarkt<br />

Venture Capital war im vergangenen Jahr weiterhin die einzige<br />

Eigenkapital-Quelle für die deutsche Biotech-Industrie. Der<br />

Gesamtbetrag an investiertem Risikokapital lag mit rund 216<br />

Millionen € immerhin leicht über dem Niveau vom Jahr 2002<br />

(207 Millionen €), so dass hier kein weiterer Einbruch erfolgte.<br />

Erfolgreiche Biotech-Börsengänge in den USA nähren auch in<br />

Europa und Deutschland die Hoffnung, in näherer Zukunft<br />

wieder auf diese Finanzierungsquelle zählen zu können.<br />

Biotech-Standort Deutschland<br />

Zur Stärkung des Technologiestandortes Deutschland hat die<br />

Bundesregierung Anfang diesen Jahres den High-Tech Masterplan<br />

vorgestellt. Dieser umfasst insbesondere einen verbesserten<br />

Zugang zu Wagniskapital sowie die Schaffung international<br />

wettbewerbsfähiger steuerlicher Rahmenbedingungen und zielt<br />

insofern auch auf die deutschen Biotech-Firmen. Maßnahmen<br />

in Nachbarländern wie zum Beispiel Frankreich mit ähnlicher<br />

Zielrichtung können hier jedoch zum Teil als effektiver angesehen<br />

werden.<br />

8 PER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Stand der deutschen Core-Biotech-<br />

Industrie im Jahr 2003<br />

Im Fokus der vorliegenden Studie stehen Firmen, die vorwiegend<br />

moderne Methoden der Biotechnologie entwickeln<br />

oder nutzen und die hier als Core-Biotech-Unternehmen bezeichnet<br />

werden. Dieser Begriff wurde ursprünglich von<br />

Ernst & Young geprägt, wird jedoch zunehmend von weiteren<br />

Kreisen – leider auch oft für die Beschreibung einer anderen,<br />

eigenen Abgrenzung von Biotech-Firmen – genutzt.<br />

Ziel dieser Fokussierung ist es, den Kern der Branche abzubilden<br />

und somit eine homogene Menge an Firmen zu erfassen,<br />

die mit ähnlichen Methoden arbeiten und deshalb bezüglich der<br />

untersuchten Parameter (Geschäftsmodell, Geschäftsfelder etc.)<br />

besser vergleichbar sind.<br />

Diese Betrachtung beinhaltet folglich keine Firmen, die sich<br />

zum Beispiel mit klassischen Methoden der Biotechnologie<br />

beschäftigen oder in der Medizintechnik tätig sind. Detaillierte<br />

Ausführungen zu Definitionen, Abgrenzungen und Methodik<br />

der vorliegenden Untersuchung finden sich im Anhang.<br />

Ebenso nicht im engeren Fokus stehen traditionelle Mittelstands-<br />

und Großunternehmen aus der Pharma- und Agroindustrie,<br />

auch wenn sie mit Methoden der modernen Biotechnologie<br />

arbeiten. Um jedoch deren Bedeutung innerhalb der<br />

deutschen Core-Biotech-Industrie zu betonen, wird der deutschen<br />

Pharmaindustrie und ihrem Bezug zur Biotechnologie ein<br />

eigenes Kapitel in dieser Studie gewidmet (siehe Kapitel 3.3).<br />

Tabelle 1-1:<br />

Eckdaten der deutschen Core-Biotech-Industrie<br />

Auch wenn der weite Bereich der Firmen, die von Ernst &<br />

Young nicht zu den Core-Biotech-Unternehmen gezählt<br />

werden, nicht im Fokus dieser Studie steht, so sind sie natürlich<br />

ein wichtiger Bestandteil des „Wertschöpfungsnetzwerks<br />

Biotechnologie“. Es handelt sich hier beispielsweise um Firmen<br />

aus den Bereichen ELISA-Immundiagnostik, biomagnetische<br />

Separation, Hersteller monoklonaler Antikörper zu Forschungszwecken,<br />

Nanopartikel, Pharmakoservices, biochemische<br />

und biosensorische Analytik, klassische Fermentation,<br />

Geräte- und Materiallieferanten. Stellvertretend für viele seien<br />

hier einige große und namhafte Vertreter dieser Bereiche<br />

genannt: ScheBo Biotech und BRAHMS, Miltenyi Biotec und<br />

chemagen, BIOGENES und nanoTOOLS, Nanopharm, Across<br />

Barriers und GenPharmTox, Trace, Girindus, CyBio und Vivascience.<br />

Werden diese Firmen aus dem weiteren Bereich der Biotechnologie<br />

hinzugezählt, so finden sich in der deutschen Industrie<br />

nach verschiedenen Quellen ungefähr 500 plus X Firmen, die<br />

im weitesten Sinne mit der Biotechnologie zu tun haben.<br />

Unter Berücksichtigung der im Anhang ausführlich dargestellten<br />

Definition und Abgrenzung der Core-Biotech-Firmen durch<br />

Ernst & Young, die auch den internationalen Reports von<br />

Ernst & Young zu Grunde liegt, beläuft sich die aktuelle<br />

Firmenanzahl der deutschen Core-Biotech-Industrie auf 350<br />

Unternehmen.<br />

Gesamt-<br />

Industrie<br />

Börsennotierte<br />

Unternehmen<br />

Jahr 2001 2002 2003 2003<br />

Allgemeine Kennzahlen<br />

Anzahl der Unternehmen 365 –1 % 360 –3 % 350 11<br />

Anzahl der Beschäftigten 14.408 –7 % 13.400 –14 % 11.535 3.431<br />

in FuE 7.858 –7 % 7.308 –16 % 6.120 1.333<br />

Finanzdaten (in Mio. €)<br />

Umsatz 1.045 –3 % 1.014 –5 % 960 469<br />

FuE-Ausgaben 1.228 –11 % 1.090 –11 % 966 141<br />

Verlust –551 +20 % -661 –17 % –549 –100<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

9


Per Aspera Ad Astra<br />

Nach der „Zeit der Bewährung“ im Jahr 2002 kann der Zustand<br />

der deutschen Core-Biotech-Industrie im Jahr 2003 mit dem<br />

Bild des „steinigen Wegs zu den Sternen“ beschrieben werden.<br />

Vermutlich sind sich alle Branchenvertreter einig, dass die<br />

kommerzielle Umsetzung der modernen Biotechnologie als<br />

Schlüsseltechnologie – und damit als Stern – des 21. Jahrhunderts<br />

gilt. Dennoch musste – vor allem nach dem rasanten<br />

Wachstum zwischen den Jahren 1996 und 2000 – die Industrie<br />

in den letzten Jahren erkennen, dass viele Hoffnungen und<br />

Visionen nicht so schnell umgesetzt werden konnten, wie<br />

anfänglich erwartet. Die Biotech-Industrie ist endgültig in der<br />

Realität angekommen. Nach dem Platzen der Börsen- und<br />

anderen Erwartungsblasen haben die realen Marktbedingungen<br />

wie Finanzierung, Produktentwicklung, Vertrieb und Kundengewinnung<br />

die deutschen Biotech-Firmen wieder auf den Boden<br />

der betriebswirtschaftlichen Tatsachen gebracht.<br />

Im Grunde kann weiterhin von einer Bewährungsprobe gesprochen<br />

werden, da sich die Branche noch nicht erholt und die<br />

Phase der Stagnation bzw. der rückläufigen Kennzahlen sich<br />

weiter fortgesetzt hat. Allerdings liefern die Eckdaten, die über<br />

die Zahl von Unternehmen und Mitarbeitern sowie die<br />

finanziellen Kenndaten wie Umsatz, Forschungs- und Entwicklungsausgaben<br />

sowie Verlust Auskunft geben, lediglich ein<br />

statistisch gemitteltes Bild der deutschen Core-Biotech-<br />

Industrie. Sie spiegeln nicht wider, dass es im Einzelfall auch<br />

sehr erfolgreiche Firmenentwicklungen gab. Gerade Restrukturierungen,<br />

oft einhergehend mit Mitarbeiterabbau, waren<br />

notwendig, um die Unternehmen wieder fit für die Zukunft zu<br />

machen. Diese Bemühungen, sich auf dem „steinigen Weg zu<br />

den Sternen“ zurecht zu finden, erklären auch, warum es zum<br />

Beispiel sehr viel weniger Insolvenzen gab als vielfach<br />

erwartet. Von Entwarnung kann allerdings noch keine Rede<br />

sein, da vermutlich viele Unternehmen in eine Art<br />

„Winterschlaf“ verfallen sind, bei dem sie durch entsprechende<br />

Maßnahmen Energie sparen und Kräfte für den nächsten<br />

Frühling sammeln. Einige werden es schaffen, andere jedoch<br />

haben die Energie so weit heruntergefahren, dass ein Erwachen<br />

sehr schwer fallen oder gar nicht erfolgen wird.<br />

Wann die in der US-Biotech-Industrie bereits wieder sehr<br />

positive Stimmung Relevanz für die hiesige Industrie haben<br />

wird, bleibt einstweilen eine offene Frage.<br />

KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />

Allgemeine Kennzahlen der deutschen Core-Biotech-<br />

Unternehmen im Jahresvergleich<br />

Nach 2002 ist die Anzahl der deutschen Core-Biotech-<br />

Unternehmen (im Folgenden auch nur „Biotech-Unternehmen“<br />

genannt) im Jahr 2003 zum zweiten Mal in Folge nicht weiter<br />

gestiegen, nachdem in den wachstumsstarken Jahren zeitweise<br />

Zuwächse um mehr als 20 Prozent erfolgten.<br />

Mit 350 Firmen ist die Unternehmenszahl im Vergleich zum<br />

Vorjahr (360 Firmen) weiter gesunken. Der Rückgang beläuft<br />

sich auf rund drei Prozent.<br />

Abbildung 1-1:<br />

Historische Entwicklung der Anzahl an<br />

Core-Biotech-Unternehmen<br />

Dennoch hat ein in der Branche vielfach diskutierter und befürchteter<br />

Einbruch von 50 Prozent bei der Anzahl an Firmen nicht<br />

statt gefunden und wird vermutlich auch in Zukunft nicht erfolgen.<br />

Eine Analyse der 350 deutschen Biotech-Firmen nach ihrer<br />

Finanzierungsquelle hat ergeben, dass aktuell lediglich 32 Prozent<br />

der Unternehmen mit Risikokapital finanziert sind. Damit sind<br />

68 Prozent der deutschen Biotech-Firmen von dieser externen<br />

Kapitalquelle und ihrer derzeitigen Schwäche weitestgehend<br />

unabhängig. Mit der Annahme, dass eventuell die Hälfte der<br />

VC-finanzierten Unternehmen keine weitere Risikokapital-<br />

Finanzierung erhalten, wäre in diesem Bereich ein maximaler<br />

Einbruch von ca. 50 Firmen möglich. Allerdings ist bei einer<br />

solchen Betrachtung auch zu berücksichtigen, dass auch die<br />

nicht VC-finanzierten Firmen sich am Markt behaupten müssen.<br />

10 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

104<br />

1996<br />

173<br />

1997<br />

222<br />

1998<br />

279<br />

1999<br />

332<br />

2000<br />

365<br />

360<br />

350<br />

2001 2002 2003<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004


Der Rückgang der Zahl an Biotech-Firmen beruht darauf, dass<br />

die Zahl der Neugründungen des Jahres 2003 wiederum die<br />

gestiegene Anzahl an Insolvenzen, Geschäftsauflösungen und<br />

Übernahmen nicht aufwiegen konnte.<br />

Abbildung 1-2:<br />

Übersicht zu Abgängen und Neugründungen der letzten Jahre<br />

Anzahl der Unternehmen/Neugründungen<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

279<br />

57<br />

332<br />

6<br />

59<br />

365 360<br />

1999 2000 2001 2002<br />

Die Abgänge machen jedoch nach wie vor weniger als zehn<br />

Prozent der Gesamtzahl an Core-Biotech-Unternehmen aus; ein<br />

Anteil, der offenkundig nicht den oft erwarteten massiven<br />

Einbruch bei der Firmenanzahl repräsentiert. Insbesondere die<br />

mehr oder weniger gleich gebliebene Anzahl an Insolvenzen ist<br />

sicher nicht erwartet worden.<br />

Im Vergleich zu den hier ermittelten 24 Insolvenzen von Core-<br />

Biotech-Firmen werden in der Branche auch andere, weitaus<br />

höhere Angaben zu Insolvenzen diskutiert. Jedoch umfassen<br />

diese auch Insolvenzen von Unternehmen, die nicht im Fokus<br />

dieser Studie stehen, und somit würden bei deren Erfassung<br />

falsche Aussagen abgeleitet werden. Der Anteil an Abgängen<br />

beträgt beispielsweise nach BIOCOM im gesamten Bereich der<br />

Biotech-Industrie knapp 10 Prozent und deckt sich somit mit<br />

dem hier ermittelten Anteil.<br />

44<br />

25<br />

*350<br />

34<br />

2003<br />

*Die Zahl 350 enthält zusätzlich zwei Neuzugänge sowie einen<br />

Abgang aus früheren Jahren, die erst jetzt berücksichtigt wurden.<br />

11<br />

30<br />

23<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Insgesamt beläuft sich die Anzahl der Abgänge auf 34. Diesen<br />

Abgängen standen im letzten Jahr 23 Neugründungen gegenüber.<br />

Der Trend zu weniger Neugründungen, der im Jahre 2001<br />

begann, hat sich somit nicht weiter fortgesetzt. Allerdings ist die<br />

Zahl der Neugründungen im Vergleich<br />

Anzahl der Abgänge<br />

Unternehmen<br />

insgesamt<br />

zum Vorjahr einigermaßen stabil geblieben,<br />

ansonsten wäre der Einbruch bei der<br />

Gesamt-Firmenzahl vermutlich deutlicher<br />

ausgefallen.<br />

Von den Neugründungen sind drei mit<br />

Risikokapital finanziert worden. Die<br />

anderen bieten vor allem Service in den<br />

Bereichen Genomic-Dienstleistungen, Auftragsproduktion,<br />

und Bioinformatik an.<br />

Unter den Neugründungen finden sich<br />

auch zwei „Restarts“ vorher insolvent<br />

gemeldeter Firmen: Nascacell und<br />

BioTissue Technologies.<br />

Neugründungen<br />

Bei den Abgängen wird deutlich, dass<br />

Abgänge eine Konsolidierung nun über eine vermehrte<br />

Anzahl an Akquisitionen erfolgt.<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004 Bemerkenswert ist auch, dass immerhin<br />

drei der vorher insolvent gemeldeten<br />

Firmen später von anderen Unternehmen übernommen wurden:<br />

Abeta, bioLeads und memorec.<br />

Abbildung 1-3:<br />

Zusammensetzung der Abgänge<br />

insgesamt<br />

davon<br />

Akquisitionen<br />

davon<br />

Fusionen<br />

davon<br />

Insolvenzen/<br />

Auflösungen<br />

1<br />

1<br />

4<br />

9<br />

Anzahl der Abgänge<br />

25<br />

24<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />

30<br />

34<br />

2002<br />

2003<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

11


Mitarbeiterentwicklung<br />

Neben der Stagnation bei der Anzahl der Firmen ist als weiteres<br />

Charakteristikum der derzeitigen Branchenlage eine nochmalige<br />

deutliche Reduktion der Zahl der Beschäftigten zu<br />

beobachten.<br />

Zum einen ist dieses auf die bereits angesprochenen Abgänge<br />

zurückzuführen (wobei die Neugründungen mit eher kleiner<br />

Mitarbeiterzahl nicht viel zu einer Steigerung der Mitarbeiterzahl<br />

beitragen konnten), zum anderen wurden jedoch auf Grund<br />

von Restrukturierungsmaßnahmen in vielen Firmen Mitarbeiter<br />

abgebaut.<br />

Der Rückgang der Mitarbeiterzahl bei den 350 Unternehmen<br />

betrug im Vergleich der Jahre 2002 und 2003 7 bzw. 14 Prozent.<br />

Der Wert für 2003 liegt damit doppelt so hoch wie der Mitarbeiterabbau<br />

im Jahr 2002. Neben der Verringerung der Mitarbeiterzahl<br />

durch Restrukturierung mussten viele Unternehmen<br />

Personal entlassen, um weiter Kosten zu sparen bzw. um überhaupt<br />

eine Chance zum Überleben zu haben. Absolut gesehen<br />

sank die Beschäftigtenzahl von 13.400 auf 11.535. Es waren<br />

somit im vergangenen Jahr in der deutschen Core-Biotech-<br />

Industrie fast 2.000 Mitarbeiter weniger beschäftigt als im Vorjahr.<br />

Somit hat die deutsche Biotech-Industrie im Bereich der Mitarbeiterstärke<br />

einen Stand erreicht, der den Jahren vor der<br />

„Finanzierungsblase“ entspricht.<br />

KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />

Abbildung 1-4:<br />

Entwicklung der Anzahl an Mitarbeitern in Core-Biotech-Unternehmen<br />

Anzahl der Mitarbeiter insgesamt<br />

16.000<br />

14.000<br />

12.000<br />

10.000<br />

8.000<br />

6.000<br />

4.000<br />

2.000<br />

0<br />

23<br />

4.013<br />

25<br />

5.650<br />

29<br />

8.124<br />

32<br />

10.673<br />

39<br />

14.408<br />

37<br />

13.400<br />

33<br />

11.535<br />

1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Bedauerlicherweise findet dieser weitere Rückschritt nach wie<br />

vor in einem Stadium statt, in dem die bisherige Entwicklung<br />

noch keine größere Zahl an stabilen Firmen hervorgebracht hat.<br />

Als Folge der gesunkenen Mitarbeiterzahl hat sich zwangsläufig<br />

ebenfalls die Mitarbeiterzahl pro Unternehmen weiter<br />

verringert, die bis zum Jahr 2001<br />

Mitarbeiter<br />

insgesamt<br />

Mitarbeiter pro<br />

Unternehmen<br />

kontinuierlich gewachsen war. Sie lag im<br />

Jahr 2003 bei 33 Beschäftigten pro Core-<br />

Biotech-Firma und damit deutlich niedriger<br />

als im Jahr 2002, in dem die durchschnittliche<br />

Mitarbeiterzahl nur leicht<br />

von 39 auf 37 gesunken war.<br />

Auch wenn diese Entwicklung als<br />

„Gesundschrumpfung“ begrüßt werden<br />

kann, stellt sich andererseits doch die<br />

Frage, ob der nun deutlich erkennbare<br />

Mitarbeiterrückgang in Zukunft aufgehalten<br />

werden kann, um über einen<br />

längeren Zeitraum hinweg eine stabile<br />

Industrie aufzubauen. So ist zum Beispiel<br />

in den schwierigen Jahren (1996 bis<br />

1998) der Entwicklung der US-Biotech-<br />

Industrie zwar ebenfalls die Anzahl an<br />

Unternehmen rückläufig gewesen,<br />

dennoch hat sich hier die Zahl der Mit-<br />

arbeiter stets (wenn auch teilweise gering) erhöht.<br />

Im Bereich der Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung<br />

(FuE) hat sich ein sogar noch deutlicherer Rückgang um 16<br />

Prozent ergeben. Absolut gesehen sank die Zahl der FuE-Mitarbeiter<br />

von 7.308 im Jahre 2002 auf 6.120 im Jahr 2003. Einen<br />

sehr großen Einfluss haben hierbei die börsengelisteten Core-<br />

Biotech-Unternehmen gehabt: Bei ihnen beläuft sich der Rückgang<br />

allein auf 22 Prozent. Im Vergleich dazu wurde bei den<br />

privaten Biotech-Firmen 14 Prozent der FuE-Belegschaft abgebaut.<br />

Es kann davon ausgegangen werden, dass insbesondere<br />

in den Bereichen der Technologieentwicklung bzw. der Grundlagenforschung<br />

Personal eingespart wurde, um Ressourcen<br />

vermehrt auf die Produktentwicklung zu legen. Hierzu bleibt<br />

jedoch festzuhalten, dass mit dem Weggang der Mitarbeiter<br />

auch entsprechendes Know-how verloren geht, das später<br />

gegebenenfalls wieder aufgebaut werden muss.<br />

12 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

Anzahl der Mitarbeiter pro Unternehmen<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004


Mitarbeiterverteilung<br />

Eine genaue Betrachtung der Mitarbeiterverteilung zeigt, dass<br />

die durchschnittliche Mitarbeiterzahl von 33 oder mehr<br />

Beschäftigten lediglich in 20 Prozent der Firmen vorhanden ist<br />

(siehe Abbildung 1-5). Im Vergleich zum Jahr 2002 (23 Prozent)<br />

hat sich dieser Anteil sogar noch verringert.<br />

Abbildung 1-5:<br />

Mitarbeiterverteilung der Core-Biotech-Unternehmen im Jahresvergleich<br />

1 bis 10<br />

11 bis 30<br />

31 bis 50<br />

51 bis 100<br />

101 bis 300<br />

> 300<br />

0<br />

3<br />

2<br />

1<br />

1<br />

9<br />

8<br />

Somit beschäftigen 80 Prozent aller<br />

Unternehmen weniger als 30 Mitarbeiter;<br />

im Jahr 2002 lag dieser Anteil noch bei<br />

77 Prozent.<br />

Der Vergleich der Jahre 2002 und 2003<br />

zeigt, dass das vergangene Jahr sogar<br />

eine weitere Erhöhung des Anteiles an<br />

Firmen mit weniger als zehn Beschäftigten<br />

erbrachte. Das Gleiche trifft für die<br />

Kategorie „11 bis 30 Mitarbeiter“ zu.<br />

An dieser Stelle kann jedoch auch vorsichtig<br />

die Frage gestellt werden, ob nicht<br />

gerade der hohe Anteil an kleinen Firmen<br />

mit einer Überlebensstrategie auf sehr<br />

niedrigem Niveau einen größeren Einbruch<br />

bei der Firmenzahl verhindern<br />

wird.<br />

9<br />

10<br />

33<br />

34<br />

44<br />

46<br />

2002<br />

2003<br />

Anzahl der Firmen in %<br />

10 20 30 40 50 Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Diese These wird gestützt durch die Ergebnisse der Analyse der<br />

Finanzierungsbasis der kleinen Firmen. Abbildung 1-6 zeigt<br />

hierzu die Verteilung der Mitarbeiterkategorien auf den Anteil<br />

an Unternehmen, die aktuell durch Risikokapital finanziert sind<br />

sowie auf den Anteil an Firmen, die ohne Risikokapital auskommen.<br />

Letztere finanzieren sich im Wesentlichen durch<br />

Umsätze, staatliche Mittel, Privatvermögen, tbg-Gelder und<br />

auch strategische Investoren.<br />

Insbesondere bei den Biotech-Firmen mit<br />

einer Mitarbeiterzahl bis zu 10 Beschäftigten<br />

ist der Anteil an risikokapitalunabhängigen<br />

Firmen sehr hoch. Bei<br />

diesen Firmen spielen vor allem der<br />

Umsatz, staatliche Mittel und speziell<br />

auch Privatvermögen als Finanzierungsquelle<br />

eine große Rolle.<br />

Ab der Mitarbeiterkategorie „11 bis 30<br />

Mitarbeiter“ hält sich der Anteil an nicht<br />

risikofinanzierten und VC-finanzierten<br />

Firmen die Waage.<br />

Abbildung 1-6:<br />

Mitarbeiterverteilung bei nicht VC- und VC-finanzierten Core-Biotech-<br />

Unternehmen im Jahresvergleich<br />

1 bis 10<br />

11 bis 30<br />

31 bis 50<br />

51 bis 100<br />

101 bis 300<br />

> 300<br />

10<br />

10<br />

0<br />

5<br />

6<br />

17<br />

5<br />

3<br />

4 5<br />

4 4<br />

21<br />

11<br />

34<br />

39<br />

16<br />

18 16<br />

VC-finanziert<br />

nicht VC-finanziert<br />

10<br />

10 20 30 40 50<br />

7<br />

2002<br />

2003<br />

Anzahl der Firmen in %<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

13


Finanzdaten der deutschen Core-Biotech-Unternehmen<br />

im Jahresvergleich<br />

Umsatz<br />

Nachdem die deutsche Core-Biotech-Industrie bereits im Jahr<br />

2002 erstmalig Umsatzeinbußen von drei Prozent hinnehmen<br />

musste, brachte das Jahr 2003 einen Umsatzrückgang um<br />

weitere fünf Prozent. Mit der Gesamtsumme von 960 Millionen €<br />

wurde die Grenze von einer Milliarde € Umsatz wieder unterschritten,<br />

nachdem sie im Jahre 2001 zum ersten Mal<br />

überschritten worden war.<br />

Bei den börsennotierten Unternehmen, die mit einem sehr<br />

geringen Anteil (3 Prozent) an der Gesamtzahl der Biotech-<br />

Firmen jedoch fast die Hälfte des Umsatzes stellen, ist sogar ein<br />

stärkerer Rückgang von neun Prozent zu verzeichnen. Bei<br />

diesen konnte allein Evotec OAI seinen Umsatz um 10 Prozent<br />

steigern und damit erstmals einen Gewinn vor Zinsen, Steuern<br />

und Abschreibungen erzielen.<br />

Dies bedeutet andererseits, dass bei den privaten Unternehmen<br />

der Rückgang beim Umsatz mit nur zwei Prozent eher moderat<br />

ausfällt. Erfreuliche Erkenntnisse erbringt hierbei eine Analyse<br />

der Firmen mit einem Umsatz von weniger als je vier Millionen €.<br />

Abbildung 1-7:<br />

Umsatzverteilung im Jahresvergleich<br />

Anzahl in % von antwortenden Unternehmen<br />

in 2002 und 2003<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

27<br />

16<br />

Umsatz = 0 Umsatz < 1 Umsatz<br />

1 bis 4 Mio.<br />

Der Anteil an Firmen, die gar keinen Umsatz erwirtschaften, hat<br />

sich deutlich verringert. In den Bereichen kleiner eine Million €<br />

und ein bis vier Millionen € hat sich jeweils eine Steigerung des<br />

Anteils an Firmen ergeben.<br />

43<br />

49<br />

KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />

19<br />

24<br />

11 11<br />

Umsatz<br />

> 4 Mio.<br />

Erwähnenswert zu den Firmen mit einem Umsatz im Bereich<br />

kleiner eine Million € ist, dass hier ein signifikanter Anteil<br />

deutlich über 100.000 € Umsatz erzielt und damit eine Basis<br />

geschaffen hat, den „Winterschlaf“ zu überstehen.<br />

Insgesamt eröffnet diese Entwicklung vorsichtig die Hoffnung,<br />

dass in Zukunft vermehrt Firmen den „steinigen Weg“ zum<br />

Markt finden und einen – wenn auch anfänglich bescheidenen –<br />

Umsatz erwirtschaften können.<br />

Verlust<br />

Die deutsche Core-Biotech-Branche bezifferte im vergangenen<br />

Jahr ihren Verlust auf 549 Millionen €. Der Verlust hat sich<br />

damit im Vergleich zum Vorjahr erstmals verringert. Ein sehr<br />

großer Anteil bei dieser Verringerung ist jedoch den börsennotierten<br />

Firmen zuzurechnen, die ihren Verlust um 64 Prozent<br />

reduzieren konnten. Damit ist es ihnen auch gelungen, ihren<br />

Anteil am Gesamt-Verlust der Industrie zu verkleinern: von 42<br />

Prozent auf 18 Prozent. Andererseits bedeutet dieses für die<br />

privaten Firmen einen weiteren Anstieg beim Verlust um 17<br />

Prozent. Dennoch fällt dieser Anstieg im Vergleich zum Anstieg<br />

in früheren Jahren eher moderat aus und zeigt, dass die Biotech-<br />

Firmen in der derzeitigen schwierigen wirtschaftlichen Lage<br />

nach wie vor Anstrengungen unternehmen,<br />

ihre „Burn Rate“ zu senken.<br />

Beachtlich ist an dieser Stelle jedoch,<br />

dass immerhin bereits 20 Prozent der<br />

Unternehmen angeben, Gewinn – wenn<br />

auch auf niedrigem Niveau – zu machen<br />

(2001 und 2002 je 17 Prozent).<br />

FuE-Ausgaben<br />

2002<br />

Gegenüber dem Vorjahr sind auch die<br />

FuE-Ausgaben der deutschen Core-Bio-<br />

2003<br />

tech-Unternehmen nochmals gesunken,<br />

und zwar um 11 Prozent auf 966<br />

Millionen €. Auch hier ist wiederum der<br />

Einfluss der börsennotierten Firmen sehr<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

ausschlaggebend, denn sie reduzierten<br />

den FuE-Aufwand um 34 Prozent. Bei<br />

den privaten Unternehmen belief sich der Rückgang lediglich<br />

auf sechs Prozent. Für den weiteren Fortschritt der Industrie<br />

dürfte diese Entwicklung kontraproduktiv sein. Es bleibt zu<br />

hoffen, dass der Rückgang der FuE-Ausgaben eine<br />

vorübergehende, der schlechten Konjunktur sowie der<br />

Konsolidierung geschuldete Erscheinung ist.<br />

14 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Bayern<br />

Baden-Württemberg<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Berlin<br />

Niedersachsen<br />

Hessen<br />

Brandenburg<br />

Sachsen<br />

Hamburg<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Mecklenburg-<br />

Vorpommern<br />

Thüringen 7 7<br />

Rheinland-Pfalz 6<br />

Schleswig-Holstein<br />

Bremen<br />

Saarland<br />

Abbildung 1-8:<br />

Anzahl der Core-Biotech-Unternehmen nach Bundesländern<br />

3 4<br />

3<br />

6 7<br />

0 10<br />

9<br />

11<br />

9<br />

10<br />

Die regionale Verteilung der deutschen Core-Biotech-<br />

Unternehmen<br />

8<br />

An der Rangfolge der Bundesländer hinsichtlich der Anzahl an<br />

Core-Biotech-Firmen haben sich gegenüber dem Vorjahr kaum<br />

Veränderungen ergeben. Nach wie vor nimmt Bayern mit 86<br />

Unternehmen die Spitzenstellung ein und konnte diese sogar<br />

geringfügig ausbauen.<br />

Die meisten der anderen starken Bundesländer wie Baden-<br />

Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Berlin-Brandenburg<br />

mussten jedoch einen stärkeren Rückgang bei der Firmenzahl<br />

hinnehmen, der sich dadurch ergab, dass die Anzahl an Neugründungen<br />

die Zahl der Abgänge in Form von Übernahmen<br />

und Insolvenzen nicht aufwiegen konnte.<br />

12<br />

13<br />

11<br />

11<br />

17<br />

18<br />

17 19<br />

24<br />

26<br />

33 36<br />

37<br />

42<br />

20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />

63<br />

67<br />

85<br />

86<br />

2002<br />

2003<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Eine geringfügige Zunahme bei der Firmenanzahl erfolgte in<br />

den Bundesländern Niedersachsen, Hessen, Sachsen, Sachsen-<br />

Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Hamburg, Thüringen<br />

und das Saarland blieben stabil.<br />

Zu beachten bleibt, dass es sich bei der Biotech-Branche um<br />

eine globale Industrie handelt, die mit vielen anderen Regionen<br />

in der Welt in Konkurrenz steht. Entscheidend ist letztlich nicht<br />

die Anzahl an Firmen, sondern das Vorhandensein starker<br />

Firmen mit globaler Bedeutung.<br />

Der regionale Aspekt sollte daher zunehmend in den Hintergrund<br />

treten und das nationale Interesse vornehmlich darauf<br />

ausgerichtet werden, die Industrie in Deutschland insgesamt<br />

voranzubringen.<br />

15


KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />

Abbildung 1-9:<br />

Bundesweite Verteilung der deutschen Core-Biotech-Unternehmen<br />

Düsseldorf<br />

Köln<br />

Saarbrücken<br />

Münster<br />

Mainz<br />

Freiburg<br />

Tübingen<br />

Bremen<br />

Marburg<br />

Frankfurt<br />

Darmstadt<br />

Hannover<br />

Heidelberg<br />

Stuttgart<br />

Ulm<br />

Kiel<br />

Hamburg<br />

Göttingen<br />

Würzburg<br />

München<br />

16 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

Lübeck<br />

Braunschweig<br />

Rostock<br />

Magdeburg<br />

Ein Punkt kann ein<br />

oder mehrere Unternehmen<br />

repräsentieren. Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Jena<br />

Halle<br />

Leipzig<br />

Regensburg<br />

Greifswald<br />

Potsdam<br />

Berlin<br />

Dresden


2. Technologien und Produkte<br />

2.1 Technologien, Plattformen & neue Forschungsansätze<br />

Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich – wenn nicht<br />

anders erwähnt – auf diejenigen Unternehmen, die Ernst &<br />

Young in einer Umfrage Informationen zur Verfügung gestellt<br />

haben. Ein Überblick zur Methodik der Studie findet sich im<br />

Anhang.<br />

Die Abbildung 2-1 zeigt, welche Technologien hauptsächlich<br />

die Basis für die Geschäftstätigkeit der Sample-Unternehmen<br />

sind. Bei der Hälfte der Firmen spielen Genomics, Screening &<br />

Assays sowie Zell- und Gewebekulturen eine wichtige Rolle.<br />

Auch Proteomics und Bioinformatik nehmen einen bedeutenden<br />

Anteil ein. Biochips, Molecular Modelling, kombinatorische<br />

Biologie und Chemie sowie Modellorganismen und Antikörper<br />

sind weitere Technologien bzw. Plattformen, die zu<br />

einem nennenswerten Anteil eingesetzt werden.<br />

Abbildung 2-1:<br />

Technologiebasis der Sample-Unternehmen<br />

Bioinformatik 8 %<br />

Proteomics 11 %<br />

Zell-/Gewebekultur 13 %<br />

Molecular Modelling 5 %<br />

Biochips/Mikroarray 6 %<br />

Weitere Technologien, die im Bereich „Anderes“ genannt<br />

wurden, sind zum Beispiel RNA-Interferenz, Naturstoffforschung,<br />

Biokatalyse, Peptidomics und Decoy-Oligonukleotid-Technologie,<br />

die nachfolgend von dem Unternehmen<br />

Avontec vorgestellt wird.<br />

Obwohl der Einsatz der „Target-Validierung“ als alleinige Basis<br />

für ein funktionierendes Geschäftsmodell (ohne eigene<br />

Produktentwicklung) nach einigen Insolvenzen in diesem<br />

Bereich in Frage gestellt werden kann, gibt es hier auch sehr<br />

viel versprechende Ansätze wie zum Beispiel von der<br />

Münchener Xantos Biomedicine, der im Folgenden ebenfalls<br />

vorgestellt wird.<br />

Kombinatorik 4 %<br />

Screening/Assays 17 %<br />

Modellorganismen 3 %<br />

Antikörper 2 %<br />

Anderes 11 %<br />

Genomics 20 %<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

17


Prof. Dr. Heiko von der Leyen, CSO AVONTEC GmbH,<br />

Göttingen/München<br />

Decoy-Oligonukleotid-Technologie als Plattform für<br />

neue Produkte<br />

Von den 25.000–30.000 Genen des humanen Genoms kodieren einige Tausend für<br />

spezifische Transkriptionsfaktoren, die physiologisch die Kontrolle über Entwicklung und<br />

Differenzierung des Körpers haben. Wenn Transkriptionsfaktoren zum falschen Zeitpunkt<br />

aktiviert werden, resultiert eine pathologische Genexpression mit entsprechendem<br />

Krankheitsgeschehen.<br />

Transkriptionsfaktoren sind Proteine, die im Zellkern, aber auch im Zytosol einer Zelle als<br />

negative oder positive Regulatoren die Expression bestimmter Gene beeinflussen. Diese<br />

regulatorischen Proteine binden mit hoher Selektivität im Steuerungsbereich (Promoter)<br />

des betreffenden Gens an spezifische Erkennungssequenzen ihrer Ziel-DNA. Die<br />

Bindungssequenzen sind in der Regel 6–20 Basenpaare lang. Obwohl die Interaktion<br />

zwischen Protein (Transkriptionsfaktor) und DNA (Zielgen) sequenzspezifisch ist, kann<br />

sich auf unterschiedlichen Genen das Bindungsmotiv für einen bestimmten Transkriptionsfaktor<br />

durchaus um einige Basenpaare unterscheiden. Es kann<br />

aber in der Regel ein gemeinsames zentrales Bindungsmotiv<br />

(„consensus binding site“) identifiziert werden. Die hohe Bindungsselektivität<br />

bildet einen hochinteressanten Ansatzpunkt für das<br />

Design und die Entwicklung von sequenzspezifischen Liganden für<br />

DNA-Bindungsproteine (Transkriptionsfaktoren). Solche „künstlichen“<br />

Liganden stellen einen hochwirksamen Ansatz zur (gesteuerten)<br />

Regulation von Genexpression dar. Dieser neue pharmakologische<br />

Wirkungsmechanismus ist Grundlage der Produktentwicklung der<br />

AVONTEC GmbH und benutzt kurze doppelsträngige DNA-Moleküle<br />

(„Decoy“-Oligonukleotide), die die Bindungssequenz von bestimmten<br />

Transkriptionsfaktoren auf der genomischen DNA nachahmen. Durch<br />

die kompetitive Bindung des Transkriptionsfaktors an die künstlichen<br />

DNA-Bindungsstellen (engl. „decoy“ = „Falle“) wird der Transkriptionsfaktor „weggefangen“<br />

und die Aktivierung bzw. Deaktivierung des Zielgens unterbunden.<br />

Im Gegensatz zu den von AVONTEC entwickelten doppelsträngigen „Decoy“-Oligonukleotiden<br />

zeigen andere Substanzen auf der Basis von Nukleinsäuren, wie z. B. Antisense-<br />

oder RNAi-Oligonukleotide, ohne unterstützende chemische (z. B. Liposomen)<br />

oder physikalische Maßnahmen nur eine schwache zelluläre Aufnahme. Für die doppelsträngigen<br />

„Decoy“-Oligonukleotide hat AVONTEC kürzlich einen neuen Aufnahmemechanismus<br />

identifiziert, der auch pharmakologisch beeinflusst werden kann.<br />

Dieser „carrier“-abhängige Transport wird durch ein Membranprotein ermöglicht,<br />

welches die aktive Aufnahme des Decoy-Oligonukleotids (z. B. in humane Endothelzellen)<br />

durch einen ionenabhängigen Transportmechanismus ermöglicht.<br />

T ECHNOLOGIEN, PLATTFORMEN & NEUE F ORSCHUNGSANSÄTZE<br />

Einzelsträngige RNA/DNA antisense-Oligonukleotide hybridisieren mit der Ziel-mRNA,<br />

wodurch es in der Folge zu einer Degradierung der Ziel-mRNA und Hemmung der Translation<br />

zum Protein kommt. Doppelsträngige RNAi-Oligonukleotide rufen einen ähnlichen<br />

Effekt hervor, wirken aber durch einen anderen Mechanismus. RNAi-Oligonukleotide<br />

triggern eine zelluläre Abwehr, die zum selektiven enzymatischen Abbau der Ziel-mRNA<br />

führt. Im Gegensatz zu Antisense-Oligonukleotiden scheinen RNAi-Oligonukleotide einen<br />

sich selbst verstärkenden Mechanismus zu haben, der zu einer Wirkungsverlängerung<br />

führen könnte.<br />

Unter Ausnutzung der oben beschriebenen „Decoy-Technologie“ legt die AVONTEC<br />

GmbH den Schwerpunkt auf die Entwicklung neuartiger antiinflammatorischer Substanzen<br />

zur Behandlung von chronischen Entzündungskrankheiten, für die der dringende<br />

Bedarf nach sicheren und wirksamen Medikamenten besteht. Schwerpunktmäßig<br />

entwickelt AVONTEC derzeit lokal applizierbare Produkte gegen Krankheiten des<br />

respiratorischen Systems und der Haut. Innerhalb von 18 Monaten hat AVONTEC in den<br />

Indikationen „Allergisches Asthma“ und „Psoriasis“ zwei Produkte in die klinische<br />

Prüfung (Phase IIa) geführt, drei weitere Produkte (Rheuma, Transplantation, Restenose)<br />

befinden sich in der präklinischen Entwicklung. AVONTEC hat im Mai 2003 mit der Fa.<br />

Biotronik, Berlin, eine Zusammenarbeit zur Entwicklung<br />

eines mit Decoy-Oligonukleotidbeschichteten Stents<br />

neuerer Generation vereinbart, mit dem die Restenose<br />

nach Stentimplantation wirksam und nebenwirkungsfrei<br />

behandelt werden soll. AVONTEC ist neben der<br />

Ausweitung des Indikationsspektrums vorrangig mit der<br />

klinischen Prüfung der Transkriptionsfaktor-Wirkstoffe<br />

beschäftigt. Indikationsschwerpunkte der klinischen<br />

Entwicklung sind zur Zeit chronische Entzündungserkrankungen<br />

wie Asthma und Schuppenflechte.<br />

Die AVONTEC GmbH wurde 2001 von Prof. Dr. Gerd<br />

Hasenfuß, Zentrum Innere Medizin, Abteilung Kardiologie<br />

und Pneumologie, und Prof. Dr. Markus Hecker, Abteilung Herz- und Kreislaufphysiologie,<br />

der Georg-August-Universität Göttingen, gegründet. Ziel der Gründung war<br />

die präklinische und klinische Weiterentwicklung der von den Gründern entwickelten<br />

Decoy-Oligonukleotid-Technologie. Im August 2002 wurde die erste Finanzierungsrunde<br />

geschlossen (DVC Deutsche Venture Capital, Mediport Venture GmbH, Innovations-<br />

Capital Göttingen, UBG Göttingen Hildesheim mbH und tbg). Die AVONTEC war 2.<br />

Preisträger des Businessplan-Wettbewerbs der Universität Göttingen. Im Juni 2003<br />

erhielt die AVONTEC GmbH den deutschen Gründerpreis in der Kategorie „Konzept“.<br />

www.avontec.de<br />

18 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Prof. Peter Buckel, Mitgründer und Vorsitzender des<br />

wissenschaftlichen Beirats, und Stephan Wehselau,<br />

CEO Xantos Biomedicine AG, München<br />

Industrialisierte Target-Validierung<br />

In Erwartung der „Entschlüsselung“ des menschlichen Genoms wurde Ende des letzten<br />

und zu Beginn des neuen Jahrhunderts bevorzugt in Genomforschung investiert. Venture-<br />

Capital-Firmen engagierten sich zunehmend in genomorientierten Technologie-<br />

Unternehmen. Solche Investitionen wurden zum Teil mit phantastischen Börsengängen<br />

belohnt, auch wenn in den meisten Fällen noch keine vermarktbaren Produkte sichtbar<br />

waren. Pharmafirmen gingen Partnerschaften in Höhe dreistelliger Millionenbeträge ein,<br />

um noch rechtzeitig von den Ergebnissen profitieren zu können.<br />

Diese Erwartung in die schnelle Entwicklung „genomischer Blockbuster“ konnte nicht<br />

immer erfüllt werden und hat inzwischen zu einer Technologieenttäuschung und zu einer<br />

Fokussierung der Kooperationsaktivitäten der Pharmafirmen auf<br />

klinische Produkte geführt. Jedoch kristallisiert sich nun immer mehr<br />

die Rollenverteilung der Akteure entlang der Arzneimittel-Wertschöpfungskette<br />

heraus:<br />

Aufgrund der langen Entwicklungswege von der Targetdiscovery bis<br />

zur Klinik wird der akademischen Forschung eine zunehmende Rolle<br />

bei der Aufklärung von Krankheitsmechanismen und der Targetidentifizierung<br />

zukommen, möglicherweise bis hin zur Entwicklung von<br />

frühen Leitstrukturen. Die Pharmaindustrie wird sich dagegen auf<br />

Grund ihrer globalen Infrastruktur und finanziellen Leistungsfähigkeit<br />

immer mehr auf die klinische Entwicklung und Vermarktung<br />

fokussieren.<br />

Zwischen Targetidentifizierung und global angelegten klinischen Studien liegen jedoch<br />

Leitstruktur-Suche und -Optimierung, präklinische Forschung und der Wirksamkeitsnachweis<br />

im Menschen. Diese Bereiche der Targetvalidierung decken einen hohen<br />

Wertschöpfungsgrad in einem planbaren Zeithorizont ab. Hier können sich viele Spieler<br />

mit spezifischer Kompetenz in Indikationsbereichen und (Nischen-)Märkten positionieren.<br />

Definierte Segmente der Targetvalidierung und Entwicklung bis zur klinischen<br />

Phase I/II werden in Zukunft vermehrt die Domäne der frühen Biotech-Firmen sein, die<br />

sich aktiv an der Arzneimittelentwicklung beteiligen. Schon heute ist sichtbar, dass sich<br />

viele Biotech-Unternehmen, auch solche die mit Targetdiscovery-Plattformen begonnen<br />

haben, vor allem auf die präklinsche und klinische Entwicklung konzentrieren, sobald<br />

Produktkandidaten verfügbar sind. Dennoch ist das Verständnis von Krankheitsmechanismen<br />

essentiell, um geeignete Leitstrukturen zur Wirkstoffentwicklung auswählen zu<br />

können. Diese notwendige Grundlage der Aufklärung komplexer biologischer Prozesse<br />

erfordert immer mehr genomweite Ansätze, die nur mit industrialisierten Versuchsanordnungen<br />

erreichbar sind.<br />

Wie wurden nun die wissenschaftliche Notwendigkeit der Aufklärung komplexer biologischer<br />

Prozesse und das hohe Potential industrialisierter Technologieplattformen mit<br />

den Geschäftszielen einer Biotech-Firma zusammengebracht?<br />

Die Gründung der Xantos Biomedicine AG basierte auf einer Idee aus dem akademischen<br />

Umfeld zum Aufbau einer industriellen Technologieplattform. Eine Firmengründung<br />

erschien angebracht, weil die Industrialisierung dieses genomweiten Ansatzes<br />

in einer akademischen Forschungsgruppe finanziell nicht möglich war und auch von den<br />

notwendigen standardisierten Routineabläufen nicht in das Selbstverständnis<br />

akademischer Grundlagenforschung passte. Die Technologie von Xantos ermöglicht es,<br />

praktisch jede Genfunktion in geeigneten Zellsystemen zu testen, um krankheitsrelevante<br />

Gene zu erkennen.<br />

Für die eigene Produktentwicklung fokussiert sich Xantos auf neue therapeutische<br />

Proteine oder Targets für Antikörper in den Bereichen Onkologie und Diabetes/Obesity.<br />

Solche Produkte können erfahrungsgemäß rascher in die klinische Entwicklung gebracht<br />

werden als chemische Arzneimittel. Die mittels der eigenen Technologie entdeckten<br />

neuen Wirkstoffkandidaten werden in spezifischen<br />

Indikationsfeldern bis zur klinischen Phase I/II entwickelt<br />

und dann zusammen mit Pharmafirmen bis zur Produktreife<br />

gebracht. Die Technologieplattform dient der Kooperation<br />

mit der Pharmaindustrie, steht aber vor allem<br />

akademischen Gruppen (mit Fördermittelfinanzierung)<br />

zur Verfügung, die bereits geeignete Zell- und Testsysteme<br />

haben, um rasch zu neuen Produktkandidaten<br />

zu kommen. Die Validierung und Weiterentwicklung der<br />

identifizierten Targets wird gemeinsam in Abstimmung<br />

mit dem akademischen Partner durchgeführt. Dieser<br />

verfolgt dann mehr das wissenschaftliche und Xantos<br />

das wirtschaftliche Potential.<br />

Zudem wird die Nutzung der Technologieplattform zur<br />

Identifikation und Validierung von Wirkstoffkandidaten und deren Targets auch auf einer<br />

„Fee-for-Service“-Basis angeboten. Hier bietet Xantos Möglichkeiten zum Auffinden<br />

neuer Interaktionspartner oder Signalwege für neue oder für bereits vorhandene oder in<br />

Entwicklung befindliche Arzneimittel mit bislang unbekannten Zielmolekülen. Dass<br />

Nachfrage nach derartigen Angeboten besteht, wurde durch eine im Dezember 2003<br />

geschlossene Vereinbarung mit der Roche Pharma Research in Penzberg bestätigt.<br />

Diese sieht die Identifizierung von Targets für einen Wirkstoff gegen Krebserkrankungen<br />

vor.<br />

So erlaubt das Geschäftsmodell von Xantos eine geeignete Positionierung innerhalb der<br />

Wertschöpfungskette der Arzneimittelentwicklung unter gleichzeitiger Nutzung der<br />

Technologieplattform für Produktinnovationen zum Füllen der Entwicklungspipeline.<br />

www.xantos.de<br />

19


Kombinatorik<br />

Ursprünglich aus der Chemie stammend, spielen kombinatorische<br />

Ansätze zunehmend auch in der modernen Biotechnologie<br />

eine wichtige Rolle. Kombinatorik umfasst Methoden,<br />

die es ermöglichen, über zufälliges Zusammenfügen und Kombinieren<br />

von Molekülen zu neuen Wirkstoffen und anderen<br />

gewünschten Substanzen zu gelangen.<br />

Von daher werden Firmen, die diese Technologie einsetzen, in<br />

dieser Studie als wichtiger Bestandteil der Industrie ebenfalls zu<br />

den Core-Biotech-Unternehmen gezählt.<br />

Ausgewählte Firmen, die Kombinatorik einsetzen<br />

4SC AG, München<br />

verfügt über eine virtuelle, computerbasierte Datenbank von<br />

vorhandenen Molekülen sowie über virtuelle, kombinatorische<br />

Bibliotheken auf deren Basis bei Bedarf interessante<br />

chemische Strukturen mit kombinatorischen und parallelen<br />

Synthesetechniken hergestellt werden können. Diese Technologie<br />

ermöglicht eine signifikant schnellere Wirkstofffindung.<br />

Alantos Pharmaceuticals AG, Heidelberg<br />

verfolgt einen neuartigen Ansatz in der Wirkstoffforschung<br />

namens TACE, der kombinatorische Synthese und Screening<br />

in einem Schritt vereint und somit Geschwindigkeit und<br />

Effizienz in der Wirkstoffforschung erhöht.<br />

EMC microcollections GmbH, Tübingen<br />

hat sich unter anderem auf die Auftragssynthese von kombinatorischen<br />

Molekülen für die Entwicklung von Leitstrukturen<br />

spezialisiert und bietet dabei eine beachtliche Sammlung<br />

von neuen und komplexen Strukturen an.<br />

Graffinity Pharmaceuticals AG, Heidelberg<br />

stellt mit Hilfe der kombinatorischen Chemie Bibliotheken<br />

für ihre chemischen Microarrays her, die zur Informationsgewinnung<br />

über Proteinfamilien zu einem sehr frühen<br />

Zeitpunkt vor einer funktionalen Validierung zum Einsatz<br />

kommen.<br />

T ECHNOLOGIEN, PLATTFORMEN & NEUE F ORSCHUNGSANSÄTZE<br />

In der Regel steht der Begriff Kombinatorik für chemische<br />

Syntheseverfahren, bei denen die Reaktion von chemischen<br />

Bausteinen in allen möglichen Kombinationen zu einer großen<br />

Zahl von neuen Molekülen führt. Dadurch entsteht eine Art<br />

„Bibliothek“ von Substanzen mit möglichst verschiedenen<br />

Eigenschaften, die dann in der Hochdurchsatzanalyse für eine<br />

Vielzahl unterschiedlicher biologischer Zielmoleküle Wechselwirkungs-Partner<br />

anbieten können. Letztlich ist damit das<br />

schnelle Auffinden neuer therapeutischer Wirkstoffe möglich.<br />

Kombinatorische Ansätze werden jedoch zunehmend auch mit<br />

biologischen Molekülen wie Peptiden, Enzymen, Antikörpern<br />

und Naturstoffen durchgeführt, um hier ebenfalls Bibliotheken<br />

mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Molekülen mit potenziell<br />

therapeutischer Wirkung aufzubauen.<br />

Jerini AG, Berlin<br />

nutzt die kombinatorische Synthese von Peptiden im Rahmen<br />

der so genannten SPOT-Technologie zur Herstellung von<br />

Molekülbibliotheken mit denen anschließend im Hochdurchsatz<br />

Interaktionspartner für wichtige Zielmoleküle (Targets)<br />

zur Medikamentenentwicklung identifiziert und näher<br />

charakterisiert werden können.<br />

Morphochem AG, München<br />

nutzt ihre so genannte „Multi-component reaction (MCR)“-<br />

Plattform in Verbindung mit Expertise in Medizinalchemie<br />

zur Optimierung und Synthese von neuartigen Leitstrukturen.<br />

MorphoSys AG, München<br />

verfügt über die kombinatorische HuCAL-Technologie, die<br />

ein einzigartiges und neuartiges Konzept für die In-vitro-<br />

Herstellung hochspezifischer, vollständig humaner Antikörper<br />

darstellt.<br />

Selecore GmbH, Göttingen<br />

erzeugt kombinatorische Bibliotheken aus Varianten natürlich<br />

vorkommender so genannter „Microproteine“, die später nach<br />

evolutionärer Optimierung Anwendung als innovative<br />

Therapeutika finden können.<br />

WonDrug Biosciences GmbH, Marburg<br />

erweitert natürlich vorkommende Substanzen mittels kombinatorischer<br />

Synthese, um Varianten mit veränderten Wirkeigenschaften<br />

zu finden.<br />

20 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Dr. Rolf Zettl, CEO Combinature Biopharm AG, Berlin<br />

Kombinatorische Biosynthese eröffnet neue Wege in<br />

der Naturstoffforschung<br />

Die chemische Komplexität von Naturstoffen und die daraus resultierenden Limitationen<br />

im Bezug auf deren chemische Veränderbarkeit hat in der Vergangenheit häufig dazu<br />

geführt, dass viel versprechende Wirkstoff-Entwicklungskandidaten nicht zu entsprechenden<br />

Medikamenten weiterentwickelt werden konnten. Die hiermit verbundenen<br />

Frustrationen sind ein wesentlicher Grund für die Zurückhaltung großer Pharmaunternehmen<br />

gegenüber naturstoffbasierter Wirkstoffforschung.<br />

Möglichkeiten, mit Hilfe von Enzymen und Manipulationen am genetischen Bauplan der<br />

Naturstoffe (zusammengefasst unter dem Begriff „kombinatorische Biosynthese“) diese<br />

zielgerichtet zu verändern, eröffnen nun einen neuen, innovativen Zugang zur Naturstoffforschung.<br />

Dazu hat Combinature Biopharm seit der Gründung im Jahr 2000 kontinuierlich<br />

eine leistungsstarke Technologieplattform aufgebaut, deren zentrales<br />

Element eine umfangreiche Sammlung von Enzymen bzw. Enzyme kodierenden Genen<br />

darstellt. Das Unternehmen setzt diese Technologieplattform ein, um<br />

chemisch komplexe Wirkstoffe, Entwicklungskandidaten oder auch<br />

auf dem Markt befindliche Medikamente zu verändern, insbesondere<br />

im Hinblick auf verbesserte Wirksamkeit, verbesserte physikochemische<br />

Eigenschaften (Löslichkeit, Aufnahme etc.) oder verringerte<br />

Nebenwirkungen. Combinatures Technologieplattform ist<br />

immer dann von besonderem Vorteil, wenn chemisch nicht oder nur<br />

mit großem Aufwand zu modifizierende Substanzen bearbeitet<br />

werden sollen, was insbesondere bei Naturstoffen häufig der Fall ist.<br />

Somit eröffnet Combinatures kombinatorische-Biosynthese-<br />

Technologieplattform einen Weg, das gewaltige Potenzial von<br />

Naturstoffen für die Pharmaproduktentwicklung effizient zu erschließen.<br />

Neben der zielgerichteten Modifikation bestimmter<br />

Naturstoffe ermöglicht der Einsatz der kombinatorischen Biosynthese aber auch die<br />

Herstellung gänzlich neuartiger, so genannter „unnatürlicher Naturstoffe“, die den von<br />

der Natur vorgegebenen strukturellen Diversitätsraum nochmals vergrößern. Diese<br />

strukturelle Vielfalt ist für die Zusammenstellung von Substanz-Screeningbibliotheken<br />

von hoher Bedeutung und daher für Pharmaunternehmen von besonderem Interesse.<br />

Erst kürzlich konnte mit der Schering AG erneut ein bedeutendes Pharmaunternehmen<br />

als Projektpartner und Kunde gewonnen werden. Auch in diesem Projekt wird mit Hilfe<br />

der kombinatorischen Biosynthese eine Substanz bearbeitet, die nach bestimmten<br />

Modifikationen direkt in die präklinische Forschung überführt werden soll. Aufgrund<br />

der Bedeutung des Beitrags von Combinature in diesem gemeinsamen Entwicklungs-<br />

projekt konnten neben Zahlungen für Combinatures F&E-Aufwendungen auch Meilensteinzahlungen<br />

und Royalties vereinbart werden. So ist sichergestellt, dass Combinature<br />

im Falle der erfolgreichen Entwicklung der bearbeiteten Substanz auch am wirtschaftlichen<br />

Potenzial in angemessener Weise beteiligt ist. Somit enthält Combinatures<br />

Business Model von Beginn der Unternehmensentwicklung an das Konzept der Nutzung<br />

dieser einzigartigen Technologieplattform auch für Projekte mit Partnerunternehmen.<br />

Ein unter Kommerzialisierungsaspekten entscheidender Vorteil der Technologieplattform<br />

ist hier nun die breite Nutzbarkeit auch über den Pharmabereich hinaus.<br />

So konnten bereits früh mit Degussa, DSM und Novozymes Partner für gemeinsame<br />

Projekte gefunden werden, die in den Marktsegmenten „technische Enzyme, Pharma-<br />

Intermediate“ und „Feinchemie“ anzusiedeln sind. Diese Projekte beinhalteten die<br />

Auffindung und Bereitstellung bestimmter Enzyme, wobei Combinature stets darauf<br />

achtete, dass die im Rahmen der Projekte neu gefundenen Enzyme auch nach Abschluss<br />

der Projekte für Combinature und weitere Projekte nutzbar bleiben. Im Rahmen der<br />

Projekte entstanden somit, finanziert durch die Partner-Unternehmen, aber auch<br />

gefördert durch ein BioChance-Projekt des BMBF, „werthaltige biologische Zwischenprodukte<br />

– assets“, die nun in zukünftigen Projekten<br />

eingesetzt werden können.<br />

Trotz der im Pharmageschäft zu erzielenden attraktiveren<br />

Vertragskonstruktionen ist das Enzymgeschäft in<br />

keiner Weise zu vernachlässigen. Der Bedarf an enantiomerenreinen<br />

Wirkstoffen wächst und viele Pharmafirmen<br />

verstärken ihre Biokatalyse und Biotransformationskapazitäten.<br />

Aus diesen Bedürfnissen entwickelt<br />

sich auch ein zunehmendes Bestreben nach Enzym-<br />

Discovery-Projekten oder ein konkreter Bedarf nach<br />

bereits existierenden Enzymsammlungen, welcher von<br />

Combinature gedeckt werden kann.<br />

Neben den beschriebenen „Co-Development“-Projekten werden aber auch interne Projekte<br />

vorangetrieben. Schwerpunkt der eigenen Produktenwicklung sind Naturstoff-Substanzen<br />

mit antiinfektiver Wirkung, die bei geeigneter Wirksamkeit in die Präklinik überführt<br />

und anschließend auslizenziert werden. Zusammengefasst ist es Combinature<br />

gelungen, eine einzigartige Technologieplattform zu entwickeln und für Wirkstoff-Optimierungsprojekte<br />

zum Einsatz zu bringen und gleichzeitig das zentrale Element der<br />

Technologieplattform, nämlich die Enzymsammlung, separat zu kommerzialisieren.<br />

Durch Kooperationsprojekte wurden gleichermaßen Werte geschaffen und Umsatz<br />

generiert. Mittels dieser Strategie kann eine Unabhängigkeit vom VC-Markt durchaus<br />

erreicht werden, was vielen reinen „Produkt-Unternehmen“ in der Phase der Produktentwicklung<br />

verwehrt ist.<br />

www.combinature.com<br />

21


Systembiologie<br />

Ziel der Systembiologie ist es, aus der Kenntnis aller molekularen<br />

Bestandteile eines biologischen Systems ein Verständnis<br />

für den Gesamtorganismus zu entwickeln. Sie gehört zu den<br />

ambitionierten Forschungsgebieten, die aus den Ergebnissen<br />

des Humangenomprojekts erwachsen sind. Wurden über lange<br />

Jahre mittels Genomics, Proteomics sowie weiterer „omics“-<br />

Technologien die einzelnen Moleküle der Zelle intensiv<br />

erforscht, stellte sich anschließend die Herausforderung, die<br />

Resultate in einen Gesamtzusammenhang zu bringen, um die<br />

Funktion und Bedeutungsweise der einzelnen Moleküle im<br />

Gesamtorganismus vollständig zu verstehen.<br />

In der Systembiologie, die das umfangreiche Datenmaterial<br />

über biologische Systeme virtuell zu einem Gesamtbild modelliert,<br />

werden mittels computergestützter Modelle Untersuchungen<br />

zur Gesamtfunktion der Zelle durchgeführt. Dabei werden<br />

Methoden aus der Biologie, der Mathematik, den Systemwissenschaften,<br />

der Informatik und den Ingenieurwissenschaften<br />

eng ver-<br />

zahnt. Aber erst<br />

durch die weitere<br />

Entwicklung von<br />

Computern mit<br />

enormer Rechnerkapazität<br />

konnte<br />

dieses Ziel letztlich<br />

verwirklicht<br />

werden. Im Fokus<br />

steht die Schaf-<br />

Technologie<br />

erste<br />

Generation<br />

fung virtueller Zellen, die funktionelle Zusammenhänge der<br />

einzelnen Zellkomponenten bis auf die molekulare Ebene<br />

abbilden und Reaktionen auf äußere Einflüsse simulieren und<br />

vorhersagen können.<br />

Bereits 1999 wurde in Seattle das erste Institut für Systembiologie<br />

gegründet. Mit der Gründung dieses Instituts begann in<br />

den USA eine ganze Welle ähnlicher Projekte und Dutzende<br />

von Universitäten und Biotech-Firmen riefen in der Folge interdisziplinäre<br />

Programme mit systembiologischen Inhalten ins<br />

Leben. Dabei genießt das Institut für Systembiologie in Seattle<br />

immer noch den besten Ruf und hat ein Netzwerk mit führenden<br />

Wissenschaftlern gegründet, dessen Ziel es ist, viele der hoch<br />

automatisierten Arbeitsabläufe der Systembiologie auf einem<br />

Silizium-Chip von nur einem Quadratzentimeter Größe<br />

unterzubringen. Entschlüsselt ist bereits der Hefe-Stoffwechsel.<br />

T ECHNOLOGIEN, PLATTFORMEN & NEUE F ORSCHUNGSANSÄTZE<br />

dritte<br />

Generation<br />

heute<br />

zweite<br />

Generation<br />

Quelle: www.insilico-biotechnology.com<br />

Auch in Deutschland wurde das Potenzial der Systembiologie<br />

bereits erkannt. So steht im Mittelpunkt einer BMBF-Förderaktivität<br />

zur Systembiologie, die im Januar 2004 gestartet<br />

wurde, das Modellsystem „Leber“ mit Fokus auf den Hepatozyten.<br />

Die Auswahl dieses Modells erfolgte auf Grund seiner<br />

zentralen Funktion im Organismus höherer Lebewesen und den<br />

sich daraus unmittelbar ableitenden Applikationsmöglichkeiten<br />

für Medizin, Pharmaforschung und andere Bereiche.<br />

Gefördert wird ein Netzwerk von Projektverbünden: In<br />

Stuttgart beschäftigen sich verschiedene Arbeitsgruppen mit<br />

dem hepatischen Metabolismus und insbesondere Entgiftungsprozessen<br />

der Leber. In Freiburg und Heidelberg liegt der Fokus<br />

auf den molekularen Mechanismen der Leber-Regeneration.<br />

Eine Gruppe von Forschern aus Aachen widmet sich der<br />

Erforschung von Membrantransport und Rezeptorinternalisierung<br />

bei Hepatozyten. Sämtliche Projektverbünde sollen in<br />

Zukunft durch die Leipziger „Plattform Zellbiologie“ mit Invitro-Systemen<br />

von Hepatozyten versorgt werden.<br />

Der gesamte Verbund „Systembiologie“ soll in den nächsten<br />

drei Jahren mit ca. 14 Millionen €<br />

gefördert werden.<br />

Und auch die Industrie beschäftigt sich<br />

bereits mit der Systembiologie: So misst<br />

Boehringer Ingelheim der rechnergestützten<br />

Analyse von intrazellulären<br />

Signal-, Stoffwechsel- und Genregulationsvorgängen<br />

Bedeutung für die Wirkstoffforschung<br />

zu. Um die Chancen der<br />

Zeit systembiologischen Analyse komplexer<br />

Netzwerke zu nutzen, setzt Boehringer<br />

auf eine Kooperation mit der Stuttgarter Biotech-Firma Insilico<br />

biotechnology.<br />

Dabei wird Insilico am Computer ein in silico-Modell einer<br />

kompletten Säugerzelle erstellen, das auch In-vivo-Daten aus<br />

gemeinsam mit Boehringer durchgeführten Experimenten integrieren<br />

kann. Die Ergebnisse werden dann sowohl für diagnostische<br />

Zwecke als auch bei der Entwicklung rationaler Metabolic-Engineering-Strategien<br />

eingesetzt. Dem Biotech-Unternehmen<br />

fließen über die Kooperation einmalige sowie weitere,<br />

erfolgsabhängige Zahlungen in nicht genannter Höhe zu.<br />

Systembiologie<br />

„-omics”-Technologien<br />

klassische Biotechnologien<br />

22 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


2.2 Produkte in der Biotechnologie<br />

Das vergangene Jahr hat im Bereich der Produktentwicklung<br />

einen deutlichen Fortschritt gebracht. Dennoch steht ein Marktdurchbruch<br />

von Wirkstoffen, die von deutschen Core-Biotech-<br />

Firmen entwickelt wurden, erst noch bevor.<br />

Produkte, die sich bereits auf dem Markt befinden, umfassen<br />

vor allem Molekular- und Lebensmitteldiagnostika, Tissue-<br />

Engineering-Produkte, Biochips, Enzyme sowie Bioinformatik-<br />

Lösungen. Darüber hinaus werden Dienstleistungen in verschiedensten<br />

Bereichen angeboten, die jedoch erst in Kapitel 3.1<br />

betrachtet werden.<br />

Die unten stehende Abbildung zeigt im Überblick die am<br />

stärksten vertretenen Produktbereiche der Unternehmen, deren<br />

Aussagen dieser Studie zugrunde liegen. Nach wie vor steht die<br />

Entwicklung von biopharmazeutischen Therapeutika im<br />

Vordergrund.<br />

Abbildung 2-2:<br />

Produktbereiche der Sample-Unternehmen im Jahresvergleich<br />

Therapeutika<br />

Molekulardiagnostika<br />

Drug Delivery<br />

Tissue Engineering<br />

Feinchemikalien<br />

Lebensmittel (inkl. Diagnostik)<br />

Bioinformatik<br />

transgene Pflanzen<br />

4<br />

3<br />

4<br />

5<br />

5<br />

3<br />

8<br />

7<br />

8<br />

6<br />

6<br />

9<br />

Anzahl der Firmen in % (Mehrfachnennungen möglich)<br />

Ungefähr die Hälfte der befragten deutschen Core-Biotech-<br />

Firmen konzentriert sich auf diesen Teilbereich der „roten“<br />

Biotechnologie. Im Jahresvergleich hat jedoch der Anteil an<br />

Firmen, die Therapeutika entwickeln, leicht abgenommen. Dies<br />

ist vermutlich auf die derzeit angespannte Finanzierungssituation<br />

zurückzuführen, die dazu geführt hat, dass sich einige<br />

Firmen aus diesem Bereich (vorerst) zurückgezogen haben, um<br />

Ressourcen zu strecken. Zudem sind einige Produktentwickler<br />

im letzten Jahr insolvent geworden.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt liegt bei den Molekulardiagnostika.<br />

Der Anteil an Sample-Firmen, die sich damit beschäftigen, hat<br />

im Jahresvergleich ebenfalls abgenommen. Hier schlagen vermutlich<br />

auch einige der Insolvenzen zu Buche.<br />

Unter Berücksichtigung weiterer Felder der „roten“ Biotechnologie<br />

– Drug-Delivery-Systeme und Tissue Engineering – ist<br />

somit der überwiegende Teil der deutschen Core-Biotech-<br />

Firmen in diesem Segment beschäftigt.<br />

28<br />

2002<br />

2003<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60<br />

30<br />

52<br />

56<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

23


Wirkstoffentwicklung<br />

P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />

Während im Jahr 2002 die Anzahl an Wirkstoffen in der<br />

Entwicklungspipeline der deutschen Core-Biotech-Unternehmen<br />

in den meisten Phasen eher rückläufig war, so ist für das vergangene<br />

Jahr ein deutlicher Fortschritt zu erkennen.<br />

Abbildung 2-3:<br />

Wirkstoff-Entwicklungspipeline der Sample-Unternehmen nach Phase<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

69<br />

122 117<br />

Präklinik<br />

133<br />

11<br />

27 34<br />

Phase I<br />

Die Anzahl an Projekten in der Präklinik ist stark gestiegen.<br />

Wenn auch die Zunahme in Phase I und II nicht entsprechend<br />

kräftig ausfällt, so wird doch sehr deutlich, dass sich in der<br />

deutschen Core-Biotech-Industrie mittlerweile eine „Pipeline“<br />

aufbaut.<br />

Ein sehr positives Ereignis für die ganze deutsche Branche war<br />

hierbei der Zulassungsbescheid für die Münchener MediGene<br />

im Dezember für ihr Krebsmedikament Leuprogel ® , das in<br />

diesem Jahr zusammen mit dem japanischen Partner Yamanouchi<br />

unter dem neuen Namen Eligard ® in Deutschland auf den Markt<br />

gebracht wird.<br />

Kurz vor der Zulassungsphase steht die LipoNova aus<br />

Hannover, die laut einer Meldung von Anfang diesen Jahres als<br />

erstes Unternehmen in Europa den Antrag auf europaweite Zulassung<br />

eines autologen Tumorimpfstoffs gegen Nierenkrebserkrankungen<br />

bei der Europäischen Zulassungsbehörde<br />

(EMEA) gestellt hat. Experten betonen den Pioniercharakter<br />

des Antrags in Europa, da hierdurch erstmals Rahmenbedingungen<br />

für die Zulassung, Vermarktung und rechtliche<br />

Bewertung von Tumorimpfstoffen geschaffen werden.<br />

Zur finanziellen Absicherung des Zulassungsprozesses hatte<br />

LipoNova bereits im April 2003 eine zweite Finanzierungs-<br />

38<br />

15<br />

27 22 26<br />

Phase II<br />

runde mit der SHS Gesellschaft für Beteiligungsmanagement<br />

mit Sitz in Tübingen und Leipzig abgeschlossen. Zudem konnte<br />

die Firma Anfang des Jahres vermelden, dass sie mit dem<br />

international agierenden Pharmaunternehmen STADA ein<br />

strategisches Bündnis geschlossen und damit die Weichen für die<br />

europaweite Markteinführung des neuen Tumorimpfstoffes<br />

gestellt hat, dessen<br />

Phase III<br />

Zulassung für das<br />

zweite Halbjahr 2004<br />

erwartet wird.<br />

Bei den Phase-III-<br />

Produkten hat sich<br />

im Jahresvergleich<br />

nur eine Änderung<br />

ergeben: GPC Biotech<br />

erhielt im September<br />

die Freigabe<br />

der FDA für den<br />

Beginn der Phase-<br />

III-Studie für das<br />

Anti-Krebsmedikament<br />

Satraplatin.<br />

Ein sehr deutlicher<br />

Sprung ist dagegen<br />

bei den Wirkstoffen in Phase II zu verzeichnen, obwohl hier<br />

einige Produkte zunächst aus der Statistik genommen werden<br />

mussten, da die entwickelnde Firma (Zentaris) von einem<br />

ausländischen Unternehmen übernommen wurde. Zudem<br />

wurde die weitere Entwicklung des in Phase I/II befindlichen<br />

G207-Projekts von MediGene aus Kostengründen ausgesetzt.<br />

Des Weiteren gab ein anderer Therapeutika-Entwickler<br />

verschiedene Indikationen und damit Phase-II-Projekte auf.<br />

Zu den 12 deutschen Core-Biotech-Unternehmen, die bereits<br />

Wirkstoffe in Phase II entwickeln, kamen im vergangenen Jahr<br />

12 Firmen hinzu, die ein Produkt neu in die Phase II bringen<br />

konnten. So startete beispielsweise das Unternehmen Avontec nach<br />

Abschluss einer Phase-I-Studie im November 2003 noch im selben<br />

Jahr die Phase II für ihr Projekt AVT-01 gegen allergisches<br />

Asthma. Mittlerweile hat auch ein zweites Produkt, AVT-02 zur<br />

Therapie von Psoriasis, die klinische Phase II erreicht.<br />

Auf Grund der Erteilung des „Orphan-Drug-Status“ durch die<br />

FDA war es der Münchener CellControl Biomedical Laboratories<br />

möglich, eine beschleunigte Produktentwicklung für ihren Wirkstoff<br />

ACA 125 zur Behandlung epithelialer Ovarialkarzinome<br />

durchzuführen.<br />

24 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

0<br />

4 4<br />

5<br />

1999<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

0 3 1 0<br />

Zulassungs-Phase<br />

Quelle: Ernst & Young, Stand 31.12.2003


Dr. Nils Behnke, CEO CellControl Biomedical<br />

Laboratories AG, Martinsried<br />

Vorteile in der Produktentwicklung<br />

durch Orphan Drug Status<br />

Der Orphan Drug Status (ODS) ist zu deutsch die „Ausweisung von Arzneimitteln als<br />

