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01 RZ Auen und Kies D/F - KSE Bern

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BUWAL Faktenblatt <strong>Auen</strong> 1Am Vorderrhein (Foto: Amt für Natur <strong>und</strong> Landschaft, GR)AUEN UND KIES<strong>Kies</strong> ist ein wertvoller <strong>und</strong> vielseitig verwendeterRohstoff. Seine Gewinnung stellt allerdings einenbeträchtlichen landschaftlichen Eingriff dar. Nebenlandschaftlichen Aspekten sind hauptsächlichdie Interessen von Landwirtschaft, Forstwirtschaft,Naturschutz, Gr<strong>und</strong>wasserschutz <strong>und</strong> von Trinkwasserversorgungbetroffen.Aus ökonomischen Gründen wird <strong>Kies</strong> vielerortsaus Fliessgewässern entnommen. Neben der Rohstoffgewinnungkönnen auch Anliegen des Hochwasserschutzeseinen <strong>Kies</strong>abbau erfordern. DasFlussbett wird von Zeit zu Zeit ausgebaggert, umso das Abflussvolumen zu erhöhen. In anderenFällen wird ein einmaliger gezielter <strong>Kies</strong>abbauals Instrument zur Revitalisierung einer Aue eingesetzt.Auf das sensible System der <strong>Auen</strong> hat der <strong>Kies</strong>abbauvor allem dann negative Auswirkungen, wenner den Geschiebehaushalt verändert <strong>und</strong> die alluvialeDynamik einschränkt. Ohne genügende Dynamikdes Gewässer- <strong>und</strong> Geschiebehaushalts verschwindenPionierstandorte für auentypischePflanzen <strong>und</strong> Tiere, oder die Standorte werdennicht mehr neu gebildet.<strong>Kies</strong>nutzung kann deshalb mit den Zielen des <strong>Auen</strong>schutzesin Konflikt geraten.RechtlicheRahmenbedingungenÜberblickWer in <strong>Auen</strong>gebieten von nationaler Bedeutung<strong>Kies</strong> abbauen will, braucht dazu verschiedene behördlicheGenehmigungen, nämlich wenigstens:• je nach kantonalem Recht eine <strong>Kies</strong>entnahmekonzession(z.B. Kantone <strong>Bern</strong>, Freiburg, Graubünden,Wallis <strong>und</strong> Zürich) oder eine <strong>Kies</strong>entnahmebewilligung(z.B. Kantone Aargau, Tessin<strong>und</strong> Waadt);


<strong>Auen</strong> <strong>und</strong> <strong>Kies</strong> 2• eine Bewilligung nach Gewässerschutzgesetz(Art. 44 Abs. 1 GSchG);• für Eingriffe in Fischgewässer eine fischereirechtlicheBewilligung (Art. 8 Abs. 1 <strong>und</strong> 3 Bst. g BGF);• für grössere Vorhaben eine Baubewilligung (Art.22 Abs. 1 RPG), die sich auf eine entsprechendeNutzungsplanung (<strong>Kies</strong>abbauzone; Art. 18 Abs.1 RPG) stützt (BGE 123 II 93 ff., 120 lb 212), fürkleinere Vorhaben eine Ausnahmebewilligungfür Bauten ausserhalb der Bauzonen (Art. 24RPG).• eine Überprüfung der Vereinbarkeit mit demSchutzziel der ungeschmälerten Erhaltung der<strong>Auen</strong>gebiete von nationaler Bedeutung (Art. 4<strong>Auen</strong>V) für grössere Vorhaben im Rahmen derNutzungsplanung (BGE 123 II 93 ff.) <strong>und</strong> fürkleinere Vorhaben im Rahmen der Erteilung derAusnahmebewilligung nach Art. 24 RPG. Dabeiist nicht nur auf die Vermeidung neuer Beeinträchtigungenzu achten, sondern auch auf dieBeseitigung bestehender Beeinträchtigungen(Art. 8 <strong>Auen</strong>V).<strong>Kies</strong>entnahmekonzession<strong>und</strong> <strong>Kies</strong>entnahmebewilligungDas Recht auf <strong>Kies</strong>entnahme wird in einigen Kantonenals staatliches Regalrecht angesehen. Es stehtdeshalb diesen Kantonen ein Recht zur ausschliesslichenNutzung zu (z.B. Art. 52 Abs. 1 <strong>und</strong> 3 derbernischen Kantonsverfassung <strong>und</strong> § 77 Abs. 1 deszürcherischen Wasserwirtschaftsgesetzes). Zwarkann der Kanton dieses Recht mit einer <strong>Kies</strong>entnahmekonzessionan Dritte übertragen, doch bestehtauf deren Erteilung kein Anspruch (z.B. Art.49 Abs. 1 des bernischen Wasserbaugesetzes). DerKanton kann die Gewährung der Konzession ohneweiteres verweigern.Ebenfalls kein Erteilungsanspruch besteht in denKantonen, die für die <strong>Kies</strong>entnahme eine Konzessionfür die Sondernutzung einer öffentlichen Sachevoraussetzen (z.B. Art. 120 des graubündnerischenEinführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch,Art. 20 des freiburgischen Gesetzes über die öffentlichenSachen <strong>und</strong> Art. 140 des Walliser Strassengesetzes).Andere Kantone sehen für den <strong>Kies</strong>abbau eineBewilligungspflicht vor (z.B. § 8 des aargauischenAbbaudekrets, Art.2 des Tessiner Decreto legislativoregolante gli scavi all’alveo di laghi, fiumi etorrenti <strong>und</strong> § 4 der waadtländischen Loi sur lescarrières). Sind die gesetzlichen Voraussetzungenerfüllt, besteht in diesen Kantonen ein Anspruchauf Erteilung der Bewilligung.GewässerschutzrechtlicheErfordernisseDie <strong>Kies</strong>ausbeutung darf Gr<strong>und</strong>wasservorkommen,die sich nach Menge <strong>und</strong> Qualität für die Wasserversorgungeignen, nicht beeinträchtigen (Art. 44Abs. 2 <strong>und</strong> 3 GSchG). Über solchen Gr<strong>und</strong>wasservorkommenmuss deshalb eine schützende Materialschichtvon mindestens 2 m über dem natürlichenzehnjährigen Gr<strong>und</strong>wasserhöchststand belassenwerden. Zudem muss die Abbaufläche sobegrenzt werden, dass die natürliche Gr<strong>und</strong>wasserneubildunggewährleistet ist. Der Boden mussnach der Entnahme wieder so hergestellt werden,dass seine Schutzwirkung der ursprünglichen entspricht(Anh. 4 Ziff. 211 Abs. 3 lit. a, b, c GSchV).Eine Absenkung des Gr<strong>und</strong>wasserspiegels ist nichtzulässig; kurzfristig darf das Gr<strong>und</strong>wasser abgesenktwerden, sofern dadurch die Qualität desGr<strong>und</strong>wassers <strong>und</strong> die Vegetation nicht beeinträchtigtwerden (Art. 43 Abs. 1 GSchG). In Gr<strong>und</strong>wasserschutzzonennach Art. 20 GSchG ist die <strong>Kies</strong>gewinnungausgeschlossen (BGE 119 Ib 176 f).In Fliessgewässern darf auch der Geschiebehaushaltnicht nachteilig beeinflusst werden (Art. 44Abs. 2 GSchG Bst.c, Art. 43 GSchV). Es sind Trübungenzu vermeiden, die Fischgewässer beeinträchtigenkönnen. Ausserhalb des Abbauperimetersdarf die <strong>Kies</strong>entnahme weder zu einer erheblichenVeränderung der Korngrössenverteilung desSohlenmaterials führen noch langfristig zu einerAbsenkung der Sohle.Fischereirechtliche ErfordernisseNach Art. 9 Abs. 1 BGF sind günstige Lebensbedingungenfür Wassertiere (hinsichtlich der Ausbildungdes Durchflussprofils, der Beschaffung derSohle, der Zahl <strong>und</strong> Gestaltung der Fischunterstände,der Wassertiefe <strong>und</strong> -temperatur sowie derFliessgeschwindigkeit) <strong>und</strong> für die natürliche Fortpflanzungsicherzustellen. Durch vorgängiges elektrischesAbfischen ist zu verhindern, dass Fische<strong>und</strong> Krebse durch bauliche Anlagen oder Maschinengetötet oder verletzt werden. Beeinträchtigtein Vorhaben schwerwiegende Interessen der Fi-


<strong>Auen</strong> <strong>und</strong> <strong>Kies</strong> 3scherei, insbesondere solche des Lebensraumschutzes,lassen sich aber keine geeigneten Massnahmenzur Schaffung günstiger Lebensbedingungenfür Wassertiere finden, ist über das Projekt im Rahmeneiner Interessenabwägung zu entscheiden(Art. 9 Abs. 2 BGF).Naturschutzrechtliche Erfordernisse<strong>Auen</strong>gebiete von nationaler Bedeutung sollennach Art. 4 Abs. 1 <strong>Auen</strong>V ungeschmälert erhaltenbleiben. Das Schutzziel der «ungeschmälerten Erhaltung»umfasst drei Elemente, nämlich denSchutz des Ist-Zustandes der auentypischen einheimischenPflanzen <strong>und</strong> Tiere, die Verbesserungdes Ist-Zustandes für diese Pflanzen <strong>und</strong> Tiere sowiedie Wiederherstellung der natürlichen Dynamikdes Gewässer- <strong>und</strong> Geschiebehaushaltes. <strong>Kies</strong>abbaukann durchaus mit diesem Schutzziel imEinklang stehen (vgl. Art. 5 Abs. 2 Bst. c <strong>Auen</strong>V <strong>und</strong>Art. 43 Abs. 1 Bst. c GSchV). Dabei muss garantiertsein, dass das Betriebskonzept in Etappierung <strong>und</strong>Abbaumengen eine nachhaltige Entwicklung des<strong>Auen</strong>gebiets sichert.Dazu kommt, dass <strong>Auen</strong>gebiete von nationalerBedeutung im Rahmen des Schutzziels nicht absolut,sondern nur relativ geschützt sind. Art. 4Abs. 2 <strong>Auen</strong>V sieht nämlich dann Ausnahmenvom Schutzziel vor, wenn das Vorhaben sowohlunmittelbar standortgeb<strong>und</strong>en ist, als auch einemüberwiegenden öffentlichen Interesse von ebenfallsnationaler Bedeutung dient. Für die Gewährungeiner Ausnahme ist damit gefordert, dass der<strong>Kies</strong>abbau an keinem anderen Standort realisiertwerden kann (absolute im Gegensatz zur relativenStandortgeb<strong>und</strong>enheit). Zudem muss die <strong>Kies</strong>gewinnungmindestens zur Gewährleistung der re-Wer in <strong>Auen</strong>gebieten <strong>Kies</strong> abbauen will, braucht dazu verschiedene behördliche Genehmigungen: <strong>Kies</strong>werk im Kanderdelta, BE(Foto: Jan Ryser).gionalen <strong>Kies</strong>versorgung unentbehrlich sein, damitsie nationale Bedeutung hat (BVR 1997 528 =URP 1998 68, mit Hinweis auf BGE 104 lb 230). Istmit dem Abbau eine Verbesserung des <strong>Auen</strong>gebiets(z.B. Wiederherstellung der fehlenden Dynamik)verb<strong>und</strong>en, ist für das Naturschutzrecht kein Nachweisdes Standortbedarfs nötig. Im Falle einer Rodungmuss der Nachweis hingegen aufgr<strong>und</strong> derWaldgesetzgebung gebracht werden. Wird eineAusnahme vom Schutzziel gewährt, so ist die Verursacherinoder der Verursacher zu bestmöglichenSchutz-, Wiederherstellungs- oder angemessenenErsatzmassnahmen zu verpflichten (dies bereitsnach Art. 18 Abs. 1ter NHG). Diese Ersatzmassnahmenmüssen nicht nur der nationalen BedeutungRechnung tragen, sondern auch den Lebensräumen<strong>und</strong> dem Umfang der tangierten Teilfläche.


