E - Save Our Seeds
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Die europäische Ebene<br />
P RODUKTE IN DER B IOTECHNOLOGIE<br />
In den Staaten der Europäischen Gemeinschaft ist die Zahl der<br />
Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen seit<br />
1998 um etwa 80 Prozent gesunken. Das zeigt eine Untersuchung,<br />
die das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und<br />
Innovationsforschung ISI, Karlsruhe, zusammen mit der<br />
Universität Hohenheim und dem Institute for Prospective<br />
Technological Studies, Sevilla (Spanien), für die Europäische<br />
Kommission erstellte. Grund dafür war das EU-weit geltende<br />
Moratorium für einen Anbau solcher Pflanzen. Weltweit stieg<br />
die Fläche, auf der gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut<br />
wurden, im Jahr 2002 dagegen auf fast 60 Millionen Hektar.<br />
Die Gründe für die Zurückhaltung in Europa sind vielfältig.<br />
Zusätzlich zu dem Moratorium, auf das sich der EU-Umweltministerrat<br />
1999 geeinigt hatte, ist die Akzeptanz gentechnisch<br />
veränderter Produkte bei den Verbrauchern ausgesprochen<br />
gering. Daraus ergeben sich erhebliche Marktunsicherheiten für<br />
die Hersteller. So ist es nicht verwunderlich, dass vornehmlich<br />
multinationale, finanzkräftige Firmen auf diesem Gebiet aktiv<br />
sind. Sie führen gut 65 Prozent aller Freisetzungsversuche<br />
durch. Kleine oder mittlere Unternehmen sind mit einem Anteil<br />
von 6 Prozent dagegen wesentlich zurückhaltender und versuchen,<br />
sich vorwiegend in Nischenmärkten zu positionieren.<br />
Der Rest der Freisetzungen entfällt auf öffentliche Forschungsstätten,<br />
Universitäten oder andere Einrichtungen.<br />
Dennoch ist die Pipeline mit gentechnisch veränderten Organismen<br />
für die Landwirtschaft auch in den europäischen Ländern<br />
prall gefüllt. Seit im Oktober vergangenen Jahres eine EU-<br />
Richtlinie das Freisetzen gentechnisch veränderter Organismen<br />
neu regelte, erwartet die Europäische Union wieder ein Anwachsen<br />
bei den Feldversuchen. Zunächst konzentrieren sich<br />
die Hersteller nach den Untersuchungen des Fraunhofer ISI auf<br />
die Herbizidresistenz von Pflanzen sowie auf die Stärkung der<br />
Widerstandskräfte gegenüber Insektenbefall und Krankheiten.<br />
Voraussichtlich erst im nächsten Jahrzehnt sind dann verstärkt<br />
Pflanzen mit gesundheitsfördernden Substanzen oder allergenreduzierte<br />
Pflanzen für die menschliche Ernährung zu erwarten.<br />
Ergebnisse einer Studie der Deutschen Bank zur<br />
„grünen“ Biotechnologie<br />
Autor: Uwe Perlitz, Januar 2004<br />
• Über den Einsatz der grünen Biotechnologie wird in Europa<br />
heftig diskutiert. Der liberalen Einstellung der EU-Kommission<br />
steht die ablehnende Haltung der Mehrheit der EU-<br />
Mitgliedsstaaten gegenüber. Die Regierungen folgen dabei<br />
vor allem den Vorschlägen für schärfere Auflagen von Verbraucherschützern.<br />
Bei der Umsetzung der EU-Richtlinien<br />
(z. B. Freisetzungsrichtlinie) kommt es daher zu zeitlichen<br />
Verzögerungen.<br />
• Deutschland ist zwar führend auf dem Gebiet der Grundlagenforschung.<br />
Durch die zögerliche Umsetzung könnten<br />
Unternehmen aber noch mehr als bisher gezwungen sein, auf<br />
andere Geschäftsfelder auszuweichen (z. B. Biopharmazeutika)<br />
oder ihre F&E-Aktivitäten nach Übersee zu verlagern.<br />
• Während in Europa Genpflanzen (von Ausnahmen abgesehen)<br />
nur zu Versuchszwecken angebaut werden, erreichte<br />
die weltweite Anbaufläche 2002 schon 60 Mio. Hektar; dies<br />
ist etwa sechsmal so viel wie die gesamte landwirtschaftliche<br />
Anbaufläche in Deutschland.<br />
• Die Gen-Anbaufläche in der Welt könnte sich bis 2010 in<br />
etwa verdoppeln, während sie in Europa kaum zunehmen<br />
dürfte. Die größte Fläche werden auch weiterhin die USA<br />
aufweisen, gefolgt von Argentinien und Kanada.<br />
• Da weltweit die landwirtschaftliche Nutzfläche ohne massive<br />
technologische und organisatorische Fortschritte (z. B.<br />
Bewässerung) kaum wesentlich vergrößert werden kann,<br />
müssen zur Versorgung einer zunehmenden Bevölkerungszahl<br />
in der Welt die Hektarerträge deutlich gesteigert werden.<br />
Hier liegen große Chancen der grünen Gentechnik. Sie wird<br />
traditionelle Anbaumethoden zwar nicht ersetzen, aber<br />
wesentlich ergänzen und erweitern.<br />
• Vorteile der Genpflanzen gegenüber dem traditionellen<br />
Anbau bestehen vor allem in höheren Erträgen, verbesserter<br />
Erntequalität und einer Entlastung der Umwelt. Nachteile<br />
könnten in noch nicht absehbaren ökologischen und<br />
gesundheitlichen Risiken liegen.<br />
• In der EU dürfte der Austausch von traditionellem Mais,<br />
Zuckerrüben und Kartoffeln durch entsprechende Gensorten<br />
die Erntemengen um knapp 8 Mio. Tonnen (+ rd. 4 %)<br />
und die Nettoeinkommen der Landwirte um 1 Mrd. € pro<br />
Jahr steigern; absolut und relativ am höchsten wären die<br />
Vorteile in Frankreich und in Deutschland.<br />
• Die Akzeptanz von Genpflanzen ließe sich in Europa erhöhen,<br />
wenn die Vorteile stärker transparent würden. So<br />
haben etwa viele genetisch veränderte Lebensmittel gesundheitsfördernde<br />
Wirkungen (sog. Functional-Food). Allerdings<br />
dürfte vor allem in Deutschland der Weg der Aufklärung<br />
und Überzeugung lang und dornenreich sein, da sich<br />
derzeit noch 70 % der Bevölkerung gegen gentechnisch<br />
veränderte Lebensmittel aussprechen.<br />
44 P ER A SPERA A D A STRA - DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2004