Arzneimittel für seltene Leiden“. Er wird in der Entwicklung befindlichen Medikamenten<br />

auf Antrag durch die Zulassungsbehörden EMEA für die EU und die FDA für die USA<br />

zuerkannt. Als „seltene Leiden“ sind in der EU Erkrankungen definiert, von denen nicht<br />

mehr als 5 in 10.000 Menschen betroffen sind, also rund 200.000<br />

Fälle in der gesamten Gemeinschaft. In den USA beträgt die Obergrenze<br />

ebenfalls 200.000 erkrankte Personen.<br />

Mit dem ODS sollen besondere ökonomische Anreize für die pharmazeutische<br />

Industrie geschaffen werden, damit auch Medikamente<br />

für Erkrankungen mit nur relativ wenigen betroffenen Patienten<br />

entwickelt werden. Da in diesen „Nischenindikationen“ vornehmlich<br />

Biotech-Unternehmen tätig sind, ist dieses Thema für die Biotech-<br />

Branche von großer Bedeutung.<br />

Ein Beispiel für eine seltene Erkrankung ist das Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs),<br />

die gefährlichste gynäkologische Krebserkrankung, an<br />

der in Deutschland zwar nur 7.400 Patientinnen pro Jahr neu erkranken (Zum Vergleich:<br />

An Darmkrebs erkranken jährlich 57.000 Menschen neu.), an der aber mehr als 70 % der<br />

Erkrankten versterben. Damit besteht ein erhebliches medizinisches Interesse an der<br />

Entwicklung neuer Medikamente hierzu. Für diese Indikation wurde dem führenden<br />

Produkt der CellControl Biomedical Laboratories AG, dem Krebsmedikament ACA 125, in<br />

2003 der ODS in den USA und in der EU erteilt. Dabei konnten einige interessante<br />

Erfahrungen gesammelt werden:<br />

Zunächst einmal führt, entgegen landläufiger Meinung, die Erteilung des ODS nicht per<br />

se zu einer Beschleunigung der Produktentwicklung, auch wenn die Erteilung dieses<br />

Status häufig die Basis für eine später zugestandene beschleunigte Zulassung bildet.<br />

Darüber hinaus ist die Erteilung des ODS mit einer Reihe zusätzlicher Vorteile verbunden.<br />

Besonders attraktiv ist eine Marktexklusivität für Orphan Drugs von sieben (USA) bzw.<br />

zehn Jahren (EU) und die darin begründete Möglichkeit, gleichartige Medikamente von<br />

Wettbewerbern vom Marktzutritt in dieser Periode auszuschließen, falls diese sich nicht<br />

als erheblich effektiver erweisen. Weitere Vorteile dieses Status liegen u. a. in der<br />

Verbilligung der Zulassung, Steuervorteilen (USA), der verbesserten wissenschaftlichen<br />

Beratung durch die Zulassungsbehörden (EU) und ggf. der Bereitstellung von<br />

Forschungszuschüssen. Aufgrund dieser Vergünstigungen ist in den letzten Jahren im<br />

Bereich der biopharmazeutischen Krebsmedikamentenentwicklung die Anmeldung zum<br />

Orphan Drug in kleineren Indikationen von den Biotech-Unternehmen mit Nachdruck<br />

verfolgt worden.<br />

Der Erfolg der Orphan-Drug-Ausweisung hat allerdings für die Unternehmen in jüngerer<br />

Zeit zu einem Problem geführt – das Feld ist in einigen „populären“ Krebsindikationen<br />

mittlerweile sehr eng geworden, weil z. T. bereits mehrere Medikamente den ODS erhalten<br />

haben. Deswegen versuchen einerseits die Biotech-Unternehmen, so früh wie<br />

möglich neue Medikamente zum Orphan Drug anzumelden, andererseits fordert die<br />

EMEA in letzter Zeit zunehmend detailliertere Informationen, insbesondere zur klinischen<br />

Wirksamkeit der Produkte, bereits vor einer Orphan-Drug-Designation. Hier ist<br />

seitens der Unternehmen ein genaues Verständnis des Wirkmechanismus vonnöten,<br />

damit im Hinblick auf eine spätere Marktexklusivität die notwendige Abgrenzung von<br />

anderen Produkten, insbesondere solchen mit bereits<br />

erteiltem ODS, vorgenommen werden kann. Der Cell-<br />

Control Biomedical Laboratories AG ist dies für den ACA<br />

125 durch die Darlegung klinischer Daten gelungen, mit<br />

denen gegenüber Antikörpern mit funktioneller<br />

Ähnlichkeit eine klinische Überlegenheit auf Grund<br />

höherer Immunogenität und besserem Nebenwirkungsprofil<br />

dargestellt werden konnte.<br />

Wenn man bedenkt, dass insgesamt bis Ende 2003 bei<br />

der EMEA 322 Anträge auf ODS eingereicht worden sind<br />

und bereits 12 solcher Produkte in Europa vermarktet<br />

wurden, erklärt dies eine zunehmende Selektivität der<br />

EMEA bezüglich der Vergabe des ODS. Weit bedenklicher erscheint jedoch die gegenwärtige<br />

Diskussion in Europa über „exzessive“ Gewinne, die angeblich bei Pharmaunternehmen<br />

durch die „Ausnutzung“ der Orphan-Drug-Regulierung entstünden. Diese<br />

Diskussion passt zwar in das gegenwärtige Bild strikter europäischer Preisfestsetzungen,<br />

widerspricht jedoch dem Grundgedanken der Orphan-Drug-Designation: Die<br />

wirtschaftliche Attraktivität der Produktentwicklung ist doch ihr erklärtes Ziel gewesen.<br />

Sollte es hier zu preispolitisch motivierten Einschränkungen kommen, wird dies sicherlich<br />

nicht helfen, die EU im Bereich der Biotechnologie an die Spitze der internationalen<br />

Wettbewerbsfähigkeit zu bringen. Trotz dieser aktuellen Diskussion kann insgesamt kein<br />

Zweifel daran bestehen, dass die Vorteile des ODS dessen Nachteile bei weitem<br />

überwiegen.<br />

Die CellControl Biomedical Laboratories AG aus Martinsried ist dem medizinischen<br />

Fortschritt in der Krebsbehandlung verpflichtet. Ihr führendes Produkt ist der ACA 125,<br />

ein anti-idiotypischer Antikörper gegen das tumorassoziierte Antigen CA 125. Erste<br />

klinische Prüfungen haben das günstige Nebenwirkungsprofil und die hohe Wirksamkeit<br />

dieser neuen Therapieform beim Ovarialkarzinom bestätigt.<br />

Voraussichtlich im Herbst dieses Jahres wird der ACA 125 in die klinischen Phase III in<br />

Europa und den USA gehen. Bei erfolgreichem Abschluss dieser Prüfungen wird das<br />

Medikament Krebspatienten in spätestens vier Jahren zur Verfügung stehen.<br />

www.cellcontrol.de<br />

25


P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />

Auch die Regensburger Antisense Pharma hat im April vergangenen<br />

Jahres eine Phase-II-Studie gestartet, nachdem die<br />

klinischen Studien zur Phase I/II des Wirkstoffkandidaten AP<br />

12009 zur Behandlung maligner Hirntumoren erfolgreich<br />

abgeschlossen wurden. Zudem hat das Medikament sowohl in<br />

Europa als auch in den USA den „Orphan Drug Status“<br />

erhalten. Micromet’s humaner Antikörper MT 201 mit der<br />

Indikation Prostatakarzinom befindet sich nun ebenfalls in<br />

Phase II, wie auch der Wirkstoff MBT-0206 zur Behandlung<br />

von fortgeschrittenem metastasierenden Brust- und Pankreaskrebs<br />

des Unternehmens Munich Biotech.<br />

Der Berliner Jerini, die derzeit sogar gleich zwei Wirkstoffe in<br />

Phase II prüft, wurde im vergangenen Jahr ebenfalls von der<br />

FDA der „Orphan Drug Status“ für den Kandidaten Icatibant<br />

zur Behandlung des Angioödems zugesprochen. Bei der Paion<br />

aus Aachen wird bereits ein Protokoll für eine Phase-III-Studie<br />

entwickelt, nachdem im Oktober die Phase II mit dem<br />

Medikament Desmoteplase erfolgreich abgeschlossen wurde,<br />

obwohl die Indikation Schlaganfall als besonders schwierig gilt:<br />

In der Vergangenheit scheiterten mehr als 50 Prozent der<br />

Medikamentenkandidaten in diesem Sektor. An der Schwelle<br />

zur Phase III steht schließlich auch der monoklonale Antikörper<br />

Rencarex (WX-G250) der Münchener Wilex mit der Indikation<br />

metastasierender Nierenzellkrebs. Zudem testet das Unternehmen<br />

den Krebswirkstoff WX-G250RIT seit Ende Juni 2003<br />

zur Behandlung des selten auftretenden Gallenblasen- und<br />

Gallengangkrebs in einer klinischen Studie I/II.<br />

Die Anzahl neu hinzugekommener Unternehmen mit<br />

Kandidaten in Phase I fällt nicht so deutlich aus wie bei den<br />

Phase-II-Wirkstoffen (siehe Abbildung 2-4).<br />

Neu in die Phase I kam beispielsweise bei Wilex WX-UK1, der<br />

nun an Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren geprüft wird. Die<br />

FDA bewilligte ein Prüfungsprotokoll für eine klinische Phase-<br />

I-Studie in den USA.<br />

Auch die Münchener Curacyte erhielt Anfang Juli von der FDA<br />

die Erlaubnis für den Beginn einer Phase-I-Studie, um den<br />

Wirkstoff PHP in Kombination mit einer hoch dosierten Interleukin-Therapie<br />

bei Patienten mit metastasischem Nierenzellkarzinom<br />

oder Melanom zu testen. Die 4SC aus München hat<br />

im vergangenen Jahr mit der klinischen Phase I ihres ersten<br />

niedermolekularen Produktkandidaten SC12267 zur Behandlung<br />

rheumatoider Arthritis begonnen. Weitere Wirkstoffkandidaten<br />

in Phase I meldeten die ebenfalls in München<br />

ansässigen Unternehmen Switch Biotech mit ihrem Wirkstoff<br />

SWT01.100 gegen Schuppenflechte sowie die IDEA mit ihrem<br />

Projekt IDEA-070 zur Behandlung von Hautreaktionen, die<br />

durch Sonnenbrand, Histamin oder Capsaicin ausgelöst werden.<br />

Besonders beeindruckend ist der starke Anstieg von Projekten<br />

in der Präklinik im vergangenen Jahr. Es bleibt zu hoffen, dass<br />

aus diesen Projekten erfolgreich klinische Produkte entstehen.<br />

Ein Beispiel ist die Münchener Procorde mit ihrem Kandidaten<br />

PR-15 mit Indikation Herzinfarkt und Schlaganfall.<br />

Abbildung 2-4:<br />

Wirkstoff-Entwicklungspipeline nach Anzahl<br />

Unternehmen im Jahresvergleich<br />

Anzahl Wirkstoffe<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

133<br />

70<br />

117<br />

4 5<br />

Präklinik Phase I Phase II Phase III<br />

26 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

56<br />

23 26<br />

34<br />

38<br />

Anzahl Unternehmen<br />

Anzahl Wirkstoffe 2002<br />

Anzahl Wirkstoffe 2003<br />

14<br />

22<br />

25<br />

26<br />

4 5<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Anzahl Unternehmen<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004


Dr. Wolfgang Söhngen, CEO PAION GmbH, Aachen<br />

Management des Produktportfolios in Zeiten knapper<br />

Mittel<br />

Die hinlänglich bekannten Veränderungen der Kapitalmärkte in den letzten Jahren haben<br />

hohe und teilweise sehr widersprüchliche Anforderungen an Produkt entwickelnde<br />

Firmen gestellt. Finanzierungsentscheidungen waren in 2002/2003 noch stärker als<br />

zuvor geprägt von dem Wunsch, Risiko zu minimieren und das Unternehmen bis zu einem<br />

profitablen Ausstieg finanzieren zu können. Aus Investorensicht bedeutet dies ein<br />

breites und viel versprechendes Produktportfolio mit großer Marktnähe in einer sicheren<br />

Indikation und damit eine Abkehr von Plattformtechnologien. Dieser Trend hin zu Product<br />

Companies ist getrieben von der Tatsache, dass ein anderer Ausstieg als ein Börsengang<br />

mit einem relativ reifen Projekt die höchste Realisierungschance hat.<br />

Das Management der klinischen Studien und die mit<br />

zunehmender Marktnähe des Produkts steigenden regulatorischen<br />

Auflagen – z. B. Produktion nach Maßstab<br />

der Good Manufacturing Practice (GMP) und Anforderungen<br />

der FDA – stellen eine große Herausforderung<br />

für die Unternehmen dar. Der Wunsch der Investoren<br />

nach klinischen Projekten ist damit derzeit durch Firmen<br />

in Europa nur adressierbar, wenn die späte klinische<br />

Entwicklung von Pharma-Partnern mitgetragen wird. Für<br />

die Unternehmen ergibt sich ein Spagat zwischen<br />

Finanzierungsfähigkeit und Wertentwicklung. Versuchen<br />

die Firmen, frühzeitig Pharmapartner zur Erhöhung der<br />

Liquidität zu finden, so geben sie auch frühzeitig Rechte zu einem niedrigen Preis ab und<br />

reduzieren die Chance auf hohen Wertzuwachs und einen attraktiven Ausstieg in der<br />

Zukunft. Das Management des Produktportfolios ist damit auch ein Management von<br />

Investoreninteressen.<br />

Die PAION GmbH hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 2000 auf den Schlaganfall als eine<br />

Indikation mit sehr hohem medizinischen Bedarf und erheblichem Marktpotenzial<br />

konzentriert. Der Schlaganfall gilt aber auch als hoch riskante Indikation. In den letzten<br />

Jahrzehnten sind etliche, insbesondere neuroprotektive Substanzen in diesem Bereich<br />

gescheitert. Für das in der Pipeline am weitesten entwickelte Produkt Desmoteplase<br />

prüft PAION einen klaren und durch die schon vermarktete Substanz rt-PA grundsätzlich<br />

bewiesenen Wirkzusammenhang in kleinen klinischen Studien. So wurde die Erschließung<br />

einer Indikation mit hohen Gewinnmöglichkeiten bei niedrigem Risiko möglich.<br />

Nach dem September 2001 und der vorübergehenden Zurückstellung eines IPO zur<br />

Finanzierung eines breiten Portfolio wurden die Ressourcen auf die Desmoteplase als<br />

den größten Werttreiber fokussiert. Mit begrenztem Personal wurden in kürzester Zeit<br />

gute Ergebnisse in der klinischen Entwicklung erzielt. So hat PAION den Proof of<br />

Principle zu einem Bruchteil der Kosten erreicht, die bei einem etablierten Pharmaunternehmen<br />

angefallen wären. Gleichzeitig musste eine zur Erweiterung des Portfolios<br />

von Millennium Inc. lizenzierte Substanz zurückgegeben werden, da es zum damaligen<br />

Zeitpunkt nicht möglich war, ausreichende finanzielle Mittel für die Entwicklung zu<br />

akzeptablen Bewertungen einzuwerben. Ebenso wurden die anderen präklinischen<br />

Projekte zurückgestellt und Ende 2003 entschieden, nicht weiter in die vorhandene<br />

Plattformtechnologie zu investieren. Letztlich wurde durch die Einbeziehung von<br />

Privatinvestoren aktiv der zur Verfügung stehende Kapitalmarkt erweitert.<br />

Für die PAION GmbH sind die sehr guten Ergebnisse der Phase II von Desmoteplase der<br />

beste Startpunkt für die Suche nach einem globalen oder mehreren regionalen Partnern<br />

für Desmoteplase. Auf diesem Weg kann das finanzielle Risiko der Phase III geteilt<br />

werden und es entsteht Liquidität für den Ausbau eines fokussierten<br />

Portfolios. Die Verhandlungen sind ein Balanceakt zwischen der<br />

Notwendigkeit, kurzfristig Kapital für die klinische Entwicklung von<br />

Desmoteplase und weiteren Produkten einzuholen und sich dennoch<br />

über Teilrechte Optionen auf Vermarktung und eigene Gewinne in der<br />

Zukunft zu erhalten. Mit der möglichen Einbehaltung von Vermarktungsrechten<br />

für einzelne Regionen oder von Zweitvermarktungsrechten<br />

würde zudem mittelfristig die Option für einen Börsengang<br />

entstehen. Die PAION GmbH wird versuchen, bei einer guten Entwicklung<br />

der Finanzmärkte den bisherigen Shareholdern den IPO<br />

weiterhin als eine unter anderen möglichen Ausstiegsoptionen bieten<br />

zu können.<br />

Wenn für Unternehmen mit klinischem Proof of Principle – auch wenn sie noch privat<br />

sind – durch ein gutes Partnering die Liquidität steigt, können weitere Mittel<br />

eingeworben werden, um das Portfolio weiter auszubauen. Entscheidend ist dabei der<br />

Zeitpunkt des Partnerings – wobei der Entwicklungszustand des Produkts mit den u. U.<br />

sehr verschiedenen Interessen der Shareholder und der Lage des Kapitalmarktes<br />

abgestimmt werden muss. Das Management des Produktportfolios in Zeiten knapper<br />

Mittel bewegt sich zwischen verschiedensten Investoreninteressen: Fokussierung (Burn<br />

Rate), Breite (IPO Story) sowie kurz- und langfristigen Zielen. Im Auf und Ab der Märkte<br />

nicht nur zu überleben, sondern sich zukunftsorientiert weiterzuentwickeln, stellt hohe<br />

Anforderungen und ist dann am aussichtsreichsten, wenn die Kernkompetenz zur<br />

klinischen Entwicklung im Unternehmen vorhanden ist. Es wird erwartet, dass die<br />

Probleme und Risiken der Transformation von einer reinen Plattform Company zu einer<br />

Product Company in Zukunft auf deutscher und europäischer Ebene vermehrt durch<br />

M&A-Aktivitäten überwunden werden – viele Experten sehen dies als unvermeidbaren<br />

Schritt an.<br />

www.paion.de<br />

27


Prof. Dr. Jens Schneider-Mergener, CEO Jerini AG, Berlin<br />

Beschleunigte Wirkstoffentwicklung mit Peptiden<br />

P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />

Mit der Aufklärung des menschlichen Genoms im Jahre 2000 ist ein wichtiger Schritt<br />

gelungen, die molekularen Ursachen der Entstehung von Krankheiten immer besser zu<br />

verstehen. Ein entscheidender Schritt wird nun die Aufklärung des komplexen Wechselspiels<br />

von Proteinen im menschlichen Organismus sein. Dieses wird für die erfolgreiche<br />

Entwicklung von Medikamenten für viele bisher nicht heilbare Krankheiten essentiell<br />

sein. Es gibt im menschlichen Organismus mehr als 30.000 unterschiedliche Proteine,<br />

von denen etwa 3.000–5.000 als mögliche Zielorte („Targets“) für Medikamente<br />

betrachtet werden. In den 90er Jahren haben sich im Wesentlichen zwei technologische<br />

Ansätze zur Adressierung von Wirkstofftargets etabliert: die chemische Hochdurchsatzsynthese<br />

von so genannten „small molecules“ oder die Herstellung von<br />

Antikörpern/ Proteinen mit Hilfe gentechnologischer<br />

Methoden. Beide Verfahren haben ihre Stärken und<br />

Schwächen und können jeweils nur für bestimmte<br />

Klassen von Targets eingesetzt werden.<br />

Die Jerini AG erforscht nun eine dritte Klasse von<br />

Molekülen – so genannte Peptide – für den systematischen<br />

Einsatz in der Wirkstofffindung. Peptide sind aus<br />

Aminosäuren zusammengesetzte kleine Einweißbausteine<br />

(Proteinbruchstücke), die synthetisch hergestellt<br />

werden können und sich dabei bau- und wirkungsgleich<br />

zu körpereigenen Substanzen verhalten. Die Firma<br />

erkannte das Potential dieser „Stoffklasse“ schon früh<br />

und fokussierte sich auf Peptide als Vorläufer für die<br />

medizinische Wirkstoffforschung und -entwicklung. Als Basis diente die so genannte<br />

SPOT-Technologie, die neben der Synthese mehrerer tausend Peptide gleichzeitig, auch<br />

die Untersuchung ihrer Wechselwirkungen mit potentiellen Targetproteinen, welche bei<br />

Krankheiten eine wichtige Rolle spielen, ermöglicht. Mit dieser Methode können<br />

Wirkstoffe einfacher und schneller identifiziert sowie die Entwicklungszeiten für neue<br />

Medikamente verkürzt werden.<br />

Schnelle Produktentwicklung durch Peptides-to-Drugs- (P2D)-Strategie<br />

Hat Jerini ein Target als interessant identifiziert, entwickelt die Firma in einem dualen<br />

Ansatz mit Hilfe seiner Peptides-to-Drugs- (P2D)-Plattform entweder so genannte<br />

Peptidmimetika und/oder „small molecules“. Welche dieser beiden Verbindungsklassen<br />

eingesetzt wird, hängt von der jeweiligen Indikation ab.<br />

Der Vorteil der P2D-Strategie liegt in folgenden Punkten:<br />

• die „attrition rates“ (Ausschussraten) bis zum Eintritt und beim Durchlaufen der<br />

klinischen Phasen können verringert werden,<br />

• es können sowohl akute als auch chronische Indikationen mit dem gleichen Target<br />

adressiert werden,<br />

• der duale Ansatz erlaubt auf einem Target mehr als ein Lizenz- und/oder<br />

Marketingabkommen einzugehen.<br />

Vorteilhaft für eine schnelle Produktentwicklung war zudem eine gezielte und frühe<br />

Fokussierung auf wenige Projekte, um die vorhandenen Personal- und Finanzressourcen<br />

effizient einsetzen zu können. Das Unternehmen hat in enger Zusammenarbeit mit<br />

Experten relevante Indikationen bzw. Nischenindikationen identifiziert. Ein professionelles<br />

Projekt- inkl. Risikomanagement haben diese Maßnahmen begleitet. Wichtigste<br />

Basis der nachhaltigen und erfolgreichen Weiterentwicklung von Jerini war das<br />

Einwerben benötigter Expertise durch gezielte Erweiterung des Managements um<br />

Mitglieder mit jahrelanger Erfahrung im Pharmabereich.<br />

1994 als Spin-off des Universitätsklinikums Charité Berlin gegründet, ist die Jerini AG<br />

inzwischen in zwei Segmente gegliedert: Jerini Peptide Technologies (JPT) und Jerini<br />

Pharmaceuticals. Der Dienstleistungsbereich JPT produziert ein breites Spektrum von<br />

Peptiden und peptidbasierten Chips für internationale Pharma- und Biotech-<br />

Unternehmen sowie Forschungsinstitutionen. JPT ist profitabel und<br />

führt seine Gewinne an den Pharmabereich ab. Im Drug-Discovery-<br />

Bereich setzt Jerini seine Technologie sowohl in Kooperationen mit<br />

Pharmaunternehmen als auch auf eigenen Projekten ein. Das erste<br />

Produkt, das sich in klinischer Testung befindet, ist der Wirkstoff<br />

Icatibant, der für Anwendungen beim erblichen Angioödem sowie bei<br />

der refraktären Aszites in Leberzirrhose entwickelt wird. Icatibant<br />

wurde 2001 von der Firma Aventis einlizenziert, weil Jerini den<br />

Wirkstoff als wichtige strategische Option identifiziert hat. Der<br />

Wirkstoff komplementiert Jerinis Pipeline perfekt und ermöglichte<br />

eine Vorwärtsintegration in Richtung Marktnähe. Icatibant ist<br />

ein Peptidomimetikum, das hochspezifisch den menschlichen<br />

Bradykinin-B2-Rezeptor blockiert. Es wurde in den beiden o. g.<br />

Indikationen bereits in der Phase II mit positivem Ausgang getestet. In der Indikation<br />

Angioödem beginnt Jerini in diesem Jahr bereits mit der Zulassungsstudie. Die<br />

Markteinführung ist für das Jahr 2006 geplant.<br />

Jerini startete 1994 ganz ohne Venture Capital und sicherte die Unternehmensexpansion<br />

und die Weiterentwicklung der Technologien durch erfolgreiche Auftragsforschung<br />

und -entwicklung für renommierte, internationale Pharmaunternehmen. Die<br />

erste Finanzierungsrunde erfolgte im Januar 2000 (4,5 Mio. €) mit dem Ziel der<br />

Umwandlung von einer Dienstleistungsfirma/Technologiefirma in eine Drug-Discovery-<br />

Company. Im Oktober 2001 schloss Jerini eine zweite Finanzierungsrunde (20 Mio. €) ab.<br />

Jerini hat Lizenz- und Kooperationsabkommen mit den Firmen Bayer, Baxter und Merck<br />

KGaA abgeschlossen.<br />

www.jerini.com<br />

28 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Insgesamt befinden sich bei den analysierten deutschen Biotech-Firmen<br />

202 Wirkstoffe in der Entwicklungspipeline, das<br />

sind 14 Prozent mehr als im Jahr 2002. Von den 202 Wirkstoffen<br />

sind 69 in der klinischen Entwicklung, das heißt in<br />

Phase I bis III oder in der Zulassung. Auf dem Markt waren im<br />

Jahr 2003 noch keine aus der Entwicklung einer deutschen<br />

Core-Biotech-Firma stammenden Wirkstoffe. Dies wird jedoch<br />

für das laufende Jahr von MediGene<br />

erwartet.<br />

Eine Ausnahme stellen bereits auf dem<br />

Markt befindliche Produkte der autologen<br />

Zelltransplantation dar, die von<br />

einigen zwar als Wirkstoff bzw. Therapeutikum<br />

angesehen werden, in strengem<br />

Sinne jedoch eher dem Tissue Engineering<br />

zuzuordnen sind. Diese Therapeutika<br />

sind gerichtete Arzneimittel, die<br />

keine Zulassung, sondern nur eine Herstellerlaubnis nach<br />

Arzneimittelgesetz benötigen.<br />

Beispiele hierfür sind die autologen Chondrozyten-Transplantate<br />

der Firmen CellGenix und CellTec. Ebenfalls als Rezepturarzneimittel<br />

angeboten werden azelluläre Therapeutika wie<br />

beispielsweise autologe Wachstumsfaktoren der Leipziger<br />

Firma euroderm.<br />

Abbildung 2-5 zeigt die Anzahl der Entwicklungsprojekte pro<br />

Firma in den Produktportfolios der Sample-Unternehmen. Hier<br />

hat sich im Jahresvergleich auf Grund der gestiegenen<br />

absoluten Anzahl an Wirkstoffen in der Entwicklungspipeline<br />

ebenfalls ein Fortschritt ergeben.<br />

Abbildung 2-5:<br />

Wirkstoffportfolio der Sample-Unternehmen im Jahresvergleich<br />

Anzahl Firmen<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

27<br />

1<br />

30<br />

20<br />

2<br />

22<br />

11<br />

Anzahl der Wirkstoffe in der Entwicklungspipeline<br />

3<br />

13<br />

Wenn auch die Zahl an Firmen weiter zugenommen hat, die nur<br />

ein oder zwei Wirkstoffe im Portfolio haben, so ist mit einer<br />

Verdoppelung der Zahl an Firmen mit je vier oder fünf Wirkstoffen<br />

in der Pipeline eine wesentlich deutlichere Zunahme zu<br />

verzeichnen.<br />

Dies ist vor dem Hintergrund der derzeit sehr angespannten<br />

Finanzierungssituation eine sehr erfreuliche Entwicklung.<br />

Tabelle 2-1:<br />

Anzahl der Wirkstoffe in der Entwicklungspipeline nach Firmenstatus<br />

(Firmenanzahl in Klammern)<br />

Status Präklinik Ph I Ph II Ph III<br />

Jahr 2002 2003 2002 2003 2002 2003 2002 2003<br />

privat 110 (53) 125 (67) 30 (21) 35 (25) 19 (12) 24 (23) 3 (3) 3 (3)<br />

börsennotiert 7 (3) 8 (3) 4 (2) 3 (1) 3 (2) 2 (2) 1 (1) 2 (2)<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

4<br />

8<br />

4 5<br />

9<br />

4 4<br />

Damit besteht natürlich der Wunsch bzw. die Hoffnung, dass<br />

diese Fortschritte durch bessere Möglichkeiten zur Kapitalaufnahme<br />

bald weiter vorangetrieben werden können. Denn<br />

nach wie ist die Wirkstoffentwicklung ein sehr kostspieliger<br />

Prozess. Viele Firmen konzentrieren derzeit ihre Ressourcen<br />

daher auf die am weitesten fortgeschrittenen Produkte, um über<br />

eine Vermarktung letztlich auch wieder Nachfolgeprodukte mit<br />

finanzieren zu können.<br />

Die oben stehende Tabelle zeigt die Aufteilung der Entwicklungspipeline<br />

auf private und börsennotierte Firmen. Die Bedeutung<br />

der privaten Biotech-Firmen ist im Vergleich zum Vorjahr<br />

konstant geblieben. Ihr Anteil an der Anzahl aller Wirkstoffe<br />

in der Entwicklungspipeline lag nach wie vor bei 92 Prozent.<br />

2002<br />

2003<br />

2<br />

mehr als 5<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Insgesamt wird die Entwicklungspipeline<br />

der deutschen Core-Biotech-Industrie<br />

derzeit durch 82 Unternehmen repräsentiert.<br />

Davon sind börsennotiert die GPC<br />

Biotech, MediGene, Mologen und<br />

MorphoSys. Hinzu kommen 30 Firmen,<br />

die bisher lediglich Projekte in der<br />

Forschung vorweisen können.<br />

29


Einlizenzierung versus Eigenentwicklung<br />

P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />

Die unten stehende Abbildung zeigt den Anteil an einlizenzierten<br />

und eigenentwickelten Wirkstoffen in der Entwicklungspipeline<br />

der analysierten deutschen Core-Biotech-Unternehmen<br />

im Jahresvergleich. Unterschieden wurde dabei nach Einlizenzierungen<br />

aus der Pharma- und Biotech-Industrie sowie aus<br />

dem akademischen Bereich.<br />

Es wird dabei deutlich, dass Produkte, die aus eigener Entwicklung<br />

stammen, sich überwiegend in der Präklinik oder bereits in<br />

der Phase I befinden.<br />

Abbildung 2-6:<br />

Herkunft der Produkte in der Entwicklungspipeline:<br />

Eigenentwicklung versus Einlizenzierung im Jahresvergleich<br />

Präklinik<br />

Phase I<br />

Phase II<br />

0<br />

Anzahl der Wirkstoffe in %<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />

2002<br />

2003<br />

Zudem ist klar erkennbar, dass der Anteil von Wirkstoffen aus<br />

der akademischen Forschung eine nicht unwesentliche Rolle<br />

spielt. Solche Wirkstoffe sind neuerdings auch zu einem größeren<br />

Anteil bei Wirkstoffen zu finden, die derzeit in Phase II<br />

getestet werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass im Jahr<br />

2003 12 Unternehmen mit 12 Produkten neu in die Phase II<br />

gekommen sind und hierbei allein 4 Wirkstoffe ursprünglich<br />

aus der akademischen Forschung einlizenziert worden waren.<br />

Der Anteil an Eigenentwicklungen ist bei den Phase-II-Wirkstoffen<br />

immerhin noch doppelt so hoch wie der Anteil von Produkten,<br />

die von Pharmafirmen einlizenziert wurden.<br />

Für die Biotech-Unternehmen haben die aus der Pharmaindustrie<br />

stammenden Wirkstoffe insofern eine große Bedeutung,<br />

da sie ein nicht ausreichendes Portfolio an eigenentwickelten<br />

Projekten ergänzen und damit die Zeit bis zum Markteintritt<br />

verkürzen können.<br />

Die Phase III, die hier nicht abgebildet ist, ist noch deutlicher<br />

zugunsten der Einlizenzierung verschoben. (in 2002: eine<br />

Eigenentwicklung/drei Einlizenzierungen; in 2003: eine Eigenentwicklung/vier<br />

Einlizenzierungen).<br />

Eigenentwicklung<br />

von Akademie<br />

von Biotech<br />

von Pharma<br />

Wirkstoff-Portfolio nach Indikation<br />

In der aktuellen Entwicklungs-Pipeline ist nach wie vor die<br />

Indikation Krebs vor den Infektionskrankheiten am stärksten<br />

vertreten, obwohl im Jahresvergleich der Anteil an Wirkstoffen<br />

in diesen Indikationen abgenommen hat (siehe Abbildung 2-7).<br />

Auf absoluter Basis stecken jedoch sechs Krebswirkstoffe mehr<br />

in der Entwicklungs-Pipeline als im Jahr zuvor. Die Verschiebung<br />

des Anteils ergibt sich somit auf Grund eines<br />

erhöhten Anteils an Wirkstoffen in den Indikationen Entzündung,<br />

Herz-Kreislauf, Haut sowie Metabolismus.<br />

Wirkstoffe gegen Entzündungserkrankungen lösen damit die<br />

ZNS-Wirkstoffe in der Rangfolge auf Platz drei ab. Alle weiteren<br />

aufgezeigten Indikationsgebiete erreichen einen Anteil von<br />

weniger als fünf Prozent. Acht Prozent der Wirkstoffe sind<br />

anderen Indikationen zuzuordnen.<br />

30 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Abbildung 2-7:<br />

Entwicklungsportfolio nach Indikation im Jahresvergleich<br />

Onkologie<br />

Infektion<br />

13<br />

12<br />

ZNS 7<br />

10<br />

Entzündung 6<br />

8<br />

Kardiovaskular 5<br />

6<br />

Haut 4<br />

6<br />

Atemwege<br />

1<br />

3<br />

Stoffwechsel 2<br />

5<br />

Magen/Darm 1<br />

1<br />

Schmerz 1<br />

2<br />

Produktportfolio nach Art des Wirkstoffs<br />

Die Analyse des Entwicklungsportfolios der Biotech-Firmen<br />

nach Art des Wirkstoffs zeigt, dass der größte Anteil der in<br />

Entwicklung befindlichen Produkte die so genannten „small<br />

molecules“ sind. Sie nehmen einen Anteil von 34 Prozent ein.<br />

An zweiter Stelle folgen die rekombinanten Proteine mit einem<br />

Anteil von 18 Prozent, dicht gefolgt von<br />

den therapeutischen Antikörpern mit 16<br />

Prozent. Die Antikörper werden üblicherweise<br />

heute ebenfalls auf rekombinanter<br />

Basis gewonnen, wurden hier jedoch auf<br />

Grund ihrer zunehmenden Bedeutung als<br />

gesonderte Wirkstoffklasse aufgeführt.<br />

Weitere Wirkstoffarten mit bedeutsamem<br />

Anteil sind Impfstoffe sowie Zelltherapeutika.<br />

2002<br />

2003<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />

Wirkstoffe in der Entwicklungspipeline in %<br />

weitere 8 % sind anderen Indikationen zuzuordnen<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

44<br />

49<br />

In der unten stehenden Abbildung ist darüber hinaus noch der<br />

Anteil an Antisense/Nukleotid-Wirkstoffen, Gentherapie sowie<br />

Peptiden dargestellt.<br />

Im Jahresvergleich ist eine deutliche Zunahme, vor allem bei<br />

den therapeutischen Antikörpern, zu erkennen. Ursache ist die<br />

Aufnahme mehrerer neuer Wirkstoffe dieser Art in die<br />

Präklinik.<br />

Abbildung 2-8:<br />

Entwicklungsportfolio nach Art des Wirkstoffs im Jahresvergleich<br />

small molecule<br />

rekombinantes Protein<br />

20<br />

Antikörper (Fragment)<br />

Impfstoff<br />

8<br />

Zelltherapie 4<br />

10<br />

Antisense/Nukleotid<br />

Gentherapie 3<br />

Peptide 3<br />

4<br />

2002<br />

Sonstiges<br />

5<br />

10<br />

2003<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />

9<br />

34<br />

16<br />

5<br />

1<br />

5<br />

34<br />

18<br />

12<br />

Wirkstoffe in der Entwicklungspipeline in %<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

31


P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />

Die Zunahme der therapeutischen Antikörper in der Entwicklungspipeline<br />

ist in einzelnen Indikationen besonders deutlich<br />

ausgeprägt, so zum Beispiel bei der Entwicklung von Wirkstoffen<br />

gegen Krebs und Entzündungen, wie auch bei Projekten in der<br />

Forschung gegen Infektionskrankheiten (siehe Abbildung 2-9).<br />

Abbildung 2-9:<br />

Ausgewählte Indikationen nach Art des Wirkstoffs im Jahresvergleich<br />

Krebstherapien nach Art des Wirkstoffs (in der Entwicklungspipeline)<br />

Small<br />

molecule<br />

Antikörper<br />

(Fragment)<br />

rekombinantes<br />

Protein<br />

Impfstoff<br />

8<br />

9<br />

14<br />

18<br />

18<br />

0 10 20 30 40 50<br />

Anteil Wirkstoffe in %<br />

(Auf die Darstellung der Anteile der restlichen Wirkstoffe wurde verzichtet.)<br />

27<br />

29<br />

33<br />

2002<br />

2003<br />

Die zunehmende Bedeutung von therapeutischen Antikörpern<br />

wird im Folgenden im Detail betrachtet.<br />

Krebstherapien nach Art des Wirkstoffs (in der Forschung)<br />

Small<br />

molecule<br />

Antikörper<br />

(Fragment)<br />

rekombinantes<br />

Protein<br />

Impfstoff<br />

0 10 20 30 40 50<br />

Anteil Wirkstoffe in %<br />

(Auf die Darstellung der Anteile der restlichen Wirkstoffe wurde verzichtet.)<br />

Infektionstherapien nach Art des Wirkstoffs (in der Entwicklungspipeline) Infektionstherapien nach Art des Wirkstoffs (in der Forschung)<br />

Small<br />

molecule<br />

Antikörper<br />

(Fragment)<br />

rekombinantes<br />

Protein<br />

Impfstoff<br />

Entzündungs-Therapien nach Art des Wirkstoffs (in der Entwicklungspipeline) Entzündungs-Therapien nach Art des Wirkstoffs (in der Forschung)<br />

Small<br />

molecule<br />

Antikörper<br />

(Fragment)<br />

rekombinantes<br />

Protein<br />

4<br />

5<br />

14<br />

0 10 20 30 40 50<br />

Anteil Wirkstoffe in %<br />

11<br />

13<br />

19<br />

22<br />

25<br />

27<br />

29<br />

32<br />

38<br />

2002<br />

2003<br />

0 10 20 30 40 50 60 70<br />

Anteil Wirkstoffe in %<br />

44<br />

67<br />

2002<br />

2003<br />

Small<br />

molecule<br />

Antikörper<br />

(Fragment)<br />

rekombinantes<br />

Protein<br />

Impfstoff<br />

Small<br />

molecule<br />

Antikörper<br />

(Fragment)<br />

rekombinantes<br />

Protein<br />

32 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

0<br />

6<br />

8<br />

8<br />

8<br />

11<br />

17<br />

17<br />

21<br />

23<br />

25<br />

29<br />

46<br />

2002<br />

2003<br />

0 10 20 30 40 50<br />

Anteil Wirkstoffe in %<br />

17<br />

18<br />

18<br />

18<br />

28<br />

28<br />

33<br />

44<br />

2002<br />

2003<br />

2002<br />

2003<br />

0 10 20 30 40 50<br />

Anteil Wirkstoffe in %<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

45


Entwicklung und Markt therapeutischer Antikörper<br />

Therapeutische Antikörper sind nach der Entwicklung rekombinanter<br />

Proteine die wichtigste Innovation in der Biotech-<br />

Industrie der letzten 20 Jahre.<br />

Basierte die Produktion von monoklonalen Antikörpern 1975<br />

noch auf der Immunisierung mit Antigenen in murinen Systemen,<br />

wurde schon 1976 mittels der neuartigen Hybridoma-<br />

Technologie eine Herstellung in vitro – also ohne die Nutzung<br />

von Versuchstieren – ermöglicht. Bei dieser Methode werden<br />

monoklonale Antikörper durch die Fusion von immortalisierten<br />

Zellen mit antikörperproduzierenden Lymphozyten hervorgebracht.<br />

Kommerziell wurde die neue Technologie bereits früh von dem<br />

Unternehmen Roche genutzt, um monoklonale Antikörper für<br />

den Einsatz in der diagnostischen Forschung zu entwickeln.<br />

Die Hoffnungen auf einen Einsatz als hochspezifische Therapeutika,<br />

die zielgenau und neben-<br />

wirkungsarm eingesetzt werden<br />

können, zerschlugen sich<br />

aber zunächst. Denn monoklonale<br />

Maus-Antikörper sind<br />

für den humantherapeutischen<br />

Einsatz schlecht geeignet, da<br />

ihre murine Herkunft das<br />

menschliche Immunsystem zu<br />

Abwehrreaktionen aktiviert.<br />

Als Folge wird die gewünschte<br />

Wirkung unterdrückt und es<br />

kann sogar zu anaphylaktischen<br />

Schockreaktionen kommen.<br />

Die ersten chimären und<br />

humanisierten Antikörper, die<br />

in der Lage waren, diese Probleme<br />

zu umgehen, wurden in<br />

der zweiten Hälfte der 80er Jahre hergestellt. Bei humanisierten<br />

Antikörpern stammen nur noch die kleinen, Antigen bindenden<br />

Regionen von den Maus-Antikörpern, während der gesamte<br />

Rest einem humanen Antikörper entspricht.<br />

Doch auch diese Form der Antikörper führte letztlich vor allem<br />

bei Dauerapplikation zur Bildung von Anti-Idiotypen und damit<br />

einhergehendem Wirkverlust. Die weitere Entwicklung zielte<br />

deshalb darauf ab, die Antikörper vollständig zu humanisieren.<br />

Dazu wurden beispielsweise transgene Mäuse erzeugt, in deren<br />

Genom der gesamte Genabschnitt, der zur Bildung von<br />

Antikörpern erforderlich ist, vom Menschen stammt.<br />

C H2<br />

C H3<br />

Maus<br />

Antikörper<br />

C H1<br />

C L<br />

Erst Techniken der Molekularbiologie ermöglichten somit die<br />

Herstellung von heute üblichen humanen Antikörpern zur<br />

therapeutischen Anwendung.<br />

Laut Datamonitor waren bereits 2001 weltweit mehr als 100<br />

Antikörper oder Antikörperfragmente in klinischen Versuchen.<br />

Der über die letzten Jahre unerwartet hohe Anstieg an FDAzugelassenen<br />

und an in der klinischen Entwicklung befindlichen<br />

monoklonalen Antikörpern stellt große Herausforderungen an<br />

das „Scale-up“ von Produktionsprozessen biotechnologisch<br />

hergestellter Antikörper. Mit der Erwartung weiterer Zulassungen<br />

von therapeutischen Antikörpern besteht eine große Nachfrage<br />

an Produktionskapazitäten und somit auch an neuartigen<br />

Produktionstechnologien. Zur Zeit werden 75 Prozent der<br />

Säugerzell-Produktionskapazitäten allein von drei Unternehmen<br />

gehalten: Genentech, Boehringer Ingelheim und Lonza.<br />

Dabei bieten die beiden zuletzt genannten Firmen die Produktion<br />

als Service an. Darüber hinaus wurde von der Greenovation<br />

in Kooperation mit der bri-<br />

V H<br />

chimärer Antikörper humanisierter Antikörper<br />

V L<br />

CDR<br />

Menschlicher<br />

Antikörper<br />

tischen Aeres im vergangenen<br />

Jahr eine erfolgreiche Antikörperproduktion<br />

in Pflanzenzellen<br />

(Moos) demonstriert.<br />

Bislang wurden folgende<br />

therapeutische Antikörperklassen<br />

entwickelt: murine,<br />

chimäre, humanisierte, vollständig<br />

humane, Konjugate<br />

sowie Antikörperfragmente.<br />

Obwohl laut Datamonitor das<br />

Marktwachstum auf dem Anstieg<br />

humanisierter und vollständiger<br />

humaner Antikörper<br />

beruhen wird, dominieren momentan<br />

noch die chimären<br />

Antikörperprodukte den Markt.<br />

Führend bei den chimären Antikörperprodukten sind Remicade<br />

von Centocor/Johnson & Johnson sowie Rituxan von<br />

Genentech/Biogen Idec. Remicade ist ein anti-TNF Antikörper,<br />

der seit 1998 bei Morbus Crohn sowie seit 1999 für rheumatoide<br />

Arthritis zugelassen ist. Rituxan (Rituximab) ist ein Antikörper<br />

zur Behandlung von B-Zell-Non Hodgkin’s Lymphomen. Mit<br />

Remicade hat Johnson & Johnson allein im dritten Quartal des<br />

Jahres 2002 Umsätze von 300 Millionen US$ erzielt. Der Umsatz<br />

von Rituxan ist seit 2001 von 819 Millionen US$ auf 1,4<br />

Milliarden US$ in 2003 gestiegen.<br />

33


P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />

Der weltweite Gesamtmarkt – basierend auf 200 „Global<br />

Playern“, die in Forschung, Entwicklung, Produktion und<br />

Marketing involviert sind – wird nach Datamonitor auf derzeit<br />

5,4 Milliarden US$ geschätzt (2002) und soll sich bis 2008 auf<br />

bis zu 16,7 Milliarden US$ verdreifachen. Die chimären Antikörper<br />

nehmen vom derzeitigen Markt einen Anteil von 70,5<br />

Prozent ein. Allein zwischen den Jahren 2001 und 2002 ist der<br />

Wert des therapeutischen Antikörper-Marktes um 37,5 Prozent<br />

gestiegen, wobei das Wachstum der chimären Antikörper bei<br />

43,2 Prozent und das der humanisierten Antikörper bei 29<br />

Prozent lag.<br />

Große Hoffnungen werden vor allem in therapeutische Antikörper<br />

zur Behandlung von Krebserkrankungen, immunologischen<br />

Dysfunktionen (zum Beispiel rheumatoide Arthritis),<br />

Asthma sowie der Multiplen Sklerose gesetzt.<br />

Tabelle 2-2:<br />

Jüngst zugelassene und in Phase III befindliche therapeutische Antikörper<br />

Produktname Target Indikation Phase Entwickler/Partner<br />

Viele Analysten bezeichnen das jüngst zugelassene Darmkrebsmedikament<br />

Avastin von Genentech als das wichtigste<br />

Produkt, das seit Jahren aus der Biotech-Industrie hervorgegangen<br />

ist. Es werden dafür Umsatzprognosen von über zwei<br />

Milliarden US$ im Jahr und mehr abgegeben. In den USA wird<br />

Avastin von Genentech vertrieben, in Europa von der Schweizer<br />

Roche, die im Dezember 2003 die europäische Zulassung bei<br />

der EMEA beantragt hat. Eine Therapie mit Avastin wird in den<br />

USA um die 4.400 US$ kosten.<br />

Im Vergleich dazu kostet eine Therapie mit Erbitux von<br />

ImClone, ebenfalls gegen Darmkrebs, um die 10.000 US$, wird<br />

jedoch eine kürzere Anwendungszeit benötigen, da Avastin als<br />

Abschlusstherapie mit einer begleitenden Chemotherapie<br />

eingesetzt wird. Seit Dezember 2003 hält die deutsche Merck<br />

die Zulassung von Erbitux in der Schweiz. Die europaweite<br />

Zulassung wird für Mitte 2004 erwartet.<br />

Nachfolgende Tabelle zeigt einen Überblick der in 2003 und<br />

2004 zugelassenen sowie in Phase III befindlichen therapeutischen<br />

Antikörper.<br />

Erbitux Verschiedene Zulassung ImClone/BMS (Vertrieb USA)/<br />

(cetuximab) Anti-EGFr Krebs-Formen Februar 2004 Merck KGaA (Vertrieb Deutschland)<br />

Bexxar Non-Hodgkin- Zugelassen bei der Corixa/GSK<br />

(tositumomab) Anti-CD20 Lymphoma FDA Mitte 2003<br />

Zugelassen bei der<br />

Xolair Anti-IgE Asthma FDA Juni 2003 Novartis/Tanox/Genentech<br />

Raptiva Zugelassen bei der<br />

(vorher Xanelim) Anti-CD11a Psoriasis FDA Oktober 2003 Genentech/Xoma/Serono<br />

Rheumatoide Zugelassen bei der<br />

Humira Anti-TNF Arthritis FDA Dezember 2003 CAT/Abbott<br />

Zugelassen bei der<br />

Avastin Anti-VEGF Darmkrebs FDA Februar 2004 Genentech/Roche<br />

Pemtumomab Anti-PEM Eierstockkrebs Phase III Antisoma/Roche<br />

Anti-idiotypischer<br />

BEC 2 Ganglioside GD3<br />

Mitumomab Imitator SCLC Phase III ImClone/Merck KGaA<br />

Phase III, Elan/Biogen Idec<br />

Antegren Multiple FDA-Zulassung wird<br />

(natalizumab) Anti-VLA-4 Sklerose Mitte 2004 beantragt<br />

Anti-TNF Rheumatoide<br />

CDP-870 alpha Arthritis Phase III Celltech/Pfizer<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

34 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Tabelle 2-3:<br />

Ausgewählte Projekte zu therapeutischen Antikörpern bei deutschen Core-Biotech-Firmen<br />

Produktname Target Indikation Phase Entwickler/Partner<br />

WX-250/Rencarex MN Antigen Nierenzellkrebs In Kürze Phase III Centocor/Wilex<br />

1D09C3 MHC-Klasse II Lymphoma Präklinik GPC Biotech/MorphoSys<br />

Moleküle<br />

MT-201 EpCAM Prostatakrebs Phase II Micromet<br />

Triomab EpCAM/Her2/neu Eierstockkrebs Phase I/II Trion Pharma<br />

(removab/rexomun)<br />

1999 lizenzierte Wilex den Antikörper Rencarex/WX-G250 von<br />

Centocor ein und brachte ihn in die klinische Entwicklung.<br />

Wilex erhielt von den Zulassungsbehörden FDA und EMEA für<br />

Rencarex in der Indikation Nierenkrebs den „Orphan Drug Status“,<br />

der dem Unternehmen ein exklusives Vermarktungsrecht für 7<br />

Jahre in den USA und für 10 Jahre in der Europäischen Union,<br />

jeweils ab Marktzulassung, garantiert. Der chimäre monoklonale<br />

Antikörper stellt nach Ansicht führender Onkologen einen der<br />

vielversprechendsten Therapieansätze zur Behandlung von<br />

Nierenzellkrebs dar. Gegen Nierenzellkrebs ist derzeit keine<br />

sichere und gut verträgliche Standardtherapie verfügbar. Wilex<br />

entwickelt ebenfalls den radioaktiv markierten Antikörper WX-<br />

G250RIT als Radio-Immuntherapie zur Behandlung von nicht<br />

operablem Gallenblasen- und Gallengangkrebs. In dieser Indikation<br />

ist derzeit ebenfalls keine Standardtherapie verfügbar.<br />

Wilex besitzt die weltweiten Marketingrechte für WX-G250<br />

und WX-G250RIT. Ausgenommen sind die USA, in denen die<br />

Vermarktungsrechte bei Centocor/Johnson & Johnson liegen.<br />

GPC Biotech präsentierte im September 2003 neue viel<br />

versprechende Daten für den Anti-Krebs-Antikörper 1D09C3 in<br />

Kombination mit Rituxan. Dieser Antikörper wurde in Zusammenarbeit<br />

mit MorphoSys aus deren HuCAL-Bibliothek komplett<br />

humaner Antikörper isoliert. 1D09C3 bindet an spezifische<br />

Zelloberflächenrezeptoren, so genannte MHC-Klasse-II-<br />

Moleküle. Dies führt zum gezielten Absterben aktivierter, sich<br />

vermehrender MHC-Klasse-II-positiver Tumorzellen, darunter<br />

B-Zell- und T-Zell-Lymphome sowie weiterer Blutkrebszellen.<br />

Bei einem In-vivo-Modell des Non-Hodgkin-Lymphoms konnte<br />

in Kombinationsstudien mit Rituxan deutlich eine synergistische<br />

Wirksamkeit der beiden Antikörper gezeigt werden.<br />

Genehmigungen zum Beginn klinischer Studien in Europa<br />

liegen bereits vor.<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Micromet setzt Antikörper ein, um das Immunsystem für die<br />

Erkennung von Tumoren zu sensibilisieren und verwendet dazu<br />

voll humane Antikörper. Der humane MT201-Antikörper<br />

befindet sich zur Zeit in einer klinischen Phase-II-Studie zur<br />

Behandlung von Prostatakrebs und Micromet hat mit Boehringer<br />

Ingelheim eine Allianz zur Produktion und Prozessentwicklung<br />

geschlossen. Darüber hinaus entwickelt Micromet Antikörper-<br />

Derivate, neuartige Substanzen, die bestimmte T-Zellen aktivieren,<br />

die die wirksamsten Killer-Zellen des Immunsystems<br />

sind. Im Vergleich zu traditionellen Antikörpern sind die<br />

Derivate um den Faktor 100.000 wirksamer.<br />

Trion Pharma entwickelt eine neue Generation von intakten<br />

bispezifischen Antikörpern (triomab), die spezifisch gegen<br />

charakteristische Antigene epithelialer Tumore gerichtet sind.<br />

Die triomab-Antikörper removab und rexomun haben den<br />

Vorteil, dass sie gleichzeitig zwei immunologische Kaskaden<br />

aktivieren. Sie erkennen die auf Tumorzellen vorkommenden<br />

Antigene EpCAM und Her2/neu und koppeln ferner an die<br />

beiden freien Bindungsstellen der triomab-Antikörper T-<br />

Lymphozyten und Fresszellen an. Durch die effektive Ausbildung<br />

eines Tri-Zell-Komplexes werden die Immunzellen<br />

direkt an den Tumor herangeführt und gezielt aktiviert. Diese<br />

Konstellation führt zu einer von herkömmlichen therapeutischen<br />

Antikörpern bisher nicht erreichten Effizienz bei der<br />

Zerstörung von Krebszellen. Die Wirksamkeit der triomab<br />

Antikörper wurde in Tiermodellen sowie bei der Entfernung<br />

von Tumorzellen aus Stammzellpräparaten von Brust- und<br />

Eierstockkrebs-Patientinnen eindeutig belegt. Mit Beginn der<br />

klinischen Prüfungen und der bereits abgeschlossenen Phase-<br />

I/II-Studie bei Eierstockkrebs-Patientinnen mit malignem<br />

Aszites wurde bereits eine neue Stufe der Arzneimittelentwicklung<br />

erreicht.<br />

35


Bio-Generika<br />

P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />

Bis zum Jahr 2006 werden 11 biopharmazeutische Produkte aus<br />

der ersten Generation (Markteintritt in den 80er und frühen 90er<br />

Jahren) mit heute über 13 Milliarden € Umsatz ihren Patentschutz<br />

verlieren. Damit werden sie zum Ziel von Generika-<br />

Herstellern, denn mit ihren potenziell hohen Umsätzen und<br />

komfortablen Margen, die oft höher liegen als diejenigen<br />

klassischer Pharmazeutika, sind die Biopharmazeutika ein<br />

attraktives Geschäftsfeld.<br />

Vom Ablauf der Patente wird zuerst der europäische Markt<br />

betroffen sein, denn in den USA sind die meisten dieser Produkte<br />

noch einige Jahre geschützt. Noch in diesem Jahr wird<br />

beispielsweise in Europa das Patent für das gentechnisch<br />

hergestellte Erythropoietin der Firma Amgen ablaufen. So ist es<br />

nur konsequent, dass bereits einige Firmen in den Startlöchern<br />

stehen, um nachgeahmte Biopharmazeutika, so genannte Bio-<br />

Generika, zu entwickeln und zu vermarkten. Beispiele hierfür<br />

sind die Hexal und die Stada Arzneimittel, die über ihre<br />

Tochterfirma Biogenerics in Kooperation mit der niederländischen<br />

DSM-Gruppe die Produktion von Bio-Generika<br />

verfolgt. Auch die Ratiopharm entwickelt mit ihrer Biotech-<br />

Tochter BioGeneriX aus Mannheim solche Substanzen.<br />

Noch im Jahr 1989 wurde laut Adamant Biomedical Investments<br />

mit Biopharmazeutika weniger als 50 Millionen US$<br />

Umsatz gemacht, in 2003 belief sich deren weltweites<br />

Marktvolumen bereits auf rund 30 Milliarden US$ und soll sich<br />

bis 2010 noch verdoppeln. Bei den Bio-Generika rechnen<br />

Analysten der DZ Bank für den europäischen und USamerikanischen<br />

Markt mit einem Umsatzvolumen von vier<br />

Milliarden US$ in 2005. In Osteuropa, Asien und Südamerika<br />

besteht bereits heute ein Markt für Bio-Generika. Hier sind die<br />

gesetzlichen Bestimmungen für Patente und Entwicklungen<br />

patentgeschützter Medikamente nicht so streng wie in den USA<br />

oder Europa. Auf Grund des in Europa noch nicht gesicherten<br />

gesetzlichen Zulassungsrahmens für Bio-Generika sowie einer<br />

Reihe von komplexen Fragen zu Produktions- und Qualitätssicherung<br />

ist mit einer Vermarktung in Europa frühestens in<br />

2005/2006 zu rechnen.<br />

Die Herausforderung bei der Entwicklung, Produktion und<br />

Zulassung von Bio-Generika liegt darin, dass die Herstellungsprozesse<br />

auf lebenden Zellen oder Organismen basieren.<br />

Hierbei kann oftmals nicht von einer qualitativ und quantitativ<br />

reproduzierbaren Herstellung ausgegangen werden.<br />

Genau dies ist jedoch das Merkmal klassischer, chemischsynthetisch<br />

hergestellter Generika, die dem Ursprungsprodukt<br />

des Originalherstellers insofern weitgehend gleichen, als dass<br />

sie den gleichen Wirkstoff in der gleichen Menge enthalten. Der<br />

Wirkstoff ist somit qualitativ und quantitativ identisch mit dem<br />

Wirkstoff des Originalpräparates. Nur deswegen wird im<br />

Zulassungsverfahren von der therapeutischen Gleichwertigkeit<br />

des Generikums ausgegangen und auf eine erneute klinische<br />

Prüfung auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit weitgehend<br />

verzichtet. Die Zulassung des Generikums erfolgt somit unter<br />

Berufung auf entsprechende Unterlagen des Originalherstellers.<br />

Als einzige Anforderung muss lediglich die Bioäquivalenz in<br />

kleineren und wenig kostspieligen Studien nachgewiesen<br />

werden.<br />

Bei den Biopharmazeutika dagegen können bereits kleine<br />

Änderungen im Herstellungsprozess, zum Beispiel der<br />

Fermentationsbedingungen, zu Unterschieden im Wirkmolekül<br />

führen, die die Wirksamkeit des Medikaments oder auch dessen<br />

Verträglichkeit nachhaltig verändern. Schon kleine Veränderungen<br />

in der räumlichen Molekülstruktur können Allergien<br />

und Immunreaktionen hervorrufen. Zudem kann es sehr<br />

spezifische Formulierungsbedingungen (zum Beispiel Hilfsstoffe,<br />

Konjugation oder spezielle, chemikalische oder<br />

physikalische Bedingungen) erfordern, um bei der Verabreichung<br />

eine bestimmte biologische Aktivität zu entfalten.<br />

Diese Faktoren müssen bei der Entwicklung und Produktion<br />

von Bio-Generika berücksichtigt werden. Der stringente Nachweis<br />

der klinischen Äquivalenz kann zeitaufwändig und teuer<br />

sein und wird durch das Fehlen klarer Zulassungsrichtlinien<br />

erschwert, denn in der EU gibt es bisher keine speziellen<br />

Vorschriften für biologische Generika. So muss in Europa für<br />

jedes biogenerische Produkt individuell abgeklärt werden,<br />

welcher Nachweis nötig sein wird und ob neue Tier- und<br />

Humanversuche durchgeführt werden müssen. Selbst in den<br />

USA ist die FDA mit klaren Richtlinien für Bio-Generika<br />

zurückhaltend.<br />

Einige Generikaproduzenten entwickeln bereits Kopien von<br />

Biopharmazeutika und versuchen dabei auch, den Patentschutz<br />

zu umgehen, indem sie einen alternativen Weg für die<br />

Herstellung identischer oder fast identischer Wirksubstanzen<br />

suchen. Patenthürden zu umgehen, erweist sich aber als<br />

besonders schwierig, da der Originalhersteller meist nicht nur<br />

das Patent für die Wirksubstanz sondern auch Patente auf den<br />

Herstellungsprozess und die Formulierung besitzt.<br />

36 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Elmar Schäfer, CEO und Dr. Klaus Maleck, CFO<br />

BioGeneriX AG, Mannheim<br />

Mit Biogenerika zum voll integrierten Biotech-Unternehmen<br />

– Herausforderungen an Geschäftsstrategien<br />

und Entwicklungskompetenz<br />

Kunststudenten kopieren große Meister, um ihre technischen Fähigkeiten so weit zu<br />

verbessern, dass sie ihre eigenen Ideen eines Tages selbst umsetzen können. Die in einigen<br />

Bereichen zurück liegende, deutsche Biotech-Industrie würde davon profitieren,<br />

große (zumeist US-amerikanische) Meister nachzuahmen, um eine nachhaltige Strukturentwicklung<br />

in dieser Schlüsselbranche zu ermöglichen. Besonders die Fähigkeit zur<br />

Produktentwicklung, Grundlage, um aus kreativen Plänen auch kommerziell verwertbare<br />

Produkte entstehen zu lassen, weist Schwächen auf.<br />

Die BioGeneriX AG betritt seit Mitte 2000 neue Wege, um risikooptimiert zu einem integrierten<br />

Biotech-Unternehmen heranzuwachsen. Als Pilotprojekte dienen dazu „similar<br />

biologics“, also Arzneimittel, deren Wirkmechanismus bekannt ist und die vom Markt als<br />

„me-too’s“ charakterisiert, regulatorisch aber als neue Wirkstoffmoleküle angesehen<br />

werden. Der Markt für diese Produkte, der sich auf Grund von Patentabläufen erst jetzt<br />

und sukzessiv öffnet, wird in den nächsten 5 Jahren auf knapp 20 Mrd. Euro anwachsen.<br />

Biotechnologisch hergestellte Wirkstoffe wie Insulin, G-CSF und Erythropoeitin verlieren<br />

in diesen Jahren ihren (europäischen)<br />

Patentschutz und werden auf Grund<br />

ihrer überragenden therapeutischen<br />

Eigenschaften und des damit verbundenen<br />

Markterfolgs Ziel von Nachentwicklungen<br />

sein. In diesen Fällen<br />

handelt es sich nicht um reine Generika-Entwicklungen.<br />

Vielmehr müssen<br />

alle Stufen der komplexen Arzneimittelentwicklung<br />

neu gestaltet und<br />

durchlaufen werden, um moderne,<br />

qualitativ hochstehende und sichere<br />

Medikamente anbieten zu können.<br />

Diese eigenständigen Entwicklungen umfassen insbesondere die Erprobung des<br />

Arzneimittels am Menschen in klinischen Prüfungen.<br />

Die Projektwahl der „similar biologics“ ermöglicht also nicht nur das frühe Forschungsund<br />

spätere Vermarktungsrisiko überschaubar zu halten, sondern erlaubt auch eine<br />

ganzheitliche und optimierte Projektplanung der diversen Entwicklungsphasen von Beginn<br />

an. Diese Fokussierung begründet eine resultatorientierte, strategische Ausrichtung und<br />

die Ableitung eines Zielsystems, das die Motivation aller BioGeneriX-Mitarbeiter plausibel<br />

unterstützt. Organisatorisch spiegelt sich die projektbedingte Komplexität in der<br />

funktional breiten Aufstellung seit dem ersten Jahr wieder: die klinische Forschung und<br />

die Zulassung waren nach weniger als einem Jahr ebenso an Bord wie die pharmazeutische<br />

und biotechnologische (Verfahrens-)Entwicklung sowie das Business Development.<br />

Obwohl jeder Bereich zunächst nur durch jeweils einen Spezialisten abgedeckt wurde,<br />

erlaubte dies ein interdisziplinäres, vorausschauendes Arbeiten an den Projekten.<br />

In dieser frühen Phase wurden sämtliche praktische Arbeiten fremdvergeben und durch<br />

die internen Spezialisten betreut und ausgewertet. Dieses „semi-virtuelle“ Konzept<br />

wurde bewusst gewählt, um einerseits den strengen Anforderungen an eine Arzneimittelentwicklung<br />

gerecht zu werden, andererseits aber die Investitionen und Fixkosten<br />

gering zu halten. Eine Fixkostenbegrenzung schien notwendig, da die Risiken der<br />

Entwicklung und Vermarktung besonders zu Beginn, sehr hoch waren. Ungeklärte<br />

regulatorische und politische Rahmenbedingungen, patentrechtliche Probleme, Abwehrstrategien<br />

von Originatoren (inklusive Nachfolgepräparate), neue Marketingstrategien<br />

und schwierige Vertriebsbedingungen zwangen zu dieser finanziellen Vorsicht. Die Synergien<br />

zum bekannten Generika-Geschäft wurden als gering eingeschätzt. Dies begründete<br />

auch die Entscheidung, eine dedizierte, autonome Firma auszugründen, die gezielt<br />

Flexibilität im Umgang mit langen Zeitachsen und hohen Kosten ermöglichen sollte.<br />

Die BioGeneriX AG hat sich seit dem Jahr 2000 als kompetenter und versierter Auftraggeber<br />

für viele Biotech- und mittelständische Pharmafirmen national und international<br />

etablieren können. Projektkoordination ist folglich eine der tragenden Säulen<br />

unseres Geschäfts geworden.<br />

Mit der Einweihung des S1-Labors im High-Tech-Park Mannheim stehen der BioGeneriX<br />

seit Juni 2001 auch eigene Entwicklungskompetenzen zur Verfügung. Zell- und<br />

molekularbiologische sowie proteinanalytische Arbeiten werden nun verstärkt in Eigenregie<br />

durchgeführt. Die erste Kompletteigenentwicklung<br />

soll in diesem Jahr in<br />

die präklinischen Phasen gebracht<br />

werden. Dazu wird das Labor auf einen<br />

„GMP-like“ Status gebracht, der die<br />

Entwicklung und Herstellung von Wirkstoff<br />

im Pilotmaßstab ermöglicht. Eine<br />

Ausdehnung der Laborkapazitäten zur<br />

galenischen Entwicklung von Proteinformulierungen<br />

ist ebenso nahe<br />

liegend. Mit fortschreitenden Projekten<br />

(4 Projekte werden im Jahr 2004 in<br />

den klinischen Phasen sein) spielen<br />

auch Herstellkosten zunehmend eine Rolle. Langfristig wird es Sinn machen, die Herstellkosten<br />

zu senken und sowohl die Wirkstoff- als auch die Arzneimittelproduktion zu<br />

integrieren.<br />

Zusammen mit der Vermarktungskompetenz unserer Vertriebspartner ist die BioGeneriX<br />

somit auf dem Weg, zu einem der ersten voll integrierten Biotech-Unternehmen in<br />

Deutschland zu werden. In der Folge wird BioGeneriX prädestiniert sein, wissenschaftlich<br />

anspruchsvollere und innovative Projekte zu bearbeiten. Bereits heute verfügt<br />