<strong>Auen</strong> <strong>und</strong> <strong>Kies</strong> 4Gründe für <strong>Kies</strong>abbauin <strong>Auen</strong>gebietenRohstoffgewinnungLokal gesehen stellt das Geschiebe der Fliessgewässerin <strong>Auen</strong>gebieten oft ein wirtschaftlich bedeutendesAbbaupotential dar. <strong>Kies</strong>bänke können aufeinfache Art mit mobilen Maschinen abgebautwerden.Hochwasserschutzin angrenzenden GebietenAn <strong>Auen</strong>gebiete angrenzende Gebiete liegen oftnur wenig über dem Niveau des <strong>Auen</strong>gebiets <strong>und</strong>sind eventuell durch einen Hochwasserschutzdammvom <strong>Auen</strong>gebiet abgetrennt. Wird die Sohledurch einen natürlichen Auflandungstrend im<strong>Auen</strong>gebiet angehoben, so besteht für die angrenzendenGebiete eine erhöhte Überschwemmungsgefahr.Dadurch kann eine Geschiebeentnahmenotwendig werden. Ein Spezialfall ist die Mündungeines steilen Seitenzuflusses in den Talfluss. DieZufuhr erfolgt oft schubartig, was temporär zu einerstarken Anhebung der Sohle im Talfluss <strong>und</strong>zu einem Rückstau in oberliegende Gebiete führenkann (Beispiele: <strong>Auen</strong>objekt Nr. 58 Teuffengraben– Sackau: Abschnitt Rüschegg-Graben-Wislisau, BE; <strong>Auen</strong>objekt Nr. 31 Cahuons, GR).Hochwasserschutzin der unterliegenden StreckeAn das <strong>Auen</strong>gebiet kann eine korrigierte Streckeanschliessen, in welcher Auflandungen zu nichttolerierbaren Überflutungen führen könnten.Möglicherweise muss deshalb der Geschiebeaustragaus dem <strong>Auen</strong>gebiet gegenüber dem natürlichenZustand reduziert werden. Die alluviale Dynamikkann in diesem Fall nur erhalten oder wiederhergestelltwerden, wenn auch im <strong>Auen</strong>gebietdie Sohle einem flacheren Gefälle als dem natürlichenentspricht (Beispiel <strong>Auen</strong>objekt Nr. 78 Engstlige:Bim Stei – Oybedli, BE).Im Alpenraum gibt es oft kaum Alternativen zur <strong>Kies</strong>entnahmeaus Fliessgewässern <strong>und</strong> <strong>Auen</strong>gebieten: Pian di Alne imCalancatal, GR (Foto: Stephan Lussi).Verhinderung von SeitenerosionIn Fliessgewässern, in denen wirksame Hochwasserselten oder von kurzer Dauer sind, ist es eineherkömmliche Praxis, periodisch in der Mitte desGerinnes einen Kanal auszubaggern <strong>und</strong> so dieBelastung der Ufer zu reduzieren. Wenn das gebaggerteMaterial dem Gewässer nicht zurückgegebenwird, verändert diese Entnahme natürlichauch die Geschiebebilanz (Beispiele <strong>Auen</strong>objektNr. 61 Aergera, Abschnitt Stersmühle, FR; <strong>Auen</strong>objektNr. 151 Brenno di Blenio, TI, nach Hochwasser1987, nicht aber 1993).Eine solche Massnahme kann aus Sicht des Hochwasserschutzes(Uferstabilität) genügen, wennwährend des folgenden Hochwassers der Abflussnicht bereits wieder zu den alten Angriffspunkten


<strong>Auen</strong> <strong>und</strong> <strong>Kies</strong> 5zurückfindet. Sie kann eine falsche Sicherheit vortäuschen,wenn das nachfolgende Hochwassereine ausserordentliche Spitze aufweist <strong>und</strong>/odervon langer Dauer ist. In einem solchen Fall wirddas Hochwasser das gebaggerte Gerinne ausgleichen<strong>und</strong> nachher wieder am Ufer weiter erodieren.Da solche Massnahmen die <strong>Auen</strong>dynamikstark beeinträchtigen, sind sie – gemessen am bescheidenenGewinn an Sicherheit – oft als unverhältnismässiganzusehen.Vermeintliche AblagerungenBei Diskontinuitäten im Abflussprofil – besondersbei Einengungen im Bereich von Brücken – ergebensich aus hydraulischen Gründen auch Diskontinuitätender mittleren Sohle. Sichtbar wirddies als Geschiebebank oberhalb der Verengung.Diese wird dann fälschlicherweise als Zeichen einesAuflandungstrends angesehen <strong>und</strong> deshalbweggebaggert. Eine Analyse des Geschiebehaushaltskann in einem solchen Fall aufzeigen, ob dieAblagerung akzeptiert werden kann oder nicht(Beispiele <strong>Auen</strong>objekt Nr. 61 Aergera, AbschnittStersmühle, FR; <strong>Auen</strong>objekt Nr. 129 La Borgne enamont d’Arolla, VS).FlussmorphologischeGr<strong>und</strong>lagenAlluviale Dynamik (Geschiebedynamik)In <strong>Auen</strong>gebieten wirken die Hochwasser ähnlicheinem Pflug <strong>und</strong> lagern Geschiebe um. Dies bewirkteine Zerstörung von Standorten (Abtrag von<strong>Kies</strong>bänken <strong>und</strong> Inseln) sowie die Entstehung vonneuen Standorten (Aufschüttung von <strong>Kies</strong>bänken).Die alluviale Dynamik steht in engem Zusammenhangmit dem Mechanismus <strong>und</strong> der Intensitätdes Geschiebetransports sowie den verschiedenenGerinneformen.Gerinneformen• Verzweigte Gerinne: Das Gerinne zerfällt inmehrere Teilgerinne. Dazwischen haben sich <strong>Kies</strong>bänke<strong>und</strong> Inseln gebildet. Grosse Gerinnebreite,relativ steiles Gefälle, verhältnismässig feinesGeschiebe <strong>und</strong> grosse Variationen des Abflussesfördern diesen Zustand (Beispiele <strong>Auen</strong>objekt Nr.61 Aergera, FR; <strong>Auen</strong>objekt Nr. 133 Pfynwald, VS).In <strong>Auen</strong>gebieten wirken die Hochwasser ähnlich einem Pflug<strong>und</strong> lagern Geschiebe um: verzweigtes Gerinne an derAergera, FR (Foto: Martin Jäggi).