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Peter Paleczek beschäftigt sich in seinem Beitrag zum ...

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<strong>Peter</strong> <strong>Paleczek</strong> beschäftigt <strong>sich</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em <strong>Beitrag</strong> <strong>zum</strong> Gedächtnisabend für Thomas Bernhardmit den Lese- und Exkursionsritualien der Passauer Thomas Bernhard- Freundeund vor allem mit der Bedeutung der 2004 abgerissenen Passauer Nibelungenhalle als idealemAufführungsort von Thomas Bernhards „Der Theatermacher“ und se<strong>in</strong>em Weg zur Identifikationund Realisierung der Rolle des Staatsschauspielers Bruscon.Im ersten Teil se<strong>in</strong>es <strong>Beitrag</strong>e, der <strong>sich</strong> auf das 10-jährige Jubiläum, das die Passauer Thomas BernhardFreunde bezieht, beschäftigt <strong>sich</strong> <strong>Peter</strong> <strong>Paleczek</strong> mit dem mechanisieren Leseritual sowie mitgewissen Marotten der Passauer Thomas Bernhard- Freunde, wie sie auf den Exkursionen „Aufden Spuren von Thomas Bernhard“ zu beobachten s<strong>in</strong>d.Im zweiten umfangreicheren Teil legt <strong>Peter</strong> <strong>Paleczek</strong> dann dar, welche, se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nersten Existenzbetreffende Bedeutung die 2004 abgerissene Passauer Nibelungenhalle als Aufführungsort u.a.von Theaterstücken für ihn hatte. Dabei wird ihm der Besuch des Gastspiels der MünchenerKammerspiele mit e<strong>in</strong>er Aufführung von Thomas Bernhards „Der Theatermacher“ mit LambertHamel <strong>in</strong> der Rolle des Staatsschauspielers Bruscon und der Regie von Hans Lietzau <strong>in</strong> der fürdiese Inszenierung idealen Nazi- Halle <strong>zum</strong> späten, aber nicht zu späten Schlüsselerlebnis.<strong>Peter</strong> <strong>Paleczek</strong> erkennt <strong>sich</strong> dabei selbst <strong>in</strong> der Figur des Theatermachers. Se<strong>in</strong> Theaterlebenskreislaufhatte <strong>sich</strong> geschlossen. Se<strong>in</strong> Weg hatte ihn von se<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheitstheaterbühne <strong>in</strong> der elterlichen Wohnungfolgerichtig über die Nibelungenhallenmonsterbühne und die Nicht- Bühne des GasthausesKiener im oberösterreichischen Atzbach zu se<strong>in</strong>er für ihn idealen M<strong>in</strong>i- Existenzbühne im GasthausHolzapfel am Rande des Sauwaldes geführt.Dort zelebrierte er <strong>in</strong> Münzkirchen, wie die Theaterfreunde wissen, mit Sepp Meißner und dem Text-Präparator Robert Braunersreuther <strong>in</strong>zwischen schon <strong>zum</strong> sechsten Mal unter dem Titel „Blutwursttag<strong>in</strong> Utzbach“ e<strong>in</strong>e Version von Thomas Bernhards unsterblicher Tragikomödie „Der Theatermacher“ mithalber Textmenge, aber vollständiger Stücksubtanz.<strong>Peter</strong> <strong>Paleczek</strong>, <strong>Beitrag</strong> anlässlich der Thomas Bernhard Hommage im Scharfrichter am 12.02.09Nicht nur des 20. Todestages von Thomas Bernhard, sondern auch des 10-jährigen Bestehens se<strong>in</strong>erNachfolge- und Selbsthilfegruppe, der sogenannten Passauer Thomas B. Freunde, will ich heute gedenken.Die Thomas Bernhard Freunde haben das Scharfrichterhaus als Ort ihrer heutigen Hommagegewählt. Ob sie wussten, was sie taten? Wenn ja, dann war es mutig, wenn nicht, dann werden sie esvielleicht bereuen. Denn das Scharfrichter ist bekanntlich e<strong>in</strong>e Schädelstätte und wer „das hier überlebt“,me<strong>in</strong>t der Waldprophet Mühlhiasl, muaß an eisernen Kopf homm“, e<strong>in</strong>e Ankündigung, die andiesem Ort nicht darauf zu beziehen ist, wenn „d' Russen kommen“, sondern darauf, wenn die Satirekommt, wobei ich natürlich bzw. naturgemäß nicht so vermessen b<strong>in</strong>, zu glauben, ich könne die hiergesetzten Ansprüche an dieselbe erfüllen. Ich me<strong>in</strong>e