BioGeneriX über mehrere eigene Patente und ausgezeichnetes proprietäres Know-how<br />

im Bereich therapeutischer Proteine.<br />

www.biogenerix.com<br />

37


Molekulardiagnostika<br />

P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />

Das zweithäufigste Geschäftsfeld, auf dem die deutschen Core-<br />

Biotech-Unternehmen der „roten“ Biotechnologie aktiv sind,<br />

sind die Molekulardiagnostika.<br />

Molekulardiagnostik umfasst alle Methoden zur Identifizierung<br />

von Krankheiten oder deren Prädisposition mittels der<br />

Analyse von DNA oder RNA eines Organismus. Insbesondere<br />

die Detektion von Infektionskrankheiten, die virale Genotypisierung,<br />

die Krebs- und Prädispositionsdiagnostik, genetische<br />

Tests von Erbkrankheiten sowie forensische und pharmakogenetische<br />

Tests profitieren vom Einsatz der Molekulardiagnostika.<br />

Derartige Testsysteme beruhen vor allem auf dem<br />

Einsatz der PCR-Technologie, deren grundlegende Lizenz bei<br />

der Schweizer Roche liegt, jedoch im Jahre 2005 abläuft. Auf<br />

Basis dieser Technologie lassen sich in der Regel sehr spezifisch<br />

und schnell diagnostische Ergebnisse erzielen.<br />

Es kann davon ausgegangen werden, dass mittelfristig die<br />

gezielte Molekulardiagnostik durch ihre Präzision dazu beitragen<br />

wird, Kosten für aufwändige und langwierige Diagnoseverfahren<br />

und anschließende Therapiemaßnahmen zu senken.<br />

Jedoch muss auch gesehen werden, dass die Umsetzung<br />

von neuen Technologien und Anwendungen in der Klinik sehr<br />

langsam vorangeht. Die Gründe liegen zum einen bei den<br />

derzeitigen Einsparungsbestrebungen im Gesundheitssystem.<br />

Zum anderen sehen sich innovative Biotech-Unternehmen mit<br />

ihren Dienstleistungen und neuen Produkten aber auch dem<br />

Problem mangelnder Akzeptanz seitens der Kliniken gegenüber.<br />

So gab eine in der Molekulardiagnostik tätige Firma als Wachstumshemmnis<br />

an, dass die DNA-Diagnostik, die von Naturwissenschaftlern<br />

(Chemikern, Biologen) durchgeführt wird,<br />

keine Lobby hat und mit Medizinern in Konflikt gerät, die<br />

dagegen eine starke Lobby haben. Auch werden Firmen mit<br />

einem starken Preisverfall konfrontiert, der aus den angebotenen<br />

Konkurrenzprodukten aus Tschechien, Australien,<br />

England und den USA resultiert.<br />

Dennoch wird der Molekulardiagnostik ein großer zukünftiger<br />

Markt zugeschrieben. Laut dem Cambridge Institute of Health<br />

ist der klinische Markt für derartige Produkte weltweit in einer<br />

Dekade von weniger als 50 Millionen US$ auf über eine<br />

Milliarde US$ angewachsen und wird sich bis zum Jahr 2008<br />

weiter auf drei Milliarden US$ steigern.<br />

Vor allem die Krebsdiagnostik wird hierbei eine wichtige Rolle<br />

spielen. Auf dieses Feld setzt zum Beispiel die Heidelberger<br />

mtm Laboratories, die sich mit ihrer molekularbiologischen<br />

Herangehensweise auf die Detektion von Gebärmutterhalskrebs<br />

fokussiert. Der Glaube an die Zukunftsperspektiven der Firma<br />

wurde im vergangenen Jahr durch den Abschluss einer zweiten<br />

Finanzierungsrunde mit insgesamt 12 Millionen € eindeutig<br />

unterstrichen.<br />

Mit dem Aufkommen der Lungenkrankheit SARS im vergangenen<br />

Jahr, die durch eine Variante des Coronavirus verursacht<br />

wird, konnte die Molekulardiagnostik zeigen, welches Potenzial<br />

in ihr steckt: Der Erreger-Virus kann inzwischen mit Hilfe neu<br />

entwickelter molekularbiologischer Tests innerhalb von nur<br />

zwei Stunden nachgewiesen werden. Die weltweit erste Markteinführung<br />

eines SARS-Tests und damit die Marktführerschaft<br />

gelang hierbei einem deutschen Biotech-Unternehmen, der<br />

Hamburger artus. Zudem arbeitet die Berliner Minerva Biolabs<br />

an der Entwicklung eines schnellen SARS-Nachweissystems.<br />

Konkurrenz erhalten die Biotech-Firmen dabei vom Diagnostik-<br />

Weltmarktführer Roche, der in einer Rekord-Entwicklungszeit<br />

von nur acht Wochen an seinem Forschungsstandort Penzberg<br />

ebenfalls einen Test zum Nachweis des SARS-Virus entwickelt<br />

hat. Der Test wird weltweit jedoch ausschließlich zum Einsatz<br />

in der Forschung vermarktet.<br />

Ein anderer Erreger mit hohem Bekanntheitsgrad, das BSE-<br />

Prion, wird in Kürze mit einem hochsensitiven Post-mortem-<br />

Test der Leipziger Roboscreen nachgewiesen werden können.<br />

Alle entscheidenden Testbausteine – unter anderem ein rekombinantes<br />

Prionenprotein und ein monoklonaler Antikörper –<br />

stellt das Unternehmen selbst her. Der Test soll laut Roboscreen<br />

erhebliche Preisvorteile gegenüber anderen, bereits auf dem<br />

Markt befindlichen Test haben.<br />

Im Bereich „LabChips“ ist die Erlanger november über ihre<br />

Kooperation mit der Regensburger Wilden einen Schritt weitergekommen.<br />

Als Marktführer in der Fertigung medizinischer<br />

Kunststoffsysteme wird Wilden in die Weiterentwicklung und<br />

Serienfertigung eines Chips aus transparentem mikrostrukturiertem<br />

Kunststoff eingebunden. Auf dem Chip werden für die<br />

Nukleinsäurediagnostik verschiedene Funktionsbereiche wie<br />

Probeaufnahme, Vorratsbehälter, Reaktionskammer und Detektionseinheit<br />

integriert, mit dem Ziel, eine Bedienungszeit von<br />

weniger als einer Minute zu erreichen.<br />

38 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Ulrich Spengler, Geschäftsführer und Mitgründer<br />

artus GmbH, Hamburg – San Francisco – Kuala Lumpur<br />

Molekulardiagnostik<br />

– Die Zukunft für Diagnostik-Unternehmen<br />

SARS und die jüngsten Fälle der Übertragung der Vogelgrippe auf den Menschen<br />

machen deutlich, dass Infektionskrankheiten im 21. Jahrhundert eine der großen<br />

medizinischen Herausforderungen darstellen werden. Die SARS-Epidemie im Frühling<br />

des vergangenen Jahres zeigt zudem, dass Infektionserreger heute durch den globalen<br />

Flugverkehr innerhalb sehr kurzer Zeit über die ganze Welt verbreitet werden können.<br />

Eine schnelle Diagnose des Erregers ist daher nicht nur wichtig, um<br />

die einzelne infizierte Person zu behandeln, sondern auch um die Ausdehnung<br />

der Infektion zu begrenzen.<br />

Die artus GmbH stellt sich dieser neuen Herausforderung und bietet<br />

mit Hilfe molekulardiagnostischer Nachweisverfahren schnelle und<br />

moderne Möglichkeiten der Detektion und der Prävention von<br />

Infektionserkrankungen. So entwickelt, produziert und vertreibt das<br />

Unternehmen Erregerdiagnostika für den humanen und veterinären<br />

Bereich. Mit seinen RealArt-Erreger-Nachweissystemen, die auf der<br />

Real-time-PCR-Technologie (PCR = engl. „polymerase chain reaction“,<br />

dt. Polymerase-Kettenreaktion) beruhen, ist das Biotechnologieunternehmen<br />

weltweit einer der größten Anbieter auf diesem Gebiet<br />

und eine der wenigen Firmen, die diese IVD-Produkte (IVD = In-vitro-<br />

Diagnostika) weltweit lizenziert anbieten kann.<br />

artus als Anbieter hochwertiger Diagnostikprodukte<br />

Als Hersteller von Real-time PCR basierten Nachweissystemen für Erreger hat sich die<br />

artus GmbH weltweit den Ruf eines universellen Anbieters dieser hochwertigen und<br />

modernen Diagnostikprodukte erworben. Neben einer möglichst breit angelegten<br />

Produktpalette, die die Diagnose einer Vielzahl von Infektionserkrankungen erlaubt,<br />

fokussiert das Unternehmen insbesondere auf die Entwicklung von Nachweisverfahren<br />

für neu auftretende Erreger, wie z. B. das HPA-Coronavirus der SARS-Infektion. Die<br />

schnelle und flexible Bereitstellung derartiger Verfahren im Markt stärkt wiederum die<br />

Position der artus GmbH als kompetenten Ansprechpartner für Real-time PCR basierte<br />

Nachweissysteme. Begleitet werden die Einführung und der Verkauf der Produkte durch<br />

eine intensive Beratung und Betreuung, die das Unternehmen den Kunden über seine<br />

drei Niederlassungen in Hamburg, Kuala Lumpur und San Francisco anbietet.<br />

artus bietet derzeit mehr als 60 Produkte, d. h. Testsysteme, die auf dem Verfahren der<br />

Real-time PCR beruhen, für den spezifischen Nachweis von Viren, Bakterien und<br />

Parasiten. Die Kunden für diese Produkte sind in erster Linie Diagnostiklabore, Krankenhaus-<br />

und Forschungseinrichtungen sowie die Industrie, die sich mit molekulardiagnostischen<br />

Verfahren beschäftigen.<br />

Die Real-time PCR<br />

Die PCR ist eine Methode zur Vervielfältigung von spezifischen Nukleinsäureabschnitten<br />

und mittlerweile eine Standardmethode in vielen Analyse-Laboren geworden. Das<br />

Verfahren wird u. a. im Bereich der Infektiologie, der Genetik und der Onkologie<br />

routinemäßig eingesetzt. Die Real-time PCR ist eine Weiterentwicklung des PCR-<br />

Verfahrens, mit dessen Hilfe die Nukleinsäureabschnitte durch Fluoreszenzfarbstoffe<br />

im Verlauf der Vervielfältigung nachgewiesen und auf einem Monitor dargestellt werden<br />

können. Im Vergleich zu klassischen Methoden der Diagnostik ermöglicht das Real-time-<br />

PCR-Verfahren einen sehr schnellen, sensitiven und hoch spezifischen Nachweis der<br />

Erreger.<br />

Über artus<br />

Die artus GmbH ist eine Ausgründung des Bernhard-<br />

Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNI), Hamburg. Hier<br />

wagten 1998 sechs Wissenschaftler den Sprung in die<br />

Selbstständigkeit mit dem Ziel, diagnostische Nachweisverfahren<br />

auf Real-time-PCR-Basis zu entwickeln und zu<br />

vertreiben.<br />

1999 erwarb das Unternehmen die exklusive Lizenz der<br />

Firma Prionics, Schweiz, zur Durchführung von BSE-Tests<br />

in Norddeutschland. Rund ein Jahr später identifizierte<br />

artus als erstes Labor in Deutschland ein positives BSE-<br />

Rind und zog weltweites Interesse auf sich. Mitte April<br />

2003 rückte das Unternehmen erneut ins Zentrum des<br />

öffentlichen Interesses, als es in Zusammenarbeit mit dem Bernhard-Nocht-Institut als<br />

erste Firma ein HPA-Coronavirus-Detektionssystem – zum Nachweis des SARS-Erregers<br />

– auf den Markt brachte. 2002 erwarb artus von der F. Hoffmann-La Roche Lizenzen zur<br />

diagnostischen Nutzung der Polymerase-Kettenreaktion zum Nachweis von Herpesviren,<br />

tierpathogenen Erregern und Tropenkrankheiten mittels PCR und legte damit den Grundstein<br />

für die weltweite Vermarktung erster PCR-gestützter Nachweissysteme. Im<br />

Dezember 2003 folgte die dritte, so genannte breite Lizenz, mit der artus seine<br />

RealArt-PCR-Kits für die In-vitro-Diagnostik beim Menschen in den Bereichen<br />

Infektiologie, Genetik, Onkologie, Gewebetypisierung sowie zur Überwachung<br />

medikamentöser Therapien herstellen und auf dem Markt vertreiben darf. Heute<br />

beschäftigt artus mehr als 80 Mitarbeiter. Der weltweite Vertrieb erfolgt über die Büros<br />

in Hamburg, San Francisco und Kuala Lumpur sowie über Vertriebspartner in mehr als 30<br />

Ländern Europas, Asiens, Lateinamerikas und des pazifischen Raums.<br />

www.artus-biotech.de<br />

39


Tissue Engineering<br />

P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />

Auch der Bereich „Tissue Engineering“ – also die Herstellung<br />

von menschlichen Zellen, Geweben und ganzen Organen aus<br />

körpereigenen Zellen – wird von einigen der deutschen Core-<br />

Biotech-Firmen verfolgt.<br />

Eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik<br />

und Innovationsforschung in Karlsruhe für die EU-Kommission<br />

zeigt jedoch, dass sich für die Biotechnologie-, Pharma- und<br />

Medizintechnikbranche die Umsatzhoffnungen des „Tissue<br />

Engineerings“ bislang nicht erfüllt haben. Danach erzielt die<br />

Branche derzeit weltweit nicht mehr als 60 Millionen € Umsatz<br />

pro Jahr. Dennoch gibt die Studie auch Prognosen für die<br />

Zukunft ab, nach denen die Hoffnungen „nicht gleich komplett<br />

begraben“ werden müssen. So wird das Potenzial für Geweberekonstruktion<br />

und regenerative Medizin als wesentlich größer<br />

eingeschätzt, als es der aktuelle Markt auf Grund erster<br />

vermarktbarer Produkte, wie in vitro gezüchtetem Knorpel-,<br />

Knochen- und Hautersatz, zeigt.<br />

Nach den Prognosen verschiedener Experten soll beispielsweise<br />

der Markt für Hautersatz und Wundheilung, in dem laut<br />

Studie zur Zeit ein Jahresumsatz von 20 Millionen € erzielt<br />

wird, mittelfristig auf eine Größe zwischen 800 Millionen € und<br />

gut sechs Milliarden € anwachsen.<br />

Auswahl deutscher Biotech-Firmen, die sich mit Tissue<br />

Engineering beschäftigen<br />

Ars Arthro AG, Esslingen<br />

Entwicklung, Vertrieb und Produktion von menschlichem<br />

Gewebe auf Basis einer patentierten Kollagen-I-Matrix; erstes<br />

Produkt am Markt ist ein autologes, matrixgekoppeltes<br />

Chondrozytentransplantat.<br />

AutoTissue GmbH, Berlin<br />

Erforschung und Produktion von kardiovaskulären Implantaten,<br />

wie z. B. biologische Herzklappen und Bypass-Gefäße<br />

CellTec GmbH, Hamburg<br />

Herstellung von autologen Zelltransplantaten<br />

Im Bereich der künstlichen Knorpel kann der aktuell bestehende<br />

Weltmarkt von 40 Millionen € ein Volumen von 1,5<br />

Milliarden bis 25 Milliarden € erreichen. Auf den Gebieten<br />

Herz-Kreislauf-Erkrankungen (künstliche Herzklappen, Gefäße<br />

und Kardiomyozoten), Neurologie und extrakorporale Organe<br />

wie künstliche Leber und Pankreas können neue Wachstumsmärkte<br />

erschlossen werden.<br />

Der ernüchternde Befund liegt laut den Autoren der Studie<br />

darin, dass künstliche Gewebe erst noch beweisen müssten, dass<br />

sie als Ersatz für etablierte Behandlungsmethoden langfristig<br />

wirksamer oder Kosten sparender sind. Zudem ist die Kostenübernahme<br />

durch die Krankenkassen vielfach noch ungeklärt.<br />

Ein weiterer Hemmschuh – die rechtliche Unsicherheit – soll<br />

nach Angaben der EU-Kommission schon bald durch eine<br />

spezielle Verordnung für das Inverkehrbringen von Produkten<br />

des Tissue Engineerings ausgeräumt werden.<br />

Von den Sample-Unternehmen, die sich auf „Tissue<br />

Engineering“ konzentrieren, sind bereits ein Drittel der Produkte<br />

auf dem Markt. Die anderen zwei Drittel der Projekte befinden<br />

sich noch in Forschung und Entwicklung. Neben den bereits<br />

bekannten und börsennotierten Firmen wie der co.don aus Berlin<br />

und der mittlerweile von der Börse genommenen und neu<br />

gegründeten BioTissue Technologies aus Freiburg gibt es eine<br />

Reihe weiterer privater Tissue-Engineering-Firmen.<br />

euroderm GmbH, Leipzig<br />

Herstellung von Hauttransplantaten für den Wundmarkt<br />

Heart BioSystems GmbH, Heidelberg<br />

Tissue Engineering mit adulten Stammzellen<br />

Phenion GmbH & Co. KG, Frankfurt am Main<br />

Entwicklung und Vermarktung innovativer Produkte/<br />

Wirkstoffe für die Haut<br />

TETEC AG, Reutlingen<br />

Zellkultivierung für autologe Chondrozytentransplantation.<br />

Weiterentwicklung im Bereich des Stütz- u. Bewegungsapparates<br />

40 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


„Grüne“ Biotechnologie<br />

In der „grünen“ Biotechnologie, sprich den Anwendungen der<br />

modernen Biotechnologie im Agrarsektor, sind die kleinen<br />

Biotech-Firmen nach wie vor eher in Nischen tätig. Der Markt<br />

wird von den großen Agro-Konzernen beherrscht und noch<br />

immer von Diskussionen zur „Gefahr“ transgener Pflanzen<br />

sowie entsprechenden Regelwerken beeinträchtigt.<br />

„Kabinett legt Entwurf vor“<br />

Quelle: transkript, März 2004<br />

Die Bundesregierung hat dem von Verbraucherministerin Künast<br />

vorgelegten Entwurf für ein neues Gentechnik-Gesetz Mitte<br />

Februar zugestimmt. Künast bezeichnete das Regelwerk bei<br />

seiner Vorstellung in Berlin als „Gesetz zum Schutz des gentechnikfreien<br />

Anbaus in Deutschland“ und zeigte sich optimistisch,<br />

dass es nach der Sommerpause rechtskräftig werde. Bundesforschungsministerin<br />

Edelgard Bulmahn meinte: „Wir haben die<br />

Interessen der Forschung und des Verbraucherschutzes in ein<br />

ausgewogenes Verhältnis gebracht.“<br />

Einhellige Ablehnung<br />

Kritik hagelte es dagegen von Verbänden, die sich für oder gegen<br />

den Anbau gentechnisch veränderter (GV) Pflanzen in Deutschland<br />

engagieren – für einen Vertreter des Verbraucherschutzministeriums<br />

„ein Zeichen, dass man mit dem Gesetz die<br />

richtige Mitte getroffen habe“. Den Gentechnik-Gegnern gehen<br />

Künasts Regeln, die ein Nebeneinander von GV- und anderen<br />

Pflanzen gewährleisten sollen, nicht weit genug. Die Befürworter<br />

sprechen dagegen von einem „Gentechnik-Verhinderungsgesetz“,<br />

das Bauern, die GV-Pflanzen anbauen wollen,<br />

einseitig Steine in den Weg lege. Angeheizt wurde die<br />

Stimmung davon, dass keiner der zahlreichen Änderungsvorschläge,<br />

die die Verbände auf einer eigens vom Verbraucherschutzministerium<br />

anberaumten Anhörung in Bonn eingebracht<br />

hatten, in dem Gesetzestext berücksichtigt wurde. Entsprechend<br />

erzürnt reagierten die Verbandsvertreter.<br />

Den 20 in Bonn versammelten Vertretern der Gentechnik-<br />

Skeptiker geht der Gesetzesentwurf nicht weit genug und<br />

gewährleistet „keinen gentechnikfreien Anbau“. Sie forderten<br />

Mitte Januar diesen Jahres hat sich nach drei Verhandlungsrunden<br />

im Bundeskanzleramt das Verbraucherministerium mit<br />

dem Bundesforschungs- und Bundeswirtschaftsministerium auf<br />

gemeinsame Eckpunkte für ein novelliertes Gentechnik-Gesetz<br />

geeinigt. Das Gesetz wurde Mitte Februar beschlossen und<br />

damit die Freisetzungsrichtlinie der EU zu transgenen Pflanzen<br />

umgesetzt. Geregelt werden vor allem die Risikobewertung, das<br />

Risikomanagement, die Kennzeichnung und die Überwachung<br />

von gentechnisch veränderten Organismen.<br />

unter anderem, dass die Verursacher von „Gentechnik-<br />

Verunreinigungen“ in konventionellen und Ökoprodukten bei<br />

Rechtsstreitigkeiten die Analysenkosten tragen müssten oder<br />

dass zumindest ein Haftungsfonds eingerichtet werden müsse.<br />

Zudem sollten – nach Ansicht von Greenpeace – nicht nur die<br />

Bauern, sondern auch Verbände das Recht erhalten, detaillierte<br />

Auskünfte über die Standorte gentechnisch veränderter<br />

Pflanzen zu erhalten. „Der Entwurf des deutschen Gentechnik-<br />

Gesetzes regelt nicht, wer haftet, wenn Umweltschäden<br />

entstehen“, kritisierte Dr. Felix Prinz zu Löwenstein vom Bund<br />

ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Das Öko-Institut<br />

Freiburg plädierte dafür, gentechnikfreie Anbauflächen zu<br />

schaffen.<br />

Dr. Ricardo Gent, Geschäftsführer der Deutschen Industrievereinigung<br />

Biotechnologie, kritisierte dagegen gemeinsam mit<br />

neun Verbänden aus dem Lager der Gentechnik-Befürworter,<br />

dass durch das Gesetz den Bauern einseitig kostenträchtige<br />

Vorsorgepflichten und Haftungsrisiken aufgezwungen würden,<br />

wenn sie GV-Pflanzen anbauen wollen. Dies behindere jede<br />

Anwendung der grünen Gentechnik. Als „bürokratisch, einseitig<br />

und innovationsfeindlich“ bezeichneten auch die Präsidenten<br />

der Gesellschaft für Genetik, Prof. Dr. Rudi Balling, und<br />

des Verbandes deutscher Biologen, Dr. Hans-Jörg Jacobsen, die<br />

Vorlage. Zusätzliche Kontrollinstanzen wie das Bundesamt für<br />

Naturschutz erzeugen laut Balling nur „zusätzliche Kosten und<br />

verzögern Forschung und Entwicklung“. Zugleich schade das<br />

Gesetz der Forschung, „denn die Bedingungen von Freisetzungen<br />

zu wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Zwecken<br />

werden gleichgestellt“, so Jacobsen.<br />

In den Beratungen über das zustimmungspflichtige Gesetz im<br />

Bundestag und -rat liegen die Positionen von Regierung und<br />

Opposition so weit auseinander, dass ein Vermittlungsverfahren<br />

bevorsteht.<br />

41


P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />

Als Vertreter eines Biotech-Unternehmens hat sich Dr. Harald<br />

Seulberger von der Sungene in Gatersleben zu den aktuellen<br />

Entwicklungen geäußert.<br />

Grüne Biotechnologie erobert die Welt – Wo bleibt<br />

Deutschland?<br />

Dr. Harald Seulberger, SunGene GmbH & Co. KGaA, Gatersleben<br />

Grüne Biotechnologie bewährt sich weltweit<br />

Die wirtschaftliche Nutzung von Produkten aus der grünen<br />

Biotechnologie schreitet weltweit rasant voran. Inzwischen werden<br />

global fast 70 Millionen Hektar an gentechnisch verbesserten<br />

Pflanzen angebaut. Der Flächenzuwachs lag 2003 bei<br />

15 %. Dabei werden transgene Pflanzen inzwischen von nahezu<br />

7 Millionen Landwirten in 18 Ländern eingesetzt, 85 % davon<br />

sind Kleinbauern aus Schwellen- und Entwicklungsländern.<br />

Der großflächige Anbau und die Sicherheitsbegleitforschung<br />

der letzten 15 Jahre zeigen dabei ganz eindeutig: Die heute<br />

zugelassenen transgenen Pflanzen und die daraus hergestellten<br />

Produkte sind mindestens so sicher wie konventionell gezüchtete<br />

Pflanzen. Dies wurde auch seitens der Bundesregierung<br />

mehrfach bestätigt.<br />

Wirtschaftliches Potenzial der grünen Biotechnologie<br />

Die erste Produktgeneration der grünen Biotechnologie umfasst<br />

hauptsächlich innovative Problemlösungen im Pflanzenschutz,<br />

d. h. für die Unkraut- und Schädlingsbekämpfung, und trägt<br />

primär zu einer höheren Wertschöpfung beim Landwirt bei. Im<br />

globalen Markt erhöht sie damit seine Wettbewerbsfähigkeit.<br />

Nach aktuellen Studien wird das Marktpotenzial für diese<br />

Produkte bis zum Jahr 2015 weltweit auf 30 Milliarden US$<br />

geschätzt. Ein noch größeres Potenzial von über 100 Milliarden<br />

US$ wird gemäß diesen Studien von den Produkten der zweiten<br />

und dritten Generation zu erwarten sein.<br />

Diese umfassen Pflanzen mit Veränderungen des Gehalts oder<br />

der Zusammensetzung von wertvollen Pflanzeninhaltsstoffen.<br />

Durch das so veränderte Eigenschaftsprofil kann die Pflanze<br />

im Hinblick auf ihre jeweilige Verwendung erheblich an Wert<br />

gewinnen, wie etwa Pflanzenöle, die durch veränderte<br />

Fettsäurezusammensetzung helfen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

zu verhindern. Schließlich können gentechnisch veränderte<br />

Pflanzen als „grüne Fabriken“ dienen. Sie sollen künftig<br />

Materialien wie Kunststoffe, Fasern oder auch industrielle Fette<br />

und Öle auf ökonomische, umwelt- und ressourcenschonende<br />

Weise herstellen.<br />

Seulberger gab auf einem von der DECHEMA initiierten<br />

Pressegespräch im Februar, zum Thema „Quo vadis grüne<br />

Gentechnik“ das nachfolgende Statement ab.<br />

Trotz Bewegung in Brüssel, weiter Hürden in Berlin?<br />

Entgegen dem internationalen Trend kommt die wirtschaftliche<br />

Nutzung der grünen Biotechnologie in Europa und Deutschland<br />

seit Jahren nicht voran. Das 5-jährige De-facto-Moratorium für<br />

die Zulassung gentechnisch veränderter Nutzpflanzen in der EU<br />

sowie die Blockadepolitik aus dem Bundesministerium für<br />

Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL)<br />

haben nahezu zu einem Stillstand auf diesem Arbeitsgebiet<br />

geführt. Landwirte und Verbraucher erhalten nicht die Chance,<br />

sich mit den Produkten der grünen Biotechnologie vertraut zu<br />

machen.<br />

Inzwischen haben sich die Voraussetzungen auf europäischer<br />

Ebene geändert und wir gehen davon aus, dass das Moratorium<br />

mit der europäischen Zulassung neuer GVO-Sorten bald auch<br />

praktisch fällt. Getragen von dieser positiven Entwicklung hat<br />

der Anbau von GVO-Mais in Spanien im letzten Jahr um etwa<br />

30 % zugelegt. In Deutschland hingegen werden immer wieder<br />

Hürden errichtet, die eine schnelle Nutzung und Weiterentwicklung<br />

dieser innovativen Technologie verhindern.<br />

Keine Verschärfungen bei der Umsetzung der EU-<br />

Freisetzungsrichtlinie<br />

Inzwischen wurde vom BMVEL die zügige Umsetzung der<br />

Freisetzungsrichtlinie in Aussicht gestellt. Auch wenn wir<br />

diesen längst überfälligen Schritt begrüßen, darf es dabei zu<br />

keinen nationalen Verschärfungen und zu keiner einseitigen<br />

Benachteiligung des Anbaus transgener Kulturpflanzen<br />

kommen.<br />

Der neue Gesetzesentwurf stellt die grüne Biotechnologie aber<br />

fälschlicherweise als Risikotechnologie dar und enthält<br />

Verschärfungen, die über die EU-Richtlinie hinausgehen.<br />

Sollten diese Verschärfungen, insbesondere hinsichtlich der<br />

Haftung, tatsächlich deutsches Recht werden, würden die<br />

Anwender von transgenen Kulturpflanzen so benachteiligt, dass<br />

die wirtschaftliche Nutzung der grünen Biotechnologie in<br />

Deutschland praktisch unmöglich würde.<br />

42 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Nationale Haftungsregelungen ausreichend<br />

Der neue Gesetzesentwurf enthält Verschärfungen, die sich<br />

insbesondere auf die Haftung beziehen. Dabei geht es primär<br />

um das Vorkommen von nicht vermeidbaren Spuren an gentechnisch<br />

verbesserten Pflanzen in konventionell oder ökologisch<br />

angebauten Produkten, die technisch bedingt bzw. durch<br />

Auskreuzungen im Rahmen der Koexistenz der verschiedenen<br />

Anbauformen entstehen könnten. Sollte ein Produkt deshalb mit<br />

abweichender Kennzeichnung und nur mit einem Preisabschlag<br />

verkauft werden können, könnte gemäß dem Gesetzesentwurf<br />

ein Haftungsfall entstehen. Durch die Einführung einer allgemeinen<br />

Verursachungsvermutung und einer damit im Zusammenhang<br />

stehenden gesamtschuldnerischen Haftung zulasten<br />

der GVO-Anwender werden diese in unakzeptabler Weise<br />

einseitig benachteiligt.<br />

Das geltende deutsche Recht enthält bereits umfangreiche<br />

Regelungen zur Haftung. Es besteht kein Bedarf an der<br />

Änderung bestehender Haftungsgesetze und wir lehnen diese<br />

strikt ab. Mit den vorgesehenen Änderungen wird lediglich der<br />

an sicheren transgenen Pflanzen interessierte Landwirt von der<br />

Nutzung der Technologie abgeschreckt.<br />

Register nicht missbrauchen<br />

Ziel des Anbauregisters in der EU-Freisetzungsrichtlinie ist es<br />

vorrangig, den Behörden Hilfestellung für das so genannte<br />

Monitoring zu geben, das sich bei Bedarf aus der Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

ergeben kann. Daran muss sich auch<br />

die Umsetzung in deutsches Recht orientieren. Das BMVEL<br />

plant offensichtlich, dass über Register die genaue Lage der Felder<br />

mit gentechnisch veränderten Pflanzen zugänglich wird. Auch<br />

wir unterstützen den Ruf nach mehr Transparenz und Information.<br />

Aber diese Maßnahmen werden eher militante Gentechnikgegner<br />

unterstützen, die bereits in der Vergangenheit durch<br />

Zerstörungen große wirtschaftliche Schäden verursacht haben.<br />

Entscheidungsfreiheit für den Anbau mit und ohne Gentechnik<br />

Die deutsche Biotechnologieindustrie will eine verantwortungsbewusste<br />

Anwendung und Weiterentwicklung der<br />

grünen Biotechnologie auf der Basis wissenschaftlicher Bewertungen<br />

und nachvollziehbarer Standards. Dies kann nur unter<br />

Praxisbedingungen gelingen. Dazu bedarf es neben einer Wahlfreiheit<br />

für die Konsumenten auch einer Wahlfreiheit für die<br />

Produzenten. In der Praxis benötigen wir also eine faire Koexistenz<br />

der verschiedenen Anbauformen mit und ohne<br />

Gentechnik.<br />

Der Agrarkommissar der EU, Franz Fischler, hat den Mitgliedstaaten<br />

Leitlinien zur Koexistenz an die Hand gegeben.<br />

Ziel ist es, keine der Anbauformen zu benachteiligen oder<br />

auszuschließen. Die Kommission hat sich bewusst für diese<br />

Rechtsform anstelle von starren gesetzlichen Einheitsregelungen<br />

entschieden. Leitlinien bieten den Landwirten die nötige Handlungsfreiheit,<br />

zugleich aber auch eine Orientierungslinie für die<br />

Anbaupraxis, die den regionalen Besonderheiten Rechnung<br />

trägt.<br />

Wir unterstützen diesen Impuls der EU-Kommission und sind<br />

der Auffassung, dass der Landwirt selbst entscheiden soll,<br />

welche Anbaumaßnahmen für ihn effizient, kostengünstig und<br />

praktikabel sind, um die gewünschten Produktqualitäten zu erzielen.<br />

Wir fordern daher, so schnell wie möglich in Abstimmung<br />

und im Dialog mit der Landwirtschaft und unterstützt<br />

durch die Politik mit Erprobungsanbauprogrammen in Deutschland<br />

zu beginnen. Sie sollen helfen, die jeweils konkreten und<br />

sinnvollen regionalen Maßnahmen für die Koexistenz zu<br />

beschreiben. Eine Festlegung von Koexistenzmaßnahmen am<br />

grünen Tisch ist aus unserer Sicht hierbei wenig zielführend.<br />

Nationale Biotechnologiestrategie mit sicherem Umfeld für die<br />

grüne Gentechnik<br />

Die EU-Kommission hat in ihrem Aktionsplan zur Förderung<br />

der Biowissenschaften die politischen Entscheidungsträger<br />

aufgefordert, eine von Sachlichkeit geprägte Führungsrolle in<br />

der Gentechnik-Diskussion zu übernehmen. Die Bundesregierung<br />

sollte diese Chance ergreifen und eine nationale<br />

Umsetzungsstrategie für die Biotechnologie entwerfen, die auch<br />

ein sicheres rechtliches Umfeld für die grüne Gentechnik<br />

schafft. Und die Zeit drängt: Unternehmen und Fachkräfte<br />

wandern ins Ausland ab, Start-ups auf dem Gebiet der grünen<br />

Biotechnologie können kaum noch Finanzmittel einwerben oder<br />

sind von Insolvenz bedroht.<br />

Die grüne Biotechnologie trägt seit über zehn Jahren in fast<br />

allen Teilen der Erde zu einer effizienteren und Ressourcenschonenderen<br />

Landwirtschaft mit qualitativ besseren Produkten<br />

bei. Viele Regionen, mit denen wir im globalen Wettbewerb<br />

stehen, haben die Weichen gestellt: Dort beobachten wir eine<br />

steigende Zahl von Zulassungen für gentechnisch verbesserte<br />

Pflanzen und kontinuierlich wachsende Anbauflächen. Auch die<br />

Europäer und wir Deutschen sollten eigene Innovationen der<br />

grünen Biotechnologie fördern. Es bleibt uns noch eine Chance,<br />

das Label „Green Biotechnology made in Germany“ zu einem<br />

Gütezeichen für Wissenschaft, Wirtschaft und Landwirtschaft<br />

zu machen. Aber dafür brauchen wir jetzt eindeutige politische<br />

Signale aus allen zuständigen Ministerien. Anderenfalls wird<br />

Deutschland den Anschluss bei dieser innovativen Technologie<br />

verpassen.<br />

43


Die europäische Ebene<br />

P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />

In den Staaten der Europäischen Gemeinschaft ist die Zahl der<br />

Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen seit<br />

1998 um etwa 80 Prozent gesunken. Das zeigt eine Untersuchung,<br />

die das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und<br />

Innovationsforschung ISI, Karlsruhe, zusammen mit der<br />

Universität Hohenheim und dem Institute for Prospective<br />

Technological Studies, Sevilla (Spanien), für die Europäische<br />

Kommission erstellte. Grund dafür war das EU-weit geltende<br />

Moratorium für einen Anbau solcher Pflanzen. Weltweit stieg<br />

die Fläche, auf der gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut<br />

wurden, im Jahr 2002 dagegen auf fast 60 Millionen Hektar.<br />

Die Gründe für die Zurückhaltung in Europa sind vielfältig.<br />

Zusätzlich zu dem Moratorium, auf das sich der EU-Umweltministerrat<br />

1999 geeinigt hatte, ist die Akzeptanz gentechnisch<br />

veränderter Produkte bei den Verbrauchern ausgesprochen<br />

gering. Daraus ergeben sich erhebliche Marktunsicherheiten für<br />

die Hersteller. So ist es nicht verwunderlich, dass vornehmlich<br />

multinationale, finanzkräftige Firmen auf diesem Gebiet aktiv<br />

sind. Sie führen gut 65 Prozent aller Freisetzungsversuche<br />

durch. Kleine oder mittlere Unternehmen sind mit einem Anteil<br />

von 6 Prozent dagegen wesentlich zurückhaltender und versuchen,<br />

sich vorwiegend in Nischenmärkten zu positionieren.<br />

Der Rest der Freisetzungen entfällt auf öffentliche Forschungsstätten,<br />

Universitäten oder andere Einrichtungen.<br />

Dennoch ist die Pipeline mit gentechnisch veränderten Organismen<br />

für die Landwirtschaft auch in den europäischen Ländern<br />

prall gefüllt. Seit im Oktober vergangenen Jahres eine EU-<br />

Richtlinie das Freisetzen gentechnisch veränderter Organismen<br />

neu regelte, erwartet die Europäische Union wieder ein Anwachsen<br />

bei den Feldversuchen. Zunächst konzentrieren sich<br />

die Hersteller nach den Untersuchungen des Fraunhofer ISI auf<br />

die Herbizidresistenz von Pflanzen sowie auf die Stärkung der<br />

Widerstandskräfte gegenüber Insektenbefall und Krankheiten.<br />

Voraussichtlich erst im nächsten Jahrzehnt sind dann verstärkt<br />

Pflanzen mit gesundheitsfördernden Substanzen oder allergenreduzierte<br />

Pflanzen für die menschliche Ernährung zu erwarten.<br />

Ergebnisse einer Studie der Deutschen Bank zur<br />

„grünen“ Biotechnologie<br />

Autor: Uwe Perlitz, Januar 2004<br />

• Über den Einsatz der grünen Biotechnologie wird in Europa<br />

heftig diskutiert. Der liberalen Einstellung der EU-Kommission<br />

steht die ablehnende Haltung der Mehrheit der EU-<br />

Mitgliedsstaaten gegenüber. Die Regierungen folgen dabei<br />

vor allem den Vorschlägen für schärfere Auflagen von Verbraucherschützern.<br />

Bei der Umsetzung der EU-Richtlinien<br />

(z. B. Freisetzungsrichtlinie) kommt es daher zu zeitlichen<br />

Verzögerungen.<br />

• Deutschland ist zwar führend auf dem Gebiet der Grundlagenforschung.<br />

Durch die zögerliche Umsetzung könnten<br />

Unternehmen aber noch mehr als bisher gezwungen sein, auf<br />

andere Geschäftsfelder auszuweichen (z. B. Biopharmazeutika)<br />

oder ihre F&E-Aktivitäten nach Übersee zu verlagern.<br />

• Während in Europa Genpflanzen (von Ausnahmen abgesehen)<br />

nur zu Versuchszwecken angebaut werden, erreichte<br />

die weltweite Anbaufläche 2002 schon 60 Mio. Hektar; dies<br />

ist etwa sechsmal so viel wie die gesamte landwirtschaftliche<br />

Anbaufläche in Deutschland.<br />

• Die Gen-Anbaufläche in der Welt könnte sich bis 2010 in<br />

etwa verdoppeln, während sie in Europa kaum zunehmen<br />

dürfte. Die größte Fläche werden auch weiterhin die USA<br />

aufweisen, gefolgt von Argentinien und Kanada.<br />

• Da weltweit die landwirtschaftliche Nutzfläche ohne massive<br />

technologische und organisatorische Fortschritte (z. B.<br />

Bewässerung) kaum wesentlich vergrößert werden kann,<br />

müssen zur Versorgung einer zunehmenden Bevölkerungszahl<br />

in der Welt die Hektarerträge deutlich gesteigert werden.<br />

Hier liegen große Chancen der grünen Gentechnik. Sie wird<br />

traditionelle Anbaumethoden zwar nicht ersetzen, aber<br />

wesentlich ergänzen und erweitern.<br />

• Vorteile der Genpflanzen gegenüber dem traditionellen<br />

Anbau bestehen vor allem in höheren Erträgen, verbesserter<br />

Erntequalität und einer Entlastung der Umwelt. Nachteile<br />

könnten in noch nicht absehbaren ökologischen und<br />

gesundheitlichen Risiken liegen.<br />

• In der EU dürfte der Austausch von traditionellem Mais,<br />

Zuckerrüben und Kartoffeln durch entsprechende Gensorten<br />

die Erntemengen um knapp 8 Mio. Tonnen (+ rd. 4 %)<br />

und die Nettoeinkommen der Landwirte um 1 Mrd. € pro<br />

Jahr steigern; absolut und relativ am höchsten wären die<br />

Vorteile in Frankreich und in Deutschland.<br />

• Die Akzeptanz von Genpflanzen ließe sich in Europa erhöhen,<br />

wenn die Vorteile stärker transparent würden. So<br />

haben etwa viele genetisch veränderte Lebensmittel gesundheitsfördernde<br />

Wirkungen (sog. Functional-Food). Allerdings<br />

dürfte vor allem in Deutschland der Weg der Aufklärung<br />

und Überzeugung lang und dornenreich sein, da sich<br />

derzeit noch 70 % der Bevölkerung gegen gentechnisch<br />

veränderte Lebensmittel aussprechen.<br />

44 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Akzeptanz<br />

Ende Dezember 2003 wurde in Brüssel eine neue Studie zur<br />

Akzeptanz gentechnisch hergestellter Lebensmittel vorgestellt.<br />

Sie umfasst Ergebnisse einer Befragung von 3.500 Bürgern der<br />

Europäischen Union (EU), die Marktforscher der KRC Research<br />

Mitte vorigen Jahres in Großbritannien, Frankreich, Deutschland,<br />

Italien und Spanien durchgeführt haben. Auftraggeber der<br />

Studie war ein Konsortium von sechs in der grünen Biotechnologie<br />

engagierten Unternehmen.<br />

Der Anteil der Befragten, die „auf keinen Fall gentechnisch<br />

veränderte Produkte kaufen würden“, lag bei 48 Prozent (2001:<br />

61 Prozent). Zugleich erhöhte sich der Anteil unentschlossener<br />

Verbraucher von drei auf 29 Prozent. Gentechnisch veränderte<br />

Lebensmittel kaufen würden 23 Prozent (2001: 36 Prozent).<br />

Nach der aktuellen Umfrage sind weniger Europäer (31 Prozent)<br />

der Meinung, gentechnisch veränderte Nutzpflanzen und<br />

Ausgewählte deutsche Core-Biotech-Firmen, die in der<br />

„grünen“ Biotechnologie tätig sind<br />

Agrobiogen GmbH, Hilgertshausen<br />

Forschung und Entwicklung; Service und Dienstleistung im<br />

Bereich Rückverfolgbarkeit von Tieren und Lebensmitteln;<br />

Tierseuchenbekämpfung; Generierung von transgenen Tieren;<br />

Genotypisierungen<br />

GreenTec GmbH, Köln<br />

Konventionelle und molekularbiologische Methoden zur Entwicklung,<br />

Produktion und Dienstleistung im Bereich Nutraceuticals,<br />

Phytopharmaka und molekulare Marker<br />

Metanomics GmbH & Co. KGaA, Berlin<br />

Metabolite-profiling; Services für die Agro-Biotech, Pharma<br />

und Ernährungsindustrie; neue Leitgene für Pflanzen-Traits<br />

SunGene GmbH & Co. KGaA, Gatersleben<br />

Forschung und Entwicklung; Prototypen von Kulturpflanzen<br />

mit gesteigerten Konzentrationen an wertvollen Inhaltsstoffen.<br />

Auftragsforschung zur Pflanzentransformation und<br />

Screening nach Regulationselementen<br />

daraus hergestellte Nahrungsmittel seien weniger sicher als<br />

konventionell gezüchtete Nutzpflanzen und Lebensmittel. Zugleich<br />

stieg die Zahl der in dieser Frage Unentschiedenen seit<br />

2001 um 30 Prozent an.<br />

Gleichwohl unterstützen aktuell nur 21 Prozent der europäischen<br />

Verbraucher (2002: 16 Prozent) die Anwendung gentechnisch<br />

veränderter Nutzpflanzen und der daraus hergestellten<br />

Nahrungsmittel. Zur Frage der Regulationen antworteten 2003<br />

51 Prozent (2001: 62 Prozent) der Befragten, dass Pflanzen<br />

nicht streng genug reglementiert sind. Gleichzeitig glauben<br />

weniger EU-Verbraucher (2003: 48 Prozent, 2001: 62 Prozent),<br />

dass gentechnisch veränderte Pflanzen und Nahrungsmittel vor<br />

ihrer Anwendung nicht ausreichend getestet wurden.<br />

Für eine eindeutige Etikettierung von gentechnisch veränderten<br />

Nahrungsmitteln sprechen sich derweil fast alle Befragten (96<br />

Prozent) aus. 82 Prozent äußerten die Meinung, dass Verbraucher<br />

die Wahl haben sollten, ob sie diese kaufen oder nicht.<br />

Epigene GmbH, Freising<br />

Differentielle Genexpressionsuntersuchungen an Pflanzenpathogenen<br />

(v. a. Pilze), Pflanzenschutzresistenzuntersuchungen,<br />

Lebensmitteldiagnostik, Umweltmonitoring<br />

TraitGenetics GmbH, Gatersleben<br />

Forschung, Entwicklung und Dienstleistungen im Bereich<br />

molekularer Marker; Genomforschung für die Pflanzenzüchtung,<br />

Diagnostik wichtiger landwirtschaftlicher Merkmale,<br />

Saatgutqualität<br />

TaRes Targeted Research GmbH, Hamburg<br />

Molekularbiologische Bearbeitung (Phyto-)pathogener Pilze;<br />

Suche nach Virulenz-/Pathogenitätsgenen; Produkte können<br />

für rationales Fungizid-Design oder das Design resistenter<br />

transgener Pflanzen verwendet werden.<br />

VitiGen AG, Siebeldingen<br />

Entschlüsselung und Verkauf aller Gene der Weinrebe; Funktionsaufklärung;<br />

gewebespezifische Promotoren; zelluläre<br />

Lokalisation von Genprodukten<br />

45


Prof. Dr. Yuri Y. Gleba, CEO Icon Genetics AG,<br />

München/Halle<br />

Pflanzenbiotechnologie – mehr als gene food<br />

P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />

Mit der Aufhebung des Moratoriums für den Import und Anbau transgener<br />

Kulturpflanzen in Europa und der Umsetzung der europäischen GVO-Freisetzungs- und<br />

Kennzeichnungsverordnungen in nationales Recht gewinnt auch der europäische<br />

Binnenmarkt an Bedeutung für die „grüne Biotechnologie“. Die inländische Kommerzialisierung<br />

der Pflanzenbiotechnologie wird dann mit einer Verspätung von 10–15<br />

Jahren gegenüber Nordamerika, Argentinien, Brasilien, China und weiteren wichtigen<br />

Produzentenländern erfolgen, die 2003 bereits gentechnisch veränderte Kulturpflanzen<br />

auf insgesamt 67 Mio. Hektar angebaut haben. Pflanzenbiotechnologie ist damit ein<br />

Paradebeispiel dafür, wie die Umsetzung von Innovationen und wissenschaftlichtechnischer<br />

Kompetenz in wirtschaftliches Geschehen über Jahre verzögert werden<br />

kann, wenn „erst über die Risiken diskutiert wird und dann über die Chancen“. Die<br />

Entscheidungsgründe, warum Landwirte andernorts transgene Hochleistungssorten<br />

präferieren, und die Tatsache, dass Abnehmer und Konsumenten<br />

die daraus hergestellten Lebensmittel keineswegs<br />

verschmähen, überzeugen Öffentlichkeit und Verbraucher<br />

hierzulande offenbar nicht. Die Diskussion in<br />

Deutschland benötigt nach über 10 Jahren auch neue<br />

Impulse. Ein wichtiger Beitrag, um von der Theoriedebatte<br />

hin zu praktischen Erfahrungen zu kommen,<br />

könnte der Erprobungsanbau sein, der in Sachsen-<br />

Anhalt für 2004 initiiert worden ist.<br />

Pflanzenbiotechnologie ist aber weit mehr als „gene<br />

food“. Grüne Gentechnik senkt bereits heute den<br />

Chemikalieneinsatz in der Landwirtschaft, und hier<br />

insbesondere den Einsatz von Pestiziden, und leistet<br />

damit einen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz und der Pflanzengesundheit.<br />

Pflanzengesundheit bedeutet gesündere Nahrung und bessere Qualität. Genau darauf<br />

zielt auch der Einsatz weiterer transgener Merkmale, die z. B. die in Mittel- und<br />

Nordeuropa von Virusbefall bedrohten Getreidearten verbessern sollen. Virusresistente<br />

Pflanzen sind weniger anfällig gegen Pilzbefall, Brot- und Futtergetreide aus<br />

virusresistenten Sorten ist weniger Mykotoxin-belastet – „eingebauter Pflanzenschutz“<br />

ist ökologischer Pflanzenschutz par excellence.<br />

Die Pflanze als neues eukaryotisches Expressionssystem<br />

Pflanzenbiotechnologie macht die Pflanze auch für Anwendungsbereiche nutzbar, die<br />

völlig außerhalb des Nahrungsmittelsektors liegen – als Arzneipflanzen für rekombinante<br />

Proteinwirkstoffe. Weltweit arbeiten ca. 20 Biotechnologieunternehmen mit<br />

Pflanzen als eukaryotischen Expressionswirten für Antikörper, Impfstoffe und humanidentische<br />

Proteinwirkstoffe. Als Expressionswirte bieten sich dabei insbesondere<br />

solche Pflanzen an, die keine Verwendung im Nahrungs- und Futtermittelbereich finden.<br />

Die Pflanze stellt damit der pharmazeutischen Industrie ein zusätzliches rekombinantes<br />

Produktionsverfahren neben mikrobiellen Systemen und der tierischen Zellkultur zur<br />

Verfügung.<br />

Industriepflanzen mit neuen Inhaltsstoffen<br />

Chancen für das System Pflanze als „Fabrik“ bestehen insbesondere auch im Bereich<br />

neuer chemisch-technischer Inhaltsstoffe. Auch hier ist das Potenzial der klassischen<br />

Pflanzenzüchtung, die mit Mais, Raps und Zuckerrübe bereits wichtige Rohstoffe für die<br />

industrielle Verarbeitung zu Food- und Non-Food-Produkten geschaffen hat, nahezu<br />

erschöpft. Pflanzen mit neuen Inhaltsstoffen, die auf dem pflanzlichen Primärstoffwechsel<br />

aufbauen, lassen sich nur durch gentechnische Verfahren züchten.<br />

Der Ansatz von Icon Genetics<br />

Icon Genetics steht diesem breiten Anwendungspotenzial der Pflanzenbiotechnologie<br />

und der gentechnisch optimierten Kulturpflanzen in jeder Hinsicht positiv gegenüber, hat<br />

aber auch die Grenzen der grünen Gentechnik der „ersten Generation“ im Visier. Als<br />

Biotechnologieunternehmen entwickelt Icon Genetics neue<br />

pflanzliche Genexpressionsverfahren, die „schneller, besser, sicherer<br />

und kostengünstiger sind“ – das ist unser Leistungsangebot. Der<br />

Bedarf dafür ist groß. Die Testung neuer genetischer Konstrukte in<br />

Zielpflanzen dauert Jahre. Icon Genetics hat ein transientes<br />

Expressionssystem entwickelt, das das Tabakblatt wie die Petrischale<br />

der Mikrobiologen benutzt: Hunderte von neuen genetischen<br />

Konstrukten können parallel auf einer einzigen Tabakpflanze auf<br />

biologische Wirksamkeit getestet werden – die Ergebnisse liegen<br />

nach 7–10 Tagen vor. Auch für die Pflanze als „Fabrik“ haben wir<br />

wesentliche Verbesserungen erreicht. Mit unseren proviralen<br />

Hochexpressionssystemen können wir den Stoffwechsel gezielt auf<br />

Produktsynthese umprogrammieren, beispielsweise nur in der<br />

Blattmasse oder nur in den Samen. Pflanzenwachstum und<br />

Produktbildung können auf diese Weise völlig voneinander getrennt werden, so dass<br />

sich neue Proteine und biochemische Inhaltsstoffe selbst dann mit wirtschaftlich hoher<br />

Produktivität herstellen lassen, wenn sie das Pflanzenwachstum negativ beeinflussen.<br />

Die von Icon Genetics entwickelte Genfragment-Technologie verhindert, dass transgene<br />

Merkmale in funktional aktiver Form auf die Folgegeneration übertragen werden oder<br />

sich durch Pollenflug in der Umwelt verbreiten. Neben derartigen „eingebauten“<br />

Sicherheitsmaßnahmen bietet Icon Genetics ein universelles DNA-barcoding-System<br />

für die routinemäßige Identifizierung transgenen Materials in Endprodukten an. Unsere<br />

neuen Technologien sind mit über 40 Schutzrechtsfamilien gesichert, so dass Icon<br />

Genetics seinen Kunden Hightech-Performance und Freedom to Operate als „one-stopshopping“<br />

anbieten kann.<br />

www.icongenetics.com<br />

info@icongenetics.com<br />

46 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


„Weiße“ und „graue“ Biotechnologie<br />

Die „weiße“ Biotechnologie befasst sich mit industriellen<br />

Anwendungen in der Chemie- und Kosmetikindustrie. Der<br />

Einsatz der modernen Biotechnologie liegt dabei vor allem in<br />

der rekombinanten Herstellung von technischen Enzymen und<br />

anderen Feinchemikalien (Vitamine, Detergentien). Dabei hat<br />

sie ein sehr hohes Potenzial, die Entwicklung von Treibhausgasen<br />

und die Verwendung fossiler Brennstoffe und Rohstoffe<br />

signifikant zu verringern und zu sauberen und nachhaltigeren<br />

Industrieprozessen zu führen.<br />

Eine Studie von McKinsey sieht die Zukunftsaussichten der<br />

weißen Biotechnologie rosig: Je nach dem Tempo der Marktdurchdringung<br />

– in manchen Sparten könnte ein Drittel der<br />

Produktion per Biotech erfolgen – wird für das Jahr 2010 ein<br />

zusätzlicher Profit für die chemische Industrie von 11 bis 22<br />

Milliarden € prognostiziert.<br />

Ausgewählte deutsche Biotech-Firmen, die in der<br />

„weißen/grauen“ Biotechnologie tätig sind<br />

BioSpring GmbH, Frankfurt am Main<br />

Die Plattform PHENOlution ® ermöglicht eine schnelle, effiziente<br />

und möglichst optimale Anpassung eines Enzyms an<br />

bestimmte industrielle Anwendungen.<br />

bitop GmbH, Witten<br />

Fermentation extremophiler Mikroorganismen: kompatible<br />

Solute, Stabilisatoren; Anwendung in Pharma und Kosmetik<br />

B.R.A.I.N AG, Zwingenberg<br />

Erschließung mikrobieller Ressourcen für BioActives und<br />

Enzyme. Proprietäre Metagenom-Technologie für unkultivierbare<br />

Mikroorganismen; Prozessentwicklung und Proteinexpression<br />

DIREVO Biotech AG, Köln<br />

Proprietäre Technologieplattform zur effizienten Erzeugung<br />

von Mutanten und rekombinierten Genen; Anwendung auch<br />

im Bereich von technischen und Lebensmittelenzymen<br />

Der Begriff der „grauen“ Biotechnologie bezieht sich auf deren<br />

Einsatz im Bereich Umwelt. Dazu zählen der Umweltschutz<br />

sowie die molekulare Diagnostik im Umweltbereich.<br />

Beide Anwendungsbereiche haben innerhalb der modernen<br />

Biotechnologie bei weitem nicht den Stellenwert erreicht wie<br />

die „rote“ Biotechnologie. Wie bereits erwähnt, wird insbesondere<br />

der „weißen“ Biotechnologie eine größere Bedeutung<br />

in der Zukunft zugesprochen. Neben den großen deutschen<br />

Chemieunternehmen wie BASF, Henkel und Degussa oder<br />

ausländischen Firmen wie DSM, Novozymes und DuPont tritt<br />

die Handvoll deutscher Core-Biotech-Unternehmen in diesem<br />

Bereich vermeintlich in den Hintergrund. Jedoch entwickeln<br />

gerade diese kleinen Unternehmen sehr innovative Ansätze, die<br />

dann sogar Interesse der Großen finden, wie einige Partnerschaften<br />

zum Beispiel der B.R.A.I.N oder Direvo zeigen.<br />

Jülich Fine Chemicals GmbH, Jülich<br />

Produktion von Spezialenzymen für die chemische und<br />

pharmazeutische Industrie<br />

MiB Munich Innovative Biomaterials GmbH, Marburg<br />

Weltweit der einzige Hersteller von rekombinanten Bakteriorhodopsin-Farbstoffen<br />

in technisch relevanten Mengen zum<br />

Einsatz in der Darstellung, Speicherung und Verarbeitung<br />

optischer Informationen<br />

vermicon AG, München<br />

Die vermicon AG entwickelt innovative Nachweissysteme zur<br />

Analyse von Mikroorganismen in Klärschlamm.<br />

X-Zyme GmbH, Düsseldorf<br />

Neue molekularbiologische Methoden für die Zufalls- und<br />

ortsspezifische Mutagenese mit dem Ziel der Erschaffung<br />

großer Bibliotheken von Enzymvarianten<br />

47


Dr. Jiri Snaidr, CEO vermicon AG, München<br />

Mit Gensonden auf Bakterien und Wachstum zielen<br />

P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />

Alles wäre besser, wenn die Menschen mit den Bakterien tauschen könnten. Wir würden<br />

nicht mit dem Problem der Überbevölkerung kämpfen. In einem Milliliter Klärschlamm<br />

könnten 5 Milliarden Menschen leben und sich an den Abfällen der „bakteriellen<br />

Zivilisation“ satt essen. Während die unflexiblen abfallproduzierenden Bakterien nur<br />

einen Wimpernschlag lang die Erde bewohnen würden, wären wir sicher, nach den<br />

Anfängen allen Lebens, in vielen Milliarden Jahren auch die spektakuläre Supernova,<br />

den letzten Moment auf dem blauen Planeten, erleben zu dürfen.<br />

Stattdessen sind es wir, die kontinuierlich Unmengen an Abfall<br />

produzieren. Allein in Deutschland reinigen Tausende von Kläranlagen<br />

täglich unser Abwasser. Paradoxerweise konzentrieren sich die<br />

Ingenieure bei der Konstruktion der Anlagen auf viele verschiedene<br />

Parameter, nicht aber auf die Hauptverantwortlichen der Schadstoffeliminierung<br />

– die Bakterien. Diese einfach aufgebauten Zellen<br />

zerlegen u. a. mühelos komplexe hochmolekulare organische<br />

Verbindungen, wozu ansonsten ein hoher Energieaufwand notwendig<br />

wäre. Und doch gibt es heutzutage nur wenige Erkenntnisse über die<br />

komplexe mikrobielle Diversität. Der Grund hierfür liegt an der Art<br />

und Weise wie Bakterien heutzutage mühsam über Kultivierung<br />

nachgewiesen werden. Die Bakterien werden hierbei aus ihrem natürlichen Lebensraum<br />

auf künstliche Nährmedien übertragen und im Brutschrank zum Wachstum angeregt.<br />

Mittlerweile ist aber bekannt, dass nur 0,1–1 % aller Bakterien im Abwasser mittels<br />

Kultivierung nachgewiesen werden können. Der Bau einer Kläranlage jedoch, die auf den<br />

Ergebnissen der Kultivierung fußt, ist vergleichbar mit dem Bau eines Wolkenkratzers<br />

„per Daumenfaktor“. Mag sein, dass er nicht umfällt, aber wehe, eine unvorhergesehene<br />

Störung tritt ein.<br />

Die vermicon AG verwendet die VIT (vermicon identification technology) Gensondentechnologie<br />

zum Nachweis von Bakterien. Hierbei können nahezu 100 % aller Bakterien<br />

mit kultivierungsunabhängigen Verfahren direkt im Belebtschlamm nachgewiesen<br />

werden. Sie bedient sich programmierter farbstoffmarkierter Gensonden, die die<br />

Bakterien zum Leuchten bringen und unter dem Fluoreszenzmikroskop spezifisch<br />

sichtbar machen. Auf diese Weise können in Kläranlagen die Bakterienpopulationen<br />

schnell und spezifisch nachgewiesen und deren Veränderungen verfolgt werden. Eine<br />

völlig neue und effiziente Anlagenführung wird ermöglicht. Das Verfahren vermarktet<br />

vermicon in einfach zu handhabenden „Testkits“ – kleinen Minilabors, die alle<br />

notwendigen Reagenzien enthalten und dem Betriebsleiter die Durchführung des<br />

Bakteriennachweises direkt vor Ort auf der Anlage erlauben. Ein Beitrag zur<br />

Kostensenkung, zur sichereren Betriebsführung und zum Umweltschutz.<br />

Als das Unternehmen im Jahr 2001 mit dem ersten Produkt zum Nachweis von nitrifizierenden<br />

Bakterien auf den Markt kam, da erwarteten wir neben dem Leuchten der<br />

Bakterien im Klärschlamm auch ein Leuchten der Begeisterung im Auge der Anwender<br />

vorzufinden. So groß war der Quantensprung für die Anlagenführung, so groß die<br />

Vorteile gegenüber allem Bisherigen, dass wir sehr optimistisch waren, alsbald Einzug<br />

auf allen Kläranlagen Deutschlands halten zu können. Die vermicon AG war und ist bis<br />

heute weltweit das einzige Unternehmen, das derartige Lösungen anbietet. Doch wie in<br />

anderen Märkten auch, ist der Vorbehalt gegenüber neuen Technologien oft sehr groß<br />

und muss durch jahrelange Verbands- und Sisyphusarbeit mühsam abgebaut werden.<br />

Die vermicon AG hat zwar recht kurze Produktentwicklungszeiten,<br />

doch im Gegensatz zur roten<br />

Biotechnologie steht die graue Biotechnologie nicht<br />

unter solch einem Leidensdruck. Im Gegenteil: Unter<br />

dem Motto: „Wir Deutsche sind doch sowieso führend<br />

im Umweltschutz“, wird Innovationen oft nur wenig<br />

Beachtung geschenkt. Daher benötigt ein Unternehmen,<br />

welches in die graue Biotechnologie investiert, vor allem<br />

eins: Zeit. Unglücklicherweise ist diese Ressource in der<br />

vom schnelllebigen Venture Capital getriebenen Investitionslandschaft<br />

Deutschland nicht im Überfluss zu<br />

finden. Es war für das Unternehmen daher wichtig,<br />

Partner zu finden, die auf quantifizierbare Nachhaltigkeit<br />

setzen. Mit den Konzernen RWE, MVV Energie und Henkel wurden Partner gefunden, die<br />

das langfristige Potenzial der Gensondentechnologien erkannten und bereit waren,<br />

neben dem Aufbau und Ausbau des Unternehmens, in die langjährige, aber stetig<br />

steigende Marktpenetration zu investieren. Sie unterstützen damit die Entwicklung eines<br />

Unternehmens, das Werte und Umsatz durch ein konstant wachsendes Produktportfolio<br />

schafft. Eigentlich eine kleine Besonderheit in unserer kurzlebigen und von Insolvenzen<br />

arg belasteten deutschen Biotechnologielandschaft.<br />

Die vermicon AG wurde 1997 gegründet und entwickelt und vermarktet Testkits zum<br />

schnellen und spezifischen Nachweis von Mikroorganismen in Wasser, Abwasser,<br />

Getränken und Lebensmitteln. Die Testkits basieren auf Hochleistungs-Gensondentechnologien<br />

und ermöglichen dem Anwender die Durchführung einer hocheffizienten<br />

In-house-Diagnostik. Die einfach zu handhabenden Testkits setzen durch ihre<br />

Schnelligkeit und Sicherheit neue Standards in der mikrobiellen Diagnostik. Im Jahre<br />

2000 beteiligte sich die Henkel KGaA an der vermicon AG, im Jahre 2003 folgten die<br />

Venture-Capital-Gesellschaften der Konzerne RWE AG und MVV Energie AG. Die Testkits<br />

werden neben Deutschland und Europa u. a. erfolgreich in den USA, Japan, Korea,<br />

Australien und Neuseeland vertrieben.<br />

www.vermicon.com<br />

48 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


3. Geschäfts- und Kommerzialisierungsstrategien<br />

3.1 Geschäftsmodelle, Strategien, Wachstumshemmnisse und Erfolge<br />

Die folgende Darstellung geht der Frage nach, mit welchen<br />

Strategien die deutschen Core-Biotech-Unternehmen den Markt<br />

erfolgreich erreichen und sich dort etablieren können.<br />

Dem Motto „per aspera ad astra“ folgend, mussten die Biotech-<br />

Firmen im letzten Jahr einige Anstrengungen unternehmen, um<br />

den „steinigen Weg“ bzw. die harten Zeiten geringer externer<br />

Finanzierung bei gleichzeitig noch nicht marktfähigen Produkten<br />

durchzustehen. Dies trifft streng genommen hauptsächlich<br />

auf die Geschäftsmodelle derjenigen Firmen zu, die Wirkstoffe<br />

entwickeln, denn sie benötigen zwangsläufig einen langen<br />

Atem. Auf der anderen Seite gibt es in der deutschen Core-<br />

Biotech-Industrie durchaus viele Firmen, die bereits Produkte<br />

am Markt anbieten und somit Umsatz tätigen. Oft reicht dieser<br />

Umsatz jedoch noch nicht aus, um gegenüber den Aufwendungen<br />

im Saldo ein Plus zu erzielen. Die Entwicklung zeigt jedoch<br />

in die richtige Richtung.<br />

Abbildung 3-1:<br />

Sample-Unternehmen nach ihrer Geschäftsausrichtung<br />

Produkt 33 %<br />

davon VC-finanziert 24 %<br />

ohne VC 9 %<br />

Service & Produkt 50 %<br />

davon VC-finanziert 13 %<br />

ohne VC 37 %<br />

Service 17 %<br />

davon VC-finanziert 3 %<br />

ohne VC 14 %<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Zur kurzfristigen Generierung von Einnahmen ist im vergangenen<br />

Jahr darüber hinaus eine zunehmende Zahl von Firmen<br />

dazu übergegangen, Serviceleistungen am Markt anzubieten.<br />

Diese Entscheidung trafen auch solche Unternehmen, die in den<br />

Jahren zuvor beschlossen hatten, sich auf die Entwicklung von<br />

Wirkstoffen zu konzentrieren.<br />

Dieser Strategiewechsel kann als ein gewisser Lichtblick<br />

gesehen werden, denn in der Hype-Phase von 2000/2001 sind<br />

viele Firmen auf Druck ihrer Investoren in eine Falle gelaufen,<br />

indem sie sich allein auf die Entwicklung von Therapeutika<br />

konzentrierten. Im gleichen Zeitraum kam nämlich eine gewisse<br />

Zurückhaltung der Pharmaindustrie auf, Kooperationen mit<br />

Biotech-Unternehmen abzuschließen. Die Investoren selbst<br />

mussten in dieser Situation feststellen, dass sie das reine<br />

Produktmodell nicht vollständig mit Risikokapital durchfinanzieren<br />

können. Damit fehlte ein wichtiges Glied in der<br />

„Biotech-Wertschöpfungskette“.<br />

Abbildung 3-1 zeigt die Geschäftsausrichtung des dieser<br />

Untersuchung zugrunde liegenden Samples an Core-Biotech-<br />

Firmen. Im Vergleich zum Jahr 2002, in dem fast die Hälfte<br />

aller Firmen angab, sich allein auf die Entwicklung von Produkten<br />

wie pharmazeutischen Wirkstoffen, Molekulardiagnostika,<br />

Tissue-Engineering-Produkten, Drug-Delivery-Systemen,<br />

Bioinformatik-Lösungen oder – im „grünen“ und „weißen“<br />

Bereich der Biotechnologie – von transgenen Pflanzen und<br />

Enzymen zu konzentrieren, ist deren Anteil im Jahr 2003 auf 33<br />

Prozent gesunken. Bei nahezu gleich bleibendem Anteil von<br />

Firmen, deren Geschäftsstrategie rein auf dem Anbieten von<br />

Dienstleistungen beruht, hat somit der Anteil an Unternehmen,<br />

die neben der Produktentwicklung auch Service anbieten, stark<br />

zugenommen und lag im Jahr 2003 bei 50 Prozent. Im voran<br />

gegangenen Jahr lag dieser Anteil noch bei 36 Prozent.<br />

49


Interessant ist bei der Analyse der Geschäftsausrichtung die<br />

Unterscheidung zwischen Firmen, die mit Risikokapital finanziert<br />

sind und solchen, die davon unabhängig sind.<br />

Insgesamt beläuft sich nämlich der Anteil der aktuell mit<br />

Venture Capital (VC) finanzierten Firmen an den insgesamt 350<br />

deutschen Core-Biotech-Unternehmen auf lediglich 32 Prozent.<br />

Der Rest der Unternehmen finanziert sich derzeit über eigenen<br />

Umsatz, staatliche Fördermittel, Privatvermögen, strategische<br />

Investoren oder stille Beteiligungen von Beteiligungsgesellschaften<br />

bzw. der tbg.<br />

Aus Abbildung 3-1 ist ersichtlich, dass sich der 33-prozentige<br />

Anteil der rein produktorientierten Unternehmen zu 24 Prozent<br />

aus VC-finanzierten und zu neun Prozent aus nicht VCfinanzierten<br />

Firmen zusammensetzt. Die reine Produktentwicklung<br />

wird somit hauptsächlich von Risikokapital unterstützt.<br />

Gerade die kostenintensive Wirkstoff-Forschung und -entwicklung<br />

ist hier häufig auf große Summen an Eigenkapital angewiesen.<br />

Bei den Firmen, die gleichzeitig Produktentwicklung betreiben<br />

und Service anbieten, kehrt sich das Verhältnis von VC- und<br />

nicht VC-finanzierten Unternehmen dagegen um. Die Zusammensetzung<br />

liegt hier bei 13 Prozent Firmen, die mittels Risikokapital<br />

finanziert und 37 Prozent, die davon unabhängig sind.<br />

Zwangsläufig muss hier der größere Teil an nicht-risikofinanzierten<br />

Unternehmen seine Existenz mit anderen Mitteln –<br />

so zum Beispiel Umsatz durch Service – bestreiten.<br />

Bei den Firmen, die ausschließlich Dienstleistungen anbieten,<br />

liegt der Schwerpunkt mit 14 zu 3 Prozent notwendigerweise<br />

eindeutig bei den Firmen, die von Risikokapital unabhängig<br />

sind. Unternehmen, die sich trotz VC-Finanzierung nur auf<br />

Service konzentrieren, bieten in der Regel Plattformen an, die<br />

einer gewissen Anschubfinanzierung bedürfen, bis sie sich über<br />

die Dienstleistung kostenmäßig selber tragen.<br />

Abbildung 3-1a zeigt die Aufteilung der Geschäftsausrichtung<br />

im Sample der VC-finanzierten Firmen. Hier wird die<br />

eindeutige Fokussierung der VC-Investoren auf produktorientierte<br />

Unternehmen sehr deutlich. Die Verteilung auf<br />

Produktorientierung, Produktentwicklung plus Service bzw.<br />

Service allein beträgt 60 zu 33 Prozent zu sieben Prozent.<br />

G ESCHÄFTSMODELLE, STRATEGIEN, WACHSTUMSHEMMNISSE UND E RFOLGE<br />

Abbildung 3-1a:<br />

VC-finanzierte Sample-Unternehmen<br />

nach ihrer Geschäftsausrichtung<br />

Produkt 60 %<br />

Aufschlussreich ist auch eine Analyse der Geschäftstätigkeiten<br />

der Firmen, die Therapeutika entwickeln. Fast ein Drittel der<br />

Unternehmen fokussiert sich dabei allein auf die Entwicklung<br />

von Therapeutika, 29 Prozent bieten daneben noch zusätzliche<br />

Dienstleistungen an und 40 Prozent sind darüber hinaus auf<br />

noch weiteren Feldern tätig, wie zum Beispiel im Bereich<br />

Molekulardiagnostika, Drug Delivery, Tissue Engineering oder<br />

Feinchemikalienproduktion.<br />

50 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

Service 7 %<br />

Service & Produkt 33 %<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Abbildung 3-2:<br />

Verteilung von Geschäftstätigkeiten bei Sample-<br />

Unternehmen, die Therapeutika entwickeln<br />

Therapeutika<br />

& Service &<br />

Anderes<br />

41 %<br />

nur Therapeutika<br />

30 %<br />

Therapeutika<br />

& Service<br />

29 %<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004


Dr. Holger Eickhoff, CEO SCIENION AG, Berlin<br />

Solides Geschäft mit moderner Technologie:<br />

Erfolgreiche Kombination aus Service und Produkten<br />

Die Geschäftsstrategie geht auf: Nicht das vielfach favorisierte Geschäftsmodell für die<br />

Entwicklung von Medikamenten wird bei der Scienion AG verfolgt, sondern die<br />

Vermarktung einer soliden Technologie, die Probleme nachhaltig löst und von einem<br />

plattformweiten Service begleitet wird. Im dynamischen und kompetitiven Wettbewerbsumfeld<br />

der BioChip-Technologie hat sich das im Dezember 2000 gegründete Berliner<br />

Unternehmen mittlerweile erfolgreich etabliert.<br />

Ein leichter Weg war das nicht – auch Scienion musste<br />

sich von einigen Visionen aus den Zeiten der Firmengründung,<br />

in der Biotechnologie noch geboomt hat,<br />

verabschieden. Zum Beispiel von dem Plan, Protein-<br />

Microarrays anzubieten. Im Vergleich zu DNA-Arrays ist<br />

die Entwicklung von Protein-Arrays wesentlich kostenintensiver.<br />

Scienion hat Projekte auf diesem Gebiet<br />

deshalb vorerst auf Eis gelegt, denn ohne gesicherten<br />

Absatz der Produkte – etwa durch Kooperationen mit<br />

Pharmafirmen – ist die Finanzierung aus Eigenmitteln<br />

nicht machbar. Es gab noch weitere Anpassungen des<br />

ursprünglichen Businessplans: Das Unternehmenswachstum<br />

wurde nach unten korrigiert und als Folge des<br />

eingebrochenen Kapitalmarkts wurde der umsatzgenerierende Servicebereich deutlich<br />

ausgebaut. Wertvoll für Scienion war und ist dabei die offene und konstruktive Kommunikation<br />

mit den Investoren – Hauptinvestoren sind die 3i Group, PEPPERMINT. Financial<br />

Partners und die IBB Beteiligungsgesellschaft. Die kontinuierliche Analyse äußerer und<br />

unternehmensinterner Bedingungen sowie die Bereitschaft, eigene Positionen kritisch<br />

zu hinterfragen und neu auszurichten, sind die beste Voraussetzung, zukunftsgerichtete<br />

Veränderungsprozesse gezielt zu steuern und umzusetzen. Ein wesentlicher Faktor dabei<br />

ist die Teambildung zwischen Investoren, Management und Belegschaft, um gemeinsam<br />

an einem Strang zu ziehen.<br />

Ausschlaggebend für den bisherigen Firmenerfolg ist die ausgeprägte Marktorientierung.<br />

Neuentwicklungen von Scienion werden konsequent an Kundenbedürfnissen<br />

orientiert – und in enger Kooperation mit Partnern aus Industrie und Forschung vorangetrieben.<br />