• Mäandrierende Einzelgerinne: Der Abflussbleibt in einem Einzelgerinne konzentriert, dasim Gr<strong>und</strong>riss gesehen relativ regelmässige Windungenaufweist. Material wird an den Aussenseitender Kurven erodiert <strong>und</strong> in den Innenseitender nächsten Kurven abgelagert. Auf dieseWeise pflügt sich ein solches Gerinne längerfristigdurch die <strong>Auen</strong>landschaft (Beispiele <strong>Auen</strong>objekteNr. 119 Embouchure de l’ Aubonne,VD; <strong>Auen</strong>objekt Nr. 121 La Roujarde an der Venoge,VD).• Abgepflästertes Einzelgerinne: Tieft sichein Gerinne in die Umgebung ein, so werden


<strong>Auen</strong> <strong>und</strong> <strong>Kies</strong> 6an der Oberfläche vor allem die gröberen Komponentenzurückgelassen. Weist das anstehendeMaterial eine breite Kornverteilung mit sehrgroben Komponenten auf, so kann diese Deckschichtauch für hohe Abflüsse stabil bleiben.Auch wenn dieser morphologische Zustand vorallem in stark korrigierten Gewässern zu findenist, kommt er doch auch in relativ natürlichenAbschnitten vor (Beispiel <strong>Auen</strong>objekt Nr. 72Heustrich an der Kander, BE).KonflikteAspekt Natur <strong>und</strong> LandschaftIn Folge des <strong>Kies</strong>abbaus können sich verschiedeneKonflikte mit dem Schutz der Aue ergeben:Mechanismus des GeschiebetransportsDie Bewegung von Geschiebekörnern in einemFliessgewässer mit verzweigtem Gerinne oder mäandrierendemEinzelgerinne ist gr<strong>und</strong>sätzlich diskontinuierlich.Ein Partikel wird durch den Abflussin Bewegung versetzt <strong>und</strong> über eine gewisse Strekketransportiert. Dort bleibt es liegen, dafür werdenwieder andere Partikel in Bewegung gebracht.In solchen Gerinnen erfolgt der Transport fast ausschliesslichvon einer bestimmten Erosionszonein eine bestimmte Ablagerungszone. Der gesamteGeschiebetransport trägt so zur alluvialen Dynamikbei. Im Gegensatz dazu werden bei einer praktischfesten Sohle, wie dies in einem stark abgepflästerten(kolmatierten) Einzelgerinne der Fallist, einzelne Körner über grosse Strecken transportiert.Intensität des GeschiebetransportsDie Menge des umgelagerten Geschiebes ist vomGefälle, dem Abfluss <strong>und</strong> umgekehrt proportionalvon der Materialgrösse abhängig. Geschiebetransport<strong>und</strong> somit auch die alluviale Dynamik sindauf Hochwasserperioden konzentriert. Steile Gebirgsflüssemit ausgeprägten Hochwasserspitzenunterliegen einer höheren alluvialen Dynamik alsTalflüsse mit kleinerem Gefälle <strong>und</strong> einem ausgeglichenerenAbflussregime.Bauten <strong>und</strong> Installationen für die <strong>Kies</strong>gewinnung könneneinen erheblichen Flächenverlust für die Aue bedeuten:<strong>Kies</strong>werk «In Erlen» bei Grindelwald, BE (Foto: Naturschutzinspektorat<strong>Bern</strong>).• Installationen <strong>und</strong> Deponien: Oft sind nebenden Bauten für die <strong>Kies</strong>gewinnung im engerenSinn auch noch andere Installationen vorhandenwie z.B. Parkplätze, Garagen, Deponie<strong>und</strong>Materialumschlagplätze. Der Flächenverlustfür die Aue kann dabei erheblich sein.• <strong>Kies</strong>bänke: Durch den Abbau der <strong>Kies</strong>bänkegehen wertvolle auentypische Lebensräume verloren.Es verschwinden Standorte für Pionierpflanzen,welche die Vegetationsentwicklung inden <strong>Auen</strong> einleiten. <strong>Kies</strong>bänke sind aber auchder Lebensraum für spezialisierte Tierarten, dieoft zu den seltenen Arten der Schweiz gehören.• Massenbilanz: Durch <strong>Kies</strong>entnahmen wird dasGeschieberegime verändert. Auch <strong>Kies</strong>entnahmenoberhalb des <strong>Auen</strong>gebiets verändern diealluviale Dynamik. Ein Auflandungstrend wirdGeschieberegimeErreicht mehr Geschiebe einen Abschnitt einesFliessgewässers als dieses dort weiter zu transportierenvermag, wird das überschüssige Materialabgelagert (Auflandungszustand). Im umgekehrtenFall tieft sich das Gerinne tendenziell ein (Erosionszustand).Entsprechen sich Ein- <strong>und</strong> Austraggerade, so spricht man von einem dynamischenGleichgewicht.Wenn <strong>Kies</strong>bänke abgebaut werden, gehen Lebensräume fürzahlreiche auentypische Pflanzen <strong>und</strong> Tiere verloren:Flussregenpfeifer (Foto: Peter Keusch).