mehr den ersten Teil me<strong>in</strong>es <strong>Beitrag</strong>e, der <strong>sich</strong>mehr auf das 10-jährige Jubiläum, das die Passauer Thomas Bernhard Freunde bezieht.Zweimal im Jahr. <strong>in</strong> zunehmend ansprechender Passauer Räumlichkeit - am Anfang waren es nochmehr die Kneipen, wie das Hoffragner, das Altstadtcafe und sonstige Kaschemmen, mittlerweile nach10 Jahren s<strong>in</strong>d es die Staatsbibliothek und ähnliche Geistesorte - wo sogeannte Thomas Bernhard-„Volltextlesungen“ stattf<strong>in</strong>den, deren Leseumfang <strong>sich</strong> auf mehrere Leser und Leser<strong>in</strong>nen verteilenund welche <strong>sich</strong> teilweise erheblich <strong>in</strong> ihrer Art und Weise, wie gelesen wird, unterscheiden. In zweiPunkten aber besteht völlige Gleichheit. Erstens hat jeder Vorleser, dessen weibliche Variante, imÜbrigen bei der letzten Lesung <strong>in</strong> gerade genannter Staatsbibliothek fehlte – e<strong>in</strong>e beklagenswerte Entweiblichungder Vorleserschaft im 10. Jahr des Bestehens der T.B. Freunde - die gleiche Textmenge zubewältigen. Letztere ist umso größer, je umfangreicher das, zur Lesung anstehende Prosawerk ist,wobei die vorzulesende Anzahl der Seiten wiederum von deren Zeilenzahl abhängig ist und ob es <strong>sich</strong>um e<strong>in</strong>e Suhrkamp oder Residenzverlagseite handelt. Zweitens hat jeder Vorleser naturgemäß beigleicher Textmenge die exakt gleiche Zeit zur Verfügung. Bei aller Tolerierung <strong>in</strong>dividell <strong>sich</strong> unterscheidenderVorleseweise, sowohl was die Lautstärke und das Lesetempo betreffen, als auch den Ton,


den Legato- oder Liegl- Ton oder anderweitige Varianten, sei es der von Pausen unterbrochene, <strong>in</strong>kataraktischen Schüben vorwärtsdrängende oder der stakkatoartig dah<strong>in</strong>spr<strong>in</strong>gende oder e<strong>in</strong>er durchVersprecher immer wieder und stets aus dem Text h<strong>in</strong>ausgeworfene Lesevortrag: Für alle gilt diegleiche, genau auf die M<strong>in</strong>ute, unter allen Umständen e<strong>in</strong>zuhaltende Lesezeit.Wird diese entsprechend der Textmenge zulässige Zeit überschritten, ist man fast schon aus demRennen, was um so stärker der Fall ist, je mehr überzogen wurde. Die E<strong>in</strong>haltung dieser jedem exaktzustehenden Zeit basiert nicht nur auf dem Grundsatz der alle verpflichtenden Gleichheit, sie sprengtmöglicherweise durch das aus die Rück<strong>sich</strong>tslosigkeit oder Nachlässigkeit darüber H<strong>in</strong>auslesen den fürdie gesamte Lesung festgelegten Zeitrahmen, da die Folgeleser <strong>in</strong> Verzug geraten und die Gesamtvorlesezeit<strong>sich</strong> verlängert, Das eigentlich Entscheidende dabei ist, dass die exakte E<strong>in</strong>haltung derfür e<strong>in</strong>en bestimmte Textumfang bemessenen Zeit das eigentliche Kriterium höchster TB- Lesekunstdarstellt und je größer die Abweichung von der festgelegten M<strong>in</strong>utenzahl ist, destodilettantischer und unzureichender ist der Lesevortrag.E<strong>in</strong>e nach Zeit bemessene Lesebewertung, die wohl dar<strong>in</strong> ihre Ursache hat, dass der für die OrganisationVerantwortliche, unser allseits geschätzter T. Bernhard Pr<strong>in</strong>zipal AF, der heute von mir deswegenauch und gerade <strong>zum</strong> 10 jährigen scherzhaft ALF genannt - früher mal neben dem Fach Deutsch bzw.Deutsche Literatur auch das Fach Sport unterrichtete, bei dem Zeitmessungen e<strong>in</strong> wesentliches Kriteriumder Leistungsbewertung waren.Die unter dem Sammelbegriff Passauer Thomas Bernhard Freunde bekannte TB Volltextlesegruppeliest nicht nur den Bernhard, sie besucht ihn auch, wenn auch erst nach se<strong>in</strong>em Tod, weil <strong>sich</strong> dasder Thomas Bernhard .wegen. se<strong>in</strong>er allseits bekannten Menschenliebe zu Lebzeiten verbeten hätte,weshalb ja erst viele nach