Dies gilt für alle Geschäftsbereiche: BioChip-Produkte, -Hardware und -Services.<br />

Innovation, Kundenorientierung und hohe Qualität spiegeln sich auch in den<br />

Unternehmenszahlen wider. Nach nur einer einzigen Finanzierungsrunde im Frühjahr<br />

2001 verzeichnen die Berliner Biochipspezialisten kontinuierlich wachsende Umsätze –<br />

im Jahr 2003 ein Umsatzwachstum von 230 Prozent. Zu den Kunden zählen Pharma- und<br />

Biotech-Unternehmen ebenso wie zahlreiche akademische Forschungseinrichtungen.<br />

Noch in diesem Jahr will das Unternehmen schwarze Zahlen schreiben, um sich auch<br />

weiterhin auf Kunden und die Geschäftsentwicklung zu konzentrieren und nicht auf die<br />

Akquise neuer Investoren.<br />

Verstärkte Nachfrage nach maßgeschneiderten Chips<br />

Im Geschäftsfeld BioChips liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung kundenspezifischer<br />

Microarrays für die Grundlagenforschung und Diagnostik in zwei Bereichen.<br />

Für die Humangenomforschung entwickelt Scienion individuell nach Kundenbedürfnissen<br />

DNA-Microarrays mit Genen, die für die jeweiligen Indikationen relevant sind.<br />

Daneben produziert und vertreibt Scienion Ready-to-use-Chips im Bereich Herz-Kreislauf<br />

und Entzündung sowie Chips mit Genen, die bei programmiertem Zelltod (Apoptose) und<br />

Differenzierungsprozessen eine Rolle spielen.<br />

Besondere Expertise besteht auch bei der Entwicklung von Chips für die funktionelle<br />

Genomforschung und Diagnostik von Mikroorganismen, die beispielsweise<br />

im Hinblick auf Antibiotikaresistenzen aber auch für die<br />

Seuchenprävention und zur Erforschung und schnellen Detektion von<br />

biologischen Waffen eine zentrale Bedeutung haben.<br />

Alle Arrays werden mit Hilfe von Scienions patentierter Plattformtechnologie<br />

hergestellt. Ein herausragendes Merkmal dieser<br />

Technologie ist, dass sie auf alle relevanten Molekülklassen anwendbar<br />

ist. Das bedeutet, DNA- und RNA-Microarrays können damit<br />

genauso hergestellt werden wie Chips, die mit Proteinen, Antikörpern<br />

oder Small Molecules bestückt werden.<br />

Innovative Hardware für Array-Experimente<br />

Mit dem sciFLEXARRAYER hat Scienion ein modular aufgebautes,<br />

flexibles Dispensiersystem auf den Markt gebracht, welches in der<br />

Lage ist, auch komplette Zellen funktional zu aspirieren und dispensieren. Mit Hilfe eines<br />

piezosaktuierten Liquid-Handling-Systems lassen sich kleinste Flüssigkeitsmengen – bis<br />

in den Pikoliterbereich – präzise und kontaktfrei, auch in verschiedene Arrayformate<br />

dosieren. Der sciFLEXARRAYER ist ein zentrales Integrationswerkzeug für die Verbindung<br />

von konventioneller Mikrotiterplattentechnik mit hochintegrierten Lab-On-A-Chip-<br />

Systemen.<br />

Zukunftsvision: Systembiologie und Medizin auf einer Plattform<br />

Parallel zu einem hohen Serviceanteil hat sich Scienion zu einem hochinnovativen<br />

Unternehmen entwickelt, welches in der Lage ist, auch allerneueste Technologien in<br />

kürzester Zeit in den Markt zu bringen. Zu den Alleinstellungsmerkmalen des<br />

Unternehmens zählt die Entwicklung einer technologischen Plattform, die es erlaubt, alle<br />

relevanten Biomoleküle wie DNA, Proteine und Antikörper genauso zu untersuchen wie<br />

komplette Zellen, siRNAs und small molecules. Die Verbindung dieser Plattform gepaart<br />

mit einer exzellenten Marktkenntnis und kompetentem Service verspricht auch für die<br />

Zukunft, insbesondere in der Diagnostik, ein erhebliches Wachstumspotenzial.<br />

www.scienion.de<br />

51


Eine Analyse der Dienstleister unter den Sample-Unternehmen<br />

ergibt, dass immerhin 67 Prozent der Firmen Services in Form<br />

von Auftragsforschung oder Auftragsproduktion durchführen.<br />

Ein Viertel davon sind VC-finanzierte Unternehmen und ein<br />

Drittel der 143 Firmen mit Serviceangebot entwickeln<br />

Therapeutika.<br />

Die Verteilung von Service auf verschiedene Felder zeigt<br />

Abbildung 3-3. Dabei waren Mehrfachnennungen möglich.<br />

Abbildung 3-3:<br />

Verteilung von Services im Bereich Auftragsforschung/-produktion<br />

Screening- & Diagnostik-Services<br />

DNA/RNA-Services<br />

Auftragsproduktion<br />

Sonstiges<br />

Protein-/Peptid-Services<br />

Lead-Discovery-Services<br />

Bioinformatik-Services<br />

0 10<br />

Der größte Anteil entfällt danach auf Dienstleistungen im<br />

Bereich Screening und Diagnostik, gefolgt von DNA/RNA-<br />

Services sowie der Auftragsproduktion. Protein- und Peptid-<br />

Services werden von einem Viertel der Firmen angeboten.<br />

Jeweils knapp 20 Prozent wird bei Dienstleistungen im Bereich<br />

„Lead Discovery“ sowie Bioinformatik erreicht.<br />

Gerade bei den „Lead Discovery“-Services nehmen die Firmen,<br />

die gleichzeitig in der Wirkstoff-Entwicklung tätig sind, den<br />

größten Anteil ein. Offensichtlich gibt es hier entsprechende<br />

Synergien, die für das Anbieten von Dienstleistungen zur<br />

kurzfristigen Generierung von Umsatz genutzt werden können.<br />

4<br />

15<br />

15<br />

G ESCHÄFTSMODELLE, STRATEGIEN, WACHSTUMSHEMMNISSE UND E RFOLGE<br />

21 14<br />

15<br />

24 3<br />

19 9<br />

17 8<br />

1<br />

9<br />

20 30 40<br />

Anteil Firmen in % (Mehrfachnennungen möglich)<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Unter den Therapeutika-Entwicklern ist der Anteil von Unternehmen,<br />

die DNA/RNA- oder Bioinformatik-Services anbieten,<br />

am geringsten. Diese Art von Service wird eher von klassischen<br />

Genomics-Dienstleistern bzw. rein auf Bioinformatik ausgerichteten<br />

Firmen angeboten.<br />

nicht Therapeutika<br />

entwickelnde Firmen<br />

Therapeutika<br />

entwickelnde Firmen<br />

Das bisher oft gezeichnete Bild einer<br />

deutschen Biotech-Industrie, die rein abhängig<br />

von Risikokapital ist und allein<br />

Geschäftsmodelle der Produktausrichtung<br />

verfolgt, kann somit nicht mehr aufrecht<br />

erhalten werden.<br />

Die Umfrage unter den Produktfirmen<br />

nach bereits auf dem Markt befindlichen<br />

Produkten sowie für die kommenden<br />

Jahre geplanten Produkteinführungen<br />

ergab, dass immerhin knapp ein Drittel<br />

bereits ein Produkt auf dem Markt<br />

anbietet. Hierbei handelt es sich zumeist<br />

um Firmen, die sich auf Molekular-<br />

diagnostika spezialisiert haben, aber auch um Unternehmen aus<br />

dem Bereich Tissue Engineering.<br />

Gut ein Viertel der Firmen gab an, Produkteinführungen im<br />

Laufe dieses Jahres zu planen. Ein weiteres knappes Drittel<br />

plant dieses in den nächsten drei Jahren. Nur etwa 10 Prozent<br />

der Firmen wird es erst in vier Jahren oder später möglich sein,<br />

ein Produkt auf den Markt zu bringen. Hierbei handelt es sich<br />

ausnahmslos um Wirkstoffentwickler. Immerhin sind unter den<br />

Unternehmen, die angeben, innerhalb der nächsten drei Jahre<br />

ein Produkt auf den Markt bringen zu wollen, einige<br />

Therapeutika-Firmen.<br />

52 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Strategien<br />

Abbildung 3-4 gibt einen Überblick über die Entwicklungs- und<br />

Vermarktungsstrategien der Sample-Unternehmen.<br />

Abbildung 3-4:<br />

Entwicklungs- und Vermarktungsstrategien der Sample-Unternehmen<br />

eigene Entwicklung &<br />

Vermarktung<br />

eigene Entwicklung ohne<br />

eigene Vermarktung<br />

eigene Entwicklung<br />

bis bestimmte Phase<br />

(ohne eigene Vermarktung)<br />

11 35<br />

8 7<br />

0 10<br />

Anzahl Firmen in %<br />

20 30 40<br />

Fast die Hälfte der befragten Biotech-Firmen strebt eine eigene<br />

Entwicklung und Vermarktung von Produkten an. Dienstleistungen<br />

werden zwangsläufig selbst direkt am Markt angeboten.<br />

Ein kleinerer Teil der Unternehmen folgt der Strategie, ein<br />

Produkt bis zur Marktreife zu entwickeln, ohne jedoch die<br />

Vermarktung selbst zu übernehmen. 40 Prozent der Firmen<br />

wollen Produkte lediglich bis zu einer Phase entwickeln, bei<br />

der der komplette Entwicklungsprozess noch nicht abgeschlossen<br />

ist.<br />

Abbildung 3-5:<br />

Aufteilung von alternativen Vermarktungsstrategien bei<br />

Sample-Firmen, die Produkte nicht selbst vermarkten<br />

Auslizenzierung/<br />

Verkauf<br />

24 %<br />

Co-Entwicklung/<br />

Co-Vermarktung<br />

21 %<br />

38<br />

2<br />

Auslizenzierung/<br />

Verkauf & Co-<br />

Entwicklung/<br />

-Vermarktung<br />

55 %<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

nur Therapeutika<br />

entwickelnde Firmen<br />

nicht Therapeutika<br />

entwickelnde Firmen<br />

50<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Bei der Datenerhebung wurde auch die Frage gestellt, welche<br />

Schritte geplant sind, wenn keine eigene Vermarktung erfolgt.<br />

Als Optionen wurden Auslizenzierung bzw. Verkauf sowie Co-<br />

Entwicklung bzw. Co-Vermarktung angegeben.<br />

Abbildung 3-5 zeigt die Verteilung dieser Alternativen unter den<br />

Sample-Unternehmen.<br />

Demnach strebt über die Hälfte der Firmen beide Optionen an.<br />

Für 24 Prozent der Unternehmen kommt allein die Auslizenzierungs-<br />

bzw. Verkaufsalternative in Betracht und 21<br />

Prozent verfolgen lediglich die Strategie der Co-Entwicklung<br />

bzw. Co-Vermarktung.<br />

53


Abbildung 3-6:<br />

Entwicklungsstrategien der Therapeutika entwickelnden Sample-<br />

Unternehmen<br />

bis Proof of<br />

Concept/Präklinik<br />

bis Phase I<br />

bis Phase I/II<br />

bis Phase II<br />

bis Phase II/III<br />

bis Phase III<br />

0<br />

5<br />

8<br />

Anzahl Firmen in %<br />

Bei der Analyse der Entwicklungs- und Vermarktungsstrategien<br />

fällt eine Divergenz zwischen Therapeutika-Entwicklern und<br />

dem Rest der Firmen auf.<br />

So liegt – wie aus Abbildung 3-4 ersichtlich – der Schwerpunkt<br />

bei den Therapeutika-Entwicklern eindeutig bei der Strategie,<br />

eigene Produkte nur bis zu einer bestimmten Entwicklungsstufe<br />

zu entwickeln und sie nicht selbst zu vermarkten. Eine Strategie<br />

der komplett eigenen Entwicklung und Vermarktung verfolgen<br />

dagegen hauptsächlich Unternehmen, die sich nicht auf den Geschäftsbereich<br />

Therapeutika fokussieren.<br />

Diese Divergenz beruht zwangsläufig auf den beträchtlichen<br />

zeitlichen, finanziellen und organisatorischen Anforderungen<br />

der Therapeutikaentwicklung. Für viele kleine Biotech-Unternehmen<br />

ist die Bewältigung des gesamten Prozesses von der<br />

Erforschung über die Entwicklung und Vermarktung von<br />

neuartigen Arzneimitteln ressourcenmäßig einfach nicht möglich.<br />

Die Entwicklungs- und Vermarktungsstrategien müssen<br />

hier zwangsläufig eine andere Richtung einschlagen als<br />

beispielsweise bei der Entwicklung von Molekulardiagnostika<br />

und anderen Produkten.<br />

Bei der Strategie der kompletten eigenen Entwicklung ohne<br />

eigene Vermarktung halten sich die beiden Geschäftstypen –<br />

Firmen mit und ohne Therapeutika-Fokus – die Waage.<br />

Abbildung 3-6 zeigt, bis zu welcher Stufe bzw. Phase Therapeutika-Firmen<br />

ihre Produkte entwickeln.<br />

11<br />

12<br />

19<br />

G ESCHÄFTSMODELLE, STRATEGIEN, WACHSTUMSHEMMNISSE UND E RFOLGE<br />

5 10 15 20 25 30 35 40 45 50<br />

Hier wird ganz deutlich, dass fast die<br />

Hälfte der befragten Unternehmen mit<br />

dem Schwerpunkt Wirkstoff-Entwicklung<br />

eine eigene Entwicklung bis zur<br />

Phase II anstreben. Diese Strategie ist<br />

sinnvoll, denn je weiter die Firmen mit<br />

ihrer eigenen Wirkstoff-Entwicklung<br />

kommen, desto höher ist der Wert ihres<br />

Produktes, wenn es dann an Pharmaoder<br />

andere Biotech-Unternehmen auslizenziert<br />

oder verkauft wird.<br />

Der Anteil an Firmen, die ihre Wirkstoffe<br />

noch bis in spätere Phasen wie Phase<br />

II/III oder Phase III bringen möchten, ist<br />

zwangsläufig am geringsten, da gerade<br />

diese abschließenden Phasen der klinischen<br />

Entwicklung sehr aufwändig und<br />

teuer sind. Um dieses Entwicklungsstadium zu erreichen, ist<br />

daher eine gewisse kritische Masse und beträchtliches Knowhow<br />

im Unternehmen notwendig. Diesen Anforderungen genügen<br />

zur Zeit nur wenige Firmen in der deutschen Biotech-<br />

Industrie.<br />

Neben der Gruppe von Firmen, die Wirkstoffe bis zur Phase II<br />

entwickeln möchten, ist mit 19 Prozent der Anteil an Firmen am<br />

größten, die die Wirkstoff-Entwicklung bis in Phase I/II planen.<br />

Mit 11 bzw. 12 Prozent etwa gleich hoch liegt der Anteil an<br />

Unternehmen, die ihr Produkt bis zum „Proof of Concept“ oder<br />

Präklinik bzw. bis zur Phase I voranbringen möchten. Hierfür<br />

sind sehr viel weniger Ressourcen nötig, so dass bei der<br />

derzeitigen Finanzierungssituation diese Strategien durchaus<br />

sinnvoll erscheinen.<br />

54 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

46<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004


IP-Value-Management für Biotech-Unternehmen<br />

– Wie nutzt man das geistige Eigentum zur Wertsteigerung<br />

des Unternehmens?<br />

In Deutschland wird die Bedeutung des geistigen Eigentums von vielen Unternehmen<br />

immer noch zu gering eingestuft. Gerade in jungen, innovativen Unternehmen besteht<br />

der Wert des Unternehmens oft zu 80 % und mehr aus geistigem Eigentum. Die<br />

Biotechnologie ist hierfür ein Paradebeispiel. Vor dem Erreichen des Marktzugangs mit<br />

neuen Produkten sind oft langwierige Entwicklungsprozesse durchzustehen, in denen<br />

keine Umsätze erzielt werden und Bewertungen sich meist nur auf die vorhandene IP-<br />

Basis und damit verknüpfte Zukunftsprognosen beziehen können.<br />

Dennoch wissen viele Firmen oft nicht einmal, welches geistige Eigentum sie überhaupt<br />

besitzen und wie sie es wirtschaftlich sinnvoll nutzen könnten. Gerade in wirtschaftlich<br />

schwierigen Zeiten kann ein professionelles IP- (Intellectual Property) Management aber<br />

den entscheidenden Unterschied zur Konkurrenz ausmachen und zu einer Wertschöpfung<br />

führen, die weit über Kostensenkung oder Risikominimierung hinausgeht.<br />

Besser ist es also, von Anfang an dafür zu sorgen, dass Rechte des Unternehmens richtig<br />

und professionell geschützt und bei den zuständigen Institutionen registriert werden.<br />

Für nicht durch öffentliche Register geschütztes geistiges Eigentum muss mit vertraglichen<br />

Vereinbarungen sichergestellt werden, dass Miturheber oder Dritte keine Rechte<br />

beanspruchen können.<br />

2. Strategieentwicklung<br />

Jede IP-Strategie sollte vornehmlich darauf abzielen, das geistige Eigentum künftig<br />

besser, Gewinn bringend und im Einklang mit der Gesamtstrategie des Unternehmens zu<br />

nutzen. Nur mit einem klaren Bild über die IP-Rechte in einem Unternehmen kann man<br />

die richtige Strategie für das vorhandene Portfolio entwickeln. Hierbei ist zunächst zu<br />

fragen, welche IP-Rechte künftig benötigt werden oder überflüssig sind und welche<br />

Rechte bestritten sind oder ganz fehlen.<br />

Professioneller Rat ist hier ebenfalls hilfreich. Denn es geht nicht nur um die oftmals<br />

schwierigen juristischen Fragen. Entscheidend für eine erfolgreiche IP-Strategie ist auch,<br />

sich ein möglichst seriöses Bild vom Wert der einzelnen IP-Rechte zu machen und die<br />

Die häufigsten strategi-<br />

steuerrechtlichen Ausschen<br />

Ziele eines pro-<br />

Bestandsaufnahme<br />

Strategieentwicklung<br />

Implementierung<br />

wirkungen zu analysieren.<br />

fessionellenIP-Managements liegen in Folgendem:<br />

IP Inventur<br />

Portfolio-<br />

Bewertung<br />

ZielfestsetzungEntscheidungsprozess<br />

Sicherung<br />

der Rechte<br />

Werte schaffen<br />

Portfolio nutzen<br />

Die Schwierigkeit vieler<br />

Unternehmen besteht ge-<br />

• Schutz und Sicherung<br />

Nutzung des geistigen Eigentums des Unternehmens zur Steigerung des Unternehmeswertes<br />

rade darin, dass sie (z. B.<br />

bestehender und künf-<br />

in der Rechts- oder Steutig<br />

entstehender IP-Rechte gegenüber Wettbewerbern<br />

erabteilung) über Sachverstand im eigenen Haus verfügen, um diese Informationen<br />

• Kostensenkung durch zentrales IP-Portfolio-Management<br />

abzurufen. Diese Bereiche arbeiten beim Thema IP oft aber nicht genug zusammen, so<br />

• Erschließung neuer Einnahmequellen durch entgeltliche Überlassung von IP-Rechten dass eine unternehmenseinheitliche Strategie nicht verfolgt wird. Bei größeren<br />

• Optimierung der Nutzung des IP-Portfolios nach Akquisitionen und Umstrukturierun- Unternehmen mit mehreren Tochtergesellschaften und Beteiligungen mit vielfach dezengen<br />

(IP-Post-Merger-Integration)<br />

tralem IP-Management kann sich oft eine konzerneinheitliche IP-Strategie schon aus<br />

• Entwicklung besicherungsfähiger Vermögenswerte (geistiges Eigentum als diesem Grund nicht entwickeln.<br />

Kreditsicherheit)<br />

Ernst & Young mit seiner Industrieexpertise im Bereich der Biotechnologie kann als<br />

• Aktivierung verdeckter Unternehmenswerte<br />

externer Berater alle drei Bereiche (Recht, Bewertung und Steuern) abdecken und somit<br />

• Erfüllung neuer Bilanzierungsstandards (IAS)<br />

ein integriertes Konzept für das IP-Value-Management anbieten.<br />

• Nutzung steuerlicher Chancen (z. B. durch Gründung einer IP-Holding)<br />

• Steueroptimale Festlegung von IP-Verrechnungspreisen<br />

3. Umsetzung<br />

Auch hier sollte professionell gehandelt werden. Dies gilt einmal für die notwendigen<br />

IP-Value-Management erfolgt nach einem logisch aufgebauten Prozess, der im Vertragsgestaltungen im Konzern und mit Dritten. Neben den erforderlichen, „gerichts-<br />

Folgenden näher beschrieben wird:<br />

festen“ juristischen Regelungen gilt es, ein betriebswirtschaftlich vernünftiges Entgelt<br />

festzulegen, das einerseits den bilanzrechtlichen Regelungen entspricht und anderer-<br />

1. Bestandsaufnahme<br />

seits den bestehenden steuerrechtlichen Spielraum im Sinne der zuvor definierten IP-<br />

Es empfiehlt sich, zunächst zu prüfen, welches geistige Eigentum im Unternehmen Strategie des Unternehmens ausnutzt. Oft wird es vorher jedoch nötig sein, vorhan-<br />

vorhanden ist. Oft stellt sich dabei heraus, dass bestimmte Rechte (z. B. Patente und denes und künftig entstehendes geistiges Eigentum formal zu schützen oder gegen<br />

Lizenzen) gar nicht eindeutig und vollständig dem Unternehmen zugerechnet werden<br />

können. Deshalb sollte in Kooperations- wie auch in Arbeitsverträgen von Anfang an<br />

Wettbewerber zu verteidigen.<br />

klar geregelt werden, wo das (künftige) Recht liegt und inwieweit die Vergütung auch die Nur solche Biotech-Unternehmen, die rechtzeitig und konsequent eine IP-Strategie<br />

gewerbliche Nutzung umfasst. Auch von außen drohen unliebsame Überraschungen, entwickeln und umsetzen, können die Chancen aus einem professionellen IP-Valuewenn<br />

festgestellt wird, dass vermeintlich im eigenen Unternehmen gemachte Erfindungen Management nutzen, um den Wert des Unternehmens nachhaltig zu erhöhen.<br />

durch Dritte gefährdet sind, die schneller waren und ähnliche geistige Schöpfungen bei Von Dr. Fritjof Boerner, EYLaw Luther Menold Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Köln<br />

den zuständigen Stellen rechtlich schützen ließen.<br />

fritjof.boerner@de.eylaw.com<br />

55


Um die rauen Zeiten der letzten ein bis zwei Jahre zu überstehen,<br />

haben viele Firmen Änderungen ihrer Geschäftsstrategie<br />

vorgenommen.<br />

So orientierten sich sehr viele Unternehmen neu, um sich auf<br />

Kernkompetenzen oder auf „machbare“ Projekte zu konzentrieren.<br />

Gleichzeitig wurde die Anzahl von Projekten, vor<br />

allem im Forschungsbereich, reduziert. Die Reduktion der<br />

Projekte steht zunächst im Widerspruch zur im voran<br />

gegangenen Kapitel aufgezeigten Aus-<br />

weitung der Wirkstoff-Entwicklungspipeline.<br />

Dies bedeutet jedoch, dass sich<br />

die Biotech-Firmen auf das Voranbringen<br />

von Projekten in der klinischen Entwicklung<br />

fokussierten.<br />

Weiterhin gab es den Angaben der<br />

Firmen zufolge häufig eine Änderung in<br />

der Unternehmensstrategie in Richtung<br />

Service-Orientierung. Um zu überleben,<br />

konzentrierten die Firmen sich auf<br />

Produkte mit hohem Umsatzpotenzial<br />

oder eine intensivierte Produktentwicklung,<br />

um früher auf den Markt kommen<br />

zu können. Da sich die Entwicklungsgeschwindigkeit<br />

bei Wirkstoffentwick-<br />

lern jedoch nicht beliebig verkürzen lässt, trifft diese Aussage<br />

mehrheitlich auf Firmen aus anderen Bereichen zu. Darüber<br />

hinaus wurde oft der eher „taktische“ Weg des „Downsizings“,<br />

sprich Mitarbeiterabbau und damit Kostenreduktion beschritten.<br />

Insgesamt zielen alle diese Maßnahmen auf die höchstmögliche<br />

Reduktion der „Burn Rate“ ab.<br />

Eine andere Form der Umorientierung bei strategischen<br />

Ausrichtungen war es, Expansionspläne zu verschieben. Einige<br />

Firmen hatten sich jedoch bereits auf eine Verschlechterung der<br />

Branchensituation eingerichtet und von vorneherein bei<br />

Gründung bzw. bereits noch zur Hype-Phase eine vorsichtige<br />

Strategie, beispielsweise eines dualen Geschäftsmodells,<br />

gewählt. Ferner haben sich viele Unternehmen bemüht, Umsatz<br />

in eher kleinen Schritten zu erzielen, das heißt zum Beispiel,<br />

Partnerschaften früher einzugehen oder Produkte eher auszulizenzieren.<br />

Firmen, die bereits Produkte auf dem Markt<br />

haben, orientierten sich stärker auf den Vertrieb. Schließlich<br />

sehen auch einige Unternehmen nach wie vor die Möglichkeit,<br />

durch Fusion oder Übernahme die bestehende Struktur zu<br />

stärken.<br />

G ESCHÄFTSMODELLE, STRATEGIEN, WACHSTUMSHEMMNISSE UND E RFOLGE<br />

„IDEA hat bereits frühzeitig den<br />

Schwerpunkt auf die Entwicklung marktnaher<br />

Produkte gesetzt. Vor dem Hintergrund<br />

der aktuellen Branchensituation<br />

wurde diese Fokussierung konsequent<br />

fortgesetzt. Ein Strategiewechsel war<br />

insofern nicht erforderlich, wohl aber<br />

zwingen der enge finanzielle Kapitalmarkt<br />

bzw. der eigene Finanzrahmen zu<br />

sehr maßvollen Investitionen.“<br />

Prof. Gregor Cevc, CEO IDEA AG,<br />

München<br />

Restrukturierungsmaßnahmen und das Anvisieren ausländischer<br />

Märkte waren weitere strategische Optionen der Neuausrichtung.<br />

Insbesondere bei einigen börsennotierten Biotech-Unternehmen<br />

erfolgten einschneidende Aktionen wie Neuausrichtung,<br />

Restrukturierung oder Fokussierung, um die Firmen<br />

besser für die derzeitigen Marktherausforderungen aufzustellen.<br />

So zwangen Anfang letzten Jahres die schwierigen Marktbedingungen<br />

im Biochip-Bereich und<br />

eine erfolglose Partnersuche die<br />

GeneScan Europe AG zur Restrukturierung.<br />

Das Unternehmen konzentriert sich<br />

derzeit nur noch auf den Bereich<br />

AgroFood; für die Tochter Biochip<br />

Technologies GmbH musste Insolvenz<br />

angemeldet werden. Später übernahm<br />

dann der französische Konzern Eurofins<br />

68 Prozent der Anteile von GeneScan.<br />

Die MWG Biotech AG liegt nach einer<br />

Mitte 2001 begonnenen und inzwischen<br />

abgeschlossenen Neuausrichtung auf<br />

deutlichem Erfolgskurs, wie die Firma<br />

im Februar 2003 mitteilte. Bei der Umstrukturierung<br />

wurden drei Geschäftsbereiche<br />

des Unternehmens auf zwei Geschäftsfelder aufgeteilt<br />

und ein Teil der Mitarbeiter entlassen.<br />

Auch GPC Biotech hat sich im vergangenen Jahr verschlankt,<br />

um mit den Einsparungen den Ausbau der Krebs-Medikamentenpipeline<br />

voran zu treiben. Vom Stellenabbau sind vor allem<br />

Mitarbeiter im Bereich der frühen Technologieplattform betroffen.<br />

Trotz der Verstärkung des Fokus auf die Entdeckung und<br />

Entwicklung neuartiger Krebsmedikamente wurde darauf<br />

geachtet, dass die Kompetenz zur Entwicklung innovativer<br />

Technologien weiterhin besteht und entsprechende Mitarbeiter<br />

beschäftigt werden.<br />

MediGene will durch die Verlegung des US-Forschungsbereiches<br />

an den deutschen Hauptstandort München rund fünf<br />

Millionen € pro Jahr sparen. Zudem wurde die ehemalige<br />

Kardiologie-Sparte in Form der Larnax GmbH ausgegründet,<br />

wodurch rund 6,5 Millionen € eingespart werden können.<br />

56 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Herbert Liebl, VP Finance<br />

Ingenium Pharmaceuticals AG, München<br />

Restrukturierung als Basis für eine erfolgreiche<br />

Finanzierungsrunde<br />

Mitte Dezember 2003 gab Ingenium die erfolgreiche Durchführung der 3. Finanzierungsrunde<br />

bekannt. Wie war es möglich vor dem Hintergrund eines nach wie vor konservativen<br />

und zurückhaltenden Investitionsklimas 13,8 Mio. € einzuwerben?<br />

Gestartet war die Ingenium mit dem ersten Entwicklungsziel, mittels eines weltweit<br />

einzigartigen genetischen Screens Zielgene für potentielle innovative Therapien zu<br />

identifizieren. Als nächstes Entwicklungsziel galt die weitere Validierung, um aus der<br />

Vielzahl der klonierten Zielgene die erfolgversprechendsten zu identifizieren und<br />

fokussiert zu bearbeiten. Die wirtschaftliche Verwertung durch den<br />

Abschluss eines großen Kooperationsvertrages war trotz intensiver<br />

Bemühungen und ernstem Interesse auf Seiten verschiedener<br />

Gesprächspartner noch nicht gelungen.<br />

Zeitgleich dazu erfolgte der dramatische Rückgang der Kapitalmärkte<br />

für Biotech als wesentlicher Wachstumsfaktor der noch jungen<br />

Industrie insbesondere in Deutschland. So reichten die finanziellen<br />

Mittel Mitte 2002 noch mehr als ein Jahr für den damaligen<br />

operativen Geschäftsbetrieb aus.<br />

Diese Situation führte zu der Entscheidung, eine tief gehende<br />

Restrukturierung des Unternehmens durchzuführen, mit folgenden<br />

beiden Zielen:<br />

• Stärkung des langfristigen Wertsteigerungspotentials durch Fokussierung auf die<br />

erfolgversprechendsten Forschungsergebnisse und gleichzeitige deutliche Verlängerung<br />

des Cash Horizontes durch Reduktion der Ausgaben<br />

• Realisierung früher wirksam werdender Umsatzpotentiale mittels Entwicklung neuer<br />

Geschäftsfelder basierend auf existierender Technologie<br />

Einfaches „Kostensparen“ ohne Abstimmung zu einer langfristigen Wertsteigerungsstrategie<br />

wurde als strategische Sackgasse erkannt und frühzeitig verworfen. Im<br />

Einzelnen wurden folgende Maßnahmen konzipiert:<br />

1. Einstellung der in der Breite vorgenommenen Untersuchung des Genoms, da mehr<br />

potentielle therapeutische Ansätze zu diesem Zeitpunkt entdeckt wurden als ohne<br />

Partnerschaften weiterverfolgt werden konnten und fokussierte Verwertung der<br />

bereits umfangreich vorliegenden Ergebnisse in Richtung Drug Discovery.<br />

2. Konzentration auf wenige Indikationsfelder mit der einhergehenden Verkleinerung<br />

des Unternehmens (Tiefe anstatt Breite)<br />

3. Vermarktung der aus dem genetischen Screen entwickelten Technologieplattform<br />

INGENOtyping in einer Vielzahl von Kooperationen, um daraus ab 2003 regelmäßig<br />

Umsatz zu generieren.<br />

Diese Eckpunkte der Geschäftsstrategie waren im Juni 2002 formuliert, ergänzt um die<br />

wesentlichen monetären Ziele. Ein Projektteam wurde ins Leben gerufen, um die<br />

organisatorischen Änderungen zu erarbeiten, zugeschnitten auf die modifizierten<br />

Anforderungen. Danach sollte der Mitarbeiterbestand von 140 auf 80 Mitarbeiter<br />

zurückgehen und ein Standort geschlossen werden. Diese deutlich verringerte<br />

Infrastruktur musste immer noch ausreichend dimensioniert sein, um die beabsichtigte<br />

ausbalancierte Strategie von kurzfristigen Einsparungseffekten und langfristiger Wertgenerierung<br />

mit fokussierten Projekten zu gewährleisten. Ein Projektplan mit<br />

Maßnahmen und Umsetzungs-Verantwortlichkeiten sicherte die Realisierung und<br />

inhaltliche Zielerreichung; ein so genanntes Restrukturierungs-Budget je Abteilung die<br />

finanzielle Zielerreichung.<br />

Anfang Juli wurde der Restrukturierungsplan der Belegschaft vorgestellt. Oberste<br />

Maßgabe dabei war es, die ernste Gesamtsituation, die modifizierte Strategie und die<br />

sich daraus unvermeidlich ergebenden Maßnahmen<br />

offen zu kommunizieren. Nach einer Unternehmensversammlung<br />

wurde in den einzelnen Abteilungen weiter<br />

diskutiert und zuletzt in Einzelgesprächen zwischen allen<br />

Mitarbeitern und Vorgesetzen individuell kommuniziert.<br />

Somit war die Phase der Unsicherheit im Unternehmen<br />

sehr kurz. Außerdem wurde für die betroffenen<br />

Mitarbeiter ein gut ausgestatteter Abfindungsplan aufgelegt.<br />

Eine vor kurzem durchgeführte Mitarbeiterbefragung<br />

bescheinigte dem Unternehmen ein positives<br />

Betriebsklima und bestätigte die Richtigkeit des oben<br />

beschriebenen, offenen und direkten Vorgehens.<br />

Im 4. Quartal 2002 waren die Maßnahmen umgesetzt,<br />

der neue Business-Plan, der vor allem das Hybrid-Geschäftsmodell präzisieren sollte,<br />

konnte geschrieben werden. Im 1. Quartal 2003 wurde dieser Plan dem Aufsichtsrat<br />

vorgestellt. Mittlerweile war mit Roche ein erster Partner für THERAmapping gefunden, die<br />

technische Machbarkeit der INGENOtyping-Technologie erwiesen und die Erkenntnisse<br />

des CRA-1-Neurobiologie-Projektes als wichtiges Modell für die ALS-Erkrankung in der<br />

Zeitschrift Science publiziert. Die grundlegende, wirtschaftliche Validierung erhielt<br />

INGENIUM im März 2003, als mit ELAN nach längeren Verhandlungen eine Kooperation<br />

auf dem Gebiet der Schmerzforschung mit einem Volumen von bis zu 50 Mio. €<br />

vereinbart wurde. Zudem wird seit Ende 2002 die INGENOtyping Technologie an mehr als<br />

20 Partner weltweit vermarktet.<br />

Eine restrukturierte Firma, ein überzeugender Businessplan und das Einhalten aller darin<br />

aufgezeigten Meilensteine, hatten für Ingenium den Effekt, dass der Aufsichtsrat im<br />

2. Quartal 2003 für eine neue Finanzierungsrunde grünes Licht gab. Mit HBM war im Juni<br />

2003 ein neuer, externer Lead-Investor gefunden, der von TVM und Polaris unterstützt<br />

wurde. Die Tatsache, dass sich der operative Umsatz und die Kostenstruktur auch im<br />

2. Halbjahr wie geplant entwickelte, war wesentlich, um die Finanzierung wie<br />

beabsichtigt in 2003 abschließen zu können.<br />

www.ingenium-ag.com<br />

57


Trotz einer Restrukturierung und strategischen Neuausrichtung<br />

im Jahr 2002, bei der der Geschäftsschwerpunkt vom hart<br />

umkämpften Markt der Hautersatzprodukte zur Orthopädie<br />

verlagert wurde, musste die Freiburger BioTissue Technologies<br />

auf Grund einer geplatzten Kapitalerhöhung Anfang Juli letzten<br />

Jahres die Insolvenz anmelden. Der Schock war um so größer,<br />

da es sich um die erste Insolvenz eines börsennotierten Core-<br />

Biotech-Unternehmens handelte. Der Firma ist laut Finanzvorstand<br />

schlicht und einfach „die Zeit davon gelaufen“,<br />

nachdem eine Bank im letzten Moment überraschend abgesprungen<br />

war und damit eine Kapitalerhöhung verhindert hatte,<br />

die die Liquidität bis zum angestrebten Erreichen der<br />

Gewinnschwelle im Jahr 2005 sichern sollte. Mit der Deutschen<br />

Industrie Holding fand sich jedoch später ein Investor, der<br />

die Wiederbelebung der Firma ermöglichte: Es erfolgte eine<br />

übertragende Sanierung sowie Neugründung unter dem Namen<br />

BioTissue Technologies GmbH. Die AG wurde abgewickelt und<br />

ein Delisting der Aktie von der Deutschen Börse vollzogen.<br />

Die Insolvenz der BioTissue hat sicher die größte Aufmerksamkeit<br />

erregt, war jedoch nicht die einzige im vergangenen<br />

Jahr: In der deutschen Core-Biotech-Industrie gab es insgesamt<br />

24 Insolvenzen (nicht eingerechnet: Biochip Technologies, da<br />

sie zur GeneScan-Gruppe gehörte und nicht einzeln in der<br />

Statistik geführt wurde). Anschließender Restart (BioTissue,<br />

Nascacell) oder Aufkauf (Abeta, bioLeads, memorec) hat für<br />

einige dieser Firmen immerhin eine Fortführung gebracht, so<br />

dass Know-how und Mitarbeiter gehalten werden konnten.<br />

Auch die Meldung von Genovac ist hier nicht gezählt, da sie bis<br />

zum Ende des Jahres 2003 noch existierte und in Verhandlungen<br />

mit Übernahmepartnern stand.<br />

Von vielen Beobachtern war eine weit höhere Zahl von<br />

Insolvenzen erwartet worden, doch die Gesamtzahl lag mit 24<br />

letztlich sogar noch unter den 25 Insolvenzen des Jahrs 2002.<br />

Die 24 Firmen mit insgesamt 543 Mitarbeitern waren mit 51<br />

Millionen € Risikokapital finanziert, die somit von den<br />

Investoren abgeschrieben werden müssen. Aber auch etwa 18<br />

Millionen € öffentliche Mittel bzw. Gelder von Beteiligungsgesellschaften<br />

waren investiert.<br />

G ESCHÄFTSMODELLE, STRATEGIEN, WACHSTUMSHEMMNISSE UND E RFOLGE<br />

Im Vergleich zum Jahr 2002, in dem nur zwei Firmen mit mehr<br />

als 40 Mitarbeitern in die Insolvenz gingen, hat sich im vergangenen<br />

Jahr mit vier Konkursen diese Anzahl verdoppelt (siehe<br />

Abbildung 3-7). Ein großer Teil an insolventen Firmen hatte<br />

eine Mitarbeiterzahl zwischen 11 und 20.<br />

Abbildung 3-7:<br />

Mitarbeiterverteilung der Insolvenzen im Jahresvergleich<br />

Die meisten zahlungsunfähigen Unternehmen waren bereits<br />

älter als drei Jahre. Dies impliziert, dass als Hauptursache für<br />

das Scheitern eine nicht erfolgte zweite Finanzierungsrunde<br />

verantwortlich ist. In der Tat befanden sich die meisten insolventen<br />

Firmen in diesem Stadium, wie später gezeigt wird. Der<br />

Rückgang der Insolvenzen jüngerer Firmen könnte darauf hindeuten,<br />

dass diese möglicherweise doch auf sicherer Grundlage<br />

gegründet wurden.<br />

58 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

< = 10<br />

11 bis 20<br />

21 bis 30<br />

31 bis 40<br />

> 40<br />

0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

3<br />

Anzahl Firmen<br />

4<br />

4<br />

7<br />

6<br />

9<br />

10<br />

2002<br />

2003<br />

5 10 15<br />

Abbildung 3-8:<br />

Firmenalter der Insolvenzen im Jahresvergleich<br />

1 bis 2 Jahre<br />

2 bis 3 Jahre<br />

3 bis 5 Jahre<br />

> 5<br />

0<br />

1<br />

Anzahl Firmen<br />

3<br />

3<br />

6<br />

7<br />

9<br />

9<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

11<br />

2 4 6 8 10 12<br />

2002<br />

2003<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004


Dr. Fritz Grunert, CSO Genovac GmbH, Freiburg<br />

Gibt es ein (Firmen-)Leben nach der Insolvenz?<br />

Die Firma GENOVAC wurde Ende 1999 als Spin-off der Universität Freiburg gegründet.<br />

Neben einer großen Aufbruchsstimmung, die in das damalige, allgemeine, wirtschaftliche<br />

Klima passte, brachten die drei Gründer eine zündende Idee mit. Diese versprach, gezielt<br />

poly- und monoklonale Antikörper höchster biologischer Qualität gegen fast beliebige<br />

Genprodukte (Proteine) herstellen zu können, ohne das<br />

Protein selber zu benötigen. Nur die Erbinformation ist<br />

notwendig.<br />

Nach einer Anlaufphase in Räumen der Universität<br />

mietete sich GENOVAC eigene Räume und wuchs von 3<br />

auf eine Mitarbeiterzahl von 20. Aufgrund der<br />

wirtschaftlichen Lage Ende 2002 musste sich die Firma<br />

dann aber auf 13 Mitarbeiter verkleinern, obwohl die<br />

Umsätze von 27 Tsd. € 1999 auf über 1 Mio. € 2003<br />

gesteigert werden konnten. Von geplanten 5,5 Mio. €<br />

Kapital konnten 3 Mio. € eingeworben werden. Mitte<br />

2003 wurde dann klar, dass trotz erfolgreicher Lizenzvereinbarungen<br />

mit einer großen, japanischen Firma die<br />

Finanzdecke zu kurz war, um den für 2004/5 geplanten Break-even zu erreichen. Am<br />

5. August 2003 wurde die Insolvenz angemeldet.<br />

Mit der genetischen Immunisierung zielt GENOVAC auf einen kurzfristigen (Dienstleistungs-)<br />

und einen langfristigen (Produktentwicklungs-)Aspekt. Dienstleistungsaufträge<br />

ermöglichen neben sofortigem Umsatz, einem breiten Kundenkreis zu zeigen, dass die<br />

GENOVAC-Technologie das hält, was sie verspricht. Vor allem der direkte Weg vom Gen<br />

zum Antikörper ist nicht nur schneller, sondern führt darüber hinaus zu hochqualitativen<br />

Antikörpern, die in besonderer Weise für den Einsatz in der Identifizierung und Validierung<br />

von krankheitsrelevanten Zielmolekülen, Diagnose und Therapie geeignet sind.<br />

Mit zunehmender Akzeptanz wurde damit auch die Grundlage für den weitaus lukrativeren<br />

Aspekt, die Produktentwicklung, erzeugt. Produktentwicklung bedeutet für<br />

GENOVAC nicht das am Markt fertige Medikament, sondern Miteigentumsrechte an den<br />

von Auftraggebern und Kooperationspartnern zum Therapeutikum oder Diagnostikum<br />

weiterentwickelten Antikörpern. Diese Rechte führen zu Lizenzzahlungen während der<br />

Entwicklung zum Endprodukt und im Stadium der Vermarktung zu einer Umsatzbeteiligung.<br />

Der Markt für die GENOVAC-Technologie war da, die Dienstleistung war akzeptiert, die<br />

Technik zeigte hohe Erfolgsraten: Was ist schiefgegangen?<br />

Ganz banal, das Geld hat nicht gereicht. Zum einen konnten wir trotz guter Wachstumsraten<br />

die zu ehrgeizig gesetzten Umsatzziele nicht erreichen. Ohne diese überehrgeizigen<br />

Ziele hätten wir jedoch kaum eine Chance gehabt, eine Finanzierung zu<br />

bewerkstelligen. Allerdings haben wir den notwendigen Vertriebs- und Marketingaufwand<br />

stark unterschätzt. Zum anderen waren wir von Anfang an unterkapitalisiert.<br />

Vor dem Platzen der Biotech-Börsen-Blase, als es noch leichter möglich war, größere<br />

Summen an Eigenkapital einzuwerben, war es unser Ehrgeiz, möglichst solide und<br />

sparsam zu sein. Als wir erkannten, dass eine neue Finanzierungsrunde notwendig sein<br />

würde, war die Hochstimmung vorbei. So was nennt sich wohl antizyklisch. Wir haben<br />

viele Wege beschritten, um neues Kapital zu beschaffen. Wir sind an Privatinvestoren,<br />

Venture-Capital-Unternehmen, das Land Baden-Württemberg herangetreten – aber es<br />

war einfach nicht genug Geld zu Konditionen zu kriegen, die vertretbar gewesen wären.<br />

In dieser Situation waren wir gezwungen, die Insolvenz anzumelden,<br />

die wir aber nicht als das Ende, sondern als Weg zur Sanierung<br />

betrachteten.<br />

In unseren Augen gab es zwei Sanierungskonzepte in der Insolvenz:<br />

1. In einer anderen Firma mit vergleichbaren Kundenstrukturen und<br />

synergistischen Techniken aufzugehen und daher durch gemeinsame<br />

Ressourcen-Nutzung von Verwaltung, Vertrieb etc. zu signifikanten<br />

Einsparungen und früherem Erreichen der Gewinnschwelle<br />

zu kommen. Erkauft würde das allerdings mit der Aufgabe des<br />

Standortes, dem Verlust von Arbeitsplätzen und Mitarbeitern<br />

(besser Mitkämpfern) und deren Know-how.<br />

2. Übertragen der GENOVAC als Einheit auf eine neue Firma unter<br />

dem Dach einer Muttergesellschaft (übertragende Sanierung). Nicht nur durch Sparen,<br />

sondern durch Wachstum könnte die neue „GENOVAC“ in die Gewinnzone gebracht<br />

werden. Hierzu sollten die Nutzung der Ressourcen der Mutterfirma beitragen. Von<br />

entscheidender Bedeutung wären auch hier die Synergien im Vertrieb, der Marktpräsenz<br />

und des Know-hows, eine höhere Stabilität durch breitere Aufstellung am Markt und ein<br />

dickeres Eigenkapitalpolster.<br />

Es wurde dann aber schmerzlich bewusst, dass alle Zukunfts-Planungen der insolventen<br />

Firma nur so weit tragen, wie ein neuer Eigentümer, wenn er denn gefunden ist, mitgeht.<br />

Mit einem Merger vor Insolvenz hätte man zwar mehr Schulden aber vermutlich auch die<br />

besseren Mitspracherechte. Es liegt auf der Hand, dass wir die Alternative 2 bevorzugten.<br />

Dieses Konzept wurde auch durch den Insolvenzverwalter forciert, was wohl<br />

durchaus nicht selbstverständlich ist.<br />

Mittlerweile sind wir erfolgreich als gesamte GENOVAC von einer amerikanischen Firma<br />

übernommen worden. Ausschlaggebend für die Übernahme war neben dem hohen technischen<br />

Know-how der Standort von GENOVAC im Herzen Europas. Erstaunlich für uns<br />

war die Erfahrung, dass sich keine deutsche oder europäische Firma entschließen<br />

konnte, die Chance bzw. das Risiko einer Investition in angemessener Höhe zu tätigen. Es<br />

blieben zuletzt zwei amerikanische Firmen als ernsthafte Interessenten übrig. Für beide<br />

war ein Stützpunkt in Europa wichtig.<br />

www.genovac.com<br />

59


Es stellt sich die Frage, ob weitere Gemeinsamkeiten als Ursache<br />

für die Insolvenzen vorhanden sind, etwa bei Geschäftsmodellen<br />

oder Kommerzialisierungsstrategien.<br />

Abbildung 3-9:<br />

Geschäftsfelder/Geschäftsmodelle der insolventen<br />

Firmen im Jahresvergleich<br />

Plattformtechnologie<br />

Therapeutika &<br />

Tissue Engineering<br />

Diagnostik<br />

Bioinformatik<br />

Service<br />

Drug Delivery<br />

grüne Biotech &<br />

Feinchemikalien<br />

0<br />

0<br />

1<br />

1<br />

Anzahl Firmen<br />

2<br />

2<br />

2<br />

2<br />

Abbildung 3-9 ist zu entnehmen, dass in den beiden letzten<br />

Jahren jeweils die höchste Zahl an Insolvenzen bei Firmen zu<br />

verzeichnen war, die Plattformtechnologien, Therapeutika oder<br />

Tissue-Engineering-Produkte entwickelten. Gerade in diesen<br />

Segmenten hat es anscheinend Firmengründungen und Finanzierungen<br />

gegeben, deren Konzept in späteren Runden von<br />

anderen/weiteren Investoren nicht mehr akzeptiert wurde.<br />

Immerhin musste hier bis zum Zeitpunkt der Insolvenz der<br />

größte Anteil des investierten Risikokapitals, nämlich 43<br />

Millionen € (84 Prozent) von den insgesamt 51 Millionen €<br />

Verlust bei allen Insolvenzen abgeschrieben werden.<br />

3<br />

4<br />

4<br />

G ESCHÄFTSMODELLE, STRATEGIEN, WACHSTUMSHEMMNISSE UND E RFOLGE<br />

2002<br />

2003<br />

2 4 6 8 10<br />

6<br />

6<br />

7<br />

9<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Die Analyse der Insolvenzen nach ihrem letzten Finanzierungsstatus<br />

ergibt, dass die VC-finanzierten, insolventen Firmen<br />

bereits eine erste Finanzierungsrunde abgeschlossen hatten.<br />

Dieses war im Jahr 2002 ähnlich. Hauptursache für das<br />

Scheitern war somit eine nicht erfolgte, zweite Finanzierungsrunde.<br />

Aber auch nicht VC-finanzierte Firmen wurden im Jahr 2003<br />

insolvent und ihre Zahl ist gegenüber 2002 sogar angestiegen<br />

(siehe Abbildung 3-10).<br />

Die entgegen anderer Erwartungen geringer ausgefallene Zahl<br />

an Insolvenzen bedeutet, dass viele Unternehmen über einschneidende<br />

Maßnahmen und Einschränkungen versuchen, die<br />

gegenwärtige Eiszeit zu überdauern. Auf der anderen Seite<br />

heißt dies jedoch auch, dass jegliche Wachstumsbemühungen in<br />

vielen Fällen brach liegen.<br />

Abbildung 3-10:<br />

Finanzierungsstatus der insolventen Firmen im<br />

Jahresvergleich<br />

Seed-Finanzierung<br />

nach 1. VC-Runde<br />

nach 2. VC-Runde<br />

ohne VC<br />

Anzahl Firmen<br />

60 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

0<br />

1<br />

2<br />

4<br />

4<br />

6<br />

8<br />

11<br />

13<br />

2002<br />

2003<br />

5 10 15<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004


Wachstumshemmnisse<br />

So gab bei der Frage nach Wachstumshemmnissen ein Großteil<br />

der Sample-Unternehmen den Mangel an ausreichenden<br />

Finanzmitteln an. Insbesondere wird die mangelnde Risikobereitschaft<br />

und die deutliche Zurückhaltung der Investoren<br />

kritisiert. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass auch<br />

VC-Investoren unter Druck stehen, weil sie ihre Kundschaft –<br />

nämlich die Geldgeber – mit einem „Return on Investment“<br />

bedienen müssen. Insofern kann dem derzeit geschlossenen<br />

Kapitalmarkt, der keine Exits ermöglicht, die entscheidende<br />

Rolle als Wachstumshemmer zugesprochen werden. Dennoch<br />

werden die Investoren vermutlich auch bei Besserung der<br />

Kapitalmarktsituation Geschäftskonzepte kritischer prüfen als<br />

früher. Im Biotech-Bereich erfahrene Investoren haben dies<br />

schon früher getan, doch der Hype hatte dazu geführt, dass sehr<br />

viele Biotech-unerfahrene Investoren auf den Zug aufgesprungen<br />

sind, ohne nun den Dampf zu haben, durchzuhalten.<br />

Dementsprechend muss mangelndes Verständnis branchenfremder<br />

Investoren bzw. Gesellschafter ebenfalls als ein Wachstumshemmnis<br />

gesehen werden.<br />

Die Suche nach Kapital zieht ein weiteres Problem mit sich:<br />

Das Management vieler Biotech-Firmen ist derzeit fast ausschließlich<br />

mit der Finanzierung beschäftigt. Durch die Suche<br />

nach Geld und Investoren wird zu viel Managementkapazität<br />

gebunden, die letztlich für die Unternehmensführung fehlt.<br />

Wenn denn überhaupt Finanzierungen erfolgen, so ist dieses für<br />

manche Unternehmen oft sehr teuer. In Folge geringer Bewertungen<br />

durch die Investoren sind die Firmen zur Aufnahme von<br />

einem geringeren Kapitalbetrag gezwungen als eigentlich erforderlich.<br />

Oft müssen sie daher in relativ kurzem Zeitabstand<br />

wieder mit der Geldsuche beginnen, was erneut Managementkapazität<br />

bindet.<br />

Weitere Hemmnisse sind fehlende Investitionssicherheit, eine<br />

fehlende Business-Angel-Kultur sowie die schwierige<br />

Umstrukturierung der stillen Einlagen von TBG/MBG in<br />

Eigenkapital. Schließlich besteht das Problem, dass limitierte<br />

Ressourcen eine limitierte Projektauswahl zur Folge haben.<br />

Insgesamt müssen also neue Investmentstrategien gefunden<br />

werden, die es der deutschen Biotech-Industrie ermöglichen,<br />

eine durchgängige Finanzierungskette von „Angel Money“ bis<br />

zum IPO bzw. Follow-on zu etablieren.<br />

Die allgemein schlechte wirtschaftliche Lage in Verbindung mit<br />

der speziellen Marktkonsolidierung der Biotech-Branche wird<br />

von den Sample-Unternehmen am zweithäufigsten als Ursache<br />

für Wachstumshemmnisse genannt. Ist die Firma nämlich<br />

einmal so weit gekommen, dass sie Produkte oder Dienstleistungen<br />

am Markt anbietet, so sieht sie sich mit rückläufigen<br />

Forschungsetats im öffentlichen und privaten Bereich konfrontiert.<br />

Teilweise wird die Ansicht geäußert, dass ein Wachstum<br />

meist erst nach Erreichen des „break-even“ möglich ist.<br />

Insbesondere das organische Wachstum stößt bei den Biotech-<br />

Unternehmen daher noch oft an seine Grenzen. Auch die<br />

Marktpenetration stellt für viele Unternehmen noch eine große<br />

Herausforderung dar. Teilweise erweist sich ebenso die<br />

Marktgröße als ein Problem für Wachstum, so zum Beispiel im<br />

Bereich Serviceleistungen. Manche Firmen haben die<br />

Erfahrung gemacht, dass sie mit den Komplettlösungen auf<br />

Grund deren Komplexität und Größe nicht die erhoffte Marktakzeptanz<br />

finden.<br />

Speziell in der Pharmaindustrie, die der bedeutendste Kunde<br />

bzw. Partner von Biotech-Unternehmen ist, haben einige<br />

Firmen eine verringerte Bereitschaft zur Investition in und<br />

Kooperationen mit FuE-Unternehmen verspürt. In diesem<br />

Zusammenhang wird auch eine geringe Bedeutung der Pharmaforschung<br />

am Standort Deutschland im Vergleich zu den USA<br />

herausgestellt.<br />

Ein drittes, größeres Wachstumshemmnis wird in der aktuellen<br />

Gesundheitsreform gesehen, insbesondere in Verbindung mit<br />

der Kostenerstattung durch die gesetzlichen Kassen. Vor allem<br />

Firmen, die Tissue-Engineering-Produkte anbieten, haben daher<br />

Schwierigkeiten in der Marktentwicklung. Weitere politische<br />

Rahmenbedingungen wie Steuerpolitik und Rechtssystem<br />

stellen nach Ansicht der Biotech-Firmen ein nicht zu unterschätzendes<br />

Wachstumshemmnis dar. Manche sehen daher<br />

Vorteile für Wettbewerber aus dem Ausland. Zudem wird<br />

wiederholt die deutsche Bürokratie beklagt, die viele Prozesse<br />

verlangsamt, die zum Teil entscheidend für kleine und/oder<br />

junge Unternehmen sind. Speziell in der „grünen“ Biotechnologie<br />

erschweren oder verhindern die gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />

in Deutschland das Wachstum der in diesem<br />

Segment tätigen Firmen.<br />

Teilweise haben die Firmen auch Probleme, kompetentes<br />

Personal für Schlüsselpositionen zu gewinnen, um das nächste<br />

Entwicklungsstadium des Unternehmens in Angriff zu nehmen.<br />

61


Michael Raab, Vorstand Fairvest AG, Nürnberg<br />

Wie viel CFO braucht das Biotech-Unternehmen?<br />

In den letzten Jahren haben viele Biotech-Investoren erhebliche Wertberichtigungen in<br />

ihren Portfolien durchführen müssen. Dieser Abschreibungsbedarf sowie die oft nicht<br />

erfüllten Erwartungen ihrer Geldgeber haben das Fundraising in der jüngeren Vergangenheit<br />

deutlich erschwert. Parallel hierzu setzte ein intensives Nachdenken über die<br />

bestmögliche Verwendung der investierten Mittel ein. Ein wesentliches Ergebnis dieses<br />

Prozesses war eine prinzipielle Aufwertung kaufmännischer Fragestellungen.<br />

Kaufmännische Effizienz dringend erforderlich<br />

Dies wird nachfolgend an drei Beispielen verdeutlicht.<br />

Rechtliche Komplexität<br />

Die gängige Praxis, sehr schnell in eine AG zu wandeln und komplexe Stock-Option-Pläne<br />

(SOP’s)/Wandelschuldverschreibungen zu verabschieden, ist oftmals einer vorsichtigeren<br />

kaufmännischen Sichtweise gewichen. Typische Fragen,<br />

die aktuell in Beiräten diskutiert werden, sind: „Wie<br />

lassen sich zu hohe Due-Diligence-Kosten vermeiden?<br />

Wie wahrscheinlich ist ein Börsengang wirklich? Kann ein<br />

SOP noch einige Jahre warten?“<br />

Internationale Rechnungslegung<br />

Biotech ist immer internationales Business. Insofern<br />

richten viele deutsche Biotechs ihre Finanzierungsrunden<br />

zunehmend europäisch/US-amerikanisch aus. Hiermit<br />

verbunden ist regelmäßig ein englischsprachiges,<br />

monatliches Reporting nach US-GAAP/IFRS. Andererseits<br />

ist die Finanzbuchhaltung für den deutschen<br />

Jahresabschluss nach HGB-Standards auszurichten. Eine<br />

zeitnahe internationale Rechnungslegung verlangt effiziente interne IT-Systeme, eine<br />

gut funktionierende Buchhaltung, eine controllingfähige Unternehmensplanung und<br />

nicht zuletzt einen guten Wirtschaftsprüfer mit Branchenerfahrung.<br />

Finanzierungsrunden<br />

Die Zeit zwischen zwei Finanzierungsrunden hat sich in den letzten Jahren erheblich<br />

verkürzt, bei gleichzeitig gestiegenem Zeitbedarf pro Finanzierungsrunde. Die Auszahlung<br />

erfolgt oft stufenweise, wenn wichtige Milestones erreicht werden. Neben der<br />

rechtzeitigen Ausrichtung des Unternehmens auf die Erreichung der Milestones sichert<br />

der kaufmännische Bereich hier den Erfolg durch ein professionelles Reporting und<br />

straffes Projektcontrolling, insbesondere im Product Development.<br />

Doch wer stellt die kaufmännische Effizienz sicher?<br />

CFO – „Allrounder wanted !“<br />

Der erste Schritt ist getan, wenn zwischen Gründern und Investoren eine positive Grundsatzentscheidung<br />

für einen CFO getroffen wurde. Nicht ganz trivial ist dann die genaue<br />

G ESCHÄFTSMODELLE, STRATEGIEN, WACHSTUMSHEMMNISSE UND E RFOLGE<br />

Definition der Stelle. Nach unseren Erfahrungen ist es besonders wichtig, folgende<br />

Aspekte genau zu definieren: Abgrenzung zum CEO, Bedarf an Erfahrung in Finanzierungsverhandlungen<br />

und Notwendigkeit der Teilnahme an Lizenzverhandlungen.<br />

Unerlässlich für jeden guten Biotech-CFO sind weiterhin Branchenkenntnis, Erfahrung<br />

mit Venture-Capital-Investoren, ein zumindest gutes rechtliches Erfahrungswissen und<br />

Führungsqualitäten im täglichen Umgang mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern.<br />

Durchaus hilfreich ist es weiterhin, wenn bereits Berufserfahrung aus kleinen oder<br />

mittelgroßen Unternehmen vorhanden ist.<br />

Neben den bereits erwähnten Anforderungen muss sich der Biotech-CFO um das Rechnungswesen<br />

und eine ganze Reihe von administrativen Aufgaben kümmern. Erwähnenswert<br />

erscheint hier insbesondere das Management von Buchhaltung, Personalabrechnung,<br />

Zahlungsverkehr, Controlling und Financial Reporting. Während Letzteres<br />

regelmäßig Vorbehaltsaufgabe des CFO ist, erfolgt die laufende Durchführung des Rechnungswesens<br />

in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße durch eigene interne Mitarbeiter<br />

oder Dienstleistungsunternehmen. Nach unserer Erfahrung ist es wichtig, sehr<br />

früh ausreichend Zeit in die Definition und Einrichtung einer zur Unternehmensgröße,<br />

den Investorenanforderungen und den Unternehmenszielen passenden<br />

Struktur zu investieren.<br />

Zur Skalierbarkeit des CFO-Bereichs<br />

Da entsprechend geeignete Biotech-CFOs oft nicht zeitnah verfügbar<br />

sind, im Vorfeld neuer Finanzierungsrunden i. d. R. keine Einstellungen<br />

vorgenommen werden oder die Biotech-Unternehmen noch zu klein<br />

sind, einen CFO sinnvoll auszulasten, kann ein Interim-CFO eine gute<br />

Alternative sein. Je nach Einzelfall kann der Interim-CFO von wenigen<br />

Monaten (oft Vollzeit) bis zu zwei Jahren (einige Tage pro Monat) tätig<br />

sein. Hierdurch kann die Zeitspanne bis zur Beschäftigung eines fest<br />

angestellten CFOs ideal überbrückt und ggf. ausreichend Zeit für die<br />

Suche nach dem Top-Kandidaten gewonnen werden. Ein zusätzlicher<br />

Vorteil aus dem Einsatz eines Interim-CFOs im Vorfeld nahender<br />

Finanzierungsrunden ist dessen oft vorhandene Kenntnis über das aktuelle Investitionsverhalten<br />

von Venture-Capital-Gebern sowie im Einzelfall entsprechend gute<br />

Kontakte.<br />

Fazit<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Bedeutung des CFO im Biotech-<br />

Unternehmen stark zugenommen hat und eine vielseitige und anspruchsvolle Managementaufgabe<br />

darstellt.<br />

Kurzprofil der Fairvest AG<br />

Die Fairvest AG unterstützt Biotech-Unternehmen durch Interim-Management sowie den<br />

Aufbau und Betrieb des kaufmännischen Bereichs. Seit der Unternehmensgründung im<br />

Jahr 2000 wurden deutschlandweit 25 Biotech-Kunden in über 40 Projekten betreut.<br />

Das Unternehmen beschäftigt aktuell 15 Mitarbeiter und hat seinen Umsatz seit der<br />

Gründung jährlich verdoppelt.<br />

www. fairvest.de<br />

62 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Dabei erschweren hohe Lohn- und Lohnnebenkosten zum Teil<br />

die Neueinstellungen. Und schließlich stellt der derzeitige<br />

Dollar-Wechselkurs für viele Unternehmen eine Herausforderung<br />

dar. So hätte beispielsweise bei gegenüber 2002<br />

unverändertem Wechselkurs die Evotec OAI ein Umsatzwachstum<br />

von 21 Prozent erzielt und damit die im November<br />

2002 abgegebene Prognose deutlich übertroffen. Mit der<br />

Schwäche des US-Dollars gegenüber dem Euro lag das<br />

Umsatzwachstum nur bei 10 Prozent.<br />

Auch bei der MWG Biotech ist für das<br />

Jahr 2003 ein Umsatzrückgang auf<br />

Währungseffekte durch den gegenüber<br />

Dollar und Pfund sehr hohen Euro<br />

zurückzuführen.<br />

Die Wachstumshemmnisse hinderten die<br />

Branche jedoch nicht, auch hervorragende<br />

Innovationen auf den Weg zu<br />

bringen. Die Verleihung von verschiedenen<br />

Preisen belegt dies eindrucksvoll.<br />

So wurde der bayerische Gründungspreis<br />

für den „Aufsteiger des Jahres“ an die<br />

Regensburger Geneart vergeben. Dabei<br />

hatten die Jury ein außerordentliches Umsatzwachstum und das<br />

Potenzial zur Marktführerschaft überzeugt. Das Bremer<br />

Biotech-Unternehmen alcedo biotech erhielt bei den deutschen<br />

Gründer- und Unternehmertagen die Auszeichnung „Gründer-<br />

Champion 2003“. Zuvor wurde die Firma bereits als einer von<br />

drei Landessiegern in einem Start-up-Wettbewerb gekürt. Den<br />

deutschen Gründerpreis 2003 in der Kategorie „Konzept“<br />

erhielt die Göttinger Avontec. Partner beim Gründerpreis sind<br />

der STERN, die Sparkassen, McKinsey & Company sowie das<br />

ZDF. Ein weiterer Preis, der „Freiburger Innovation Award<br />

2002“, wurde im Januar 2003 an die Freiburger Proqinase<br />

vergeben, die die Auszeichnung neben zwei weiteren<br />

Unternehmen erhielt. Schließlich wurde im vergangenen Jahr<br />

erstmals der „European Biotechnica Award for Excellence in<br />

Biotech Business“ verliehen: Der erste Preis in Höhe von<br />

20.000 € ging an die Münchener GPC Biotech, den zweiten<br />

Platz belegte die Intercell aus Wien. Wilex aus München konnte<br />

den dritten Platz für sich verbuchen. Weitere Finalisten waren<br />

die Aachener Paion und die MediGene.<br />

Die Verleihung fand im Rahmen der Eröffnungsfeier zur<br />

letztjährigen Biotechnica-Messe statt, die dieses Mal als ganz<br />

besonderes Stimmungsbarometer galt:<br />

„Insgesamt zeichnete sich das Jahr 2003<br />

durch einen tiefen Pessimismus nicht nur<br />

seitens der Biotech-Branche sondern<br />

insbesondere seitens der Geldgeber und<br />

Investoren aus. Wenn die Euphorie im<br />

Jahre 2002 80 Punkte über die Null Linie<br />

ausschlug, so schlägt der derzeitige<br />

Pessimismus mindestens 140 Punkte<br />

unter der Null-Linie aus.“<br />

Prof. Paul Cullen, CEO, ogham GmbH,<br />

Münster<br />

Den Erfolg der Messe zeigte nicht nur die gute Stimmung an<br />

den Ständen, sondern auch das Ausbleiben eines größeren<br />

Einbruchs der Besucher- und Ausstellerzahlen, der wegen der<br />

derzeitigen Branchenkonsolidierung im Vorfeld erwartet<br />

worden war.<br />

Obwohl ein Großteil der befragten Firmen die Fortdauer der<br />

aktuellen Konsolidierungsphase befürchtet, gibt es auch<br />

vorsichtigen Optimismus. Dabei zeigen die Unternehmen einen<br />

„neuen Realismus“: Orientierung am<br />

Machbaren und Wertorientierung. Es<br />

besteht Konsens, dass gute Unternehmen<br />

gestärkt aus dem Jahr 2004 hervorgehen<br />

werden. Humorvoll wurde dieses in<br />

einem Kommentar wie folgt beschrieben:<br />

„Wer es bis hierher geschafft hat, der ist<br />

auch in Zukunft nicht klein zu kriegen.“<br />

Zudem lassen positive Nachrichten die<br />

Branche auf leichte Erholung hoffen.<br />

Manche glaubten, dass die Talsohle der<br />

Konsolidierungsphase bereits durchschritten<br />

ist und das Wiedereinsetzen von<br />

Wagnisfinanzierungen und gesteigerte<br />

Risikobereitschaft die Branche beflügeln<br />

werden. Dennoch wird es zu einer noch stärkeren Differenzierung<br />

zwischen überlebensfähigen Unternehmen/Geschäftsmodellen<br />

und dem Rest kommen. In gewisser Weise liegt auch<br />

„ein langsamer Neubeginn von (fast) ganz bei Null“ vor, wie<br />

eine Aussage zu der Frage nach Trends lautete.<br />

Ein wichtiger Baustein zur Stärkung der Industrie könnte die<br />

Bildung von Netzwerken sein. Mustergültig zum „Drug<br />

Discovery Net“ zusammengetan haben sich bereits acht Firmen<br />

vorrangig aus dem Raum Tübingen-Reutlingen: Sourcon<br />

Padena, EMC microcollections, CureVac, Labor Dr. Glatthaar,<br />

Dr. Tetry genmedics, ChemCon, das Koordinierungszentrum<br />

Klinische Studien sowie die ActinoDrug Pharmaceuticals.<br />

Letztere wurde jedoch bereits Opfer der Konsolidierung und<br />

ging in die Insolvenz.<br />

Das SciTrix-Netzwerk stellt einen weiteren Verbund dar, dem<br />

die Unternehmen BioGenes, Biosyntan, Proteome Factory,<br />

InVivo und BioProof angehören.<br />

Derartige Netzwerke könnten eine Basis zur Schaffung von<br />

kritischer Masse ohne Übernahmen und Fusionen bilden.<br />

63


Prof. Dr. Paul Cullen, CEO ogham GmbH, Münster<br />

Beschleunigte Entwicklung neuartiger Gen-<br />

Diagnostika durch Netzwerkbildung<br />

In einer Schlüsselszene des Martin-Scorsese-Films „Gangs of New York“ erhält der Held<br />

Amsterdam Vallon folgende irische Lebensweisheit von seinem Mentor Monk McGinn:<br />

„An té nach bhfuil láidir, is gá dó bheith glic“, was so viel heißt wie: „Bist du nicht stark,<br />

so musst du schlau sein.“<br />

So stellt sich auch das Problem vieler kleiner Firmen in der Biotech-<br />

Branche dar. Gegenüber der nahezu heroischen Arbeit, die die<br />

Entwicklung eines neuen Medikaments darstellt, ist die Entwicklung<br />

neuer Diagnostika eine vergleichbar bescheidene Aufgabe. Dennoch<br />

stellt die gesamte Prozesskette von Basistechnologie über Definition<br />

und Zulassung der Anwendung bis zum Markteintritt und schließlich<br />

dem Erfolg am Markt eine Hürde dar, die kaum eine kleine David-Firma<br />

in dieser Welt von Goliath-Multis bewältigen kann.<br />

Daher hat die ogham GmbH die Strategie der Netzwerkbildung<br />

gewählt, um möglichst rasch nach Gründung mit einer völlig neuen<br />

Möglichkeit der genetischen Diagnostik am Markt zu sein.<br />

Schon die Gründung der ogham GmbH im Juni 2000 geht auf eine<br />

Kooperation mit der ClonDiag Chip Technologies GmbH in Jena zurück. ClonDiag verfügt<br />

über eine proprietäre Technologie, DNA-Mikroarrays („Genchips“) von niedriger bis<br />

mittlerer Dichte herzustellen. Daher konnten wir uns bei der ogham GmbH voll auf unsere<br />

Kernkompetenz in der Biologie und Medizin konzentrieren. Nach einiger Zeit wurde klar,<br />

dass ogham nur dann in der hochentwickelten Laborlandschaft erfolgreich sein würde,<br />

wenn es ein ausgereiftes, online-fähiges, diagnostisches System anbietet. So hat ogham<br />

sich an die Systec GmbH in Münster gewandt, einen Spezialisten auf dem Gebiet der<br />

Mechatronik. Mechatronik umfasst die Bereiche Mechanik, Elektronik und Informatik.<br />

Systec war für die Entwicklung und Herstellung des Chip-Readers – sowohl Hardware als<br />

auch Software – verantwortlich. Um eine Vernetzung des Systems im Labor gewährleisten<br />

zu können, ist ogham weiterhin eine Kooperation mit der Firma PrimoCon eingegangen,<br />

die auf die Entwicklung von maßgeschneiderten EDV-Lösungen für medizinische<br />