<strong>Auen</strong> <strong>und</strong> <strong>Kies</strong> 7verlangsamt oder kompensiert. Häufig wirddurch die Veränderung der Bilanz aus einemAuflandungstrend ein Erosionstrend, oder aberein latent vorhandener Erosionstrend wirddurch die Entnahmen deutlich verstärkt. DieNeubildung von Pionierstandorten wird beeinträchtigtoder verhindert.• Gerinneformen: Die Veränderung des Geschieberegimeshat oft auch Auswirkungen aufdie Gerinneform. Wird aus einem AuflandungseinErosionstrend, so wird aus einem breiten,verzweigten oder einem mäandrierenden Flussim Extremfall ein eingetieftes, abgepflästertesEinzelgerinne mit einer geringen alluvialen Dynamik.Die Zonen ausserhalb des Hauptgerinneswerden zu Flussterrassen, die durch dieHochwasser nicht mehr umgestaltet werden <strong>und</strong>für welche auch die Überflutungshäufigkeit abnimmt.Damit fehlt die regelmässige Erneuerungder <strong>Auen</strong>vegetation. Die Vegetation verändertsich in Richtung Dauergesellschaften. Damitgehen wertvolle Biotope für die Fauna verloren.• Gr<strong>und</strong>wasserspiegel: Oft hat die <strong>Kies</strong>ausbeutungin Fliessgewässern, insbesondere bei einemhoch liegenden Gr<strong>und</strong>wasser, eine – gewässerschutzrechtlichnicht zulässige – Gr<strong>und</strong>wasserspiegelsenkungzur Folge. Als Folge davon kanndie <strong>Auen</strong>vegegation vertrocknen. Die feuchteertragenden<strong>Auen</strong>arten werden mit der Zeit von«gewöhnlicheren» Pflanzenarten verdrängt.• Gewässerbelastung: Früher hat das Einleitenvon Abwassern zu einer Gewässerbelastung mitfeinen Sedimenten geführt. Dabei bestand dieGefahr einer Veränderung des Gewässerökosystems.Heute bestehen diesbezüglich strengeAuflagen (Art.6 GSchG, Anhang GSchV).• Lärmbelastung: Sowohl der Abbau selbst wieauch der durch den Abtransport entstehendeVerkehr verursachen eine zum Teil nicht unerheblicheLärmbelastung, die zu einer Störungder Fauna führen kann.• Landschaftsbild: Bauten für den <strong>Kies</strong>abbausind Fremdkörper in einer urtümlichen Landschaft.Auch Geländeveränderungen wie Aufschüttungen,<strong>Kies</strong>haufen oder tiefe Baggerlöcherkönnen das Landschaftsbild stark beeinträchtigen.Rechtlicher AspektSind bestehende Beeinträchtigungen eines <strong>Auen</strong>gebietsvon nationaler Bedeutung zu beseitigen(Art. 8 <strong>Auen</strong>V), so darf eine kantonale <strong>Kies</strong>abbaukonzessionoder -bewilligung, die mit dem Schutzziel(Art. 4 <strong>Auen</strong>V) unvereinbar ist, nicht verlängertwerden. Unter Umständen <strong>und</strong> allenfalls gegenEntschädigung kommt sogar während ihrerGeltungsdauer ein Widerruf oder eine Beschränkungder Konzession in Betracht (so etwa nach Art.49 Abs. 3 des bernischen Wasserbaugesetzes).Tangieren rechtmässig erstellte Betriebsbauten den<strong>Auen</strong>schutz, können diese weiter bestehen, unterhalten<strong>und</strong> betrieben werden (sog. Besitzstandsgarantie).Die Entfernung solcher Bauten kann nuraufgr<strong>und</strong> einer Vereinbarung des Kantons mit denGr<strong>und</strong>eigentümern <strong>und</strong> Bewirtschaftern (Art. 18aAbs. 2 i.V. mit Art. 18c Abs. 1 <strong>und</strong> 2 NHG) erreichtwerden. Konflikte mit dem <strong>Kies</strong>abbau in <strong>Auen</strong>gebietenvon nationaler Bedeutung sind deshalbmitunter nur im gegenseitigen Einvernehmen derBeteiligten zu lösen. Nur wenn entsprechendeBemühungen scheitern, ist die Enteignung durchden Kanton (Art. 18a Abs. 2 i.V. mit Art. 18c Abs. 4NHG) denkbar. Von der Besitzstandsgarantie nichtabgedeckt <strong>und</strong> damit nicht bewilligungsfähig sinddagegen Erweiterungen, Zweckänderungen <strong>und</strong>der Wiederaufbau von Bauten, die schutzzielwidrigsind <strong>und</strong> keine Ausnahme vom Schutzziel beanspruchenkönnen.Bauten für den <strong>Kies</strong>abbau <strong>und</strong> mit dem Abbau verb<strong>und</strong>eneGeländeveränderungen sind Fremdkörper in einer urtümlichenLandschaft (Foto: <strong>Auen</strong>beratungsstelle).