se<strong>in</strong>em Tod mit ihm Freund se<strong>in</strong> konnten und <strong>sich</strong> getrost TB- Freundenennen durften. Diese s<strong>in</strong>d ihm deshalb, nachdem er tot ist, ständig auf den Fersen und suchen die Ortund Plätze auf, wo der B. gelebt hat und all die Texte geschrieben hat, die an den sog. Thomas BernhardLesewochen gelesen werden. Mit e<strong>in</strong>em Reisebus der Firma Niedermayer, der neben Urlaubernauch immer wieder Wallfahrer befördert, fährt die TB- Lesegeme<strong>in</strong>de dann über den Inn, rüber nachÖsterreich <strong>in</strong> den Hausruck, <strong>in</strong> das nördliche Salzkammergut, wo der Bernhard gelebt und geschriebenhat. E<strong>in</strong>er dieser Lebens- und Schreiborte ist der der sog. Vierkanthof <strong>in</strong> Obernatal bei Ohlsdorf,e<strong>in</strong>er der Immobilien, die <strong>sich</strong> der TB von se<strong>in</strong>em vielen Geld, das er <strong>sich</strong> mit se<strong>in</strong>en Büchern, ausdenen die TB Freunde vorlesen, und se<strong>in</strong>en Stücken, wie den Theatermacher, den wir jetzt schon fastjedes Jahr im Gasthaus Holzapfel <strong>in</strong> Münzkirchen spielen, gekauft hat.Vor diesem Obernataler Vierkanthof stehen sie manchmal, die TB- Freunde und starren ihn an, gehenm<strong>in</strong>destens dreimal um ihn herum und schauen durch die ebenerdigen Fenster des Thomas BernhardVierkanthofes um, im Wesentlichen das gleiche zu sehen zu bekommen, was auch die Japaner sehen,wenn sie das Mozarthaus <strong>in</strong> Salzburg <strong>in</strong> der Getreidegasse besuchen. E<strong>in</strong> andermal g<strong>in</strong>g es nach e<strong>in</strong>eröffentlichen Lesung der autobiografischen Erzählung „Der Keller“ nach Salzburg. Dort wurde dannBernhards ehemaliger Schulweg, die auf diesen Bezug nehmende Textstelle lesend- abgegangen –wobei <strong>sich</strong> die Lesegeme<strong>in</strong>de darüber une<strong>in</strong>s war, wie viele Pflasterste<strong>in</strong>e noch abzugehen s<strong>in</strong>d, bis zuder Stelle, wo schließlich B. damals stehen blieb und <strong>in</strong> die entgegengesetzte Richtung lief, weil ernicht mehr <strong>in</strong> das „verhasste Gymnasium“, sondern <strong>in</strong> die „ihn rettende Lehre“ gehen wollte.Es ist anzunehmen, dass die Aufsuchung e<strong>in</strong>es Ortes, e<strong>in</strong>es sog. Literarischen Ortsterm<strong>in</strong>s, welcher <strong>in</strong>unmittelbarem authentischem Bezug zu dem Prosatext, der gerade <strong>in</strong> Volltextform gelesen wurde,durch die Vollwahrnehmung der örtlichen Gegebenheiten und der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Textstellen vorkommendentopographischen Bezüge dem TB- Freund e<strong>in</strong>e Art Thomas Bernhard- Flash verschafft, wenn er,gewissermaßen auf geheiligtem Land den Spuren des TB folgt und das empf<strong>in</strong>det, was <strong>sich</strong> mit demzugestandermaßen h<strong>in</strong>kenden, aber doch nicht unzutreffenden Vergleich e<strong>in</strong>er katholischen Verzückung<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung br<strong>in</strong>gen lässt. Dabei möchte ich den Term<strong>in</strong>us katholische Verzückung nochmals aufnehmenund ihn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en größeren historischen Zusammenhang stellen und zwar zu BernhardsNamensvetter, dem anderen Bernhard, dem von Clairvaux, der damals vor 900 Jahren e<strong>in</strong>e ungeheureBegeisterung auslöste, und e<strong>in</strong>e große Anhängerschaft h<strong>in</strong>ter <strong>sich</strong> versammelte, allerd<strong>in</strong>gs zu e<strong>in</strong>emanderen Zweck als den, weswegen die Thomas Bernhard Freunde <strong>sich</strong> auf literarische Pilgerschaftbegeben.Damit möchte ich überleiten zu e<strong>in</strong>em Ort, der heute „Neue Mitte“ heißt und bevor er so hieß, eben-

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