Laboratorien spezialisiert ist.<br />

Die Gründung dieses schnellen und flexiblen Netzwerks hat es uns erlaubt, bereits im<br />

September 2003 – also erst drei Jahre nach Gründung – das weltweit erste System für<br />

die medizinische Diagnostik auf Genchip-Basis in den Markt zu bringen. Als kleine Bestätigung<br />

unserer guten Zusammenarbeit wurde unser Netzwerk als einziges Beispiel aus<br />

der Biotechnologie im bundesweiten Wettbewerb „Die Beste Kooperation“, gesponsert<br />

vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und von der Zeitschrift<br />

„Wirtschaftswoche“, prämiert.<br />

G ESCHÄFTSMODELLE, STRATEGIEN, WACHSTUMSHEMMNISSE UND E RFOLGE<br />

Die erfolgreiche Einführung eines neuen Produkts in den Diagnostikamarkt ist eine<br />

Herausforderung, die den Strapazen der technischen Entwicklung in nichts nachsteht.<br />

Neben dem Problem der allgemein zu knappen Finanzierung tun sich die meisten<br />

Gründer mit ihrem meist rein wissenschaftlichen Hintergrund sehr schwer, diesen Schritt<br />

ohne externe Hilfe zu bewältigen. Das Chaos am Gesundheitsmarkt in Deutschland<br />

macht eine Markteinführung in der heutigen Zeit ebenfalls nicht leichter.<br />

Die derzeit verfügbaren ogham-Tests zielen in erster Linie auf Selbstzahler, die bereit<br />

sind, neben ihrer Krankenversicherung einen privaten<br />

Beitrag zur Krankheitsvermeidung zu leisten. Obwohl<br />

dynamisch wachsend, steckt dieses Marktsegment in<br />

Deutschland noch in den Kinderschuhen und bedarf<br />

einer besonderen Aufarbeitung.<br />

Neben der Betreuung von Schlüsselkunden durch einen<br />

eigenen Außendienst hat ogham deshalb ein umfassendes<br />

Marketing-Konzept erarbeitet, um es den<br />

großen, privaten Laboratorien zu erleichtern, die ogham-<br />

Tests an ihre einsendenden Ärzte zu vermitteln. Dieses<br />

Konzept umfasst die Bereitstellung von umfangreichem<br />

Informationsmaterial für Arzt und Patient, eine wissenschaftlich<br />

fundierte Kommentierung der Ergebnisse<br />

sowie die Organisation von Informationsveranstaltungen für interessierte Ärzte. Im<br />

Weiteren ist eine Medienkampagne zur Bedeutung der genetischen Risikodiagnostik<br />

geplant, um ebenfalls eine Nachfrage „von unten“ zu generieren.<br />

Trotz dieser Maßnahmen gehen wir davon aus, dass es uns nicht gelingen wird, mittelund<br />

langfristig eine ausreichende Marktpenetranz zu erreichen, ohne eine Kooperation<br />

mit einem größeren, am Markt etablierten Unternehmen einzugehen. Erst eine solche<br />

Kooperation wird auch eine international bedeutsame Marktpräsenz ermöglichen.<br />

Neben dem Gen-Chip-Lesegerät „solas 1“ verkauft ogham derzeit vier Genchips, die es<br />

erlauben, das genetische Risiko für verschiedene Erkrankungen zu bestimmen. So gibt<br />

es neben den Genchips thrombo|check (genetisches Risiko für Thrombose und<br />

Lungenembolie) und coro|check (genetisches Risiko für Herzinfarkt) auch die Produkte<br />

osteo|check (genetisches Risiko für Osteoporose) und stroke|check (genetisches Risiko<br />

für Schlaganfall). Weitere Genchips zur Aufklärung genetischer Unfruchtbarkeit beim<br />

Mann (ferti|check-m) sowie zur Diagnostik verschiedener genetischer Erkrankungen<br />

werden im Laufe des Jahres 2004 folgen, zusammen mit Mikroarrays im Bereich der<br />

Infektionsdiagnostik und der Pharmakogenomik.<br />

www.ogham.de<br />

64 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


3.2 M&A, Partnerschaften und Deals<br />

Noch zur Boomphase lag der Schwerpunkt von Akquisitionen<br />

beim Erwerb ausländischer Biotech-Firmen durch deutsche<br />

Unternehmen. Im Rahmen einer Expansionsstrategie ins Ausland<br />

wurden vor allem im Jahr 2000 ausländische Unternehmen<br />

gekauft, und zwar hauptsächlich in den USA. Insgesamt wurden<br />

11 Akquisitionen durch deutsche Biotech-Firmen gezählt.<br />

Tabelle 3-1:<br />

Fusionen und Übernahmen in der deutschen Core-Biotech-Industrie im Jahr 2003<br />

Käufer/Partner 1 Gekaufter/Partner 2 Land Bekanntgabe Anmerkung<br />

Heute sieht die Lage dagegen komplett anders aus: Insgesamt<br />

neun deutsche Core-Biotech-Unternehmen wurden von Firmen<br />

aus dem Ausland übernommen. Dieses waren entweder Übernahmen<br />

von in Insolvenzverwaltung stehenden Unternehmen,<br />

komplette Übernahmen oder Mehrheitsbeteiligungen. Weitere<br />

vier Übernahmen erfolgten unter rein deutscher Beteiligung.<br />

Fusionen & Akquisitionen<br />

Ende Dezember Beteiligung zu 100 %,<br />

Aeterna Laboratories Inc. Zentaris GmbH<br />

COSMIX molecular<br />

KAN/D 2002 Übernahme quasi in 2003 erst wirksam<br />

Gryphon Therapeutics Inc. biologicals GmbH<br />

phase-it intelligent<br />

USA/D Januar Beteiligung zu 100 %<br />

EUROPROTEOME AG Solutions AG<br />

Alpha Bioverfahrens-<br />

D/D Februar Beteiligung zu 100 %<br />

Siegfried Holding AG technik GmbH<br />

GTB GenTherapeutika<br />

CH/D Februar Beteiligung zu 75 %<br />

Bavarian Nordic A/S<br />

Alnylam Pharmaceuticals,<br />

Berlin-Buch GmbH DK/D Mai Beteiligung zu 100 %<br />

Inc. Ribopharma AG USA/D Juli Beteiligung zu 100 %<br />

NewLab Bioquality AG BiBiTec AG<br />

metaGen Pharmaceuticals<br />

D/D August Fusion<br />

Astex Technology Ltd GmbH UK/D Oktober Beteiligung zu 100 %<br />

ViaCell, Inc Kourion Therapeutics AG USA/D November Beteiligung zu 100 %<br />

DeveloGen AG<br />

Ganymed<br />

Peptor Ltd D/Israel November Bekanntgabe der Absicht zu fusionieren<br />

Pharmaceuticals AG ImmuGenics AG D/D Dezember Beteiligung zu 100 %<br />

Akquisitionen von in 2003 als insolvent gemeldeten Firmen (in der Statistik als Abgänge über Insolvenz gezählt)<br />

The Genetics Company Abeta GmbH CH/D Juni Akquisition der „Key Assets“<br />

Biofrontera<br />

Pharmaceuticals BioLeads fungiert nun als<br />

Holding AG bioLeads GmbH D/D Juli Biofrontera Discovery GmbH<br />

Memorec Biotec GmbH fungiert<br />

nun als Tochterfirma von<br />

Miltenyi Biotec GmbH Memorec Stoffel GmbH D/D Juli Miltenyi Biotec GmbH<br />

Akquirierte Firmen, die für 2003 noch in der Statistik eingeschlossen sind<br />

Eurofins Scientific SA GeneScan Europe AG F/D Februar/Juni Eurofins hält 68 % der Anteile von GeneScan<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

65


Dr. Stephan Wnendt, Vorstand Kourion Therapeutics AG,<br />

Langenfeld<br />

Akquisition durch US-BioTech-Unternehmen stärkt die<br />

zukünftige Entwicklung<br />

Sicherlich gibt es viele Beispiele für negativ belegte Akquisitionen im Biotech-Bereich:<br />

Transaktionen, bei denen es ausschließlich um den Erwerb einer Technologie ging;<br />

solche, bei denen der strategische Fit überschätzt wurde, oder jene, bei denen am Ende<br />

die Chemie zwischen den Leitungsmitgliedern nicht passte. Doch es geht auch anders:<br />

Wir sind im Herbst 2003 ganz bewusst und gezielt einen Zusammenschluss mit einem<br />

US-BioTech-Unternehmen eingegangen, weil hierin die besten Chancen für eine erfolgreiche<br />

Entwicklung unserer Technologie und für die Wahrnehmung der Interessen<br />

unserer Aktionäre und Mitarbeiter bestehen.<br />

Die Kourion Therapeutics AG gehört zu den wenigen deutschen BioTech-Unternehmen,<br />

die sich auf die Entwicklung von Stammzell-Therapeutika konzentrieren. Als Grundlage<br />

für die Therapeutikaentwicklung dient uns ein spezieller Typ nicht<br />

hämatopoietischer Stammzellen aus dem menschlichen Nabelschnurrestblut,<br />

die so genannten Unrestricted Somatic Stem Cells<br />

(USSCs), die sich sehr gut in der Zellkultur vermehren lassen – aus<br />

dem Nabelschnurrestblut eines Neugeborenen werden etwa eine<br />

Milliarde gleichartiger Stammzellen gewonnen. Das bei der Geburt<br />

anfallende Nabelschnurrestblut wird normalerweise verworfen; es<br />

handelt sich somit um eine ethisch unbedenkliche Quelle. Als Einsatzgebiete<br />

für diese Nabelschnurblut-Stammzellen wurden Herzinfarkt,<br />

Herzinsuffizienz sowie Knochen- und Knorpeldefekte ausgewählt.<br />

Finanziert durch ein Investment von MPM Capital und eine<br />

Förderung des Landes NRW konnten die ersten präklinischen Erfolge<br />

in einer Reihe von Tierversuchen erzielt werden. Doch der Weg bis<br />

zum zugelassenen Produkt ist bekanntlich recht lang und kann von einem Unternehmen<br />

mit etwa 20 Mitarbeitern ohne massive Mittelzufuhr in der Regel nicht alleine erreicht<br />

werden. Aus diesem Grunde haben wir seit März 2003 intensiv auf den Zusammenschluss<br />

mit einem führenden Unternehmen der Branche hingearbeitet: der Firma ViaCell<br />

in Boston, Massachusetts.<br />

ViaCell entwickelt wie Kourion Stammzelltherapeutika aus dem Nabelschnurrestblut<br />

und bietet darüber hinaus als private Blutbank die Einlagerung von Nabelschnurrestblut<br />

an. Damit verfügt ViaCell über eine eigene Einnahmequelle, die zur Finanzierung der<br />

Therapeutikaentwicklung beiträgt. ViaCell gehört mit seiner Tochter ViaCord in den USA<br />

zu den drei großen Unternehmen, die die Einlagerung von Nabelschnurrestblut für<br />

private Kunden anbieten. Der Umsatz im Jahr 2003 lag bei über 30 Mio. US$. Die Therapeutikaentwicklung<br />

konzentriert sich auf die Rekonstitution des Blut bildenden und des<br />

Immunsystems bei Krebspatienten, die Behandlung der muskulären Dystrophie und des<br />

M&A, PARTNERSCHAFTEN UND D EALS<br />

Diabetes. ViaCell hat in der Krebstherapie Anfang 2004 die erste klinische Studie gestartet,<br />

wobei eine eigene Technologie zur Vermehrung hämatopoietischer Stammzellen<br />

im Nabelschnurrestblut eingesetzt wurde. Die Mitarbeiterzahl lag vor der Akquisition<br />

von Kourion bei 225 nach dem Zusammenschluss bei 245.<br />

Die Akquisition von Kourion war für ViaCell in verschiedener Hinsicht interessant.<br />

Kourion arbeitet mit den USSC an einem besonderen Typ von Stammzellen aus dem<br />

Nabelschnurblut und hat insbesondere in der Anwendung in der Kardiologie ein Erfolg<br />

versprechendes Konzept etabliert. Zugleich bietet Kourion für ViaCell die Plattform für<br />

die europäische Expansion im Bereich der privaten Nabelschnurbluteinlagerung und<br />

weitergehender Serviceangebote sowie klinische Entwicklungsaktivitäten. Für Kourion<br />

eröffnet der Zusammenschluss mit ViaCell den Zugang zum US-Markt, erhöht die<br />

kritische Masse in der Durchführung der Entwicklungsprojekte und bildet das finanzielle<br />

Fundament für die zeitaufwendige Entwicklung der Stammzelltherapeutika bis zum<br />

zugelassenen Arzneimittel. Hinzu kommt die Ausweitung der Geschäftstätigkeit auf die<br />

private Nabelschnurbluteinlagerung und damit verbundene Investitionen in Infrastruktur<br />

und Personal, die ohne den Zusammenschluss als Standalone<br />

nicht realisiert worden wären. Aus übergeordneter,<br />

europäischer Sicht kann die Akquisition auch als positive<br />

Bewertung einer hier entwickelten Technologie<br />

gesehen werden – wobei hervorzuheben ist, dass es sich<br />

nicht um ein Beispiel für den Ausverkauf europäischer<br />

Technologie handelt, denn die Technologie der USSC<br />

wird am bisherigen Standort mit voller Kraft weiterentwickelt<br />

und für die klinische Anwendung in Europa<br />

vorbereitet.<br />

Aus unserer Sicht waren die vier wesentlichen Voraussetzungen<br />

für einen erfolgreichen Zusammenschluss:<br />

1. Strategischer Fit<br />

2. Gute Chemie zwischen dem Management beider Firmen<br />

3. Unterstützung durch die Aktionäre<br />

4. Unermüdliches M&A-Management durch eine externe Agentur.<br />

Die Integration von Kourion in ViaCell verlief sehr gut und ohne Reibungsverluste, nicht<br />

zuletzt weil wir mit diesem Prozess schon in der späten Phase der Deal-Vorbereitung<br />

begonnen haben – man könnte hier eher von einem Merger als von einer Akquisition<br />

sprechen. Das Management arbeitet sehr eng zusammen und hat eine gemeinsame<br />

Vision, Strategie und Entscheidungsfindung. Damit – so hoffen wir – sind die besten<br />

Voraussetzungen für eine erfolgreiche, gemeinsame, globale Entwicklung des<br />

Unternehmens geschaffen.<br />

www.kouriontx.com<br />

66 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Die Fusion der NewLab Bioquality mit der Bibitec im August<br />

vergangenen Jahres war die einzige Fusion, die zu einem Abgang<br />

eines Unternehmens in der Statistik führte.<br />

Eine weitere Fusion – diejenige zwischen DeveloGen und der<br />

israelisch-deutschen Peptor – wurde im vergangenen Jahr zwar<br />

bekannt gegeben, aktuell aber noch nicht vollzogen. Am 31.<br />

Dezember 2003 wurde auch noch die Fusion der Sireen mit der<br />

NAD zur Sirenade bekannt gegeben, jedoch wird dieser<br />

Zusammenschluss hier nicht mehr in den Untersuchungszeitraum<br />

eingerechnet.<br />

Dass die Bekanntgabe einer Fusion nicht unbedingt gleich den<br />

Vollzug bedeuten muss, hat nach der geplatzten Fusion von<br />

MorphoSys und British Biotech im Jahr 2002 auch die<br />

abgesagte Fusion zwischen der Biofrontera Pharmaceuticals<br />

Holding und der niederländischen Kiadis gezeigt. Mitte<br />

November gaben Biofrontera und Kiadis die Beendigung ihrer<br />

seit vergangenem Februar laufenden Fusionsverhandlungen<br />

bekannt, da sich im Laufe des Fusionsprozesses bei beiden<br />

Firmen Entwicklungen ergaben, die auf beiden Seiten die<br />

Bewertungsgrundlage veränderten. So nahm Biofrontera die<br />

Gelegenheit wahr, die unter Insolvenzverwaltung stehende<br />

bioLeads zu übernehmen. Diese gehörte ursprünglich sogar zu<br />

dem engeren Kreis potenzieller Fusionspartner und konnte<br />

damit eine wichtige technologische Lücke bei Biofrontera<br />

schließen. Die holländische Kiadis übernahm ihrerseits ein<br />

Unternehmen mit Schwerpunkt im Bereich der organischen<br />

Synthese und konnte so ebenfalls fehlendes Know-how ergänzen.<br />

Unbeeinträchtigt vom Abbruch der Fusion bleibt die<br />

zwischen beiden Firmen bestehende Forschungskooperation zur<br />

Entwicklung neuer Wirkstoffe gegen neuropathischen Schmerz.<br />

Die Anzahl an vollzogenen Fusionen in der deutschen Biotech-<br />

Branche bleibt somit durch den einen Zusammenschluss auf<br />

dem gleichen, niedrigen Niveau wie im Jahr 2002, in dem es die<br />

eine Fusion zwischen Curacyte und VitaResc gab.<br />

Mit Blick auf die allgemeine Erwartung einer noch fortdauernden<br />

Konsolidierung der deutschen Branche scheint diese<br />

konstant geringe Anzahl an Fusionen weiterhin paradox – um so<br />

mehr, als gerade die befragten Unternehmen selbst zu einem<br />

Großteil von einer Fortsetzung der Konsolidierung ausgehen.<br />

Dies wirft die Vermutung auf, dass viele Unternehmen glauben,<br />

dass andere sich zusammentun, ohne dies für das eigene Unternehmen<br />

zu erwarten – eine durchaus erstaunliche Denkweise.<br />

Allerdings haben die befragten Firmen auch Hindernisse von<br />

Übernahme- und Fusionsprozessen (Merger & Acquisitions:<br />

M&A) thematisiert.<br />

Gründe für Hindernisse werden dabei sowohl extern als auch<br />

intern gesehen. Auf externer Seite spielen vor allem die<br />

beteiligten Investoren eine wichtige Rolle. Nach Ansicht<br />

fusionswilliger Unternehmen liegt dort zum Teil unzulängliche<br />

Kompromissbereitschaft vor, die unter anderem anscheinend<br />

auf unterschiedliche Interessen (Exit-Erwartungen) der verschiedenen<br />

Investoren zurückzuführen ist. So befürchten<br />

manche Unternehmen, dass VC-Partner auf Grund von Steuergesetzgebung<br />

und Rückversicherung eine Insolvenz oft für<br />

günstiger erachten als einen „billigen“ Verkauf. Zudem sind laut<br />

akquisitions- oder fusionsinteressierten Firmen Bewertungsfragen,<br />

Liquidationspräferenzen und „Anti-Dilution-Klauseln“<br />

der VC-Gesellschaften sowie auch stille Beteiligungen und die<br />

potenzielle Verpflichtung zur Zurückzahlung von Fördermitteln<br />

bei zu übernehmenden Unternehmen ein Hemmnis für M&A-<br />

Bestrebungen. Ferner wird bemerkt, dass es wenige erfahrene<br />

VC-Firmen in Deutschland gibt, die einen M&A-Deal<br />

„attraktiv orchestrieren“ können. Und nicht nur Interessensdivergenzen<br />

bei den Investoren untereinander, sondern ebenso<br />

zwischen Kapitalgebern und Management können Probleme<br />

ergeben. Letztlich besteht auch die Frage nach der Finanzierbarkeit<br />

fusionierter Unternehmen, da eine gemeinsame Equity-<br />

Story nicht immer leicht darzustellen ist.<br />

Hinzu kommen weiterhin mögliche, unvereinbare Vorstellungen<br />

der Management-Teams untereinander: Individualismus,<br />

das Ego von Gründern, die persönliche Chemie, die Klärung<br />

der „CEO-Frage“ oder die fehlende Bereitschaft, eigene Positionen<br />

zur Weiterentwicklung des Unternehmens aufzugeben,<br />

sind Stichworte, die von den befragten Unternehmen als<br />

Hindernisse genannt wurden. Ein wichtiger Punkt hierbei ist<br />

zudem die Standortfrage. Auch wird oft angezweifelt, dass ein<br />

echter „strategischer Fit“ vorhanden ist oder dass sich Synergiepotentiale<br />

realisieren lassen. So kann die Post-Merger-Integration<br />

ein großes Risiko für kleine Unternehmen sein. Hier spielt<br />

vermutlich auch mangelnde Erfahrung der Akteure eine Rolle.<br />

Überdies lassen Finanzknappheit und fehlende Ressourcen<br />

keine Zeit zur professionellen Vorbereitung und Durchführung<br />

von M&A-Aktivitäten.<br />

Das Hauptproblem ist vermutlich, dass es bisher keine echten<br />

Erfolgs-Stories in der deutschen Szene gab, aus der sich „role<br />

models“ ableiten ließen.<br />

67


Dr. Alexander Asam, Partner, Deutsche Venture Capital<br />

(DVC), München<br />

„Große“ und „kleine“ Hindernisse bei M&A-Transaktionen<br />

Oftmals werden Gründer, Vorstände oder Kapitalgeber als primäres Hindernis für M&A-<br />

Aktivitäten angesehen. Die Realität ist aber vielschichtig und vor dem Hintergrund<br />

zahlreicher Gespräche und einiger Transaktionen wird ein Sachverhalt, der sich in der<br />

Realität als wichtig herausstellte, bislang aber wenig in der Diskussion beachtet wurde,<br />

beleuchtet.<br />

In der Venture-Capital- (VC-)Szene ist in den letzten Jahren die Realität schmerzlich<br />

gereift, dass M&A-Aktivitäten vielfach und von allen möglichen Parteien propagiert<br />

werden, aber letztlich ein mühevoller Weg sind, der nur in einer geringen Zahl der<br />

avisierten Fälle zum Abschluss führt.<br />

Grundsätzlich sind drei Ebenen für eine M&A-Transaktion<br />

zu beachten. Zu Beginn prüft das Management, ob<br />

ein sinnvoller Zusammenschluss in Bezug auf die wissenschaftliche<br />

Ebene erreicht werden kann. Auf dieser<br />

Ebene stellt sich sehr schnell heraus, ob sich beide<br />

Unternehmen sinnvoll ergänzen. Erfahrungsgemäß wird<br />

hier rasch entschieden, ob die weitere Prüfung einer<br />

Firmenfusion fortgesetzt werden sollte. Selten treten<br />

hier größere Komplikationen auf. Der nächste Schritt ist<br />

die Finanzebene: die Finanzstruktur der Transaktion, die<br />

relativen Bewertungen, die notwendigen Finanzmitteln<br />

für die Zukunft etc. Als dritte Ebene ist abschließend die Personalebene zu nennen.<br />

Diese befasst sich z. B. mit der Organisationsstruktur, welche Expertise braucht das<br />

„neue“ Unternehmen und wie setzen sich Vorstand und Aufsichtsrat zusammen.<br />

Auf der Finanzebene kommt ein Anteilseignerkreis in der Diskussion um M&A hinzu,<br />

der bislang wenig berücksichtigt wurde. Investoren, die nur einen kleinen Anteil am<br />

Unternehmen halten und nicht in der Lage sind, frisches Geld zu investieren, fühlen sich<br />

oftmals in einer M&A-Transaktion übervorteilt. Maßgeblich an der Gründung des<br />

Unternehmens beteiligt gewesen zu sein und nun mit ansehen zu müssen, wie der eigene<br />

Anteil drastisch reduziert oder im Extremfall durch die Anwendung von Liquidationspräferenzen<br />

gar auf Null gesetzt wird, ist schwierig. Venture Capital, insbesondere im<br />

Biotech-Sektor, ist aber dadurch geprägt, hohe Investitionssummen über mehrere<br />

Finanzierungsrunden bereit zu stellen und einen Investitionszeitraum von 4 bis 8 Jahren<br />

in Betracht zu ziehen. Zu Beginn einmalig eine Investition zu tätigen und auf den raschen<br />

Exit mit hohem Ertrag zu bauen, ist kein valides Businessmodell für Investitionen im<br />

Biotech-Sektor. So wie es für viele VC-Unternehmen in Deutschland schwierig war, über<br />

M&A, PARTNERSCHAFTEN UND D EALS<br />

die letzten Jahre fast nur Wertberichtigungen vorzunehmen, so ist es für diese Investoren<br />

schwer, erkennen zu müssen, dass sich ein finanzieller Ertrag ohne Folgeinvestition<br />

nicht erzielen lässt. Dennoch haben Anteilseigner, auch wenn ihr Prozentanteil nur<br />

gering ist, gestützt durch das deutsche Aktienrecht, die Möglichkeit eine Transaktion<br />

deutlich zu verlangsamen oder gar zu verhindern. Schuldrechtlich sind diese Anteilseigner<br />

über die Investitionsverträge verpflichtet, den vorgegebenen Mehrheiten zu<br />

folgen, aktienrechtlich ist dies jedoch nicht der Fall. M&A-Transaktionen stehen meist<br />

unter erheblichem Zeitdruck und Rechte einzuklagen dauert lange und ist für die<br />

Transaktion nicht förderlich. Die Fronten können sich während der Transaktion schnell<br />

verhärten, was weder zielführend ist, noch der Gesellschaft für die Zukunft hilft. Die<br />

„großen“ Investoren, die in der Regel mit dem Management die Transaktion vorbereiten<br />

und strukturieren, sehen diese Anteilseigner als potentielles Risiko für die Gesellschaft.<br />

Grund ist das ansonsten passive Verhalten und wenig konstruktive<br />

In-den-Vordergrund-Stellen der eigenen Position während der Transaktion,<br />

ohne durch neue Kapitalzufuhr die Zukunft der Gesellschaft<br />

sichern zu können. Für die betroffenen kleinen Anteilseigner sind die<br />

„großen“ Investoren die „Bösen“, da sich diese über frisches Geld in<br />

eine vorteilhafte Lage bringen. Verfestigen sich diese Standpunkte<br />

und tritt die emotionale Komponente in den Vordergrund kann dies<br />

schnell zum Scheitern der Transaktion führen.<br />

Die „großen“ Investoren müssen daraus lernen, einen schwierigen<br />

Balanceakt zu meistern: möglichst viele Anteilseigner früh einbinden<br />

und Überzeugungsarbeit für die Transaktion leisten, ohne jedoch jede<br />

Idee mit allen Gesellschaftern diskutieren zu müssen, bevor diese<br />

eine reale Chance hat, verwirklicht zu werden. Auf der anderen Seite<br />

müssen prozentual kleine Anteilseigener akzeptieren, dass manche Entscheidung zur<br />

Sicherung und Stärkung des Unternehmens zu starker Verdünnung oder gar zum Verlust<br />

des Anteils führt und nur kompensiert werden kann, wenn man in der Lage ist, neues<br />

Kapital zuzuführen.<br />

Auch der oben angesprochene Aspekt zeigt, dass M&A-Transaktionen vielschichtige<br />

Prozesse beinhalten und ausgezeichnetes Projektmanagement erfordern. In einem über<br />

die letzten Jahre schwierigen Umfeld werden nur sehr wenige Transaktionen erfolgreich<br />

abgeschlossen, da die Risikobereitschaft niedrig ist und mögliche Hindernisse stärker in<br />

den Vordergrund gerückt werden. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass dagegen in einem<br />

positiven Umfeld mit hohen Bewertungen M&A-Aktivitäten viel leichter vonstatten<br />

gehen. Im Vergleich mit den USA erleben viele VC-Investoren und Anteilseigner in<br />

Deutschland diesen „down cycle“ zum ersten Mal. Die Lernkurve dabei ist steil, die Konsequenzen<br />

daraus nicht einfach zu verkraften, aber für den nächsten Zyklus werden<br />

sie sehr hilfreich sein.<br />

www.dvcg.de<br />

68 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Anderseits stellt sich die Frage, ob in der deutschen Biotech-<br />

Industrie mit ihren vielen unterkritisch kleinen Unternehmen<br />

durch Fusionen tatsächlich Firmen mit hinreichender Masse<br />

entstehen können. Ein Zusammenschluss von zwei eher<br />

schwachen Unternehmen muss nicht zwangsläufig eine starke<br />

Firma ergeben. Von daher stellt sich die Frage nach strategisch<br />

sinnvollen M&As bei nicht ausreichend kritischer Masse.<br />

Zudem wird sich eventuell der derzeit bestehende Käufermarkt<br />

weiter auf der internationalen Ebene auswirken und<br />

möglicherweise vermehrt Übernahmen durch ausländische<br />

Firmen bringen.<br />

Angesichts der geschilderten Schwierigkeiten bei Fusionen und<br />

Akquisition ist zu bedenken, ob nicht eher Partnerschaften und<br />

Firmennetzwerke zu einer Konsolidierung beitragen und damit<br />

eine Alternative zu Firmenzusammenschlüssen und -übernahmen<br />

darstellen können. Immerhin gaben im vergangenen Jahr<br />

wieder zahlreiche deutsche Core-Biotech-Firmen Neuabschlüsse<br />

von kommerziellen Kooperationen bekannt.<br />

Die Aufteilung dieser Deals in verschiedene Kategorien<br />

verdeutlicht Abbildung 3-11.<br />

Abbildung 3-11:<br />

Kommerzielle Deals im Jahr 2003<br />

Produkt-<br />

Kooperation<br />

43 %<br />

Marketing-<br />

Kooperation<br />

13 %<br />

Technologie-<br />

Kooperation<br />

44 %<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Bei den Technologie-Kooperationen handelt es sich in der Regel<br />

um den Einsatz einer Technologie-Plattform für Forschungszwecke<br />

beim Partner oder um Kooperationen in der früheren<br />

Phase der Forschung und Entwicklung.<br />

Produkt-Kooperationen zielen auf die gemeinsame Entwicklung<br />

eines Produktes, zumeist eines Wirkstoffes für den<br />

pharmazeutischen Bereich. Der Schwerpunkt der Kooperation<br />

liegt somit insbesondere in späteren Phasen der Entwicklung.<br />

Mit Marketing-Kooperationen werden Vereinbarungen zum<br />

gemeinsamen Vertrieb marktreifer Produkte bezeichnet, so zum<br />

Beispiel auf ausländischen Märkten, auf denen einer der Partner<br />

bereits präsent ist.<br />

Im Vergleich zum Jahr 2002, in dem etwa die Hälfte der<br />

abgeschlossenen kommerziellen Deals auf Technologie-<br />

Kooperationen entfiel, ist deren Anteil im vergangenen Jahr auf<br />

44 Prozent gesunken. Der Anteil an Produktkooperationen ist<br />

dagegen dementsprechend gestiegen, und zwar auf 43 Prozent.<br />

Diese Entwicklung spiegelt in gewisser Weise den Fortschritt in<br />

der Wirkstoff-Entwicklungspipeline wider. Weitere 13 Prozent<br />

entfallen auf Marketing-Kooperationen. Diese Verteilung<br />

charakterisiert im Prinzip den Stand der deutschen Biotech-<br />

Industrie: Der Schwerpunkt liegt hier nach wie vor auf<br />

Forschung und Entwicklung. Bei den Marketing-Kooperationen<br />

sind zumeist solche Firmen vertreten, die bereits marktreife<br />

Produkte anbieten, wie zum Beispiel Qiagen, MWG Biotech<br />

oder LION bioscience.<br />

Zum Gesamt-Rückgang der Technologie-Kooperationen ist zu<br />

bemerken, dass hiervon nicht die Kooperationen mit<br />

Pharmaunternehmen betroffen sind, sondern eher diejenigen<br />

zwischen den Biotech-Firmen selbst. Dieses wird aus<br />

Abbildung 3-12 ersichtlich. Die Abbildung zeigt die Verteilung<br />

der bekannt gegebenen kommerziellen Deals im Jahresvergleich<br />

nach Partner und Art.<br />

Im Segment der Produktkooperationen haben die Kooperationen<br />

mit Pharmaunternehmen zugunsten derjenigen mit Partnern<br />

aus anderen industriellen Bereichen abgenommen. Bei den<br />

Marketingkooperationen wird ganz deutlich, dass hier die<br />

Zusammenarbeit mit anderen industriellen Partnern die größte<br />

Rolle spielt.<br />

69


Abbildung 3-12:<br />

Kommerzielle Deals nach Partnerart<br />

Technologie-Kooperationen<br />

Produkt-Kooperationen<br />

Marketing-Kooperationen<br />

Abbildung 3-13 zeigt im Jahresvergleich die veröffentlichten<br />

kommerziellen Deals der deutschen Biotech-Industrie nach<br />

Partnerland.<br />

Technologie-Kooperationen wurden demzufolge zumeist mit<br />

deutschen Biotech-Partnern geschlossen, dicht gefolgt jedoch<br />

von den europäischen Partnern.<br />

Im Segment der Produkt-Kooperationen spielten im Jahr 2003<br />

deutsche Partner eine größere Rolle als noch im Jahr 2002.<br />

Abgenommen hat dagegen der Anteil von US-Partnern. Dies<br />

kann als erfreuliche Entwicklung zur Vernetzung der deutschen<br />

Biotech-Industrie untereinander gewertet werden. Der Rückgang<br />

des Anteils von Partnern aus den<br />

USA kann eventuell in Verbindung mit<br />

Bestrebungen zu Kosteneinsparungen<br />

gebracht werden. Denn zur intensiven<br />

Pflege von Partnerschaften sind sicher<br />

auch häufige persönliche Besuche in den<br />

USA notwendig, die entsprechend Kosten<br />

verursachen.<br />

Bei den Marketing-Kooperationen fällt<br />

auf, dass nach wie vor nur wenige Vereinbarungen<br />

mit deutschen Partnern getroffen<br />

wurden. Im Jahresvergleich liegt in<br />

2003 der Anteil immerhin geringfügig<br />

höher.<br />

M&A, PARTNERSCHAFTEN UND D EALS<br />

Partner Biotech<br />

Partner Pharma<br />

Partner anderer<br />

industrieller Bereich<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Anzahl in % Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Hier wird wiederum der derzeitige Stand<br />

der deutschen Industrie deutlich, die vergleichsweise<br />

weniger marktreife Produkte<br />

anzubieten hat als die restliche europäische<br />

und US-Industrie. In diesem<br />

Segment hat im Jahresvergleich insbesondere<br />

der Anteil an Kooperationen<br />

mit Partnern aus den USA zugenommen.<br />

Vermutlich bemühen sich die deutschen<br />

Biotech-Firmen aus Kostengründen vermehrt<br />

darum, statt dem Aufbau eines<br />

eigenen US-Vertriebsbüros eine Marketing-Partnerschaft<br />

mit einem Unterneh-<br />

men vor Ort zu verfolgen.<br />

Der starke Rückgang bei dem Anteil asiatischer Vermarktungs-<br />

Partner kann eventuell damit begründet werden, dass nach einer<br />

anfänglichen Euphorie in Bezug auf die Erschließung des<br />

asiatischen Marktes eine gewisse Ernüchterung auf Grund<br />

kultureller und wirtschaftlich-politischer Herausforderungen<br />

eingekehrt ist. Zudem ist anzunehmen, dass die Durchdringung<br />

des asiatischen Marktes mit höheren Investments verbunden ist,<br />

die wiederum aus Kostengründen nicht verstärkt verfolgt<br />

werden.<br />

70 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

2002<br />

2003<br />

Abbildung 3-13:<br />

Kommerzielle Deals nach Partnerland<br />

Technologie-Kooperationen<br />

Produkt-Kooperationen<br />

Marketing-Kooperationen<br />

0 20 40 60 80 100<br />

2002<br />

2003<br />

Partner Deutsch<br />

Partner Europa<br />

Partner USA<br />

Partner Asien<br />

Anzahl in % Quelle: Ernst & Young, 2004


Dr. Simon E. Moroney, CEO MorphoSys AG, München<br />

Abschied vom Standard Deal zwischen Biotech und<br />

Big Pharma<br />

Wie schafft es eine Biotech-Firma, erfolgreich große Pharma-Deals abzuschließen? Für<br />

die Beantwortung dieser Frage gibt es, wie die Erfahrungen der vergangenen Jahre<br />

gezeigt haben, keine vorgefertigte Antwort. Das grundlegende Prinzip ist bekannt und<br />

wird auch von Pharma-Seite nicht bestritten: Big Pharma braucht die Innovationskraft<br />

der Biotechnologie! Angesichts auslaufender Patente für umsatzstarke Medikamente<br />

und Lücken in den Entwicklungspipelines sind die Global Player der Pharmabranche auf<br />

die innovativen Entwicklungen junger Firmen mehr denn je angewiesen. Ein Standard-<br />

Modell für eine erfolgreiche Kooperation zwischen Biotech und Big Pharma kann es<br />

hingegen nicht geben. Das vergangene Jahr hat allerdings<br />

gezeigt, dass die Pharma-Branche insgesamt<br />

wählerischer und konservativer entscheidet, welche<br />

Partner attraktiv für Sie sind. Pharma-Konzerne achteten<br />

in 2003 viel stärker als früher darauf, dass einlizenzierte<br />

Technologien, Targets sowie Wirkstoffkandidaten eine<br />

höhere Wahrscheinlichkeit haben, marktfähige Produkte<br />

hervorzubringen. Die Tage, in denen Big Pharma bereit<br />

war, in Technologien zu investieren, die in einer frühen<br />

Phase und am Markt noch nicht voll etabliert sind,<br />

scheinen gezählt. Besteht der Biotech-Partner jedoch<br />

diese Prüfungen, sind auch Kooperation mit hohem<br />

finanziellen Volumen keine Seltenheit. Ein zweiter Trend,<br />

der sich im vergangenen Jahre herauskristallisierte, war, dass therapeutische Antikörper<br />

– das Feld, in dem auch MorphoSys aktiv ist – in den Fokus einer sehr großen Zahl von<br />

Kooperationen rückten.<br />

Die Rückkehr der Early-Stage-Deals<br />

Welchem Muster die Partnerschaft zwischen Biotech und Pharma folgen soll, steht seit<br />

langer Zeit im Mittelpunkt einer zum Teil heftig geführten Diskussion. Im Jahr 2002<br />

wurden so genannte Late-Stage- oder Produkt-Deals als zukunftsweisendes Modell für<br />

die Zusammenarbeit zwischen Biotech-Firmen und Big Pharma angepriesen. Das<br />

vergangene Jahr sah hingegen die Rückkehr der so genannten Early-Stage-Deals, bei<br />

denen den Biotech-Unternehmen die Last der Entwicklungsrisiken größtenteils von den<br />

Schultern genommen wird. Eine beträchtliche Anzahl der wichtigsten Partnerschaften<br />

drehte sich dabei direkt um Antikörper oder wurde von Antikörpern beeinflusst. In den<br />

Vereinigten Staaten etwa verhalf die Nachricht über Erfolge in der klinischen<br />

Entwicklung des Krebsantikörpers Avastin dessen Hersteller, Genentech, und sogar der<br />

gesamten US-Börsenlandschaft zu neuer Dynamik. Weniger Beachtung fand hingegen,<br />

dass die klinischen Ergebnisse von Avastin auch die lang erwartete Validierung des<br />

Zielmoleküls VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) darstellten. Im Fahrwasser<br />

dieser Erkenntnis folgte ein Vertrag zwischen Aventis und der US-amerikanischen<br />

Regeneron Pharmaceuticals Inc., der Aventis Zugang zu dem Anti-Angiogenese-Wirkstoff<br />

VEGF-Trap sicherte. Aventis zahlt seinem biopharmazeutischen Partner für die<br />

Kommerzialisierungsrechte 125 Mio. US$ – rund zwei Drittel davon up-front, also als<br />

direkte Zugangszahlung zur Technologie. Das Fusionsprotein VEGF-Trap befindet sich<br />

derzeit in der Phase I der klinischen Entwicklung.<br />

Drei direkt von Antikörpern handelnde Kooperationsverträge veranschaulichen den<br />

gestiegenen Appetit von Big Pharma auf größere Moleküle, insbesondere Antikörper. So<br />

war es erneut der Aventis-Konzern, der sich Mitte Juli entschloss, seine Onkologie-<br />

Sparte durch eine Kooperation zur Entwicklung neuartiger Krebsantikörper mit<br />

ImmunoGen zu erweitern. Der Pharma-Partner sicherte sich die Vermarktungsrechte für<br />

drei Produktkandidaten, die sich derzeit in der frühen Phase von ImmunoGens<br />

Forschungs-Pipeline befinden.<br />

AstraZeneca schloss Mitte Oktober mit der US-amerikanischen Firma<br />

Abgenix eine Zusammenarbeit, bei der in der ersten Instanz<br />

Antikörper gegen bis zu 36 Krebs-Targets identifiziert werden – die<br />

Kooperation geht also von einem sehr frühen Stadium der Wirkstoff-<br />

Forschung aus. Bemerkenswert ist ferner die Vergütungsmethode:<br />

AstraZeneca investiert rund 100 Mio. US$ in Form von<br />

Wandelanleihen.<br />

Im vergangenen Dezember konnte MorphoSys einen Vertrag mit dem<br />

weltgrößten Pharma-Konzern Pfizer abschließen. Pfizers Interesse an<br />

Antikörpern aus der HuCAL®-GOLD-Bibliothek markierte für uns den<br />

gelungenen Ausklang des Jahres 2003. Der US-Pharmakonzern wird<br />

die präklinische und klinische Entwicklung durchführen und ist im Anschluss auch für die<br />

Vermarktung der aus der Kooperation entstandenen Produkte verantwortlich. Diese<br />

Vereinbarung hat einen potenziellen Gesamtwert für MorphoSys von mehr als<br />

50 Mio. US-$.<br />

Ebenso wie Aventis, AstraZeneca und Pfizer bauten auch andere Pharma-Riesen wie<br />

Roche oder Merck KGaA ihre Aktivitäten in puncto Biotechnologie deutlich aus. Das<br />

Interesse an Antikörpern wird dabei maßgeblich durch den wachsenden Erfolg dieser<br />

Medikamenten-Klasse geschürt. Im vergangenen Jahr erhielten vier therapeutische<br />

Antikörper die Marktzulassung – Raptiva, Xolair, Bexxar und Erbitux. Es ist zu erwarten,<br />

dass sich dieser Trend in 2004 weiter fortsetzt und wir neue wichtige Kooperationen<br />

zwischen Biotech und Pharma sehen werden.<br />

Auch das neue Jahr wird dabei einen Mix aus Early-Stage- und Late-Stage-Deals sehen.<br />

Außerdem nimmt die Diversität auch in Hinblick auf die Zahlungsmethode zu. Neben der<br />

üblichen Vergütung in Form von Up-front-, Meilenstein-Zahlungen und Tantiemen werden<br />

sich auch wieder verstärkt Mischformen aus „cash“ und Unternehmensanteilen häufen.<br />

www.morphosys.com<br />

71


M&A, PARTNERSCHAFTEN UND D EALS<br />

Tabelle 3-2:<br />

Ausgewählte, veröffentlichte „Deals“ nach Partnerland und Partnertyp im Jahr 2003<br />

Biotech – Biotech<br />

Biotech – Pharma<br />

Biotech – anderer<br />

industrieller Partner<br />

privat<br />

börsennotiert<br />

privat<br />

börsennotiert<br />

privat<br />

börsennotiert<br />

Deutsch-Deutsch Deutsch-Europäisch Deutsch-US<br />

4 SC – ProQinase<br />

4 SC – Switch Biotech<br />

amaxa – Qiagen<br />

Axxima Pharmaceuticals – Evotec OAI<br />

B.R.A.I.N – BioSpring<br />

EUROPROTEOME – WITA<br />

Evotec OAI – KeyNeurotek<br />

Evotec OAI – DeveloGen<br />

Evotec OAI – Biofrontera<br />

Qiagen – artus<br />

MWG BIOTECH – LYNKEUS BioTech<br />

4 SC – Boehringer Ingelheim<br />

Artemis Pharmaceuticals – Bayer<br />

Biofrontera Pharmaceuticals – Schering<br />

Cellzome – Bayer<br />

Cenix BioScience – Bayer<br />

Combinature Biopharm – Schering<br />

Jerini – Bayer<br />

TeGenero – Boehringer Ingelheim<br />

MorphoSys – Boehringer Ingelheim<br />

MWG BIOTECH – Bayer<br />

Avontec – Biotronik<br />

november – Wilden<br />

EUROPROTEOME – Transgene<br />

Graffinity Pharmaceuticals – Serono<br />

Ingenium Pharmaceuticals – Elan<br />

Ingenium Pharmaceuticals – Oxagen<br />

Evotec OAI – British Biotech<br />

Evotec OAI – Euroscreen<br />

Evotec OAI – Oxagen<br />

MWG BIOTECH – Quanta Biotech<br />

MWG BIOTECH – Allegro Technologies<br />

BioVision – Astra Zeneca<br />

Cardion – Roche<br />

Cellzome – Janssen-Cilag<br />

Epigenomics – Roche<br />

PheneX Pharmaceuticals – Roche<br />

ProCorde – Aventis<br />

morphochem – Novartis<br />

Qiagen – Novartis<br />

Obwohl bei den Kooperationen der Anteil an US-Partnern im<br />

vergangenen Jahr abgenommen hat, konnten folgende deutsche<br />

Biotech-Firmen neue Abschlüsse mit hochrangigen US-<br />

Pharmaunternehmen bekannt geben: Epigenomics, EvotecOAI,<br />

GPC Biotech und MorphoSys.<br />

Zudem wurden von PheneX, BioVision, morphochem,<br />

Procorde und Epigenomics Partnerschaften mit europäischen<br />

Pharmakonzernen wie Roche, Novartis, Aventis und Astra<br />

Zeneca abgeschlossen.<br />

Auch die deutschen Pharmafirmen Bayer, Boehringer Ingelheim<br />

und Schering spielten in 2003 eine wichtige Rolle:<br />

MorphoSys – Lonza<br />

november – Hueck Folien<br />

apovia – Corixa<br />

Cenix BioScience – Ambion<br />

Graffinity Pharmaceuticals – Genentech<br />

Ingenium Pharmaceuticals – Sequenom<br />

Micromet – MedImmune<br />

morphochem – Xenogen<br />

Evotec OAI – Dynogen Pharmaceuticals<br />

Qiagen – Affymetrix<br />

Qiagen – Intradigm<br />

Epigenomics – Wyeth<br />

MorphoSys – Pfizer<br />

GPC Biotech – Eli Lilly<br />

greenovation – Dow Chemical<br />

Xantos Biomedicine – Ardais<br />

LION bioscience – Delta Soft<br />

LION bioscience – Silicon Genetics<br />

Qiagen – Thermo Hybaid<br />

Qiagen – AgilentTechnologies<br />

72 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Sie kooperierten zum Beispiel mit 4 SC, Artemis, Biofrontera,<br />

Cellzome, Cenix, Combinature, Jerini, MorphoSys, ProBioGen<br />

oder TeGenero.<br />

Insgesamt sehr aktiv beim Abschluss neuer Kooperationen<br />

waren im vergangenen Jahr die deutschen Biotech-Firmen<br />

MorphoSys, 4SC, Ingenium, november und EvotecOAI mit der<br />

Bekanntgabe von jeweils mindestens drei und mehr neuen<br />

Deals. Spitzenreiter bei der Anzahl an neu abgeschlossenen<br />

Kooperationen waren jedoch die börsennotierte MWG Biotech<br />

und Qiagen.


Jörn Aldag, CEO, Evotec OAI AG, Hamburg<br />

Kooperationsstrategien der Evotec OAI AG<br />

Die Konsolidierung in der Pharmaindustrie schreitet weiter voran. Durch weiteres Wachstum<br />

beabsichtigen führende Pharmaunternehmen, Einsparungspotentiale („economies<br />

of scale“) in der Produktentwicklung sowie in Marketing und Vertrieb zu realisieren. In<br />

der früheren Forschung sind sie heute mehr denn je in der frühen Forschung auf Partner<br />

angewiesen, um ihre Produktentwicklung mit neuen Arzneistoffkandidaten zu versorgen.<br />

Ihre Nachfrage nach Substanzen mit nachgewiesener Wirksamkeit am Menschen übersteigt<br />

das Angebot ihrer eigenen F&E-Abteilungen bei weitem. Zur Ergänzung ihrer<br />

Produktpipeline kaufen sie daher Arzneistoffkandidaten zu, heute oft schon in der präklinischen<br />

Phase.<br />

Auf der anderen Seite verfügen viele Biotech-<br />

Unternehmen über ein tiefes Verständnis der molekularen<br />

Ursachen von Erkrankungen; ihnen fehlen jedoch<br />

oft das Know-how in der modernen Wirkstoffforschung<br />

sowie die kritische Masse und finanziellen Mittel, um die<br />

Entwicklung ihrer Substanzen bis in die klinische Phase<br />

alleine voranzutreiben. Auch sie tun sich mit starken<br />

Partnern zusammen, um sich im Wettbewerb um Kapital<br />

und neue Wirkstoffe zu behaupten.<br />

Dieses Umfeld birgt große Chancen für Evotec OAI, die<br />

einen industrialisierten Forschungsprozess und qualitativ<br />

hochwertige Arzneistoffkandidaten anbietet. Mit<br />

einer hoch modernen, integrierten Forschungsplattform<br />

und der notwendigen kritischen Masse haben wir ein weltweit führendes Forschungsunternehmen<br />

aufgebaut, das die Kluft zwischen früher Wirkstoffforschung und klinischer<br />

Prüfung für unsere Kunden optimal überbrückt. Um den Wert und die Flexibilität unseres<br />

Angebots voll auszuschöpfen und es bestmöglich auf die Kundenbedürfnisse<br />

zuzuschneiden, haben wir unsere Aktivitäten in der Wirkstoffforschung auf zwei Bereiche<br />

aufgeteilt:<br />

Discovery and Development Services (DDS)<br />

DDS bietet Auftragsforschung und -entwicklung für externe Kunden und für unsere<br />

internen Programme. Für unsere Leistungen erhalten wir eine aufwands- und/oder<br />

ergebnisbezogene Vergütung, ggf. auch Meilensteinzahlungen bei erfolgreicher<br />

klinischer Entwicklung und Umsatzbeteiligungen. Für die Substanzen, die wir in der<br />

Zusammenarbeit entwickeln, hält ausschließlich der Kunde die Produkt- und Patentrechte,<br />

während wir Rechte an unserer Forschungsplattform schützen und ausbauen. Mit<br />

unserem Servicegeschäft haben wir ein dichtes Netzwerk an Pharma- und Biotech-<br />

Kunden aufgebaut. Es ist zudem unser wichtigster Umsatzträger.<br />

Dank der Breite und des Integrationsgrads unseres Angebots können wir unsere Kunden<br />

durch mehr Phasen der Wirkstoffforschung und -entwicklung begleiten als jeder unserer<br />

Wettbewerber. So arbeiten wir in diesem Bereich mit zahlreichen Top-10-Pharmaunternehmen,<br />

wie AstraZeneca, GlaxoSmithKline, Merck, Novartis, Pfizer und Roche,<br />

sowie mit führenden Biotech-Unternehmen, u. a. Amgen, Biogen und Vertex, erfolgreich<br />

zusammen.<br />

Unsere strategische Positionierung als Integrator zwischen der „Krankheitsbiologie“ auf<br />

der einen Seite und der späteren klinischen Entwicklung auf der anderen Seite hat zu<br />

neuartigen Vertragsstrukturen geführt. Wir haben 2002 eine innovative Rahmenvereinbarung<br />

mit der VC-Gesellschaft Oxford Bioscience Partners (OBP) geschlossen, die uns<br />

nach sorgfältiger Due Diligence als bevorzugten Partner an die Unternehmen aus ihrem<br />

Beteiligungsportfolio weiterempfiehlt. Dabei kam es OBP darauf an, dass sich ihre<br />

Portfoliounternehmen auf ihre Kernkompetenz – das Krankheitsverständnis – konzentrieren<br />

können und wir alle notwendigen Schritte übernehmen, um Arzneistoffkandidaten<br />

für die klinischen Studien zu entwickeln. Dieses Konzept<br />

erweist sich als sehr erfolgreich, da wir heute bereits für sieben OBP-<br />

Unternehmen arbeiten. Mit einer weiteren, international führenden<br />

VC-Gesellschaft, der MPM Capital, haben wir eine ähnliche Vereinbarung<br />

geschlossen und sprechen zurzeit mit einigen ihrer<br />

Beteiligungsunternehmen über eine mögliche Zusammenarbeit.<br />

Discovery Programs Division (DPD)<br />

In DPD entscheiden wir uns, selbst Patentrechte zu entwickeln und<br />

Phasen der Medikamentenentwicklung auf eigenes Risiko zu durchlaufen.<br />

Wir führen also in eigener Regie oder mit ausgewählten<br />

Partnern Forschungsaktivitäten durch, um viel versprechende<br />

Substanzen zu entwickeln und sie an Pharmakunden zur Stärkung<br />

ihrer Pipelines auszulizenzieren. Bei Aufgaben, bei denen es auf eine<br />

hochwertige Entwicklungsplattform ankommt, kooperiert DPD eng mit DDS und vergibt<br />

Aufträge an unseren Servicebereich. Indem wir in der Forschung in Vorleistung gehen<br />

und gezielt selbst investieren, baut DPD eigenes, geistiges Eigentum auf, um so im<br />

Gegenzug höhere Meilensteinzahlungen und Umsatzbeteiligungen für Evotec OAI zu<br />

generieren. Wir treten dabei nicht mit Pharmaunternehmen in Wettbewerb, sondern<br />

gehen mit ihnen ergebnisorientierte Partnerschaften ein, bei denen sich beide Partner<br />

Chancen und Risiken teilen.<br />

Im Jahr 2003 haben wir in DPD große Fortschritte gemacht. Mit DeveloGen sind wir eine<br />

wegweisende Zusammenarbeit im Bereich Stoffwechselerkrankungen eingegangen und<br />

unsere Tochtergesellschaft Evotec Neurosciences hat einen 20-Mio.-Euro-Vertrag mit<br />

Takeda abgeschlossen sowie fünf Arzneistoffkandidaten für die Behandlung neurodegenerativer<br />

Erkrankungen von Roche einlizenziert.<br />

Unser wichtigstes Ziel für 2004 ist es, unsere strategische Positionierung in der<br />

Wirkstoffforschung weiter auszubauen – als Partner in der Auftragsforschung und als<br />

Anbieter hochwertiger pharmazeutischer Zwischenprodukte.<br />

www.evotecoai.com<br />

73


Einige der in Tabelle 3-2 aufgezählten Deals sind nachfolgend<br />

exemplarisch mit zusätzlichem Hintergrund beschrieben.<br />

Ausgewählte Deals deutscher Core-Biotech-<br />

Unternehmen im Jahr 2003<br />

Quelle: transkript<br />

4SC AG, Martinsried<br />

Neue Wirkstoffkandidaten gegen bestimmte Targets bei<br />

Erkrankungen des Zentralnervensystems soll 4SC mit Hilfe<br />

ihrer 4SCan-Screening-Technologie für die spanische Esteve<br />

S.A. identifizieren. Außerdem wird 4SC die Substanzdatenbank<br />

auf ihre Wirksamkeit gegen drei Krankheitstargets der<br />

Boehringer Ingelheim GmbH hin testen und aussichtsreiche<br />

Kandidaten zur weiteren Untersuchung an den Pharmakonzern<br />

liefern.<br />

BioVisioN AG, Hannover<br />

BioVisioN und der Pharmakonzern AstraZeneca suchen nach<br />

neuen Biomarkern für entzündliche Krankheiten. BioVisioN<br />

wird ihre Phänotypisierungstechnologie anwenden, die auf der<br />

Erstellung hochauflösender Profile von Peptiden und<br />

Proteinen basiert.<br />

Cenix BioScience GmbH, Dresden<br />

Cenix Bioscience hat eine Forschungskooperation mit der<br />

Bayer Healthcare AG geschlossen. Alle bekannten, humanen,<br />

„druggable“ Gene sollen unter Verwendung der RNA-Interferenz-Technologie<br />

gescreent werden, um neue therapeutische<br />

Zielgene für Krankeitsindikationen zu identifizieren und<br />

validieren.<br />

Epigenomics AG, Berlin<br />

Epigenomics hat eine Zusammenarbeit mit der amerikanischen<br />

Wyeth Pharmaceuticals vereinbart. Im Rahmen des<br />

Projekts untersucht Epigenomics die Veränderungen<br />

bestimmter DNA-Methylierungs-Biomarker in Xenotransplantationsmodellen<br />

der Maus nach Verabreichung eines von<br />

Wyeth entwickelten Anti-Krebs-Wirkstoffes. Des Weiteren<br />

schloss Epigenomics eine Kooperation mit Roche<br />

Diagnostics ab, welche die Entwicklung von Produkten zur<br />

Früherkennung von Krebs zum Ziel hat.<br />

M&A, PARTNERSCHAFTEN UND D EALS<br />

Die Vorteile einer Partnerschaft mit einem etablierten Unternehmen<br />

zeigt das Beispiel der Trion Pharma.<br />

Ingenium Pharmaceuticals AG, München<br />

Gemeinsam wollen Ingenium und die irische Elan neue<br />

Schmerztherapeutika entwickeln. Hierzu bringt Ingenium<br />

ihre „Deductive Genomics-Plattform” ein, die eine schnelle<br />

Identifikation und Klonierung von Zielgenen ermöglicht.<br />

PheneX Pharmaceuticals AG, Heidelberg<br />

PheneX wird im Auftrag des Roche-Konzerns nach neuen<br />

Wirkstoffen fahnden, die an einen nukleären Rezeptor<br />

binden. Hierzu wird das Biotech-Unternehmen seine<br />

SNuRM-Plattform (selektiver Nuklearer Rezeptor Modulator)<br />

einsetzen.<br />

Procorde GmbH, Martinsried<br />

Im Kampf gegen Arteriosklerose wollen ProCorde und<br />

Aventis Pharma Deutschland GmbH künftig zusammenarbeiten<br />

und nach neuen Targets zur Entwicklung von<br />

Wirkstoffen suchen. Aventis stellt ausgewählte Kandidatengene<br />

zur Verfügung, die von ProCorde in einem Krankheitsmodell<br />

validiert werden. Anschließend übernimmt Aventis die<br />

weitere Entwicklung zur Identifizierung spezifischer niedermolekularer<br />

Wirksubstanzen.<br />

Protagen AG, Dortmund<br />

Die Beschleunigung der Entwicklung von Protein-Biochips<br />

ist das Ziel einer Zusammenarbeit zwischen Protagen und der<br />

britisch-amerikanischen NextGen Sciences Ltd. auf dem<br />

Gebiet der Proteinproduktion. Die UNIclone-Proteinexpressionsbibliothek<br />

von Protagen und die expressionfactory<br />

® von NextGen sollen zu einer Technologieplattform<br />

für die Proteinproduktion kombiniert werden.<br />

Xerion Pharmaceuticals AG, München<br />

Durch eine Options- und Lizenzvereinbarung mit der<br />

britischen CAT plc. erhält Xerion die Rechte zur Entwicklung<br />

und Vermarktung von humanen, monoklonalen Antikörpern,<br />

die sie aus CATs Antiköper-Bibliothek gewonnen hat und die<br />

gegen Targets gerichtet sind, welche mit Hilfe von Xerions<br />

Xstream -Technologie identifiziert wurden.<br />

74 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Dr. Horst Lindhofer, CEO TRION Pharma GmbH, München<br />

Vorteile der Partnerschaft mit einem mittelständischen<br />

Life-Science-Unternehmen<br />

Aufgrund bestehender, wissenschaftlicher Kontakte der Gründer zum Fresenius-Konzern<br />

wurde sehr bald nach der Gründung der Trion Pharma GmbH ein Kooperations-, Lizenzund<br />

Vertriebsvertrag mit einer Finanzierungskomponente geschlossen, der die Einbindung<br />

von VC-Gesellschaften und damit auch den zeitlichen Druck eines IPO-Exits<br />

erübrigte.<br />

Die vertragliche Vereinbarung mit Fresenius beinhaltet u. a. das Einbringen von zwei trifunktionellen<br />

Antikörpern zur Behandlung epithelialer Tumore, wie z. B. Darm-, Brust-,<br />

Magen-, Eierstock und Lungenkarzinom, welche TRION für den Markt produzieren und<br />

Fresenius klinisch entwickeln, zulassen und vertreiben wird.<br />

Die Vorteile der Vereinbarung für TRION sind:<br />

• Long-term-Investment<br />

• Strategische Allianz mit einem starken Partner, der<br />

Verständnis für langfristige Arzneimittelentwicklung<br />

onkologischer Produkte hat<br />

• Kein kostspieliger Aufbau von Ressourcen im Bereich<br />

Marketing und Vertrieb etc., da durch Fresenius<br />

Biotech GmbH abgedeckt<br />

• Schlanke Strukturen mit Konzentration auf TRIONspezifische<br />

Aufgaben<br />

Da sowohl TRION als auch Fresenius die gleichen Entwicklungsziele<br />

verfolgen und Synergien effizient genutzt<br />

werden, war TRION in der Lage mit einer überschaubaren Anzahl von Mitarbeitern eine<br />

eigene GMP-Produktion für die beiden trifunktionellen Antikörper removab® und<br />

rexomun® aufzubauen. Dies sicherte zum einen das eigene, patentierte Produktions-<br />

Know-how und lieferte zum anderen die Voraussetzung für die Durchführung<br />

zulassungsrelevanter Studien. TRION konnte daher ihre erste Phase-I/II-Studie „Maligner<br />

Aszites beim Ovarialkarzinom“ selbstständig planen, gemeinsam mit Fresenius durchführen<br />

und hat diese im September 2003 erfolgreich abgeschlossen, wobei wertvolle<br />

Erfahrungen für die weiteren Schritte gesammelt wurden.<br />

Durch den überzeugenden Erfolg dieser Studie bei Endstadium-Patienten mit dem<br />

Antikörper removab® (22 von 23 Patientinnen sprachen auf die Therapie an bei einer<br />

Gesamtdosis von nur 45–480 µg), entsteht nun ein erhöhter Bedarf an qualifizierten<br />

Mitarbeitern. Daher plant TRION im Jahr 2004 um weitere 25 % zu wachsen.<br />

Weiterhin erbrachten die Studienresultate den Nachweis der Übertragbarkeit des neuen<br />

Wirkprinzips der trifunktionellen Antikörper von der Präklinik in die Klinik und wecken für<br />

die anderen angelaufenen Studien bei Brust-, Lungenkarzinom, Peritonealkarzinose und<br />

malignen Pleuraergüssen Erwartungen auf eine ähnliche Wirksamkeit. Die Erfolg<br />

versprechenden, klinischen Ergebnisse, welche mit einer neuartigen, weltweit<br />

patentierten Technologie erreicht werden konnten, sowie die eigene GMP-<br />

Produktionsanlage geben TRION eine Sonderstellung im deutschen Biotech-Sektor. Dies<br />

sowie auch positiv zu erwartende Zukunftsaussichten veranlassten Fresenius im<br />

Frühjahr 2002 dazu, sich an TRION mit 25 % zu beteiligen.<br />

Die Strategie der aus dem Fresenius-Konzern neu gegründeten Fresenius Biotech GmbH,<br />

die bisherige Kooperation mit TRION sowie das Zukunftsszenario wurden im Januar 2004<br />

in dem Fresenius-Capital-Market-Day deutlich aufgezeigt. Dabei ergeben sich für<br />

Fresenius folgende Vorteile aus der Kooperation:<br />

• Schlanke eigene Forschungsstrukturen<br />

• Know-how-Austausch/-Transfer<br />

• Früher „Proof of Concept“ durch triomab-Antikörper bereits erfolgt<br />

Sofern eine erfolgreiche Reproduktion der ersten Wirksamkeitsdaten aus der Phase- I/II-<br />

Studie in der in diesem Jahr startenden Phase-II/III-Studie (maligner<br />

Aszites) bestätigt wird, ist die erste Zulassung für Ende 2007 zu<br />

erwarten. Dies bedeutet für TRION Lizenzeinnahmen und damit erste<br />

Umsätze aus operativem Geschäft.<br />

Der bereits jetzt gezeigte „Proof of Concept“ für den removab®-<br />

Antikörper der triomab-Antikörperfamilie hat selbstverständlich<br />

weitere positive Effekte auf die anderen Zukunftsprojekte der TRION,<br />

sowohl im klinischen Bereich als auch für die Produktion. So besitzt<br />

TRION zwei weitere Antikörper in der Entwicklung, die auf dem<br />

gleichen modularen Prinzip aufbauen und gegen B-Zell-Lymphome<br />

und Malignes Melanom gerichtet sind. Für diese Pipelineprodukte ist<br />

TRION momentan noch frei.<br />

TRION Pharma GmbH besitzt ein weltweit einzigartiges, biotechnologisches Verfahren<br />

zur einfachen und kostengünstigen Herstellung von trifunktionellen, bispezifischen<br />

Antikörpern (triomab®). Mit dieser Plattformtechnologie können bereits große Mengen<br />

der patentierten triomab®-Antikörper gemäß GMP produziert werden.<br />

Ziel der Therapie mit den triomab®-Antikörpern ist die vollständige und dauerhafte<br />

Zerstörung von nach Operation und Chemotherapie im Körper verbliebenen, ausgestreuten<br />

Tumorzellen. Diese neuartigen Antikörper haben auf Grund ihrer Trifunktionalität<br />

gegenüber den konventionellen bzw. bispezifischen Antikörpern einen entscheidenden<br />

Vorteil: Sie können nicht nur T-Zellen, sondern zusätzlich über ihre Fc-Region auch akzessorische<br />

Zellen wie Makrophagen, dendritische Zellen und NK-Zellen an die Tumorzellen<br />

heranführen. Die simultane Aktivierung beider Immunzelltypen führt über verschiedene<br />

Zerstörungsmechanismen zu einer besonders effektiven Beseitigung auch von Tumorzellen<br />

mit geringer Zielantigenexpression. Insbesondere durch die Aufnahme von Tumormaterial<br />

durch akzessorische Zellen kann es ebenfalls zur Induktion einer Immunantwort<br />

gegen den Tumor kommen, wie bereits im Tiermodell erfolgreich gezeigt wurde. Die<br />

Krebspatienten könnten somit langfristig im Sinne einer Impfung vor einem Rückfall der<br />

Erkrankung geschützt werden.<br />

www.trionpharma.de<br />

75


Wie Tabelle 3-3 zeigt, haben einige der deutschen Biotech-<br />

Firmen in den vergangenen Jahren bereits ein beachtliches<br />

Netzwerk an Kooperationen aufgebaut.<br />

Nach rechts aufgetragen finden sich in obiger Matrix namhafte<br />

deutsche und internationale Pharmakonzerne; nach unten<br />

aufgetragen ausgewählte deutsche Core-Biotech-Unternehmen,<br />

die mit den entsprechenden Pharma-Firmen kooperieren. Die<br />

Kooperation ist durch ein Kreuz gekennzeichnet.<br />

Insbesondere die börsennotierten Unternehmen Evotec OAI,<br />

GPC Biotech, MorphoSys und Qiagen können jeweils bereits<br />

eine ansehnliche Zahl (vier oder mehr) an verschiedenen<br />

Pharma-Kooperationen aufweisen.<br />

M&A, PARTNERSCHAFTEN UND D EALS<br />

Tabelle 3-3:<br />

Ausgewählte Kooperationsbeziehungen deutscher Biotech-Firmen mit Pharmaunternehmen<br />

Astra<br />

Kooperationspartner aus Pharmaindustrie<br />

Boehringer<br />

Altana Zenca Aventis Baxter Bayer Ingelheim Eli Lilly Merck & Co. Novartis Pfizer Roche Schering Wyeth<br />

4SC<br />

Alantos<br />

x x<br />

Pharmaceuticals<br />

Biofrontera<br />

x<br />

Pharmaceuticals x<br />

Cellzome<br />

Cenix<br />

x<br />

BioScience x<br />

Epigenomics x x<br />

Evotec OAI<br />

GPC<br />

x x x x x<br />

Biotech<br />

Graffinity<br />

x x x x x<br />

Pharmaceuticals x<br />

Jerini<br />

LION<br />

x x<br />

bioscience x<br />

MediGene x x<br />

Micromet x<br />

Morphochem x x x<br />

MorphoSys x x x x x<br />

Qiagen x x x x<br />

Aus Sicht der Pharmakonzerne kooperieren mit deutschen<br />

Biotech-Firmen besonders intensiv (drei oder mehr Partnerschaften)<br />

die deutschen Pharma-Unternehmen Altana, Bayer,<br />

Boehringer Ingelheim und Schering sowie die ausländischen<br />

Pharma-Firmen Aventis, Eli Lilly, Novartis und Roche.<br />

Die Vielzahl der Kooperationen zeigt, dass die großen Pharmakonzerne<br />

durchaus ein Potenzial in den deutschen Biotech-<br />

Firmen sehen und die neuen Technologien und Produkte, die<br />

diese anbieten, schätzen.<br />

Darüber hinaus besteht auch unter den Biotech-Unternehmen<br />

an sich (innerhalb Deutschlands und international) ein<br />

intensives Kooperationsnetzwerk, welches an dieser Stelle der<br />

Wichtigkeit halber zwar angeführt, jedoch nicht gezeigt wird.<br />

76 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004


3.3 Erfolgsfaktor „Wertschöpfungsnetz“<br />

Der vorliegende Biotechnologie-Report von Ernst & Young<br />

beschäftigt sich traditionell mit dem Kern der Branche, den so<br />

genannten Core-Biotech-Unternehmen. Dabei ist klar, dass eine<br />

umfassendere Betrachtung auch solche Unternehmen einschließen<br />

müsste, die entweder klassische, biotechnische<br />

Prozesse als Teil ihrer Wertschöpfungskette nutzen oder als<br />

Dienstleister und Zulieferer wichtige Funktionen für die<br />

Biotech-Branche erfüllen.<br />

Daher soll im Folgenden das erweiterte Umfeld der Core-<br />

Biotech-Industrie und dessen Bedeutung für die Entwicklung<br />

der Biotechnologie in Deutschland im Überblick beleuchtet<br />

werden.<br />

Abbildung 3-14 stellt das erweiterte Biotech-Netzwerk aus<br />

Dienstleistern und Zulieferern schematisch dar.<br />

Im vorliegenden Report liegt der Schwerpunkt auf der<br />

Darstellung der Bedeutung der Pharmaindustrie in diesem<br />

Wertschöpfungsnetz. In Folgeberichten werden entsprechend<br />

auch die weiteren Marktteilnehmer unter die Lupe genommen<br />

werden.<br />

Abbildung 3-14:<br />

Wertschöpfungsnetz Biotechnologie<br />

Chemieindustrie<br />

„Extended-Core”-<br />

Biotech-Firmen<br />

Zulieferer<br />

Pharmaindustrie<br />

Core-Biotech<br />

Diagnostik-Industrie<br />

Biotechnologie und deutsche Pharma-Industrie<br />

Vor einigen Jahrzehnten galt Deutschland mit Pharmafirmen<br />

wie Bayer, Schering und Hoechst als „Apotheke der Welt“.<br />

Heute gibt die Pharmaindustrie in Deutschland ein völlig<br />

anderes Bild ab, nachdem verschiedene Faktoren zur Verlagerung<br />

von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten ins Ausland<br />

geführt haben (Beispiele: Hoechst/Boston, BASF/Boston,<br />

Bayer/New Haven).<br />

Ursachen waren unter anderem die Behinderung der Forschung<br />

und Entwicklung durch die frühen Versionen des Gentechnikgesetzes,<br />

aber auch die in den USA früh gestartete Biotech-<br />

Industrie mit fortgeschrittenem Know-how.<br />

Heute bremst die Gesundheitsgesetzgebung der letzten Jahre<br />

die Bereitschaft zur Innovation weiter, so dass weitere Pharmafirmen<br />

abwandern bzw. signifikante Teile ihrer Forschungs- und<br />

Entwicklungsaktivitäten ins Ausland verlagern.<br />

Universitäten<br />

Forschungseinrichtungen<br />

Contract-Research-<br />

Organisations<br />

77


Die Bedeutung der Biotechnologie aus Sicht des VFA<br />

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) vertritt die Interessen von<br />

41 Firmen in Deutschland. Diese repräsentieren zwei Drittel des deutschen Arzneimittelmarktes<br />

und umfassen kleine Biotech-Start-ups, etablierte Biotech-Firmen und Pharmafirmen<br />

mittlerer Größe sowie die führenden, global tätigen Konzerne.<br />

Gemeinsames Merkmal dieser Firmen ist ihr Fokus auf Forschung und Entwicklung und<br />

damit auf Innovation: Die F&E-Ausgaben liegen im Durchschnitt bei 16 Prozent des<br />