<strong>Auen</strong> <strong>und</strong> <strong>Kies</strong> 9Entnahmetechniken• Entnahme mit mobilen Geräten, vor allemwenn der Entnahmeort wechselt.• Entnahme mit einer fest installierten Schrapperanlage.Es wird periodisch ein Baggerlocheines bestimmten Volumens ausgebaggert.Hochwasser müssen dieses auf- <strong>und</strong> überfüllen,so dass der geforderte Austrag möglich ist. DerGeschiebedurchgang ist diskontinuierlich, sollteaber im Mittel der geforderten Austragsmengeentsprechen.• Geschiebesammler. Das Gerinne wird damitgeometrisch fixiert. Üblich ist entweder eineZweiteilung des Gerinnes, so dass zwei paralleleBecken entstehen, oder eine Gerinneaufweitung– oft asymmetrisch –, in der regelmässigeine Geschiebebank durch das Gewässer aufgeschüttetwird. In den parallelen Becken wird imWechselbetrieb ein Becken ausgebaggert <strong>und</strong> imzweiten das Gewässer durchgeleitet. Wichtigsind in beiden Fällen gute geometrische Vorgabenfür die Interventionsgrenze, damit klar ist,wann der Zeitpunkt für eine Baggerung gekommenist. Es muss gewährleistet sein, dass nachder Baggerung ein Weitertransport des Geschiebesmöglich ist.<strong>Auen</strong>revitalisierung durch gezielten<strong>Kies</strong>abbauIn gewissen Fällen ist es sinnvoll, in einem <strong>Auen</strong>gebietauf einem tieferen Niveau als dem ursprünglicheneine neue Sohlenlage herzurichten. Wirddabei die Sohle gegenüber dem aktuellen Zustandwesentlich verbreitert <strong>und</strong> auch die Voraussetzunggeschaffen, dass die künftigen Hochwasser eherwieder zu einer langsamen Auflandung führen, sobedeutet dies eine starke Förderung der alluvialenDynamik (Beispiel <strong>Auen</strong>objekt Nr. 160 Pascolettoan der Moesa, GR).Durch die Absenkung wird eine bestimmte Mengean <strong>Kies</strong> zum Abbau frei, welche mehreren Jahresfrachtendieses Gewässers an Geschiebe – imExtremfall sogar der Fracht von Jahrzehnten –entsprechen kann.Durch eine einmalige <strong>und</strong> gezielte <strong>Kies</strong>entnahme wurde die Sohle verbreitert, damit die alluviale Dynamik wieder genügend Raumfindet: Pascoletto, GR (Foto: Rolf Wyss).


<strong>Auen</strong> <strong>und</strong> <strong>Kies</strong> 10FallbeispieleStrada (Objekt Nr. 174, GR): Dieses <strong>Auen</strong>gebietwar früher durch zwei <strong>Kies</strong>werke unmittelbarbetroffen. Eines, welches mitten im Gebiet stand,konnte im Rahmen von Kompensationsmassnahmenbeim Bau der Umfahrungsstrasse Strada aufgehobenwerden.Das zweite, welches oberhalb des <strong>Auen</strong>gebiets <strong>Kies</strong>entnimmt, besitzt hingegen eine Konzession, welchenoch für Jahre gültig ist. Der Inn führt wegendieser Entnahmen dem <strong>Auen</strong>gebiet nur eine bescheideneGeschiebemenge zu, <strong>und</strong> deshalbwird sein Längsgefälle im <strong>Auen</strong>bereich kleiner bleibenals im ursprünglichen Zustand. Als Folge derEntnahmen hat sich der Inn auch eingetieft, <strong>und</strong>die angrenzenden Gebiete sind zu Flussterrassengeworden. Hier wurde entsprechend der aktuellenSohle eine neue Referenzfläche definiert, aufder über einer grossen Breite wieder eine alluvialeDynamik möglich ist. Durch den entsprechendenAbbau der Terrassen wurde letztmals ein gewissesAbbauvolumen frei.Reussdelta (Objekt Nr. 105, UR): Durch dieKorrektion im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert wurde die Reuss kanalisiert<strong>und</strong> die Mündung in den Urnersee sukzessivemit zwei Dämmen weit in den See hinausgeschoben.Durch das Reussdeltaprojekt wurde dieMündung an die heutige Uferlinie zurückgenommen<strong>und</strong> das Gerinne auf den letzten ca. 500m inder Form eines Deltas aufgeweitet. Das Delta stösstnun sehr langsam wieder vor, wodurch sich imaufgeweiteten Bereich eine hohe alluviale Dynamikergeben hat.Engstlige: Bim Stei – Oybedli (Objekt Nr. 78,BE): Am Ende des <strong>Auen</strong>gebiets beim Übergang indie kanalisierte Strecke der Engstlige durch Frutigenwird <strong>Kies</strong> entnommen. Als Folge übermässigerEntnahmen hat sich die Engstlige oberhalb des<strong>Kies</strong>werks stark eingetieft. Da auch in Zukunft derGeschiebeaustrag nach Frutigen im Interesse desHochwasserschutzes begrenzt werden muss, wirddie ursprüngliche Sohle im unteren Teil des <strong>Auen</strong>gebietsnicht mehr erreicht. Es wurde eine neueSohle im Bereich des <strong>Kies</strong>werks <strong>und</strong> oberhalb davondefiniert. Um diese herzurichten, kann einegrössere Terrasse abgebaut werden.Chandergrien (Objekt Nr. 70, BE): Das Kanderdeltaist eines von nur zwölf Flussdeltas vonnationaler Bedeutung. Damit der <strong>Kies</strong>abbau nichtdie Ziele des <strong>Auen</strong>schutzes gefährdet, bestehenverschiedene Auflagen: Die Kanderkies AG darf nureine beschränkte Menge <strong>Kies</strong> pro Jahr fördern,davon nur einen kleinen Teil aus dem eigentlichenDelta, den