Umsatzes. Daraus erklärt sich die große Bedeutung der Biotechnologie für diese Firmen,<br />

denn an dieser Technologie kommt keine Firma vorbei, die sich mit der Erforschung und<br />

Entwicklung von neuen innovativen Arzneimitteln befasst.<br />

In allen VFA-Firmen sind biotechnologische Methoden seit längerer Zeit integraler<br />

Bestandteil beim Aufspüren von neuen Angriffspunkten<br />

(Targets) für Arzneimittel, bei der Validierung dieser<br />

Targets und bei der Suche nach geeigneten Wirkstoffen.<br />

Dieser Forschungsbereich hat durch die Entzifferung des<br />

menschlichen Erbguts einen großen Aufschwung<br />

genommen. Aber auch bei der Weiterentwicklung eines<br />

Wirkstoffs, d. h. bei dessen Prüfung auf Wirksamkeit und<br />

Verträglichkeit, kommen inzwischen vermehrt biotechnologische<br />

Methoden zum Einsatz und schließlich werden viele Wirkstoffe mit Hilfe der<br />

Gentechnik hergestellt. Dies hat dazu geführt, dass inzwischen kein Arzneimittel mit<br />

einem neuen Wirkstoff mehr auf den Markt kommt, bei dessen Erforschung, Entwicklung<br />

oder Herstellung die Biotechnologie nicht eine Rolle gespielt hat.<br />

Von den in Deutschland zugelassenen 104 gentechnisch hergestellten Arzneimitteln<br />

mit 75 Wirkstoffen stammen über 80 % von Mitgliedsfirmen des VFA. Und bei den<br />

Entwicklungsprojekten, die voraussichtlich bis zum Jahr 2007 marktreif sind, liegt der<br />

Anteil biotechnologischer Produkte bei geschätzten 20 Prozent. Die VFA-Firmen haben<br />

eine ganze Reihe von Entwicklungsprodukten von Biotech-Start-ups einlizenziert und<br />

unterhalten eine Vielzahl von Forschungs- und/oder Vertriebskooperationen mit solchen<br />

Firmen, sei es, um bei der Entwicklung von konkreten Produkten zusammenzuarbeiten<br />

oder um bestimmte Plattformtechnologien zu nutzen.<br />

Um die Anbahnung solcher Kooperationen zu erleichtern, gibt es auf der VFA-Internetseite<br />

eine eigene Sektion, in der die Präferenzen der einzelnen Firmen mit den jeweiligen<br />

Ansprechpartnern aufgeführt sind. In der Strategiekommission Biotechnologie arbeiten<br />

Vertreter von Biotech-Firmen und der Biotech-Sparten von großen Pharmafirmen sowie<br />

Biotech-Start-ups zusammen, um die Rahmenbedingungen für die Biotechnologie auf<br />

nationaler und europäischer Ebene zu verbessern.<br />

E RFOLGSFAKTOR „WERTSCHÖPFUNGSNETZ“<br />

Zu den in diesem Rahmen behandelten Themen gehören:<br />

• Beschleunigung der Zulassungsverfahren,<br />

• Förderung von Arzneimitteln gegen seltene Krankheiten (Orphan Drugs),<br />

• spezifische Erstattungsprobleme und<br />

• die Nutzenbewertung von Biotech-Arzneimitteln.<br />

Die Mitglieder der Strategiekommission Biotechnologie bringen die hierzu erarbeiteten<br />

Positionen bei Anhörungen und Gesprächen mit Politikern und Ministerien sowie bei<br />

Veranstaltungen und Seminaren ein. Durch die personelle Verzahnung der Strategiekommission<br />

Biotechnologie mit den Arbeitsausschüssen des VFA ist ein kontinuierlicher<br />

Informationsfluss und die Einbringung von biotech-spezifischen Aspekten in die<br />

VFA-Positionen sichergestellt.<br />

Die Zukunftsperspektiven für die pharmazeutische Industrie und<br />

damit auch für die Biotechnologie sind sehr gut: Bisher kann erst ein<br />

Drittel der 30.000 bekannten Krankheiten adäquat behandelt werden<br />

und die weiter steigende Lebenserwartung der Menschen stellt neue<br />

Herausforderungen an die Prävention und Behandlung insbesondere<br />

von chronischen Krankheiten. Hinzu kommen neue Bedrohungen<br />

durch neu entstandene oder neue entdeckte Infektionserreger wie<br />

Ebola, Hanta-, West-Nil-Virus, SARS oder der Vogelgrippe.<br />

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, bietet die Biotechnologie noch ein riesiges,<br />

bisher weitgehend unerschlossenes Potential, z. B. im Bereich der Pharmakogenetik<br />

(Berücksichtigung von individuellen Unterschieden im Erbgut bei der Auswahl und<br />

Dosierung eines Arzneimittels) und in der Zell- und Gentherapie.<br />

Der VFA setzt sich deshalb dafür ein, in einer konzertierten Aktion die Rahmenbedingungen<br />

in der Forschungs-, Wirtschafts-, Steuer- und vor allem in der Gesundheitspolitik<br />

so zu setzen, dass dieses Potential auch in Deutschland im Interesse der Patienten, aber<br />

auch der Industrie genutzt werden kann.<br />

Von Dr. Siegfried Throm, Forschung, Entwicklung, Innovation, Verband Forschender<br />

Arzneimittelhersteller e. V., Berlin<br />

www.vfa.de<br />

78 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Davon sind auch deutsche Standorte ausländischer Pharmafirmen<br />

betroffen. Pfizer beispielsweise gab im letzten Jahr unter<br />

Verweis auf die Neuerungen aus dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz<br />

(GMG) bekannt, dass es als Folge dieser<br />

Gesetzgebung seine Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten<br />

von Karlsruhe nach Großbritannien verlegen wird.<br />

Auch die Investitionsbereitschaft geht zurück. So hat die<br />

Darmstädter Merck KGaA auf Grund der Reformen eine<br />

Großinvestition für die Produktion von Krebsmedikamenten in<br />

Jena auf Eis gelegt.<br />

Ein weiterer Faktor für die Abnahme der Bedeutung des<br />

Pharmastandorts Deutschland sind Konzentrationsprozesse, wie<br />

zum Beispiel die „Mega-Merger“, die die heutigen Spitzenreiter<br />

Pfizer, GlaxoSmithKline oder Astra Zeneca hervorgebracht<br />

haben. Diese Giganten haben die deutschen Konzerne von den<br />

einstigen Spitzenplätzen auf der Weltrangliste der Pharmaunternehmen<br />

verdrängt.<br />

Dennoch haben die deutschen Pharmafirmen an der Entwicklung<br />

der modernen Biotech-Industrie in Deutschland einen<br />

wesentlichen Anteil.<br />

Zu Beginn der 90iger Jahre war auf Grund einer extrem emotional<br />

geführten Diskussion um die Risiken der Gentechnologie<br />

der Aufbau einer breiteren Biotech-Industrie hierzulande nicht<br />

denkbar. In dieser Zeit – immerhin hatten es parallel einige US-<br />

Firmen bereits zu beträchtlichem Erfolg gebracht – wurde die<br />

moderne Biotechnologie in Deutschland lediglich von einer<br />

Handvoll kleiner, beherzter Biotech-Pioniere (zum Beispiel<br />

Rentschler, Qiagen, MWG Biotech, MorphoSys, Orpegen,<br />

Biopharm und Symbiotec) kommerzialisiert und war ansonsten<br />

auf akademische Forschungseinrichtungen und die großen<br />

Pharmafirmen beschränkt. Letztere standen natürlich damals<br />

bereits im internationalen Wettbewerb und mussten entsprechend<br />

auf die neuen Technologien setzen. Wenngleich das<br />

Gentechnikgesetz vor seiner entscheidenden Novellierung<br />

Mitte der 90iger Jahre bei vielen Firmen die Ausweitung dieser<br />

Aktivitäten verhinderte bzw. deren Verlagerung ins Ausland<br />

bewirkte, waren und sind die Pharmaunternehmen von der<br />

Unverzichtbarkeit der Biotechnologie überzeugt.<br />

So haben heute alle forschenden Pharmafirmen in Deutschland<br />

die Biotechnologie als integralen Bestandteil ihrer Forschungsund<br />

Entwicklungsaktivitäten etabliert. Viele namhafte Unternehmen<br />

setzen zusehends auch auf „Biologicals“ in ihrer<br />

Entwicklungspipeline.<br />

Firmen wie Boehringer Ingelheim, die bereits früh das Potenzial<br />

der Biotechnologie erkannten, begannen denn auch entsprechend<br />

früh, in Deutschland zu investieren. So baute<br />

Boehringer Ingelheim den Standort Biberach aus, der heute als<br />

international anerkannte Top-Adresse für die biotechnologische<br />

Herstellung von Pharmazeutika in Zellkulturen gilt. Das<br />

Unternehmen bietet die gesamte biopharmazeutische Prozesskette<br />

von der genetischen Entwicklung der Zelle bis zum<br />

marktfähigen Arzneimittel im wirtschaftlichen Maßstab an.<br />

Darüber hinaus forscht die Firma auf den Gebieten Atemwege,<br />

Herz/Kreislauf, Stoffwechsel, zentrales Nervensystem, Virologie,<br />

Immunologie, Entzündungen, Onkologie, zellbiologische<br />

und molekularbiologische Grundlagenforschung. Durch eine<br />

Kooperation mit der Münchener GPC Biotech konnten neue<br />

Targets für die Prävention und Behandlung des humanen<br />

Papillomavirus (HPV-Infektionen) identifiziert und biochemisch<br />

validiert werden. Zudem arbeitet Boehringer<br />

gemeinsam mit Micromet an der Prozessentwicklung und<br />

Produktion von Micromets Anti-Krebs-Antikörper.<br />

Aber auch die Altana aus Konstanz/Bad Homburg engagiert<br />

sich in der deutschen Biotechnologie. Der eigene Biotechnologiefond,<br />

ALTANA Technology Projects, wurde mit 100<br />

Millionen US$ ausgestattet und verstärkt somit systematisch<br />

die Zusammenarbeit mit Biotech-Partnern. Eine Zusammenarbeit<br />

mit GPC Biotech zielt auf die Identifizierung von Targets<br />

zur Medikamentenentwicklung im Bereich Tumorforschung. Im<br />

Bereich Onkologie wird auch mit der Berliner atugen zusammengearbeitet.<br />

Ziel dieser Kooperation ist die Evaluierung und<br />

Validierung von Arzneimitteltargets, die mit Krebs und Erkrankungen<br />

des Immunsystems assoziiert sind. Ein eigenes<br />

Genomic/Proteomic-Forschungsinstitut wird dagegen von<br />

Altana in den USA betrieben. Dort wurden 120 Millionen US$<br />

investiert.<br />

79


Rolf. G. Werner, Boehringer Ingelheim GmbH<br />

Marktwachstum von Biopharmazeutika aus Sicht der<br />

Pharma-Industrie<br />

Weltweite Geschäftsentwicklung<br />

Der Markt für Biopharmazeutika wächst doppelt so stark wie der für Pharmazeutika und<br />

erreichte in 2003 über 35 Milliarden US$ und wird für das Jahr 2010 mit 100 Milliarden<br />

US$ prognostiziert. Dabei liegen die Hauptmarktanteile für 2003 in Nordamerika mit<br />

22,7 Milliarden US$ und in Europa mit 8,3 Milliarden US$.<br />

Das jährliche Marktwachstum der Biopharmazeutika von durchschnittlich 18 % wird<br />

durch die nachhaltige Pipeline innovativer Forschungsfirmen und forschungsorientierter<br />

Pharma-Unternehmen gestützt. Die therapeutischen Ansätze basieren auf molekularbiologischen<br />

Grundlagen von Krankheitsphänomenen und stellen in den meisten Fällen<br />

einen bedeutenden therapeutischen Fortschritt dar. Die vergleichsweise kurzen Entwicklungszeiten<br />

von 5 bis 8 Jahren zusammen mit den hohen Erfolgsraten<br />

in der Produktentwicklung, die bis zu 20 % über denen für chemischpharmazeutische<br />

Produkte liegen, gewährleisten einen frühen Payback<br />

und lange Patentlaufzeiten. Beides attraktive Faktoren sowohl<br />

für die Anwendung in Therapiegebieten, wo bislang nur unzureichende<br />

Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen, als auch für KMUs und<br />

die forschende Pharma-Industrie, die in diese Forschung investieren.<br />

Pipeline der Biopharmazeutika<br />

Der Hauptfokus der biopharmazeutischen Forschung liegt auf der<br />

Onkologie. Ein Therapiegebiet, für das noch keine zufrieden stellenden<br />

Arzneimittel zur Verfügung stehen und in dem die molekularbiologischen<br />

Zusammenhänge der Pathophysiologie oft zu komplex<br />

sind für einen monokausalen Therapieansatz. Die Entdeckung tumorrelevanter Rezeptoren<br />

bietet jedoch vielfach die Möglichkeit über monoklonale Antikörper,<br />

Immuntoxinkonjugate oder radioaktiv markierte Antikörper ein Drug Targeting und einen<br />

Therapieerfolg zu erzielen. 2003 waren mehr als 130 Biopharmazeutika in präklinischen<br />

Untersuchungen und mehr als 30 in klinischen Prüfungen.<br />

Dieses Therapiegebiet wird gefolgt von der Immunologie mit den Indikationen rheumatoide<br />

Arthritis, multiple Sklerosis, Psoriasis, Krohn’sche Erkrankung und Immunsuppression.<br />

Mehr als 40 Biopharmazeutika sind in präklinischer Forschung und 30 in<br />

klinischen Studien. In anderen therapeutischen Gebieten wie Herz/Kreislauf, Metabolismus,<br />

Virologie und Atemwegserkrankungen sind ungefähr je 15 Biopharmazeutika in der<br />

Präklinik und 5 in der Klinik.<br />

Die pharmazeutische Industrie wird an dem starken Marktwachstum, das auf dem therapeutischen<br />

Potential der Biopharmazeutika beruht, durch Kooperationen mit<br />

forschungsorientierten KMUs und etablierten Forschungsfirmen partizipieren. Die<br />

E RFOLGSFAKTOR „WERTSCHÖPFUNGSNETZ“<br />

Forschungsfirmen werden dabei den Part der Identifizierung neuer therapeutisch relevanter<br />

und validierter Targets und die Entwicklung spezifischer, monoklonaler, humaner<br />

Antikörper bis hin zum Proof of Concept übernehmen. In den Therapiegebieten<br />

Herz/Kreislauf, Atemwegserkrankungen und Metabolismus wird die Umsetzung der<br />

Erkenntnisse aus funktioneller Genomik und Proteomik in therapierelevante Prinzipien<br />

im Vordergrund stehen. Für diese Therapiegebiete werden insbesondere Moleküle der<br />

zweiten Generation entwickelt, bei denen das natürliche physiologische Prinzip für die<br />

therapeutische Anwendung optimiert wird. Die Orientierung dieser Entwicklung zielt auf<br />

die höhere Selektivität für validierte Targets, bessere Wirksamkeit sowie längere Bioverfügbarkeit<br />

ab und resultiert in niedrigeren therapeutischen Dosen sowie kompetitiven<br />

Therapie-Kosten.<br />

Kooperationen als Erfolgskonzept<br />

Die Pharmaindustrie bietet für Forschungsfirmen, die auf diesem innovativen Thema<br />

arbeiten, die Orientierung für eine marktgerechte Entwicklung, die in Präklinik und Klinik<br />

für eine weltweite Registrierung der Produkte ausgelegt<br />

ist, sowie finanzielle Unterstützung in der Entwicklungsphase<br />

und weltweite Vermarktung, die wiederum<br />

durch Royalties die forschenden Firmen finanziell<br />

stärken.<br />

Eine entscheidende Voraussetzung für die erfolgreiche<br />

Entwicklung von Biopharmazeutika ist die Verfügbarkeit<br />

von Entwicklungs- und Produktionskapazitäten. Ein<br />

wichtiger Erfolgsfaktor ist dabei der Zugang zu der<br />

gesamten Prozesskette, beginnend bei der Etablierung<br />

von Hochexpressionssystemen, genetisch stabilen Produktionsorganismen,<br />

hochtitrigen Fermentationsprozessen,<br />

effizienten Reinigungsverfahren mit hohen Ausbeuten, galenische Formulierungen<br />

mit Langzeitstabilitäten bei Raumtemperatur, die einen unkomplizierten Transport und<br />

Lagerung ermöglichen, bis hin zu patientenfreundlichen Applikationssystemen. Frühzeitig<br />

müssen cGMP-Produktionskapazitäten in Anlagen reserviert werden, die durch<br />

die FDA, EMEA und die MHLW registriert sind. Hierfür kommen insbesondere Partner in<br />

Frage, die in der Lage sind, derartige Großinvestitionen zu tätigen. Neben CMOs bietet<br />

sich auch hier die Pharmaindustrie als idealer Partner für die forschenden Unternehmen<br />

an, die dadurch ein Gesamtkonzept von Entwicklung, Produktion und Vermarktung<br />

erhalten. Die Produktion muss ein integraler Bestandteil der innovativen Entwicklungsstrategie<br />

von Biopharmazeutika sein.<br />

Stärker als in der konventionellen Pharmaentwicklung ist der Erfolg der Biopharmazie<br />

durch Kooperationen geprägt, bei denen sich innovative Forschungsfirmen und die<br />

Pharma-Industrie in hervorragender Weise ergänzen.<br />

www.boehringer-ingelheim.com<br />

80 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Die Berliner Schering investiert in innovative Therapien und<br />

nutzt eine Reihe von neuen Technologien wie die biotechnologische<br />

Herstellung von Wirkstoffen über so genannte<br />

„small molecules“ bis zum Einsatz der regenerativen Medizin.<br />

Schering wendet diese Technologien in einer Reihe von<br />

Entwicklungsprojekten mit Fokus auf Neurologie (Multiple<br />

Sklerose), Tumorforschung (Leukämie) sowie Herz-Kreislauf-<br />

Erkrankungen an. Gegenwärtig führt Schering mit über 900<br />

Patienten die größte klinische Gentherapie-Studie auf dem<br />

Gebiet der Herz-Kreislauf-Forschung durch. Der Ansatz ist auf<br />

dem Gebiet der regenerativen Medizin für das Herz einmalig.<br />

Per Virus wird der Fibroblasten-Wachstumsfaktor 4 (FGF-4) in<br />

die Herzkranzgefäße eingeschleust, um dort das Wachstum<br />

neuer Blutgefäße im Herzmuskel anzuregen.<br />

Schering verfügt über ein weites Netzwerk an Forschungs- und<br />

Entwicklungskooperationen mit führenden akademischen und<br />

industriellen Partnern. Das Unternehmen kooperiert zum<br />

Beispiel mit der Berliner atugen, um mit deren Antisense-<br />

Technologie Targets zu validieren. Eine Kooperation mit der<br />

MorphoSys dient zur Entwicklung von so genannten „singlechain-Antikörpern“<br />

für die Antikörper-Diagnostik und<br />

-Therapie von Krebs.<br />

Die deutsche Merck aus Darmstadt arbeitet mit vier Technologieplattformen<br />

an der Entwicklung gezielter, innovativer<br />

Ansätze zur Krebsbehandlung:<br />

• EGFR-spezifische, monoklonale Antikörper, die das Tumorwachstum<br />

hemmen,<br />

• Immunzytokine, die eine lokale Immunantwort des körpereigenen<br />

Abwehrsystems auslösen,<br />

• Angiogenese-Hemmer, die den Tumor von der für Wachstum<br />

und Absiedelung notwendigen Blutversorgung abschneiden<br />

sowie<br />

• Tumorvakzine, die eine spezifische Immunantwort auslösen.<br />

Mit der Berliner Jerini hat Merck in diesem Jahr eine<br />

Kooperation über 50 Millionen € abgeschlossen.<br />

Merck und seine Tochtergesellschaft Merck Biosciences vermarkten<br />

zudem innovative Produkte und Lösungen für die biotechnologische<br />

Forschung, so zum Beispiel Produkte für die<br />

Aufreinigung von Proteinen und Nukleinsäuren sowie Reagenzien,<br />

Kits und Services für die medizinische Forschung.<br />

Als Teilkonzern der Bayer produziert und vertreibt die Bayer<br />

HealthCare innovative Produkte und bündelt dabei die<br />

Aktivitäten der Divisionen Animal Health, Biologische Produkte,<br />

Consumer Care, Diagnostika sowie Pharma. In dem<br />

Marktsegment Biologische Produkte ist Bayer einer der<br />

weltweit führenden Anbieter. Dieser Geschäftsbereich<br />

beschäftigt 3.000 Mitarbeiter und ist in mehr als 62 Ländern<br />

aktiv. Pionier ist diese Abteilung in der Entwicklung von<br />

gentechnisch hergestellten Proteinen, wie zum Beispiel der<br />

Kogenate-Produktlinie zur Behandlung der Bluterkrankheit.<br />

Hinzu kommt eine Palette von biologischen Produkten, die aus<br />

Blutplasma gewonnen werden. Besonders viel versprechend ist<br />

das aus menschlichem Blutplasma hergestellte Enzym Plasmin,<br />

denn es ist in der Lage, Blutgerinnsel schnell und wirksam<br />

aufzulösen. Intensive Forschung ist bei den biologischen<br />

Produkten der Schlüssel für die Erfolge. So gibt es<br />

Neuentwicklungen wie den Alpha-1-Proteinase-Inhibitor<br />

(Wirkstoff von Prolastin), der aus der Milch transgener Schafen<br />

gewonnen wird und auch in inhalierbarer Form angeboten<br />

werden soll.<br />

Partnerschaften in Forschung und Entwicklung bestehen unter<br />

anderem mit den deutschen Biotech-Unternehmen MorphoSys,<br />

LION bioscience und Epidauros.<br />

Der deutsche Standort Penzberg der schweizerischen Roche gilt<br />

mit 3.050 Mitarbeitern als einer der größten Biotechnologie-<br />

Standorte Europas. Penzberg ist außerdem zu einem der<br />

weltweit größten Zentren für die Krebsforschung avanciert. 72<br />

Millionen € investierte der Konzern in die neuen Gebäude und<br />

Anlagen. In den Labors arbeiten die Wissenschaftler daran, den<br />

entscheidenden genetischen Ursachen für Krebs auf die Spur zu<br />

kommen und gezielt Gegenmittel zu entwickeln. Roche ist<br />

weiterhin ein bedeutender Biotechnologie-Investor. Über<br />

Kooperationen bzw. Beteiligungen hat Roche allein in den<br />

letzten zwei Jahren 350 Millionen US$ in Biotech-<br />

Unternehmen der Zukunft investiert. Dabei nutzt die Firma die<br />

hervorragende Forschung und die schnellen Entscheidungswege<br />

der Biotech-Unternehmen.<br />

Neben zahlreichen Kooperationen mit US-, UK- sowie japanischen<br />

Unternehmen, hat Roche auch Partnerschaften mit<br />

deutschen Biotech-Firmen geschlossen: Dazu gehören<br />

Epigenomics, LION bioscience, MorphoSys, PheneX und Scil.<br />

Von der Cardion hat das Unternehmen im letzten Jahr ein<br />

präklinisches Produkt (Interleukin-15-Antagonist) einlizenziert.<br />

81


Bei der Initialzündung der deutschen Biotech-Industrie im<br />

Zusammenhang mit dem BioRegio-Wettbewerb spielten die<br />

deutschen Pharmafirmen bereits eine wichtige Rolle. Ohne das<br />

(auch finanzielle) Engagement von Firmen wie Boehringer<br />

Mannheim (heute Roche Diagnostics), Merck oder BASF wäre<br />

beispielsweise die Ausgangsbasis der Rhein-Neckar-Region<br />

deutlich geschwächt worden.<br />

Neben den großen Spielern und den wenigen nach wie vor im<br />

Mittelfeld etablierten Unternehmen existieren in Deutschland<br />

ca. 500 kleine Pharmafirmen, die allerdings oft nur geringe<br />

oder gar keine Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten haben<br />

und vielfach mit veralteten Portfolien einer zusehends ungewissen<br />

Zukunft im Umfeld der neuen Gesundheitsgesetzgebung<br />

(Erstattung, Negativlisten, Preisregelung) entgegensehen.<br />

All diese Entwicklungen haben deutliche Auswirkungen auf die<br />

Erfolgsprognosen für die deutsche Biotech-Industrie.<br />

Da sich die Core-Biotech-Firmen deutlich auf die Entwicklung<br />

von Medikamenten fokussieren, müssen sie Partner aus dem<br />

Pharmabereich gewinnen, da ihnen die nötige Erfahrung in<br />

Sachen Entwicklung, Zulassung und Vermarktung fehlt; vor<br />

allem aber fehlen die Finanzmittel, um die kostenintensiven und<br />

langwierigen Prozesse alleine bestreiten zu können. Pharmafirmen<br />

als Partner sind somit ein wesentlicher Faktor für den<br />

Erfolg dieses Wertschöpfungsnetzwerkes Biotechnologie. Eine<br />

abnehmende Zahl an führenden Pharmaunternehmen verringert<br />

allerdings die Chancen für erfolgreiche Partnerschaften.<br />

Ausgewählte Pharma-/Life-Sciences-Mittelstandsfirmen<br />

mit Biotechnologie-Aktivitäten<br />

HEXAL AG, Holzkirchen<br />

Hexal gründete in 1998 die Hexal Gentech, um neue molekulare<br />

Therapeutika und Diagnostika gegen Infektions- und<br />

Krebskrankheiten zu entwickeln. Über die Hexal Biotech verfügt<br />

das Unternehmen über ein breites Spektrum an gentechnologischen<br />

und biopharmazeutischen Methoden.<br />

Schwarz Pharma AG, Monheim<br />

Schwarz Biosciences ist die Forschungs- und Entwicklungsorganisation<br />

der Schwarz Gruppe mit dem deutschen Standort<br />

in Monheim sowie weiteren Standorten in Irland, den USA<br />

und Japan. Ein internationales Team arbeitet dabei an neuro-<br />

E RFOLGSFAKTOR „WERTSCHÖPFUNGSNETZ“<br />

Zwar muss die Allianzbildung global angegangen werden;<br />

Tatsache ist jedoch, dass in den letzten beiden Jahren<br />

transatlantische Allianzen deutlich zurückgegangen sind und<br />

somit die regionale Situation an Bedeutung gewinnt. Hinzu<br />

kommt die klare Präferenz der Pharmaindustrie für „late stage“-<br />

Produkte mit hohem Marktpotenzial und geringerem Risikoprofil.<br />

Hier klafft gerade in Deutschland leider eine Lücke, da<br />

sich die überwiegende Zahl der Projekte noch in frühen Phasen<br />

der Entwicklung befindet.<br />

Zusammengenommen lässt sich hieraus eine eher düstere<br />

Prognose für das Fortbestehen vieler deutscher Biotech-<br />

Unternehmen ableiten. Dennoch gibt es eine Reihe von<br />

Pharma-Allianzen, die wichtige Beiträge für die Überlebensstrategie<br />

von Biotech-Firmen leisten. Zudem hat die Krisensituation<br />

weiteres kreatives Potenzial freigesetzt.<br />

Eine Initiative des Bundesverbands der Pharmazeutischen<br />

Industrie (BPI) zielt auf die Zusammenführung von kleinen und<br />

mittleren Pharma- mit Biotech-Firmen, um Synergien aus dem<br />

Innovationspotenzial der Biotechnologie und der Entwicklungsund<br />

Vermarktungsexpertise der Pharmaseite zu entwickeln. Vor<br />

dem Erfolg dieser Initiative wird aber vor allem die<br />

Finanzierung solcher Kooperationen zu klären sein. Darüber<br />

hinaus ist auch hier das bereits beschriebene „Gap“ zwischen<br />

frühen Projekten der deutschen Biotech-Industrie und dem<br />

Bedarf der Pharmafirmen für reife Produkte vorhanden,<br />

wenngleich hier kein Anspruch nach „Blockbustern“ besteht.<br />

logischen und urologischen Projekten. In der Pipeline befinden<br />

sich Produkte für die Parkinson Krankheit, Epilepsie,<br />

schmerzhafte diabetische Neuropathien sowie dem Restless-<br />

Leg-Syndrom. Die Urologie-Projekte haben ihre Schwerpunkte<br />

in den Indikationen Blasenhyperaktivität/Inkontinenz<br />

und gutartige Prostatavergrößerung.<br />

Fresenius AG, Bad Homburg<br />

Fresenius Biotech ist ein Tochter-Unternehmen des Gesundheitskonzerns<br />

Fresenius. Die Fresenius Biotech GmbH ist auf<br />

die Entwicklung und Vermarktung von Biopharmazeutika im<br />

Bereich der Onkologie, Immunologie und der regenerativen<br />

Medizin ausgerichtet. In einer Kollaboration mit Xcyte<br />

Therapies arbeitet Fresenius Biotech an einem T-Zell<br />

basierten Gentherapie-Programm zur Behandlung von HIV.<br />

82 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Kooperationsstrategien für Biotech-Unternehmen und<br />

den pharmazeutischen Mittelstand in Deutschland<br />

Die meisten jungen Biotech-Unternehmen in Deutschland sind im Bereich Biomedizin<br />

tätig und wollen Arzneimittel entwickeln. Dieses ist ein Gewinn für den Pharmastandort<br />

Deutschland, der – einst „Apotheke der Welt“ – heute durch etwa 500 Unternehmen<br />

überwiegend mittlerer Größe geprägt ist. Viele dieser standorttreuen Unternehmen<br />

betreiben eigene F&E und haben langjährige Erfahrung in der Entwicklung sowie bei der<br />

Herstellung und Vermarktung von Arzneimitteln. Die internationale Wettbewerbssituation<br />

und insbesondere die veränderte Gesundheitsgesetzgebung in Deutschland führen<br />

dazu, dass viele dieser Unternehmen jetzt die Weichen für die Zukunft neu stellen<br />

müssen. Sie kommen nicht umhin, sich zukünftig neben der Beschäftigung mit dem<br />

Bewährten verstärkt der Entwicklung des Neuen zu widmen.<br />

Entwicklungsansätze für innovative Arzneimittel kommen dabei zunehmend von jungen<br />

Biotech-Uunternehmen. Somit passen Biotech-Unternehmen als Ideenlieferanten und<br />

Pharmaunternehmen als Know-how-Träger ideal zusammen.<br />

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e. V.<br />

hat vor mehr als zwei Jahren zusammen mit Partnern<br />

eine Initiative begonnen mit dem Ziel, Biotechs mit<br />

geeigneten Projekten und pharmazeutische Unternehmen<br />

mit Erfahrung und Kooperationswillen zusammenzubringen<br />

und so die internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Unternehmen am Standort Deutschland zu<br />

erhöhen.<br />

Eine der Erkenntnisse dieses Projektes war, dass trotz<br />

der von allen anerkannten Synergien zwischen Pharma<br />

und Biotech der Prozess der gemeinsamen Entwicklung<br />

von Innovationen von alleine nicht läuft. Es klafft<br />

zwischen Biotechs, die sich meist im präklinischen<br />

Forschungsbereich bewegen und der Pharmaindustrie, die an Produkten in den späteren<br />

Phasen der klinischen Prüfung oder gar fertigen Produkten interessiert ist, eine strategische<br />

Lücke. Für die am Standort Deutschland tätigen pharmazeutischen Unternehmen<br />

konnte gezeigt werden, dass gerade in dieser strategischen Lücke eine große Chance<br />

liegt: Durch das vorhandene Prozess-Knowdhow für klinische Prüfung und Zulassung<br />

und durch kurze Entscheidungswege können diese Unternehmen dafür sorgen, dass<br />

eine zügige Entwicklung der innovativen Ansätze von Biotechs erreicht wird. Für die<br />

Vermarktung stehen dann die bestehenden Vertriebswege und Vertriebspartnerschaften<br />

der Pharmaunternehmen zur Verfügung.<br />

Die Finanziers sehen in solchen Kooperationen durchaus für sich eine Risikominderung<br />

und sind bereit, bei geeigneten Projekten mit einzusteigen. Die an der Initiative<br />

teilnehmenden Biotechs erkannten, dass für eine Vielzahl ihrer „Anentwicklungen“<br />

gerade die standorttreue Industrie ein geeigneter Partner für sie sein kann und<br />

signalisierten Interesse an Kooperationen.<br />

Dennoch: Einige Hürden müssen noch beseitigt werden:<br />

So fehlt es an effizienten Mechanismen zur Identifikation geeigneter Projekte und<br />

Partner, man kennt sich unter Pharmamittelstand und Biotech kaum. Häufig mangelt es<br />

auch an der Finanzierungsbereitschaft für Projekte. Als gravierend offenbarten sich<br />

Kommunikationsprobleme, die auf Grund der unterschiedlichen Kulturen der beiden<br />

Unternehmenscluster bestehen und dazu führen, dass nicht selten nach ersten<br />

Kontakten die Bildung von Kooperationen verhindert bzw. erschwert wird. Auch besteht<br />

vielfach Investitionszurückhaltung bei den Unternehmen auf Grund unsicherer und<br />

wenig innovationsfördernder Rahmenbedingungen.<br />

Zur Überwindung der Hürden wurde im Rahmen der Initiative ein Konzept entwickelt.<br />

Dieses beinhaltet eine spezifische Beratungsstelle beim BPI, die individuell bei der<br />

Suche nach geeigneten Kooperationspartnern berät und Strukturen liefert, durch die<br />

Kompetenzen in Wissenschaft, Biotech und Pharma identifiziert und zusammengefügt<br />

werden können. Angeschlossen daran ist ein Netzwerk von Experten, das bedarfsgerechte<br />

Unterstützungsleistungen, Finanzdienstleistungen und<br />

Mediation bietet.<br />

Viele Aktivitäten im Rahmen dieses Konzeptes sind inzwischen<br />

angelaufen und werden fortgeführt. Über die individuelle Beratung<br />

und Vermittlung hinaus werden spezifische Partneringveranstaltungen<br />

für Biotech- und pharmazeutische Unternehmen sowie<br />

Informationsveranstaltungen, mit denen Impulse gesetzt werden,<br />

angeboten. Hierdurch ist es bereits zu vielen Kontakten gekommen<br />

und das Bewusstsein über diese Partneringmöglichkeit in Deutschland<br />

ist gewachsen. Dazu beigetragen hat, dass die Unternehmen bei<br />

konkreten Kooperationsgesprächen Hilfestellungen aus dem angeschlossenen<br />

Netzwerk nutzen konnten.<br />

Wichtig ist jetzt, die Stärken des Standortes zur Produktivitätssteigerung<br />

voll zu nutzen. Diese sind heute im Pharmabereich zum einen die Forschung<br />

und einige hundert kreative Biotechs, zum anderen die zahlreichen, etablierten, pharmazeutischen<br />

Unternehmen. Ein Zusammenbringen dieser beiden Bereiche lässt<br />

Synergien frei werden, die Deutschland als Pharmastandort auch international wieder<br />

aufholen lassen.<br />

Durch Umsetzung der aus der Initiative resultierenden Strategie „Innovation durch<br />

Kooperation“ gelingt es, Wertschöpfung im Land zu generieren und international zu<br />

vermarkten. Das Potential ist in Deutschland vorhanden, Impulse sind gesetzt, kompetente<br />

Unterstützung wird angeboten. Von Seiten der Politik muss jetzt alles dafür<br />

getan werden, die Rahmenbedingungen und Incentives so zu gestalten, dass die<br />

Unternehmen diesen Weg erfolgreich gehen können. Dabei wird Time-to-Market<br />

entscheidend für unsere Zukunft sein!<br />

Von Dr. Gudrun Tiedemann, Geschäftsführerin Biotechnologie/FuE, Bundesverband der<br />

Pharmazeutischen Industrie e. V., Berlin<br />

www.bpi.de<br />

83


Alternativen zum klassischen Partnering mit Pharmafirmen<br />

werden derzeit von Contract Research Organisationen (CRO)<br />

entwickelt. Sie haben neues Geschäftspotenzial bei Biotech-<br />

Firmen entdeckt und versuchen, über kreative Partnering-Deals<br />

einerseits den Finanzierungsengpass zu beseitigen und andererseits<br />

die Weiterentwicklung und Wertsteigerung der Pipelines<br />

voranzutreiben (siehe auch Beitrag aai Pharma in Kapitel 4.2).<br />

Die gegenwärtige Diskussion zum Thema Interaktion zwischen<br />

Pharma und Biotech wird allzu oft reduziert auf Partnerschaften<br />

zur gemeinsamen Entwicklung von Medikamenten. Die damit<br />

einhergehenden Probleme wurden bereits hinlänglich diskutiert.<br />

Neuerdings reift aber vor allem bei sehr kleinen Biotech-<br />

Unternehmen die Erkenntnis, dass zur Sicherung des Überlebens<br />

auch Dienstleistungen entsprechende Beiträge leisten<br />

können. In diesem Zusammenhang wird die Pharma-Wertschöpfungskette<br />

wieder aus einem anderen Blickwinkel<br />

betrachtet und mögliche Kooperationen mit Pharma auf<br />

breiterer Ebene ins Auge gefasst.<br />

E RFOLGSFAKTOR „WERTSCHÖPFUNGSNETZ“<br />

Abbildung 3-15:<br />

Kooperationsmöglichkeiten in der Pharma-Wertschöpfungskette<br />

Forschung<br />

Präkl.<br />

Forschung<br />

Outsourcing-Bereiche Pharma<br />

Entsprechend bietet auch der in der Pharmaindustrie<br />

zunehmende Trend zum „Outsourcing“ deutlich mehr Möglichkeiten<br />

der Zusammenarbeit beispielsweise auf den Gebieten der<br />

Targetforschung, der Identifizierung und Optimierung von Leitstrukturen,<br />

der präklinischen Forschung (Tiermodelle, Toxizitätsanalysen),<br />

der Diagnostik bis hin zur Produktion von<br />

Biologicals. Selbstverständlich ist diese Art der Zusammenarbeit<br />

nicht neu; es ist dennoch wichtig, dass sie wieder stärker<br />

ins Bewusstsein gerückt und besonders von den kleinen<br />

Biotech-Unternehmen intensiver betrieben wird.<br />

Wenngleich diese servicebasierten Geschäftsmodelle nicht mit<br />

den erhofften Traummargen einer Medikamentenentwicklung<br />

mithalten können, so sind sie sehr wohl in der Lage, essentielle<br />

Beiträge zum Überleben zu leisten und damit als Basis für ein<br />

Anschluss-Wachstum in wirtschaftlich besseren Zeiten zu<br />

dienen.<br />

Formulierung Klinik I Klinik II Klinik III Produktion Marketing Vertrieb Distribution<br />

Kooperationsfelder Biotech<br />

Technologie/Service Produkte<br />

84 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


4. Finanzierung und Kapitalmarkt<br />

4.1 Biotech-Investoren im Blickfeld<br />

Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde eine Umfrage unter<br />

Investoren durchgeführt, die Beteiligungen an Biotech-Unternehmen<br />

halten.<br />

Fragen zur Firmen- bzw. Investitionsstruktur umfassten dabei<br />

die Faktoren Kapitalquelle, Fundraising, bevorzugter Exit, Art<br />

und Ziel der Investition sowie Investitionsaktivitäten in Biotechnologie<br />

explizit im Jahre 2003.<br />

Zum Punkt Kapitalquelle gibt nachfolgende Abbildung 4-1 eine<br />

Übersicht.<br />

Im Jahresvergleich haben sich hier sichtbare Verschiebungen<br />

nur bei den Privatinvestoren ergeben. Ansonsten machen nach<br />

wie vor institutionelle Investoren als Geldgeber den größten<br />

Anteil aus, gefolgt von öffentlichen bzw. staatlichen Kapitalquellen.<br />

Insgesamt der geringste Anteil wird von strategischen<br />

Investoren (in der Regel Industrieunternehmen als Geldgeber)<br />

gestellt.<br />

Abbildung 4-1:<br />

Kapitalquellen des Investorensamples<br />

institutionelle Investoren<br />

öffentlich/staatlich<br />

private Investoren<br />

sonstige Quellen<br />

strategische Investoren<br />

0<br />

7<br />

6<br />

7<br />

14<br />

18<br />

21<br />

28<br />

29<br />

34<br />

36<br />

2002<br />

2003<br />

10 20 30 40<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Lediglich zwei der antwortenden 35 Investoren haben im Jahr<br />

2003 einen neuen Fonds aufgelegt. So gelang es beispielsweise<br />

dem EMBL-Fonds mit einer Summe von eingeworbenen 25<br />

Millionen € die ursprünglich geplanten 17 Millionen € sogar zu<br />

übertreffen.<br />

Das soll nicht heißen, dass der Wille dazu bei anderen Gesellschaften<br />

nicht vorhanden war, jedoch verspürten diese eine der<br />

allgemeinen Wirtschaftslage entsprechende zurückhaltende<br />

Investitionsbereitschaft der Fonds-Investoren. Insbesondere die<br />

allgemeine Zurückhaltung des Bankensektors gestalteten das<br />

Fundraising schwierig. So ist das Fundraising in 2003 auch für<br />

namhafte VC-Investoren noch kritischer geworden. Obwohl in<br />

den USA bereits wieder stark investiert wird, passt sich Europa<br />

dieser Entwicklung nur langsam an. Da die Geldgeber einen<br />

gewissen „Track-Record“ für ihre Investments verlangen,<br />

stecken viele VC-Gesellschaften wegen der nicht vorhandenen<br />

Exit-Möglichkeiten in einer Zwickmühle. Die Latte der Anforderungen<br />

liegt hoch. Auf Grund des verschlossenen Kapitalmarktes<br />

sind manche Investoren dennoch erfolgreich dazu<br />

übergangen, einen Exit über den Verkauf der Beteiligung an<br />

einen strategischen Käufer (Trade Sale) zu erzielen (siehe auch<br />

Abbildung 4-2).<br />

Nachdem der Trade Sale als bevorzugter Exit bereits im Jahr<br />

2002 an Attraktivität gegenüber dem Börsengang (IPO: Initial<br />

Public Offering) gewonnen hatte (im Jahr 2001 lagen beide<br />

Exitmöglichkeiten gleichauf), hat sich dessen Beliebtheit im<br />

vergangenen Jahr nochmals erhöht. So bevorzugen 89 Prozent<br />

der antwortenden Investoren einen Exit über Trade Sale, im Jahr<br />

2002 lag dieser Anteil noch bei 86 Prozent.<br />

Dennoch würden die Investoren nach wie vor auch gern einen<br />

Exit über den Börsengang sehen. Diese Option wurde am<br />

zweithäufigsten genannt.<br />

85


Abbildung 4-2:<br />

Bevorzugter Exit der Investoren im Jahresvergleich<br />

IPO<br />

Trade Sale<br />

Buy Back/MBO/MBI<br />

institutioneller Investor<br />

anderes<br />

3<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

10<br />

11<br />

12<br />

18<br />

0 20<br />

B IOTECH-INVESTOREN IM B LICKFELD<br />

40 60 80<br />

Anteil der Investoren in % (Mehrfachnennungen möglich)<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

Anteilsmäßig drückt sich das folgendermaßen aus: 74 Prozent<br />

der Investoren würden ihre Beteiligung gerne an der Börse<br />

veräußern. Im Vergleich zum Jahr 2002 ist hier ein sprunghaft<br />

erstarktes Interesse zu erkennen. Dies hängt sicher damit<br />

zusammen, dass in den USA bereits seit letzten Herbst wieder<br />

Biotech-Börsengänge erfolgten. Die Hoffnung besteht daher,<br />

dass sich diese Bewegung ebenfalls auf den europäischen und<br />

auch deutschen Kapitalmarkt auswirkt. Allerdings ist es den<br />

Investoren auch möglich, einen Exit in den USA anzustreben.<br />

Da die Portfolios vieler Gesellschaften, insbesondere bei international<br />

tätigen Investoren, zur Risikostreuung auch mit nichtdeutschen<br />

Firmen bestückt sind, ist ein Exit an ausländischen<br />

Börsensegmenten geplant. So ist aus obiger Abbildung ebenfalls<br />

ersichtlich, dass drei Viertel der Investoren ein nichtdeutsches<br />

Börsensegment bevorzugen.<br />

Mit der allgemeinen Zurückhaltung der Banken geht auch der<br />

deutlich rückläufige Verkauf von Beteiligungen an institutionelle<br />

Investoren einher (siehe Abbildung 4-2): Hier sehen im<br />

Vergleich zu 2002 mit 18 Prozent lediglich noch sechs Prozent<br />

der Investment-Gesellschaften eine geeignete Exit-Option.<br />

61<br />

75<br />

74<br />

77<br />

86<br />

89<br />

Dagegen wird mit 11 Prozent Anteil die Exitmöglichkeit über<br />

Buy Backs (Rückkauf durch Altgesellschafter), MBOs<br />

(Management-Buy-Out) und MBIs (Management-Buy-In) eher<br />

favorisiert.<br />

Dass die befragten Investoren auch in nichtdeutsche Firmen<br />

investieren, wurde bereits erwähnt. Mit der Möglichkeit der<br />

Mehrfachnennung gaben 46 bzw. 34 Prozent der Investment-<br />

Gesellschaften an, auch Anteile an Unternehmen aus dem<br />

europäischen bzw. nichteuropäischen Ausland zu halten. Da die<br />

Auswahl der angeschriebenen Investoren danach erfolgte, dass<br />

sie in deutschen Firmen beteiligt sind, liegt dieser Anteil<br />

zwangsläufig bei 100 Prozent. Fast die Hälfte davon gehen<br />

jedoch rein deutsche Beteiligungen ein. Dagegen beläuft sich<br />

der Anteil an Investoren, die nur zu weniger als 50 Prozent in<br />

deutsche Firmen investieren, auf lediglich sechs Prozent.<br />

Bei der Art der Investitionen liegt die deutliche Mehrheit bei<br />

offenen Beteiligungen (94 Prozent), wobei immerhin fast drei<br />

Viertel der Investoren ausschließlich auf offene Beteiligungen<br />

setzen. Insgesamt geben knapp ein Drittel der befragten<br />

Gesellschaften auch stille Beteiligungen als Investitionsart an.<br />

Interessanterweise sind bei den 33 Investoren, die offene<br />

Beteiligungen eingehen, immerhin fast 40 Prozent dabei, die<br />

nur Minderheitsbeteiligungen halten.<br />

57 Prozent der Investoren schlossen im letzten Jahr auch Erstfinanzierungen<br />

ab, 71 Prozent meldeten Folgefinanzierungen.<br />

86 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

100<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Bevorzugtes Börsensegment<br />

NASDAQ<br />

27 %<br />

LSE<br />

18 %<br />

AIM<br />

11 %<br />

TecDAX<br />

26 %<br />

SWX<br />

18 %<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004


Nur drei Investoren tätigten nur Erstinvestments und acht nur<br />

Folgeinvestments in Biotech-Unternehmen. 17 Investment-<br />

Gesellschaften verfolgten im vergangenen Jahr eine zweigleisige<br />

Strategie von Erst- und Folgeinvestments. Der höhere<br />

Anteil an Folge-Investments überrascht nicht, waren doch zahlreiche<br />

Biotech-Firmen darauf angewiesen, von ihren Investoren<br />

weiterfinanziert zu werden.<br />

Abbildung 4-3 gibt einen Überblick über die größten Hemmnisse<br />

für Neuinvestitionen und somit wichtige Entscheidungskriterien<br />

von Investoren. Danach wird fehlende Qualität des<br />

Managements als das größte Investitionshindernis angesehen.<br />

Danach folgen eine fehlende Alleinstellung bzw. Innovation der<br />

Technologie sowie ein inkonsistentes Geschäftskonzept.<br />

Weitere Barrieren mit noch mittlerer Bedeutung sind nach<br />

Einschätzung der Investoren zu hoher Kapitalverbrauch, die<br />

Kapitalmarktlage, fehlende Produkt-Pipeline, zukünftiger<br />

Kapitalbedarf, fehlende Marktpositionierung, bestehende<br />

Unternehmensbewertung, fehlender Patentschutz, fehlendes<br />

Kapital bei den Investoren selbst sowie ein zu weit entfernter<br />

Break-Even.<br />

Abbildung 4-3:<br />

Ranking von Investitionshemmnissen<br />

Fehlende Business-Development-Aktivitäten sowie fehlende<br />

klinische Studienergebnisse stellen ebenfalls Investitionshemmnisse<br />

dar, die von der Bedeutung her zwar nicht mehr<br />

gleichauf mit den Vorgenannten liegen, dennoch aber durchaus<br />

noch eine Rolle bei den Entscheidungen der Investoren spielen.<br />

Der geringste Einfluss kommt den Aussagen der Investoren<br />

zufolge der zukünftigen Verwässerung, der bestehenden<br />

Gesellschafter- bzw. Kapitalstruktur, der Gesetzgebung, einem<br />

fehlenden Lead-Investor sowie fehlendem Umsatz zu.<br />

Neben diesen Investitionshemmnissen gibt es weitere Punkte,<br />

die bei der Selektion von Investments von den Investoren als<br />

wichtig erachtet werden. So wurde zum Beispiel die Fähigkeit<br />

der Zielfirmen angeführt, „Konsolidierungschancen oder einen<br />

strategischen Fit mit anderen Biotech-Unternehmen zu haben“.<br />

Auch der Reifegrad des Unternehmens (Time-to-Market), eine<br />

klare Vision und ein solides Business-Modell mit eindeutigen<br />

zeitlichen Meilensteinen wird favorisiert. Investitionen werden<br />

bevorzugt in Konsortien mit kleineren Investitionsbeträgen<br />

getätigt. Ganz klar war darüber hinaus im vergangenen Jahr die<br />

weitere Tendenz zu Spätphasenfinanzierung mit der Folge von<br />

weniger Frühphasenprojekten.<br />

Hier lässt sich die Frage stellen, ob die Investoren damit nicht<br />

relativ kurzfristig denken und Investitionen in die Zukunft<br />

verfehlen. Gleichwohl ist hier zu berücksichtigen, dass auf<br />

Grund der fehlenden Exitmöglichkeiten die existierenden Mittel<br />

vorrangig für das bestehende Portfolio aufgewendet werden<br />

müssen.<br />

fehlende Qualität des Managements 3,61<br />

fehlende Alleinstellung/Innovation der Technologie 3,16<br />

inkonsistentes Geschäftskonzept 2,74<br />

zu hoher Kapitalverbrauch 2,48<br />

Kapitalmarktlage 2,45<br />

fehlende Produkt-Pipeline 2,40<br />

zukünftiger Kapitalbedarf 2,40<br />

fehlende Markpositionierung 2,35<br />

Unternehmensbewertung 2,35<br />

fehlender Patentschutz 2,34<br />

fehlendes Kapital 2,33<br />

Break-Even zu weit entfernt 2,33<br />

fehlende Business-Development-Aktivitäten 2,12<br />

fehlende klinische Studienergebnisse 1,98<br />

zukünftige Verwässerung 1,82<br />

bestehende Kapital-/Gesellschafterstruktur 1,80<br />

Gesetzgebung 1,77<br />

fehlender Lead-Investor 1,69<br />

fehlender Umsatz<br />

1,65<br />

1,00 2,00<br />

3,00<br />

4,00<br />

unbedeutend = 1<br />

bedeutend = 6<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

87


Dr. Joachim Rautter, Director Investmentmanagement<br />

PEPPERMINT. Financial Partners, Berlin<br />

Die Notwendigkeit von Frühphasenfinanzierungen<br />

B IOTECH-INVESTOREN IM B LICKFELD<br />

„Ihr Konzept finden wir sehr spannend, allerdings wäre es gut, wenn sie mindestens<br />

einen Produktkandidaten in der Klinik hätten. Wir würden uns daher ihr Projekt gerne<br />

dann wieder anschauen.“<br />

Auf ähnliche Aussagen trafen im vergangenen Jahr viele Unternehmen mit viel versprechenden<br />

Technologieplattformen oder präklinischen Produktportfolios. Im gegenwärtigen<br />

Marktumfeld ist es selbst für gute Konzepte schwer, VC-Investoren zu gewinnen.<br />

Dahinter steht der seit 2001 anhaltende Trend einer Verschiebung des Investmentfokus<br />

zugunsten von späteren Phasen. Während in 2000 noch die Hälfte aller VC-Engagements<br />

Erstinvestments waren, dominieren heute Folgeinvestments mit ca.<br />

80 % das Geschehen in Deutschland. Die Ursachen dieser Entwicklung<br />

sind vielfältig. Im Wesentlichen sind sie jedoch in früheren<br />

Fehlentwicklungen und den daraus resultierenden wirtschaftlichen<br />

Zwängen für Investoren zu suchen.<br />

Warum werden heute so wenig Frühphasenfinanzierungen getätigt ?<br />

Hauptgrund ist, dass in den Boomjahren durch die hohe Verfügbarkeit<br />

von Venture Capital und Fördermitteln zu viele, teilweise nicht<br />

tragfähige Geschäftsmodelle ohne klaren USP auf den Weg gebracht<br />

wurden. Im Ergebnis mussten alle VCs mit Randbedingungen und<br />

Finanzierungsstrukturen aus diesen Boomzeiten-Deals zurechtkommen,<br />

die im Lichte eines realistischen Marktes oft wenig Sinn<br />

machten.<br />

Erschwerte Exitbedingungen sowie der schnelle Aufbau von umfangreichen Portfolios<br />

hat bei vielen VCs zu einem Engpass an Mitteln geführt, so dass die Stabilisierung des<br />

eigenen Portfolios an Priorität gewinnt. Die Knappheit an verfügbarem Kapital verbunden<br />

mit zu hohen Bewertungen hat die gefürchteten Down-Rounds und eine neue<br />

Schärfe in der Anwendung von Investorenschutzrechten zur Folge. Daraus ist ein Klima<br />

der Unsicherheit erwachsen, das deutlich über die Vermeidung der inhärenten Risiken<br />

bei Frühphaseninvestments hinausgeht.<br />

Verstärkt wird diese Abkehr noch durch die Konsolidierung der VC-Branche. Neben dem<br />

Verschwinden meist kleinerer Fonds bauten auch große Player Personal ab und<br />

schlossen Büros in Deutschland. Frühphasenengagements sind jedoch sehr arbeitsintensiv,<br />

da notwendige Strukturen im Unternehmen etabliert werden müssen. Die<br />

notwendige, enge, strategische Begleitung erfordert bei einem Investor sowohl die<br />

Bereitschaft als auch die Fähigkeit eine entsprechende Hands-on-Betreuung für<br />

Unternehmen vor Ort zu gewährleisten. Alles zusammen hat den Trend zu Spätenphaseninvestments<br />

so verstärkt, dass in den letzen Jahren das Pendel zu weit in die entgegengesetzte<br />

Richtung ausgeschlagen ist.<br />

Gibt es einen Seed-Gap?<br />

Aufgrund der Kapitalmarktlage herrscht nach wie vor ein hoher Selektionsdruck bei VC-<br />

Gesellschaften. Institutionelle Investoren, die in VC-Fonds im Early-Stage-Bereich<br />

investieren, sind momentan rar und sehr selektiv. Zu groß waren die Verluste, die in der<br />

Vergangenheit erlitten wurden. Selbst für etablierte VC-Gesellschaften mit exzellentem<br />

Ruf ist es gegenwärtig schwer, neue Fonds in diesem Segment aufzulegen. Dies führt zu<br />

klaren Angebotslücken. Am stärksten unterversorgt ist die Seed-Phase, denn hier<br />

brauchen Investoren einen langen Atem, tiefe Taschen und speziell bei Unternehmen im<br />

Bereich des Drug Developments, die Bereitschaft ein hohes Entwicklungsrisiko mitzutragen.<br />

So gelingt es auch nur wenigen Neugründungen aus dem Biotech-Bereich in Deutschland,<br />

eine erfolgreiche Finanzierung zu erhalten. Neben staatlichen Programmen spielen<br />

heute regionale Beteiligungsgesellschaften der Sparkassen oder Landesbanken hier<br />

eine wichtige Rolle. VC-Runden dagegen sind selten zu<br />

beobachten. Selbst Unternehmen mit eindeutigen Alleinstellungsmerkmalen<br />

und neuartigen Therapieansätzen<br />

haben in diesem Umfeld nur eine Chance, wenn<br />

es ihnen gelingt, früh im Prozess einen Leadinvestor zu<br />

begeistern. Dies gelang im vergangenen Jahr nur wenigen<br />

Unternehmen wie den MPG-Ausgründungen JadoLabs<br />

(Dresden) und NeuroNova (München).<br />

Wer finanziert heute die Spätphasen von morgen?<br />

Deutlich gestiegene Qualitätsanforderungen von Investoren<br />

sind natürlich grundsätzlich zu begrüßen. Mit Aussagen<br />

wie „das regelt der Markt“ oder „gute Projekte<br />

finden auch einen Investor“ macht man es sich aber zu<br />

einfach. Denn Investoren finden für Frühphaseninvestments im Moment ideale Bedingungen<br />

vor. Hohe Barrieren sorgen für motivierte Gründerteams, daneben ist erfahrenes<br />

Management aus der ersten „Gründungswelle“ verfügbar. Attraktive Bewertungen und<br />

geringe Konkurrenz bieten hohe Chancen. Dafür ist jedoch mehr Mut zu antizyklischem<br />

Verhalten seitens der institutionellen Investoren und VC-Gesellschaften erforderlich.<br />

Um für eine nachhaltige Entwicklung der deutschen Biotechnologie zu sorgen, müssen<br />

diese denn auch auf den eigenen Nachschub achten, da es sonst langfristig kaum<br />

Unternehmen geben wird, in deren Spätphase man investieren kann.<br />

Dies wurde auch von der Bundesregierung und dem European Investment Fund erkannt.<br />

Um die Fundraising-Chancen im Frühphasenbereich zu erhöhen, sollen mit dem neuen<br />

EPR-EIF-Dachfonds in den nächsten 5 Jahren 500 Mio. € in VC-Fonds investiert werden.<br />

Nun bleibt zu hoffen, dass private Investoren sich auch daran erinnern, dass der Early-<br />

Stage-Bereich im Branchendurchschnitt der vergangenen 20 Jahre die besten Renditen<br />

geliefert hat. Erstes Indiz für eine Trendwende ist vielleicht der Erfolg von immatics<br />

(Tübingen), der im Februar 2004 die größte Erstrundenfinanzierung eines deutschen<br />

Biotechunternehmens seit 2002 gelang.<br />

www.peppermint-vc.de<br />

88 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Tabelle 4-1:<br />

Investorensample<br />

Investorenname www<br />

Aurelia Private Equity www.aurelia-pe.de<br />

BayTech Venture Capital www.btvc.de<br />

BioM www.bio-m.de<br />

BioMed Venture www.biomed-venture.de<br />

bm-t beteiligungsmanagement<br />

thüringen www.bm-t.com<br />

Breslin Biotech www.breslin.ch<br />

DEWB www.dewb-vc.com<br />

DVC Deutsche Venture Capital www.dvcg.de<br />

Earlybird www.earlybird.com<br />

EMBL Technology Fund www.embl-ventures.com<br />

First Ventury www.firstventury.com<br />

Global Life Science Ventures www.glsv-vc.com<br />

Grazia Equity www.grazia-equity.de<br />

HBM BioVentures www.hbmbioventures.com<br />

Heidelberg Innovation www.hd-innovation.de<br />

HypoVereinsbank www.hvb.de<br />

IBB www.ibb-bet.de<br />

Investorenname www<br />

LeVenture www.leventure.de<br />

LSP www.lspvc.com<br />

MBG Baden-Württemberg www.mbg.de<br />

MBG Hessen www.mbg-hessen.de<br />

MBG Schleswig-Holstein www.mbg-sh.de<br />

Mulligan BioCapital www.mulliganbio.com<br />

Nextech Venture www.nextechventure.com<br />

Park Venture Private Equity www.parkventure.de<br />

PEPPERMINT www.peppermint-vc.de<br />

PolyTechnos Venture-Partners www.polytechnos.com<br />

SWG www.swgmbh.de<br />

SEED www.seed-gmbh.de<br />

SHS www.shsvc.net<br />

S-Refit www.s-refit.de<br />

Süd Venture Capital www.suedvc.de<br />

VCM www.vcm-capital.de<br />

Wellington www.wellington.de<br />

LEA www.l-bank.de Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Weitere wichtige Punkte im Bereich der Finanzierung von<br />

Biotech-Unternehmen, die von den Investoren genannt wurden,<br />

umfassen zum Beispiel die Notwendigkeit einer geschlossenen<br />

Kette „Geldgeber – VC-Gesellschaft – Zielunternehmen - Exit“,<br />

bei der kein Einzelglied ausfallen darf, da sonst die gesamte<br />

Kette bricht. Dies bedeutet eine Kapitalausstattung des<br />

Investorenkreises, die auch für Folgeinvestitionen reicht, sowie<br />

starke Investorensyndikate und reputable Co-Investoren. Ferner<br />

ist bei den Biotech-Firmen selbst ein aktiver und erfahrener<br />

Aufsichtsrat/Beirat essentiell.<br />

Insgesamt werden folgende Trends gesehen:<br />

• Das Closing von Finanzierungsrunden wird schwieriger.<br />

• Viele Firmen, auch gute, sind unterkritisch finanziert.<br />

• Spin-offs werden ins Auge gefasst.<br />

• Restrukturierung der VC-Branche erfolgt ebenfalls.<br />

• Realistische Einschätzung des totalen Finanzierungsvolumens.<br />

• Wenige Unternehmen werden große Finanzierungsrunden<br />

erreichen.<br />

• Indikatoren für gestiegene Finanzierungsbereitschaft sind<br />

bereits sichtbar.<br />

• Keine frühen Wirkstoffentwicklungen; Fokus auf Med-Tech<br />

und Applikationen.<br />

• Spreu trennt sich vom Weizen; mehr ernsthafte IPO-<br />

Vorbereitungen.<br />

• Mehr erfolgsabhängige Bewertungen.<br />

89


4.2 Die Finanzierung der Biotech-Firmen<br />

Nicht alle der Biotech-Unternehmen sind auf eine externe<br />

Finanzierung angewiesen. Dieses Resultat erbrachte die Frage<br />

an die Core-Biotech-Firmen nach ihrer Finanzierungsphase. So<br />

trifft diese Frage für knapp ein Drittel der antwortenden<br />

Unternehmen nicht zu, da sie sich bereits am Markt befinden<br />

und ihn als Finanzierungsquelle nutzen (siehe Abbildung 4-4).<br />

Angesichts der weiterhin angespannten externen Finanzierungssituation<br />

in der Branche ist dies ein erfreulicher Anteil. Die<br />

Frage stellt sich, wie sich die restlichen Firmen finanzieren,<br />

wenn lediglich – wie bereits dargestellt – insgesamt ein weiteres<br />

knappes Drittel der Firmen mit Risikokapital finanziert sind.<br />

Neben der Marktpräsenz und der reinen VC-Finanzierung<br />

nutzen die Biotech-Unternehmen ebenfalls Privatvermögen,<br />

strategische Investoren sowie Fördergelder als Finanzierungsquelle.<br />

Auch hier kann dann von verschiedenen Finanzierungsphasen<br />

bzw. -runden gesprochen werden.<br />

Der geringste Anteil an Firmen ist börsennotiert (fünf Prozent),<br />

jeweils knapp 10 Prozent entfällt auf Unternehmen in der<br />

Gründungs- und in späteren Finanzierungsphasen. Mit je rund<br />

einem Viertel sind diejenigen Firmen vertreten, die bereits eine<br />

erste oder zweite Finanzierungsrunde vollzogen haben.<br />

Abbildung 4-4:<br />

Finanzierungsphase der Sample-Unternehmen<br />

Alle<br />

nicht zutreffend/<br />

Markt<br />

29 %<br />

börsennotiert<br />

5 %<br />

spätere<br />

Finanzierungsrunde<br />

9 %<br />

Gründung/<br />

vor VC-Finanzierung<br />

9 %<br />

nach 1.<br />

Finanzierungsrunde<br />

23 %<br />

nach 2.<br />

Finanzierungsrunde<br />

25 %<br />

In der Gruppe der VC-finanzierten Biotech-Unternehmen<br />

entfällt der größte Anteil auf Firmen nach einer zweiten<br />

Finanzierungsrunde, gefolgt von denjenigen nach einer Erstrunde.<br />

Der Anteil an bereits in späteren Finanzierungsphasen<br />

stehenden Unternehmen beläuft sich auf 24 Prozent und hat<br />

durch einige erfolgte „Later-Stage“-Finanzierungen im vergangenen<br />

Jahr zugenommen.<br />

Ebenfalls hat der Anteil an Firmen nach zweiter Runde<br />

zugenommen, da auch diese im Jahr 2003 von den Investoren<br />

zu Ungunsten der Erstrundenfinanzierungen favorisiert wurden.<br />

Es bleibt zu hoffen, dass der Anteil an Biotech-Firmen, die sich<br />

über den Markt finanzieren können, in Zukunft zunehmen wird.<br />

Wie im vorangegangenen Kapitel 3 dargestellt, existiert bereits<br />

eine gewisse Anzahl Unternehmen, die in den kommenden<br />

Jahren eine Produkteinführung und damit einen Marktzugang<br />

planen. Allerdings heißt das Operieren am Markt nicht immer<br />

auch, dass ein Unternehmen bereits unabhängig von weiteren<br />

Finanzierungsquellen ist. Denn erst das Erreichen des „Break-<br />

Evens“, also der Gewinnzone, sichert den Unternehmen eine<br />

gewisse Unabhängigkeit. Die befragten Firmen gaben in diesem<br />

Rahmen auch Auskunft darüber, wann sie glauben, den Break-<br />

Even zu erzielen.<br />

VC-finanziert<br />

Gründung<br />

2 %<br />

spätere<br />

Finanzierungsrunde<br />

24 % nach 1.<br />

Finanzierungsrunde<br />

31 %<br />

nach 2.<br />

Finanzierungsrunde<br />

43 %<br />

90 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004


Neben den 20 Prozent der befragten Core-Biotech-Unternehmen<br />

in Deutschland, die bereits Gewinn erzielen und somit<br />

den Break-Even bereits erreicht haben, erhofft sich ein nicht<br />

ganz so großer Anteil (15 Prozent) die Überschreitung der<br />

Gewinnschwelle für dieses Jahr. Über die Hälfte der antwortenden<br />

Firmen glaubt darüber hinaus, die Gewinnzone innerhalb<br />

der nächsten drei Jahre erzielen zu können. Darunter befinden<br />

sich wiederum zur Hälfte VC-finanzierte Biotech-Unternehmen,<br />

von denen fast 70 Prozent Therapeutikaentwicklung<br />

betreiben. Diese Erwartungen könnten fast optimistisch<br />

stimmen und wären auf jeden Fall ein Signal für die Erstarkung<br />

der deutschen Biotech-Branche.<br />

Das Erreichen der Gewinnzone würde für die investierten VC-<br />

Gesellschaften jedoch nicht zwangsläufig einen Exit bedeuten.<br />

Allerdings erhöhen sich dementsprechend die Chancen eines<br />

Trade Sales oder eines Börsenganges der Portfolio-Firmen.<br />

Im Moment ist ein solcher Status jedoch noch nicht erreicht<br />

und viele Firmen sind weiterhin auf externe Eigenkapitalquellen<br />

angewiesen. Auf Grund nicht statt gefundener Börsengänge<br />

im vergangenen Jahr nimmt dabei das Risikokapital<br />

wiederum die bedeutendste Stellung ein. Mit einer Summe von<br />

216 Millionen € erhöhte sich das in deutsche Core-Biotech-<br />

Firmen investierte VC-Kapital im Jahresvergleich sogar<br />

geringfügig (siehe Abbildung 4-5).<br />

Abbildung 4-5:<br />

Aufgenommenes Eigenkapital im Jahresvergleich (€ Mio.)<br />

1.600 2000<br />

2001<br />

1.400 2002<br />

2003<br />

1.200<br />

1.000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

565 525<br />

207 216<br />

VC-Kapital<br />

655<br />

23 0<br />

IPO<br />

153<br />

0 1<br />

Follow-on<br />

Bei allen Angaben sind nur deutsche Core-Biotech-Unternehmen berücksichtigt.<br />

0<br />

3<br />

1373<br />

Zusammen mit der Kapitalerhöhung eines bereits börsennotierten<br />

Unternehmens (Follow-on) wurde somit im Jahr 2003<br />

ein Betrag von 219 Millionen € Eigenkapital von den deutschen<br />

Core-Biotech-Firmen eingenommen. Das Niveau von 2002<br />

wurde somit leicht überschritten, die Beträge der Boomjahre<br />

2000 und 2001 blieben jedoch unerreicht.<br />

Abbildung 4-6:<br />

VC-Finanzierung der Core-Biotech-Unternehmen seit 1996<br />

Mio. €<br />

VC-Finanzierung<br />

Ohne die Boomjahre wäre – wie aus Abbildung 4-6 ersichtlich<br />

– die Entwicklung bei der Risikokapitalfinanzierung der Biotech-Firmen<br />

recht konstant gewesen.<br />

Vielleicht wäre eine solche Entwicklung<br />

für die Branche insgesamt nachhaltiger<br />

gewesen, da nicht so viele Erwartungen<br />

geweckt worden wären. Allerdings wären<br />

dann beispielsweise im Jahr 2001 auch<br />

Firmen wie Micromet, DeveloGen,<br />

Cellzome, Axxima, Graffinity, Munich<br />

Biotechnology, Xantos oder Jerini nicht<br />

mit je über 20 Millionen € unterstützt<br />

worden. Insgesamt summierte sich deren<br />

Finanzierung allein auf rund die Hälfte<br />

548<br />

des gesamten Risikokapitals in 2001.<br />

208 219<br />

Gesamt<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

21<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

61<br />

145<br />

175<br />

565<br />

525<br />

1996 1997 1998 1999 2000 2001<br />

207<br />

2002<br />

216<br />

2003<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

91


Die Anzahl der VC-Runden hat sich im vergangenen Jahr erneut<br />

reduziert. Ähnlich wie im Jahr 2001, konnte sich im Jahr 2003<br />

das durchschnittliche Finanzierungsvolumen bei gleichzeitig<br />

weniger Runden erhöhen. Es lag im Jahr 2003 bei 5,1 Millionen €<br />

und stieg von 4,3 Millionen € im Jahr 2002 an.<br />

Abbildung 4-7:<br />

Verteilung VC-Runden im Jahresvergleich<br />

Volumen (Mio. €)<br />

kleiner 5<br />

5 bis 20<br />

20 bis 35<br />

35 bis 50<br />

0<br />

0<br />

3<br />

4<br />

4<br />

5<br />

7<br />

0 10<br />

Anzahl VC-Runden an Gesamtzahl in %<br />

20 30 40<br />

Abbildung 4-7 zeigt die Finanzierungsrunden deutscher Core-<br />

Biotech-Unternehmen über die letzten Jahre nach Volumina.<br />

Danach ist der Anteil an Runden, die<br />

kleiner als fünf Millionen € liegen, deutlich<br />

gestiegen: von 65 Prozent im Jahr<br />

2002 auf 71 Prozent im Jahr 2003.<br />

Insgesamt nehmen diese kleinvolumigen<br />

Finanzierungsrunden somit auch den<br />

weitaus größten Anteil der Gesamtzahl<br />

ein. Im Bereich einer Finanzierungshöhe<br />

zwischen fünf und 20 Millionen € ist der<br />

Anteil an Runden dagegen im Jahresvergleich<br />

deutlich gesunken. Dafür hat<br />

sich der Anteil an Runden mit einem<br />

Volumen zwischen 20 und 35 Millionen €<br />

wieder erhöht.<br />

10<br />

17<br />

19<br />

21<br />

31<br />

D IE F INANZIERUNG DER B IOTECH-FIRMEN<br />

Mehr als 35 Millionen €, wie es in den Boomjahren der Fall<br />

war, wurde in den letzten beiden Jahren in keine deutsche<br />

Biotech-Firma investiert.<br />

Es zeigt sich somit deutlich, dass der Rückgang im mittleren<br />

Segment zugunsten des Anstieges der<br />

Anteile an kleineren und größeren<br />

Runden erfolgte. Die Tendenz besteht,<br />

dass sich der VC-Markt anscheinend in<br />

72<br />

viele kleinvolumige „Low-Risk-Invest-<br />

69<br />

ments“ und einige großvolumige Spät-<br />

65<br />

phaseninvestments bewegt.<br />

71<br />

Aufschlussreich ist zudem die Analyse der<br />

Core-Biotech-Risikokapitalfinanzierungen<br />

des Jahres 2003 nach Beteiligung von<br />

deutschen und internationalen Investoren.<br />

So hat sich der Anteil an internationalen<br />

Investoren im Jahresvergleich von 21 auf<br />

42 Prozent verdoppelt. Noch deutlicher<br />

wird die Erhöhung des Anteiles ausländischer<br />

VC-Gesellschaften bei Betrachtung<br />

von Runden mit einem Volumen von<br />

mehr als fünf Millionen €: der Anteil<br />

springt von 30 auf 65 Prozent.<br />

Dies ist sicher eine sehr erfreuliche<br />

Entwicklung, zeigt sie doch, dass das<br />

Potenzial deutscher Biotech-Firmen vermehrt<br />

auch von internationalen Investoren<br />

erkannt wird.<br />

92 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

50 60 70 80<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Abbildung 4-8:<br />

Herkunft der Investoren der VC-Runden im Jahresvergleich<br />

alle Runden<br />

Runden > 5 Mio.<br />

79 21<br />

58 42<br />

70<br />

35 65<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Anteil Investoren in %<br />

2002<br />

2003<br />

30<br />

deutsche Investoren<br />

internationale Investoren<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004


Dr. Ed Stuart, CBO U3 Pharma AG, München<br />

Zweitrundenfinanzierung mit internationaler<br />

Beteiligung in schwierigen Zeiten<br />

Eine besondere Herausforderung an das Management-Team eines nicht börsennotierten<br />

Biotech-Unternehmens ist die Beschaffung von Kapital in einer Zeit angespannter<br />

Finanzmärkte. In letzter Zeit fanden sich daher viele Businessmanager in Europa,<br />

vornehmlich in Deutschland, in einer scheinbar unendlichen „VC-Roadshow“ wieder.<br />

Als einer der größten Stolpersteine auf diesem Weg (zur Finanzierung) erwies sich die<br />

Skepsis der internationalen Finanzwelt gegenüber der deutschen Biotech-Industrie.<br />

Zumal viele ausländische Investoren glauben, dass eine erhebliche Diskrepanz zwischen<br />

der Höhe von Investitionen in die deutsche Biotechnologie und dem damit<br />

erwirtschafteten Gegenwert besteht. Tatsächlich sind die Finanzierungsinstrumente, die<br />

in den Anfängen der deutschen Biotech-Industrie eingesetzt<br />

wurden, bis heute nie optimiert worden. Wir sehen<br />

uns daher nun mit der Bewältigung der Folgen unkontrolliertem<br />

Wachstums der deutschen Branche konfrontiert,<br />

statt mit einem nachhaltig kontrollierten Aufbau.<br />

Diese Punkte geben für internationale Investoren wenig<br />

Anreiz, neue Investments in Deutschland zu tätigen.<br />

Demgegenüber steht der Kapitalbedarf der Industrie,<br />

der die vorhandenen Mittel übersteigt. Wie dem auch<br />

sei – jedes Management-Team muss Lösungen für<br />

seinen spezifischen Finanzierungsbedarf finden unter<br />

gleichzeitiger Berücksichtigung der Wertschaffung.<br />

Seit der Gründung im Jahre 2001 hat U3 Pharma erfolgreich zwei Finanzierungsrunden<br />

abgeschlossen und ca. 18 Millionen € eingespielt, das entspricht ungefähr 1 Mio. €<br />

pro Mitarbeiter. Das wurde in Zeiten eines enormen Konjunktureinbruchs der deutschen<br />

Biotech-Branche erreicht und durch die vier folgenden Prinzipien möglich:<br />

• Höchstmögliche Bündelung von Ressourcen in die Forschung und Entwicklung<br />

• Klare Fokussierung auf den Geschäftsplan und seine Erfüllung<br />

• Offene Kommunikation zwischen jetzigen und zukünftigen, neuen Investoren<br />

• Versprochen wird nur, was auch eingehalten werden kann.<br />

U3 Pharma profitierte dabei von Prof. Axel Ullrich’s weltweit renommierten wissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen, begleitet von einer sehr konsequenten Denkweise in Bezug auf<br />

Produktentwicklung und der Art und Weise wie diese Vision und dieses Engagement die<br />

gesamte Firma durchdringt. Unsere Herangehensweise an die Forschung und Entwicklung<br />

ist eine Kombination aus der Zusammenführung aller Schritte der Produktentwicklung:<br />

insbesondere hervorragende Wissenschaft, ein tiefes Verständnis für die<br />

Biologie, die einer Krankheit zugrunde liegt, sowie innovative Technologien und<br />

qualifizierte Mitarbeiter.<br />

Zudem existiert ein erfahrenes und international ausgerichtetes Management-Team, das<br />

hohe Glaubwürdigkeit in der Wissenschafts-, Medizin-, Geschäfts- und Finanzwelt<br />

genießt. Schließlich wurde ein spezielles Geschäftsmodell konzipiert, das den Wandel<br />

von Marktbedingungen berücksichtigt, ohne das Kernkonzept der Entwicklung von<br />

neuartigen Krebsmedikamenten aus den Augen zu verlieren. Während die Industrie in<br />

den vergangenen drei Jahren den allgemeinen Trends gefolgt ist – von Plattform über<br />

Hybriden zu Turbohybriden und „nur-produktorientiert“, hat U3 Pharma stets an seinen<br />

ursprünglichen Zielen festgehalten und Meilensteine erfüllt.<br />

Es ist Teil der Philosophie des Managements, eine konsistente und kontinuierliche<br />

Kommunikation mit den Investoren zu führen, um bisherigen Investoren Transparenz zu<br />

vermitteln und konstant am Aufbau der Beziehung zu neuen Investoren zu arbeiten. Das<br />

hat der Firma die Möglichkeit gegeben, sich auf die Finanzierung zu konzentrieren, ohne<br />

dabei das laufende Tagesgeschäft aus den Augen zu verlieren.<br />

Schlussendlich verlangen das Management und die Erfüllung von<br />

Investorenerwartungen, dass gegebene Versprechen eingehalten<br />

werden. Den Managern von U3 Pharma war von Anfang an klar, dass<br />

die Gewinnung zukünftiger neuer Geldgeber eng mit der Unterstützung<br />

bestehender Investoren verknüpft ist. Das wiederum konnte<br />

nur erreicht werden durch eine klare Darstellung der Verwendung von<br />

Einnahmen sowie einem verantwortungsvollen und Kosten-Nutzen<br />

effektiven Wachstum der Firma. Zudem wurde der Exit sowie der Weg<br />

dorthin klar definiert.<br />

Unter Verwendung dieser Prinzipien ist es U3 Pharma gelungen, die<br />

konjunkturelle Krise der Vergangenheit zu überstehen und im<br />

September 2003 eine Finanzierungsrunde über 13,25 Mio. €<br />

abzuschließen. Die Firma hat genügend Interesse bei drei neuen institutionellen<br />

Investoren geweckt: Atlas Venture, LCF Rothschild Venture Partners und Singapore EDB.<br />

Gemeinsam mit den bereits existierenden Investoren – unter der Führung von Alta<br />

Partners und allen anderen Aktionären – bilden sie eine solide Basis, auf der U3 Pharma<br />

seine neuen Therapeutika entwickeln kann.<br />

Tatsächlich gab es im Jahr 2003 in Deutschland wenig Aktivität bei Neuinvestitionen,<br />

Refinanzierungen beschränkten sich auf Brückenfinanzierungen. Seitdem jedoch<br />

Cellzome, Alantos und U3 Pharma den Abschluss ihrer Finanzierungsrunden bekannt<br />

gaben, besteht die Hoffnung, dass sich das Fenster für Neufinanzierungen langsam<br />

wieder öffnet und damit eine Erholungsphase eingeleitet wird. Das wird auch sicherlich<br />

geschehen, solange Firmen, in die bereits investiert wurde, echte Wertschaffung unter<br />

Beweis stellen können.<br />

www.u3pharma.com<br />

93


D IE F INANZIERUNG DER B IOTECH-FIRMEN<br />

Tabelle 4-2:<br />

Top-10-Venture-Capital-Runden deutscher Core-Biotech-Firmen im Jahr 2003<br />

Unternehmen Volumen Runde Bekanntgabe Lead Investor ausgewählte, weitere Investoren<br />

(Mio. €)<br />

Advent International, Atlas Venture, Heidelberg Innovation,<br />

INVESCO Private Index Ventures, Schroder Ventures Life Sciences,<br />

Cellzome AG 30 Series C März Capital Societe Generale Asset Management, Sofinnova Partners<br />

Oxford Bioscience ABN Amro Capital, Auriga Partners, Earlybird, Heidelberg<br />

Alantos Pharmaceuticals AG 24,1 2 Februar Partners Innovation, Schroder Ventures Life Sciences, Ventech<br />

3i Group, Abingworth Management, Deutsche Venture<br />

Epigenomics AG 21 Series C März Capital, MPM Capital, Wellcome Trust<br />

HBM Bioventures, IKB Venture Capital, Index Ventures,<br />

Ingenium TVM, Polaris Venture Schroder Ventures Life Sciences,<br />

Pharmaceuticals AG 13,8 3 Dezember Partners Sofinnova Partners<br />

Atlas Venture,<br />

LCFRothschild<br />

U3 Pharma AG 13,25 2 September Venture Partners Alta Partners, Bio M , Medicis Venture Management<br />

HBM Bioventures,<br />

MTM Laboratories AG 12 2 Oktober Wellington Partners Heidelberg Innovation<br />

Deutsche Venture<br />

4SC AG 9 3 Mai Capital 3i Group, BDW, Bio M , Mulligan BioCapital<br />

3i Group, NeoMed Management, S-VC RisikoKapital Fonds,<br />

Paion GmbH 8,3 3 Mai Vertex Management<br />

Biofrontera<br />

Pharmaceuticals AG 7,6 3 Juli Heidelberg Innovation 3i Group, LeVenture, Technomedia<br />

Antisense Pharma GmbH 6,5 2 April S-Refit<br />

Quelle: VentureOne, Ernst & Young 2004<br />

Tabelle 4-2 listet die zehn größten publizierten VC-Runden der<br />

deutschen Biotech-Industrie des vergangenen Jahres auf.<br />

Spitzenreiter war die Heidelberger Cellzome mit einer Zusage<br />

von 30 Millionen €. Das Kapital wird zur Intensivierung der<br />

Forschung und Entwicklung sowie zur Durchführung von<br />

Studien für einen „Proof of Concept“ verwendet. Immerhin<br />

wurde damit der gleiche Spitzenwert wie von der febit im Jahr<br />

2002 erzielt.<br />

Weitere Runden über 20 Millionen € konnten sich die<br />

Heidelberger Alantos Pharmaceuticals sowie die Berliner<br />

Epigenomics sichern. Neben den Spät-Runden von Cellzome<br />

und Epigenomics wurden „Later-Stage“-Finanzierungen von<br />

vier weiteren Unternehmen abgeschlossen:<br />

Ingenium Pharmaceuticals, 4SC, Paion und Biofrontera<br />

Pharmaceuticals.<br />

Unter den Top-10-Finanzierungen gab es immerhin noch vier<br />

Zweitrundenfinanzierungen. Die größte davon gelang mit 13<br />

Millionen € der U3 Pharma aus Martinsried, dicht gefolgt von<br />

der Heidelberger mtm Laboratories mit 12 Millionen €.<br />

Schließlich konnte auch die Regensburger Antisense Pharma<br />

eine zweite Finanzierungsrunde abschließen, die noch höher als<br />

fünf Millionen € lag.<br />

Bei den Top 10 knapp nicht dabei war die Finanzierung der neu<br />

gegründeten NeuroNova aus München. Sie konnte eine<br />

Seedfinanzierung über vier Millionen € mit der niederländischen<br />

VC-Gesellschaft Life Science Partners abschließen,<br />

die ein Büro in München unterhält.<br />

94 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Die NeuroNova wurde im vergangenen Jahr von Dr. Herbert<br />

Stadler mitgegründet, der seinerseits bereits 1997 die Gründung<br />

der Göttinger DeveloGen mitgetragen hat. Der Hauptgründer<br />

und wissenschaftliche Kopf, Prof. Dr. Florian Holsboer, kommt<br />

vom Münchener Max-Planck-Institut für Psychiatrie und<br />

bestimmt somit die Ausrichtung der NeuroNova auf innovative<br />

Therapien zerebraler Störungen.<br />

Zwei weitere Seed-Finanzierungen im vergangenen Jahr fielen<br />

mit einem Volumen von jeweils deutlich unter einer Million €<br />

sehr viel geringer aus. Dazu zählen die Marburger WonDrug<br />

Biosciences sowie die Scanbec aus Halle. Der Zellmembran-<br />

Spezialist JadoLabs aus Dresden konnte in einer Erstrunde eine<br />

Summe von 1,8 Millionen € vom VC-Konsortium<br />

PEPPERMINT, Dresden Fonds sowie einem Privatinvestor<br />

einwerben.<br />

Deutlich wird der geringe Anteil an Seed- und Erstrundenfinanzierungen<br />

ebenfalls in der Abbildung 4-9. Im Vergleich<br />

zum Jahr 2002 hat deren Anteil im vergangenen Jahr<br />

abgenommen. Besonders trifft dies für die Erstrundenfinanzierungen<br />

zu, die bezogen auf die Gesamtzahl an VC-<br />

Investments von einem Anteil von 39 Prozent im Jahr 2002 auf<br />

10 Prozent in 2003 gefallen sind.<br />

Abbildung 4-9:<br />

VC-Finanzierungsrunden nach Phasenschwerpunkt im Jahresvergleich<br />

Seed<br />

2. Runde<br />

Later Stage 11<br />

6<br />

8<br />

1. Runde 39<br />

10<br />

0 10<br />

11<br />

in % von Gesamtzahl<br />

15<br />

25<br />

33<br />

39<br />

49<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

54<br />

20 30 40 50 60<br />

Deutlich zulegen konnte dagegen im Jahresvergleich jeweils der<br />

Anteil an Zweitrunden- und „Later-Stage“-Finanzierungen.<br />

Insgesamt spielten diese die Hauptrolle bei der Anzahl an<br />

Biotech-VC-Runden. Diese Erkenntnis ist nicht weiter<br />

verwunderlich und stimmt mit den Aussagen der Investoren<br />

überein, sich auf spätere Phasen zu konzentrieren. Die VC-<br />

Gesellschaften versuchen, ihre Portfolio-Firmen mit Blick auf<br />

zukünftige Exit-Möglichkeiten weiter voranzubringen und<br />

attraktiver zu machen.<br />

Insbesondere der Bereich „Later Stage“, das heißt Finanzierungen<br />

ab der dritten Runde nahmen sowohl nach Anzahl als<br />

auch nach Volumen zu. So umfassen diese Art Finanzierungen<br />

über die Hälfte des investierten Gesamtbetrags an Risikokapital<br />

(siehe Abbildung 4-9 rechter Teil). Der zweitgrößte Anteil liegt<br />

volumenmäßig gesehen bei den Zweitrundenfinanzierungen.<br />

Die Seed- und Erstrundenfinanzierungen spielen dagegen wertmäßig<br />

kaum eine Rolle. Dies hängt zwangsläufig mit den<br />

geringen Beträgen derartiger Finanzierungsstadien zusammen.<br />

Jedoch ist erkennbar, dass im Jahresvergleich ein sehr<br />

deutlicher Einbruch beim Volumen der Erstrunden stattfand.<br />

Der Anteil ist von immerhin noch 29 bzw. 31 Prozent in den<br />

Jahren 2001 bzw. 2002 auf lediglich zwei Prozent im Jahr 2003<br />

gesunken.<br />

Seed<br />

2. Runde<br />

0<br />

1<br />

2<br />

1. Runde 31<br />

2<br />

Later Stage 28<br />

0 10<br />

in % vom Gesamtvolumen<br />

29<br />

29<br />

42<br />

40<br />

44<br />

52<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

20 30 40 50 60<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

95


Abbildung 4-10:<br />

VC-Finanzierungsrunden nach Segmenten im Jahresvergleich<br />

Therapeutika<br />

Plattform/<br />

Therapeutika<br />

Plattform/<br />

Service<br />

Diagnostika<br />

Tissue<br />

Engineering<br />

Drug-Delivery-<br />

Systeme<br />

0<br />

0<br />

3<br />

6<br />

10<br />

16<br />

in % von Gesamtzahl<br />

23<br />

23<br />

26<br />

2002<br />

2003<br />

Abbildung 4-10 veranschaulicht die Verteilung der Risikokapitalfinanzierungen<br />

der Jahre 2002 und 2003 auf verschiedene<br />

Segmente der Core-Biotech-Firmen. Der linke Teil zeigt<br />

dabei den Anteil an der Gesamtzahl an Runden, der rechte Teil<br />

den Anteil am Gesamtvolumen.<br />

In beiden Jahren lag sowohl beim Volumen als auch bei der<br />

Anzahl der Schwerpunkt der Investitionen bei Unternehmen,<br />

die mit oder ohne eigene Plattform Therapeutika entwickeln.<br />

Aus dem Vergleich der beiden Jahre 2002 und 2003 ergibt sich<br />

in dieser Gruppe, dass die Investoren die plattformbasierten<br />

Therapeutikaentwickler bevorzugen. Dies trifft sowohl für die<br />

Analyse nach der Gesamtzahl wie auch dem Gesamtvolumen<br />

zu. Vermutlich sehen die investierenden VC-Gesellschaften hier<br />

breitere Möglichkeiten, dass Produkte entwickelt werden<br />

können.<br />

Nach dem Therapeutika-Bereich folgen als zweitgrößter Anteil<br />

die Finanzierungen in Diagnostika-Firmen. Diagnostik kann<br />

zwar nicht die Returns der Therapeutika-Entwicklung bringen,<br />

ist jedoch dafür wesentlich marktnäher. Neben der Therapie<br />

wird zudem die Bedeutung der Diagnostik in Zukunft wachsen.<br />

39<br />

42<br />

D IE F INANZIERUNG DER B IOTECH-FIRMEN<br />

48<br />

48<br />

10 20 30 40 50<br />

Therapeutika<br />

Plattform/<br />

Therapeutika<br />

Plattform/<br />

Service<br />

Diagnostika<br />

Tissue<br />

Engineering<br />

Drug-Delivery-<br />

Systeme<br />

in % vom Gesamtvolumen<br />

So hat auch gemessen an der Gesamtzahl der VC-Runden der<br />

Anteil an Firmen zugelegt, die in der Diagnostikentwicklung<br />

tätig sind.<br />

Im Jahresvergleich ebenfalls deutlich zugelegt hat das Interesse<br />

der Investoren an Tissue-Engineering-Firmen, und zwar sowohl<br />

zahlen- als auch volumenmäßig. Damit steht diese Analyse ein<br />

wenig im Widerspruch zu den Ausführungen des Standes<br />

derartiger Unternehmen in Kapitel 2. Jedoch wird von den<br />

Investoren vermutlich damit gerechnet, dass sich die Marktakzeptanz<br />

entsprechender Produkte erhöhen bzw. die Problematik<br />

der Kostenerstattung lösen wird. Zumindest der Bedarf an<br />

solchen therapeutischen Konzepten scheint angesichts fehlender<br />

Behandlungsalternativen vorhanden.<br />

Firmen, die sich mit der Entwicklung von Drug-Delivery-<br />

Systemen beschäftigen, erhielten im vergangenen Jahr keine<br />

Risikofinanzierung. Der zahlenmäßige Anteil belief sich im<br />

Jahr 2002 immerhin auf noch sechs Prozent und lag damit höher<br />

als derjenige der Tissue-Engineering-Unternehmen.<br />

Wie bereits erwähnt, war die externe Finanzierung über Risikokapital<br />

die hauptsächliche Eigenkapitalquelle für die Biotech-<br />

Unternehmen im vergangenen Jahr. Mit der aufgeführten Problematik,<br />

dass die VC-Gelder nicht allzu üppig ausfielen, stellt<br />

sich die Frage nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten.<br />

96 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

0<br />

3<br />

2<br />

0<br />

9<br />

6<br />

7<br />

17<br />

21<br />

29<br />

28<br />

57<br />

65<br />

2002<br />

2003<br />

10 20 30 40 50 60 70<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004


Alternative Finanzierungsmöglichkeiten<br />

Die sicherlich am häufigsten diskutierte Alternative für die<br />

Aufnahme von Eigenkapital ist der Börsengang. Insbesondere<br />

aus Sicht der Investoren steht diese Alternative für eine der<br />

wichtigsten Ablösemöglichkeiten ihrer Engagements in Biotech-Firmen.<br />

Allerdings ließ die aktuelle Kapitalmarktlage in<br />

der jüngeren Vergangenheit keine Biotech-Börsengänge zu und<br />

der Zeitpunkt, wann sich diese Option<br />

wieder ergibt, kann derzeit noch nicht<br />

genau definiert werden.<br />

Daneben wurden von den befragten<br />

Investoren teilweise die Möglichkeiten<br />

der Wandelanleihen sowie „PIPE-Investments“<br />

genannt. In der US-Biotech-<br />

Branche sind diese Finanzierungsinstrumente<br />

bereits weit verbreitet. So konnte<br />

beispielsweise Amgen im Jahr 2002<br />

allein 2,5 Milliarden US$ über die Ausgabe<br />

von Wandelanleihen einnehmen.<br />

Auch die damalige IDEC Pharmaceuticals<br />

erhielt über dieses Finanzierungsinstrument<br />

einen noch recht hohen<br />

Betrag von 675 Millionen US$. Zu den<br />

insgesamt neun Finanzierungen über<br />

Wandelanleihen kamen im Jahr 2002 in<br />

der US-Biotech-Industrie bei den 16 Top-Finanzierungen noch<br />

sieben PIPEs.<br />

In der deutschen Biotech-Industrie spielen insbesondere PIPEs<br />

keine große Rolle, da lediglich fünf Prozent der Unternehmen<br />

börsennotiert sind. In den USA liegt der Anteil öffentlich<br />

gelisteter Biotech-Firmen dagegen bei 22 Prozent. Die größere<br />

Reife der US-Unternehmen ermöglicht auch eher den Einsatz<br />

von Wandelanleihen, die hierzulande höchstens in Form von<br />

Zwischenfinanzierungen mit geringen Volumina von VC-<br />

Gesellschaften abgeschlossen werden.<br />

Der überwiegende Teil der befragten Investoren gab daher auch<br />

an, keine alternativen Finanzierungsinstrumente neben dem<br />

klassischen Risikokapital einzusetzen und dies auch für die<br />

Zukunft nicht zu planen.<br />

Wie bereits erwähnt, nutzen die deutschen Biotech-<br />

Unternehmen neben VC und anderem Beteiligungskapital<br />

vornehmlich den Markt selbst sowie strategische Investoren,<br />

Privatvermögen und Fördermittel.<br />

Fördermittel<br />

Wandelanleihe<br />

Eine Schuldverschreibung eines Unternehmens,<br />

die dem Inhaber das Recht<br />

einräumt, die Anleihe unter bestimmten<br />

Bedingungen und gegen Zahlung<br />

eines bestimmten Geldbetrages in<br />

Aktien des Unternehmens zu tauschen<br />

beziehungsweise zu wandeln.<br />

PIPE (Private Investments in Public<br />

Entities)<br />

Börsennotierte Unternehmen können<br />

statt der Aktienemission am öffentlichen<br />

Kapitalmarkt auch private Kapitalgeber<br />

mittels eines Private Placements<br />

ansprechen.<br />

Staatliche Unterstützung, sei es von Bund oder Land, kann in<br />

manchen Fällen einen stattlichen Betrag erreichen. So<br />

existieren in einigen Bundesländern wie NRW und Bayern<br />

Förderprogramme mit signifikanten Zuwendungssummen.<br />

Der Leverkusener Biofrontera Pharmaceuticals ist es beispielsweise<br />

gelungen, für den Zeitraum 2003 bis 2005 Forschungsmittel<br />

in Höhe von 4 Millionen €<br />

vom Land NRW einzuwerben. Die<br />

Fördergelder werden für die Entdeckung<br />

neuartiger Medikamente in den<br />

Indikationen Schmerz und Morbus<br />

Parkinson eingesetzt.<br />

In der gleichen Größenordnung (jeweils<br />

3,9 Millionen €) liegt die Fördersumme<br />

bei den Unternehmen Direvo aus Köln<br />

und Wilex aus München. Direvo erhält<br />

die Mittel über einen Zeitraum von vier<br />

Jahren ebenfalls vom Land Nordrhein-<br />

Westfalen (Technologie- und Innovationsprogramm<br />

TIP), und zwar zur Finanzierung<br />

eines pharmazeutischen Entwicklungsprojektes.<br />

Die Förderung von Wilex stellt streng<br />

genommen einen Preis des US-Verteidigungsministeriums<br />

dar und wurde im Rahmen eines Brustkrebs-Forschungsprogrammes<br />

an das Münchener Unternehmen<br />

gemeinsam mit seinem akademischen US-Partner Fox Chase<br />

Center vergeben. Die Fördergelder dienen der Finanzierung<br />

zweier klinischer Studien des Medikamentenkandidats WX-<br />

UK1 an Brustkrebspatientinnen, die am Fox Chase Center<br />

durchgeführt werden sollen.<br />

Aus Mitteln der Bayerischen Forschungsstiftung werden die<br />

Sireen aus Martinsried und ihre akademischen Partner mit einer<br />

Million € gefördert. Das Ziel ist, mit Hilfe von Sireens<br />

Technologieplattform neuartige und selektive Wirkstoffe für die<br />

Darmkrebstherapie zu identifizieren.<br />

Mit Unterstützung durch EU-Fördermittel führt die Münchener<br />

4SC in Zusammenarbeit mit Forschern verschiedener<br />

europäischer Universitäten (Lund, Göteborg, Krakau, Sheffield,<br />

Dublin und Warschau) ein Projekt zur Entwicklung neuer<br />

Medikamente gegen Infektionen durch.<br />

97


Eine Analyse, die auf der öffentlich zugänglichen BMBF-<br />

Förderdatenbank (Berichtsjahr 2002, Biotechnologie) beruht,<br />

gibt interessante Einblicke in die Förderprojekte des Bundes. In<br />

dieser Datenbank, die über den Projektträger Jülich zur Verfügung<br />

gestellt wird, sind Detailinformationen zu Förderprogramm,<br />

Inhalt des Projektes, Laufzeit und Fördersumme<br />

vorhanden.<br />

Für den Zeitraum 2000 bis 2003 wurde für die vorliegende<br />

Studie speziell zu den in der Datenbank gelisteten Core-<br />

Biotech-Unternehmen Anzahl, Zuordnung und Förderhöhe der<br />

Projekte untersucht. Dabei wurden Projekte, die vor dem<br />

Untersuchungszeitraum begannen und solche, die darüber<br />

hinausreichen, kostenmäßig nur anteilig berücksichtigt. Zudem<br />

wurde zur Ermittlung der Fördersumme auch nur der<br />

Förderanteil des BMBF berücksichtigt, der in der Regel 50<br />

Prozent des Gesamtvolumens der einzelnen Projekte beträgt.<br />

Die Förderquote durch das BMBF kann dabei aber prinzipiell<br />

von 25 bis 100 Prozent variieren.<br />

Im analysierten Zeitraum lag die Gesamtsumme der Förderung<br />

von Core-Biotech-Firmen bei 51 Millionen €. Diese verteilte<br />

sich auf 107 Firmen mit 140 Projekten. So lag im Schnitt die<br />

Fördersumme bei 0,48 Millionen € pro Firma. Jedoch weichen<br />

absolut gesehen die Förderbeträge pro Firma stark voneinander<br />

ab: von 0,03 bis 2,4 Millionen €. Vereinzelt können derartige<br />

Fördersummen also durchaus eine beachtliche Ergänzung zu<br />

anderen Finanzierungen sein.<br />

D IE F INANZIERUNG DER B IOTECH-FIRMEN<br />

Abbildung 4-11:<br />

Verteilung von Biotech-Förderungen im Zeitraum 2000 bis 2003<br />

nach Anzahl der Projekte<br />

Verbundprojekte<br />

51 %<br />

Sonstige<br />

15 %<br />

BioRegio<br />

12 %<br />

BioChance<br />

21 %<br />

BioProfile<br />

1 %<br />

Beispielsweise wird mit einer Summe von gut zwei Millionen €<br />

ein Verbundprojekt der Frankfurter IonGate gefördert. Die<br />

Firma entwickelt zusammen mit Wissenschaftlern von Aventis,<br />

der MCS Micro Carrier Systems sowie dem Max-Planck-<br />

Institut für Biophysik in Frankfurt neue Wirkstoffe gegen Herz-<br />

Kreislauf-Krankheiten. Die Münchener Axxima erhält eine<br />

BMBF-Förderung in Höhe von einer Million € über drei Jahre<br />

im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Neue effiziente<br />

Verfahren für die funktionelle Proteomanalyse“.<br />

Fördermaßnahmen des BMBF sind entweder den bekannten<br />

Förderprogrammen (BioRegio, BioChance, BioProfile) zuzuordnen<br />

oder sie laufen als individuelle Förderungen, die hier in<br />

einer Kategorie „Verbundprojekte“ sowie „sonstige Einzelprojekte“<br />

zusammengefasst sind.<br />

Aus Abbildung 4-11 ist ersichtlich, dass zwei Drittel der<br />

geförderten Projekte individuelle Fördermaßnahmen an Firmen<br />

oder Konsortien sind; lediglich ein Drittel entfällt auf die<br />

BMBF-Förderprogramme. Bezogen auf die Fördervolumina<br />

ergeben sich geringfügige Verschiebungen zugunsten der<br />

Förderprogramme BioRegio, BioChance und BioProfile.<br />

nach Volumen der Projekte<br />

Sonstige<br />

26 %<br />

Verbundprojekte<br />

33 %<br />

BioRegio<br />

14 %<br />

BioProfile<br />

1 %<br />

98 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

BioChance<br />

26 %<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004


Abbildung 4-12:<br />

Aufteilung der Biotech-Förderung im Zeitraum<br />

2000 bis 2003 nach Mitarbeiterkategorien<br />

Mitarbeiterzahl der Firmen<br />

23<br />

1 bis 10 23<br />

7,7<br />

11 bis 30<br />

51 bis 100<br />

5<br />

8,5<br />

> 100 10<br />

4,9<br />

0 10<br />

17,2<br />

15<br />

20<br />

31 bis 50 25<br />

12,9<br />

24<br />

20 30 40 50 60<br />

Abbildung 4-12 zeigt die Verteilung der analysierten Förderprojekte<br />

und -summen auf Kategorien an Mitarbeiterzahlen bei<br />

den geförderten Firmen. Hier wird deutlich, dass die größte<br />

44<br />

58<br />

Anzahl Firmen<br />

Anzahl Projekte<br />

Fördersumme (Mio. €)<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

Tabelle 4-3:<br />

Übersicht zu ausgewählten Förder-/Beteiligungsprogrammen ohne Fachgebietsbezug<br />

Programm Kontakt Ziel<br />

Zahl an Projekten Firmen mit 11 bis 30 Beschäftigten betraf.<br />

Entsprechend floss hier auch die größte Fördersumme. Firmen<br />

mit mehr als 100 Mitarbeitern erhielten die geringste Fördersumme<br />

bei gleichzeitig geringster Anzahl an Projekten. Allerdings<br />

muss dazu erwähnt werden, dass in der Gruppe von<br />

Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten lediglich fünf<br />

Firmen vertreten sind.<br />

So ergibt sich für die Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern<br />

ein durchschnittlicher Wert der Förderung von knapp<br />

einer Million €, womit sie bei der Förderung eindeutig an der<br />

Spitze liegen. Im Vergleich dazu beläuft sich der Durchschnittsförderbetrag<br />

bei den Firmen mit 51 bis 100 Beschäftigten bzw.<br />

31 bis 50 Mitarbeitern auf 0,57 bzw. 0,64 Millionen €. Alle Firmen<br />

mit weniger als 30 Mitarbeitern erhalten einen noch niedrigeren<br />

(0,3 bis 0,4 Millionen €) durchschnittlichen Förderbetrag.<br />

Über die fachbezogene Förderung des BMBF hinaus gibt es<br />

eine Reihe weiterer Fördermaßnahmen des Bundes, die auf<br />

kleine und junge Unternehmen abzielen (siehe Tabelle 4-3).<br />

Oftmals stellt die umfassende Eruierung relevanter Förderprogramme<br />

auf nationaler und internationaler Ebene sowie die<br />

Antragstellung selbst einen erheblichen Aufwand dar, der von<br />

Firmen nicht akzeptiert wird und letztlich oftmals zur Vernachlässigung<br />

dieser „Einnahmequelle“ führt. Das Einbeziehen entsprechender<br />

Beratungskompetenzen kann hier einwertvolles<br />

Investment sein.<br />

ERP-Kapital für Gründung/Wachstum KfW Mittelstandsbank Verbreiterung der Eigenkapitalbasis und Erleichterung der Aufnahme von Krediten<br />

zur Finanzierung der Gründungs- oder Festigungs-/Wachstumsinvestitionen<br />

ERP-Beteiligungsprogramm KfW Mittelstandsbank Förderung des Engagements von Beteiligungsgesellschaften<br />

BTU-Start-up-Phase tbg Begleitung innovativer Vorhaben in der Regel mit einer stillen Beteiligung unter der<br />

Voraussetzung, dass sich ein Leadinvestor in gleicher Höhe wie die tbg beteiligt.<br />

BTU-Frühphase tbg Finanzierung junger, innovativer Unternehmen (insbesondere Ausgründungen aus<br />

Hochschulen und Forschungseinrichtungen) in der Frühphase (Pre-Seed-Phase)<br />

Technologie-Beteiligungsprogramm tbg Ergänzung des BTU-Programms mit Schwerpunkt auf Technologieunternehmen<br />

FUTOUR BMWA/PT Jülich Unterstützung von technologieorientierten Unternehmensgründungen in den neuen<br />

Bundesländern und Berlin-Ost<br />

ERP-Innovationsprogramm – KfW Mittelstandsbank Mobilisierung von Beteiligungskapital für innovative Mittelständler. Das Beteiligungs-<br />

Beteiligungsvariante kapital kann für FuE-Maßnahmen und die Markteinführung neuer Produkte oder Verfahren<br />

eingesetzt werden.<br />

KfW-Risikokapitalprogramm KfW Mittelstandsbank Beteiligungsgarantie gegenüber VC-Gesellschaften, insbesondere im Later-Stage-<br />

Bereich, bei Erschließung neuer Geschäftsfelder, Nachfolgeregelungen und Brückenfinanzierungen<br />

Quelle: KfW, Ernst & Young<br />

99


Alternative Finanzierungsquellen:<br />

Fördermittel für Unternehmen der Biotech-Branche<br />

Die Finanzierung innovativer Vorhaben über Risikokapital oder Fremdkapital ist in den<br />

vergangenen Jahren immer schwieriger geworden. Dies trifft auf die Biotech-Branche in<br />

besonderem Maße zu, denn in wenigen Wirtschaftszweigen weisen Neuentwicklungen<br />

ähnlich lange Entwicklungszeiträume mit dauerhaft hohen Entwicklungskosten und<br />

Entwicklungsrisiken auf.<br />

Da verwundert es nicht, dass alternative Finanzierungsquellen wie Fördermittel zunehmend<br />

an Bedeutung gewinnen. Deutschland bietet eine sehr umfassende,<br />

öffentliche Förderinfrastruktur. Länder, Bund und EU haben ein breites Angebot an<br />

Förderprogrammen geschaffen, von denen einige ausdrücklich auf Biotech-<br />

Unternehmen zugeschnitten sind. Allerdings ist<br />

es angesichts der Vielzahl von Fördermöglichkeiten<br />

für Unternehmen nicht immer leicht, den<br />

Überblick zu behalten und die jeweils passenden<br />

aus über 2.000 in Deutschland verfügbaren<br />

Förderprogrammen auszuwählen.<br />

Viele Unternehmen wissen schlicht nicht, welche<br />

Programme es gibt. Zudem ist die Meinung weit verbreitet, Fördergelder seien nur für<br />

notleidende Unternehmen, kleine Betriebe oder Vorhaben in den neuen Bundesländern<br />

vorgesehen. Die Tatsache, dass auch florierende Unternehmen in den Genuss von<br />

staatlicher Unterstützung kommen können, ist einer überraschend hohen Zahl von<br />

Unternehmen nicht bekannt.<br />

Ein weiterer Grund für die geringe Inanspruchnahme von Fördermöglichkeiten mag auch<br />

die Angst vor Bürokratie sein. Fakt ist allerdings, dass Unternehmen, die sich in puncto<br />

Fördermöglichkeiten kompetent beraten lassen und die bestehenden Möglichkeiten<br />

ausschöpfen, deutliche Vorteile gegenüber der Konkurrenz erzielen können. So können<br />

bei Investitionsvorhaben, aber auch bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten oftmals<br />

bis zu 50 Prozent der projektrelevanten Kosten durch nicht rückzahlbare Zuschüsse<br />

abgedeckt werden. Bei der Investitionsförderung werden Vorhaben zur Expansion,<br />

Investitionen in einen neuen Standort oder der Erwerb eines stillgelegten oder von der<br />

Stilllegung bedrohten Unternehmens unterstützt. Diese Art der Förderung findet in von<br />

der EU festgelegten Fördergebieten sowohl in den neuen als auch in den alten<br />

Bundesländern statt. Kleine und mittelständische Unternehmen können je nach<br />

Standort im Rahmen der Investitionsförderung für ihre Vorhaben Fördersätze von bis zu<br />

50 Prozent erhalten. Große Unternehmen können mit bis zu 35 Prozent der<br />

Investitionskosten gefördert werden.<br />

D IE F INANZIERUNG DER B IOTECH-FIRMEN<br />

Die Länder, der Bund und die EU fördern zudem Forschungs- und Entwicklungsvorhaben<br />

im Bereich der Biotechnologie. Auf Ebene der Bundesländer steht eine Förderung i. d. R.<br />

im Rahmen der allgemeinen Innovationsförderprogramme primär kleinen und mittleren<br />

Unternehmen zur Verfügung. Auf Bundesebene gibt es ein eigenes Rahmenprogramm<br />

Biotechnologie, das auch großen Unternehmen attraktive Fördermöglichkeiten im<br />

Rahmen verschiedener Ausschreibungen bietet. Ebenfalls von Interesse für viele<br />

Biotech-Unternehmen ist das Rahmenprogramm Gesundheitsforschung. Beide<br />

Rahmenprogramme werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />

aufgelegt.<br />

Schließlich stehen auch auf europäischer Ebene umfangreiche Fördermittel für den<br />

Biotechnologie-Sektor bereit. Hier ist das 6. Forschungsrahmenprogramm der EU zu<br />

nennen, das in den Jahren 2002 bis 2006 für Vorhaben im Themenfeld „Genomik und<br />

Biotechnologie“ im Rahmen von verschiedenen<br />

Ausschreibungen rd. 2,3 Mrd. Euro an Zuschüssen<br />

bereitstellt.<br />

Öffentliche Fördermittel stellen damit eine<br />

attraktive Möglichkeit dar, Investitions- sowie<br />

Forschungs- und Entwicklungskosten erheblich<br />

zu reduzieren. So hat – ceteris paribus – in einem Unternehmen mit fünf Prozent<br />

Umsatzrendite ein Zuschuss von 500.000 Euro dieselbe Ertragswirkung wie ein Umsatz<br />

von zehn Mio. Euro. Jedoch erfordert die Einreichung eines erfolgreichen Förderantrags<br />

nicht nur einen gewissen Eigenaufwand, sondern auch Erfahrung in der Zusammenarbeit<br />

mit Verwaltungen und Behörden.<br />

Ernst & Young unterstützt mit einem multidisziplinären Expertenteam Unternehmen in<br />

allen Projektphasen – von der Auswahl des richtigen Förderprogramms über die<br />

Identifikation und Einbindung von Projektpartnern sowie die Projektkonzeption und die<br />

Antragstellung selbst bis hin zur Fördermitteladministration. Die deutsche Ernst &Young<br />

Förderberatung ist Teil des weltweiten Global-Incentives-Advisor-Netzwerkes. Allein in<br />

Europa ist Ernst &Young mit über 250 Förderberatern und Projektentwicklern im Einsatz.<br />

Wichtiger Bestandteil des Global-Incentives-Advisor-Netzwerks ist ein eigenes EU-<br />

Kontaktbüro in Brüssel. Unsere Förderspezialisten halten vor Ort den direkten Kontakt zu<br />

Vertretern der Europäischen Kommission und anderen europäischen Einrichtungen.<br />

Von Stephan Naumann, Partner bei Ernst & Young Hamburg und Leiter der Abteilung<br />

Förderberatung und Projektentwicklung in Deutschland<br />

Stephan.Naumann@de.ey.com<br />

100 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Partnerschaften als alternative Finanzierungsquelle<br />

Die gegenwärtige Finanzierungssituation, vor allem im Eigenkapitalbereich,<br />

konzentriert sich nach wie vor sehr stark auf die<br />

klassischen Instrumente wie VC. Dabei hat es sich in den<br />

letzten Jahren deutlich gezeigt, dass VC-Finanzierungen sehr<br />

selektiv geworden sind und die Investoren bei weitem nicht in<br />

der Lage sind, das von ihnen favorisierte Geschäftsmodell der<br />

Medikamentenentwickler allein durchzufinanzieren.<br />

Partnerschaften mit Pharmafirmen, die sich entweder in<br />

Produktentwicklungsprogrammen engagieren und dabei auch<br />

finanzielle Verpflichtungen eingehen bis hin zu Trade Sales als<br />

Exit-Optionen werden als zunehmend wichtig erachtet.<br />

Leider werden von diesen Wunschvorstellungen nach wie vor<br />

zu wenige realisiert. Dies liegt vor allem daran, dass die<br />

deutsche Biotech-Industrie als Ganzes fast nur frühe<br />

Entwicklungsprodukte und Forschungsansätze mit dem<br />

entsprechenden Risikoprofil zu bieten hat, während auf der<br />

Einkaufsliste der Pharmafirmen präferentiell marktnahe Entwicklungen<br />

mit entsprechend hoher Markteintrittswahrscheinlichkeit<br />

und konkreten Umsatzgrößen stehen. Dazu kommt die<br />

Tendenz der Pharmafirmen, Kooperationsverträge mit Biotech-<br />

Firmen so zu gestalten, dass sie die bestehenden Risiken zu<br />

einem großen Teil mittragen; Up-front-Zahlungen werden vielfach<br />

zu Gunsten von Meilenstein- und Royalty-Verpflichtungen<br />

niedrig angesetzt. Die somit in die Zukunft projizierten<br />

Zahlungsströme kommen dem Pharmapartner im Sinne der<br />

Risikominimierung entgegen, helfen dem finanzschwachen<br />

Biotech-Unternehmen aber nicht, seine aktuelle Finanzierungsnot<br />

nachhaltig zu überwinden, geschweige denn in Wachstum<br />

umzusetzen.<br />

Auch die im Kapitel 3 beschriebenen Versuche, kleine und<br />

mittlere Pharmafirmen in Deutschland mit Biotech-Firmen<br />

zusammenzubringen, könnten vor allem an der Finanzierung<br />

dieser Modelle scheitern.<br />

Es stellt sich die Frage, wie diese Schere zwischen<br />

Entwicklungsprojektstadien (früh – spät) und Finanzierung<br />

(Mittel zur Weiterentwicklung bis in spätere Phasen) anderweitig<br />

geschlossen werden kann. Eine sich entwickelnde Alternative<br />

kommt aus dem Feld der Contract Research Organisations<br />

(CRO).<br />

Waren CROs in der Vergangenheit oftmals nur der verlängerte<br />

Arm von Pharmafirmen mit dem Auftrag, klinische Studien<br />

nach vorgegebenem Entwicklungsplan als Service-Leistung<br />

durchzuführen, so kommt Ihnen heute zusehends eine wichtigere<br />

Bedeutung zu. Insbesondere für Biotech-Firmen spielen<br />

sie vielfach über die Dienstleistung hinausgehend die Rolle des<br />

Beraters, der einen Entwicklungsplan erstellt und die Planung<br />

entsprechend realisiert.<br />

Damit ist allerdings noch keine Lösung für das finanzielle<br />

Dilemma bei den Biotech-Firmen gefunden.<br />

Hier bewegen sich jedoch die Fronten insofern, als CROs<br />

stärker als zuvor aktiv überlegen, gegen Überlassung von<br />

Produktrechten auch finanzielle Verpflichtungen einzugehen.<br />

Hier könnte tatsächlich eine Brücke gebaut werden, die es<br />

Biotech-Firmen erlauben würde, ihre Entwicklungskandidaten<br />

weiter voranzubringen und deren Wert und Attraktivität entscheidend<br />

zu steigern. CROs hingegen können dank ihres<br />

großen Know-hows im Entwicklungsprozess im eigenen Interesse<br />

sicherstellen, dass die durchgeführten Studien qualitativ<br />

einwandfrei und zielführend ablaufen.<br />

Solche Modelle könnten für Biotech-Unternehmen eine Reihe<br />

von Vorteilen bieten:<br />

• konkrete Finanzierungsquelle<br />

• Erfahrungszuwachs durch qualifizierten Entwicklungspartner<br />

• Wertsteigerungsmöglichkeit im eigenen Unternehmen<br />

• Steigerung der Attraktivität für Pharmapartner (später oder<br />

zusammen mit CRO)<br />

Dieses Modell sollte auch den Interessen von VC-Investoren<br />

entgegenkommen. Je nach Ausgestaltung einer solchen Partnerschaft<br />

können sich der reduzierte Finanzierungsbedarf, die<br />

Einbeziehung eines erfahrenen Entwicklungspartners im Sinne<br />

eines externen Evaluierers wie auch die Möglichkeit eines Exits<br />

selbst als Entscheidungskriterium für eine weitere Finanzierungsrunde<br />

positiv auswirken. Im Folgenden wird ein entsprechendes<br />

Partnerschaftsmodell konkret vorgeschlagen und mit verschiedenen<br />

Optionen näher diskutiert.<br />

Ob solche Modelle sich als Zwischenlösung oder generell als<br />

Ersatz für die geforderten, aber nicht im notwendigen Umfang<br />

tatsächlich stattfindenden Pharma-Biotech-Partnerschaften<br />

eignen, wird die Zukunft zeigen müssen.<br />

101


Brad Benson, aaiPharma – Division AAI Development<br />

Services, Wilmington, NC, USA<br />

APartnership Model for Virtual and Start-up<br />

BioPharmaceutical Companies<br />

This is a new paradigm for how small biotherapeutic companies, virtual or not, can<br />

benefit from a partnership with aaiPharma. This unique, two-pronged business approach<br />

of aaiPharma provides the vehicle for an evolving model or paradigm for working with<br />

small and virtual companies with early funding from venture capital companies or private<br />

investors.<br />

The model in detail is described as follows:<br />

• Development of a product is carried out by AAI Development at some decreased or<br />

no cost to the company or venture capital provider in return for other deferred<br />

compensation.<br />

• The resulting developed molecule or device could then find one of several pathways<br />

for commercialization:<br />

1) aaiPharma could finish the development and add<br />

this product to its growing portfolio of products<br />

for marketing while the virtual company and<br />

venture capital provider would recognize royalties<br />

and/or licensing fees.<br />

2) The product could be licensed to a third party<br />

such as a large Pharma company for marketing<br />

using the business development expertise of<br />

aaiPharma with aaiPharma having added value in<br />

development and sharing in licensing and royalty<br />

compensation.<br />

3) The entire virtual company could be acquired by<br />

aaiPharma if there was a proper strategic fit in terms of pipeline and/or technology<br />

providing earlier exit for the venture capital organization.<br />

4) And finally the product could be carried forward by the virtual company<br />

reimbursing AAI Development for its earlier efforts by royalties, milestone<br />

payments, equity, or whatever other reimbursement vehicle deemed appropriate<br />

by all of the parties involved.<br />

These scenarios offer a virtual company and its venture capital partners a new paradigm<br />

for not only adding value to their company and products, but mechanisms for recognizing<br />

the value more rapidly.<br />

D IE F INANZIERUNG DER B IOTECH-FIRMEN<br />

The described model may also help bridge the gap between German Biotech companies<br />

with an early pipeline and current financial constraints and Pharma companies focusing<br />

their partnering interest primarily on later stage products with proven patient efficacy.<br />

This flexibility provided by aaiPharma allows additional exit strategies for venture capital<br />

providers, who provide funds to start and maintain virtual and small biopharmaceutical<br />

companies as well as helping the small company add value to its products or projects.<br />

However, the traditional IPO route is not excluded in this current example, in fact, a<br />

public offering could occur in a shorter period of time due to skilled drug development<br />

expertise adding value to the product(s) of the smaller company. In this case, aaiPharma<br />

may have taken equity in the virtual company and when funds are obtained from the<br />

public marketplace, aaiPharma would be compensated by its equity position in the small<br />

company.<br />

The business strategy or model of aaiPharma’s is unique and can be described as one of<br />

acquiring therapeutically relevant compounds at various stages of development, as well<br />

as providing world class scientific expertise through its contract<br />

pharmaceutical development division, AAI Development Services.<br />

With a field sales force of nearly 250 representatives, aaiPharma<br />

markets a growing portfolio of well-known branded products while<br />

applying its R&D expertise to increase the commercial potential of<br />

these products. The R&D organization of aaiPharma is also developing<br />

new products to position the company for further near and long term<br />

growth.<br />

While being named by Fortune among the fastest-growing companies<br />

in the U.S. (19th in overall growth, 2nd for earnings growth) aaiPharma<br />

through its AAI Development division, continues to be a world leader<br />

in pharmaceutical development, providing services to customers in<br />

the pharmaceutical, generic, biotechnology and medical device sectors. The range of<br />

service capabilities of AAI Development is among the broadest in the pharmaceutical<br />

development industry. Its capabilities include full formulation development for all types<br />

of dosage forms and containers, stability and laboratory testing, full clinical<br />

development, clinical and niche commercial manufacturing for all types of solid and<br />

liquid dosages, and bioanalytical testing. Underlying all of these services is a<br />

commitment to quality and a regulatory capability developed from nearly a quartercentury<br />

of experience working closely with regulatory agencies. The sizes of the client<br />

companies vary from virtual ones to the largest international Pharma companies.<br />

www.aaidevelopment.com<br />

102 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Kapitalbedarf und Barreserven<br />

Trotz der erfolgreichen Finanzierungen der Core-Biotech-<br />

Industrie im vergangenen Jahr besteht dennoch derzeit eine<br />

enorme Finanzierungslücke. Dies trifft insbesondere auf die<br />

VC-finanzierten Firmen zu.<br />

Abbildung 4-13:<br />

Kapitalbedarf bei den Sample-Unternehmen je nach Geschäftsmodell<br />

davon Produkt<br />

davon Service<br />

3<br />

5<br />

Die für die Studie befragten Unternehmen haben nach eigenen<br />

Angaben einen aktuellen Kapitalbedarf von insgesamt knapp<br />

800 Millionen €, der sich auf rund 100 Firmen, das heißt 46<br />

Prozent der analysierten Unternehmen verteilt. Von den Firmen,<br />

die Kapitalbedarf angegeben haben, entfällt der größere Anteil<br />

(55 Prozent) auf die bereits mit Risikokapital finanzierten<br />

Firmen. Aber auch Firmen, die nicht mit VC finanziert sind,<br />

könnten weiteres Kapital gebrauchen, um weiteres Wachstum<br />

oder das Überleben zu sichern.<br />

VC-finanzierte und nicht VC-finanzierte Unternehmen unterscheiden<br />

sich dabei hinsichtlich des benötigten Kapital-<br />

Volumens beträchtlich (siehe Abbildung 4-13, rechter Teil). Die<br />

56 bereits mit VC ausgestatteten, jedoch neues Kapital<br />

suchenden Firmen der Studie benötigen 640 Millionen €, und<br />

damit einen Anteil von 80 Prozent des Gesamtkapitalbedarfs<br />

der Industrie.<br />

Deutlich wird auch, dass unter den VC-finanzierten Firmen vor<br />

allem die reinen Produktfirmen, die keinerlei Service anbieten,<br />

den größten Kapitalbedarf haben.<br />

Im Gegensatz dazu zeigt sich, dass unter den nicht VCfinanzierten<br />

Firmen Unternehmen, die Produktentwicklung und<br />

Service integrieren, den größten Kapitalbedarf haben.<br />

Anteil an allen Kapital suchenden Firmen in % Anteil am Gesamtkapitalbedarf in %<br />

insgesamt<br />

davon Produkt &<br />

Service<br />

0<br />

4<br />

18<br />

35<br />

35<br />

44<br />

VC-finanziert<br />

55<br />

nicht VC-finanziert<br />

10 20 30 40 50 60<br />

insgesamt<br />

davon Produkt<br />

davon Produkt &<br />

Service<br />

davon Service<br />

0<br />

2<br />

1<br />

1<br />

15<br />

24<br />

Wie Abbildung 4-14 belegt, ist der Zeitdruck bei den Firmen,<br />

die Kapital aufnehmen wollen, beträchtlich. 68 Prozent der VCfinanzierten<br />

Unternehmen stehen Barreserven für weniger als<br />

ein Jahr zur Verfügung. Dies sind in der Tat alarmierende<br />

Ergebnisse, die den weiteren Bestand von einigen Firmen stark<br />

in Zweifel ziehen.<br />

Abbildung 4-14:<br />

Cash-Reserven der Kapital suchenden,<br />

VC-finanzierten Firmen<br />

≤6 Monate<br />

20 %<br />

6 bis 12 Monate<br />

48 %<br />

20<br />

58<br />

80<br />

VC-finanziert<br />

nicht VC-finanziert<br />

20 40 60 80 100<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

> 12 Monate<br />

32 %<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

103


4.3 Kapitalmarkt und Börse<br />

Im vergangenen Jahr wurde die Umstrukturierung an der<br />

Deutschen Börse abgeschlossen: Nachdem zum 1. Januar 2003<br />

die vom Börsenrat der Frankfurter Wertpapierbörse beschlossene<br />

neue Segmentierung des Aktienmarktes in Kraft trat,<br />

entstand für Aktien und aktienvertretende Zertifikate – neben<br />

dem General Standard mit den gesetzlichen Mindestanforderungen<br />

des Amtlichen Marktes oder des Geregelten<br />

Marktes – das neue Segment Prime Standard mit einheitlichen<br />

Zulassungsfolgepflichten.<br />

Das frühere Börsensegment des Neuen Marktes wurde komplett<br />

aufgelöst. Die bis dato dort gelisteten Firmen wurden auf<br />

die anderen neuen und bestehenden Segmente verteilt. 15 der<br />

zuletzt am Neuen Markt gelisteten Biotech-Firmen sind mittlerweile<br />

in das neue Prime-Standard-Segment integriert; unter<br />

anderem sind dies die börsennotierten Core-Biotech-Firmen<br />

Evotec OAI, GPC Biotech, LION bioscience, MediGene,<br />

MorphoSys, MWG Biotech, november und Qiagen.<br />

Die Aktien der ebenfalls börsennotierten Core-Biotech-<br />

Unternehmen Mologen, codon sowie GeneScan Europe werden<br />

im Geregelten Markt geführt.<br />

Am 24. März 2003 begann die Berechnung der neuen Indexsystematik,<br />

die neben dem DAX, MDAX, SDAX und TecDAX<br />

als Hauptindizes weitere Subindizes mit Branchenausrichtung<br />

umfasst.<br />

Der bisherige „Neue Markt Biotech Index“ wurde auf den<br />

„Prime IG Biotechnology Index“ umgestellt, der jedoch<br />

weniger Werte enthält als der Biotech-Index des früheren Neuen<br />

Marktes.<br />

Abbildung 4-15 zeigt eine Fortführung der Marktkapitalisierung<br />

der im ehemaligen „Neuen Markt Biotech Index“ geführten<br />

und heute noch bestehenden Unternehmen, um eine<br />

Vergleichbarkeit zu früheren Jahren zu ermöglichen. Es handelt<br />

sich hier um keine Indexdarstellung, da nicht eine prozentuale<br />

Veränderung, sondern der tatsächliche Wert der Marktkapitalisierung<br />

in Millionen € aufgetragen wird.<br />

Abbildung 4-15:<br />

Veränderung der Gesamtmarktkapitalisierung der Unternehmen im ehemaligen Neuen Markt Biotech Index<br />

Mio. €<br />

22.000<br />

20.000<br />

18.000<br />

16.000<br />

14.000<br />

12.000<br />

10.000<br />

8.000<br />

6.000<br />

4.000<br />

2.000<br />

0<br />

Jul 99<br />

Sep 99<br />

Nov 99<br />

Jan 00<br />

Mrz 00<br />

Mai 00<br />

Jul 00<br />

Sep 00<br />

Nov 00<br />

Jan 01<br />

Mrz 01<br />

Mai 01<br />

104 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004<br />

Jul 01<br />

Sep 01<br />

Nov 01<br />

Jan 02<br />

Mrz 02<br />

Mai 02<br />

Jul 02<br />

Sep 02<br />

Nov 02<br />

Jan 03<br />

Mrz 03<br />

Mai 03<br />

Jul 03<br />

Sep 03<br />

Nov 03<br />

Jan 04<br />

Quelle: Deutsche Börse, Ernst & Young, 2004


Nach dem Börsenboom, der im September 2000 seinen Höhepunkt<br />

fand, ist die Marktkapitalisierung der deutschen Biotech-<br />

Firmen stark gesunken. Sie lag Ende Januar 2004 auf dem<br />

gleichen Niveau wie Mitte 1999. Neben dem Verfall der<br />

Marktkapitalisierung auf Grund der allgemeinen schlechten<br />

Börsenverfassung hat sich die Gesamtkapitalisierung auch<br />

deswegen reduziert, weil einige der früher gelisteten Biotech-<br />

Unternehmen (inländische wie ausländische) die deutsche<br />

Börse verlassen haben.<br />

Im Vergleich zu dem absoluten Tiefpunkt zu Anfang des Jahres<br />

2003 konnte sich die Marktkapitalisierung allerdings wieder<br />

stark erhöhen. Dies wird in der Skala mit den Spitzenwerten<br />

von September/Oktober 2000 (mit über 20 Milliarden €) in<br />

Abbildung 4-15 nicht ganz deutlich.<br />

Das Niveau bleibt zwar im Vergleich nach wie vor gering,<br />

dennoch konnte im Verlauf des Jahres 2003 ein sprunghafter<br />

Anstieg von immerhin über 60 Prozent erzielt werden.<br />

Abbildung 4-16 dient hier einer anschaulicheren Darstellung<br />

(zu beachten ist wiederum, dass es sich hier um keine<br />

Indexdarstellung handelt).<br />

Dies ist eine erfreuliche Entwicklung, nährt sie doch die<br />

Hoffnung, dass die Anleger wieder mehr Vertrauen in die<br />

Biotechnologie finden. Die positive Entwicklung an der<br />

NASDAQ im letzten Jahr hat hier sicher einen größeren<br />

Einfluss gehabt.<br />

Der Zuwachs von 60 Prozent bei der Gesamtmarktkapitalisierung<br />

spiegelt dabei nicht den Erfolg einzelner Aktien wieder.<br />

Spitzenreiter in der Jahres-Performance (Stichtag 26. März<br />

2004) war die Aktie der MWG Biotech mit 366 Prozent<br />

Zuwachs, dicht gefolgt vom Kurs der GPC Biotech mit einem<br />

Zuwachs von mehr als 341 Prozent. Auch die Aktienkurse der<br />

november und der Evotec OAI konnten noch Sprünge von 200<br />

oder mehr Prozent erzielen. Das jeweilige Anfangsniveau war<br />

jedoch sehr niedrig gewesen und schwankte bei den genannten<br />

Aktien zwischen 0,5 und 3 €.<br />

Die in den USA bereits im vergangenen Jahr erfolgten Börsengänge<br />

haben natürlich auch in Europa und in Deutschland die<br />

Zuversicht geweckt, wieder mit dieser Eigenkapitalquelle<br />

rechnen zu können. Die meisten Experten sind sich einig, dass<br />

die positive Stimmung aus den USA auch auf den hiesigen<br />

Märkten Auswirkung haben wird. Die bereits öfter gestellte<br />

Frage hierzu lautet: Wann?<br />

Abbildung 4-16:<br />

Veränderung der Gesamtmarktkapitalisierung der Unternehmen im ehemaligen Neuen Markt Biotech Index im Jahr 2003<br />

Mio. €<br />

3.500<br />

3.000<br />

2.500<br />

2.000<br />

Jan 03<br />

Feb 03<br />

Mrz 03<br />

Apr 03<br />

Mai 03<br />

Jun 03<br />

Jul 03<br />

Aug 03<br />

Sep 03<br />

Okt 03<br />

Nov 03<br />

Dez 03<br />

Jan 04<br />

Quelle: Deutsche Börse, Ernst & Young, 2004<br />

105


Biotech-Börsengänge in Deutschland:<br />

Perspektiven aus Sicht der DZ BANK<br />

K APITALMARKT UND B ÖRSE<br />

Die Anzeichen mehren sich, dass das Kapitalmarktvertrauen in die Biotechnologie wieder<br />

erstarkt. Es scheint, als würde die Enttäuschung der Anleger über die massiven Wertverluste<br />

vieler börsennotierter Biotechs, die sowohl durch Fehlschläge in der klinischen<br />

Entwicklung neuer Medikamente, durch mangelnde Anwendungsbreite oder Vermarktungsgeschwindigkeit<br />

neuer Technologien oder teilweise einfach durch Fehleinschätzung der<br />

eigenen Patentsituation verursacht wurden, einem gesünderen Risikobewusstsein weichen.<br />

Hinzu kommt die Erkenntnis, dass Life Sciences und insbesondere der Biotechnologie<br />

bei der Gesunderhaltung und Ernährung einer sich ständig vergrößernden und<br />

überalternden Bevölkerung eine Schlüsselrolle zukommt und schon allein deswegen ein<br />

attraktives Investment in unsere Zukunft darstellt.<br />

An den Aktienmärkten spiegelt sich diese gestiegene Zuversicht in mehrerer Hinsicht<br />

wieder. Im Zuge der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung und beschleunigt durch<br />

Entwicklungsfortschritte bei innovativen Therapien (z. B. Avastin von Genentech, Erbitux<br />

von ImClone) haben die Biotech-Indizes in den letzten 12 Monaten stark an Wert<br />

gewonnen (31.3.04: Nasdaq Biotech-Index (NBI): + 52 %, DZ BANK EU Biotech-Index: + 95 %,<br />

jew. in Landeswährung), wobei nicht nur Produktentwickler (+ 46 %), sondern auch technologie-orientierte<br />

Biotechs (= Dienstleister und Zulieferer (+ 69 %)) von diesem Aufschwung<br />

profitieren konnten. Die US Large Caps haben dabei eher eine mäßige Kursentwicklung<br />

gezeigt, so dass das von kleineren und mittelgroßen Firmen dominierte, europäische<br />

Biotech-Universum den Nasdaq Biotech-Index deutlich outperformen konnte (s.<br />

Abbildung 1).<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

Abbildung 1: Indexierte Kursverläufe von Nasdaq Biotech Index, EU-Biotech-Index (DZ<br />

BANK), Produktentwicklern (EU + US) und Technologie-Providern (EU + US)<br />

vom 31.03.03 bis 31.03.04 Quelle: DZ BANK<br />

50<br />

Mrz03 Apr03 Mai03 Jun03 Jul03 Aug03 Sep03 Okt03 Nov03 Dez03 Jan04 Feb04 Mrz04<br />

EU Biotech all NASDAQ Biotech (US) Technologieanbieter Produkte<br />

In Bezug auf Börsengänge ist der US-Markt jedoch schon einen großen Schritt vorausgeeilt.<br />

Allein von Oktober 2003 bis März 2004 haben sich weit über ein Dutzend klassischer<br />

Biotechs an der Nasdaq notieren lassen und noch mehr Unternehmen haben<br />

dieses Vorhaben durch ihr SEC-Filing bereits untermauert. Es fällt auf, dass der größte<br />

Teil dieser Firmen bereits über Produkte in der klinischen Phase III oder am Markt<br />

verfügt, womit die Emittenten den gestiegenen Reifeanforderungen der Investoren bzw.<br />

deren erhöhter Risikoaversion Rechnung tragen wollen. Ähnlichkeiten existieren auch<br />

hinsichtlich des Emissionsvolumens, welches meist bei 50–100 Mio. US$ lag bzw. liegen<br />

wird. Die derzeit zu beobachtende Sekundärmarktperformance ist dagegen eher enttäuschend,<br />

positive Überraschungen gibt es nur wenige. Nur sieben der insgesamt 17 Unternehmen<br />

notieren derzeit über ihrem Ausgabekurs, wobei sechs von ihnen auch den NBI<br />

schlagen konnten (s. Tab. 1). Europäische Biotech-Firmen geben sich mit ihren Börsenambitionen<br />

generell bescheidener, was jedoch wohl eher am potenziellen Imageverlust<br />

bei Abkehr von dieser Entscheidung als an mangelnder Klasse liegt. Bisher haben<br />

lediglich die mit sehr reifer Pipeline versehene Ark Therapeutics (UK) sowie Basilea (CH)<br />

im März 2004 den Sprung an die Börse gewagt, und der noch mit reichlich VC-Kapital<br />

ausgestattete, hochintegrierte Impfstoffentwickler Intercell (A) hat vor kurzem seine<br />

IPO-Pläne öffentlich konkretisiert.<br />

Auch wenn ein in Phase III befindliches oder bereits vermarktetes Medikament ein gutes<br />

Argument für ein baldiges IPO darstellt, sollte Börsenreife für Biotechs nicht<br />

ausschließlich über den Entwicklungsstand des fortgeschrittensten Produktes definiert<br />

werden. Größe und Wettbewerbssituation der Zielmärkte, Risikodiversifizierung durch<br />

unterschiedliche Wirkstoff- oder Technologie-Plattformen, vermarktungsfähige Basistechnologien,<br />

nachgewiesene Innovationskraft, hohe In-house-Wertschöpfung, erteilte<br />

und nicht nur beantragte Kernpatente, externe Validierung durch Partnerschaften und<br />

Kunden (v. a. bei Technologie-Providern) sind wesentliche, fundamentale Kriterien, die für<br />

einen erfolgreichen Börsengang sprechen. Organisatorische Börsenreife vorausgesetzt,<br />

sollten unabhängig vom Geschäftsmodell auch ein post-IPO-Wert von idealerweise mehr<br />

als 250 Mio. €, ein Liquiditätsbestand der nicht zum Börsengang „zwingt“, ein überzeugender<br />

Mittelverwendungsplan sowie branchenerfahrene Managementmitglieder<br />

und ggf. Investoren vorhanden sein. Zu den aussichtsreichsten Unternehmen aus Europa,<br />

die sehr viele dieser Anforderungen erfüllen, zählen unseres Erachtens Biovitrum (S),<br />

Proskelia (F), Cyclacel (UK), IDM (F), Intercell (A) sowie aus Deutschland u. a. Wilex,<br />

Micromet, Epigenomics und Eppendorf. Sollte bei diesen Firmen ein IPO in Planung sein,<br />

werden derzeit vor allem Fragen nach dem optimalen Zeitpunkt (und damit implizit auch<br />

der Bewertung) sowie nach dem richtigen Börsenplatz die interne Diskussion beherrschen.<br />

Beide Faktoren sind wichtige Einflussgrößen auf Platzierungssicherheit, Höhe<br />

des Mittelzuflusses für das Unternehmen und Sekundärmarktperformance der Aktie.<br />

Zum Thema Timing und Bewertung: auch wenn es grundsätzliches Ziel jedes IPO-<br />

Aspiranten ist, die Kapitalaufnahme beim Börsengang zu maximieren, darf dabei das<br />

Interesse der Investoren nach anschließender und anhaltender Kurssteigerung nicht<br />

vernachlässigt werden. Daher sollte sich die Auswahl des richtigen IPO-Zeitpunkts nicht<br />

auf das optimale Ausnutzen eines günstigen Kapitalmarktmomentums konzentrieren.<br />

Die meisten der o. a. IPO-Kandidaten sind auf Grund ihres Geschäftsmodells als Produktentwickler<br />

auf absehbare Zeit ohnehin nur fundamental und nicht mit klassischen<br />

Marktmultiplikatoren zu bewerten und daher von steigenden Bewertungsniveaus weitgehend<br />

entkoppelt. Zudem haben Investoren und Emissionsbanken gelernt, mit Hilfe<br />

größerer Branchenkenntnisse und risikoadjustierter Pipeline-Bewertungsmodelle realistischer<br />

in der Beurteilung von Biotech-Firmen zu sein, so dass sich ein weiteres Ansteigen<br />

der Biotech-Branchenindizes nur geringfügig auf den erzielbaren Emissionspreis<br />

auswirken dürfte. Eine Bewertungsverbesserung durch Verschiebung des Börsenganges<br />

ist also nur dann zu erwarten, wenn noch operative oder klinische Meilensteine erreicht<br />

werden können, welche das Anlegervertrauen und damit indirekt auch die Platzierungssicherheit<br />

erhöhen, ohne gleichzeitig die Kurssteigerungsphantasien spürbar zu beeinträchtigen.<br />

Auch die Wahl des richtigen Börsenplatzes wird unserer Erfahrung nach von<br />

mehreren Faktoren bestimmt.<br />

106 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Der zu erwartenden Aktienliquidität und der voraussichtlichen Intensität der Analystencoverage<br />

kommen dabei besondere Bedeutung zu. Eine Analyse der DZ BANK bei 198<br />

notierten Biotechs (US: 135, EU: 63) zeigt, dass Nasdaq-gelistete Biotech-Firmen zwar<br />

über Liquiditätsvorteile verfügen, die Unterschiede gegenüber kleinen bis mittelgroßen<br />

Firmen mit Notierung in Europa jedoch relativ gering sind und darüber hinaus auch stark<br />

vom Geschäftsmodell abhängen (s. Abb. 2). Die höhere prozentuale Liquidität der USgelisteten<br />

Firmen mit Marktkapitalisierungen von mehr als 500 Mio. € spielt dabei in der<br />

Praxis eine geringere Rolle, da bei dieser Größenordnung die meisten Transaktionen,<br />

auch der institutionellen Investoren, den Kurs ohnehin kaum beeinflussen werden. Eine<br />

hohe Intensität der Analystenaufmerksamkeit ist unserer Untersuchung zufolge bei einem<br />

Listing innerhalb Europas weitaus wahrscheinlicher als bei Notierung in den USA und das<br />

unabhängig von der Unternehmensgröße. Besonders auffällig werden diese Unterschiede<br />

bei Firmen mit dem Geschäftsfokus „Drug Discovery Services“ (s. Abb. 3). Eine Nasdaq-<br />

Notierung oder Dual-Listing sind aus diesem Blickwinkel daher nur für Großunternehmen<br />

mit stark US-lastigem Geschäft interessant, da sie mit hoher Sekundärmarktliquidität<br />

und guter Analystencoverage rechnen können.<br />

Aufgrund der sich innerhalb Europas sehr ähnelnden, formalen Listing-Anforderungen<br />

bleiben nur noch wenige Kriterien, welche die Wahl des richtigen Börsenplatzes beeinflussen.<br />

Wer Währungsrisiken bei der Kapitalaufnahme ausschließen und gleichzeitig<br />

seinen lokalen Bekanntheitsgrad, z. B. zur Sekundärmarktstabilisierung durch Retailanleger,<br />

ausnutzen möchte, wird sich ohnehin für einen heimatnahen Börsenplatz entscheiden.<br />

Gute Vergleichsunternehmen sind jedoch nicht überall vorhanden, wobei eine<br />

größere Anzahl an Peers mit sehr ähnlichem Geschäftsmodell am gleichen Marktplatz<br />

nicht nur Vorteile birgt, denn sowohl die eigenen Stärken, als auch zeitweilige Schwächeperioden<br />

des Emittenten werden für die Anleger schneller offensichtlich.<br />

Gerade beim Börsenantritt kommt dem Zugang zu qualitativ hochwertigen Biotech-<br />