Rest aus der Seefläche. Es wurden fernerjahreszeitliche Staffelungen zum Schutz der Fische,Sicherheitsabstände zum Ufer <strong>und</strong> Schutzzonenfestgelegt.Der ganze Deltabereich wird mit den Einnahmen aus demseeseitigen Materialabbau geschützt <strong>und</strong> aufgewertet :Reussdelta, UR (Foto: Ottomar Lang).Durch die Rücknahme der Mündung können aberauch jene Geschiebemengen, welche die Reussnach der Korrektion von 1850 bis etwa 1900 imSee abgelagert hat, zur Baggerung freigegeben werden.Dadurch konnte das wirtschaftliche Überlebendes Unternehmens gesichert werden, welchesauch das ganze Projekt finanziert hat.Die Abbauzone liegt ausserhalb des Reussdeltas<strong>und</strong> der Abbau erfolgt unter Wasser. Im kantonalenReussdeltagesetz vom 1. 1. 1986 sind gr<strong>und</strong>sätzlicheBestimmungen zum Naturschutz formuliert.Ebenfalls in diesem Gesetz ist festgehalten,dass ein Viertel der Einnahmen des Kantons <strong>und</strong>der Korporation Uri aus der Konzession für die <strong>Kies</strong>ausbeutungim Urnersee für die Schutz- <strong>und</strong> Förderungsmassnahmenim Sinne dieses Gesetzes zuverwenden ist. Die Konzessionsabgabe beträgt derzeitFr. 1.25 pro m 3 abgebautes <strong>Kies</strong>, was ca. 3 MioFr. pro Jahr ergibt. Das Schutzgebiet wird durcheine vom Regierungsrat gewählte Kommission, die«Reussdeltakommission», verwaltet.


<strong>Auen</strong> <strong>und</strong> <strong>Kies</strong> 11Tote Reuss – Alte Reuss (Objekt Nr. 88, AG):<strong>Kies</strong>abbau kann bewusst auch als Revitalisierungsmassnahmeeingesetzt werden. Pro Natura zumBeispiel will in Zusammenarbeit mit einem <strong>Kies</strong>-Unternehmer in Fischbach-Göslikon (AG) in Anschlussan das <strong>Auen</strong>objekt eine r<strong>und</strong> 12-15 hagrosse neue <strong>Auen</strong>landschaft schaffen. Im Rahmendes Projekts «Letzi» sollen in mehreren Etappenr<strong>und</strong> 4 Mio m 3 <strong>Kies</strong> abgebaut werden. Der Abbausoll bis auf das Niveau der Reuss erfolgen. BeiHochwasser würde die Reuss das Gebiet wiederüberfluten. Ein neuer primärer Standort würdeentstehen.Pfynwald (Objekt Nr. 133, VS): Die Revitalisierungdes <strong>Auen</strong>gebiets ist eine der ökologischenErsatzmassnahmen für den Bau der Autobahn A9durch den Pfynwald. Die Verbreiterung des Gerinnesdurch Versetzen oder Aufheben von Dämmen<strong>und</strong> Installationen bedingt ein neues Hochwasserschutzkonzept.Die reduzierte Transportfähigkeitdes Flusses aufgr<strong>und</strong> einer Wasserentnahme oberhalbdes Objekts wird durch die Entnahme von<strong>Kies</strong> kompensiert.Der <strong>Kies</strong>abbau soll die zu hohe Sohle im oberenTeil des <strong>Auen</strong>gebiets absenken, um das Risiko einerunkontrollierten Überflutung zu reduzieren.Eine künftige Anhebung der Sohle durch den massivenMaterialeintrag aus dem Illgraben muss verhindertwerden. Die <strong>Kies</strong>entnahme soll zudem dieLage des Hauptgerinnes steuern, falls der Fluss diedefinierten Grenzen der Überschwemmungszoneüberschreitet.Bis 1994 wurde an drei fixen Stellen <strong>Kies</strong> abgebaut.Seither wird in einem Pilotversuch jedes Jahr einEntnahmeprogramm vorbereitet. Zusätzlich zuden fixen Abbaustellen wird neu an wechselndenOrten Geschiebe direkt aus dem Flussbett entnommen.Entnahmestellen <strong>und</strong> zu respektierende Rahmenbedingungensind anhand von photogram-La Sarine près Château d'Oex (Objekt Nr.68, VD): In diesem hochgelegenen Objekt entlangder Waadtländer Saane unterhalb vonChâteau d’Oex wird durch eine Schlucht Geschiebein das <strong>Auen</strong>gebiet gebracht. Die Gemeinde beauftragtejeweils ein Unternehmen, das <strong>Kies</strong> fürdie Bedürfnisse der Gemeinde abzubauen.Wiederholte Materialentnahmen verursachten einDefizit an Geschiebe. Dies führte zur Eintiefungder Gewässersohle, zur Stilllegung von Nebenarmen<strong>und</strong> zur Austrocknung des <strong>Auen</strong>waldes. DieBestände des Flussuferläufers, eines typischen <strong>Auen</strong>vogels,nahmen ab.Nach einer besonders grossen Entnahme 1993 <strong>und</strong>den darauffolgenden negativen Reaktionen derNaturschutzorganisationen hat der Kanton Waadtkeine weiteren Entnahmebewilligungen mehr erteilt.Schon wenige Jahre später hat sich das <strong>Auen</strong>gebietweitgehend regeneriert.Ein Pilotversuch liefert die Gr<strong>und</strong>lagen zur Festlegung derEntnahmemethoden <strong>und</strong> der künftigen Abbaumengen:Pfynwald, VS (Foto: <strong>Auen</strong>beratungsstelle).metrischen Aufnahmen <strong>und</strong> naturk<strong>und</strong>lichenKartierungen festgelegt. Die Auswirkungen vonverschiedenen Entnahmemethoden <strong>und</strong> -profilenauf biologische, hydrologische <strong>und</strong> landschaftlicheFaktoren werden untersucht. Dank dieser Wirkungskontrollekönnen im folgenden Jahr Anpassungenvorgenommen werden.