Investoren eine Schlüsselrolle zu. Ihnen können die komplexen Zusammenhänge, das<br />

Zukunfts- und Risikopotenzial des Unternehmens und damit die Attraktivität der Equity<br />

Story am besten verdeutlicht werden und von ihrem Zeichnungsverhalten hängt ein<br />

Großteil des IPO-Erfolges ab. Obwohl davon ausgegangen werden kann, dass institutionelle<br />

Investoren bei entsprechender Attraktivität des Unternehmens unabhängig vom<br />

Coverage, Mittelwert<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

USA Biotech<br />

Europa Biotech<br />

0<br />

Produkte Instrumente Drug<br />

Discovery<br />

Services<br />

Consumables<br />

Segment 0–500 Mio. € Marktkapitalisierung<br />

Börsenplatz investieren, sollten Emittent und Emissionsbank bei der Planung der Roadshow<br />

vor dem Börsengang geographische Faktoren berücksichtigen. Unsere Analyse zur<br />

Herkunft der institutionellen Investorengelder in europäische Biotechs kommt zu dem<br />

Ergebnis, dass im Durchschnitt zwar englische und US-Investorenvorherrschen (~ 40 bzw.<br />

~ 30 % des Investitionsvolumens), auf der jeweiligen Landesebene aber häufig lokale<br />

institutionelle Investoren dominieren. Bei deutschen Biotechs stammen z. B. nicht mehr<br />

70 %, sondern nur noch nur noch 27 % des Investitionsvolumens aus England und den<br />

USA, während allein deutsche institutionelle Anleger fast 26 % beisteuern und ein<br />

weiterer großer Block von skandinavischen Investoren kommt (Quelle: Carson – Global<br />

Equity Ownership, Stand: Ende 2003). Dies verdeutlicht, wie wichtig eine gut<br />

vorbereitete und ausgewogene Ansprache dieser Investorengruppen ist, um die<br />

Platzierungssicherheit beim IPO zu maximieren.<br />

von Dr. Bernd Goergen und Sascha Rinno, Abt. Equities und M&A, DZ Bank AG, Frankfurt/M<br />

www.dzbank.de<br />

Tabelle 1:<br />

Übersicht der bisherigen Performance der jüngsten Biotech-IPOs seit Notierungsaufnahme an der NASDAQ Stand: Ende 31.03.04, Quelle: Bloomberg, Preisangaben in Landeswährung<br />

Gelistete Firmen Erstnotiz Emissionsvol. Book- Marktkap. % Perf. vs. % Perf.<br />

(Mio.) building (Mio.) 1. Kurs vs. NBI<br />

Acusphere 07.10.03 $ 52,5 13–15 $ 132,22 –40,36 % –43,09 %<br />

Advancis Pharmaceutical 17.10.03 $ 60,0 12–14 $ 210,73 –8,60 % –17,38 %<br />

Anadys Pharmaceuticals 26.03.04 $ 44,1 11–13 (7–8$) $ 152,4 2,57 % –0,30 %<br />

Ark Therapeutics 03.03.04 £ 55,3 120–146p £ 162,19 –5,56 % –3,51 %<br />

Basilea 25.03.04 CHF 205,8 90–115 CHF 715,78 –1,28 % –7,03 %<br />

CancerVax 29.10.03 $ 72,0 12–14 $ 279,66 –11,58 % –20,09 %<br />

Corgentech 11.02.04 $ 96,0 14–16 $ 482,1 17,00 % 19,63 %<br />

Dynavax Technologies 19.02.04 $ 45,0 12–14 $ 170,45 1,07 % 1,34 %<br />

Eyetech Pharmaceuticals 30.01.04 $ 136,5 18–20 $ 1.283,80 58,10 % 57,66 %<br />

Genitope 30.10.03 $ 33,3 9–13 $ 195,28 26,89 % 17,61 %<br />

GTx 03.02.04 $ 78,3 13–15 $ 250,11 –28,28 % –26,69 %<br />

Myogen 29.10.03 $ 70,0 14–16 $ 424,51 –21,79 % –30,29 %<br />

NitroMed 05.11.03 $ 66,0 11–13 $ 187,49 –28,64 % –38,55 %<br />

Pharmion 05.11.03 $ 84,0 14–16 $ 523,28 61,00 % 51,08 %<br />

Renovis 04.02.04 $ 66,0 13–15 $ 260,11 –15,42 % –16,40 %<br />

Tercica 12.11.03 $ 49,5 11–13 $ 211,30 13,56 % 9,72 %<br />

Xcyte Therapies 10.11.03 $ 32,0 13–15 $ 108,56 –6,38 % –10,21 %<br />

Aktienliquidität, Mittelwert<br />

1,2 %<br />

1,0 %<br />

0,8 %<br />

0,6 %<br />

0,4 %<br />

0,2 %<br />

USA Biotech<br />

Europa Biotech<br />

0,0 %<br />

Produkte Instrumente Drug<br />

Discovery<br />

Services<br />

Consumables<br />

Segment 0–500 Mio. € Marktkapitalisierung<br />

Abbildung 2:<br />

Abhängigkeit der Aktienliquidität<br />

von der Geschäftsausrichtung<br />

bei 159 in den USA<br />

oder Europa notierten Biotechs.<br />

(Liquiditätsmaß ist<br />

durchschnittliche Anzahl täglich<br />

gehandelter Aktien innerhalb<br />

der letzten 6 Monate im<br />

Verhältnis zu Gesamtaktienzahl,<br />

Stand: 31.03.04)<br />

Abbildung 3:<br />

Zusammenhang zwischen Intensität<br />

der Analystencoverage,<br />

gemessen als Anzahl unterschiedlicher<br />

Analystenhäuser<br />

des Unternehmens in den<br />

letzten 12 Monaten, und des<br />

Business-Modells. (Basis:<br />

159 Biotech-Unternehmen<br />

mit Listing in den USA oder in<br />

Europa, Stand: 31.03.04)<br />

107


K APITALMARKT UND B ÖRSE<br />

Dass auch in Deutschland wieder konkret über einen Börsengang<br />

nachgedacht wird, zeigt sich daran, dass sich der Anteil<br />

der Sample-Unternehmen, die sich einen Börsengang als Exit<br />

konkret vorstellen können, im Vergleich der Jahre 2002 und<br />

2003 nahezu verdoppelt hat. Rund ein Viertel der Sample-<br />

Unternehmen hat Pläne in der Schublade, die sich in einem<br />

Zeitfenster von bis zu 36 Monaten bewegen.<br />

Aus Abbildung 4-17 ist ersichtlich, dass dabei der größte Anteil<br />

auf solche Firmen entfällt, die eher mittelfristig für die nächsten<br />

drei Jahre einen Börsengang erwägen. Angesichts der noch<br />

nicht gefestigten Stimmung für erfolgreiche Börsengänge<br />

erscheint ein solcher Zeithorizont bzw. eine entsprechende<br />

Flexibilität sinnvoll. Dennoch gibt es auch forschere Unternehmen,<br />

die einen Börsengang innerhalb der nächsten zwei<br />

Jahre für denkbar halten. Vier Unternehmen gaben an, innerhalb<br />

der nächsten 12 Monate, also noch im Laufe diesen Jahres an<br />

die Börse gehen zu wollen.<br />

Abbildung 4-17:<br />

Planung Börsengang bei Sample-Unternehmen<br />

Anzahl Firmen in %<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

2002<br />

2003<br />

20<br />

32<br />

5<br />

8<br />

0<br />

12 M 24 M 36 M<br />

Quelle: Ernst & Young, 2004<br />

52<br />

Für einen erfolgreichen Börsengang sind viele Faktoren zu<br />

beachten.<br />

Dazu zählt vor allem eine übersichtliche und transparente<br />

Organisationsstruktur des Unternehmens. Dem potentiellen<br />

Investor muss es möglich sein, die Strukturen der Aufbau- und<br />

Ablauforganisation und die Beteiligungsverhältnisse nachzuvollziehen.<br />

Die Erstellung eines vollständigen Businessplans<br />

gilt als eines der wichtigsten Kriterien. Hierbei sind der Analyse<br />

der eigenen Position gegenüber den Wettbewerbern sowie der<br />

Betrachtung von Markteintrittsbarrieren, Perspektiven der<br />

Branche und preispolitischen Spielräumen besondere Aufmerksamkeit<br />

zu schenken.<br />

Auf der Grundlage des Businessplans wird die so genannte<br />

Equity Story „geschrieben“, das heißt, eine spannende<br />

„Verpackung“ des Geschäftsmodells des Unternehmens, die<br />

den Investor für das Unternehmen begeistern soll. Ein funktionierendes<br />

internes und externes Rechnungswesen, das zu zeitnahen<br />

und verwertbaren Ergebnissen führt, ist nicht nur auf<br />

Grund der einzuhaltenden Publizitätspflichten notwendig<br />

(Quartalsberichterstattung nach IAS oder US-GAAP), sondern<br />

auch unerlässlich zur effizienten Steuerung des Unternehmens.<br />

Es ist jedoch darauf zu achten, Prognosen zukünftiger Erträge<br />

plausibel darzulegen und anhand des Businessmodells und der<br />

verfolgten Strategie die geplante Mittelverwendung klar<br />

aufzuzeigen.<br />

Die Erfahrung und die fachliche Kompetenz des Managements<br />

stellt eine Kernvoraussetzung dar. Außerdem muss berücksichtigt<br />

werden, dass der Börsengang viel Zeit beansprucht und<br />

hierfür genügend Managementkapazitäten einzuplanen sind.<br />

Im Rahmen der Equity Story ist das Alleinstellungsmerkmal<br />

des Unternehmens (USP) hervorzuheben. Die Abgrenzung<br />

eigener Produkte und Dienstleistungen zu denen der Konkurrenz<br />

muss dem potentiellen Investor deutlich kommuniziert<br />

werden. Auch nach dem Börsengang ist eine kontinuierliche<br />

Investorenpflege (Investor Relations) erforderlich.<br />

108 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


5. Der Biotech-Standort Deutschland<br />

Die deutsche Biotech-Industrie wird wie andere technologisch<br />

ausgerichtete und innovative Branchen von vielschichtigen<br />

Faktoren beeinflusst, die die Leistungsfähigkeit des Standortes<br />

Deutschland bestimmen.<br />

Im Rahmen dieser Thematik wird vom BMBF seit 1998 jährlich<br />

ein Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands<br />

herausgegeben. Der zuletzt verfügbare Bericht für das<br />

Jahr 2002 wurde im Februar 2003 veröffentlicht.<br />

Danach ist die technologische Leistungsfähigkeit der deutschen<br />

Wirtschaft nach wie vor hoch. So hat Deutschland im Jahr 2002<br />

eine gesamtwirtschaftliche FuE-Intensität von 2,5 Prozent<br />

halten können. Für das Jahr 2003 wurde dagegen erwartet, dass<br />

die Verunsicherung der Unternehmen über die mittelfristigen<br />

Markt- und Wachstumserwartungen durchschlagen werden,<br />

denn die seit Anfang der 90er Jahre schwache binnenwirtschaftliche<br />

Dynamik geht auch nicht spurlos am Technologiestandort<br />

Deutschland vorüber. Der Aufhol- und Expansionsprozess<br />

Deutschlands im Bereich der Spitzentechnologie gegen<br />

Mitte und Ende der 90er Jahre ist in den vergangenen zwei<br />

Jahren erheblich ins Stocken geraten.<br />

In der Studie wird festgehalten: „Alles andere als ein<br />

Rückfahren der FuE-Budgets dürfte daher überraschen.“<br />

Abbildung 5-1:<br />

Rangplatz Deutschlands nach wichtigen Kriterien der technologischen<br />

Leistungsfähigkeit<br />

Erwerbstätigenproduktivität<br />

Wissensintensive Wirtschaft<br />

IuK-Ausgaben<br />

Hochtechnologiehandel<br />

Sekundarabschluss<br />

Weltmarktpatente<br />

technikrelevante HS-Absolventen<br />

Abbildung 5-1 zeigt den Rangplatz Deutschlands nach<br />

wichtigen Kriterien der technologischen Leistungsfähigkeit.<br />

Verglichen werden dabei die G7-Länder plus die Schweiz,<br />

Schweden, Finnland, die Niederlande und die Republik Korea.<br />

Bei Indikatoren, die gewachsene Strukturen beschreiben, steht<br />

Deutschland recht weit vorne (Wirtschafts- und Außenhandelsstruktur).<br />

Bei investiven Anstrengungen, die den künftigen<br />

Strukturwandel und die Bereitschaft dazu kennzeichnen, fällt<br />

Deutschland dagegen leicht zurück (Bildungs-, FuE- und IuK-<br />

Ausgaben).<br />

Laut Bericht stimmen Wirtschaftsstruktur sowie die Richtung<br />

des Strukturwandels, aber viele andere Länder sind dynamischer<br />

und ziehen nach und nach an Deutschland vorbei. Die<br />

Hauptgründe liegen in einer zunehmenden Knappheit im<br />

Angebot hoch qualifizierter Fachkräfte und in einer über einen<br />

langen Zeitraum hinweg verhaltenen Neigung zu Zukunftsinvestitionen<br />

in FuE, Bildung und IuK. Einzelne erfreuliche<br />

Kursänderungen der letzten Jahre konnten diese Entwicklung<br />

bisher nicht wettmachen.<br />

Abbildung 5-1 zeigt, dass es nicht einen einzigen Faktor gibt,<br />

bei dem Deutschland seine Position signifikant verbessert hat.<br />

Zwar ist es anderen Ländern – vornehmlich<br />

aus Mitteleuropa, z. T. aber auch Japan<br />

– im letzten Jahrzehnt ähnlich ergangen,<br />

Bildungsausgaben<br />

FuE-Ausgaben<br />

Forschungsbeachtung<br />

Quelle: BMBF, Studie zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands, 2003<br />

doch darf das kein Maßstab sein, denn<br />

wer die wirtschaftlichen und sozialen<br />

Probleme in Deutschland bewältigen und<br />

in der Weltspitze mitspielen will, darf die<br />

Messlatte im internationalen Technologiewettbewerb<br />

nicht nach unten verschieben.<br />

Er muss vielmehr die Anstrengungen<br />

erhöhen, um wieder die Position<br />

einnehmen zu können, die dem originären<br />

Anspruch – hohes Einkommen und<br />

hoher Beschäftigungsstand – gerecht<br />

wird.<br />

109


Dr. Yoram Karmon, CEO Axxima Pharmaceuticals AG,<br />

München<br />

Eine Lanze für die Internationalisierung<br />

Worin liegt eigentlich der Charme, ein breit gefächertes, internationales Investorenkonsortium<br />

um eine kleine Firma zu scharen, wie bei Axxima geschehen? Jeder Vielreisende<br />

weiß ein Lied zu singen von den Wartezeiten in Lounges, in Check-in-Schlangen, von<br />

kurzen Nächten in fremden Hotelbetten und von langen Flugzeiten. Das ist Zeit, die für<br />

das Führen einer Firma vor Ort verloren geht, die nicht den Kollegen und Mitarbeitern<br />

und ihren Projekten gewidmet werden kann. Nun ist aber die pharmazeutische Industrie,<br />

und in ihrem Gefolge notwendigerweise auch die Biotechnologie, ein sehr internationales<br />

Geschäft. Biotech-Firmen, die langfristig erfolgreich sein<br />

wollen, werden sich früher oder später damit<br />

auseinandersetzen.<br />

Internationalisierung ist auch eines der beiden Schlagworte,<br />

die das Wirtschaftsleben in Deutschland im<br />

vergangenen Jahr mehr geprägt haben als viele andere.<br />

In der öffentlichen Debatte wird Internationalisierung<br />

gerne mit Stellenabwanderung und Preis- oder Lohndumping<br />

verwechselt. Ein Hoffnungsschimmer sind<br />

Hochlohnjobs mit entsprechender Wertschöpfung, zum<br />

Beispiel in Forschung und Entwicklung. Das zweite<br />

Schlagwort ist daher die Innovationsoffensive.<br />

Die Biotech-Industrie darf von sich behaupten, dass Innovation ihr Hauptanliegen ist. Sie<br />

entwickelt Produkte und bietet Dienstleistungen an, die durchweg Neuheitscharakter<br />

haben. Solche Produkte sind immer stark erklärungsbedürftig.<br />

Die Axxima Pharmaceuticals AG zum Beispiel entwickelt Medikamente auf Basis kleiner<br />

Moleküle, die spezifisch bestimmte Proteine, die Kinasen, adressieren. Kinasen spielen<br />

in zellulären Prozessketten (Stichwort: Signaltransduktion) eine zentrale Rolle. Solche<br />

Prozessketten laufen normalerweise „gesund“ ab. Sie können aber auch degenerieren<br />

oder beispielsweise von Krankheitserregern missbraucht werden. Man kennt inzwischen<br />

die Rolle von Kinasen in zahlreichen Krankheitsbildern, wie Krebs, Infektions- oder<br />

Entzündungskrankheiten.<br />

Axxima hat eine einzigartige Technologieplattform auf dem Gebiet der Protein-Kinasen<br />

etabliert, die sich durch eine vollständige Integration von Biologie und Chemie auszeichnet.<br />

Genau diese Technologie, KinaTor genannt, ist der herausragende, strategische<br />

Baustein für Axxima. Der KinaTor ermöglicht u. a. die Selektivität von Kinase-<br />

Hemmstoffen vollständig zu erfassen. Auf diese Weise werden neue, spezifischere und<br />

weniger toxische Entwicklungskandidaten generiert. Axxima hat die notwendige Infrastruktur<br />

geschaffen, um von neu identifizierten Zielmolekülen über neue Leitstrukturen<br />

bis in die klinische Entwicklung der entsprechenden Substanzen zu gelangen.<br />

D ER B IOTECH-STANDORT D EUTSCHLAND<br />

Innovative Medikamentenentwicklung ist immer von sehr hohen Misserfolgsraten<br />

geprägt. Axxima hat also gleichzeitig zwei risikoreiche Wege beschritten: Zur Gründungszeit<br />

waren die Erfolgschancen von Kinasehemmstoffen noch generell angezweifelt<br />

worden. Inzwischen aber hat die Industrie mit Glivec (Novartis) und Iressa (Astra Zeneca)<br />

zwei erfolgreiche Medikamente auf den Markt gebracht und die Ideen der Firma<br />

bestätigt. Viele pharmazeutische Unternehmen verfolgen in der Zwischenzeit dieselben<br />

Strategien und sind auf der Suche nach neuen Wirkstoffen.<br />

Um auf ihrem Weg voranzukommen, hat Axxima daher von Beginn an mit ausgewählten<br />

Investoren zusammengearbeitet. Sie kennzeichnet eine hohe technologische Expertise<br />

und große Erfahrung aus der pharmazeutischen Industrie. Nur solchen Investoren sind<br />

komplexe Innovationen vermittelbar. Es sind auch Investoren, die oft<br />

aus persönlicher Kenntnis heraus von den kurzfristigen Hindernissen<br />

und Rückschlägen der pharmazeutischen Forschung unbeeindruckt<br />

bleiben. Diese Spezialisten haben in der Regel in den Big Pharmas<br />

internationale Erfahrung gesammelt sowie Netzwerke geknüpft und<br />

bleiben auch als VC international aktiv.<br />

Neben der pharmazeutischen Industrie ist auch die Finanzwelt selbst<br />

ein äußerst internationales Geschäft. Die Mechanismen der Finanzbranche<br />

sind deshalb überall ähnlich. Investiert wird nicht aus<br />

Altruismus. Professionelle Investoren, gleich aus welchem Erdteil,<br />

arbeiten ergebnis- und bewertungssensitiv. Kapital überwindet<br />

außerdem schnell alle Grenzen. Für VCs tun sich ständig in diversen<br />

Biotech-Clustern der westlichen Welt, schon bald vielleicht auch in<br />

Ländern wie China, neue Opportunitäten auf. Biotech-Firmen stehen daher auch auf der<br />

Finanzierungsseite in einem stetigen, internationalen Wettbewerb. Investoren werden<br />

auch nicht betriebsblind. Jede Finanzierungsrunde, auch vor den eigenen, bestehenden<br />

Investoren, wird zu einem neuen Werbefeldzug für das Businessmodell und die innovativen<br />

Ideen, die dahinterstecken. Biotech-Unternehmen haben sich daher in letzter<br />

Zeit überall auf kleinere oder gestückelte Private-Equity-Runden einstellen müssen, die<br />

Investoren mehr Spielräume lassen und ihnen die Chancen kurzfristiger Bindung<br />

eröffnen.<br />

Um in diesem Finanzierungsumfeld überhaupt wahrgenommen zu werden, muss ein<br />

Biotechunternehmen sein Profil geschärft haben: Mit einer klaren, finanzierbaren<br />

Strategie, einer nachvollziehbaren, technologischen Fokussierung mit wenigen, dafür<br />

aber umso Erfolg versprechenderen Produkten in der Pipeline und einer erkennbaren<br />

Exitmöglichkeit mit guten Renditechancen für den Private-Equity-Investor. Letztlich aber<br />

wird das Management immer gefordert bleiben, on the road dieses Firmenprofil<br />

Investoren und Partnern weltweit zu vermitteln.<br />

www.axxima.com<br />

110 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


5.1 Aktivitäten auf Bundesebene<br />

Pünktlich zu den 5. BMBF-Biotechnologie-Tagen wurde im<br />

vergangenen Oktober in Leipzig von Bundesforschungsministerin<br />

Edelgard Bulmahn ein neues, mit 100 Millionen €<br />

ausgestattetes Programm für kleine und mittlere Biotech-Unternehmen<br />

vorgestellt. Das Mittelstandsförderprogramm namens<br />

BioChancePLUS ist sehr gut angenommen worden, denn bis<br />

Februar diesen Jahres wurden bereits über 220 Projekt-Skizzen<br />

eingereicht.<br />

Inhaltlich liegt der Schwerpunkt der eingereichten Skizzen bei<br />

biomedizinischer Therapie und Diagnostik. Etwa die Hälfte<br />

aller Antragsteller geht davon aus, innerhalb der nächsten zwei<br />

bis drei Jahre Prototypen entwickeln zu können. Rund 90<br />

Prozent der Vorschläge wurden über die Geschäftsstellen der<br />

vom BMBF geförderten Biotechnologie-Regionen eingereicht.<br />

Die meisten Skizzen kamen dabei aus den Regionen München,<br />

Berlin, Stuttgart und Hannover. Bis Ende März 2004 wurde<br />

entschieden, welche Skizzen zu Anträgen weiterentwickelt<br />

werden. Um möglichst viele Unternehmen fördern zu können,<br />

soll der private Finanzanteil im Durchschnitt bei 60 Prozent<br />

liegen. Das Förderprogramm soll so insgesamt 250 Millionen €<br />

mobilisieren.<br />

Nicht direkt biotech-spezifisch, jedoch auf technologieorientierte<br />

Unternehmen ausgerichtet, ist die Initiative der<br />

Bundesregierung zur Verbesserung von Rahmenbedingungen<br />

für Gründungen kleinerer und mittlerer Unternehmen (KMU) in<br />

Deutschland. Im Rahmen der Innovationsoffensive wurde<br />

Anfang diesen Jahres der bereits im Jahr 2003 angekündigte<br />

Die wichtigsten Punkte im High-Tech Masterplan<br />

Quelle: High-Tech Masterplan, herausgegeben vom BMWA und BMBF<br />

• Beteiligungskapital: Mit neuen öffentlichen Finanzierungsinstrumenten<br />

wird der Zugang für junge Technologieunternehmen<br />

verbessert.<br />

• Steuerpolitik: Mit einer Reihe von steuerpolitischen<br />

Verbesserungen für Wagniskapitalgeber und junge Technologieunternehmen<br />

sollen international wettbewerbsfähige<br />

steuerliche Rahmenbedingungen erreicht werden.<br />

• Hightech-Börse: Die Einrichtung eines Segments für junge<br />

Technologieunternehmen kann die Wachstumsfinanzierung<br />

langfristig stärken und die Attraktivität von Börsengängen<br />

erhöhen.<br />

„High-Tech Masterplan“ vorgestellt.<br />

Kernpunkte sind ein verbesserter Zugang zu Wagniskapital, die<br />

Schaffung international wettbewerbsfähiger steuerlicher Rahmenbedingungen<br />

sowie neue Modelle der Zusammenarbeit<br />

zwischen öffentlicher Forschung und KMU. Die Initiative<br />

enthält als wichtiges Element den gemeinsam mit dem<br />

Europäischen Investitionsfonds EIF geschaffenen Dachfonds<br />

für Beteiligungskapital. Mit insgesamt 500 Millionen € sollen<br />

jungen Hightech-Unternehmen wieder Finanzierungsmöglichkeiten<br />

für ihre innovativen Ideen eröffnet werden. Damit<br />

sollen in den nächsten fünf Jahren für diese Unternehmen<br />

zusammen mit privaten Mitteln insgesamt bis zu 1,7 Milliarden €<br />

mobilisiert werden.<br />

Diese Initiative ist sicherlich zu begrüßen. Hinsichtlich der<br />

neuen Kapitalquellen muss jedoch sichergestellt werden, dass<br />

eine im VC-Bereich übliche und entsprechende stringente<br />

Prüfung (Due Diligence) die Vergabe von Finanzmitteln<br />

begleitet. Da die Gelder des Dachfonds an VC-Firmen direkt<br />

gehen soll, ist dieses hoffentlich gewährleistet.<br />

Neben der Gründung des Dachfonds, die Anfang März offiziell<br />

erfolgte, wurden weitere Instrumente der Beteiligungskapitalförderung<br />

an die aktuelle Situation angepasst. So wird ein Start-<br />

Fonds für Investments in Einzelunternehmen aufgelegt, bei dem<br />

offene Beteiligungen möglich sind, um Unternehmen nicht<br />

durch laufende Zinszahlungen für stille Beteiligungen zu<br />

belasten. Bei Bedarf sollen auch spätere Folgefinanzierungen<br />

möglich sein.<br />

• Spin-offs: Der Transfer von Forschungsergebnissen über<br />

Ausgründungen (Spin-offs) von Unternehmen aus Hochschulen<br />

und Forschungseinrichtungen wird durch den Ausbau<br />

entsprechender Förderinstrumente forciert.<br />

• Forschungsförderung: Die Einbindung junger Technologieunternehmen<br />

in Forschungs- und Innovationsnetzwerke wird<br />

verbessert; ihre Forschungsprojekte werden im Rahmen<br />

spezifischer Fachprogramme unterstützt.<br />

• Gründerausbildung und -motivation: Konzepte zur Förderung<br />

einer Gründermentalität in Schulen und Hochschulen werden<br />

ausgebaut, Gründeraktivitäten und -netzwerke an Hochschulen<br />

gestärkt.<br />

111


A KTIVITÄTEN AUF BUNDESEBENE<br />

Zudem wird die Auflage eines Seed-Fonds für FuE-basierte<br />

Gründungen geprüft, um die Finanzierung von frühen Unternehmensphasen<br />

sicherzustellen. Aber auch bereits etablierte<br />

innovative Mittelständler sollen von der neuen Initiative<br />

profitieren können: Unter Federführung der KfW-Mittelstandsbank<br />

wurden zwei Pilotvorhaben entwickelt, die den bisher<br />

vom Markt kaum abgedeckten Bereich zwischen 1 und<br />

5 Millionen € Beteiligungskapital stimulieren sollen.<br />

Neben den seit 2004 geltenden Regelungen der Steuerreform,<br />

die den Höchststeuersatz auf 42 Prozent begrenzt, der damit der<br />

niedrigste Satz ist, den es bisher in der Bundesrepublik gab,<br />

wurde der Körperschaftssteuersatz einheitlich auf 25 Prozent<br />

gesenkt. Dennoch wird durch diese Maßnahmen nicht erreicht,<br />

was Vertreter der Biotech-Unternehmensverbände seit langem<br />

fordern: Die Verrechnung von Verlustvorträgen mit Gewinnen<br />

über einen längeren Zeitraum als acht Jahre sowie die Befreiung<br />

der Unternehmen von Körperschaftssteuern für einen definierten<br />

Zeitraum. Auch die steuerliche Behandlung von Kapitalbeteiligungen<br />

bzw. von Veräußerungsgewinnen geht den<br />

Verbänden nicht weit genug. Hier sieht der High-Tech Masterplan<br />

vor, dass zur Besteuerung des erhöhten Gewinnanteils von<br />

Fonds-Initiatoren das Halbeinkünfteverfahren angewandt wird.<br />

Damit bleibt eine totale Steuerbefreiung ausgenommen.<br />

Statement zum High-Tech Masterplan<br />

Quelle: transkript, März 2004<br />

Dr. Ricardo Gent, Geschäftsführer Deutsche Industrievereinigung<br />

Biotechnologie DIB<br />

Der High-Tech Masterplan ist ein wichtiger Schritt der<br />

Bundesregierung, die technologische Leistungsfähigkeit des<br />

Mittelstandes in Deutschland zu stärken. Wir freuen uns, dass<br />

Aspekte der international wettbewerbsfähigen Besteuerung von<br />

Beteiligungskapital Eingang gefunden haben, wie etwa die<br />

Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens bei Besteuerung von<br />

Carried Interest. Einige steuerliche Hemmnisse blieben leider<br />

unangetastet, die wichtig sind für KMU. Zwei Anliegen sollen<br />

hier einmal genannt werden. Zum einen müssen die körperschaftssteuerlichen<br />

Verlustvorträge unbedingt erhalten bleiben,<br />

Der Transfer von Forschungsergebnissen über Ausgründungen<br />

von Unternehmen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen<br />

(Spin-offs) soll durch den Ausbau entsprechender Förderinstrumente<br />

forciert werden. Bereits bestehende Instrumentarien<br />

sind zum Beispiel:<br />

• Die BMBF-Pilotmaßnahme „Erleichterung von Existenzgründungen<br />

aus Forschungseinrichtungen (EEF)“,<br />

• die bereits initiierte Gründung eines Venture-Fonds der Fraunhofer-Gesellschaft<br />

gemeinsam mit externen Investoren,<br />

• die Gründung der Verwertungsgesellschaft „Ascenion“ der<br />

lebenswissenschaftlich orientierten Helmholtz-Zentren. Die<br />

Ascenion GmbH soll die Verwertung von „Life-Science“-<br />

Forschungsergebnissen ermöglichen und unter Umständen<br />

auch über die Helmholtz-Gemeinschaft hinaus aktiv werden.<br />

• Mit der Fördermaßnahme „EXIST-Seed“ wurden in den<br />

ersten fünf EXIST-Regionen bislang über 100 Gründungsvorhaben<br />

mit mehr als 150 beteiligten Gründerinnen und<br />

Gründern gefördert.<br />

um die mit hohen Beträgen in die Forschung investierenden<br />

Biotechnologie-Unternehmen auf den Finanzmärkten nicht zu<br />

benachteiligen. Zum anderen ist die steuerrechtliche Behandlung<br />

von Veräußerungsgewinnen bei Gründern und privaten,<br />

externen Investoren besonders kritisch für eine nachhaltige<br />

Entwicklung von Biotechnologie-Unternehmen und anderen<br />

Hightech-Unternehmen, da bei den risikoorientierten Investitionsentscheidungen<br />

der zu erwartende Wertzuwachs und der<br />

durch eine Veräußerung der Anteile zu erwartende Gewinn eine<br />

wichtige Rolle spielen. Es ist wichtig, die Wesentlichkeitsgrenze<br />

zumindest wieder auf 10 % zu erhöhen. Zudem sollte die<br />

Haltefrist für die steuerfreie Veräußerung von Beteiligungen<br />

von derzeit fünf auf zwei Jahre verkürzt werden. Diese und<br />

andere Hemmnisse müssen noch unbedingt in Angriff<br />

genommen werden.<br />

112 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Schließlich wird im High-Tech Masterplan neben der Stärkung<br />

der Forschungsförderung, wie zum Beispiel über das Programm<br />

BioChancePLUS, auch auf neue Konzepte zum Ausbau von<br />

Gründerausbildung und -motivation gesetzt.<br />

Nach der Studie „Global Entrepreneurship Monitor“, die im<br />

Februar 2003 von der Initiative GEM (in Zusammenarbeit mit<br />

Ernst & Young und der Deutschen Ausgleichsbank) zum Stand<br />

der Gründungsaktivitäten des Jahres 2002 in Deutschland im<br />

internationalen Vergleich veröffentlicht wurde, wird vor allem<br />

in der Schulausbildung weltweit zu wenig Wert auf<br />

Gründungsinhalte gelegt. Größter Schwachpunkt sind Inhalte<br />

mit direktem Gründungsbezug (Entrepreneurship, Unternehmensgründung),<br />

aber auch grundlegende Kenntnisse und<br />

Fertigkeiten (Wirtschaftskenntnisse, Kreativität, Eigeninitiative)<br />

werden nicht ausreichend vermittelt. Im Rahmen des<br />

High-Tech Masterplans werden daher von der Bundesregierung<br />

Projekte gestärkt, die bereits heute in Schulen von der öffentlichen<br />

Hand gefördert werden, so zum Beispiel:<br />

• Das Projekt JUNIOR: unter der Schirmherrschaft des BMWA<br />

wird Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit eröffnet,<br />

spielerisch ein eigenes Unternehmen zu gründen und zu<br />

führen.<br />

• Der Planspielwettbewerb „Jugend gründet“: Im Rahmen des<br />

vom BMBF ausgerichteten Wettbewerbs werden die verschiedenen<br />

Phasen forschungs- und technologieorientierter Gründungen<br />

von der Erstellung eines Business-Plans über die<br />

Produktentwicklung und den Markteintritt bis zum Börsengang<br />

virtuell simuliert.<br />

Aber auch in den Hochschulen wird an der Verbesserung des<br />

Gründungsklimas gearbeitet: In den letzten fünf Jahren wurden<br />

fast 50 Lehrstühle für Gründungsforschung und Entrepreneurship<br />

an Fachhochschulen und Universitäten eingerichtet, die zu<br />

zwei Dritteln privatwirtschaftlich finanziert sind. Seit Mitte<br />

2002 hat das BMBF im Rahmen von EXIST-Transfer die<br />

Förderung von Gründungsnetzwerken von zunächst fünf auf<br />

jetzt 15 Hochschulregionen ausgeweitet.<br />

Die Zukunft wird zeigen, inwieweit sich diese Maßnahmen der<br />

Bundesregierung auf den Technologie- und damit auch Biotech-<br />

Standort Deutschland auswirken. Zumindest ist ein erster Schritt<br />

getan, letztlich wird es weltweit jedoch immer konkurrierende<br />

Standorte mit eventuell besseren Bedingungen geben.<br />

Forderungen der VBU (Vereinigung Deutscher<br />

Biotechnologie-Unternehmen) zur Verbesserung von<br />

wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen<br />

Quelle: VBU, Stand Januar 2004<br />

1) Die steuerlichen Rahmenbedingungen<br />

• Befreiung von Körperschaftssteuern und anderen Unternehmenssteuern<br />

für einen definierten Zeitraum<br />

• Verrechnung des Verlustvortrags mit Gewinnen über einen<br />

längeren Zeitraum als acht Jahre<br />

• Zeitliche Ausdehnung der Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen<br />

von echten und stillen Beteiligungen<br />

• Stock Options werden nicht als geldwerter Vorteil eingestuft<br />

und Verwässerungen derselben sind steuerfrei zu stellen.<br />

• Gewinnanteile der VC-Fonds (carried interest) sind steuerfrei<br />

zu stellen<br />

2) Schaffung eines Technologiesegments an der Deutschen Börse<br />

• Wachstumsfinanzierung der Innovationsunternehmen muss<br />

sichergestellt werden.<br />

• Der Kreis der Finanzierung muss geschlossen bleiben.<br />

(VCs können langfristig nur finanzieren, wenn Exit-<br />

Möglichkeit durch die Börse besteht.)<br />

3) Besserer und intensiverer Technologietransfer aus den<br />

Hochschulen<br />

• Sensibilisierung der Studierenden bezüglich Patenschutz<br />

von Forschungsergebnissen<br />

• Offene Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Forschungseinrichtungen<br />

und Unternehmen<br />

4) Bessere Interaktion mit und erhöhte Präsenz bei der EU<br />

• Aktivere Mitwirkung in der EU bei der Planung von neuen,<br />

unsere Branche betreffenden Gesetzen und Förderprogrammen<br />

• Umgehende Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht<br />

• Einsetzen für ein europäisches Gemeinschaftspatent<br />

• Vereinfachung von Verfahren<br />

5) Mehr Anreize für eine echte Gründungskultur<br />

6) Umsetzung des bereits in 2003 vom BMBF und der Regierung<br />

diskutierten High-Tech Masterplans für neue Arbeitsplätze durch<br />

Gründung und Wachstumsförderung junger Innovations-<br />

Unternehmen<br />

113


5.2 Bio-Regionen im Visier<br />

Biotechnologiestrategie in Sachsen-Anhalt<br />

und im mitteldeutschen Wirtschaftsraum<br />

Auf die Frage nach wichtigen Biotechnologie-Clustern würde einem nicht spontan<br />

Sachsen-Anhalt einfallen. Dennoch hat diese Region in den letzten Jahren einen interessanten<br />

Weg bestritten. Ebenfalls nicht ganz unwichtig: Die Biotechnologie wird über<br />

Parteigrenzen hinweg als Innovationsmotor angesehen. Mit weit über 100 Millionen Euro<br />

allein in den kommenden fünf Jahren will die Landesregierung diese Entwicklung im<br />

Rahmen ihrer Biotechnologie-Offensive weiter fördern.<br />

Was sind die Besonderheiten der Biotechnologie-Region Sachsen-Anhalt?<br />

Auf den Punkt gebracht, lassen sich folgende Merkmale nennen:<br />

• Umfassende Strategie<br />

• Ausbau von Netzwerken – Pharmabereich/<br />

Neurotechnologie<br />

• Ausbau von Netzwerken – Pflanzenbiotechnologie<br />

• Schaffung von Infrastruktur<br />

• Klare politische Unterstützung<br />

• Rechtliche Rahmenbedingungen<br />

• Wille zur Kooperation mit angrenzenden Regionen<br />

Pläne zur Förderung der Biotechnologie gibt es wie Sand am Meer – aber eine<br />

umfassende, in sich schlüssige Strategie, in der die einzelnen Bausteine ineinander<br />

greifen, findet man selten. Förderpolitik umfasst heute mehr als nur die finanzielle Unterstützung<br />

von Unternehmensgründungen und Forschungsprojekten. Wichtig ist zum<br />

Beispiel auch ein Engagement im Bereich der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Die<br />

Biotechnologie-Strategie in Sachsen-Anhalt fokussiert sich auf bestehende Stärken und<br />

will diese weiter ausbauen. Hierzu gehören die Pflanzenbiotechnologie, die biopharmazeutische<br />

Entwicklung und Produktion sowie die Neurotechnologie. Biotech-Start-ups<br />

haben innovative Ideen – aber nur allzu oft noch keine Produkte auf dem Markt. Bestehende<br />

Pharmafirmen haben hier einen Vorsprung – und von denen gibt es in Sachsen-<br />

Anhalt einige: Bayer Bitterfeld, Salutas Pharma, Serumwerk Bernburg, Impfstoffwerk<br />

Dessau-Tornau und die esparma. Aus der Idee, diese beiden Player stärker zusammenzubringen,<br />

sind die Wachstumskerne PharmaMD in Magdeburg (Verknüpfung von Neurobiologie<br />

und Biotechnologie) und der Verbund WWW in Halle (Wertschöpfung mit<br />

Proteinen als Wirkstoffe und Werkzeuge) entstanden.<br />

Keine andere Region in Deutschland hat so gute Voraussetzungen für die Entwicklung<br />

und Anwendung biotechnologischer Verfahren im Agrarbereich. Speziell im Bereich<br />

Pflanzenbiotechnologie ist jedes zweite relevante Start-up in Sachsen-Anhalt angesiedelt.<br />

Die Leibniz-Institute in Gatersleben und Halle sowie das Bundesamt für<br />

Züchtungsforschung in Quedlinburg und die Fachhochschule Anhalt sind international<br />

anerkannt. Diese Ansammlung von Kompetenzen führte im Herbst 2000 zur Prämierung<br />

des InnoRegio-Wettbewerbsbeitrages „InnoPlanta“ durch das BMBF mit ca. 20 Mio. €.<br />

Der regionale Schwerpunkt wird zudem durch die traditionelle Präsenz von Saatzucht-<br />

unternehmen in dieser Region flankiert. Mit einer auf großen Flächen agierenden Landwirtschaft<br />

und einer beachtlichen Veredlungsindustrie sind die potenziellen Anwender<br />

am Standort vorhanden. Mit dem Bio-Zentrum Halle, dem Biotech-Gründerzentrum<br />

Gatersleben (speziell für Pflanzenbiotechnologie) und dem Zentrum für Neurowissenschaftliche<br />

Innovation (ZENIT) in Magdeburg verfügt das Land über eine gute<br />

Gebäudeinfrastruktur. In den Chemieparks Leuna und Bitterfeld existieren günstige<br />

Ansiedlungsbedingungen für biotechnologische Produktionsunternehmen. Der Themenschwerpunkt<br />

Pflanzenbiotechnologie spiegelt sich auch bei den Infrastrukturmaßnahmen<br />

wieder: So ist der Bau eines Bioparks in Gatersleben zur Ansiedlung von Firmen mit<br />

einem maximalen Finanzvolumen von 35 Millionen € und einer Förderung in Höhe von<br />

maximal 90 % geplant. Zielkunden sind vor allem Pflanzenbiotechnologieunternehmen.<br />

Es wird viel über Innovation geredet. Nur<br />

allzu leicht wird dabei vergessen, dass die<br />

Möglichkeit zur Vermarktung genauso<br />

dazu gehört, wie kreative Forschungsansätze.<br />

Aus diesem Grunde hat sich die<br />

Landesregierung entschlossen, die relevanten<br />

Unternehmen bei deren Anbau von<br />

gentechnisch veränderten Pflanzen in<br />

Sachsen-Anhalt zu unterstützen („Initiative<br />

Erprobungsanbau“). Es geht heute nicht mehr nur um Forschungsgelder und Investitionshilfen.<br />

Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen stimmen. Sachsen-<br />

Anhalt hat sich deshalb per Bundesratsinitiative dafür eingesetzt, dass die EU-Freisetzungsrichtlinie<br />

1:1 in deutsches Recht übernommen wird.<br />

Derjenige, der die wirtschaftliche Entwicklung einer Region voranbringen will, darf mit<br />

seinem Denken und Handeln nicht an Ländergrenzen Halt machen. Deshalb hat die interregionale<br />

Zusammenarbeit eine hohe Bedeutung und hier insbesondere der mitteldeutsche<br />

Wirtschaftsraum mit den Ländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.<br />

Beispiel sind gemeinsame Ausbildungsverbünde oder auch länderübergreifende Wachstumskerne<br />

zum Beispiel zwischen Leipzig und Halle.<br />

Die EU-Kommission hat vor kurzem eine interessante Studie veröffentlicht, wonach<br />

beide Faktoren – Diversität und Exzellenz – eine entscheidende Rolle bei der Attraktivität<br />

eines Clusters spielen. Es geht also nicht nur darum, in einem Bereich Spitze zu<br />

sein, sondern durchaus auch, unterschiedliche Expertisen vorweisen zu können. Diesem<br />

Anspruch kann keines der drei Länder, die den mitteldeutschen Wirtschaftsraum<br />

prägen, alleine gerecht werden. Im Verbund jedoch wird aus den isolierten Parzellen mit<br />

ihren unterschiedlichen Themenschwerpunkten eine attraktive Gesamtregion.<br />

von Dr. Jens Katzek, Geschäftsführer Bio-Mitteldeutschland GmbH, Halle<br />

www.bio-mitteldeutschland.de<br />

114 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


BioRiver – Life Science im Rheinland<br />

Die Bedeutung der Biotechnologie wurde im Rheinland früh erkannt: 1977 entstand im<br />

Forschungszentrum Jülich das Institut für Biotechnologie, 1982 in Köln das inzwischen<br />

weltbekannte Genzentrum. Mit Qiagen entstand 1984 Deutschlands erfolgreichstes und<br />

größtes Biotechnologie-Unternehmen als Spin-off der Universität Düsseldorf. Folgerichtig<br />

gehörte das Rheinland auch zu den drei Gewinner-Regionen des BioRegio-<br />

Wettbewerbs.<br />

In der Folgezeit wurde der Aufbau eines funktionierenden Netzwerks, die Förderung der<br />

Firmen und der Aufbau der Infrastruktur mit Hilfe der landesweit agierenden Initiative<br />

Bio-Gen-Tec NRW vorangetrieben. Bisher fehlte dem Rheinland noch eine regionale<br />

Institution für einen gemeinschaftlichen Auftritt des Rheinlands mit seinen vier<br />

Kernstädten Aachen, Bonn, Köln und Düsseldorf.<br />

Um das Potential des Rheinlandes in das nationale und<br />

internationale Blickfeld zu rücken, aber vor allem auch<br />

um die interregionale Zusammenarbeit der vier Kernregionen<br />

zu stärken, wurde eine Initiative gegründet,<br />

deren Name an das verbindende Element der Region,<br />

den Rhein, anknüpft: BioRiver. Die traditionsgepflegte Rivalität der so genannten rheinischen<br />

Schwestern Köln und Düsseldorf ist hier einer vorbildlichen Zusammenarbeit<br />

gewichen, die in gleicher Weise auch für die anderen Städte und Institutionen von<br />

BioRiver gilt.<br />

Der Struktur der polyzentrischen Region BioRiver wird Rechnung getragen, indem die<br />

regionalen Kompetenzen in vier funktionalen Säulen zusammengefasst sind:<br />

BioRiver Science<br />

Die international renommierten Universitäten und Forschungsinstitute bilden dabei<br />

unter der Säule BioRiver Science regionale Forschungsschwerpunkte: Medizintechnik<br />

und Biomaterialien (Aachen), Neurowissenschaften und Ethik (Bonn), Entzündungen,<br />

Infektionen und Onkologie (Köln) und Biotechnologie-Plattform (Düsseldorf, Jülich). Als<br />

Ergebnis der hier einzigartigen Konzentration von öffentlichen und privaten Lehr- und<br />

Forschungseinrichtungen ist BioRiver damit eine der führenden Wissenschaftsregionen<br />

in Deutschland. Gleichzeitig ist diese Region mit über 150.000 Studierenden eine der<br />

wichtigsten Regionen der Hochschulbildung in Europa.<br />

BioRiver Cities<br />

Die BioRiver Cities Aachen, Bonn, Köln und Düsseldorf stellen die geographischen<br />

Knotenpunkte von BioRiver dar. Sie sind untereinander eng vernetzt und bilden zusammen<br />

mit ihren jeweils benachbarten Städten und Kreisen regional vernetzte Einheiten.<br />

Die BioRiver Cities koordinieren dabei in Zusammenarbeit mit den anderen Säulen das<br />

Standortmarketing und den Außenauftritt von BioRiver und sind Bindeglied für die<br />

interne Vernetzung der Regionen und Säulen.<br />

BioRiver Parks<br />

Als BioRiver Parks haben sich 18 rheinländische Technologiezentren zusammengeschlossen<br />

und verfügen über 200.000 m2 Gesamtfläche, davon über 70.000 m2 Laborfläche.<br />

Die BioRiver Parks ergänzen sich hier in ihren Schwerpunkten sehr gut. Die Bandbreite<br />

reicht von spezialisierten Gründerzentren und Inkubatoren mit Universitäts-<br />

Anbindung bis hin zu Technologie- und Entwicklungszentren mit Kompetenz in<br />

pharmazeutischer Produktentwicklung.<br />

BioRiver Companies<br />

Kaum eine deutsche Bioregion verfügt über mehr Arbeitsplätze, Umsatz oder Gewinne<br />

in der Biotechnologie als BioRiver. Vielfalt ist dabei das hervorstechende Merkmal der<br />

BioRiver Companies. Die Firmen rund um Bonn, Köln und Düsseldorf zeigen biotechnologische<br />

Kompetenz in der Diagnostik und der<br />

molekularen Medizin, der Biochiptechnologie, im nicht<br />

viralen Gentransfer, im Tissue Engineering und in der<br />

Stammzelltherapie. Die Region Aachen/Jülich ergänzt<br />

das Spektrum insbesondere um bioverfahrenstechnische<br />

Kompetenz.<br />

Das bereits 1984 in Düsseldorf gegründete Unternehmen Qiagen ist Deutschlands<br />

erstes börsennotiertes und bei weitem größtes Biotechnologie-Unternehmen, das auch<br />

global zu den erfolgreichsten überhaupt gehört. Weltweit sind mehr als 1.500 Mitarbeiter<br />

in rund zehn Ländern beschäftigt. Ein weiteres Schwergewicht in der deutschen<br />

Biotechnologie ist Miltenyi Biotec in der Nähe von Köln – mit über 750 Mitarbeitern (davon<br />

600 in Deutschland) ebenfalls global aufgestellt.<br />

Auch Produkt entwickelnde, biopharmazeutische Unternehmen sind in der Region<br />

BioRiver ganz vorne mit dabei. Das bereits 1985 gegründete Unternehmen Rhein<br />

Biotech, jetzt zur Berna Biotech Gruppe gehörend, hat bereits seit mehreren Jahren<br />

Impfstoff-Produkte am Markt. Unternehmen wie z. B. Biofrontera AG, Coley Pharmaceuticals<br />

oder Paion verfügen über Produktpipelines, die bis in die Phase II/III reichen.<br />

Chemie und Pharma<br />

BioRiver zählt auch zu einem der größten Pharma- und Chemiestandorte Europas: Der<br />

Welt-Konzern Bayer AG mit seinen drei Sparten Pharma, Polymere und Pflanzenschutz,<br />

ebenso Aventis, Degussa, Henkel, Cognis, Grünenthal, Schwarz Pharma oder Madaus.<br />

Professionelle Produktionsmöglichkeiten (cGMP Facilities) befinden sich bei Bayer<br />

HealthCare in Wuppertal und bei Girindus in der Nähe von Köln, wo zusätzlich das<br />

komplette Repertoire von Forschung und Verfahrensentwicklung angeboten wird.<br />

Das Rheinland ist mit BioRiver neu gestartet und wird vor allem die Internationalisierung der<br />

Region vorantreiben, verstärkt die Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft fördern<br />

und die Chancen und Entwicklungspotentiale der Life Sciences im Rheinland bündeln.<br />

von Martin Kretschmer, Koordination BioRiver – Life Science im Rheinland<br />

www.bioriver.de<br />

115


Anhang<br />

Methodik und Definitionen<br />

Methodik<br />

Die vorliegende Studie basiert auf einer Befragung von<br />

deutschen Core-Biotech-Unternehmen. Es wurden dazu die 350<br />

Unternehmen angeschrieben, die der Definition eines Core-<br />

Biotech-Unternehmens von Ernst & Young entsprechen. Der<br />

Rücklauf an Antworten betrug über 60 Prozent. Bei risikokapital-finanzierten<br />

Unternehmen betrug der Rücklauf 75<br />

Prozent. Bei den 39 Firmen mit mehr als 50 Mitarbeitern betrug<br />

der Rücklauf 90 Prozent.<br />

Zudem wurde eine Befragung bei in- und ausländischen<br />

Investoren, die in deutsche Firmen der Biotechnologie investieren,<br />

durchgeführt. Die Rücklaufquote der Fragebögen betrug<br />

hier 40 Prozent.<br />

Der Inhalt wurde ferner durch intensive Sekundärrecherchen<br />

ergänzt. Die themenbezogenen Beiträge wurden von externen<br />

Experten verfasst und stellen somit deren Meinung dar.<br />

Definition Biotechnologie<br />

Die Ernst & Young-Definition von „Biotechnologie“ ist<br />

weitestgehend angelehnt an die OECD-Definition zur<br />

modernen Biotechnologie. Demnach werden unter „moderner<br />

Biotechnologie“ alle innovativen Methoden, Verfahren oder<br />

Produkte verstanden, die die Nutzung von lebenden Organismen<br />

oder ihrer zellulären und subzellulären Bestandteile<br />

beinhalten. Ferner umfasst diese auch die kommerzielle<br />

Umsetzung von Erkenntnissen der Molekularbiologie,<br />

Virologie, Mikrobiologie und Zellbiologie.<br />

Zu den Verfahren zählen vor allem rekombinante DNA-<br />

Techniken; cDNA-Techniken und Biochips; Herstellung von<br />

und Arbeiten mit Antikörpern sowie Proteinen als Tools,<br />

Therapeutika und Diagnostika; Auftragsproduktion, wenn<br />

rekombinante Verfahren involviert sind; biologische Assays und<br />

zelluläre Systeme; Zellkulturen für Therapie und Produktion;<br />

Gentherapie und Drug Delivery; molekulare Diagnostik sowie<br />

moderne pflanzenbiotechnologische Verfahren.<br />

Ebenfalls hinzugezählt werden Produkte und Verfahren, die<br />

nicht im engeren Sinne „bio“-technologisch sind, jedoch wichtige<br />

Bausteine in der Wertschöpfungskette der Biotech-Industrie<br />

darstellen (zum Beispiel Bioinformatik und Kombinatorik).<br />

Definition Core-Biotech-Unternehmen<br />

Beruhend auf dieser Definition der Biotechnologie wurden von<br />

Ernst & Young Unternehmen selektiert, deren Hauptgeschäftszweck<br />

die Kommerzialisierung der modernen Biotechnologie<br />

ist. Die Kommerzialisierung umfasst die Erforschung, Entwicklung<br />

und Vermarktung von Produkten, Technologien und<br />

Dienstleistungen auf Basis der modernen Biotechnologie.<br />

Diese Firmen werden als Core-Biotech-Firmen bezeichnet. Ziel<br />

der Fokussierung ist es, den „Kern“ der Branche abzubilden<br />

und somit eine homogene Menge von Firmen zu erfassen, die<br />

mit ähnlichen Methoden arbeiten und deshalb bezüglich der<br />

untersuchten Parameter (Geschäftsmodell, Geschäftsfelder etc.)<br />

besser vergleichbar sind.<br />

Die fachliche Ausrichtung des Unternehmens ist das primäre<br />

Selektionskriterium. Ein weiteres Merkmal eines Core-Biotech-<br />

Unternehmens ist die Neuartigkeit bzw. Originalität der<br />

Technologie (Innovationskriterium), welches sich durch Patente<br />

bzw. Patentanmeldungen belegen lässt. Eine auf Wachstum<br />

ausgerichtete Geschäftsstrategie, die beispielweise auf Kooperationen<br />

mit anderen Biotech-Unternehmen abzielt, sowie<br />

der Einsatz von Risikokapital sind weitere wichtige, aber nicht<br />

ausschließliche Kriterien der Zuordnung.<br />

116 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Ausschlusskriterien<br />

Diese Studie beinhaltet nicht Firmen, die sich mit klassischen<br />

Methoden der Biotechnologie beschäftigen, also zum Beispiel<br />

Verfahren aus der Umweltbiotechnologie (klassische biologische<br />

Verfahren der Schadstoffbeseitigung wie Abwasserreinigung<br />

oder Biofilter), der Pflanzenbiotechnologie (klassische<br />

Pflanzenzucht und Vermehrung, Saatgutherstellung), der<br />

Nahrungsmittelherstellung (Bierbrauer) und der industriellen<br />

Biotechnologie (Fermentation/Transformationen zur Herstellung<br />

von Antibiotika oder Feinchemikalien, klassische Enzymtechnologie).<br />

Ebenso werden Firmen ausgeschlossen, die allein analytische<br />

Techniken einsetzen. Auch rein biochemisches Arbeiten (zum<br />

Beispiel klassische Labor-, klinische und genetische Diagnostik)<br />

sowie mikroskopische Diagnostik werden nicht berücksichtigt.<br />

Der Fokus liegt stark auf dem Einsatz der Molekularbiologie.<br />

So sind zum Beispiel Firmen, die sich vorwiegend mit<br />

gängigen Technologien der Immunologie (ELISA und<br />

ähnliches) beschäftigen, ebenfalls nicht in die Untersuchung<br />

eingeschlossen. Eine Ausnahme stellen Firmen dar, die in<br />

eigener Entwicklung beispielsweise Antigene für immundiagnostische<br />

Zwecke in größerem Maße rekombinant<br />

herstellen.<br />

Reine Geräte- und Verbrauchsmaterialhersteller werden ebenfalls<br />

nicht berücksichtigt (hierzu zählen auch Biosensoren,<br />

selbst wenn ein biologisches Molekül zur Messung von<br />

biologischen und nicht biologischen Parametern eingesetzt<br />

wird).<br />

Ebenfalls ausgeschlossen sind Firmen, die sich ausschließlich<br />

mit dem Vertrieb von biologischen Produkten (zum Beispiel<br />

Biochemikalien) beschäftigen oder die Biotechnologie nicht als<br />

Hauptgeschäftszweck betreiben.<br />

Damit sind auch traditionelle Mittelstands- und Großunternehmen<br />

aus der Pharma- und Agroindustrie ausgeschlossen,<br />

auch wenn sie mit Methoden der modernen Biotechnologie<br />

arbeiten. Denn der Einsatz der Biotechnologie ist hier nicht<br />

Hauptgeschäftszweck. Auch Niederlassungen von ursprünglich<br />

ausländischen Core-Biotech-Firmen sowie Unternehmen aus<br />

der Medizintechnik bleiben unberücksichtigt, wie auch Tochterunternehmen<br />

deutscher Konzerne, die in deren Jahresabschluss<br />

voll konsolidiert werden.<br />

Diese Ausschlusskriterien sind nicht als negative Selektion zu<br />

verstehen. Tatsächlich stehen viele der nicht berücksichtigten<br />

Firmen in engem Zusammenhang mit der Core-Biotech-<br />

Industrie. Die klare Abgrenzung soll vielmehr dem interessierten<br />

Leser Daten zur Verfügung stellen, die auf einem vergleichbaren<br />

Sample beruhen.<br />

Abgrenzung zu anderen Erhebungen<br />

Mit dieser bewusst sehr restriktiven, aber klar definierten<br />

Auswahl von Core-Biotech-Firmen bestehen Unterschiede zu<br />

Erhebungen anderer Institutionen, wie zum Beispiel dem<br />

Informationssekretariat Biotechnologie (ISB) oder der<br />

BIOCOM AG. Die wesentlichen Unterschiede liegen darin,<br />

dass Ernst & Young weder Großunternehmen noch Firmen, die<br />

sich nicht ausschließlich mit der modernen Biotechnologie<br />

beschäftigen, in seine Untersuchung einschließt. Darüber<br />

hinaus werden in der Ernst & Young-Studie keine Firmen der<br />

klassischen Biotechnologie berücksichtigt.<br />

Die Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Selektionskriterien<br />

beruhen auf unterschiedlichen Zielsetzungen der<br />

angesprochenen Erhebungen. So veröffentlicht die BIOCOM<br />

AG ein jährlich erscheinendes „BioTechnologie Jahr- und<br />

Adressbuch“, das ISB publiziert im Internet einen<br />

„Firmenatlas“.<br />

Ernst & Young fokussiert sich auf die vertiefte Analyse der<br />

Schlüsselfaktoren der Core-Biotech-Industrie und daraus<br />

abzuleitenden Trends.<br />

117


Verzeichnis der Expertenbeiträge<br />

Kapitel 2: Technologien und Produkte<br />

Decoy-Oligonukleotid-Technologie als Plattform für neue Produkte<br />

Prof. Dr. Heiko von der Leyen, Avontec GmbH 18<br />

Industrialisierte Target-Validierung<br />

Prof. Peter Buckel und Stephan Wehselau, Xantos Biomedicine AG 19<br />

Kombinatorische Biosynthese eröffnet neue Wege in Naturstoffforschung<br />

Dr. Rolf Zettl, Combinature Biopharm AG 21<br />

Vorteile in der Produktentwicklung durch Orphan Drug Status<br />

Dr. Nils Behnke, CellControl Biomedical Laboratories AG 25<br />

Management des Produktportfolios in Zeiten knapper Mittel<br />

Dr. Wolfgang Söhngen, Paion GmbH 27<br />

Beschleunigte Wirkstoffentwicklung mit Peptiden<br />

Prof. Dr. Jens Schneider-Mergener, Jerini AG 28<br />

Mit Biogenerika zum voll integrierten Biotech-Unternehmen<br />

– Herausforderungen an Geschäftsstrategien und Entwicklungskompetenz<br />

Elmar Schäfer und Dr. Klaus Maleck, BioGeneriX AG 37<br />

Molekulardiagnostik – Die Zukunft für Diagnostik-Unternehmen<br />

Ulrich Spengler, artus GmbH 39<br />

Pflanzenbiotechnologie – mehr als gene food<br />

Prof. Dr. Yuri Y. Gleba, Icon Genetics AG 46<br />

Mit Gensonden auf Bakterien und Wachstum zielen<br />

Dr. Jiri Snaidr, vermicon AG 48<br />

Kapitel 3: Geschäfts- und Kommerzialisierungsstrategien<br />

Solides Geschäft mit moderner Technologie: Erfolgreiche Kombination aus Service und Produkten<br />

Dr. Holger Eickhoff, SCIENION AG 51<br />

IP-Value-Management für Biotech-Unternehmen<br />

– Wie nutzt man das geistige Eigentum zur Wertsteigerung des Unternehmens?<br />

Dr. Fritjof Boerner, EYLaw Luther Menold Rechtsanwaltsgesellschaft mbH 55<br />

Restrukturierung als Basis für eine erfolgreiche Finanzierungsrunde<br />

Herbert Liebl, Ingenium Pharmaceuticals AG 57<br />

Gibt es ein (Firmen-)Leben nach der Insolvenz?<br />

Dr. Fritz Grunert, Genovac GmbH 59<br />

Wie viel CFO braucht das Biotech-Unternehmen?<br />

Michael Raab, Fairvest AG 62<br />

Beschleunigte Entwicklung neuartiger Gen-Diagnostika durch Netzwerkbildung<br />

Prof. Dr. Paul Cullen, ogham GmbH 64<br />

Akquisition durch US-BioTech-Unternehmen stärkt die zukünftige Entwicklung<br />

Dr. Stephan Wnendt, Kourion Therapeutics AG 66<br />

118 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


„Große“ und „kleine“ Hindernisse bei M&A-Transaktionen<br />

Dr. Alexander Asam, Deutsche Venture Capital 68<br />

Abschied vom Standard Deal zwischen Biotech und Big Pharma<br />

Dr. Simon E. Moroney, MorphoSys AG 71<br />

Kooperationsstrategien der Evotec OAI AG<br />

Jörn Aldag, Evotec OAI AG 73<br />

Vorteile der Partnerschaft mit einem mittelständischen Life-Science-Unternehmen<br />

Dr. Horst Lindhofer, TRION Pharma GmbH 75<br />

Die Bedeutung der Biotechnologie aus Sicht des VFA<br />

Dr. Siegfried Throm, Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. 78<br />

Marktwachstum von Biopharmazeutika aus Sicht der Pharma-Industrie<br />

Rolf G. Werner, Boehringer Ingelheim GmbH 80<br />

Kooperationsstrategien für Biotech-Unternehmen und pharmazeutischen Mittelstand in Deutschland<br />

Dr. Gudrun Tiedemann, Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. 83<br />

Kapitel 4: Finanzierung und Kapitalmarkt<br />

Die Notwendigkeit von Frühphasenfinanzierungen<br />

Dr. Joachim Rautter, PEPPERMINT. Financial Partners 88<br />

Zweitrundenfinanzierung mit internationaler Beteiligung in schwierigen Zeiten<br />

Dr. Ed Stuart, U3 Pharma AG 93<br />

Alternative Finanzierungsquellen: Fördermittel für Unternehmen der Biotech-Branche<br />

Stephan Naumann, Ernst & Young AG 100<br />

A Partnership Model for Virtual and Start-Up BioPharmaceuticals Companies<br />

Brad Benson, aaiPharma Inc. 102<br />

Biotech-Börsengänge in Deutschland: Perspektiven aus Sicht der DZ-Bank<br />

Dr. Bernd Goergen und Sascha Rinno, DZ BANK AG 106<br />

Kapitel 5: Der Biotech-Standort Deutschland<br />

Eine Lanze für die Internationalisierung<br />

Dr. Yoram Karmon, Axxima Pharmaceuticals AG 110<br />

Biotechnologiestrategie in Sachsen-Anhalt und im mitteldeutschen Wirtschaftsraum<br />

Dr. Jens Katzek, Bio-Mitteldeutschland GmbH 114<br />

BioRiver – Life Science im Rheinland<br />

Martin Kretschmer, BioRiver 115<br />

119


Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen<br />

Tabelle 1-1 Eckdaten der deutschen Core-Biotech-Industrie 9<br />

Tabelle 2-1 Anzahl der Wirkstoffe in der Entwicklungspipeline nach Firmenstatus 29<br />

Tabelle 2-2 Jüngst zugelassene und in Phase III befindliche therapeutische Antikörper 34<br />

Tabelle 2-3 Ausgewählte Projekte zu therapeutischen Antikörpern bei deutschen Core-Biotech-Firmen 35<br />

Tabelle 3-1 Fusionen und Übernahmen in der deutschen Core-Biotech-Industrie im Jahr 2003 65<br />

Tabelle 3-2 Ausgewählte, veröffentlichte „Deals“ nach Partnerland und Partnertyp im Jahr 2003 72<br />

Tabelle 3-3 Ausgewählte Kooperationsbeziehungen deutscher Biotech-Firmen mit Pharmaunternehmen 76<br />

Tabelle 4-1 Investorensample 89<br />

Tabelle 4-2 Top-10-Venture-Capital-Runden deutscher Core-Biotech-Firmen im Jahr 2003 94<br />

Tabelle 4-3 Übersicht zu ausgewählten Förder-/Beteiligungsprogrammen ohne Fachgebietsbezug 99<br />

Abbildung 1-1 Historische Entwicklung der Anzahl an Core-Biotech-Unternehmen 10<br />

Abbildung 1-2 Übersicht zu Abgängen und Neugründen der letzten Jahre 11<br />

Abbildung 1-3 Zusammensetzung der Abgänge 11<br />

Abbildung 1-4 Entwicklung der Anzahl an Mitarbeitern in Core-Biotech-Unternehmen 12<br />

Abbildung 1-5 Mitarbeiterverteilung der Core-Biotech-Unternehmen im Jahresvergleich 13<br />

Abbildung 1-6 Mitarbeiterverteilung bei nicht VC- und VC-finanzierten Core-Biotech-Unternehmen im Jahresvergleich 13<br />

Abbildung 1-7 Umsatzverteilung im Jahresvergleich 14<br />

Abbildung 1-8 Anzahl der Core-Biotech-Unternehmen nach Bundesländern 15<br />

Abbildung 1-9 Bundesweite Verteilung der deutschen Core-Biotech-Unternehmen 16<br />

Abbildung 2-1 Technologiebasis der Sampleunternehmen 17<br />

Abbildung 2-2 Produktbereiche der Sample-Unternehmen im Jahresvergleich 23<br />

Abbildung 2-3 Wirkstoff-Entwicklungspipeline der Sample-Unternehmen nach Phase 24<br />

Abbildung 2-4 Wirkstoff-Entwicklungspipeline nach Anzahl Unternehmen im Jahresvergleich 26<br />

Abbildung 2-5 Wirkstoffportfolio der Sample-Unternehmen im Jahresvergleich 29<br />

Abbildung 2-6 Herkunft der Produkte in der Entwicklungspipeline:<br />

Eigenentwicklung versus Einlizenzierung im Jahresvergleich 30<br />

Abbildung 2-7 Entwicklungsportfolio nach Indikation im Jahresvergleich 31<br />

Abbildung 2-8 Entwicklungsportfolio nach Art des Wirkstoffs im Jahresvergleich 31<br />

Abbildung 2-9 Ausgewählte Indikationen nach Art des Wirkstoffs 32<br />

Die Illustration zu Antikörpern auf Seite 33 wurde freundlicherweise von Herrn Christian Josef zur Verfügung gestellt.<br />

120 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Abbildung 3-1 Sample-Unternehmen nach ihrer Geschäftsausrichtung 49<br />

Abbildung 3-1a VC-finanzierte Sample-Unternehmen nach ihrer Geschäftsausrichtung 50<br />

Abbildung 3-2 Verteilung von Geschäftstätigkeiten bei Sample-Unternehmen, die Therapeutika entwickeln 50<br />

Abbildung 3-3 Verteilung von Services im Bereich Auftragsforschung/-produktion 52<br />

Abbildung 3-4 Entwicklungs- und Vermarktungsstrategien der Sample-Unternehmen 53<br />

Abbildung 3-5 Aufteilung von alternativen Vermarktungsstrategien bei Sample-Firmen, die Produkte nicht selbst vermarkten 53<br />

Abbildung 3-6 Entwicklungsstrategien der Therapeutika entwickelnden Sample-Unternehmen 54<br />

Abbildung 3-7 Mitarbeiterverteilung der Insolvenzen im Jahresvergleich 58<br />

Abbildung 3-8 Firmenalter der Insolvenzen im Jahresvergleich 58<br />

Abbildung 3-9 Geschäftsfelder/Geschäftsmodelle der insolventen Firmen im Jahresvergleich 60<br />

Abbildung 3-10 Finanzierungsstatus der insolventen Firmen im Jahresvergleich 60<br />

Abbildung 3-11 Kommerzielle Deals im Jahr 2003 69<br />

Abbildung 3-12 Kommerzielle Deals nach Partnerart 70<br />

Abbildung 3-13 Kommerzielle Deals nach Partnerland 70<br />

Abbildung 3-14 Wertschöpfungsnetz Biotechnologie 77<br />

Abbildung 3-15 Kooperationsmöglichkeiten in der Pharma-Wertschöpfungskette 84<br />

Abbildung 4-1 Kapitalquellen des Investorensamples 85<br />

Abbildung 4-2 Bevorzugter Exit der Investoren im Jahresvergleich 86<br />

Abbildung 4-3 Ranking von Investitionshemmnissen 87<br />

Abbildung 4-4 Finanzierungsphase der Sample-Unternehmen 90<br />

Abbildung 4-5 Aufgenommenes Eigenkapital im Jahresvergleich 91<br />

Abbildung 4-6 VC-Finanzierung der Core-Biotech-Unternehmen seit 1996 91<br />

Abbildung 4-7 Verteilung VC-Runden im Jahresvergleich 92<br />

Abbildung 4-8 Herkunft der Investoren der VC-Runden im Jahresvergleich 92<br />

Abbildung 4-9 VC-Finanzierungsrunden nach Phasenschwerpunkt im Jahresvergleich 95<br />

Abbildung 4-10 VC-Finanzierungsrunden nach Segment im Jahresvergleich 96<br />

Abbildung 4-11 Verteilung von Biotech-Förderungen im Zeitraum 2000 bis 2003 98<br />

Abbildung 4-12 Aufteilung der Biotech-Förderung im Zeitraum 2000 bis 2003 nach Mitarbeiterkategorien 99<br />

Abbildung 4-13 Kapitalbedarf bei den Sample-Unternehmen je nach Geschäftsmodell 103<br />

Abbildung 4-14 Cash-Reserven der Kapital suchenden, VC-finanzierten Firmen 103<br />

Abbildung 4-15 Veränderung der Gesamtmarktkapitalisierung der Unternehmen im ehemaligen Neuen Markt Biotech Index 104<br />

Abbildung 4-16 Veränderung der Gesamtmarktkapitalisierung der Unternehmen<br />

im ehemaligen Neuen Markt Biotech Index im Jahr 2003 105<br />

Abbildung 4-17 Planung Börsengang bei Sample-Unternehmen 108<br />

Abbildung 5-1 Rangplatz Deutschlands nach wichtigen Kriterien der technologischen Leistungsfähigkeit 109<br />

121


122 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


123


124 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004


Thought Leadership &<br />

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Services<br />

• Audit<br />

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Pharma<br />

(IAS, US-GAAP)<br />

• Business Risk<br />

• Internal Audit<br />

• Compensation & Benefits<br />

• German Perspective<br />

• European Perspective<br />

• Americas Perspective<br />

• Asia-Pacific Perspective<br />

Pharmaceutical Reports<br />

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