<strong>Auen</strong> <strong>und</strong> <strong>Kies</strong> 12Die Resultate dieser Pilotphase werden die Gr<strong>und</strong>lagenliefern, um die Absenkungskote der Sohle<strong>und</strong> die jährlichen Abbaumengen im definitivenProjekt festzulegen. Gleichzeitig wird eine umfassendeErfolgskontrolle aufgebaut.Aergera: Plasselb – Marly (Objekt Nr. 61, FR):Die Brücke über die Aergera auf der Höhe von Plasselbbefindet sich in einer natürlichen Auflandungsstrecke.Durch die zusätzliche starke Reduktionder Flussbreite bei der Brücke entstehen mächtige<strong>Kies</strong>bänke. Damit die Brücke nicht aufgefülltwird, ist eine regelmässige <strong>Kies</strong>entnahme notwendig.Auf Gr<strong>und</strong> einer Geschiebehaushaltsstudiewurde ein Kontrollsystem aufgebaut: drei Referenzliniensind auf den Brückenf<strong>und</strong>amenten farbigmarkiert. Wenn zwei der drei Linien vom Geschiebeerreicht sind, kann eine Entnahme bewilligtwerden. Im Frühling 1999 war dies der Fall, <strong>und</strong>eine einmalige Bewilligung zur beschränkten <strong>Kies</strong>entnahmewurde erteilt.Die Gesamtplanung des <strong>Auen</strong>objekts sieht längerfristigvor, die Brücke an eine weniger sensible Stellezu versetzen oder sogar deren Aufhebung.LiteraturAngehrn W., Annen B., Durrer W. et al., 1993:Naturschutz <strong>und</strong> <strong>Kies</strong>abbau. Richtlinie für dieNaturschutzarbeit im <strong>Kies</strong>gewerbe. SchweizerischerFachverband für Sand <strong>und</strong> <strong>Kies</strong>, Nidau.Gallandat J.-D., Gobat J.-M., Roulier C., 1993: Kartierungder <strong>Auen</strong>gebiete von nationaler Bedeutung.Schriftenreihe Umwelt Nr. 199. B<strong>und</strong>esamt fürUmwelt, Wald <strong>und</strong> Landschaft (BUWAL), <strong>Bern</strong>.Jäggi M., 1983: Alternierende <strong>Kies</strong>bänke. Mitteilungder Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie <strong>und</strong>Glaziologie der ETH Zürich, Nr. 62.Jäggi M., 1992: Sedimenthaushalt <strong>und</strong> Stabilität vonFlussbauten. Mitteilung VAW, Nr. 119.Jäggi M., 1992: Flussbauliche Probleme an Mündungen.Fachtagung Flussmündungen in Seen <strong>und</strong>Stauseen. Verbandschrift Nr. 52 des SchweizerischenWasserwirtschaftsverbandes, Bregenz.Keller P.M., 1998: Nutzungskonflikte in <strong>Auen</strong>gebieten.Umweltschutz in der Praxis, Band 12 Heft 2 derVereinigung für Umweltrecht, Zürich.Kern K., 1994: Gr<strong>und</strong>lagen naturnaher Gewässergestaltung.Springer-Verlag, Berlin.Lang O., 1992: Landschaftsentwicklungsplan Reussdelta,Revitalisierung der Flussmündung. FachtagungFlussmündungen in Seen <strong>und</strong> Stauseen. VerbandschriftNr. 52 des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes,Bregenz.Teuscher F., 1998: Zum Konfliktbereich <strong>Kies</strong>gewinnung<strong>und</strong> <strong>Auen</strong>schutz. Umweltrecht in der Praxis, Band2 Heft 12 der Vereinigung für Umweltrecht, Zürich.Teuscher F., Roulier C., Lussi S., 1995: Vollzugshilfe zur<strong>Auen</strong>verordnung. Vollzug Umwelt. B<strong>und</strong>esamt fürUmwelt, Wald <strong>und</strong> Landschaft (BUWAL), <strong>Bern</strong>.Weitere Titel zum Thema «<strong>Auen</strong> <strong>und</strong> <strong>Kies</strong>» sind beider <strong>Auen</strong>beratungsstelle verfügbar.Autorinnen <strong>und</strong> AutorenFranziska TeuscherSabine TschäppelerMartin Jäggi (Aspekte Geschiebehaushalt)Peter M. Keller (Rechtliche Aspekte)Mit Hilfe eines Kontrollsystems wird der Zeitpunkt der <strong>Kies</strong>entnahmezum Schutze der Brücke festgelegt: Aergera, FR(Foto: Martin Jäggi).KontaktadressenKoordination <strong>Auen</strong>schutz im BUWALBéatrice Werffeli, BUWAL, 3003 <strong>Bern</strong>Tel. 031 322 93 67, Fax 031 324 75 79beatrice.werffeli@buwal.admin.chwww.buwal-natur.ch<strong>Auen</strong>beratungsstelleStephan Lussi, Franziska TeuscherElisabethenstrasse 51, 3<strong>01</strong>4 <strong>Bern</strong>Tel. 031 331 38 41, Fax 031 331 71 08auenberatung@naturaqua.chBezugFaktenblatt Nr. 1: <strong>Auen</strong>beratungsstelle<strong>Auen</strong>dossier: BBL/EDMZ, 3003 <strong>Bern</strong>Bestellnummer: 310.709dAusgabe 20<strong>01</strong>

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